Weitergehende Abwasserreinigung : Stickstoffelimination

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Weitergehende Abwasserreinigung : Stickstoffelimination
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Dr. E. Aust
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Vorlesung-abwasserTC7-kap5-3.doc
5.3.1
Weitergehende Abwasserreinigung : Stickstoffelimination
(DENITRIFIKATION)
Der Stickstoffgehalt von häuslichem Abwasser bewegt sich im Bereich von 30-60 mg-N/l,
wohingegen industrielle Abwässer teilweise erheblich darüber liegen können (z.B. Deponiesickerwasser, Textilindustrie, Chemische u. Fotoindustrie). Neben der biologischen Verfahren gibt es in der Technik eine Reihe von Alternativverfahren:
Tab.: Verfahren zur Elimination von NH3 aus Abwasser
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Prinzip der biologischen Stickstoffelimination :
Nitrifikation. Die Umwandlung von Ammonium zu Nitrat unter aeroben Bedingungen wird
durch chemolithotrophe nitrifizierende Bakterien durchgeführt. Diese Oxidation erfolgt in zwei
Stufen: Arten der Gattung Nitrosomonas oder anderen Gattungen aus der ,,Nitroso-Gruppe"
können Ammonium nur bis zum Nitrit (N02-) oxidieren (Ammoniumoxidierer); die weitere
Oxidation zum Nitrat (NO-3) erfolgt durch Nitrobacter-Arten oder andere Vertreter der ,,NitroGruppe« (Nitritoxidierer):
NH4+ + 1,5 02 Æ 2 H+ + H20 + N02- + freie Energie
N02- + 0,5 02 Æ N03- + freie Energie
Das Wachstum der Nitritoxidierer ist schneller als das der Ammoniumoxidierer, so daß in der
Regel die Umwandlung von NH3 zu NO2- der limitierende Schritt in der Nitrifikation ist, wenn
keine weiteren wachstumslimitierenden Bedingungen vorliegen (s. u.).
Die meisten chemolithotrophen Nitrifizierer verwenden Kohlendioxid als Kohlenstoffquelle (CAutotrophie). Durch den geringen Energiegewinn bei der Oxidation der anorganischen Stickstoffverbindungen und den hohen Bedarf an Reduktionsäquivalenten zur Umwandlung von
C02 zu organischen Zellsubstanzen ist der Substratumsatz sehr hoch, die Wachstumsrate im
Vergleich zu den meisten heterotrophen Abwasserbakterien, die die Hauptmasse der Abwasserflora ausmachen, jedoch sehr langsam (ca. 1/10) Die Generationszeit beträgt 10-20 h
und kann noch länger dauern.
Die Beckengröße und die Durchflußzeit des belebten Schlammes in der aeroben Belebung
muß der geringen Wachstumsrate der Nitrifizierer angepaßt werden. Die Verweilzeit des
Schlammes im Gesamtsystem, das Schlammalter muß daher mindestens 8 - 10 Tage oder
noch länger sein. Da das Schlammalter von der BSB5-Schlammbelastung abhängt, darf
diese nicht zu hohe Werte erreichen, sonst werden die Nitrifizierer durch den höheren
Schlammabzug aus der Kläranlage heraus verdünnt. Eine Nitrifikation setzt erst beim Absenken der Schlammbelastung auf ca. 0,15 [kg BSB5/kg TS d] ein (Tabelle 5.4). Die Nitrifikation ist weitgehend unabhängig vom Gehalt an organischen Stoffen im Abwasser, z. T. wur-
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de auch eine geringe Förderung der Ammonium- bzw. Nitritoxidation durch Zusatz bestimmter organischer Substrate beobachtet. Die Reaktion verläuft i.a. nach einer Kinetik Nullter
Ordnung (unabhängig von Ammoniumkonz.), eine Hemmung der Nitrifikation, die in einigen
Fällen bei einem hohen Verhältnis von BSB5 / Gesamtstickstoff beobachtet wurde, ist wahrscheinlich nicht direkt durch die organischen Substanzen, sondern eher durch das schnellere
Wachstum chemoorganotropher Bakterien bei verbessertem Substratangebot und der damit
verbundenen erhöhten 02-Zehrung verursacht worden. Unter solchen Umständen kann sich
ein 02-limitiertes Wachstum der Nitrifizierer einstellen.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der das Wachstum der Nitrifizierer stark beeinflußt und bei der
Auslegung der Kläranlage mit berücksichtigt werden muß, ist die deutliche Verlängerung der
Generationszeit bei Temperaturen unter 15 0C. Nitrifizierer, besonders Ammoniumoxidierer,
sind sehr empfindlich gegenüber toxischen Substanzen, z. B. Cyanide, Thioharnstoff, Phenole, Aniline und Schwermetalle.
Kläranlagen mit Nitrifikation müssen wegen des besonderen Stoffwechsels der nitrifizierenden Bakterien ein größeres Volumen haben, als Anlagen, die nur für eine Verminderung der
organischen Belastung ausgelegt sind. Außerdem muß die Belüftung höher sein (ca. 2,0
mg/l 02) und darf nicht unter 0,5 mg/l abfallen, da sonst Sauerstoff leicht zum wachstumslimitierenden Faktor für die Nitrifikation werden kann. Zur Oxidation von 1 g Ammonium-N zu
Nitrat werden ca. 4,3 mg 02 benötigt.
Probleme können auch bei ungenügender Pufferkapazität des Abwassers auftreten, wenn
der pH-Wert durch die Säurebildung bei der Ammoniumoxidation unter 6,7-6,5 abfällt und
sich Nitrit durch die Hemmung der Nitritoxidierer anhäuft. Aber auch zu hohe pH-Werte
wirken sich negativ auf die Nitrifikation aus, da dann die erhöhte Ammoniakkonzentration
(NH3) die Nitrifizierer hemmt.
Hemmung der Nitrifikation
durch NH3 und HNO2 in
Abhängigkeit vom pH-Wert.
Nitratatmung und Denitrifikation. Unter Sauerstoffmangel können verschiedene aerobe
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Abwasserbakterien den Substratwasserstoff aus organischen Substraten (bzw. deren Elektronen) oder H2 auf Nitrat übertragen. Der Energiegewinn in dieser ,,anaeroben Atmung"
verläuft wie in der 02-Atmung über eine Atmungskette; die ATP-Ausbeute ist jedoch um 1030% geringer als mit 02, aber noch sehr viel höher als beim Abbau von Substraten im Gärungsstofiwechsel. Bei der anaeroben Nitratatmung lassen sich drei Wege unterscheiden,
die durch unterschiedliche Endprodukte bei der Nitratreduktion charakterisiert sind:
[H] + N03- Æ N2 (= Denitrifikation)
[H] + N03- Æ NH4+ (= Nitratammonifikation)
[H] + N03- Æ N02- (= Nitrat-Nitritatmung)
Eine weitergehende Nitratentfernung aus dem Abwasser ist aber nur durch die Reduktion
von Nitrat zu gasförmigem Stickstoff (N2) in der Denitrifikation zu erreichen. Eine starke
Verminderung der Nitratkonzentration ist stets notwendig, wenn eine erhöhte biologische
Phosphorentfernung stattfinden soll.
Denitrifikation. In der Denitrifikation entstehen aus Nitrat gasförmige Endprodukte, hauptsächlich molekularer Stickstoff (N2). Als Nebenprodukt kann auch Distickstoffoxid (Lachgas,
N20) freigesetzt werden. Der Energiegewinn erfolgt an einer Atmungskette.
Dieser Reduktionsweg von assimilierbaren N-Verbindungen zu N2 wird auch als Stickstoffentbindung bezeichnet. Eine erneute Bindung von N2 und damit eine erneute Nutzungsmöglichkeit für die anderen Organismen kann nur durch N2-fixierende Bakterien erfolgen. Eine
Denitrifikation können verschiedene aerobe Bakterien ausfuhren wenn ihnen Nitrat als Elektronenakzeptor und ein geeignetes Substrat als Elektronendonor zur Verfügung steht. Es
sind im Regelfall Bakterien mit einem obligaten Atmungsstoffwechsel, die anaerob keine
Stoffwechselenergie durch Gärungen gewinnen können (z.B. Pseudomonas- Alcaligenes-,
Paracoccus-Arten). Die Enzyme in den einzelnen Stufen der Denitrifikationskette werden
meist erst adaptiv bei 02-Mangel und bei Vorliegen von Nitrat gebildet:
10 [H] + 2 H+ + 2 NO3- Æ N2 + 6 H20 + freie Energie
Die frei werdenden Protonen bilden mit dein Nitratsauerstoff Wasser. Durch Aufnahme der 2
Protonen steigt der pH-Wert an, das Abwasser wird alkalischer. Dadurch wird etwa die Hälfte
der Ansäuerung, die aerob durch eine Nitrifikation eintritt, wieder neutralisiert. Die gesamt-stöchiometrische Umsetzung von Methanol mit Nitrat zeigt folgende Formel:
1,1 CH3 OH (Methanol) + N03- Æ 0,07 C5H702N (Biomasse)
+ 0,76 HCO3- + 0,24 OH- + 1,44 H20 + 0,47 N2
Dient H2 als Elektronendonor, so steigt der pH-Wert noch stärker an, da dem Wasser durch
eine autotrophe C02 -Assimilation für die Synthese von Biomasse C02 entzogen wird. Die pHErhöhung kann sich in der anschließenden belüfteten Zone positiv auf die Nitrifikation auswirken.
Da sehr viele aerobe chemoorganotrophe Bakterien denitrifizieren können, ist sofort oder
nach sehr kurzer Adaptationszeit eine effektive Denitrifikation zu erhalten. Voraussetzung ist
jedoch - neben Nitrat bzw. Nitrit als Elektronenakzeptor - ein ausreichendes Angebot an
leicht verwertbaren organischen Schmutzstoffen. Bei einem zu geringen Zufluß an leicht
verwertbaren organischen Stoffen ist eine extra Zugabe von Substraten (z. B. Essigsäure,
Alkohole) für eine gute weitergehende N-Entfernung notwendig. Anderseits kann auch eine
unerwünschte Denitrifikation in der Nachklärung stattfinden, wenn ein unvollständiger Abbau
der gelösten oder adsorbierten organischen Schmutzstoffe in der Belebung vorliegt oder die
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Zellen einen hohen organischen Speicherstoffgehalt besitzen; bei höherer Gas-bildung (N2
und C02) ist die Sedimentation gestört, da dann die Belebtschlammflocken aufschwimmen
(Schwimmschlammbildung durch sog. ´wilde Denitrifikation´).
Die Stickstoffentbindung setzt üblicherweise erst unter 02 -limitierenden Bedingungen ein, da
die 02-Atmung einen höheren Energiegewinn als die N03 -Atmung ergibt. Anoxische Bedingungen stellen sich bereits ein, wenn die Belüftung stark vermindert wird, auch wenn noch
eine Umwälzung des Abwassers stattfindet. Eine Denitrifikation kann in einem weiten Temperaturbereich (5 - 60 0C) und bei pH-Werten von 6 - 8 ablaufen. Bei pH-Werten unter 6,0
kann es zu einer Nitritanhäufung und verstärkten Freisetzung von Lachgas kommen.
Verhältnis BSB5 /NOx-N > 3;
pH sollte nahezu neutral sein;
Nitrifikation und Denitrifikation mit dem Belebungsverfahren
Für eine effektive Nitrifikation im Belebungsverfahren spielt eine ausreichende O2Versorgung und das Schlammalter eine wichtige Rolle (vor allem Nitrosomonas u.a.). Dies
ist damit nur in niederbelasteten Belebungsanlagen möglich. Bestimmt wird das Schlammalter und die Überschußschlammproduktion durch die wesentlich schneller wachsenden CVerbraucher. Für die Nitrifikation ist nur der Anteil an aktiver Biomasse (X cTSBB) maßgeblich, der NH3 oxidieren kann (Nitroso- und Nitrobakterien). Bei Kenntnis des Nitrifikantenwachstums kann das für die Nitrifikation erforderliche Schlammalter abgeschätzt werden.
Generell geht man davon aus, daß eine Nitrifikationszeit von >1,5 h ausreicht, um die Nitrifikation auszuführen. Die folgende Übersicht /1/ faßt noch einmal die wichtigen Aspekte bei
der Bemessung der Nitrifikation zusammen:
Verfahren und Betriebsweisen zur Nitritikation/Denitrifikation
Die heute gebräuchlichen wesentlichen Verfahren oder Betriebsweisen zur Denitrifikation
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sind in Bild (nächste Seite) zusammengestellt. Es werden kurz die wichtigsten Verfahrensvarianten erläutert:
Vorgeschaltete Denitrifikation
Die Denitrifikationsgeschwindigkeit ist am größten, wenn nitrathaltiger belebter Schlamm aus
dem Nitrifikationsbecken mit dem zufließenden Abwasser im vorgeschalteten, unbelüfteten
Denitrifikationsbecken gemischt wird. Beim Abwasserzweckverband Biet wurde in Deutschland 1978 die erste Kläranlage mit vorgeschalteter Denitrifikation gebaut und optimiert.
Kaskadendenitrifikation
Die in Japan für die Behandlung des Abwassers aus der Kübelabfuhr (night soil) entwickelte
Kaskadendenitrifikation wird international mit ,,step-feed-process" bezeichnet. Die erste
Anlage dieses Typs in Deutschland wurde 1982 realisiert. Im ersten Denitrifikationsbecken
wird der Rücklaufschlamm denitrifiziert und in den weiteren Denitrifikationsbecken jeweils
das im vorhergehenden Nitrifikationsbecken gebildete Nitrat. Eine interne Rezirkulation ist
nicht erforderlich.
Simultane Denitrifikation
In Umlaufbecken erfolgen zeitgleich in den mit Sauerstoff versorgten Zonen die Nitrifikation
und in den Zonen ohne Sauerstoff die Denitrifikation. Die von v. d. Emde konzipierte Kläranlage Wien-Blumental (200.000 EW) mit zwei Umlaufbecken je 6.000 m3 ist 1969 in Betrieb
gegangen. Sie war weltweit die erste größere Belebungsanlage mit weitgehender Stickstoffelimination. Eine spezielle Regelung der Belüftung ist erforderlich.
Alternierende Denitrifikation
Belebungsanlagen mit alternierender Denitrifikation wurden in Dänemark entwickelt (,,BioDenitro-Verfahren"). Sie bestehen aus zwei Belebungsbecken (meist Umlaufbecken mit
Stabwalzenbelüftung), die alternierend mit Abwasser beschickt und belüftet werden. Der
Prozeß besteht dabei aus vier Phasen. In Phase A wird im Belebungsbecken 1 denitrifiziert
(Abwasser und nitrathaltiger Belebtschlamm werden ohne Belüftung nur gemischt), während
Becken 2 belüftet wird (Nitrifikation). Die Phase A ist abgeschlossen, wenn im Becken 1 das
Nitrat entfernt ist. Phase B ist eine kurze Zwischenphase mit Belüftung in beiden Becken. In
der Phase C wird Becken 2 als Denitrifikationsbecken benutzt, und zwar in der gleichen
Weise wie Becken 1 während der Phase A. Der gesamte Belüftungszyklus wird durch eine
Übergangsphase D abgeschlossen, in der ähnlich der Phase B beide Becken belüftet werden. Als Prototyp wurde 1972 dem entsprechend umgerüstet.
Intermittierende Denitrifikation
Bei der intermittierenden Denitrifikation erfolgen im gleichen Becken zeitversetzt Nitrifikation
und Denitrifikation. Das Verfahren wird vorwiegend in Anlagen mit aerober Schlammstabilisierung eingesetzt. Die Belebungsbecken sind meist als Rundbecken mit feinblasiger
Belüftung und getrennter Umwälzung ausgebildet. Die Dauer der Nitrifikations- und Denitrifikationsphasen sind zeitlich zu steuern. Es können aber auch gezielte Regelungen eingesetzt
werden.
Nachgeschaltete Denitrifikation mit externer Kohlenstoff-Dosierung
Weil in einem nachgeschalteten Denitrifikationsbecken die Nitratatmung aus Mangel an
verwertbarem Kohlenstoff gering ist, kann eine weitgehende Denitrifikation nur durch Dosierung von organischem Kohlenstoff erfolgen; in der Regel werden Methanol oder Acetat (oder
Acetat/Ethanol-Gemische) verwendet. Das Verfahren ist nur dort sinnvoll wo das C/N-
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Verhältnis des Abwassers gering ist, so daß eine vorgeschaltete Denitrifikation keine Vorteile
hat.
Abb.: Verschiedene Verfahrensvarianten zur N-Elimination
Nitrifikation und Denitrifikation in einem Tropfkörper
Bei niedrig belasteten Tropkörpern (Raumbelastung BR<0,2 kg/m³h) findet eine hinreichende
Nitrifikation statt. Bei geringen Raumbelastungen und hohen Rückführungsraten an geklärtem Abwasser tritt auch simultane Deni ein, vor allem im Inneren des Biofilms (Verarmung an
O2). Denkbar sind Tropfkörper, die nur teilweise belüftet sind, in den unbelüfteten Zonen
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kann dann die Deni wirksam werden, allerdings ist die Steuerbarkeit schlecht und Schwankungen der Zulaufwerte (NH4) wirken sich nachteilig aus. Eine gezielte Deni in Tropfkörpern
wird nur höchst selten praktiziert.
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Weitergehende Abwasserreinigung : Phosphorelimination
(biologisch + chemisch)
Phosphor trägt maßgeblich zur Eutrophierung der Gewässer bei und gilt als einer der wichtigen Bemessungsparameter für die direkte Einleitung von Abwasser in die Vorfluter. Er wurde
gemäß Abwasserabgabengesetz auch zum Kostenfaktor für die Klärwerksbetreiber. Große
Kläranlagen (siehe Anhang 1 zum WHG) dürfen nur unter 1 mg-P/l einleiten. Bei Zulaufkonzentration von 10 bis 30 mg/l, sind also Abbauraten von >90% gefordert.
Biologische Phosphatelimination
Phosphor ist ein wichtiger Bestandteil aller Organismen, der Energiestoffwechsel der Zellen
basiert auf phosphorhaltigen Verbindungen. Jeder Mensch scheidet über den Stoffwechsel
ca. 2 g-P pro Tag aus. Die Menge P im Abwasser ist höher als das erforderliche Maß für die
Organismen in der Belebung der Kläranlage (C:N:P = ca. 100:10:1). Unter der biologischen
P-Elimination versteht man daher die natürliche Aufnahme von P beim Zellenwachstum.
Während alle Organismen einen Teil P aufnehmen, gibt es Spezialisten, die sich durch eine
erhöhte Aufnahme auszeichnen, diese arbeiten vorzugsweise unter aeroben Bedingungen.
Unter anaeroben Bedingungen werden die in den Zellen eingelagerten Polyphosphatreserven aber wieder teilweise abgebaut, eine Rücklösung schon gebundenen P findet statt.
Abb.: Fixieren von P als Energiespeicher durch bestimmte Bakterien unter aeroben Bedingungen.
Das bedeutet, daß in dem BB schon gebundenes Phosphat (im Schlamm), unter den sauerstoffarmen Bedingungen der Nachklärung wieder in Lösung geht. Beispiel: im BB-Ablauf
gelöster P: < 1mg/l, im Ablauf der Nachklärung bis ca. 3 mg/l. Besser wäre demnach der
Einsatz der Flotation zur Nachklärung. Dies wird aber bislang nicht in großem Maßstab
realisiert (Kostenfrage).
Auch bei der Schlammfaulung (anaerob) geht ein beträchtlicher Teil des schon immobilisierten P wieder in Lösung. Das Abwasser aus der Faulung muß also ebenfalls behandelt werden.
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Fließbilder von Verfahren zur biologischen P-Elimination:
Der Grad der biologischen P-Elimination hängt von der Schlammproduktion, dem Schlammalter und der Biocoenose (Anteil an P-Spezialisten) ab. Es gibt zahlreiche Versuche, die
biologische P-Elimination zu quantifizieren (siehe z.B. Pinnekamp: gwf-wasser/abwasser 129
(1988)474-476). An dieser Stelle sei auf eine eingehendere Darstellung verzichtet, da die
chemische Elimination weitaus größere Bedeutung erlangt hat.
Die Chemische Phosphatelimination
Phosphor kommt im Abwasser in unterschiedlicher Form vor, anorganisch als Ortho- oder
Polyphosphate, organisch z.B. als Phosphonate. Bei der chemischen P-Elimination macht
man sich die geringe Löslichkeit insbesondere des Fe(III)-Phosphates, FePO4, zunutze.
Schwer löslich ist auch das Calcium- sowie Aluminiumphosphat. Werden dem P-haltigen
Abwasser Fe-III-Salze [z.B. FelCl3, FeSO4Cl, Fe2(SO4)3] zugegeben, konkurrieren neben der
Phosphatfällung auch die Hydroxidfällung des Eisens.
In jedem Fall ist eine leichte Absenkung des pH zu beobachten. Aus diesem Grund und
wegen der Einbringung von Salzen (Chlorid, Sulfat) ist eine zu starke Überdosierung zu
verhindern. Dosiert man Fe-II-Salze (billiger!) zu so können diese unter aeroben Bedingungen, wie z.B. im Belebungsbecken oder in einem belüfteten Sandfang zu Fe-III-oxidiert werden. Sowohl das gefällte Eisenphosphat und das Hydroxid gelangen in den Belebtschlamm
der Biologie. Durch den Schlammkreislauf hat schon gefälltes Eisenhydroxid mehrfach Gelegenheit mit Phosphat des Abwassers zu schwerer löslichem Phosphat zu reagieren. Das
Absetzverhalten der gefällten Phosphate und Hydroxide kann verbessert werden durch
Zugabe von Flockungshilfsmitteln, wie Polyacrylamid, Polyisocyanaten o.ä., die die Koagulation und Flockenbildung und damit die Absetzeigenschaften verbessern. Für eine effektive
Fällung ist wichtig, eine sehr gute Durchmischung und Turbulenz an der Einlaufstelle des
Fällmittels zu erreichen.
Die Dosierung von Fällmitteln, wie Fe-III-Salze, kann an verschiedenen Stellen in der Kläranlage erfolgen. Üblich sind die Zugabe im oder vor dem Sandfang, in das Belebtbecken oder
in den Ablauf der Nachklärung. Letztere ist zwar für die P-Elimination am effektivsten, macht
aber eine zusätzliche Sedimentations- oder Filtrationsstufe nötig.
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Bei der Dosierung von Fällmitteln vor der Vorklärung spricht man von Vorfällung. Im Vorklärbecken muß eine Absetzzeit von 1,5 bis 2 Stunden gegeben sein (qA<1 m³/m²h); der PGehalt verringert sich um ca. 70%;
Die Simultanfällung wird häufiger eingesetzt, Fällmittel wird nach der Vorklärung in den
Zulauf zum Belebtbecken gegeben. Aufenthaltszeiten von > 4h im Belebtbecken und > 3h in
der Nachklärung sind optimal.
die Nachfällung ist hinsichtlich der Phosphate am effektivsten, am besten mit Zugabe eines
Flockungshilfsmittels; Aufenthaltszeiten im Fällbecken > 0,5 h, in der Nachklärung> 2 h;
Der Fällmittelbedarf richtet sich nach dem P-Gehalt des Zulaufwassers. Zur genauen Bestimmung muß die P-Konzentration (als Tagesganglinie) ermittelt werden, oder die Ablaufkonzentrationen nach der Fällung zur Steuerung der Zugabemenge gemessen werden. Die
Fällung wird verbessert wenn man einen Überschuß an Fällmittel (relativer Fällmittelbedarf
β) einsetzt. Um einen Ablaufwert von <1mg-P/l zu reichen, ist ein β von 1,2 bis 1,5 erforderlich. Als Anhaltswert kann in der Simultanfällung ein Fällmittelbedarf von 100 g Eisensalz pro
m³ Abwasser angesetzt werden.
Durch die Fällung erhöhen sich naturgemäß die anfallenden Schlammmengen. Da die Simultanfällung die Eindickgrade verbessert, ist der Schlammvolumenanfall wenig bis gar nicht
erhöht, die Masse an Trockensubstanz dagegen um 10-15% erhöht. Im Schlamm ergeben
sich Eisengehalte von 200-500 mg-Fe/l, im Faulschlamm entsprechend bis ca. 50 g-Fe/kgTS. Der Überschuß an Eisen bei der Simultanfällung bewirkt, daß in der späteren Schlammfaulung entstehendes H2S als Sulfid gebunden wird. Der ausgefaulte Schlamm enthält 3-5
mal mehr Phosphat als der ohne Simultanfällung, was für die landwirtschaftliche Verwertung
von Bedeutung ist. Die Kosten für die Simultanfällung belaufen sich auf 2-5 Pfennig/m³Abwasser.
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Mit der Simultanfällung kann in Kläranlagen der Grenzwert von 1 mg/l im Ablauf sicher eingehalten werden. Unter Umständen ist in der letzten Stufe noch eine Flockungsfiltration
vorzusehen (mit Flockungshilfsmitteln). Eine on-line Überwachung der Phosphatwerte im
Ablauf und Zulauf der Anlage ist sinnvoll.
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5.4 Anaerobe Abwasser- und Schlammbehandlung
Abwasserbehandlung
Auch wenn die aeroben Verfahren für die Behandlung von Abwasser überwiegen, wird die
anaerobe Abwasserbehandlung unter Luftausschluß in Ausnahmefällen auch für den CAbbau eingesetzt, bei stark belasteten Abwässern, z.B. der Nahrungsmittel- oder Chemischen Industrie. Einige Organismen sind in der Lage organische Verbindungen unter O2Ausschluß abzubauen, die Endprodukte des Stoffwechsels dabei sind Methan und CO2, in
geringeren Mengen auch H2. Stickstoff- und Schwefelverbindungen werden unter diesen
Bedingungen zu NH3 bzw. H2S reduziert.
Nehmen wir als Beispiel die Umsetzung von Essigsäure, die unter anaeroben Bedingungen
zu Methan und CO2 gespalten wird:
BildungsWärmen ∆Gf
CH3COOH
-105 kJ/mol
Æ
CH4
+
CO2
-18 kJ/mol -94 kJ/mol
Freie Reaktionsenthalpie
-7 kJ/mol
Man sieht, daß diese Reaktion nur sehr wenig Energie liefert (sehr viel weniger als die aerobe Oxidation zu CO2 und Wasser: -220 kJ/mol !!). Das bedeutet, daß anaerobe Einzeller nur über ein relativ
langsames Wachstum verfügen und sehr viel Umsatz an Substrat leisten müssen, um ihren Energiestoffwechsel zu erhalten und neue Biomasse zu bilden.
Der Abbau läuft über mehrere Stufen: Hydrolyse, Säuregärung und Methanisierung:
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Die zugehörigen Bakterienarten sind miteinander vergesellschaftet und leben teilweise in
Symbiose. Anhängig von den Bedingungen (Substrat, pH, Temp....) kann jeder der drei
Teilschritte limitierend sein. Die acetogenen Bakterien benötigen niedrige H2-Partialdrücke,
was durch schnelle Methanisierung gewährleistet wird, andererseits kann eine Übersäuerung
mit Essigsäure die Methanbildung hemmen. Licht und H2S stören die Leistung der Methanbildner. Die Generationszeiten der Anaerobier sind sehr lange, es wird daher Schlamm
zurückgeführt, Biomasse auf Anwuchsflächen immobilisiert, um die Abbau-leistung zu optimieren. Oft ist es sinnvoll zwei Reaktoren hintereinander zu schalten, um die Abbauleistung
zu steigern. Die Stoffwechselleistung der Bakterien ist stark temperaturabhängig, weiterhin
gibt es Bakterien, die vorzugsweise bei verschiedenen Temperaturbereichen arbeiten:
35-40°C
bis 55°C
meso(thermo)phile
thermophile Bakterien
Die Bemessung der Reaktoren erfolgt grob nach Erfahrungswerten, die Verweildauer des
Abwassers im Reaktor betragen zwischen 5 und 10 h, Abbauleistungen liegen i.d.R. bei 80%
(CSB), weshalb oft eine anaerobe Nachbehandlung erforderlich ist. Das entstehende Biogas
(Faulgas) enthält ca. 50 bis 70% Methan. Der geringe Schlammanfall der anaeroben Prozesse und das ´wertvolle´ Biogas (ca. 50% Methan) sind große Vorteile gegenüber den
aeroben Verfahren.
AEROB
Kohlenstoff
im CO2 ca. 50 %
Organ. Kohlenstoff
im Abwasser 100 %
Kohlenstoff im
Schlamm ca. 50 %
ANAEROB
Organ. Kohlenstoff
im Abwasser 100 %
Kohlenstoff im
Schlamm ca. 1-5 %
Beispiele für anaerobe Abwasserreaktoren:
Kohlenstoff
im Ablauf ca. 1 %
Kohlenstoff
im Biogas (CO2,
Methan) ca. 90-95 %
Kohlenstoff
im Ablauf ca. 1-5 %
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Anaerobe Schlammbehandlung
Die Schlämme aus der Vor- und Nachklärung der aeroben Biologie fallen in großen Mengen
an und müssen in ihrem Volumen reduziert werden und sollte von allen geruchsintensiven
Stoffen und pathogenen (krankheitserregenden) Keimen befreit werden, man spricht von
sog. Schlammstabilisierung. In den meisten Fällen geschieht dies durch Ausfaulen des
Schlammes unter anaeroben Bedingungen. Die saure Schlammfaulung liefert einen schleimigen, grauen, übelriechenden Schlamm, der schwer entwässerbar ist und in dieser Form
nicht weiterverarbeitet oder verwertet werden kann (z.B. in der Landwirtschaft etc.). Die
Methangärung liefert einerseits das Brenngas für die Beheizung der Reaktoren, zum anderen baut sie das Schlammvolumen weiter ab und liefert einen schwarzen ausgefaulten
Schlamm, der leichter entwässerbar ist und nahezu geruchsfrei ist. Die Methanbakterien
arbeiten am besten im leicht alkalischen Milieu, im Gegensatz zu den versäuernden Bakterien der Säuregärung. Um deshalb für die Methanbakterien günstigere Bedingungen zu schaffen, wird der pH korrigiert: Beim Anfahren eines Faulreaktors durch Zugabe von Kalk o.ä., im
Dauerbetrieb durch Zumischen von sog. Impfschlamm, ausgefaultem (alkalischem)
Schlamm. Die Säurekonzentration sollte nicht > 1 g/l liegen, die Temperaturen zwischen 25
und 35°C, der pH zwischen 7-7,5.
Beim Bau von Faultürmen oder Faulbehältern sind einige wichtige Aspekte zu beachten:
geringe Umwälzung des Innenvolumens
kontinuierliche Abtrennung von Faulgas aus dem Reaktor
Behälter unter geringem Überdruck (Sicherheitsmaßnahme)
Beheizung vorsehen und Behälterwand gut isolieren
bei der Faulung enstehen H2S, welches die Behälterwandung (Betonarmierung)
angreifen kann
Beispiel für die Ausführung eines Schlammfaulturmes:
Sind in einer größeren Kläranlage aus Kapazitätsgründen mehrere Faultürme
vorgesehen, sollten diese in Reihe geschaltet und als Vor- und Nachfaulraum
betrieben werden. Die Abbauleistung ist dann schneller, das Eindick- und Absetzverhalten des ausgefaulten Schlammes besser.
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Die Raumbelastungen in Faulräumen (als kg-org.-TS pro m³ und Tag) bewegt sich zwischen
1 und 3. Die folgende Grafik gibt typische Faulzeiten als Funktion von der Temperatur an.
Meist werden Faulbehälter gut isoliert oder Im Winter sogar beheizt, um die Vorgänge zu
beschleunigen und bessere Gausausbeuten zu erhalten.
Schlammkonditionierung und Entsorgung
Wie andere Abfälle auch, unterliegen die Schlämme aus Kläranlagen dem Abfallbeseitigungsgesetz, welches fordert, daß Rückstände aus Prozessen vorzugsweise stofflich zu
verwerten sind, was im Falle der Klärschlämme heißt Ausbringung in der Landwirtschaft vor
Deponierung oder Verbrennung. Die Verwertung in der Landwirtschaft zur Düngung ist näher
in der Klärschlammverordnung geregelt, die für die wichtigsten kritischen Komponenten
Höchstgrenzen festlegt:
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In vielen Fällen bleibt als einziger Weg die Deponierung und Verbrennung der Schlämme.
Dies wiederum bedeutet, daß sie massiv entwässert werden müssen. Die Schlammkonditionierung ist ein gewichtiger Kostenfaktor für den Betrieb einer Kläranlage. Folgende Verfahren für die Schlammkonditionierung stehen zur Verfügung: