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Prävention von pädosexuellen
Übergriffen auf Jungen
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Infoblatt 1
Häufig gestellte Fragen
zum Thema:
„Pädosexuelle Übergriffe
auf Jungen im öffentlichen Raum
(Einkaufscenter, Schwimmeinrichtungen,
Straßen, Plätze und Internet)“
© SUB/WAY berlin e.V. – berliner jungs 2008
SUB/WAY berlin e.V. – berliner jungs: Infoblatt 1: Fragen zum Thema pädosexuelle Übergriffe auf Jungen
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1. Wer sind die Männer, die im öffentlichen Raum unterwegs sind, um sich Jungen
aus sexuellem Interesse heraus zu nähern?
Es gibt nicht den Täter, es scheint nur die Gelegenheit zu geben.
Wenn es ein allgemein gültiges Täterprofil gäbe, wäre es einfach, die Täter zu stellen. Aber es gibt
keins. Die Täter sind minderjährig oder volljährig, verheiratet oder ledig, heterosexuell oder
homosexuell, Deutsche oder Migranten, Männer aus sozial schwachen Verhältnissen oder aus der so
genannten Oberschicht. Sie sind in Einkaufscentern unterwegs, auf Spielplätzen, im Internet, in
Schwimmeinrichtungen oder auf Straßen und Plätzen – überall da, wo sich Jungen aufhalten. Sie
locken mit emotionaler Zuwendung, einem vollen Kühlschrank, Freizeitaktivitäten, Videospielen,
Pornos, Geld, Fernsehen, Abenteuern, Autofahrten oder Geschenken. Sie bieten sich als Kumpel,
Sportskanone, großer Bruder oder Vaterersatz an.
Was alle Täter gemeinsam haben ist jedoch das Ziel, sexuelle Kontakte mit Jungen einzugehen.
Um dieses Ziel zu erreichen, gehen sie nach einem bestimmten Schema vor, dass in der
Fachliteratur als Grooming bezeichnet wird und vom niederländischen Tätertherapeuten Ruud
Bullens geprägt wurde.
Nachdem sie ihre inneren Hemmschwellen überschritten haben, gehen die Männer gezielt in den
Freizeit- und Aufenthaltsraum von Jungen und versuchen dort Jungen auf die sexuelle
Kontaktaufnahme vorzubereiten.
2. Wie gehen die Männer vor, die ein sexuelles Interesse an Jungen haben?
Warum greift niemand ein?
Täter müssen mehrere Schranken überwinden, um mit Jungen direkten Kontakt aufnehmen zu
können:
• Die Überwindung der inneren virtuellen Schranke
• Die Überwindung der äußeren virtuellen Schranke
• Die Überwindung der realen Schranke
Um verstehen zu können, warum es so schwer ist, die Täter zu erkennen oder zu überführen,
werden wir die Begriffe virtuelle Schranke und reale Schranke einführen. Die virtuellen Schranken
können nur im Kopf überwunden werden. Erst wenn diese Schranken überwunden wurden, kann
der tatsächliche sexuelle Übergriff an einem Kind stattfinden.
In diesem Modell spielt es keine Rolle, ob und wie sich innerpsychisch das Phänomen
Pädosexualität erklären lässt, ob es durch frühere eigene sexuelle Gewalterfahrung, emotionale
Vernachlässigung, physische Gewalt oder vorübergehend durch einen Schicksalsschlag
hervorgerufen wurde. Auch die psychopathische Seite von pädosexuell motivierten Kindermorden
lassen wir außen vor - hier spielen ganz andere Faktoren eine Rolle. Es geht alleine um die
Vermittlung von Tatsachen, die sich so oder ähnlich bei jedem Pädosexuellen abspielen.
a) Die innere virtuelle Schranke
Bis hier spielt sich alles im Kopf des Pädosexuellen ab (z.B. Onanie-Fantasien), es gibt keine
Opfer und keine Straftaten. Die Wünsche nach sexuellen Kontakten zu Jungen werden in vielen
Varianten im Kopf des Pädosexuellen durchgespielt. Die Wünsche wandeln sich jedoch nach
einiger Zeit in Bedürfnisse um. Die Bedürfnisse steigern sich bis zum Zwang zur Überwindung der
inneren virtuellen Schranke. Das gesellschaftliche Werte- und Normensystem hindert den
Pädosexuellen noch daran, diese Schranke zu überwinden. Zu groß ist die Angst vor Strafe und
gesellschaftlicher Ächtung. Teilweise, so berichten pädosexuelle Männer, spielen sich Jahre lang
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genau ausgearbeitete Szenarien im Kopf ab. Die Fixierung auf einen bestimmten Jungentypen auf
bestimmte Sexualpraktiken oder Orte der Kontaktaufnahme beginnen Gestalt anzunehmen.
b) Die äußere virtuelle Schranke
Das Verlangen, sexuelle Kontakte zu Jungen aufzunehmen, wird mit der Zeit größer als die Angst
vor der Entdeckung. Pädosexuelle suchen z.B. in anonymen Chats oder im Internet nach
Informationen, Treffpunkten und Fachaufsätzen oder lesen einschlägige nicht indizierte
Zeitschriften (bestimmte FKK-Magazine) oder Fachliteratur. Die vorsichtige Öffnung nach außen
wird in der Regel auch durch den Versuch begleitet, sich im Internet kinder- oder
jugendpornografische Erzeugnisse zu beschaffen. Vielfach gelangen sie in Foren, in denen dieses
Material an jede E-Mail geheftet wird. Hier beginnt die virtuelle mit der realen Welt zu
verschmelzen:
•
Die sexuelle Befriedigung geschieht in der Regel noch durch „Abspielen der Filme im
Kopf“ und z.B. nach oder während des Konsums kinder- oder jugendpornografischer
Bilder/Filme im Internet.
•
Der Übergang zur realen sexuellen Gewalt ist erkennbar fließend, denn die pornografischen
Erzeugnisse konnten nur durch die sexuelle Gewalt an Kindern oder Jugendlichen
hergestellt werden.
•
In den Foren kreisen Adressen, an denen realer Kontakt zu Jungen aufgenommen werden
kann („Reisetipps), wo es die „besten Gratis-Pics“ gibt und wie man seine Spuren im
Internet verwischt.
•
Die nicht indizierte Literatur weist immer wieder auf die gesellschaftliche Rückständigkeit
in Bezug auf die sexuelle Selbstbestimmung von Jungen hin und das man in der Antike
schon weiter war (war man nicht, aber die historische Lüge von der gesellschaftlich
anerkannten und geförderten „Knabenliebe“ wird immer noch verbreitet).
In dieser Phase bekommen Pädosexuelle auch mit, dass sie nicht alleine sind. Langsam setzt auch
hier der Prozess der Desensibilisierung ein nach dem Motto: Wenn andere das können, dann kann
ich das auch, bzw. andere werden ja auch nicht erwischt. Die moralische Hemmschwelle sinkt
weiter, bis sie überwunden wird.
c) Die reale Schranke
Pädosexuelle überwinden die Schranke zur Realität, wenn sie bewusst und geplant in den Freizeitund Aufenthaltsraum von Jungen eindringen, um sich ihnen sexuell intendiert zu nähern.
Sie wenden dabei die von Bullens herausgearbeitete und von SUB/WAY berlin in einer
wissenschaftlich begleiteten Studie nun auch für den öffentlichen Raum belegten Täterstrategie an,
das Grooming. SUB/WAY berlin erweiterte den Begriff um eine Nuance und eine Täterstrategie:
Wir reden im öffentlichen Raum vom „Express-Grooming“ und führten die Täterstrategie des
bewussten Eindringens in den Freizeitraum von Jungen zum Zweck der sexuellen
Kontaktaufnahme ein.
Das gezielte Vorgehen der Täter hat den Vorteil, dass es berechenbar ist. Auf jede Täterstrategie
konnte von berliner jungs ein Präventionsmodul erarbeitet werden, das auch die Risikofaktoren
der Jungen berücksichtigte.
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Demnach gehen pädosexuelle Täter im öffentlichen Raum wie folgt vor:
Täterstrategien
1. Sie halten sich bewusst in
den Freizeit- und
Aufenthaltsräumen von
Jungen auf.
Vorgehen
Täter suchen bewusst Schwimmbäder oder Einkaufscenter auf,
halten sich bewusst in der Nähe von Schulen oder Spielplätzen und
Internetcafés auf. Dies ist ihre Taktik und kein Zufall!
2. Sie versuchen das
Vertrauen eines Jungen
zu gewinnen.
Täter gehen auf einen Jungen zu und versuchen, mit ihm in
Kontakt und ins Gespräch zu kommen.
3. Sie versuchen, einen
Jungen zu bevorzugen.
Täter versuchen, mittels gesteigertem Interesse, Geld oder
Geschenken den Jungen für sich zu gewinnen.
4. Sie versuchen, einen
Jungen zu isolieren.
Täter versuchen, einen Jungen aus der ihm gewohnten Umgebung
herauszuholen oder von Freunden zu trennen.
5. Sie versuchen, einen
Jungen zur Geheimhaltung zu verpflichten.
Täter suchen systematisch nach „Schwachstellen“ der Jungen, mit
denen sie die Jungen erpressen können. Sie "teilen Geheimnisse"
und prüfen, ob ein Junge diese auch für sich behält (z.B. Pornos
gucken, Alkohol trinken).
6. Versuch der
Grenzüberschreitung.
Täter sexualisieren die Sprache und die Körperberührungen
schrittweise, um zu testen, ob Jungen dies aushalten oder ob sie
sich wehren.
Für die Prävention ist zu beachten:
• Je nach Vorgehen des pädosexuellen Täters kann in diesem System jede Vorgehensweise
ohne strafrechtliche Relevanz ablaufen. Selbst die Grenzüberschreitung kann als „Spiel mit
versehentlichem Abrutschen“ getarnt daherkommen. Der Beweis ist sehr schwer zu
erbringen, da es sich um einen geplanten Übergriff im Rahmen einer Täterstrategie handelt.
• Täter bewegen sich frei in diesem System. Bei Widerständen können sie auf vorherige
Stufen zurückgehen oder ganz aussteigen.
• Alles wird für die Beteiligten im Unklaren gelassen. Obwohl für die pädosexuellen Täter
von Vornherein das Ziel des sexuellen Übergriffs feststeht, bekommen Außenstehende
davon kaum etwas mit, wenn sie nicht eingreifen (Erkennen und Handeln!
Wissensvermittlung für Kinder und Erwachsene ist somit der erste Schritt):
o Sie „helfen“ Jungen beim Schwimmen und tauchen.
o Sie „helfen“ Jungen an der Spielkonsole, auch mal dran zu kommen oder auf den
nächsten Level zu gelangen.
o Sie „helfen“ Jungen, auch mal eine Zigarette zu rauchen, ein Bier zu trinken oder
ein „Männermagazin“ zu lesen.
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Täter testen Jungen systematisch ab, ob sie:
• Körperliche Nähe oder Körperberührungen zulassen;
• ihnen zuhören;
• Geld oder Geschenke annehmen;
• sich von Freunden oder der Familie isolieren lassen (z.B.: "Ich hab nur Platz für einen von
euch im Auto"; "Du bist doch groß genug um mitzukommen, ohne deine Mutter
anzurufen");
• sich Geheimnisse anvertrauen lassen, die sie auch für sich behalten. Gekoppelt ist diese
Strategie an die Verantwortungsabgabe des Missbrauchs an den Jungen oder an
Gewaltandrohungen: „Wenn du sagst, dass ich dir Pornos zeigen möchte, komm ich in den
Knast“; „Wenn das rauskommt, erzähl ich deinen Kumpels, dass du schwul bist“ usw.;
• die Grenzüberschreitung hinnehmen – aus Gründen der sexuellen Erregtheit, Scham,
Neugierde oder Hilflosigkeit.
3. Warum gehen Jungen zu Pädosexuellen mit nach Hause oder sonst wohin?
„Wir haben unseren Sohn doch gewarnt, nicht mit Unbekannten mitzugehen!“
Es gibt bestimmte Risikofaktoren, die Jungen umgeben, wenn sie sich alleine auf den Weg
machen. Alleine unterwegs sein ist bereits ein Risikofaktor. Pädosexuelle versuchen zuerst, sich an
Jungen heranzumachen, die alleine unterwegs sind, sie vermeiden in der Regel Gruppen.
Aber das reicht noch nicht aus, um besonders gefährdet zu sein.
Viele Jungen sind gerne bereit, in der Freizeit ein hohes Risiko für maximalen Spaß einzugehen.
Wenn diese Risikobereitschaft an Abenteuerlust gekoppelt ist, können Pädosexuelle einen
Jungen leicht überreden, mit ihm „etwas Tolles“ zu erleben. Andere Jungen haben gelernt,
Erwachsene als Respektspersonen stets zu achten und ihnen nicht zu widersprechen. Jeder hat
doch beispielsweise so eine Erinnerung an einen Onkel oder eine Tante und die Küsse, die man
geben musste ohne NEIN sagen zu dürfen! Auch dieses „Training“ nutzen Pädosexuelle aus.
In der heutigen Zeit sind teure Markenklamotten, MP3-Player, Spielkonsolen und Handys
Statussymbole, die Rangfolge auf dem Schulhof wird durch den Besitz solcher Dinge bestimmt.
Jungen, die sich so etwas nicht leisten können, werden als „Verlierer“ bezeichnet und gelten als
Außenseiter. Diese Jungen sind für Geschenke oder Geld besonders anfällig.
Aber nicht nur Jungen aus sozial benachteiligten Familien sind gefährdet. Das Hauptrisiko liegt,
quer durch alle Bevölkerungsschichten, in einem gestörten Verhältnis zum Vater. Jungen sind
also besonders gefährdet, wenn in der Familie kein oder nur ein schwacher Vater vorhanden ist,
wenn die emotionale Brücke zum Vater zerstört ist. Dann kann es vorkommen, dass Jungen
außerhalb der Familie „ihren Vaterersatz“ suchen. Diesen Platz besetzen Pädosexuelle bewusst und
gezielt. Dies gilt auch, wenn das Verhältnis zur Mutter „stimmt“.
4. Wie viele Opfer hat ein Täter durchschnittlich, bevor er entdeckt wird?
Diese Frage kann nur ansatzweise beantwortet werden. Das liegt zum einen daran, dass nur die
Fälle dokumentiert werden, die zur Anzeige kommen, bzw. durch Therapeuten oder Berater
aufgenommen werden. Zum anderen sind Täter nicht daran interessiert, ihre „Gesamtopferzahl“
freiwillig anzugeben, die unter ihren Taten leiden mussten.
Aber noch eine dritte, sehr diffuse Größe beeinflusst die große Dunkelziffer. Sie ist nicht mit
einem Wort zu erklären.
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Die meisten Fälle, auf die sich die gesammelten Daten stützen, stammen aus dem familiennahen
Raum. Hier sind die Daten leichter zu beziehen (Kriminalstatistik, Daten von Therapeuten etc.).
Für außerfamiliäre sexuelle Gewalt gibt es so eine Datensammlung nur Ansatzweise, denn nur die
Fälle tauchen zahlenmäßig auf, die:
• von Fachprojekten wie berliner jungs aufgedeckt werden;
• von sensibilisierten Einrichtungen der Jugendhilfe erkannt werden;
• zur Anzeige gebracht werden;
• in den Polizeirevieren „richtig“ eingeordnet werden;
• von der Staatsanwaltschaft zur Anklage zugelassen, also nicht eingestellt werden.
Zurzeit geht man davon aus, dass Täter im innerfamiliären Bereich 1,3 Opfer haben. Im
außerfamiliären Bereich variieren die Opferzahlen von 50,3 bis zu 300 (vgl. Bullens 1995, Abel
und Rouleau, 1990)
5. Wie weit verbreitet ist sexuelle Gewalt an Jungen?
Es gibt nur wenige Studien und Untersuchungen zu sexueller Gewalt an Jungen. SUB/WAY berlin
e.V. hat in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin von 2003 bis 2004 eine Studie mit
2100 Jungen zwischen 10 und 16 Jahren in Berlin durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass jeder
4. der befragen Jungen im öffentlichen Raum von unbekannten erwachsenen Männern
angesprochen wurden, die ihnen materielle oder emotionale Zuwendung anboten. Jeder 12. Junge
berichtete von erlebter sexueller Gewalt durch solche Männer. 5,2% berichteten von sexuellen
Handlungen ohne Körperkontakt, 3,0% von sexuellen Handlungen mit Körperkontakt. Diese
Ergebnisse decken sich mit anderen Forschungsergebnissen der jüngeren Zeit. In diesen liegt der
Anteil von Jungen, die von sexueller Gewalt betroffen sind, zwischen 5-10% (vgl. Bange 2007)
6. Wie alt sind die Betroffenen, wer sind die Täter und wie sieht die sexuelle Gewalt
aus?
Sexuelle Gewalt geschieht vom Kleinkindalter an und bis über die Pubertät hinaus. Das
Durchschnittsalter von betroffenen Jungen zu Anfang der Übergriffe ist 10 Jahre.
Etwa 30% der Täter sind Jugendliche. 30-50% von erwachsenen Sexualstraftätern begingen in
ihrem Jugendalter bereits sexuell abweichende Handlungen. 10-20% sind weibliche Täterinnen.
Entgegen allgemeinen Vorstellungen können die Formen der sexuellen Gewalt durch Frauen
ebenso brutal sein wie bei Männern. (vgl. Bange 2007)
In Studien mit Männern, die als Kinder sexuelle Gewalt erlebten, hat sich ergeben, dass etwas
weniger als 30% oral oder anal vergewaltigt wurden, bzw. der Täter dies versuchte. Ungefähr 40%
mussten genitale Manipulationen über sich ergehen lassen oder den Täter manipulieren. Um die
30% der Jungen erlebten ‚weniger intensive’ Formen sexueller Gewalt wie Zungenküsse oder
Exhibitionismus. (vgl. Bange 2007).
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7. Warum dauert es von der Anzeige bis zum Verfahren so lange?
Bevor ein Fall erfasst wird, muss er mehrere Hürden überspringen. Leider steht bei diesen
„Hürdensprüngen“ Vieles auf der Seite der Täter.
a) Der Junge muss mit irgend jemandem über die sexuelle Gewalt reden
Wie bereits oben erwähnt, setzen pädosexuelle Männer Jungen derart unter Druck, dass sie sich nur
mit Hilfe von Eltern, guten Freunden oder professionellen Helfern befreien können. Dieser Prozess
kann spontan erfolgen oder sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Letzteres vor allem, wenn die
Erziehungsberechtigten der Grund sind, warum der Junge zu einem Pädosexuellen geht (schwacher
Vater, Gewalt etc.).
So kann es vorkommen, dass ein Junge noch weiter zu einem Pädosexuellen geht, auch wenn die
Hilfsmaßnahmen schon angelaufen sind.
Wenn sich ein Junge einem Erwachsenen anvertraut, reagieren diese zunächst oft mit Entsetzen,
Hilflosigkeit oder verneinen sogar die Möglichkeit, dass so etwas in ihrem Umfeld passieren kann.
b) Wenn es zu einer Anzeige kommt: Wird die Anzeige korrekt aufgenommen?
Viele Polizeibeamte sind mit dem Thema sexueller Missbrauch an Jungen überfordert, Zeugen
werden nicht richtig vernommen, die Fachbeamten werden nur zögernd oder gar nicht
eingeschaltet. Gerade die Erstaufnahme entscheidet jedoch häufig, ob die Verfahren durch die
Staatsanwaltschaft aufgenommen oder eingestellt werden.
c) Deutsche Gerichte handeln in anderen Zeiträumen als Barbara Salesch & Co
Hier ist vor allem der Faktor Zeit zu erwähnen, der zermürbender ist, als allgemein angenommen
wird. Von der Tat bis zu einem Gerichtsverfahren können ein bis zwei Jahre vergehen. Besonders,
wenn die Täter im Wohnumfeld leben, können diese die Opfer beeinflussen oder bedrohen;
teilweise reicht die subjektive Bedrohung durch die Nähe aus. Vielfach werden Anzeigen wieder
zurückgezogen, weil die Zeit die Nerven zermürbt und die Familien davon ausgehen, dass der
Täter, der in der Regel noch frei herumläuft, „sowieso davonkommt“.
Der Zeitraum von der Anzeige bis zum Gerichtsverfahren wird seitens der Justiz mit einer
generellen Überlastung der Gerichte erklärt.
8. Wie sicher ist das Internet?
Alles, was für „reale“ Räume wie Schwimmbäder oder Straßen und Plätze gesagt wurde, gilt
(leider) auch für das Internet und seine „Verwandten“ wie Chats und Newsgroups. Pädosexuelle
nutzen dieses Medium, um Jungen anzusprechen, sich mit ihnen zu treffen oder ihnen Bilder
zuzusenden. berliner jungs empfiehlt Erziehungsberechtigten, sich intensiv mit diesem Medium
auseinanderzusetzen und mit den Jungen darüber zu reden, welche Gefahren im Internet auf sie
zukommen können. Gut wäre es auch, wenn Erziehungsberechtigte wissen, auf welchen Seiten die
Jungen surfen. Dies kann durch gemeinsames surfen, durch „checken“ des Verlaufs und der
History oder durch das Sichten von Cookies erfolgen; wem dies nichts sagt, sollte sich sachkundig
machen. In Chats geben sich pädosexuelle Männer gerne als Jungen aus, sie „faken“ Profile und
Bilder und geben sich Nick- oder Chatnames, die niedlich oder jungengerecht klingen.
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9. Wie kann ich (m)ein Kind vor sexueller Gewalt schützen?
Jeder Junge kann sexuelle Gewalt erleben, es gibt keinen absoluten Schutz davor. Es gibt jedoch
Dinge, die dem Jungen helfen können, sich zu schützen.
• Ein stärkeres Selbstwertgefühl – Bestätigen Sie Jungen in dem was sie tun und was sie gut
können. Bieten Sie ihnen Möglichkeiten für Erfolgserlebnisse. Gehen Sie immer und
überall respektvoll mit Kindern um, auch wenn Sie Grenzen aufzeigen. Dies ist ein Vorbild
für Kinder, die sich dann eher angenommen fühlen und mehr in sich selbst vertrauen
können.
• Darüber reden – Reden Sie mit ihrem Sohn über Sexualität als auch über sexuelle Gewalt.
Zeigen Sie Offenheit für seine Fragen, auch wenn Sie nicht alle beantworten können.
Hierzu gibt es sehr gutes Infomaterial, das weiterhilft (s.u. Weiterführende Literatur). Dann
kann der Junge auch eher mit Ihnen reden, wenn etwas Unangenehmes passiert.
•
•
•
•
Lernen Sie die Freunde Ihres Sohnes kennen. Wenn er zu einem unbekannten Freund geht,
fragen Sie mal, wie alt dieser Freund ist, wo er wohnt und wo sie sich kennen gelernt
haben.
„Nein“-sagen können – Bestärken Sie Ihren Sohn darin, nein zu sagen, wenn er etwas nicht
will, oder es ihm „komisch“ vorkommt. Kinder haben ein „Bauchgefühl“, auf das sie auch
hören sollten.
Problembewusstsein – Alle Menschen haben irgendwann Probleme. Es ist wichtig, mit
jemand vertrauenswürdigem darüber zu reden. Meistens sind dies gleichaltrige Freunde.
Zeigen Sie auch Bereitschaft, bei Themen wie Schule, Freunden, usw. erstmal zuzuhören,
ohne eine Meinung abzugeben, und dann den Jungen zu fragen, wie Sie ihn unterstützen
können.
Widmen Sie Ihrem Sohn Zeit und Aufmerksamkeit – Gehen Sie auf die Interessen Ihres
Kindes ein, unternehmen Sie gemeinsame Aktivitäten, die ihrem Sohn Spaß machen.
Sexuelle Übergriffe betreffen auch Jungen, die ein risikohaftes Freizeitverhalten haben („no
risk, no fun“). Täter bieten gezielt spannende Dinge wie Autofahren, Ausflüge,
Rummelplatzbesuch an.
Klären Sie über Manipulation von Kindern auf – Es gibt Jungs, die besonders anfällig sind
für Manipulationsversuche durch Geld und Geschenke. Sie wollen alles und sofort.
Erklären Sie Ihrem Kind, dass ein Fremder nicht einfach umsonst Dinge anbietet oder
schenkt. Irgendwann möchte er etwas zurück haben.
10. Worauf sollte ich noch achten?
Pädosexuelle sind sehr einfallsreich, sie denken sich immer wieder neue Tricks aus und nutzen die
neuen Medien wie Internet, Handy und Playstation oder X-Box. Dabei gilt jedoch, dass sie die
gleichen Täterstrategien anwenden, um an Jungen „heranzukommen“.
Die neuesten Entwicklungen...
• im Internet betreffen die Blogs, Tagebücher, denen alles anvertraut wird. Hier können Täter
direkten Zugriff auf intime Veröffentlichungen nehmen. Dieses Medium kann auch durch
die neue Generation der Spielekonsolen erreicht werden.
• im öffentlichen Raum betreffen Fetischisten aller Art, die sich Jungen nähern, um
o ihre Socken zu bekommen (Tausch gegen Markensocken, Geld oder andere
Geschenke). Auch getragene Schuhe, Badehosen oder Unterwäsche werden gesucht.
Diese Fetischisten sind auch in Internetauktionen unterwegs, in denen gebrauchte
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Kinderkleidung angeboten wird. Meist erfolgt die Bitte, die Kinderkleidung zu
bekommen, ohne sie vorher zu waschen, weil die Käufer eine Waschmittelallergie
vortäuschen. Fetischisten sind unberechenbar, niemand kann sagen, wann ihnen die
Wäschestücke nicht mehr ausreichen, um sich sexuell an ihnen zu befriedigen und der
„Bedarf“ sich an den Träger der Wäsche richtet.
o Blut zu kaufen. Sie stechen mit sterilen Nadeln Jungen in die Finger, nehmen Blut ab
und zahlen Geld dafür. Meist sagen sie den Jungen, dass sie Untersuchungen anstellen
und sehen wollen, ob alles OK bei ihnen ist. Blutfetischisten nehmen beispielsweise
Blut von Jungen auf, weil sie denken, damit ihre eigene Jugend auffrischen zu können.
Blut von Kindern gilt als „AIDS-frei“, somit können sie diesem Fetisch ohne große
Angst vor sexuell übertragbaren Erkrankungen nachgehen.
11. Wo kann ich noch mehr zum Thema lesen?
Die hier zitierte sowie weitere ausgewählte Literatur kann als ausführliche Liste von der Homepage
von berliner jungs runtergeladen werden: www.jungen-netz.de unter Downloads