Personalmanagement in Hochschule und Wissenschaft
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Personalmanagement in Hochschule und Wissenschaft
Prof. Dr. Ada Pellert/Andrea Widmann Personalmanagement in Hochschule und Wissenschaft Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 2011 Impressum Autor: Prof. Dr. Ada Pellert / Andrea Widmann Herausgeber: Prof. Dr. Anke Hanft, Universität Oldenburg, Fakultät I Bildungs- und Erziehungswissenschaften, Arbeitsbereich Weiterbildung und Bildungsmanagement (we.b) Auflage: 3. überarbeitete Auflage 2011 (Erstausgabe 2004) Redaktion: Uda Lübben Layout, Gestaltung: Andreas Altvater Copyright: Vervielfachung oder Nachdruck auch auszugsweise zum Zwecke einer Veröffentlichung durch Dritte nur mit Zustimmung der Herausgeber, 2011 ISSN: 1862 - 2712 Oldenburg, März 2011 Prof. Dr. Ada Pellert Hauptarbeitsgebiete Universitätsmanagement Qualitätssicherung Personal- und Organisationsentwicklung Prof. Ada Pellert (1962) ist a.o. Univ.-Professorin für Organisationsentwicklung für Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen an der Universität Klagenfurt. Akademischer Werdegang: Ada Pellert studierte von 1980 bis 1985 Betriebswirtschaftslehre (1985 Mag. rer. soc.oec; 1987 Dr. rer.soc.oec.) in Graz und Wien; 1998 habilitierte sie sich im Bereich Organisationsentwicklung für Wissenschafts- und Bildungsinstitutionen. Autorin und Herausgeberin von mehreren Büchern und mehr als 50 facheinschlägigen Artikeln zum Thema Hochschulentwicklung und Hochschulmanagement (z. B. „Die Universität als Organisation. Die Kunst Experten zu managen“/1999 oder (gem. mit Manfried Welan) „Die formierte Anarchie. Die Herausforderung der Universitätsorganisation“/1995. Als Referentin, Trainerin und Beraterin im In- und Ausland im Bereich Hochschulentwicklung (u.a. auch für die Deutschen Rektorenkonferenz und den Deutschen Wissenschaftsrat) tätig. In den letzten 15 Jahren über 90 Vorträge an vielen in- und ausländischen Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen, Mitglied international besetzter Evaluierungsteams. Von 1999-2003 war Ada Pellert Vize-Rektorin für Lehre, Personalentwicklung, Frauenförderung an der Universität Graz. Weitere Tätigkeiten außerhalb der Universität: Mitglied von Beiräten und Arbeitsgruppen der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kunst (z.B. frauenpolitischer Beirat, Steuerungsgruppe Neue Medien in der Lehre, Kuratorium der Donauuniversität); Auftragforschungsprojekte des BMBWK und einschlägige EU-Projekte (z.B. Evaluation des Auf- und Ausbaus der österreichischen Fachhochschulen oder der Internationalisierung der Universitäten). Seit 1990 als Weiterbildnerin für Hochschullehrende tätig (z.B im Rahmen des Weiterbildungsprogramms “Vernetzung und Widerspruch“, Leitung des Universitätslehrgangs „Hochschulmanagement“); Sprecherin von AUCEN, dem Netzwerk für universitäre Weiterbildung und Personalentwicklung der österreichischen Universitäten. E-Mail: [email protected] Mag. Andrea Widmann Hauptarbeitsgebiete Personalentwicklung Teamentwicklung und -beratung Soziale Kompetenz, Kommunikation Mag. Andrea Widmann ist Personalentwicklerin an der Universität Graz und mitverantwortlich für den Aufbau eines professionellen Personalmanagements an der seit 2004 vollrechtsfähigen österreichischen Universität. Akademischer Werdegang: Andrea Widmann (1970) studierte von 1993 bis 1999 Betriebspädagogik und Erwachsenenbildung in Klagenfurt, Studienabschluss mit einer Arbeit über Alternative Ökonomie und Alternative Personalentwicklung am Institut für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung. Weiterbildung zur systemischen Team- und Organisationsentwicklerin von 2002 bis 2003 am Hernstein Management Institut. (http://www.hernstein.at ). Seit Ende 2000 als Personalentwicklerin an der Universität Graz tätig, außerdem Mitarbeit in interuniversitären Weiterbildungsprojekten im Bereich Neue Medien (http://www.planet-et.at) und Hochschulmanagement (http://www.hochschulmanagement.at ), Referentin im Rahmen der Sommerschule Universitätsmanagement. Weitere Tätigkeiten außerhalb der Universität: Von 1997 bis 2000 war Andrea Widmann als Personalberaterin tätig und begleitete zahlreiche Profit- und Non-Profit-Organisationen in den Bereichen Personalsuche und -auswahl. E-Mail: [email protected] INHALT EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL .................................................. 8 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE ......................... 12 1.1 Aktuelle Herausforderungen ............................................ 13 1.1.1 Die Bedeutung des Personalmanagements für die Gesamtentwicklung ...................................................................16 1.1.2 Der Kontext des New Public Managements ..............................18 1.1.3 Grundkonsens und die Verknüpfung mit der Ziel- und Strategiediskussion ..................................................................................19 1.1.4 Strukturen, Prozesse und Einstellungen .....................................21 1.2 Die Besonderheiten von Bildungseinrichtungen als Organisationen................................................................. 23 1.2.1 Beispiel „Universität als Organisation“ .......................................26 1.2.2 Der Abschied von traditionellen Leistungsvorstellungen in Bildungsorganisationen .................................................................28 1.3 Aktuelle Personalstruktur ................................................. 35 2. AUFGABEN UND FUNKTIONEN ................................ 47 2.1 WAS – Definiton und Begriffe ........................................... 48 2.2 WOFÜR – Ziele des Personalmanagements .................... 49 2.3 WER – Träger des Personalmanagements ...................... 50 2.3.1 Organisation des Personalmanagements ..................................51 2.4 FÜR WEN – Zielgruppen ................................................... 53 3. FELDER DES PERSONALMANAGEMENTS ............... 56 3.1 Personalplanung .............................................................. 57 3.1.1 Erhebung und Darstellung der IST-Situation im Personalbereich .......................................................................................60 3.1.2 Der zweite Schritt im Planungsprozess ist die Formulierung eines SOLL Zustandes ...............................................................63 3.1.3 Maßnahmenplanung ..................................................................66 3.1.4 Begleitung von Umsetzungsschritten ........................................67 3.2 Personalgewinnung ......................................................... 69 3.2.1 Mögliche Personalmarketingmaßnahmen .................................71 3.2.2 Instrumente der Personalgewinnung .........................................72 3.2.3 Personalauswahl ........................................................................75 3.3 Personalerhaltung – Führung, Arbeitszeit und Entgeltgestaltung ............................................................. 80 3.3.1 Personalführung .........................................................................80 3.3.2 Arbeitszeitgestaltung .................................................................95 3.3.3 Entgeltsysteme und Anreizmodelle ...........................................98 3.4 Personalbeurteilung ....................................................... 104 3.4.1 Beurteilungsverfahren ..............................................................106 3.4.2 Karriereentwicklungen an Universitäten ................................... 111 3.4.3 Neue Laufbahnmodelle im Bildungsbereich ............................112 3.4.4 Leistungskriterien ..................................................................... 115 3.4.5 Karrieretypen ........................................................................... 121 3.5 Personalentwicklung...................................................... 124 3.5.1 Zielgruppe der Personalentwicklung ........................................125 3.5.2 Einführung neuer MitarbeiterInnen ...........................................128 3.5.3 MitarbeiterInnen-Förderung .....................................................131 3.5.4 Aus- und Weiterbildung ...........................................................134 3.5.5 Personalfreisetzung..................................................................139 3.6 Querschnittsbereiche des Personalmanagements ....... 141 3.6.1 Arbeitsrecht..............................................................................141 3.6.2 Personalverwaltung und Personalinformationssysteme ...........147 3.6.3 Personalcontrolling ...................................................................153 4. AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN ...................... 159 4.1 Entwicklung einer Personalstrategie ............................. 160 4.2 Adäquate Laufbahnmodelle ........................................... 164 4.3 Organisationsentwicklung ............................................. 168 4.3.1 OE als ein Konzept zur Gestaltung von organisatorischen Veränderungsprozessen.............................168 4.3.2 Organisationsentwicklung als Organisationswerdung ..............169 4.4 Etablierung von Personalentwicklung ........................... 172 4.5 Aufnahmeprozesse ........................................................ 175 4.6 Führungskräfteentwicklung ........................................... 177 4.7 Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ....... 180 4.8 Gender Mainstreaming .................................................. 182 4.9 Die Professionalisierung der Verwaltung ....................... 185 5. SCHLUSSBETRACHTUNGEN ................................. 187 ANHANG A6 LITERATURVERZEICHNIS ....................................... 192 A7 LINKVERZEICHNIS ................................................ 199 A8 GLOSSAR ............................................................... 200 A9 SCHLÜSSELWORTVERZEICHNIS ........................... 206 EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL Personalmanagement ist in den wenigsten Hochschulen im deutschsprachigen Raum tatsächlich etabliert. Es dominiert Personverwaltung in den staatlich vorgegebenen Bahnen, da und dort sind schon erste Bemühungen im Bereich der Personalentwicklung gegeben. Wer sich auf die Herausforderungen des Personalmanagements in Bildungsorganisationen vorbereiten möchte, sollte sich einerseits mit den klassischen Instrumenten des Personalmanagements beschäftigen und andererseits mit den spezifischen Besonderheiten und Spannungsfeldern von Bildungsorganisationen. Beides versucht dieser Band daher zu vermitteln. Insbesondere werden auch die Notwendigkeit von Organisationsentwicklung sowie die besonderen Bedingungen von Führen und Leitung in Bildungsorganisationen thematisiert, da es in dieser Pioniersituation des Personalmanagements vor allem auch darum geht, überhaupt die entsprechenden Voraussetzungen für Personalmanagement zu schaffen. Es soll ein Überblick über die Zielsetzungen und Aufgaben sowie Träger und Zielgruppen des Personalmanagements in Hochschulen gegeben sowie die institutionellen Rahmenbedingungen des Personalmanagements (z.B. arbeitsrechtlicher Art) beleuchtet werden. Die Erarbeitung der Anforderungen an die Personalplanung sowie die Ausformulierung einer Personalstrategie und -politik sind für die meisten Bildungseinrichtungen neue Aufgaben. Potentielle Wege, aber auch Schwierigkeiten dieser Aufgaben in einer Zeit der Transformation der meisten Hochschulorganisationen werden diskutiert. Das erste Kapitel ist dem Blick auf den Status Quo in Bildungsorganisationen und damit den Ausgangs- und Ansatzpunkten des Personalmanagements gewidmet; thematisiert werden die aktuellen Herausforderungen, die organisatorischen Besonderheiten von Bildungsorganisationen und die ambivalente Haltung gegenüber Fragen von Leitung und Management - einer besonders schwierigen Rahmenbedingung - sowie die spezifischen Personalkategorien in Bildungsorganisationen. Nach der Bearbeitung des ersten Kapitels sollten Sie: verstehen, warum Personalmanagement eine wichtige Anforderung an Bildungsorganisationen ist, die wichtigsten Prinzipien und Anliegen des New Public Managements zusammenfassen können, PERSONALMANAGEMENT 8 EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL die Grundstrukturen von Bildungseinrichtungen als Expertenorganisationen und die Konsequenzen für die Leitung erklären können, EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL einen Blick für die Besonderheiten des Personalbestands sowie die daraus entstehenden spezifischen Spannungsfelder entwickelt haben. Das zweite Kapitel beschreibt einen kurzen Überblick über die Aufgaben und Funktionen von Personalmanagement und zeigt unterschiedliche Erwartungen an die Personalarbeit auf. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie: die Aufgaben des Personalmanagements beschreiben und die Träger und die Organisation des Prozesses sowie die Zielgruppe benennen können. Das dritte Kapitel enthält einen Überblick über die klassischen Felder des Personalmanagements von der Personalplanung und -gewinnung, über die Personalerhaltung und -beurteilung bis zur Personalentwicklung, der Personalverwaltung und dem Personalcontrolling; ebenso wird überblicksartig auf die einzelnen Instrumente der Personalführung (Gestaltung von Entgelt und Arbeitszeit; Feedbacksysteme, horizontale/vertikale Karriereentwicklung) eingegangen. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie: die verschiedenen Bereiche des Personalmanagements unterscheiden können, Instrumente für verschiedenen Bereiche kennen gelernt haben und konkrete Entwicklungsmöglichkeiten in den verschiedenen Bereichen für Ihre Organisation erarbeiten können. Im vierten Kapitel werden Ausgangspunkte für das Personalmanagement in Bildungseinrichtungen beschrieben und innerorganisatorische Ausgestaltungsmöglichkeiten dargestellt. Im letzten Kapitel geht es daher darum, einige zentrale Herausforderungen zu benennen, die die einzelnen Institutionen in einer für sie passenden Weise bearbeiten müssen. In der Schlussbetrachtung wird der Kulturwechsel, den wissenschaftliche Institutionen für die Wahrnehmung ihrer personalrelevanten Gestaltungsrolle, durchleben müssen, ebenso angesprochen wie der bildungspolitische Kontext sowie die innerorganisatorischen Bedingungen für wichtige Veränderungsschritte skizziert. Die größten institutionellen Freiräume sind derzeit an den niedersächsischen Stiftungsuniversitäten, in Nordrhein-Westfalen und den österreichischen Universitäten gegeben, die seit 2004 tatsächlich die Dienstgebereigenschaft besitzen. PERSONALMANAGEMENT 9 EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL Sie sollten - nachdem Sie den gesamten Text durchgearbeitet haben – über Kenntnisse der wesentlichen Zielsetzungen, Funktionen und Instrumente des Personalmanagements verfügen, EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL Grundfertigkeiten bei der Anwendung von Verfahren der Personalgewinnung-, -beurteilung, -erhaltung, -entwicklung haben, eine Analyse der Besonderheiten des Personalmanagements in Bildungsorganisationen vornehmen können sowie die relevanten Fragestellungen des Personalmanagements für den Bereich der Wissenschafts- und Bildungsorganisationen selbstständig formulieren können und zu deren eigenständiger Bearbeitung befähigt sein. Adäquate Formen des Personalmanagements müssen erst in vielen praktischen Schritten gemeinsam erkundet und erprobt werden. Nur dann werden Formen des Personalwesens gefunden werden, die an die spezifische gesellschaftliche Aufgabe und „Produktivität“ der Bildungsorganisationen angepasst sind. Pioniergeist und Experimentierfreude sowie Verständnis für die spezifische Logik des Wissenschafts- und Bildungsbereichs sind damit wichtige Voraussetzungen für eine fruchtbare Beschäftigung mit dem Thema Personalmanagement. Das Modul hat folgenden Aufbau: Die Darstellung des Themas erfolgt in einem Basistext mit Grafiken, Tabellen und ggf. Beispielen, die die strategischen und grundlegenden Zusammenhänge anschaulich machen und das Verständnis erleichtern. Die Schlüsselworte im Anschluss an den Text finden Sie am Ende des Moduls im Glossar erläutert, da diese im Text den Lesefluss stören würden. Sie sollten sich diese Fachbegriffe bei der Durcharbeitung der Texte erarbeiten, weil sie sich von der Alltagssprache unterscheiden. Gleiche Begriffe können in unterschiedlichen Kontexten/wissenschaftlichen Disziplinen eine andere Bedeutung aufweisen. Die Kenntnis beider Sprachstile (betriebswirtschaftliche Fach- und Alltagssprache) vermeidet Verständigungsschwierigkeiten und vermittelt Sicherheit. Aufgaben zur Lernkontrolle finden Sie am Ende jedes Kapitels oder Unterkapitels. Sie helfen Ihnen zu überprüfen, ob Sie das Gelesene auch gelernt haben, d.h. die Inhalte beherrschen. Aufgaben mit Bezug zur eigenen Berufstätigkeit haben die Funktion, Ihre beruflichen Erfahrungen im Kontext des Themas zu reflektieren. Sie sollen einen Bezug zum Gelernten herstellen und es soll Ihnen so ermöglicht werden, sich kritisch mit der Thematik auseinander zu setzen. Literatur zur Vertiefung. Dabei handelt es sich um: PERSONALMANAGEMENT 10 EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL Literatur, die Sie sich ggf. anschaffen oder in der UNI-Bibliothek bestellen können. Aufsätze, die Sie im Internet finden. Internetrecherchen, die Ihnen weitere Informationen ermöglichen. EINLEITUNG UND EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTE MODUL Selbsttest zur Überprüfung des Gelernten auf der Lernplattform. Dieser hat die Funktion Ihre verbliebenen Wissenslücken sowie Unsicherheiten aufzudecken. Bei der Bearbeitung des Moduls wünschen wir Ihnen viel Erfolg. Ada Pellert Andrea Widmann PERSONALMANAGEMENT 11 KAPITEL 1: AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Lernziele des Kapitels: In diesem Kapitel wird auf die aktuellen Bedingungen des Personalmanagements in Bildungseinrichtungen eingegangen. Zunächst werden die Rahmenbedingungen und Herausforderungen skizziert, durch die Personalmanagement überhaupt in Bildungsorganisationen zum Thema wird. Dann werden die Besonderheiten von Bildungseinrichtungen als Organisationen thematisiert. Den Abschluss bildet der Blick auf die konkreten Personalkategorien in Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie: Verstehen, warum Personalmanagement eine wichtige Anforderung an Bildungsorganisationen ist Die wichtigsten Prinzipien und Anliegen des New Public Managements zusammenfassen können Die Grundstrukturen von Bildungseinrichtungen als Expertenorganisationen und die Konsequenzen für die Leitung erklären können Einen Blick für die Besonderheiten des Personalbestands sowie die daraus entstehenden spezifischen Spannungsfelder entwickelt haben. 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN 1.1 Aktuelle Herausforderungen Die Hochschulen des deutschsprachigen Raumes durchleben schon seit einigen Jahren eine intensive Phase gesetzlich verordneter Reformen. Bislang waren die meisten Hochschulen als staatliche Anstalten organisiert. Nun sollen sie sich zu eigenständigen, sich selbst steuernden Organisationen entwickeln, die einen bewussteren Umgang mit knappen Ressourcen einüben, genaue Rechenschaft über ihre Leistungen ablegen und sich selbst Gedanken machen über die Arbeitmarktchancen ihrer Absolventen und Absolventinnen. Diese Reformen sind mit mehreren Kulturbrüchen verbunden: „Experten des Wissens“, wie die Lehrenden, sollen Management erlernen, Beamte nicht verwalten, sondern Strategieentscheidungen vorbereiten, Studierende neben dem Studium ihr Berufsfeld schaffen. Die Wirtschaft nicht nur kritisieren, sondern mitgestalten. Dieser seit einigen Jahrzehnten größte Reformzyklus findet unter der schwierigen Zusatzbedingung einer restriktiven Budgetpolitik statt. Durch die Verbindung von Reformgesetzen und Einsparungszwängen will weder eine offensive staatliche Wissenschafts- und Bildungspolitik noch ein entsprechendes Reformklima an den Universitäten entstehen. Der stattfindende Strukturwandel in Richtung Wissensgesellschaft lässt dabei die Aufmerksamkeit für wissensproduzierende und aus- und weiterbildende Organisationen stark steigen. Zunehmendes politisches Interesse, leere öffentliche Kassen und die Besonderheiten der Bildungseinrichtungen als Organisationen lassen dabei eine Reihe von Spannungsfeldern entstehen, denen man sich stellen muss, damit Reformenergien freigesetzt werden können. Der Druck in Richtung Gesellschaftsrelevanz, den die laufenden Reformen auslösen, wird auch durch die zentrale Stellung des Wissens als Produktionsfaktor erzeugt. Je stärker traditionelle Fertigungsindustrien durch Wissensindustrien ersetzt werden und dieser Prozess ganz spezifische Anforderungen an die Ausbildung, aber auch an die Forschung nach sich zieht, desto stärker wird die Forderung an die Hochschulen steigen, ihren Beitrag für die ökonomische Weiterentwicklung zu leisten. Die Wirtschaft ist durch den Strukturwandel in ihrer Innovationsfähigkeit in nicht gekanntem Ausmaß von der Wissenschaft abhängig. Je forschungsintensiver die Produktion, desto dringender wird die Kooperationsnotwendigkeit der Wirtschaft mit der Wissenschaft. Die Wirtschaft ist in ihrer Leistungsfähigkeit auch in zunehmendem Maße von hoch qualifiziertem Personal abhängig. Ein weiterer Aspekt der Gesellschaftsrelevanz hängt auch von der Qualität der Kommunikation zwischen Quellen neuen Wissens und den gesellschaftlichen PERSONALMANAGEMENT 13 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Machtzentren ab. Eine funktionierende Beziehung zwischen Politik und Wissenschaft ist damit in mehrfacher Hinsicht erforderlich. Im Kontext der Forderung nach Gesellschaftsrelevanz sind auch die Beziehungen zwischen den Bildungseinrichtungen und dem Arbeitsmarkt zu nennen. Gerade Universitäten empfinden eine Beschäftigung mit dem Arbeitsmarkt oftmals als abzulehnende Funktionalisierung ihrer Bildungsleistungen. Angesichts einer Arbeitsgesellschaft, der die (organisierte) Arbeit auszugehen droht, und eines rasanten technologischen Wandels, der viele Arbeitsaufgaben und Qualifikationsanforderungen permanent verändert, können sich die Bildungsorganisationen aber eine Auseinandersetzung mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes kaum ersparen. Noch viel zu selten verstehen sie die Beschäftigungsprobleme ihrer Absolventen und Absolventinnen als Herausforderung zum Handeln. Die Beziehung zum Arbeitsmarkt kann dabei weniger denn je in einer einseitigen Anpassung der Bildungseinrichtungen bestehen, sondern nur in einer offensiven Herangehensweise: Welche Fähigkeiten und Kompetenzen werden in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft benötigt und wie können die Studierenden dazu befähigt werden, sich selbst nicht nur als passive Objekte des Wandels, sondern auch als aktive Gestalter des Wandels zu erfahren? 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN Die Universität etwa hat – nicht zuletzt durch die "Produktion" kompetenter AbsolventInnen – ihr eigenes Monopol in der Wissensproduktion unterminiert. Sie hat in vielen Bereichen Konkurrenz bekommen und ist nun ein Akteur in einem ausgeweiteten Wissensproduktionsprozess geworden. Jedenfalls gibt es viele Wissensproduzenten – in Verwaltung, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit, die weniger Schwierigkeiten mit einer engeren Verkopplung zwischen wissenschaftlicher Forschung und gesellschaftlichen Problemfeldern zu haben scheinen, als die nach Disziplinen organisierten und an der "scientific community" ausgerichteten Universitäten, in denen Einzelarbeitsstrukturen vorherrschen. Die Forderung nach Gesellschaftsrelevanz ist hinsichtlich der Art der Wissensproduktion legitim. An Universitäten wird meistens einzeln und fachbezogen und nicht gemeinsam und problembezogen gearbeitet. Diese individualisierte Struktur stellt ein großes Hindernis für eine Öffnung der Universitäten dar: "Communities have Problems, Universities have Departments.“ Neben der Gesellschaftsrelevanz ist die Gesellschaftsdistanz genuine Aufgabe von Hochschulen. In einer Gesellschaft, die oft in Sachzwängen gefangen und durch Systemlogiken paralysiert ist, kommt dieser gesellschaftsreflektierenden Funktion von Bildungsorganisationen eine hohe Bedeutung zu. Man könnte diese kritische Reflexion auch als spezifische Dienstleistung von Bildungseinrichtungen für die Gesellschaft bezeichnen. Die Kritikfunktion verlangt, dass etablierte Selbstverständlichkeiten nicht einfach hingenommen, Fehlentwicklungen wahrgenommen und Alternativen aufrechterhalten werden. Es geht daher auch darum, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen als einen Ort des Innehaltens zu konzipieren, in dem auch die PERSONALMANAGEMENT 14 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Beschäftigung mit Randgruppen und Globalproblemen erfolgen kann. Gesellschaften, die in Bewegung geraten, brauchen zukunftsbezogene Vorstellungen, an denen sie sich orientieren können. Auseinandersetzungen über die Art und Weise, in der wir als Individuen, als Mann und Frau, wie als kollektive Menschheit in einer Welt leben sollen, wurden oft von der Natur oder der Tradition bestimmt. Nun werden diese Fragen zum Gegenstand von Entscheidungen und öffentlichen Debatten. Es geht um die Etablierung von Spiel- und Reflexionsräumen, die es auch ermöglichen, Routinehandlungen zu unterbrechen und die Frage "Was ist sonst noch alles möglich?" kollektiv zu stellen. In diesem Zusammenhang haben Bildungseinrichtungen essentielle Aufgaben. 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN Da das Bildungssystem an Bedeutung gewonnen hat, ist es auch in stärkerem Maße als zuvor mit gesellschaftlichen Entwicklungen verflochten. Eine Betonung der Gesellschaftsrelevanz führt manchmal zu einer instrumentellen Verkürzung, wie sie zum Teil typisch ist für die gegenwärtige Bildungspolitik. Sie ist ein Ausdruck der angespannten finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte, aber auch der Größenordnung, die das Bildungssystem in vielen Ländern erreicht hat. Beides erhöht den Rechtfertigungsdruck, der auf die Bildungseinrichtungen ausgeübt wird und der etwa im Schlagwort "value for money" in der bildungspolitischen Diskussion ebenso wie in der starken Betonung von Qualitätsmanagement, von Effizienz und Evaluation deutlich wird. Die "Entzauberung" der Wissenschaft, etwa in Form von Experten- und Wissenschaftskritik, wirkt auch verstärkend. Wenn Gesellschaftsrelevanz im Sinne simpler Kostenreduktion verstanden wird, entsteht nicht nur die paralysierende Situation für die Universitäten, ständig mit neuen Aufgaben und Anforderungen bei einer Stagnation der Ressourcen konfrontiert zu werden. Es könnte sich insgesamt hinsichtlich der sozioökonomischen Weiterentwicklung als kurzsichtig herausstellen, wenn am Übergang zur "wissensbasierten" Gesellschaft gerade in den Bereichen Forschung und Ausbildung finanzielle Restriktionen erfolgen. Erhöhte Gesellschaftsrelevanz müsste vielmehr eine – auch ausstattungsmäßig – offensive Strategie für den Bildungsbereich bedeuten, damit sie sich ihren Platz in einem ganzen Netzwerk von wissensproduzierenden Organisationen sichern kann. Umgekehrt bedeutet dies für die Universität, dass sie eine Beschäftigung mit den materiellen Fragen ihrer Existenz, der Effizienz ihrer internen Abläufe und Ressourcenverwendung nicht länger wird vermeiden können. PERSONALMANAGEMENT 15 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE 1.1.1 Die Bedeutung des Personalmanagements für die Gesamtentwicklung 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN In personalintensiven Organisationen wie Bildungseinrichtungen kommt dem Personalmanagement eine zentrale Funktion im Rahmen der Gesamtentwicklung der Einrichtung zu. Obwohl das Personal die in jeder Hinsicht – auch budgetär – kostbarste Ressource von Bildungsorganisationen ist – kann man für die meisten Bildungseinrichtungen im deutschsprachigen Raum feststellen, dass sie zumeist ihr Personal verwalten, aber kaum „managen“. Die Gründe dafür sind vielfältig, sie liegen zum einen in den Spezifika von Hochschulen begründet und zum anderen an den Rahmenbedingungen stark rechtlich regulierter Bildungssysteme. Hochschulen waren bis vor kurzem - oder sind es noch - nachgeordnete Dienststellen eines Ministeriums, staatliche Anstalten und keine eigenständigen Organisationen im Sinne der Arbeitgebereigenschaft. Die Ebene der eigenen Institution wurde vielfach als „kompetenzmäßige Durchlaufstation“ des Personalmanagements gesehen. Auch hatte man das Gefühl, dass schon längst alles durch ein als rigide eingeschätztes Dienstrecht geregelt sei – auch diese Einschätzung ließ wenig Ambitionen in Richtung Aufbau eines Personalmanagements entstehen. Bildungsorganisationen im deutschsprachigen Raum erhalten erst in den letzten Jahren im Zuge zunehmender institutioneller Autonomie vermehrte Verantwortlichkeiten im Bereich Personalmanagement (bis hin zur Arbeitgebereigenschaft für das Personal). Aufgrund der dadurch auch vermehrt vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten im Personalbereich sollte nun eine intensive Auseinandersetzung über die Instrumente der Personalmanagements geführt werden. In Österreich etwa bringt das seit Januar 2004 gültige neue Organisationsgesetz für die Universitäten fundamentale Änderungen für die Dienstverhältnisse. Das neu aufzunehmende Personal steht in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis zur Universität, der Beamtenstatus wurde abgeschafft. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen werden über einen Kollektivvertrag/Tarifvertrag geregelt, der derzeit zwischen dem Dachverband der Universitäten und der Gewerkschaft verhandelt wird. Auf der Ebene jeder einzelnen Universität sind Betriebvereinbarungen abzuschließen. Die österreichischen Universitäten erhalten dadurch eine enorme Autonomie in Personalfragen und werden erstmals in ihrer Geschichte zum Arbeitgeber ihres Personals. Auch die niedersächsischen Stiftungsuniversitäten und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen (Hochschulfreiheitsgesetz HFG von 2006) erhalten sowohl hohe Autonomie als auch hohe Verantwortung im Bereich Personalmanagement. Unter Personalmanagement werden in diesem Modul alle mitarbeiterbezogenen Verwaltungs- und Gestaltungsaufgaben in einer (Bildung-)Organisation verstanden. Personalmanagement wird daher gleichbedeutend mit Personalpolitik, Personalwirtschaft, Personalwesen und Human Resources Management verwendet. PERSONALMANAGEMENT 16 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Personalmanagement bedeutet eine zweifache Irritation für Hochschulen: zum einen werden die Angehörigen der Bildungs- und Forschungseinrichtungen als Personal bezeichnet – allein der Begriff wird von vielen der Angehörigen von Bildungsorganisationen, die sich selbst als autonome ExpertInnen definieren, als Zumutung empfunden. Zum anderen will man ungern managen oder gemanagt werden bzw. hat ein äußerst ambivalentes Verhältnis zu Leitungsaufgaben. 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN Ein wichtiger Teil der Managementaufgabe besteht darin, dass gemeinsame Ziele und Standards definiert werden müssen, die in den Bereichen Personalgewinnung, -erhaltung, -beurteilung und -entwicklung angewandt werden. Die Gestaltung des Prozesses der Entwicklung von geteilten (Qualitäts-) Standards ist eine zentrale Managementaufgabe in Bildungseinrichtungen. Die Beschäftigung mit dem Thema Personalmanagement ist jedenfalls ein wichtiger Anlass, sich sorgfältiger um die Gestaltung der gemeinsamen Beziehungen in Bildungseinrichtungen zu bemühen und über notwendige strukturelle Veränderungen nachzudenken. Das ist auch in jenen Kontexten sinnvoll und wichtig, in denen derzeit rechtliche Vorgaben und staatliche Einflussnahme sehr groß und die eigenen institutionellen Einflussmöglichkeiten daher eher gering erscheinen mögen. Die Auseinandersetzung mit Möglichkeiten, aber auch Unmöglichkeiten der Gestaltung im Personalbereich mag für manche Einrichtungen dann vielleicht zu der Erkenntnis führen, dass sie Entwicklungen in einem größeren Kontext forcieren müssen – sei es als Hochschulentwicklung oder auch in der Bildung systematischer strategischer Allianzen für bildungspolitische Impulse und Entwicklungen Die Vorbereitung auf die Dimension des Personalmanagements ist in diesem Zusammenhang, da sie eine essentielle Grundfunktion von Bildungsorganisationen betrifft, besonders wichtig. Gerade in diesem Bereich ist man von plötzlich einsetzender Autonomie und knappen Umsetzungsfristen besonders “verletzlich“. Die Haltung, Personalentwicklung ausschließlich als „Aufnahme zusätzlichen Personals“ zu sehen, bringt jedenfalls eine zu enge Sicht der Thematik zum Ausdruck, die man zwar in vielen Bildungseinrichtungen antrifft, die aber für eine qualitätsbewusste Organisation nicht aufrecht zu erhalten ist. PERSONALMANAGEMENT 17 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE 1.1.2 Der Kontext des New Public Managements Das durch die Einführung von institutioneller Autonomie notwendiger gewordene Ernster nehmen von Personalmanagement ist auch im Kontxet der Einführung des New Public Mangements (NPM) zu sehen. Die Anforderung des NPM betreffen dabei insbesondere die Entwicklung der durchführungsorientierten Personalverwaltung hin zum lösungsorientierten Personalmanagement. 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN New Public Management ist eine generalisierende Beschreibung von neuen Führungssystemen, -strukturen und -instrumenten. Sie haben sich in den vergangenen zehn Jahren in einer Reihe von Industriestaaten vor dem Hintergrund drückender Finanzprobleme sowie einer wachsenden Staats- und Verwaltungsverdrossenheit herausgebildet. New Public Management (NPM) - im deutschsprachigen Raum auch „Wirkungsorientierte Verwaltungsführung" oder „neues Steuerungsmodell“ genannt - versucht auf folgende Problembereiche der Verwaltung zu reagieren: zu hohe Regelungsdichte durch die höchste Ebene im operativen Bereich bei gleichzeitiger „Untersteuerung" im strategischen Bereich Festgefahrene Entscheidungswege und -strukturen Unzureichendes Führungsverständnis und die Dominanz einer „Misstrauenskultur" als Folge der Überreglementierung zu wenig Kongruenz von Ausführungs- und Ressourcenkompetenzen sowie ein Mangel an Flexibilität und Wirksamkeit. Der daraus entstehende bürokratische Zentralismus verringert die Handlungsund Selbstorganisationsfähigkeit der Verwaltung. Er führt zu einer organisierten Unverantwortlichkeit, die Defizite in der Leistungsqualität und eine zu geringe Orientierung der Verwaltung an den Bürgerinnen und Bürgern bedingt. New Public Management strebt eine Stärkung der strategischen Führung auf politischer Ebene an bei gleichzeitiger Entlastung von Detailintervention. Die Politik soll die Ziele vorgeben, über Menge und Qualität des Outputs entscheiden, die notwendigen Mittel bereitstellen und die Erfüllung der Leistungsaufträge kontrollieren. Einzeleingriffe in das operative Tagesgeschehen sind jedoch zu vermeiden. Es geht viel mehr um eine Finalsteuerung, bei der sich die Vorgaben im wesentlichen auf das „was" beschränken. Die Verwaltung ist frei, wie sie die vereinbarten Produkte erstellen oder die gesetzten Ziele erreichen will. Zu den Zielen zählen die Erhöhung der Autonomie sowie der Kunden- und Mitarbeiterorientierung der Verwaltung. Eine schlanke, qualitätsorientierte Verwaltung soll sich auf ihre wirklichen Stärken konzentrieren, der Rest wird ausgelagert (Outsourcing). Die bewusste Beschäftigung mit der Frage „make or buy" führt zu neuen Formen der Zusammenarbeit mit privaten Anbietern, Non-Profit-Organisationen und anderen staatlichen Stellen. Die Steigerung der Effektivität wird durch bewusste Marktnähe erreicht. Die Steigerung der Effizienz bedeutet, dass die vorgegebenen Aufgaben und PERSONALMANAGEMENT 18 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Qualitätsstandards möglichst kostengünstig erfüllt werden. Der bewusste Umgang mit Kunden, eine verstärkte Sensibilität für Kosten-Leistungs- bzw. KostenNutzen-Relationen in der eigenen Arbeit und die Suche nach Zielen und übergeordneten Zwecken des Handelns sollen zu einem neuen Selbstverständnis in der Verwaltung und damit zur Schaffung einer neuen Verwaltungskultur führen. 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN Insgesamt verlagert sich die Steuerung von den Mitteln (Input) zu den Leistungen (Output) und Wirkungen (Outcome). Die Dominanz juristischer Gesichtspunkte soll durch unternehmerische Aspekte ergänzt werden. Auf der Basis von Leistungsaufträgen mit definierten Kostenvorgaben und Qualitätsstandards kommt es zu Kontrakten zwischen der Leistungskäufern und Leistungserbringern. Effizienzsteigerung soll auch durch erhöhte Motivation infolge gestiegener Eigenverantwortung, Leistungshonorierung und durch die Schaffung von Instrumenten zur Messung staatlicher Maßnahmen (Controlling, Monitoring, Reporting) erreicht werden. Neue Controllingstrukturen ermöglichen ein integriertes Management aller Strukturen, und zwar sowohl vertikal (Leistungserbringer, -käufer und finanzierer) als auch horizontal (Finanzen, Leistungen, Personal). Die Revision bewegt sich von der reinen Finanzkontrolle in Richtung umfassender Wirkungsprüfung und Programmevaluation. Die bisher detaillierten Budgetvorgaben werden durch eine mehrjährige Globalbudgetierung abgelöst, unter Verzicht auf rechtliche Spezifikation. Die Ämter und Abteilungen werden als „Profit"- oder „Costcenter" ausgestaltet. Das ermöglicht ihnen eine selbständige Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben und erfordert Eigenverantwortung für wirtschaftliche Resultate. An die Stelle des traditionellen bottom-up-Verfahrens der Haushaltsaufteilung tritt ein stärker top-down-orientiertes Budgetierungsverfahren. Die dezentrale Ressourcenverantwortung soll durch gezielte Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen, die Einführung von anforderungs- und leistungsgerechten Bezahlungs- und Beförderungssystemen, „Job rotation" sowie befristeter Übertragung von (Führungs-)Funktionen als wichtiger Motivationsfaktor unterstützt werden. Insgesamt sind die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der Verwaltungsfachbereich alle für die Zielerreichung maßgeblichen Faktoren auch selbst beeinflussen kann. 1.1.3 Grundkonsens und die Verknüpfung mit der Ziel- und Strategiediskussion Voraussetzung für Personalmanagement im Sinne eines fortlaufenden Beitrages zur Qualitätssteigerung und institutioneller Selbstreflexion in Bildungsorganisationen ist ein Grundkonsens aller Beteiligten, dass Optimierungen als gemeinsames Handeln möglich und wünschenswert sind. Es muss eine Organisationskultur existieren, die die Verantwortung für die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Arbeit akzeptiert – trotz des erforderlichen Aufwandes an PERSONALMANAGEMENT 19 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Zeit, Anstrengung und persönlichem Engagement – und entsprechende Institutionen und Mechanismen vorsieht und bereitstellt. 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN Das setzt auch voraus, dass die Organisationsmitglieder durch den Wunsch nach größerer Anerkennung – nicht nur für sich persönlich, sondern auch für ihre Teams und Fachbereiche sowie für die Organisation als Ganzes – motiviert sind. Damit muss auch in einem gewissen Sinne ein wettbewerbsorientiertes Klima und die Bereitschaft, die Verantwortung für die Qualität mit organisationsinternen und –externe Gruppierungen zu teilen - gegeben sein. Förderlich zur Entwicklung eines solchen Grundkonsenses ist nicht nur Freiwilligkeit, sondern auch ein gemeinsames Problembewusstsein. Es ist es ein wichtiges Ziel der Bildungsreformen in vielen europäischen Ländern, dass die zunehmend autonomeren Hochschulen sich intensiver mit ihren Zielen, Aufgaben und ihrem spezifischen institutionellen Profil auseinandersetzen. Die Fähigkeit zur kollektiven Ziel- und Strategieformulierung muss dabei erst in vielen Lernschritten entwickelt werden. Strategiefähigkeit bedeutet, die Entwicklung der eigenen Institution zielorientiert zu steuern, Schwerpunkte zum Erreichen der Ziele zu setzen und auf die Umsetzung der beabsichtigten Veränderungsmaßnahmen zu achten. Die institutionelle Auseinandersetzung mit den Leistungen der eigenen Institution und die gemeinsame Definition von Qualitätskriterien ist dabei sowohl Voraussetzung als auch Konsequenz kollektiv formulierter Ziel- und Leitbildvorstellungen und Basis jeder institutionellen Selbstbewertung. Aus den Leitbildern und Strategien sollten die Ziele und Pläne abgeleitet werden, daraus folgen die Umsetzung- und Realisierungsschritte. Stärken/ Schwächen Ziele und Pläne Leitbild/ Strategien Umsetzung und Umsetzungscontrolling Abb. 1: Zusammenhang Ziele, Strategie und Umsetzung PERSONALMANAGEMENT 20 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE In Bildungs- und Wissenschaftsorganisationen werden sich Ziele nur dann erreichen lassen, wenn sie von den ExpertInnen der Organisation auch angenommen und gelebt werden. Diese Verbindung zwischen der gemeinsamen Ziel- und Perspektivendiskussion und dem Personalbereich herzustellen ist eine Managementaufgabe. Organisations- und Personalentwicklung sind auf das engste miteinander verknüpft. Veränderungsprozesse in Organisationen müssen auf jeden Fall Veränderungen auf drei verschiedenen Ebenen – Individuen, Gruppen und Organisation – umfassen. Bildungsorganisationen sind sehr personenzentrierte Systeme. Probleme haben aber oft nicht nur mit Personen zu tun, sondern mit wenig durchdachten Abläufen und Strukturen. Jedenfalls müssen sie in einem strukturellen Kontext betrachtet werden. Auch lässt sich eine "exzellente" Organisation dadurch kennzeichnen, dass sich die Individuen für organisatorische Prozesse und Ziele engagieren. Organisationsentwicklungsmaßnahmen wiederum müssen vereinbar sein mit Auswahl- , Beförderungs-, Entlohnungs- und Beurteilungssystemen. 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN Am Beginn jedes Personalmanagementprozesses muss man sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen: WAS (Definitionen und Begriffe) ? WOFÜR (Ziele) ? WIE (Strategien und Maßnahmen) ? WER (Träger) ? FÜR WEN (Zielgruppe) ? 1.1.4 Strukturen, Prozesse und Einstellungen Zu den Ansatzpunkten des Personalmanagements gehören erstens die Strukturen (das wären etwa das jeweils gültige Dienstrecht, das damit verbundene Belohnungssystem, aber auch demographische Veränderungen als wichtige strukturelle Bedingungen). Ohne strukturelle Veränderungen ist ein Übergang von der Personalverwaltung zum Personalmanagement im Bildungsbereich kaum möglich. Neben den Strukturen sind zweitens die Prozesse ein ganz wichtiger Ansatzpunkt des Personalmanagements. Damit sind die Veränderungen in den Kommunikationsbeziehungen, in der Entscheidungsfindung und im Managementstil gemeint. Es geht hier um den Aufbau neuer Fähigkeiten und Kompetenzen. Will man Wandel initiieren, muss man allerdings herausfinden, in welche Richtung die bestehende Organisationskultur ihre Mitglieder prägt. Realer Wandel setzt drittens zumindest graduelle Veränderungen von Einstellungen voraus. Ein- PERSONALMANAGEMENT 21 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE stellungen beziehen sich darauf, was die Mitglieder einer Organisation denken und fühlen in Bezug auf ihre Arbeit. 1.1 AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN Damit sind Strukturen, Prozesse und Einstellungen drei unterschiedliche, aber jeweils gleich wichtige „Interventionsbereiche“. Schlüsselwörter: Gesellschaftsrelevanz, New Public Management, Strategiefähigkeit, Wissensgesellschaft Aufgaben zur Lernkontrolle und mit Bezug zur Berufstätigkeit (1) Welche drei zentralen Herausforderungen an Bildungsorganisationen, die Personalmanagement notwendiger als früher machen, können Sie nennen? ................................................................................................................................. (2) Skizzieren Sie die Grundgedanken des New Public Management in drei Sätzen. ................................................................................................................................. (3) Warum ist ein Grundkonsens der beteiligten Organisationsmitglieder als Voraussetzung des Personalmanagements in Bildungseinrichtungen dringender als z.B. in Wirtschaftsorganisationen? ................................................................................................................................. (4) Was bedeutet es, Personalmanagement mit der Ziel- und Strategiediskussion einer Organisation zu verknüpfen? ................................................................................................................................. (5) Nennen Sie wichtige Ansatzpunkte des Personalmanagements in Bildungsorganisationen? ................................................................................................................................. PERSONALMANAGEMENT 22 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Literatur zur Vertiefung: 1.2 BESONDERHEITEN Hanft, A. (2004): Personalentwicklung als Hochschulentwicklung. In: Laske, Stephan / Scheytt, Tobias / Meister-Scheytt, Claudia (Hrsg.): Personalentwicklung und universitärer Wandel - Programm Aufgaben Gestaltung, München und Mering, S.119 – 139 Pellert, A. (2004): Personalentwicklung an Universitäten - ein Beitrag zur zukunftsorientierten Universitätsentwicklung. In: Laske, Stephan/Scheytt, Tobias/Meister-Scheytt, Claudia (Hrsg.): Personalentwicklung und universitärer Wandel - Programm Aufgaben Gestaltung, München und Mering, S. 139 161 Kogan, M./Moses, I./ El-Khawas, E. (1994): Staffing Higher Education. Meeting New Challenges. Report on the IMHE Project on Policies for Academic Staffing in Higher Education/OECD; Higher Education Policy Series 27 Jessica Kingsley Publishers, London. 1.2 VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Die Besonderheiten von Bildungseinrichtungen als Organisationen Bildungseinrichtungen waren bis vor kurzem – oder sind es noch - staatliche Anstalten und keine eigenständigen Organisationen im Sinne der Arbeitgebereigenschaft, Bedienstete sind überwiegend Angestellte der Länder. Zudem sind deutschsprachige Hochschulsysteme rechtlich regulierte Systeme. So hatte man das Gefühl, dass schon alles durch ein als sehr rigide eingeschätztes Dienstrecht geregelt sei. Auch das lässt wenig Ambitionen in Richtung Aufbau eines Personalmanagements entstehen. Ein anderer struktureller Grund liegt in der sehr individualisierten Arbeitsform begründet. Hochschulen werden als fragmentierte, lose gekoppelte Organisationen beschrieben, in denen individuelle Leistungserbringung einen hohen Wert hat. Es existieren auch wenige Orte, Anlässe und Möglichkeiten zur Einigung auf gemeinsame institutionelle Standards etwa in der Frage der Personalentwicklung, Personalauswahl oder Beförderung. Es gibt aufgrund dieser individualisierten Arbeitsform hohe Spielräume einzelner Personen, auch in der Frage, wer in einer Karriere weiter befördert wird und wer nicht. Diese Autonomie wird überwiegend individuell gestaltet. Was die Karriere betrifft, ist es auch viel weniger die ganz konkrete Organisation, z.B. die Universität Göttingen, die über das weitere berufliche Schicksal entscheidet, sondern eher das „Invisible College“ der Peers des Faches, das quer liegt zur Ebene der Institution. PERSONALMANAGEMENT 23 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Damit sind organisationskulturelle Gründe für den Status quo des Personalmanagements an Bildungs- und Wissenschaftsorganisationen angesprochen. Die Vernachlässigung der personalen Fragen hat auch damit zu tun, dass man die „Erstausstattung“, die jeder/jede Organisationsangehörige mitbringt, als ausreichend empfindet. Jeder/jede wird für sich selbst als zuständig angesehen, Weiterbildung bedeutet im Wesentlichen fachbezogene Weiterbildung. Andere Formen der Weiterbildung finden meistens in der Freizeit statt. Für das hauptamtliche Verwaltungspersonal sind (bis vor kurzem) die Länder als zuständig angesehen worden, die dann auch entsprechende Ausbildungsverordnungen und Weiterbildung vorgesehen haben. Die individualisierte Arbeitsform führt auch dazu, dass die einzelnen ExpertInnen gewohnt sind, sehr autonom zu handeln. Sie haben sehr viel Zeit, Geld und Mühe in den Aufbau ihrer Expertise investiert. Sie sind geübt, sich auf einen Teil des Wissens zu konzentrieren, andere Teile den anderen ExpertInnen zu überlassen, sie sehen sich selten als „das Personal“ und wollen schon gar nicht gemanagt und entwickelt werden. 1.2 BESONDERHEITEN VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Insgesamt sind viele Hochschulen durch eine Matrixorganisation mit zweifacher „Logik“ gekennzeichnet: die eine Logik ist die der Organisation/der Institution, die unterschiedliche ExpertInnen und Fächer miteinander verbindet und die andere Logik ist die des Faches, die gleiche ExpertInnen quer zu den Institutionen miteinander verbindet. Die professionelle Identität ist dabei mit dem Fach verbunden. Auch ist das Fach stärker in der Kontrolle der akademischen Arbeit verankert. Einige der klassischen Aufgaben von Personalentwicklung erfolgen daher im akademischen Bereich über die Sozialisation in einer Disziplin – z.B. die Fachtagung der HistorikerInnen. Das Konzept des Personalmanagements orientiert sich hingegen an der Dimension der Organisation, zu der weniger Bindung besteht. Auch die Orientierung in Hochschulen an der „internationalen scientific community“ drückt sich in der Bindung an eine bestimmte Disziplin aus und geht über die einzelnen Organisationen hinaus. Es ist ein Erfolg, wenn man nicht in der eigenen Institution die Karriereleiter aufsteigt, sondern es zu einer regen Fluktuation zwischen drinnen und draußen, zwischen In- und Ausland kommt und man international mobil ist. Der Status der Universität als internationale Organisation ist jedenfalls im Aufbau angemessener Personalmanagementkonzepte zu berücksichtigen. Bei den wichtigen Verfahren der Personalauswahl und -beurteilung gibt es derzeit keine gemeinsamen Standards, aber große Qualitätsunterschiede - je nach „natürlicher Begabung“ der verantwortlichen Personen. Die Verfahren sind meistens sehr handgestrickt und es dominiert die Fachlogik in der Beurteilung (vgl. Laske et al. 2004). Andere Aspekte der Tätigkeit wie etwa Management, Lehre, Weiterbildung geraten daher leicht aus dem Blick. Die handgestrickten Auswahlverfahren sind auch Ausdruck einer wenig vorhandenen Führungskompetenz. Angehörige von Bildungsorganisationen sind insbesondere in der sozialen Kompetenz, die Führungspositionen verlangen, nicht geschult. Sie erhalten auch PERSONALMANAGEMENT 24 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE meistens keine Reputation für gute Führungsleistungen und es gibt ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Führungspositionen. Ein typisches Muster des Status quo des Personalmanagements an Hochschulen ist es, dass in den kleinen Einheiten familienähnliche Strukturen dominieren, die es schwer machen, sozial schwierige Entscheidungen zu treffen. Ein klares Feedback, dass jemand für seine Position nicht geeignet ist, wird meistens aufgrund der großen sozialen Nähe vermieden. In den übergeordneten größeren Organisationseinheiten, wie etwa den Fakultäten, dominiert rechtliche Korrektheit; man beachtet nur, ob die vorgegebenen gesetzlichen Standards eingehalten werden, inhaltliche Standards der Personalgewinnung, -auswahl und -beförderung werden von dieser Ebene nicht angesprochen (vgl. Laske et al. 2004). 1.2 BESONDERHEITEN VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Bislang war die Gestaltung von personalrelevanten Strukturen kein Thema. Man hat auch jene Möglichkeiten, die objektiv bestanden haben, oft nicht gesehen oder aber nicht gemeinsam gestaltet. Hochschulen verfügen als Organisationen selten über kollektive Handlungs- und Strategiefähigkeit. Sie sind für „Grassroot“-Veränderungen geeignet, auf der Ebene des einzelnen Faches werden Neuerungen aufgenommen und Innovationen vorangetrieben. Zu kollektiv verbindlichen, gemeinsamen Entscheidungen zu kommen und damit institutionelle Veränderungsprozesse zu gestalten, ist äußerst schwierig. Solange das Erbringen von Standardleistungen genügt – etwa, weil die Umwelt der Organisation relativ stabil ist und der Organisation keine größeren Neuerungen abverlangt werden – reicht Grass-root-Veränderung auch aus. Wenn aber die bisherigen Leistungen unter Kritik geraten und Veränderungen abverlangt werden, die Kooperationen im Inneren bedeuten würden, dann entsteht ein Veränderungsbedarf, den die Organisationen zumeist sehr schlecht bewältigen kann. Personalmanagement würde kollektiv vereinbarte Standards voraussetzen. Dem stehen aber die Struktur und die Organisationskultur in den fragmentierten Bildungsorganisationen entgegen. Die zentralen Akteure des Personalmanagements sind PräsidentInnen und RektoInnen, partiell die DekanInnen, unmittelbare Vorgesetzte, aber auch „Interessensvertretungen“. Hier gibt es eine Vielfalt an Akteuren mit sicher nicht einheitlichen Standards (vgl. Laske 2004). Nun beginnen sich aber langsam die Rahmenbedingungen für Personalmanagement an Bildungseinrichtungen zu ändern. Zunehmend werden die zentralen Herausforderungen des Personalmanagements in der bildungspolitischen Diskussion thematisiert. PERSONALMANAGEMENT 25 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE 1.2.1 Beispiel „Universität als Organisation“ 1.2 BESONDERHEITEN Am Beispiel der Universität als Organisation sollen im Folgenden besonders spezifische Charakteristika von Bildungseinrichtungen beleuchtet werden. VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Abb. 2: Charakteristika von Hochschulen Hohe individuelle Autonomie Zunächst ist die individuelle Autonomie hoch und die Motivation der einzelnen Experten und Expertinnen eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Leistungserstellung der Universität. Die einzelnen Experten und Expertinnen haben viel Zeit in den Aufbau ihrer Expertise gesteckt. Sie besitzen das Wissen, das „Kapital der Organisation“, die Reputation des Einzelnen ist wichtig für die Organisation als Ganze. Das heißt für das Management, dass es Bedingungen der Selbstmotivation entwickeln muss. Es ist nicht, wie vielleicht in Wirtschaftsorganisationen, die Aufgabe von Leitung und Management, permanent zu motivieren und zu koordinieren. Die Hochschullehrenden und die anderen ExpertInnen der Organisation sind gewohnt, eigenständig zu handeln. Es geht darum, Rahmenbedingungen für Selbstmotivation bereitzustellen. Andererseits haben Expertenorganisationen wie die Universität sehr oft auch Probleme mit leistungsunwilligen Kollegen und Kolleginnen, die sich nicht an die Standards der Profession halten. Diesem Konfliktfeld muss sich die institutionelle Leitung zuwenden, wenn sie in Zukunft glaubwürdig sein will. Wichtig ist es auch, institutionelle Prioritäten zu entwickeln und diese klar auszuweisen. So wird zum Beispiel ein immer nur rhetorisches Bekenntnis zur Lehre, das aber keinerlei Niederschlag in der institutionellen Prioritätensetzung findet, nicht nur irritierend, sondern letztendlich auch frustrierend für die Organisationsmitglieder sein. PERSONALMANAGEMENT 26 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Dominanz der Disziplin 1.2 BESONDERHEITEN Zu einer weiteren Besonderheit dieser Organisation gehört die Dominanz der Disziplin. Universitäten sind durch eine „Matrixorganisation“ gekennzeichnet. Zum einen gibt es das fachliche System der Disziplin/Profession, zum anderen gibt es das soziale System der Organisation. Größere Loyalität und Bindung gibt es zur Disziplin. Auch ist die Karrierelogik auf das Engste mit der Disziplin verbunden. Es werden die kreativen Beiträge zu fachlichen Weiterentwicklung der Disziplin im Wesentlichen mit Karrierefortschritten belohnt. Auf der Ebene des Faches finden laufend Innovationen statt. Auf der Ebene der Gesamtorganisation hingegen verhält sich die Universität äußerst träge. VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Spezialisierung und Fragmentierung Eine weitere Besonderheit ist die Spezialisierung des Wissens, die sich wiederum in einer Fragmentierung der Organisation niederschlägt. Nach wie vor ist die Spezialisierung ein wichtiges Mittel, um angesichts immer größerer Wissensmengen den Überblick und damit den Expertenstatus zu bewahren. Auch ist Spezialisierung ein wichtiges Medium im universitären und wissenschaftlichen Konkurrenzkampf. Es gilt, ausgewiesene/r Experte/ Expertin eines möglichst neuen Spezialgebietes zu werden. Auf der Ebene der Organisation heißt das, dass zahllose, rund um die Fachexpertise Einzelner gebaute, Organisationseinheiten bestehen, nur lose miteinander verbunden, die einen hohen Koordinationsaufwand für die Leitung verursachen. Diese lose gekoppelten Bausteine der Organisation sind auch durch höchst unterschiedliche fachliche Kulturen gekennzeichnet. Das wirkt ebenfalls fragmentierend. Ungeliebte Verwaltung Ein weiteres Charakteristikum der Universität ist, dass Verwaltungsarbeiten, Leitungs- und Managementarbeiten äußerst ungeliebt sind. Verwaltungskräfte sind eigentlich die einzigen mit einem wirklichen Fachinteresse an der Weiterentwicklung der Organisation. Das Spannungsfeld Verwaltung und Wissenschaft wandert nun stärker auf die Ebene der Organisation, d. h. aber, dass es hier auch darum geht, hierarchieübergreifende Teams zu bilden, zwischen wissenschaftlicher Leitung und Verwaltungsleitung, zwischen den zentralen Orten der Leitung und den dezentralen, etwa auf der Ebene der Fakultäten und Institute. Es ist die Kompetenz eines „administrativen Netzes“, die darüber entscheidet, ob eine Managementfähigkeit der Universität entsteht. Auch müssen die Ressourcen für Management und Leitung sicher noch verstärkt werden – nicht nur personell, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Das wird oberflächlich betrachtet oft als Zentralisierung empfunden, ist aber unabdingbare Notwendigkeit einer autonom agierenden, sich selbst steuernden Organisation. Die Universitäten werden künftig die wissenschaftsunterstützenden Dienstleistungseinrichtungen, die in der Lage sind, wichtige Querschnittsaufgaben wahrzunehmen, verstärken müssen. Und von den Fachbereichen muss Verständnis dafür aufgebracht werden, dass es hier nicht um Bürokratisierung, sondern um die Befähigung zur Autonomie geht. PERSONALMANAGEMENT 27 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Selbstkontrolle 1.2 BESONDERHEITEN Eine weitere Besonderheit der Organisation liegt darin, dass die professionelle Selbstkontrolle immer einen relativ hohen Stellenwert in der Qualitäts- und Leistungsfeststellung haben wird. Qualitätskontrollen an Universitäten sind äußerst schlecht zu standardisieren oder an Externe zu übertragen. Es kann von außen sehr schlecht festgestellt werden, was Qualität ist, und es gibt kaum objektive, quantitative Maßstäbe der Leistungsfeststellung. Andererseits - deswegen ist ja auch das Thema Evaluation ein äußerst wichtiges und aktuelles - fällt es der Universität wie anderen Expertenbetrieben äußerst schwer, sich selbst aus einer Außenperspektive zu betrachten. Sie tendiert dazu, gesellschaftliche oder Kundenbedürfnisse zu vernachlässigen. Es geht also um die gute Kopplung von professioneller Selbstkontrolle und gesellschaftsbezogener externer Kontrolle. VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN 1.2.2 Der Abschied von traditionellen Leitungsvorstellungen in Bildungsorganisationen Ein brennendes Thema des Personalmanagements an Bildungseinrichtungen ist es, dass überhaupt Leitungs- und Führungsverantwortung entwickelt wird, damit diese essentielle Voraussetzung sowohl des zentral als auch des dezentral auszuführenden Personalmanagements gegeben ist. Im Folgenden wird daher der Frage der Besonderheit von Leitung und Führung besonderes Augenmerk geschenkt. Die Koordination und Integration der Expertenorganisation erfolgt nicht ausschließlich durch das Management, sondern auch durch die Standardisierung der Fähigkeiten und des Wissens durch langjährige Sozialisierung und Ausbildung. Die einzelnen Organisationsmitglieder wissen, was sie an Wissen bei den KollegInnen voraussetzen können. Integrations- und Motivationsfunktionen, die in Wirtschaftsorganisationen vielleicht klassische Leitungsaufgaben sind, sind im Fall von Bildungsorganisationen im "Gewebe der Organisation" verankert: die intrinsische Motivation autonomer ExpertInnen, die bestimmten professionellen Qualitätsstandards verpflichtet sind, die enge Beziehungsform der Leistungserstellung, die direkt am "Klienten" erfolgt, Qualitätsstandards, deren Überwachung in den Händen der Professionellen selbst liegen. Die Leistungserstellungsprozesse werden daher durch Routinen, die Sozialisation der Organisationsmitglieder und durch die Geschichte der Organisation bestimmt. Faktoren, die Leitung kaum wirklich kontrollieren kann. Klassische Vorstellungen von Leitung sind unangebracht angesichts von Organisationen, die durch einen hohen Grad an interner Selbstorganisation gekennzeichnet sind. Auch wenn nun verstärkte Leitung aufgrund der strukturellen Probleme und der neuen Anforderungen notwendig wird, muss man bedenken, dass der Leitung in Bildungsorganisationen recht enge Grenzen gesetzt sind, nicht nur durch die Grundcharakteristika der Expertenorganisation, sondern auch durch bislang starke rechtliche Regulierung und eingeschränkte institutionelle Autonomie (das PERSONALMANAGEMENT 28 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE ändert sich allerdings zusehends). Jedenfalls muss man sich von herkömmlichen, traditionellen Leitungsvorstellungen verabschieden, um erfolgreich sein zu können. 1.2 BESONDERHEITEN VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Leitung als Widerspruchsmanagement Vor allem muss Leitung in der Lage sein, mit Ambivalenz, Unklarheit, Komplexität und widersprüchlichen Spannungen umzugehen, und ein entsprechendes Verständnis für die auch positiven Effekte dieser Paradoxa aufbringen. Schon aus der widersprüchlichen Zielsetzung bezieht die Organisation viele ihrer organisatorischen Schwierigkeiten, aber auch ihre intellektuelle Attraktivität. Hochschulen etwa sind nach Peter Heintel durch folgende Spannungsfelder gekennzeichnet (vgl. Heintel 1989): Gesellschaftsdistanz (Autonomie) versus Gesellschaftsrelevanz kritisches Gewissen der Gesellschaft versus Traditionsschutz Experimentieren versus Effizienz Institutionscharakter versus Kurzzeitausbildungsstätte Expertise versus Transparenz Planung versus Flexibilität Logik versus Emotionalität Expertokratie versus formale Mehrheitsdemokratie Die grundsätzlich emanzipatorische Funktion von (Hoch)Schulen, die individualistische Wissensproduktion als auch die partizipative Entscheidungsfindung im Kollegium stehen damit in besonderem Kontrast zu traditionellen Managementidealen (vgl. Bargh et al. 1996). Nicht nur die Organisation selbst muss flexibel genug sein, diese Spannungen auszuhalten. Leitung muss auch eine entsprechende Frustrationstoleranz mitbringen, denn aufgrund der widersprüchlichen und ambivalenten Situation ist es nur schwer möglich, den Erfolg von Leitungsstrategien festzustellen. Ein anschauliches Beispiel für dieses Widerspruchsmanagement bieten die Führungsparadoxien des dänischen Unternehmens LEGO, die als Leitlinien für die eigenen Führungskräfte entwickelt wurden (vgl. Hilb 2001 zitiert in Buhlen/Rolff 2004): PERSONALMANAGEMENT 29 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE 1.2 BESONDERHEITEN Paradoxien der LEGO-Führung sowohl VON BILDUNGSEIN- als auch RICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN eine gute Beziehung zu seinen Mitarbeitern aufbauen eine angemessene Distanz wahren als Vorbild führen sich im Hintergrund halten den eigenen Mitarbeitern vertrauen darauf achten, was geschieht tolerant sein wissen, wie’s gemacht werden sollte die eigenen Ziele im Kopf haben die Interessen des Gesamtunternehmens wahren seine eigene Zeit gut planen flexibel bleiben offen seine Ansichten bekannt geben andere nicht verletzen Visionen haben mit beiden Beinen auf dem Boden stehen Konsens erreichen falls notwendig, konsequent bleiben dynamisch sein überlegt handeln selbstsicher sein bescheiden sein Abb. 3: Paradoxien in der Führungsfunktion (Quelle: Hilb 2001, S.42, zitiert in Buhlen/Rolff 2004, S.60) Leitung als Moderation Direkten, autoritativen Leitungsstrategien wird wenig Erfolg beschieden sein. Hierarchisch gedachte Steuerung gerät an zahlreiche Grenzen, Machtkonzentrationen sind oft dysfunktional, da dezentrale Expertise vorhanden ist. Mehr als anderswo benötigen Veränderungen, die von der Spitze ausgehen, die Unterstützung durch Interessen von "unten". Leitung muss sich eher als Dienstleistung vermitteln (vgl. Grossmann/Heller 1997). Leitung sollte als Unterstützung für selbstorganisierte Prozesse verstanden werden. Dieses Leitungsverständnis mag ziemlich passiv klingen, ist es aber keineswegs. Vielmehr erfordert es die Kraft von der Leitung, sich zurückzunehmen, andere sprechen und sich entwickeln zu lassen, zuzuhören. Auch muss man mit den KollegInnen in Bildungsorganisationen ein Abkommen erreichen, was sie tun können und was nicht. Die Lehrenden sind oft gute Kritiker, sie wurden dafür ausgebildet, kritisch zu argumentieren, und ebenso gut PERSONALMANAGEMENT 30 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE können sie ihre Ablehnung begründen. Andererseits sind sie natürlich eine wertvolle Ressource des Managements. Aber das Management muss diese Kraft steuern, um sie gut zu nutzen, und ein System entwickeln, das die Beratungskompetenz der Hochschullehrenden entsprechend einbindet (vgl. Leiman 1997). Das heißt nicht, dass man sich darauf zurückziehen soll, die Vorschläge der Lehrenden umzusetzen. Man muss auch selbst Initiative zeigen und setzen. Man muss sich aber um die Zustimmung des Lehrkörpers bemühen, die Kollegen befragen, ihre Beratung suchen, ihnen auch Zeit für die Entscheidungen zugestehen und signalisieren, dass ein einmal getroffener Konsens wieder zur Disposition gestellt werden kann (vgl. Kerr 1997). 1.2 BESONDERHEITEN VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Wenn man als Manager Aktivitäten setzt, sollte man darauf achten, dass es so aussieht, als wären die Vorschläge ohnehin aus dem Lehrkörper gekommen, denn Vorschläge, die von oben kommen, werden nicht gerne verwirklicht. Management wird wesentlich erfolgreicher sein, wenn es vor allem bottom-up-Prozesse unterstützt. Man darf emotional nicht darauf angewiesen sein, dass der Erfolg einer Sache mit dem eigenen Namen verbunden wird, es muss die "stille Freude" überwiegen. Das bedeutet auch, dass man kein allzu heftiges Interesse an Managementpositionen zum Ausdruck bringen sollte (vgl. Trow 1997). Leitung als aktive Vertretung nach außen Eine wichtige Funktion von Leitung ist auch die Vertretung der Organisation nach außen. Es wird erwartet, dass einerseits die externen Ansprüche abgefedert werden – dass akademische Leitung also hier als eine Art "Puffer" wirkt – um die akademische Arbeit nicht unnötigen Irritationen auszusetzen. Andererseits muss natürlich um aktive Unterstützung der Institution geworben werden, und es müssen die Interessen der Institution gegenüber den verschiedensten Öffentlichkeiten vertreten werden. Gerade die Außenvertretung – die vielleicht in anderen Organisationen eher als sekundäre, zusätzliche Leitungsaufgabe gesehen wird – muss im akademischen Kontext besonders aktiv gestaltet werden. Hier zeigt sich auch eine weitere Widerspruchslinie: Die Leitung sollte nach außen sehr präsent sein, dominant, wortstark und aktiv auftreten. Nach innen hingegen stößt ein derartiges, eher aggressives Leitungsverhalten tendenziell auf Widerstände. Leitung als Stärkung der dezentralen Einheiten Leitung muss vor allem die Arbeitsfähigkeit der Basiseinheiten – wie etwa der Universitätsinstitute – stärken. Denn die Leistungsfähigkeit der Gesamtorganisation ist von der Leistungsfähigkeit dieser Einheiten abhängig. Es ist auch die Aufgabe der Leitung darauf zu achten, dass die einzelnen Basiseinheiten die Belange der Gesamtorganisation mitdenken. Die Universitätsangehörigen müssen sich auch auf Institutsebene mit den Überlebensfragen der Gesamtorganisation beschäftigen. Es ist eine wichtige universitäre Managementaufgabe, dass diese Prozesse des Rückbeziehens auf das Ganze stattfinden. "In stark dezentralisierten Organisationen heißt Leiten vor allem, das Zusammenspiel dieser weitgehend PERSONALMANAGEMENT 31 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE selbständigen und eigenverantwortlichen Einheiten zu organisieren." (vgl. Grossmann/Heller 1997). In Hochschulen stehen einander "Leadership" (im Sinne der akademischen Leitung der ExpertInnen) und Management (im Sinne der hierarchischen, exekutiven, hauptberuflichen Seite der Leitung) gegenüber (vgl. Middlehurst 1993). Im deutschsprachigen Raum kommt dieser Konflikt erst langsam mit zunehmender Autonomie und gestärktem institutionellen Management auf die institutionelle Ebene zu. In der Spannung von hauptberuflichen Leitungskräften und der Steuerung der autonomen fachlichen Subsysteme durch "Professionals" in Leitungsfunktionen liegt einer der zentralen Widersprüche der Leitung. Beide Leitungsstrukturen müssen sich entwickeln und die Abstimmung im Sinne komplementärer Leistungen zwischen diesen beiden Führungssystemen wird immer bedeutsamer (vgl. Grossmann/Heller 1997). 1.2 BESONDERHEITEN VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS ORGANISATIONEN Leitung als symbolisches Management Leitung sollte in lose gekoppelten, normativen Systemen insbesondere symbolisches Management betonen und versuchen, die zentralen Systemwerte zum Ausdruck zu bringen. Die Reproduktion als Institution über Normen definierende Ereignisse wie etwa Ehrungen und Feierlichkeiten ist ein für alle Bildungsorganisationen typisches, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägtes Moment. Bei diesen Anlässen werden zwar meist Personen geehrt, im Grunde feiert aber die Organisation sich selbst. Vor allem aber werden bei diesen Anlässen die der Institution wichtigen Werte zum Ausdruck gebracht (vgl. Trow 1997). Wird etwa nur von der Forschung und den internationalen Kontakten gesprochen, so ist die Botschaft für die Anwesenden klar: weder die Lehre noch das Engagement in den Gremien der Universität bringen viel Ruhm. Daher ist immer darauf zu achten, ob bei diesen Gelegenheiten auch tatsächlich das zum Ausdruck gebracht wird, was die Institution zum Ausdruck bringen möchte. Visionen in Hochschulen dürfen aber weniger als Visionen der Leitung entstehen, sondern sie müssen sich mit den Vorstellungen der anderen treffen. Die Vision ist eher der Ausdruck, zugehört zu haben, und Ausdruck des Respekts für andere als Ausdruck der Ziele der Leitung. Die Vision sollte auch nicht so sehr darauf deuten, dass die Organisation anders wird, sondern dass sie besser wird. Aus den vorhandenen Zielen werden jene ausgewählt, denen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden soll (vgl. Birnbaum 1992). Die neuen Schwerpunkte müssen aber konsistent mit den institutionellen Kernwerten und Traditionen dargestellt werden. Eine Vision wird dann geteilt werden, wenn es ihr gelingt, die Vergangenheit der Institution mit zentralen Werten der Gegenwart zu verknüpfen. Vision in diesem Sinne ist auch ein anderes Wort für eine institutionelle Prioritätensetzung und die klare Vorgabe von institutionellen Werten. Sie erhöht nicht nur die Kohäsion der Organisation, sondern ermöglicht auch Orientierung. Das Wichtige am Formulieren einer Vision durch die Leitung ist, dass Vertrauen in die Kompetenz des Leiters/der Leiterin erzeugt wird, dass er/sie zuhören kann PERSONALMANAGEMENT 32 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE und dass man ihn/sie mit eigenen Vorstellungen beeinflussen kann (vgl. Birnbaum 1992). 1.2 BESONDERHEITEN VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN ALS Leitung als Gestaltung der Kommunikation ORGANISATIONEN Eine wichtige Aufgabe der Leitung ist außerdem darin zu sehen, institutionell unterstützte Gelegenheiten zur Zieldiskussion und Auseinandersetzungen über Qualitätsstandards zu organisieren. Gerade in Bildungsorganisationen existieren – aufgrund geänderter Rolle und der Breite der Anforderungen – vielfältige Orientierungsprobleme und sehr disparate individuelle Lageinterpretationen. Es werden also dringend Plätze benötigt, wo ein gemeinsames Problemverständnis entwickelt werden kann, denn das gleiche Ereignis kann von verschiedenen Leuten sehr unterschiedlich interpretiert werden. Es muss aber nicht nur entsprechende Möglichkeiten der Zusammenkunft geben, sondern diese müssen auch so gestaltet sein, dass tatsächlich Platz ist für unterschiedliche Interpretationen und gemeinsame Argumentation. Geteilte Ansichten entstehen darüber hinaus aus gemeinsamen Erfahrungen. Je stärker es gelingt, Gelegenheiten für gemeinsame Erfahrungen zu schaffen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die für den organisatorischen Zusammenhalt so notwendigen ähnlichen Interpretationen entstehen. Eine wichtige Leitungsaufgabe besteht somit darin, die informelle wie formelle Kommunikation in der Organisation anzuregen und zu gestalten. Diskussionen und Selbstverwaltung sind dort gut und faszinierend, wo es um gemeinsame Werte geht. Gute ManagerInnen sind in der Lage, den Prozess der Entscheidungsfindung so zu moderieren, dass die KollegInnen mit den jeweils notwendigen Fragen konfrontiert werden (vgl. Leiman 1997). Bereiche und Prozesse Management in Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen heißt in erster Linie, Prozesse und Beziehungen erst zu nehmen. Während Expertenorganisationen geübt in inhaltlichen Diskussionen sind und ExpertInnen ausgebildet sind in bestimmten inhaltlichen Fachfeldern, so sind die wenigsten ExpertInnen geschult in der Gestaltung von Prozessen und Beziehungen. In der klassischen Wirtschaftsorganisation ist die Aufgabe des Managements, Prozesse der Entscheidungsfindung und der Kommunikation zu gestalten. Die professionellere Gestaltung von Prozessen und Beziehungen ist daher die große Herausforderung der Professionalisierung des Hochschulmanagements. Schlüsselwörter: Expertenorganisation, Professional Bureaucracy, Widerspruchsmanagement, Organisationskultur, leadership, Management PERSONALMANAGEMENT 33 1 AUSGANGS- UND ANSATZPUNKTE Aufgaben zur Lernkontrolle und mit Bezug zur Berufstätigkeit (1) Nennen Sie die für Sie wichtigsten organisatorischen Spezifika von Universitäten? Welche davon treffen auch auf die Organisation zu, in der Sie arbeiten? ................................................................................................................................. (2) Was würden Sie als Besonderheiten Ihrer Organisation im Vergleich zu einer Wirtschaftsorganisation besonders hervorheben? ................................................................................................................................. (3) Was sind die in Ihren Augen essentiellen Dimensionen der Leitungstätigkeit in Bildungsorganisationen? ................................................................................................................................. (4) Wie würden Sie die Leitungskultur in Ihrer eigenen Organisation beschreiben? ................................................................................................................................. Literatur zur Vertiefung: Bergquist, W.H. (1992): The four cultures of the academy. San Francisco, Jossey-Bass. Birnbaum, R. (1992): How academic leadership Works. Understanding success and failure in the college presidency. San Francisco, Jossey-Bass. Burton, C. (1983): The higher education system. Academic organization in cross-national perspective. Berkeley, University of California Press. Grossmann, R./Pellert, A./Gotwald, V. (1997): Krankenhaus, Schule, Universität: Charakteristika und Optimierungspotentiale, in: iff-Texte 2, Hrsg.: Grossmann, R.: Besser, Billiger, Mehr. Zur Reform der Expertenorganisationen Krankenhaus, Schule, Universität. Wien, Springer-Verlag, S. 24-35. Mintzberg, H. (1983): Structures in fives: Designing effective organizations. Engelwood Cliffs, New Jersey: Prentice hall international edition. Pellert, A. (1995): Universitäre Personalentwicklung (Hg), Innsbruck: StudienVerlag. Pellert, A. (1999): Die Universität als Organisation. Die Kunst, Experten zu managen. Wien; Köln, Graz: Böhlau. PERSONALMANAGEMENT 34