Pressemitteilung IHK-Journal
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44 iM FOKUS Tourismus setzt auf barrierefreies Reisen Schlüsselprojekt soll im Rahmen der Tourismusstrategie umgesetzt werden. DER TOURISMUS IN RHEINLAND-PFALZ STEHT ZUKÜNFTIG VOR GROSSEN HERAUSFORDERUNGEN, DIE MIT VIELFÄLTIGEN FRAGEN EINHERGEHEN. WIE BEEINFLUSST DER DEMOGRAFISCHE WANDEL DEN TOURISMUS? WELCHE ROLLE SPIELT DIE REGIONALITÄT BEI DER VERMARKTUNG? WIE KÖNNEN SICH BETRIEBE FIT FÜR DIE ZUKUNFT MACHEN? MIT DIESEN UND ANDEREN THEMEN SETZT SICH DIE TOURISMUSSTRATEGIE 2015 AUSEINANDER. DIE IHK KOBLENZ HAT DEREN WICHTIGSTE INHALTE IN EINER ARTIKELSERIE FÜR SIE ZUSAMMENGEFASST. IHK-Journal 07_08/2014 Der wecker klingelt morgens nicht bei allen Gästen des hotels Brenner in Koblenz. Stattdessen vibriert das Kopfkissen zur festgelegten Zeit. Und das mache durchaus Sinn, erklärt die Geschäftsführerin Michaela Dietz: „Gehörlose und schwerhörige Menschen hören das Klingeln eines weckers überhaupt nicht. Die Kopfkissen sind quasi der passende ersatz.“ Michaela Dietz engagiert sich seit Jahren für „barrierefreies reisen“. ein Thema, das auch in der Tourismusstrategie 2015 eine zentrale rolle innehat. „Barrierefreies Reisen“ Der Qualitätsanspruch der Tourismusstrategie schließt in besonderem Maße den barrierefreien Tourismus mit ein. „Menschen mit Behinderung sollen gleichberechtigt am Urlaub teilnehmen können“, erklärt Beate Schrader, Tourismusreferentin im rheinland-pfälzischen wirtschaftsministerium. Darüber hinaus sei der barrierefreie Tourismus auch ein wachstumsmarkt und somit durchaus wirtschaftlich interessant, so Schrader weiter. „Barrierefreiheit beschränkt sich nicht nur auf Ältere oder Menschen mit Behinderung. Genauso profitieren Familien mit kleinen Kindern von entsprechenden angeboten“, sagt die expertin. Diese Sichtweise vertritt auch christian Dübner, Tourismusreferent der industrie- und handelskammer (ihK) Koblenz, und ergänzt: „Der demografische wandel wird sich zukünftig noch stärker bemerkbar machen. wir haben immer mehr ältere Menschen, die weiterhin aktiv reisen.“ Dementsprechend müsse sich der Tourismus schon jetzt auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe einstellen und passende reiseangebote erstellen, schließt Dübner. Die rheinland-Pfalz Touristik (rPT) Gmbh hat damit begonnen, eine landesweite Servicekette für barrierefreies reisen aufzubauen. Dazu gehören unter anderem die regionen RHEINLAND-PFALZ ERLEBEN. Special: Tourismus in Rheinland-Pfalz Naheland, Mittelrhein und westerwald, aber auch Bad Neuenahr-ahrweiler. Das Thema frühzeitig erkannt in Bad Neuenahr-ahrweiler halten sich neben den Tagesgästen viele Menschen zu gesundheitlichen rehabilitationsmaßnahmen in der Stadt auf. Mit der über 150 Jahre alten Tradition als Kurort sei man so schon früh für mobilitätseingeschränkte Gäste sensibilisiert worden, berichtet heinz Schönewald, leiter der beiden Tourist-informationen: „Gerade durch unsere reha-Zentren und Kliniken haben wir hier viele Gäste, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Deren anteil beträgt etwa zehn Prozent.“ Die rPT habe Bad Neuenahr-ahrweiler bereits 2010 zu einer Zielregion für das barrierefreie reisen erklärt und den leitlinien sei man gerne gefolgt, so heinz Schönewald weiter. Die Tourist-informationen sind infolgedessen rollstuhlfahrergerecht umgebaut worden. eine Maßnahme, die besonders positiv aufgenommen wurde, war die absenkung der Beratungsschalter. aber es gehe auch darum, als ausflugsziel insgesamt barrierefreies reisen zu ermöglichen. „Das fängt bei den notwendigen Sanitäranlagen im öffentlichen raum an und hört bei speziellen Stadtführungen auf“, verweist heinz Schönewald auf die Vielzahl an herausforderungen. Zufrieden zeigt er sich mit der gezielten Schulung von Stadtführern im hinblick auf mobilitätseingeschränkte Gäste. „Die Führung ,in Vino Veritas‘ ist auch für rollstuhlfahrer geeignet. hindernisse oder Steigungen gibt es dabei nicht“, erläutert heinz Schönewald das angebot. er ist sich sicher, dass das barrierefreie reisen in Zukunft eine noch größere rolle spielen wird. Zimmer angemessen gestalten Barrierefreies reisen ist auch bei Vanessa Köhl vom cONTel hotel Koblenz ein wichtiges Thema ihrer täglichen arbeit. Gerade hat sie noch zwei Gäste im rollstuhl nach iM FOKUS ihrem aufenthalt im hotel Koblenz verabschiedet. „Generell waren die beiden herren zufrieden, allerdings hatten sie auch kleine Verbesserungsvorschläge“, äußert sich Köhl, die als Mitarbeiterin für barrierefreies reisen verantwortlich ist, zu deren rückmeldung. So sollen jetzt zeitnah neue haltegriffe in den Duschen eingebaut werden. Das cONTel hotel hat zwölf der 185 Zimmer bereits barrierefrei umgebaut und ist für das engagement im barrierefreien Tourismus über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. auslöser dafür war die Teilnahme an einem Seminar, berichtet Vanessa Köhl: „Die Teilnehmer schlüpften dabei in die rolle von geh- und sehbehinderten Gästen. wir haben uns beispielswiese im rollstuhl fortbewegt. Diese erfahrung hat mir gezeigt, wie wichtig das Thema ist.“ Gemeinsam mit der Geschäftsführung entwickelte Köhl Konzepte für barrierefreie Bewegung innerhalb des hotelgebäudes. Für rollstuhlfahrer wurden Bäder entsprechend umgestaltet und Betten unterfahrbar gemacht, um die Bewegungsfreiheit in den Zimmern zu erhöhen. Zudem wurde die raumbeleuchtung für sehbehinderte Menschen verbessert. aber auch vermeintlich kleine aspekte sind berücksichtigt worden. „ein weißer lichtschalter an einer weißen wand ist schwer zu erkennen. wir haben Schalter mit Kontrastfarbe eingesetzt“, führt Köhl aus. Von den notwendigen investitionen – der Umbau eines Badezimmers alleine kann über 4.000 euro kosten – lässt sich die hotelleitung nicht abschrecken: „wir möchten alle Menschen gleich behandeln. Und die positive resonanz bestärkt uns in dieser auffassung.“ auch die rPT hat das engagement bereits registriert und das cONTel für geh- und sehbehinderte Gäste zertifiziert. Richtig zuhören Nur drei Kilometer entfernt liegt das hotel Brenner in der Koblenzer innenstadt. Das hotel mit den Vibrationskissen. Geschäftsführerin Michaela Dietz erzählt, wie sie dazu kam, sich für Barrierefreiheit einzusetzen: „ich habe eine gehörlose Bekannte. Durch sie bin ich auf das Thema aufmerksam geworden. ich wollte dann auch hier im hotel etwas verändern und habe vier unserer 24 Zimmer mit der notwenigen Technik ausstatten lassen.“ Das bedeutet beispielweise die installation von Blinksignal- anstelle von Tonanlagen. anstatt eines Telefons wird ein Telefonfax angeboten. wer möchte, kann sich zudem eine mobile induktionsschleife zum störungsfreien hören ausleihen. „Bis ein Zimmer allerdings komplett ausgestattet ist, fallen 2.500 euro an“, räumt die inhaberin ein. Zusätzlich ist das Personal geschult worden, um mit gehörlosen oder schwerhörigen Gästen zu kommunizieren. „Sie müssen dem Gast durch Blickkontakt die Gelegenheit geben, von den lippen mitzulesen“, verweist Michela Dietz auf die besonderen anforderungen für die Mitarbeiter des hotels. Sie ist davon überzeugt, dass das barrierefreie reisen weiter Thema bleibt und noch mehr Beachtung in der Öffentlichkeit finden wird. Barrierefrei bei den Römern Diese ansicht teilt auch Friedhelm walbert, Geschäfstführer der römer-erlebnis welt in rheinbrohl. Unter dem Motto „erlebnis mit allen Sinnen“ sollen die Besucher in der interaktiven ausstellung für das welterbe limes begeistert werden. Damit auch sehbehinderte Besucher die inhalte der Schaukästen und gläsernen Durchgangstüren gut wahrnehmen können, hat sich die leitung der römerwelt etwas Besonderes einfallen lassen. „wir haben an den Glasflächen eine spezielle Folie anbringen lassen. Dadurch wird der Besucher nicht mehr geblendet. Das ist eine wesentliche erleichterung für Personen mit eingeschränktem Sehvermögen“, erklärt Friedhelm walbert. auch rollstuhlfahrer kämen in der erlebniswelt durchaus eigenständig zurecht. allerdings wolle man in Zukunft noch mehr in das barrierefreie erlebnis investieren. „Gerade beim außengelände können wir uns weiter verbessern. wobei das natürlich immer eine Frage der Finanzierung ist“, blickt Friedhelm walbert in die Zukunft. Dass Unternehmen sich dadurch auch mittelfristig wirtschaftlich besser positionieren können, steht für ihn außer Frage: „Die ausrichtung auf barrierefreies reisen, mit einer wachsenden Zielgruppe im hintergrund, kann schon zu einem Marktvorteil führen.“ IHK informiert zu Schlüsselprojekten Bei Fragen zum „Barrierefreien reisen“ sowie den Schlüsselprojekten der Tourismusstrategie ist die ihK Koblenz erster ansprechpartner vor Ort. „wir können Betrieben bei vielen Fragen direkt weiterhelfen. im Bedarfsfall vermitteln wir die entsprechenden Kontakte zu anderen Projektträgern“, ermutigt Dübner dazu, sich zu informieren. Schließlich gehe es darum, den Tourismus in rheinland-Pfalz gemeinsam zukunftsfähig zu machen. Kontakt: Christian Dübner 0261 106-306 [email protected] Die Schlüsselprojekte im Überblick Neben dem „Barrierefreien Reisen“ sind folgenden Schlüsselprojekte in der Tourismusstrategie 2015 festgehalten: • Tourismusfinanzierung • Tourismusförderung • Kommunale Strukturen stärken • Zielgruppenbezogene Marktforschung • Virtuelle Tourismusakademie Interessierte Unternehmen können sich zu den einzelnen Schlüsselprojekten im Internet informieren. Mehr Informationen: www.tourismusnetzwerk.info 45