Bestandsaufnahme „Crack-Konsum“ in Deutschland
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Bestandsaufnahme „Crack-Konsum“ in Deutschland
Universität Bremen Bremer Institut für Drogenforschung (BISDRO) Bestandsaufnahme „Crack-Konsum“ in Deutschland: Verbreitung, Konsummuster, Risiken und Hilfeangebote Endbericht (31.8.2001) Heino Stöver unter Mitarbeit von Melanie Nüdling Universität Bremen FB 08 - ARCHIDO PD Dr. Heino Stöver Postfach 33 04 40 28334 Bremen Tel.: ++49 (0)421 218-3173 Fax: ++49 (0)421 218-3684 Email: [email protected] Seite 1 Inhaltsverzeichnis TABELLEN................................................................................................................3 EINLEITUNG .............................................................................................................1 DANK.........................................................................................................................4 1 METHODISCHES VORGEHEN ............................................................................5 1.1 Literaturanalyse...............................................................................................5 1.2 Persönliche Befragung von Schlüsselpersonen in zwei Städten.....................5 1.3 Telefonische Befragungen von ExpertInnen ...................................................6 1.4 Anschreiben der Drogenbeauftragten/-dezernentInnen ..................................6 2 GRUNDLAGEN .....................................................................................................7 2.1 Begriffsklärung: Was ist „Crack“/“Freebase“? .................................................7 2.1.1 Freebase ........................................................................................................... 7 2.1.2 Crack ................................................................................................................. 7 2.2. Konsummotive und Lebenswelt ......................................................................8 2.3. Gesundheitliche Risiken und soziale Desintegration.......................................9 2.4. Abhängigkeit und Kontrollstrategien..............................................................10 2.5. Zusammenfassung........................................................................................14 3 CRACK-KONSUM - PRÄVALENZ ......................................................................15 3.1 Crack-Konsum in Hamburg und Frankfurt.....................................................15 3.1.1 Hamburg.......................................................................................................... 16 3.1.1.1 Situationsbeschreibung .............................................................................................. 16 3.1.1.2 Ergebnisse empirischer Studien................................................................................. 21 3.1.1.3 Polizeiliche Daten ....................................................................................................... 25 3.1.2 Frankfurt .......................................................................................................... 25 3.1.2.1 Situationsbeschreibung .............................................................................................. 25 3.1.2.2 Ergebnisse empirischer Studien................................................................................. 31 3.1.2.3 Polizeiliche Daten ....................................................................................................... 33 3.1.3. Zusammenfassung........................................................................................... 35 3.2 Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und Bundesländern ................................................................................................1 3.2.1. Zusammenfassung............................................................................................. 5 3.3. Ergebnisse zur Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum Crackkonsum in großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik Deutschland:........................6 3.4 Entwicklung des Kokain- und Crackkonsums in Deutschland und Europa ...19 3.4.1. Kokain-/CrackkonsumentInnen in ambulanten und stationären Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe ............................................................................................ 20 3.4.2. IFT – Konsum psychoaktiver Substanzen in der erwachsenen Bevölkerung von 18-59 Jahren.................................................................................................... 21 Seite 1 3.4.3. Polizeiliche Erkenntnisse .................................................................................. 23 3.4.4. Einschätzung der weiteren Entwicklung des Crack-Konsums in Deutschland.. 25 4 BERATUNGS- UND BEHANDLUNGSNOTWENDIGKEITEN UND -ANGEBOTE 29 4.1 Prävention .....................................................................................................30 4.2 Aufsuchende, ‚nachlaufende’ Sozialarbeit ....................................................30 4.2.1 „Laufwerk“ Hamburg – Aufsuchende Sozialarbeit in offenen Drogenszenen ... 31 4.2.2 Crack Street – Projekt Frankfurt ...................................................................... 32 4.3 Harm reduction..............................................................................................33 4.3.1 Konsumräume ................................................................................................. 33 4.3.2 Safer-Use Materialien ...................................................................................... 37 4.4 Behandlungsangebote ..................................................................................38 4.4.1 Ambulante Behandlung: Das Beispiel KOKON in Berlin................................... 38 4.4.2 Ohr-Akupunktur ............................................................................................... 40 4.4.3 Ruhe- und Rückzugsräume ............................................................................. 41 4.4.4 Entzug ............................................................................................................. 41 4.4.5. Psychiatrische Sprechstunde und Akutinterventionen...................................... 42 4.4.6. Wohnangebote ................................................................................................ 42 4.4.7. Vernetzung ...................................................................................................... 43 4.4.8. Einzelfallhilfe und Case-Management .............................................................. 44 4.4.9. Anlaufstellen für die Zielgruppe jugendlicher Crack-KonsumentInnen .............. 44 4.4.10. Hilfen für die Zielgruppe der Substituierten..................................................... 44 4.4.11 Peer involvement-Strategien............................................................................ 45 4.4.12 Fortbildungs- und Ausbildungsbedarf............................................................... 45 4.5 Crack-Konsum in niedrigschwellig organisierten Angeboten der Akzeptierende Drogenarbeit: Probleme und Umgehensweisen............................................46 4.6 Diskussion: Neue Hilfeangebote einrichten und/oder vorhandene Angebote modifizieren? .................................................................................................48 5 ORDNUNGSPOLITISCHE UMGEHENSWEISEN IN DEN KOMMUNEN ...........50 5.1. Dialog zwischen Drogenhilfe und Polizei.......................................................50 6 ZUSAMMENFASSENDE DISKUSSION DER ERGEBNISSE ............................52 7 FRAGESTELLUNGEN FÜR ZUKÜNFTIGE FORSCHUNGSTÄTIGKEIT...........57 8. LITERATUR.........................................................................................................59 9. ANHANG .............................................................................................................64 9.1. Zum Umgang und Behandlung von Crack-KonsumentInnen – Informationsbesuch in Rotterdam/Amsterdam und London (K.-J. Lange) ....64 9.1.1. Beschreibung der besuchten Einrichtungen in Amsterdam und Rotterdam ...... 64 9.1.2. Beschreibung der besuchten Einrichtungen in London..................................... 66 9.2. Adressen .......................................................................................................73 Seite 2 Tabellen Tabelle 1: Symptome bzw. Nebenwirkungen des Cocain-Abusus durch Rauchen von Freebase Tabelle 2: Erlebte Wirkungen beim Crack-Rauchen Tabelle 3: Sonstige Beschwerden nach Crack-Konsum Tabelle 4: Synopse der empirischen Studien zum Thema Crack Tabelle 5: Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und Bundesländern Tabelle 6: Ergebnisse der Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum CrackKonsum in großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik Deutschland Tabelle 7: Polizeiliche Daten zu Fällen, erstauffällige KonsumentInnen und Sicherstellungsmengen im Zusammenhang mit Kokain Tabelle 8: Übersicht über Konsumräume und Konsumbedingungen in Deutschland Seite 3 „Nur zu Zeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch“ (Hölderlin) Einleitung Aus den Vereinigten Staaten erreichen uns immer wieder alarmierende Meldungen über die „Crack-Gefahr“. Das amerikanische Nachrichtenmagazin „News Week“ hält die „Todesdroge“ Crack für „gefährlicher als die Seuchen des Mittelalters“ (1986). Auch entsprechende Medien in Deutschland folgen dieser Sichtweise: Der ‚Spiegel‘ bezeichnet Crack als das ‚gefährlichste aller Rauschgifte‘ und beschreibt die Drogenverkäufer (‚Internationale Mafiosi und afrikanische Dealer‘) als ‚grausam wie die Roten Khmer‘ (52/2000). Der Droge, dem Pharmakon selbst wird vor allem ein großes Sucht- und Aggressionspotential zugeschrieben: „Crack greift sich einen Jugendlichen, der es eben noch zögernd ausprobiert hat, und verwandelt ihn in jemanden, der jeden moralischen Wert zerstört, an den er jemals geglaubt hat“ (Rosenthal, zit. n. Der Spiegel Nr. 43/1986, S. 150). Befürchtet wird seit langem das „Überschwappen“ der „Crack-Welle“ nach Europa. Auch Kriminaldirektor Mellenthin, Leiter der Rauschgiftabteilung im LKA Stuttgart hatte 1986 keinen Zweifel, daß sich Deutschland auf eine „Crack-Welle“ einstellen muß (vgl. Der Spiegel Nr. 43/1986, S. 150). Zu diesem Zeitpunkt wurden in Deutschland die ersten Fälle von CrackKonsum im Rahmen von Erhebungen für das Frühwarnsystem im Großraum Hamburg beobachtet. Hierbei handelte es sich um vier Drogenabhängige mit einer langjährigen Drogenkarriere und polyvalentem Mißbrauch (vgl. Keup/Weidig 1986, S. 431). 1994 berichtet das „Hamburger Abendblatt“ wieder über Crack („Todesdroge Crack in Hamburg“/7.1.94; „Todesdroge Crack in Hamburg auf dem Vormarsch“/8.1.94) Während ein Drogenexperte die Beschlagnahmung einer kleinen Menge Crack als Indikator für ein Herüberschwappen der Crack-Welle auf Hamburg betrachtet, sieht die Polizei darin kein Alarmzeichen: „Für dieses Rauschgift gibt es bei uns keinen Markt“. Inzwischen rauchen 70 bis 90% der Süchtigen in Hamburg Crack, so die Bild Zeitung: „Eine Droge, die brutal macht. Rücksichtslos und gewalttätig“ (Bild 8.Jan. 2001, S. 9;) oder der stern „Die Teufelsdroge kommt: Weiße ‚Steine‘ aus rauchbarem Kokain erobern die deutsche Rauschgiftszene und machen Süchtige verrückt“ (stern Nr. 11, 11.3.99). Jenseits der oftmals sensationsorientierten medialen Aufbereitung des CrackThemas (vor allem mit dem Begriff der „Drogenwelle“) und einer „drug-scare“ (Drogenpanik festgemacht an Crack in den USA) wird eine zunehmende Verbreitung von ‚Crack - Konsum‘ seit einigen Jahren in der (Fach-)Öffentlichkeit als wachsendes Problem wahrgenommen. Die Entwicklungen in großstädtischen Metropolen (vor allem Hamburg und Frankfurt, zum Teil auch Hannover) legen nahe, dass der Konsum von ‚Crack‘ dort in der Drogenszene verbreitet ist und eine Zunahme des Konsums erfolgt. Polizeiliche Daten sowohl über Delikte im Zusammenhang mit der Droge ‚Crack‘, als auch Daten über ‚Erstauffällige KonsumentInnen‘ im Zusammenhang mit ‚Crack‘ bestätigen diesen Trend, wenn auch die Zunahme nur sehr gering zu sein scheint. Einrichtungen der vorwiegend niedrigschwellig arbeitenden Drogenhilfe in diesen drei Städten werden zunehmend mit dem Phänomen ‚Crack-Konsum‘ konfrontiert und haben bereits Hilfeangebote entwickelt. Anders als der traditionell verbreitete Gebrauch von sedierende Substanzen (Heroin, Benzodiazepine, Alkohol, Mischdrogengebrauch) in den Drogenszenen der Großstädte hat mit Kokain bereits seit einiger Zeit eine Droge zunehmende Seite 1 Verbreitung gefunden, die es Hilfeeinrichtungen schwer macht, überhaupt Kontakte als Basis für weiterführende gesundheitliche und soziale Hilfen zu knüpfen. Mit dem Phänomen ‚Crack‘ scheinen sich diese Probleme eher noch verschärft zu haben: Aggressivität, hohe Mobilität, schlechte Erreichbarkeit und exzessive Gebrauchsmuster sind Kennzeichen der KonsumentInnen dieser Droge. Zwar scheint es auch Hinweise dafür zu geben, dass Crack auch in bestimmter Form kontrolliert und/oder zeitlich unterbrochen konsumiert wird, allerdings gibt es viele Anzeichen dafür, dass das psychische Suchtpotential aufgrund des unmittelbaren Anflutens im Köper und die Gefühle von „Grandiosität“ und stark gesteigertem Selbstbewußtsein und –vertrauen für viele Menschen als so überwältigend erlebt werden, das diese Droge zum alltagsleitenden Lebensprinzip der KonsumentInnen wird, das andere lebens- und alltagsbezogene Aktivitäten ausschließt oder zumindest in hohem Maße vernachlässigt. In Einzelfällen ist die individuelle Steuerungsfähigkeit vorübergehend oder insgesamt stark eingeschränkt. In beiden Städten Hamburg und Frankfurt herrscht angesichts des hohen Grades an Verelendung der Crack-KonsumentInnen eine allgemeine Ratlosigkeit. Trotz erster Interventionsansätze (Kontakt, Beratung, Behandlung in den Formen Akupunktur, Tagesruheräume, stärkere Streetwork, Nutzung der „Time Out – Phasen“, safer-useMaterialien) lässt sich aber auch auf der Drogenhilfepraxisebene eine Hilflosigkeit beobachten, wie die mit dem Crack-Konsum verbundene Dynamik und Verelendung von der Suchtkrankenhilfe am besten bearbeitet werden kann. Deutlich wird auf den Koordinationstreffen der betroffenen Städte, aber auch auf der Fachtagung „Crack – Stein(e) des Anstoßes“ (16.5.01 in Hamburg), dass es keine Patentrezepte für eine adäquate Hilfe gibt und dass sich keine „Schnellschüsse“ anbieten, sondern eine sachliche Annäherung an das Phänomen geboten ist. Inwieweit Crack tatsächlich in Deutschland verbreitet ist, wie es auf die KonsumentInnen wirkt und welche Hilfeangebote bereits bestehen und welche noch eingerichtet werden sollten, soll in dieser Bestandsaufnahme geklärt werden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit „Crack-Konsum in Deutschland: Verbreitung, Konsummuster, Risiken und Hilfeangebote“ ist es, alle verfügbaren Daten und Informationen verschiedener Quellen und relevanter Einrichtungen sowie professionell mit dem Bereich befasster Personen zusammenzutragen. Dies soll dazu dienen: • • • • • ein Gesamtbild der Verbreitung von „Crack“ in Deutschland vor dem Hintergrund europäischer Entwicklungen (Schwerpunkte des Konsums, Handels, Schmuggels, Verbreitung außerhalb von Metropolen) Beschlagnahmungsmengen, erstauffällige KonsumentInnen) zu zeichnen, eine Auswertung epidemiologischer Daten zu Kokain- und Crack-Konsum in Deutschland zu erstellen, einen Überblick über KonsumentInnen (geschlechtsspezifische Unterschiede, Altersspezifische, ethnische Besonderheiten, soziale Hintergrunddaten etc.) zu geben, Konsummuster (Menge, Häufigkeit, Preis, einschl. entwickelter Schadensminimierungsstrategien) zu verstehen, subkulturelle Rahmenbedingungen (Rituale, Drogenspezifika, Einbindungen in andere Szenen) zu erhellen, Seite 2 • gesundheitliche Risiken (Todesfälle, Lungenschädigungen) zu präzisieren, soziale Folgeerscheinungen zu benennen und bestehende und geforderte Hilfeangebote (Drogenkonsumräume, Straßensozialarbeit) zu beschreiben. Die Schwierigkeit den Anspruch einer realistischen Bestandsaufnahme adäquat umzusetzen, haben Peter Degkwitz und Uwe Verthein (2001, 175) benannt. Es geht darum panischen Reaktionen vorzubeugen: „Dazu gehört, die tatsächlichen Probleme nicht zu verniedlichen, sondern adäquat darzustellen. Diese Aufgabe ist kompliziert, da Professionelle ebenso wie Wissenschaftler in der Gefahr stehen, das Thema zu dramatisieren, da ohne die entsprechende „Inszenierung“ breitere Öffentlichkeit und Politik nicht zu begehen sind, die erforderlichen Mittel für die Versorgung (und die erforderlichen Erprobungen) oder die Forschung bereitzustellen. Zur realistischen Bestandsaufnahme gehört es, die Crack-Mythen zu entzaubern. Denn diese Mythen für die erlebten pharmakologischen Wirkungen, ebenso wie Mythen für die Wirkungen auf das Verhalten (Aggressivität, Kriminalität und Paranoia) haben Bedeutung für irrationale Zuspitzungen – bei Konsumenten ebenso wie in Öffentlichkeit und Politik.“ Seite 3 Dank Für wertvolle Informationen und ihre grundsätzliche Bereitschaft an dieser Bestandsaufnahme mitzuwirken, bedanke ich mich bei: Jutta Arras-Lührs (Malteser Frankfurt), Wolfgang Barth, (Drogennotdienst, Frankfurt), Christina Baumeister (Drogenbeauftragte der Freien und Hansestadt Hamburg), Martin Dörrlamm (WALKMAN, Frankfurt), Norbert Dworsky (freiraum e.V. Hamburg), Regina Ernst (Drogenreferentin der Stadt Frankfurt am Main), Wolfgang Götz, (KOKON, Berlin), Werner Heinz (JJ Frankfurt), Wolf Kemper (Universität Hamburg), Jürgen Klee (AIDS-Hilfe Frankfurt/La Strada), Hans-Harald Körner (Staatsanwaltschaft Frankfurt), Kurt J. Lange (BAGS Hamburg), Alfred Lessing (Gesundheits-, Jugend- und Sozialdezernat Hannover), Dieter Maul (Landesstelle gegen die Suchtgefahren, Hamburg), Josh Steinmetz (Integrative Drogenhilfe Frankfurt am Main), Thomas Schwabe (La Strada, Frankfurt), Jürgen Weimer (Drogenreferat Stadt Frankfurt am Main), Herbert Villhauer (Palette, Hamburg), Willy Wilkens (jugend hilft jugend/HIDA, Hamburg). Seite 4 1 Methodisches Vorgehen Das praktische Vorgehen dieser Bestandsaufnahme bezog sich auf vier Ebenen: • Durch Analyse der Literatur von epidemiologischen Untersuchen, polizeilichen Berichten, Trendanalysen und vor allem grauer Literatur (Jahresberichte etc.) wurde Umfang und Qualität des Phänomens geklärt. Dabei wurden sowohl internationale, nationale wie auch regional/kommunale Bezüge hergestellt. • Durch persönliche Befragungen von ‚Schlüsselpersonen‘ in den Bereichen Polizei, praktische Drogenhilfe, Drogenhilfeadministration und –koordination sowohl auf Städte- wie auf Länderebene wurden Details der Problematik ‚Crack-Konsum‘ herausgearbeitet. Diese Interviews wurden inhaltsbezogen ausgewertet. • Durch telefonische Befragungen von ExpertInnen aus Wissenschaft/Forschung und Praxis in weiteren Städten wurden ergänzende Informationen für eine Bestandsaufnahme eingeholt. • Durch Anschreiben aller Drogenbeauftragten zuständigen MitarbeiterInnen der Länder. bzw. für Drogenfragen 1.1 Literaturanalyse Dokumente der letzten Jahre folgender europäischer, nationaler Dach- und/oder Fachverbände, Forschungsstellen und Präventionsinstitutionen wurden untersucht: • • • • • • • Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), Lissabon Reitox focal point Deutschland (IFT), München Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS), Hamm Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln Fachverband Drogen und Rauschmittel (FDR), Hannover Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik akzept e.V., Münster Fachverband Sucht, Bonn. Folgende Datenbanken wurden auf relevante Dokumente überprüft: • • • Archiv und Dokumentationszentrum für Drogenliteratur (ARCHIDO), Bremen DHS-Datenbank, Hamm DIMDI, Köln. 1.2 Persönliche Befragung von Schlüsselpersonen in zwei Städten Die Untersuchung konzentrierte sich auf zwei Städte (Freie und Hansestadt Hamburg und Frankfurt am Main), weil Informationen bisher ergeben haben, dass hier die größte Verbreitung von Crack-Konsum und entsprechender DrogenhilfeInfrastruktur vorfindbar ist. Soweit möglich sollen auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden. In diesen beiden Städten wurden Interviews Seite 5 mit Schlüsselpersonen geführt, die Kernaussagen für ihre Einrichtung treffen können. • • • • • • die Landesdrogenbeauftragten in beiden Ländern (Hamburg, Hessen) DrogenhilfekoordinatorIn Frankfurt Polizei in beiden Städten zusätzlich: BKA Wiesbaden Drogenhilfeeinrichtungen (Frankfurt: AIDS-Hilfe Frankfurt, Drogennotdienst, Integrative Drogenhilfe, Institutionsambulanz der Malteser Werke, Kommunale Jugend-, Kinder- und Familienhilfe, Drogenhilfezentrum Bleichstr.; Hamburg: Freiraum Hamburg e.V., Palette, Hamburg, Stay Alive St. Pauli, Projekt Laufwerk, Drob Inn, Therapiehilfe e.V.) VetreterInnen der Jugendhilfe. Beide Städte wurden jeweils zwei Tage besucht, um die Interviews mit den Schlüsselpersonen in den genannten Einrichtungen durchführen zu können. 1.3 Telefonische Befragungen von ExpertInnen Zusätzlich wurden telefonische Befragungen von ExpertInnen aus dem Feld durchgeführt, wobei ein Schwerpunkt auf Berlin gelegt wurde: • • • • • • Elfried Koller, Drogenbeauftragte Berlins Wolfgang Goetz, Kokon, Berlin Peter Tossmann, Berlin Astrid Leicht, Fixpunkt, Berlin Rolf Bergmann, BOA, Berlin G. Schmidt-Burda, Anti-Drogenverein 1.4 Anschreiben der Drogenbeauftragten/-dezernentInnen um einen Gesamtüberblick zu erhalten, wurden auch in anderen Bundesländern und Städten Befragungen zum Phänomen „Crack-Konsum“ durchgeführt. Die Ergebnisse aus den Städten sind in diese Untersuchung eingegangen Schließlich hat eine Teilnahme an der Tagung „Crack – Stein(e) des Anstosses am 16.5.01 in Hamburg nochmals wesentliche Positionen der ExpertInnen deutlich gemacht. Die Ergebnisse der Referate sind in diese Arbeit mit eingeflossen. Seite 6 2 Grundlagen 2.1 Begriffsklärung: Was ist „Crack“/“Freebase“? Oftmals wird in Berichten über Kokain und Crack diese beiden Substanzen gleichgesetzt. Für eine feine Unterscheidung ist es jedoch oftmals wichtig zwischen den verschiedenen Applikationsformen von Kokain auf der einen Seite und Crack und Freebase auf der anderen Seite zu unterscheiden. Diese begriffliche Verwechselung und Gleichstellung von Crack, Freebase und Kokain erfolgt nicht nur in den Medien, sondern auch in der Fachdiskussion. Dadurch ergeben sich jedoch Verwirrung und Unklarheiten (den uneinheitlichen Sprachgebrauch berichtet auch Decorte im Rahmen seiner Untersuchung; 2000, 191). Die Literatur, Berichte und persönlichen Aussagen, auf die wir uns in dieser Arbeit stützen, unterscheiden vielfach nicht zwischen diesen beiden Zubereitungsformen („Crack“, „Steine“, „Base“, „Rocks“, „Roxanne“, „Supercoke“.). Daher wird hier, wie in anderen Untersuchungen, übergreifend von ‚rauchbarem Kokain‘ gesprochen, d.h. es wird nicht mehr unterschieden zwischen den verschiedenen Zubereitungsformen ‚Freebase‘ und ‚Crack‘ (Degkwitz/Verthein, 2000 38). 2.1.1 Freebase Um Freebase zu gewinnen, wird das gewöhnliche Kokain-Hydrochlorid von Verunreinigungen befreit und die stärkere Kokainbase herausgelöst. Dies geschieht indem das Kokain mit organischen Lösungsmitteln (Äther, Chloroform; vgl. Olgiati 1991, 15) aufgekocht und dann getrocknet wird. Aus einem Gramm Kokain entsteht so ungefähr ein halbes bis 0,7 Gramm Freebase (vgl. auch Stone/Fromme/Kagan 1990, S. 54; vgl. Götz 2001). Da es sich bei den Lösungsmitteln um hochexplosive Stoffe handelt, ist diese Herstellungsart gefährlich und führte immer wieder zu Todesfällen (vgl. Schweer/Strasser 1994, S. 121; Olgiati 1991, S.15). Freebase ist nicht wasserlöslich und kann somit nur, zumeist in einer Wasserpfeife, geraucht oder durch Erhitzen inhaliert werden. Durch das Erhitzen schmilzt die Freebase und verdampft, so daß die reinen Kokainkämpfe in die Lunge eingesogen werden. Die Wirkung setzt sehr rasch, ca. nach 5-10 Sekunden, ein, und ist vergleichbar mit einer intravenösen Kokaininjektion. Der Konsument erlebt eine Flut von Euphorie und Herzflimmern. Bei häufigem Konsum und starken Dosen können Halluzinationen auftreten. Die Wirkung der Droge ist jedoch nur von kurzer Dauer und hoher Intensität: „Der Rush ist in zwei Minuten wieder vergangen, und der Konsument fühlt ein restliches Glimmern für die nächsten zehn oder zwanzig Minuten“ (Stone/Fromme/Kagan 1990, S. 55). Freebase war in Deutschland in den 70er Jahren kurzzeitig auf dem Markt und hat dann nur noch in kleinen und finanzkräftigen gesellschaftlichen Gruppen Eingang gefunden (siehe Konstantin Wecker: „Uferlos“). 2.1.2 Crack Die Herstellung von Crack ist weniger gefährlich als die von Freebase. Zudem ist sie einfacher und billiger. Um Crack zu erzeugen wird Kokainhydrochlorid mit anorganischen Substanzen (Ammoniak, Salmiak, in den USA: Backpulver) aufgekocht und dann getrocknet (vgl. Olgiati 1991, 15). In Deutschland enthält das Backpulver Stärke, was sie untauglich macht zur Crack-Aufbereitung. Zurück bleiben Seite 7 beigefarbene bröckelige Crackklümpchen. Durch diesen Vorgang können aus einem Gramm Kokain sechs bis acht Portionen Crack gewonnen werden. Crack ist jedoch nicht so rein wie Freebase, da alle bei der Herstellung enthaltenen oder entstehenden Verunreinigungen und Streckmittel noch vorhanden sind, und auch die giftigen Beimischungen vervielfacht werden: „Crack ist genauso sauber oder unsauber wie das Kokain, aus dem es deriviert worden ist“ (Sahihi 1989, 38). Weil Crack an der Luft zerfällt, wird es in luftdichte Glas- oder Plastikamphiolen gefüllt (vgl. Schweer/Strasser 1994, S. 121). Aus einem Gramm Kokainhydrochlorid können so etwa 1,3 Gramm „Crack“ hergestellt werden (Götz 2001). Crack wird in Pfeifen (auch Cannabispfeifen) geraucht, die in den Großstädten in vielen Tabakläden verkauft werden. Hierbei kommt es zu knackenden Geräuschen, was zum Namen der Droge führte („to crackle = knistern). Auch mit Crack wird ein rascher und intensiver Rausch erzielt, der ca. 10-15 Minuten anhält. Zunächst kommt es wie bei Kokain auch zu Hyperaktivität, Erhöhung der Sensibilität und Erlebnisfähigkeit, zu einer subjektiven Empfindung erhöhter Leistungssteigerung und Euphorie, dann zu oftmals tiefen Depressionen. Auch Gereiztheit, Schlaf- und Appetitlosigkeit sind häufige Folgen. Ebenfalls schlägt die anfängliche Euphorie leicht in rastlose Erregung um. Beide rauchbaren Kokainformen fluten in Sekunden im Körper an, die Halbwertzeit beträgt etwa 20 Minuten. Dabei macht laut Krausz (2001) die Applikationsform intravenös Kokain oder rauchbares Crack keinen Unterschied im Wirkungseintritt, während Püschel (2001) die Position vertritt, dass bei grundsätzlich gleicher Wirkdauer die Verteilung im Hirn nach Inhalation bzw. Rauchen schneller erfolgt, als die intravenöse Applikation. Es scheint so zu sein, dass das große Lungenvolumen die Wirkung eher entfaltet als nach Übertreten der Blut-Hirn-Schranke bei i.v. Applikation (bestätigend auch: Villhauer 2001). Unterschiedliches Wirkungsempfinden wird von intravenös applizierenden Kokainbenutzern und Nutzern rauchbaren Kokains berichtet. Erfahrene i.v. KokainkonsumentInnen berichten oft, dass der „Gewinn und die Wirkung“ durch das Cracksteine – Rauchen nicht mehr so enorm ist. 2.2. Konsummotive und Lebenswelt Hintergrund für den Anstieg der Zahl der KonsumentInnen ist die hohe Kompatibilität der Droge Kokain mit den Zielen unserer Leistungsgesellschaft, die Stress bewältigende, hochkonzentrierte und kreative Bürger und ArbeitnehmerInnen fordert. Einige massenmedial aufbereitete Fälle (z.B. der Fußballtrainer Christoph Daum) zeigen, dass Kokain als Stimulantium längst eingesickert ist in die Arbeits- und Berufswelt, und nicht länger nur in der Bohème als Stimulantium genutzt wird (bspw. Im Fall des Liedermachers Konstantin Wecker). Gute persönliche und soziale Ressourcen, Verankerung in Familie, Beruf und sonstigen sozialen Einheiten verhindern ein schnelles gesellschaftliches und polizeiliches Auffälligwerden. Kokain scheint auch dem gesellschaftlichen Umwandlungsprozeß in Richtung Individualisierung zu entsprechen, in dem Ich-bezogene Werte und Verhaltensweisen unterstützt werden. Subkulturelle Rahmenbedingungen, Einbindungen in bestimmen Szenen geben oftmals den Gruppendruck vor, der zum Crack-Konsum führt. Die Motive zum Konsum sind ganz unterschiedlicher Natur. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass insbesondere Jugendliche mit dem bloßen „Steine rauchen“ kein Gefährdungspotential wie mit dem intravenösen Konsum verbinden. Crack wird als Seite 8 „neue“ Droge betrachtet, die es auszuprobieren gilt, und Leistungsgesellschaft ein Gefühl der Grandiosität verleihen kann. die in dieser Kemmesies (2000, 22 m.w.N.) unterstreicht die vielfältigen Konsumformen des Kokaingebrauchs: kontrollierte, sozial-integrierte, klinisch und strafrechtlich unauffällige. Kokain wird der Charakter einer lifestyle-Droge zugeschrieben, die eine adäquate Antwort auf die menschlichen Anforderungen der Entfesselung der Produktivkräfte, Globalisierung der Märkte und individuelle Reproduktionsnotwendigkeiten paßt. Leistungssteigerung und schnelle psychische Stimulans scheinen die Attribute des Kokains den letzten Jahrzehnten des 20. Und den beginnenden neuen Jahrhunderts zu sein. Pharmakologische Wirkungen sind dabei nicht starr, objektiv und ‚naturgesetzlich‘ zu denken, sondern das Wirkungsspektrum der Drogen für Einzelne und Kollektive hängt nicht unwesentlich von den (sub-)kulturellen und politischen Bedeutungszuschreibungen, Funktionalisierung und Wirkungsattributierungen ab. 2.3. Gesundheitliche Risiken und soziale Desintegration Der Konsum von Freebase beeinträchtigt bei länger andauerndem Gebrauch Mund, Zunge, Luftröhre und Lunge. Bei exzessivem Konsum kann es zu chronischen Schmerzen im Mund und zu einer ständig geschwollenen Zunge kommen. Ebenfalls treten Atemprobleme und Abhusten von Blut und schwarzem Belag auf (vgl. Stone/Fromme/Kagan 1990, S. 54). Symptome bzw. Nebenwirkungen des Cocain-Abusus durch Rauchen von Freebase (Tabelle 1) Angst Paranoide Wahrnehmung Visuelle Halluzinationen Unsoziales Verhalten Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme Logorrhoe Sehstörung Husten mit schwarzem Auswurf Muskelschmerzen Psychomotorische Erregtheit Gewichtsverlust Artikulationsstörungen Massiver Verlust der Impulskontrolle Akustische Halluzinationen Lethargie Depression 60% 60% 50% 40% 38% 38% 35% 35% 35% 35% 35% 31% 28% 25% 25% 25% N=32 Quelle: Olgiati 1991, S.17 Seite 9 Bei höherdosiertem Crackkonsum werden Atem- und Kreislaufstörungen verursacht. Eine Überdosierung kann zu Atem- oder Herzstillstand und zum Tode führen (vgl. Behörde für Schule... o.J., S. 30). Crack-Konsum ist ebenfalls mit dem Risiko für Bronchitis und Lungenschäden (Entzündungen, Blutungen) mit hohem Risiko eines chronischen Verlaufs verbunden. Auch Schleimhäute von Lippen und Mund sowie das Herz werden geschädigt. Bei Frauen, die während der Schwangerschaft Crack geraucht haben, kommt es zudem überdurchschnittlich zu Totgeburten und Mißbildungen der Kinder. Schon nach kurzer Zeit des Konsums kann die natürliche Funktion der Neurotransmitter im Gehirn (Dopaminproduktion) für Monate bzw. Jahre gestört sein (vgl. Behörde für Schule... o.J., S. 37). Gleichwohl hängen diese Störungen von der Intensität und Dauer des Konsums und ggf. des weiteren Drogenkonsums ab. Vogt/Schmid/Roth zeigen in ihrer Übersicht über chronische Krankheiten (HCV und HIV-Infektionen) unter Crack-Rauchern weit verbreitet sind: „Männer haben im Vergleich zu Frauen insgesamt eine etwas geringere Belastung mit chronischen Krankheiten; Drogenabhängige, die kein Crack rauchen, haben im Vergleich mit den Crack-Konsumenten wiederum insgesamt etwas geringere Belastungen mit chronischen Krankheiten. Am stärksten belastet sind Frauen, die Crack rauchen, mit HC-Infektionen und - mit gewissen Einschränkungen – mit HIV-Infektionen.“ Ein Grund könnte dafür sein, wie schon in der needle-sharing-Studie (Kleiber/Pant 1996), dass die Frauen einer Doppelbelastung des Infektionsrisikos neben der intravenösen Applikationsform und durch oftmals ungeschützte Prostitution ausgesetzt sind. Auch Püschel (2001) weist auf das erhebliche sexuelle Infektionsrisiko hin, dass einerseits eingegangen wird zur Finanzierung des CrackKonsums (Beschaffungsprostitution), andererseits als Folge der Kokain/CrackWirkung in einer gesteigerte sexuellen Aktivität selbst besteht (und oftmals ungeschützt). Die bei weiblichen Crack-Konsumenten verbreitete Beschaffungsprostitution führt neben Gewalt- und Erniedrigungs- und Entwürdigungserfahrungen aber auch zu weitreichenden und offenbar zunehmenden Verelendungs- und sozialen Desintegrationsprozessen. Diese Entwicklung wird in beiden Metropolen (Hamburg und Frankfurt) deutlich. Die letale Dosis liegt oral genommen bei 0,5 bis 1,0 g. „Bei parenteraler Applikation können schon 30mg tödlich sein“ (Martinetz 1994, 106). 2.4. Abhängigkeit und Kontrollstrategien Das Abhängigkeitspotential von Freebase/Crack wird unterschiedlich beurteilt. Von einigen Autoren wird darauf hingewiesen, daß Crack sehr schnell zur Sucht führe und schon nach fünf- bis sechsmaligem Gebrauch eine psychische Abhängigkeit drohe (vgl. Täschner und Richtenberg 1988, S. 72). Selbst der einmalige Gebrauch wird als abhängigkeitserzeugend in der Fachliteratur beschrieben: „Unter Insidern gilt es als die verheerendste Droge, denn bereits der einmalige „Genuß“ von 3 stecknadelgroßen Bröckchen kann zur ständigen Abhängigkeit führen (Martinetz 1994, 106). Als eine wesentliche Ursache für das hohe psychische Suchtpotential gelten der heftige euphorische Kick und der schnelle Wirkungsabfall der Droge (vgl. Behörde für Schule... o.J., S. 34). Dieser schnelle Wechsel zwischen positiver und negativer Wirkung (Euphorie und Depression) kann zu einem starken Verlangen nach Wiederherstellung des als positiv empfundenen Zustandes führen und so eine psychische Abhängigkeit initiieren bzw. eine Suchtdynamik in Gang setzen. Seite 10 Darüber hinaus wird von einigen Autoren (z.B. Hess 1989, S. 468) auch eine physische Abhängigkeit mit körperlichen Entzugserscheinungen konstatiert. Als charakteristische Abstinenz- und Entzugssymptome werden vor allem Übelkeit, Depressionen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Schwindel und Tremor genannt (vgl. u.a. Gomez 1988, S. 43; Sahihi 1989, S.45f.). Es treten zwar keine vegetativen Entzugserscheinungen wie bei OpiatkonsumentInnen auf, die eine begleitende Entzugsmedikation erforderlich machen (vgl. Haasen 1998, S. 4). Doch kann man von einer physischen Abhängigkeit jedoch auch angesichts der neuro-adaptiven Erscheinungen bei Absetzen der Droge sprechen, die sich in Erschöpfung, Schlaflosigkeit, dem völligen körperlichen Zusammenbruch, Anhedonie, Depression äußern und Ausdruck der massiven Stoffwechselprobleme im Gehirn sind (vgl. Götz 2001). Häufige, oftmals in psychischen Kategorien beschriebene Symptome, sind Angst, bis hin zu paranoiden Zuständen und suizidalen Tendenzen. Bei einem wiederholten sofortigen Folgekonsum über einen längeren Zeitraum setzt die körpereigene Dopaminproduktion aus, was erhebliche Stoffwechselprobleme zur Folge hat (vgl. Suchtinformationsserver Jugend hilft Jugend e.V. Hamburg). Es ist eine Frage der Definition des Entzugsprozesses und der dort auftretenden psychischen und physischen Phänomene. Wenn man den Opiatentzugsprozeß zugrunde legt und nach vergleichbaren Symptomen auf körperliche Ebene sucht, wird man bei Crack nicht von einer „klassischen“ körperlichen Abhängigkeit sprechen. Erweitert man jedoch die Definition (gem. DSM IV/ICD 10) dann lassen sich auch bei Dauergebrauch von Kokain und Crack körperliche Abhängigkeitssymptome feststellen. Über die Kontrollierbarkeit von rauchbarem Kokain (d.h. Crack und freebase) gehen die Meinungen weit auseinander. Von vielen wird das Suchtpotential für so groß halten, dass kein bewusst kontrollierter Umgang mit Crack möglich scheint, und dass selbst auch unterbrochener Konsum und bewusstes Rausch-Crackrauchen („binge smoking“) letztlich nicht am individuellen Willen, sondern an Grenzen der körperlichen und psychischen Belastbarkeit oder materiellen Finanzierbarkeit orientiert ist. Auch unterbrochener Konsum wird in dieser Vorstellung über kurz oder lang zu einem „Abrutschen in die Drogenszene“ (Baumeister 2001) führen. Demgegenüber stehen Erkenntnisse von PraktikerInnen und Forschern, die rauchbarem Kokain keine „hyperpotente“ Wirkung im Vergleich zum Kokain in schnupfbarer Form zuschreiben, sondern einen kontrollierten Einsatz für möglich halten, der über lange Zeit, sozial und gesundheitlich unauffällig betrieben werden kann, bzw. wird (vgl. Kemper 2001). Insofern ist die Crack-Diskussion möglicherweise verkürzt auf die Bedrohlichkeit eines linearen Prozesses in Abhängigkeit und körperlichen Ruin. Dieser Verlauf wird massenmedial wirksam und z.T. hysterisch beschrieben. Auch Wolfgang Götz, Leiter der Berliner Therapieeinrichtung KOKON mit dem Schwerpunkt ambulante Therapie für Kokainabhängige, geht von einer erheblichen Dunkelziffer von sozial integriertem Kokainkonsum - zumindest für Berlin - aus. Dabei scheint es sich eher um einen unauffälligen Gebrauch von „freebase“ – KonsumentInnen zu handeln. Freebase als „reinere“ Form der Zubereitung wird seiner Einschätzung nach von KonsumentInnen mit höherem Bildungsniveau und tragfähigeren sozialen Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten gebraucht, während Crack eher von Angehörigen der klassischen Drogenszene zusätzlich genommen wird oder von „Außenseitern“ wie jugendlichen Prostituierten oder Strichern. Seite 11 Auch zwei Untersuchungen aus den Niederlanden zeigen, dass durchaus Selbstkontrollstrategien im Umgang mit rauchbarem Kokainkonsum entwickelt werden1. Zunächst finden Barendregt/van de Mheen/Blanken (1999) in einer Untersuchung über den Einfluß von Konsumorten und Selbstkontrollmechanismen von 183 beobachteten KokainraucherInnen in Rotterdam heraus, dass der Konsumort von Bedeutung für die Konsummenge ist. Im Gegensatz zum Ort des Drogenerwerbs (Dealeradresse) und den eigenen Wohnungen der KonsumentInnen wurde in den Räumen der Pauluskirche in Rotterdam vergleichsweise geringere Mengen geraucht. Im Konsumraum der Pauluskirche darf allerdings nur von der Alufolie konsumiert werden („chineesen“). Es besteht ein Verbot des Freebase – Rauchens. Dies ist als eine präventive Maßnahmen zu betrachten, um Eskalationen jeder Art zu vermeiden. Dieser Maßnahme liegt die selbstberichtete und beobachtete Erkenntnis zugrunde, dass „chineesen“ von Kokain eine weniger starke „Gier“ hervorruft, als der Konsum über das Rauchen in einer Freebasepfeife2. Viele KonsumentInnen haben darüber hinaus Selbstregulierungsstrategien entwickelt, um kokainbedingte Dynamiken und unangenehme (Neben-)Wirkungen des Kokainrauchens (z.B. Paranoia) zu vermeiden. Der Folgekonsum von sedierenden Substanzen wie z.B. Heroin (die Hälfte der Befragten) oder anderen psychoaktiven Substanzen nach dem Rauchen von Freebase stellt eine Form der Vermeidung unerwünschter Effekte dar. Diese Form von Selbstmedikation wird in Ansätzen auch in Berichten und Beobachtungen von PraktikerInnen in den beiden Städten Hamburg und Frankfurt deutlich. Die Hälfte der Untersuchten in Rotterdam setzt kurz nach dem Gebrauch den Kokainkonsum fort. Die Befragten in Rotterdam sehen in der Substanz Kokain selbst eine Ursache für das „Weiterrauchen-Wollen“. Wenn auch setting-bedingte Faktoren (wie z.B. Hausregeln) einen Einfluß auf die Konsummuster haben, so wird dies abschließend eingeschätzt als eher verstärkend denn als Konsummuster schaffend. In der Untersuchung wird auch deutlich, dass die Pharmakodynamik und das Suchtpotenzial von rauchbarem Kokain sehr hoch ist und Selbstregulierungsverhalten nur schwer entwickelt und eingehalten werden kann. Während einige der Befragten ambivalente Haltungen gegenüber ihrem Konsum äußern und einen Wunsch nach Aufhören-Wollen aber nicht Aufhören-können ausdrücken, geht es bei einer andere Gruppe um Kokain-Rauchen als Teil eines drogenzentrierten Lebensstils in der gesellschaftlichen Randständigkeit. Während die erstgenannten die Zielgruppe für Trainingsprogramme der Suchtkrankenhilfe darstellt, geht es für die zweite Gruppe zunächst um harm-reduction Maßnahmen, um weitere soziale und gesundheitliche Verelendungen zu verhindern. Mehr als die Hälfte der Befragten hatten mehr als 10 Jahre Erfahrungen mit rauchbarem Kokainkonsum. Die zweite aktuelle niederländische Studie von Tim Boekhut van Solinge (2001) hat in einem Praxisforschungsansatz die Bedeutung von Interventionsstrategien für KonsumentInnen rauchbaren Kokains (in den Niederlanden unter dem Stichwort „aufgekochtes Kokain“ geführt) erkundet. Diese beiden von der Stiftung „Mainline“ angewandten Strategien (Gesundheitsfragebogen Selbstkontrollprogramm) für Zielgruppen in Utrecht und Amsterdam dienen als Anknüpfungspunkte in der 1 Auch aus den USA sind durchaus Kenntnisse über sozio-kulturelle Lernprozesse im Umgang mit Crack vorhanden: sowohl für das Erlernen aber auch für das Aussteigen (Reinarman/Levine 1997) 2 : „Es ist etwa zu vergleichen mit dem Trinken von Wodka aus Biergläsern“ (Visser 2001). Seite 12 aufsuchenden Straßensozialarbeit (mit Hilfe eines Busses der an die Szenetreffpunkte heranfährt), um über Gesundheitsfragen ins Gespräch zu kommen, Risikobewußtsein zu schärfen und Regeln für einen kontrollierteren Konsum rauchbaren Kokains zu eruieren und weiter zu vermitteln. Der ethnographische Zugang zur Drogenszene3 zeigt, daß auf der individuellen Ebene durchaus ein Wissen darüber verbreitet ist, wie die unerwünschte, weil ruinöse Dynamik von Freebase/Crack, unterbrochen oder besser bewältigt werden kann. Dieses Wissen bezieht sich auf den Kontext des Konsums, Regeln für den Gebrauch, Ratschläge für eine Verminderung oder einen Nicht-Gebrauch, Alternativen zum Konsum rauchbaren Kokains und finanzielle Aspekte. Deutlich wird in dieser Untersuchung auch, daß als individuelle Bewältigungsmuster im Rahmen einer Selbstmedikation andere Substanzen eingesetzt werden, die die Dynamik des Kokain helfen einzudämmen bzw. besser zu kontrollieren. Eine Aussagen der GebraucherInnen seien hier zur Illustration aufgeführt4: Kontext des Konsums „Guck ab und zu in den Spiegel und habe Respekt für deinen eigenen Körper. Das Coke zerstört den Körper.“ „Steck dir Ziele. Aber solche die erreichbar sind.“ „Akzeptiere deinen Crack-Konsum. Betrachte das Dope nicht als deinen Feind, aber auch nicht als deinen Freund.“ etc. Alternativen zum Konsum rauchbaren Kokains • „Chineezen ist besser als basen. Basen macht man bis zur Erschöpfung“ • „Einen Zug für den Kick, den Rest chineezen“ • „Ich rauchen Joints nach dem Kokaingebrauch, um runter zu kommen“ • „Ich gebrauche erst Heroin, dann Kokain“ • „Wenn ich kein Heroin kaufen kann, kaufe ich auch kein Kokain“ • „Ich gebrauche nicht auf der Straße“ etc. Reduktion und Konsumverzicht • „Wenn ich mir vorgenommen habe einen Tag keine Kokain zu nehmen, bleibe ich auch der Szene fern“ • „Ich gehe regelmäßig zu meiner Mutter , 4-5 Tage, da gebrauche ich kein coke“ • „Ich gebrauche vor allem allein, mit anderen bin ich geneigt durch zu gehen“ • „Wenn ich zwei Tage mit coke verbracht habe, nehme ich einen Tag Ruhe“ • „Ich bleibe einige Tage zuhause und nehme Methadon. Ich ruhe aus ohne coke“ etc. Finanzielle Aspekte „Nimm für einen Trip nicht zuviel Geld mit und lass das Zubehör zuhause.“ 3 Vgl. etwa Nabben/Korf (1999) für die Bedeutung von Kokain/Crack für Jugendliche in Partydrogenzusammenhängen und für Jugendliche mit marginalisiertem Lebensstil 4 Eigene Übersetzung Seite 13 „Lass dein Geld von einer Institution oder Vertrauensperson verwalten“ etc. In diesen Aussagen werden individuelle Selbstkontrollstrategien deutlich, die (über)lebenswichtige Konsumerfahrungen- und Problembewältigungsmuster reflektieren: Auch GebraucherInnen treffen rationale Entscheidungen und wägen Handlungsalternativen ab. Dies wird von der Hilfepraxis wahrgenommen und als Anknüpfungspunkte für weitere Hilfeangebote nutzbar gemacht. Deutlich wird in der Untersuchung der beiden Szenen auch, daß es sich um Szenemitglieder handelt, die bereits seit Jahren ihr Leben um Drogen herum organisieren („den Tag rumbringen auf der Suche nach Geld und Drogen und dabei der Polizei entwichen“) und auch aus diesen Erfahrungen heraus schadensminimierende Strategien entwickelt haben. Als Ergebnisse der Praxisforschung wird deutlich, daß es wichtig ist • • • • Sehr nah an der Szene heranzugehen, um möglichst viele GebraucherInnen zu erreichen Einen niedrigschwellige Zugang zu organisieren Regelmäßig in die Szene zu gehen, um zu den Erreichten auch längerfristig Kontakt zu halten Kurzdauernde Interventionen und Hilfen anzubieten, die dem schnellen Lebensstil angepaßt sind. 2.5. Zusammenfassung „Freebasen“ und „Crack“ stellen unterschiedliche Formen der Zubereitung bzw. Weiterverarbeitung von Kokain dar. Durch Rückumwandlung in den basischen Zustand entsteht eine Kokainbase, die gegenüber Kokain etwa die vierfache Wirkung hat (BKA 2001). Es entsteht in beiden Fällen aus dem Pulverkokain rauchbares Kokain, wobei Freebasen gegenüber Crack die „reinere Form“ bedeutet. Die Wirkungsunterschiede zwischen diesen beiden Zubereitungsformen sind als marginal einzustufen. Die Verbreitung scheint schichtspezifisch zu verlaufen: „CrackKonsum“ bei sozial auffälligen Angehörigen der Unterschicht, „Freebase“ bei Angehörigen höherer gesellschaftlicher Schichten mit vorhandenen Ressourcen und stärkerer Integration. In Diskussion über Crack geht es oftmals um die beiden rauchbaren Kokainvarianten, z.T. wird aber (z.B. in Polizeiberichten) in der Diskussion und Dokumentation nicht zwischen Crack, Freebase und Kokainhydrochlorid selbst unterschieden. Das führt zur begrifflichen Verwirrung und erschwert Diskussionen über das Phänomen und nötig werdende Hilfestrategien. Es existiert ein erhebliches Dunkelfeld für KonsumentInnen von Kokain aber auch seinen rauchbaren Zubereitungsformen. Kokain, Crack und Freebase haben auch Einzug gehalten in die bürgerliche Lebens- und Arbeitswelt. Gesellschaftliche Leistungsanforderungen können subjektiv mit der Drogenwirkung von Kokain und seinen Derivaten (Steigerung des Selbstbewußtseins, kurzzeitig verbesserte Stressbewältigung und Stimulanz) offenbar befriedigt werden. Und offensichtlich schafft ein nicht unerheblicher Teil einen völligen Ausstieg oder einen sozial und gesundheitlich unauffällig/kontrollierten Konsum ohne institutionelle Hilfe als ‚Selbstheiler’ (vgl. dazu Schneider/Stöver 2000). Seite 14 3 Crack-Konsum - Prävalenz Es gibt eine Gruppe von langjährigen und psychisch und sozial verelendeten Opiatkonsumenten (die vorwiegend Heroin konsumieren oder aber auch mit Methadon substituiert werden), die auch zusätzlich Kokain konsumieren. Ein kleiner Teil dieser Gruppe wiederum scheint Crack zu konsumieren. So ist aus Frankfurt am Main bekannt, dass diese Gruppe bis 1999 rund 150 bis 300 der etwa 6.000 bis 8.000 Heroinkonsumenten ausmacht. Der Trend zum CrackRauchen wird dort seit 1995 beobachtet. Seit 1999 ist hier aber die Rede von einer Steigerung auf 500 bis 1.000. In Hamburg wird dieser Trend seit 1,5 Jahren ebenfalls beobachtet und bis zu 50 % der Besucher der Drogenkonsumräume konsumieren auch Crack. Der Hamburger Senat erwähnt in der Beantwortung einer kleinen parlamentarischen Anfrage vom 08.08.2000 noch Schätzungen, die sich auf 100 bis 200 Crack-Konsumenten im Umfeld des Hauptbahnhofs beliefen; inzwischen wird eine weit höhere Anzahl angenommen. In Berlin ist das freebasen (Vermengung von Kokainhydriochlorid mit Äther) verbreitet in der Kokain-gebrauchenden Szene. Aber ein Konsum (und Verkauf) von Crack in der Straßenszene ist nicht mitgeteilt worden. In Hannover tritt das Phänomen rauchbaren Kokains zwar nicht so massiert auf wie in Hamburg und Frankfurt. Da Kokain fest in der Drogenszene verankert ist, sind auch Anfänge des Konsums un der zunehmenden Verbreitung von Crack-Konsum erkennbar. Im folgenden wird die Situation des Crack-Rauchens in den beiden Städten Frankfurt und Hamburg exemplarisch und ausführlich beschrieben. Angesichts der Vielschichtigkeit der Problematik und mehrjährigen Geschichte mit vielen Akteuren kann dies im Rahmen dieser Bestandsaufnahme nur skizzenhaft geschehen. 3.1 Crack-Konsum in Hamburg und Frankfurt5 In beiden Städten scheint die Crack-Herstellung eine Veränderung durchlaufen zu haben: von der eigenen Herstellung zu Hause oder einem anderen Ort, hin zum Kauf fertiger Produkte auf der Straße. Der Kleinhandel selbst vollzieht sich mit einer ähnlichen Geschwindigkeit wie das Crack-Rauchen selbst. Dabei werden die CrackSteine oder Splitter nach Augenmaß verkauft, was Manipulationen und ‚Linken’ des Anderen Tür und Tor öffnet. Qualitätstests wie bei Heroin (Heudtlass 2000) oder selbst minimales drug-checking wie bei Ecstasy (vgl. Schroers 2000) scheint es bei Crack, jedenfalls im Endverkauf nicht zu geben. Das führt zu oft erheblichen Preisschwankungen und Qualitätsminderungen (z. T. werden ganz andere 5 Für die beiden Städte Hamburg und Frankfurt ist die Praxis der Brechmittelvergabe nicht untersucht worden. 1996 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt den Einsatz von Brechmitteln zur polizeilichen Beweissicherung untersagt. Diese Entscheidung ist im Jahre 2000 vom Bundesverfassungsgericht wieder aufgehoben worden. Seite 15 Substanzen als Crack ausgegeben), die aber im schnellen Handel auf der Straße wenig Konsequenzen haben. Crack-Erwerb wird also auch durch die Vielzahl involvierter Händler/KonsumentInnen zu einem ‚Glücksspiel’, denn anders als bei den meisten anderen Drogen, scheint es in diesem Bereich auf der untersten Straßenebene keine dauerhaften, vertrauenswürdigen Handelsbeziehungen zu geben. Dem Zufall wird hier Tür und Tor geöffnet, wenn man allein die Form weit verbreiteter Übergabe der Crack-Steine betrachtet. Die Steine werden in verpackter Form oftmals ‚aus dem Mund heraus’ verkauft, d.h. selbst eine Inaugenscheinnahme ist oft nicht möglich und wird von den Käufern auch akzeptiert. Nach Aussagen der „Crack-Street-Projekt“ (CSP) - MitarbeiterInnen in Frankfurt hat sich in der Crack/Drogenszene eine Verrohung der Sitten und Umgangsweisen untereinander ergeben. Beschaffungskriminalität weist deutlichere Spuren von Brutalität auf, Gewalt wird zunehmend ein Mittel der Auseinandersetzung der KonsumentInnen untereinander und unter den Händlern werden z.T. heftige Revierkämpfe und regelrechte ‚Kleinkriege’ ausgetragen. Z.T. existieren auch unter KonsumentInnen Phantasien, solange der Beschaffung ungezügelt nachzugehen, bis sie von der Polizei aufgegriffen werden, nehmen sozusagen die repressive Instanz als persönliche Grenzsetzung wahr. Dieses Aufgreifen kann sogar lebensverlängernd wirken, wenn eine Krankenhauseinweisung veranlaßt wird, und in dieser Situation sich Ansprachemöglichkeiten ergeben und die Entlassungssituation besprochen werden kann. Diese Entzugsphase wird zu einem bedeutsamen Ort der Ansprache und flexiblen Hilfestellung. Obwohl es in Frankfurt ein Modell ‚Therapie sofort’ nicht gibt, lassen sich im Einzelfall schnelle und unbürokratische Regelungen treffen. 3.1.1 Hamburg 3.1.1.1 Situationsbeschreibung Historische Entwicklung 1996 soll es nach Einschätzung des wissenschaftlichen Mitarbeiters der Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) Herrn Lange, und den Angaben aus dem Drogenhilfebereich erste Hinweise auf Crack-Konsum in Hamburg gegeben haben. Anfang 1999, so teilte Herr Lange mit, wurde von MitarbeiterInnen einiger Überlebenshilfe-Einrichtungen (Konsumraum) beklagt, dass sie sich vermehrt einem gereiztem Verhalten bei Kokain injizierenden und Crack rauchenden Nutzern der Einrichtung ausgesetzt sähen. Außer Hinweisen auf Akupunktur und das ‚Crack-Street-Projekt‘ in Frankfurt gab es zu dieser Zeit noch keine elaborierten konzeptionellen Vorschläge, wie mit dieser Erscheinung umzugehen sei. Der Crack-Konsum geriet in der Folgezeit sehr schnell in den Mittelpunkt des fachlichen, öffentlichen und auch allgemein politischen Interesses6. In der ersten Jahreshälfte 2000 wurde von niedrigschwelligen Drogenhilfeträgern beobachtet, dass die Crack-KonsumentInnen nicht nur aus bekannten Mitgliedern der Drogenszene bestanden, sondern dass auch junge MigrantInnen und Frauen deutscher Staatsangehörigkeit die der Prostitution nachgingen, zu diesem Konsumentenkreis gehörten. Herr Lange berichtet von vermehrten Beobachtungen über an öffentlichen Plätzen Crack rauchende, problembelastet erscheinende 6 Hier wurde die erste Anfrage nach Hilfeangeboten und adäquaten politischen Umgehensweisen mit dem Crack-Phänomen in der Hamburger Bürgerschaft bereits 1999 gestellt (weitere Schriftliche Kleine Anfragen: 22.2. und 15.8. 2000) Seite 16 Heranwachsende und Jugendliche, die bis dahin nicht dem primär opiatabhängigen Kern der Drogenszene zugerechnet wurden. Herr Lange befürchtet, dass die schnelle Ausbreitung von Crack-Konsum in der Szene bekannter Drogenabhängiger und die bisher ungebremste Zunahme des Crack-Angebotes zu fallenden Preisen durch eine steigende Zahl von sich an öffentlichen Plätzen aufhaltenden Strassendealern, vermehrt auch die Neugier von problembelasteten, risikobereiten und daher leicht verführbaren jungen Menschen weckt, die bis dahin kaum oder nur am Rande Kontakte mit dem von HeroinkonsumentInnen geprägtem Drogenmilieu unterhielten. Insgesamt ist seit 1999 eine hohe Dynamik von Crack Konsum in Hamburg feststellbar. Soziale Auswirkungen des Crack-Konsums Crack-KonsumentInnen sind anders als die Opiatabhängigen früherer Jahre den ganzen Tag und z.T. die ganze Nacht, und dies ggf. über mehrere Tage und Nächte hindurch mit ihrem Konsum, Kauf/Verkauf in einem Stadtteil beschäftigt. Der normale Tag-/Nachtrhythmus ist einem diskontinuierlichen Leben bis in die frühen Morgenstunden gewichen. Norbert Dworsky (2001) macht darauf aufmerksam, dass die Lebensrhythmen sich grundsätzlich mit dem Aufkommen des Crack-Konsums verändert haben. Während sich früher längere Rhythmen über die Wirkungsdauer der Droge (bei Heroin sich über 4-6- Stunden, Methadon 24 Stunden) ergaben, so verkürzen sich diese bei Kokain auf 20-30 Min. und bei Crack verkürzen sich die Zeiten nochmals auf wenige Minuten. Damit werden auch die Interventionszeiten immer kürzer und die traditionellen Strategien der Ansprache, der Kontaktherstellung müssen ergänzt werden um Methoden unmittelbarer und schneller Hilfegewährung. Thane (2001) beschreibt den Crack-Konsum auf der offenen Drogenszene als diskontinuierlich: mehrere Stunden bis mehrere Tage bis die physischen oder monetären/materiellen Grenzen erreicht sind. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Jugendcliquen. Deren Konsum ist motiviert von der Erwartung einer erhöhten Leistungsbereitschaft durch stimulierende Substanzen (wobei Crack nur eine Substanz ist neben Amphetaminen, XTC), im Gegensatz zum betäubenden Konsum von Opiaten. Mit stimulierenden Substanzen wird „Power“ und Dynamik assoziiert, die eher den jugendlichen Zeitgeist symbolisieren. Die Erkrankungen der Atemwege treten dabei sehr schnell und offensichtlich auf: bronchial-asthmatische Beschwerden mit starkem Husten, der nicht mehr befreiend wirkt. Torsten Seeland, Leiter der Revierwache des hauptsächlich betroffenen Stadtteils St. Georg in Hamburg, berichtet, dass sich durch diese Dauerpräsenz ganz neue Belastungen für den Stadtteil ergeben und zwar von Personen, die nicht dem Stadtteil angehören, sondern ihn nur als Hintergrund für Konsum und Geschäft benutzen. Die Belastungen für die Bevölkerung beziehen sich auf Lärm, Streits in der Kauf-, Verkaufssituation und äußern sich in Beschwerden bei der Polizei. Aggressivität wird dabei von der Polizei vor allem innerhalb der Crack-RaucherInnen – Szene festgestellt. Eine Zunahme der Gewaltbereitschaft gegenüber Unbeteiligten wurde bisher von der Polizei nicht festgestellt, auch keine Angriffe gegenüber PolizistInnen. Insofern wird das medial oft vermittelte Bild von „durch die Stadt rasenden Monstern“ nicht bestätigt. Das Zugehensverhalten der Polizei hat sich dahingehend geändert, dass nur noch mehrere PolizistInnen auf Crack-KonsumentInnen zugehen. Doch gibt es keine Sondereinheiten, sondern im Rahmen der normalen Arbeit wird auch Auffälligkeiten in der Drogen- und Crack-Szene nachgegangen. Seeland (2001) beurteilt die Seite 17 Wirkung polizeilicher Arbeit zwar als gering, die Polizeipräsenz und –arbeit insgesamt aber als sehr notwendig. Versuche die polizeiliche Taktik zu verändern, mit weniger Präsenz von Zivil- oder Streifenbeamten führten zu einem Abbruch, nachdem die Verkaufsszene diese Versuche unmittelbar für ihrerseits höhere Präsenz ausgenutzt hat. Verbreitung des Crack-Konsums Der Crack-Konsum ist laut Polizeiangaben (Seeland 2001) in Hamburg wie in Frankfurt vor dem Hintergrund eines seit mehreren Jahren zu verzeichnenden Anstiegs des Kokainkonsums zu betrachten. Laut ihren Angaben benutzen ca. 2/3 der offenen Drogenszene Crack und Kokain. Aus polizeilichen Erkenntnissen stellen ausschließliche Crack-RaucherInnen die Ausnahme dar. Damit werden Ergebnisse aus empirischen Studien (etwa Thane 2000) und praktischen Erfahrungen aus der niedrigschwelligen Drogenhilfe bestätigt (Dworsky 2001). Aus Hamburg, aber auch aus Frankfurt und Hannover bestehen Berichte und Beschreibungen aus der Jugendkultur, wonach ‚basen‘ bzw. „Steine Rauchen“ von solchen randständigen jungen Menschen als gesundheitlich viel weniger riskant als Heroin empfunden wird, „da man es ja nicht spritze“. Z.T. wird berichtet, dass die Jugendlichen nicht nur eine Abneigung gegen intravenösen Drogenkonsum zeigen, sondern sich auch bewusst abgrenzen gegen die „Fixerszene“ und ihren i.v. Drogenkonsum, der von ihnen als gefährlicher und gesundheitlich/sozial bedrohlicher wahrgenommen wird, während sie „bloß Steine rauchen“. Das Risikobewusstsein ist gering ausgeprägt, „Steine rauchen“ wird nicht gleichgesetzt mit ruinösem Drogenkonsum. Es scheint – ähnlich der Situation in Frankfurt – auch eine Gruppe jüngerer KonsumentInnen zu geben, die Crack rauchen: aus Migrantenkreisen, risikobereit ohne ‚sub-kulturelle Einbindungen, sowie jüngere männliche und weibliche Prostituierte, und schließlich Kinder in der Szene „KIDS“ am Hauptbahnhof. Unklar ist, wie groß der Migrantenanteil an diesen jugendlichen Cliquen ist. Erste Hinweise auf die kulturelle Herkunft der Crack-RaucherInnen in Hamburg zeigen, dass ihr Anteil relativ hoch ist. Möglicherweise verfängt gerade bei ihnen als ’Quereinsteiger’ in den Konsum illegaler Drogen die Argumentation von der geringen, im Gegensatz zur intravenös applizierenden Drogenszene, die mit hohen gesundheitlichen Gefährdungen assoziiert wird, besonders gut. Dworsky (2001) berichtet von einer Umfrage im ‚Fixstern’, einem großen Konsumraum in Hamburg (siehe Kapitel 4.3.1.), dass von 41 Crack-KonsumentInnen 24 AusländerInnen waren (GUS, Türkei etc.) und 17 deutscher Herkunft. Gegenwärtig konzentriert sich der Crack-Konsum in Hamburg auf zwei Stadtteile: • • St. Georg in Hauptbahnhofsnähe, hier sind es 400-500 Personen, die im Laufe eines Tages diesen Ort aufsuchen, bei denen „ersten Crack“ als Präferenzdroge bezeichnet werden kann, wobei ca. 100-150 als ausschließlich Crack-KonsumentInnen eingeschätzt werden müssen. Im Schanzenviertel seien dies 50-100. Kleinere Szenen bestehen Willy Wilkens (HIDA/Hamburg) zufolge darüber hinaus auch in Jenfeld (20 Personen), und an der Elbgaustr./Altona (ca. 20). Insgesamt schätzt Herr Wilkens die Zahl der Crack-KonsumentInnen in Hamburg auf 800-900, Seite 18 wobei er ca. 300 KonsumentInnen als „hard core“ KonsumentInnen bezeichnet. Andere Schätzungen belaufen sich auf 500-700 KonsumentInnen (Zamory 2001). Diese KonsumentInnen haben wahrscheinlich schon vorher einen Drogenkontakt gehabt und waren Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen bereits durch Kinder- und Jugendalkoholismus aufgefallen. Die Dynamik der Crack-Situation hat sich in den letzten 12 Monaten erheblich beschleunigt: sowohl auf der KonsumentInnen – Seite als auch in der Diskussion um Hilfeangebote. Laut Drogentherapeut Herbert Villhauer gibt es auch eine Zunahme von CrackKonsum in sozial unauffälligen Kreisen, vornehmlich bei „Leistungskoksern“ aus sog. Imageberufen (Medienbereich, IT-Bereich). Diese Personen kommen nicht in die klassischen Drogenhilfeeinrichtungen. Generell entsteht in Hamburg das Bild, dass es sich nicht um einen großen Teil den MitarbeiterInnen der niedrigschwelligen Suchtkrankenhilfe unbekannter CrackKonsumentInnen handelt, sondern um bereits aus vielfältigen Beratungs- und Betreuungszusammenhängen bekannten Personen. Das Crack-Angebot Thane (2001) berichtet, dass bis etwa Ende 1999 die Hälfte der KonsumentInnen ihre Steine noch selbst hergestellt hat, seither konzentriert sich die Angebotsseite mehr und mehr darauf , die Steine bereits portionsgerecht anzubieten. Die Preise liegen ebenso wie in Frankfurt (siehe unten) bei etwa DM 5-10 für die kleinste Einheit, kleinere Beutel werden für DM 50,- verkauft, woraus sich 7-10 kleine Einheiten ergeben7. Der Verkauf erfolgt auch hier nach Augenmaß und nicht nach Abwiegen, es gibt so gut wie keine Qualitätskontrollen. Die Qualität untersuchter Stichproben in Hamburg hat nach Dworsky (2001) eine hohe Schwankungsbreite: bei Heroin von 0-82%, bei Kokain von 0-100%. Der Verkauf selbst hergestellter Steine oder von Fertigprodukten erfolgt in S-Bahnen oder in den Bahnhöfen (Schanzenviertel, Dammtor, Hauptbahnhof). Ähnlich wie in Frankfurt wird auch in Hamburg von polizeilicher Seite davon berichtet, dass Crack zu einer Zahlungseinheit für Freier gegenüber drogenabhängigen Prostituierten geworden ist8 (Seeland 2001). Das Crack-Angebot ist zu einer neuen Währung geworden und verwischt die Grenzen von Dealern und Zuhältern. Hilfeangebote Die praktischen Drogenhilfe-Angebote für Crack-KonsumentInnen konzentrieren sich auf eine Intensivierung gegenwärtig schon bestehender Hilfeinstrumente (z.B. nachgehende oder ‚nachlaufende’ Sozialarbeit, Akupunktur), beispielsweise eine stärker interdisziplinär ausgerichtete Arbeit von „Laufwerk“ (siehe Kapitel 4.2.1.). Die von den PraktikerInnen vorgetragenen Ideen gehen in Richtung: • Rauchräume in den Konsumräumen in Hauptbahnhofsnähe. 7 Tabak- und Zeitschriftenkioske um die Szene (Hauptbahnhof) herum haben sich auf den Bedarf eingestellt und verkaufen Crack-Pfeifen samt Zubehör (Reinigungswolle) für DM 8-10 DM an jedermann. 8 Das „Sex-for-Crack Phänomen in den USA wird ausführlich untersucht von Ratner (1993) Seite 19 • • Mit einer Akupunktur-Ambulanz sind gute Erfahrungen mit einem dreimonatigem Projekt gemacht worden, die durch Spendenmittel finanziert wurden. Vorgeschlagen wird eine Fortsetzung dieser anonym nutzbaren Akupunktur Übernachtungsstellen in der Alexanderstraße und Kirchenalle/St. Georg sollten auch als Tagesruheraum dienen (Träger Jugendhilfe), Tag und Nachtteam wie Café Sperrgebiet. Im Konsumraum ‚Fixstern’ im Schanzenviertel ist der Crack-Konsum verboten - wie in allen Frankfurter Konsumräumen auch, weil zuviel Aggressivität der KonsumentInnen untereinander und in der Beziehung zu BetreuerInnen entwickelt wurde. Im „Abrigado“ in Hamburg-Harburg wiederum außerhalb der sozialen Brennpunke St. Georg und Schanzenviertel besteht dieses Problem des Ausschlusses von Crack-KonsumentInnen nicht. Dort ist auch das Crack-Problem jedoch nicht als gravierend einzustufen. Schwierig erscheint mehreren PraktikerInnen die Vorstellung eines Konsumraumes ausschließlich für Crack-KonsumentInnen. Dieser würde personell nur schwer besetzbar sein und ordnungspolitisch auch nicht handhabbar sein. Einrichtungen wie in Rotterdam, wo offenbar in 11 sog. basements 30-50 Personen mit Club-Karte Crack kaufen können, und die von der Polizei toleriert werden, sind in Deutschland gegenwärtig nicht denkbar. Eine „Dealergemeinschaft“, die bspw. in der Pauluskirche für Qualität sorgt, wird vom Kirchenvorstand (Pastor Visser) dort solange geduldet, wie die Qualität und Preise in Ordnung sind: „Im Jahre 1994 beschließe ich auch den Drogenhandel zu regulieren, indem ich einigen Dealern unter bestimmen Bedingungen erlaube ihren Stoff in der Kirche zu verkaufen. Die Bedingungen betreffen: das Verbot Gewalt anzuwenden oder jemanden zu bedrohen, das Verbot Wucherpreise zu berechnen und die Pflicht eine gute Atmosphäre zu bewirken“ (Visser 2001). Statt eines Spezialangebotes nur für Crack-RaucherInnen wird in hamburg eher ein integratives Konzept favorisiert. Norbert Dworsky (2001a) von freiraum e.V. sieht folgende Bestandteile eines solchen Angebots: • • • • • • Chill out Möglichkeit Tagesschlafplätze/Tagesruhebetten Konsummöglichkeiten Akupunktur sofort Case Management (im Anschluß an das Bundesmodellprogramm) Therapie sofort. Insbesondere von der Methode Case Management verspricht sich Dworsky eine Lotsenfunktion und Fallkoordination für weitere Hilfen. Integrative Einrichtungen sind bereits KIDS (Kinder in der Szene), Ragazza und das Café Sperrgebiet. Auch in Hamburg wird versucht, in den niedrigschwelligen Einrichtungen auf die Gruppe der Crack-KonsumentInnen mit besonderen Angeboten einzugehen. Die Schaffung eines settings, das beruhigend wirkt (Ruhe, wenig Licht) und eine Trennung von den anderen Heroinkonsumenten wird auch angestrebt. Es wird eine spezielle Schulung von Mitarbeitern der Drogenhilfe für notwendig gehalten. Seite 20 Außerdem gibt es eine ambulante Beratungseinrichtung, die spezielle Angebote für Kokainkonsumenten anbietet. Ähnlich wie in Frankfurt sollten auch in Hamburg Tagesruhebetten geschaffen werden, diese könnten auch mit Pflegesatzmitteln finanziert werden. Gegenwärtig wird eine Umorientierung in den Hilfen für den Stadtteil St. Georg diskutiert. Der geplante Konsumraum in St. Georg wird von der Bezirksversammlung Mitte nicht akzeptiert. Möglicherweise kann die Zustimmung zur Einrichtung eines Kriseninterventionszentrums das sich vornehmlich an Crack-KonsumentInnen richtet, erreicht werden. Substitution Der Kokain- und auch Crack-Konsum unter Substituierten ist besonders hoch. Die Kokainwirkung wird oftmals als ein probates Gegengewicht zur Methadonwirkung empfunden. Im Gegensatz zu Methadon mach Kokain antriebsstark und wach. Dworsky (2001) berichtet, dass etwa 40% der Substituierten, die sich in der psychosozialen Begleitung befinden auch Kokain- und/oder Crack-KonsumentInnen sind. Dies macht differenzierte Angebote notwendig. Gegenwärtig wird im Rahmen von durch Spendenmittel finanzierter einstündigen Akupunkturbehandlung große Erfolge der Beruhigung und Ansprachemöglichkeit erzielt. Auch Villhauer (2001) spricht von einer erheblichen Gefährdung von Substituierten in psycho-sozialer Betreuung. Der Behandlungserfolg längerer therapeutischer Arbeit würde oftmals innerhalb kürzester Zeit zunichte gemacht durch exzessiven CrackKonsum mit den gesundheitlichen und sozialen Folgeerscheinungen. Als Zwischenbilanz für die Situation in Hamburg kann das Zitat des DROB-INN Mitarbeiters Peter Möller (2001) herangezogen werden: „Der Crackkonsum in Hamburg hat sich zu einem faustdicken und ernstzunehmenden Problem entwickelt. Die Hysterie jedoch, die Horrorszenarien, wie sie von den Medien, aber auch streckenweise von der Drogenhilfe selbst aufgezeichnet werden, sind jedoch nicht nachvollziehbar und für eine nüchterne Bewertung und Konzeptentwicklung zu diesem Problem sehr schädlich.“ 3.1.1.2 Ergebnisse empirischer Studien Im folgenden werden die Ergebnisse der ersten und wichtigen empirischen Studien zum Thema „Crack“ referiert: a). Eine explorative Befragung von 64 Crack-RaucherInnen in der Hamburger „offenen Drogenszene“ (K.Thane, G. Thiel (Projektgruppe Evaluation u. Drogenforschung – Jugendhilfe e.V.). Anhand eines Fragebogens wurden 1999 64 CrackkonsumentInnen zu ihrem Drogenkonsum, den erlebten Wirkungen und gesundheitlichen Beschwerden befragt. Die Befragung fand im Umfeld szenenaher Drogeneinrichtungen statt, erfolgte anonym. Die Ergebnisse werden im folgenden dargestellt (vgl. Thane/Thiel 2000, S. 15-19): Geschlecht: 63% Männer 37% Frauen Seite 21 Alter: bis 25 Jahre: 26 bis 30 Jahre: 31 bis 35 Jahre: älter als 35 Jahre: 21% 30% 34% 16% Das mittlere Alter der Männer betrug 31,8 Jahre, das der Frauen 29 Jahre. Konsummuster: Nur 8% der KonsumentInnen gaben ausschließlich Crack-Konsum an. 83% der Crack-KonsumentInnen konsumierten zusätzlich Kokain, 75% Heroin und 36% weitere Drogen. 58% konsumierten zusätzlich Heroin und Kokain, 22% Kokain, Heroin und weitere Drogen. Konsumdauer: Maximal ein halbes Jahr: 36% Halbes Jahr bis zwei Jahre bzw. länger als zwei Jahre: 32% Es zeigten sich keine geschlechts- oder altersspezifischen Unterschiede. Konsumhäufigkeit: Täglicher Konsum: Alle 2-3 Tage: Einmal pro Woche: Seltener als einmal pro Woche: 45% 18% 15% 22% Auch hier zeigten sich keine alters- oder geschlechtsspezifischen Unterschiede. Es bestand kein Zusammenhang zwischen Konsumdauer und Konsumhäufigkeit. Konsumeinheiten: Tägliche „Steine“-RaucherInnen rauchten im Mittel fast 19 Konsumeinheiten/Pfeifen (Median=15). Diejenigen mit seltenerem Konsum im Mittel etwas mehr als vier Konsumeinheiten. Auch hier zeigten sich keine alters- oder geschlechtsspezifischen Unterschiede. Es wurde jedoch deutlich, daß diejenigen mit einer Konsumdauer über zwei Jahre tendenziell täglich häufiger rauchten als jene mit kürzerer Konsumdauer. Herstellung: 50% der KonsumentInnen stellten ihre „Steine“ selbst her. Diejenigen, die erst bis zu sechs Monate rauchten, stellten sie seltener selbst her. 94% der Befragten stellten ihre „Steine“ mit Ammoniak und 6% mit Natron her. Wirkungen: Die genannten Wirkungen wurden zu inhaltlichen Kategorien zusammengefaßt. So wurden vorrangig genannt: Erlebte Wirkungen beim Crack-Rauchen (Tabelle 2) „Euphorie“; „besser fühlen“ „Verrückter Kopf“; „verwirrt“ „Unruhig“; „nervös“; „unkonzentriert“ „Aktiver“; „wacher“ „Erhöhter Puls“; „Herzschlag“ 17% 15% 15% 12% 12% Seite 22 „Gier nach mehr“ „Paranoia“ 11% 7% Quelle: Thane/Thiel 2000, S. 16 Wirkungsdauer: Über die Wirkungsdauer lagen Angaben von n=30 Crack-KonsumentInnen vor. Im Mittel wurde eine Wirkungsdauer von ca. neun Minuten angegeben; der Medianwert lag bei 2,8 Minuten. Gesundheitliche Folgen: Atembeschwerden: 39% Kopfschmerzen: 38% Weitere Beschwerden: 44% Die frei genannten „sonstigen Beschwerden“ wurden zu inhaltlichen Kategorien zusammengefaßt: Sonstige Beschwerden (Tabelle 3) „Gier nach mehr; starke Sucht“ „Aggressionen;, Reizbarkeit“ „Schädigung innerer Organe“ „Kopf kaputt; blöd im Kopf; kein Überblick mehr“ „Depressionen; antriebsarm“ „Lungenschäden; Husten“ „Herzbeschwerden“ „Gleichgültigkeit; „asozial“; „link“ 18% 18% 12% 9% 9% 7% 6% 6% Quelle: Thane/Thiel 2000, S. 17 Von Kopfschmerzen berichten häufiger KonsumentInnen mit relativ kürzerer Konsumdauer. b). „Crackwelle? Bedeutung und Konsequenzen veränderter Konsummuster“ Peter Degkwitz, Uwe Vertheim Im Mittelpunkt der Bestandsaufnahme für Hamburg steht Crack, „also auf für das Rauchen durch unterschiedliche Methoden aufbereitetes Kokain-Hydrochlorid“(Degk- Seite 23 witz/Verthein 2000, S. 38). Die Ergebnisse der Untersuchung9 werden im folgenden dargestellt (vgl. Degkwitz/Verthein 2000, S. 37-48). Mit einem standardisierten Fragebogen wurden 616 Konsumenten (21% Frauen, 79% Männer) im Alter von 32,5 (plus/minus 7) Jahren in und im Umfeld von drei szenenahen Hamburger Konsumräumen nach ihrem Konsum in den letzten 24 Stunden befragt. Hier dominiert nach wie vor der Heroinkonsum. 84% der Befragten gaben an, in den letzten 24 Stunden Heroin konsumiert zu haben. Drei Viertel der Befragten konsumierten Kokain. Von jeweils einem Viertel bis einem Drittel werden Methadon, Alkohol, Cannabis und Benzodiazepine angegeben. Eine nachgeordnete Bedeutung haben Codein, Barbiturate, Ecstasy und Amphetamine. Ausgehend von diesen Angaben erfolgte eine Gruppenbildung zu den Konsummustern: • • • • Konsumentengruppe, bei der Kokain gefolgt von Heroin im Vordergrund steht: 35%. Konsumentengruppe, bei der Heroin im Vordergrund steht: 28%. Konsumentengruppe, bei der Heroin und Kokain die wichtigsten Mittel sind: 25%. Auch Methadon und Benzodiazepine spielen eine wichtige Rolle. Konsumentengruppe, bei der Alkohol und Methadon im Vordergrund gefolgt von Heroin und Kokain stehen: 12%. Applikationsformen: I.v.-Konsum von Heroin und Kokain: 82% (ausschließlich iv.-Konsum: 61%) Rauchen bzw. Sniefen: 18% Neben i.v-Konsum zusätzlich Rauchen bzw. Sniefen: 21% Im folgenden wird der Kokainkonsum der vier Konsumentengruppen in Bezug auf die Konsumform betrachtet: Hier wird deutlich, daß der i.v.-Konsum bei allen Gruppen im Vordergrund steht. 31% der Kokain-Heroin Gruppe haben in den letzten 24 Stunden Crack konsumiert. Diejenigen, die Crack konsumieren (22%) haben durchschnittlich 7,1 Konsumeinheiten. Bei Betrachtung der unterschiedlichen Konsummuster von Kokain, wurde festgestellt, daß 71% der 447 Kokainkonsumenten das Kokain spritzen. (58% nutzen es ausschließlich intravenös). In den letzten 24 Stunden haben 39% das Kokain als Crack geraucht (25% nutzen das Kokain ausschließlich in der rauchbaren Form). Etwa die Hälfte der Crackkonsumenten weist bis zu 4 Konsumeinheiten pro Tag auf. 32% der Crackkonsumenten konsumieren 10mal oder häufiger am Tag. Reiner Crackkonsum kommt mit 9% relativ selten vor. Es dominiert die Kombination mit Heroin. 29% der Crack-Konsumenten hat in den letzten 24 Stunden auch Methadon, 32% Benzodiazepine und 26% Alkohol zu sich genommen. Im Vergleich zur Gesamtgruppe der Nutzer der Konsumräume zeigen sich keine Unterschiede hinsichtlich Alter, Dauer der Drogenkarriere und Geschlechtszusammensetzung. Es besteht jedoch eine Tendenz in Richtung stärkerer Desintegration hinsichtlich Wohn- und Einkommenssituation. 9 Diese Befunde wurden im Rahmen einer EU Studie zur Evaluation von Gesundheitsräumen im Sommer 2000 gewonnen. Seite 24 3.1.1.3 Polizeiliche Daten Die Polizei hat bereit 1996 auf die rapide Zunahme konsumbezogener Delikte im Zusammenhang mit Kokain hingewiesen, deren Zahl im Jahre 1998 erstmals höher gewesen ist als die Delikte im Zusammenhang mit Heroin. Rauchbare Formen des Kokains schälten sich als eigenständiges Konsummuster im ersten Halbjahr 1999 sehr deutlich heraus, so dass die Rauschgiftdienststelle des Landeskriminalamt im Juli des Jahres beauftragt wurde, eine Sonderauswertung zu erstellen. Aus polizeilicher Sicht wird eingeschätzt, dass sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Crack-Konsums verlangsamt hat. Besonders auffällig an der Crack-Szene ist, dass Konsum und Handel wie bei kaum einer anderen Droge zusammenfallen, bis hin zum schnellen Zug aus der Pfeife, der mit DM 5 bezahlt werden muß. Insgesamt bildet Crack für einen relativ günstigen Preis überhaupt intensive drogeninduzierte Wirkungen. In Hamburg nehmen laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik (PKS) die registrierten Fälle im Zusammenhang mit Kokain seit einigen Jahren zu. Im Jahr 2000 wurde ein Anstieg der Zahlen um 4,2% verzeichnet (Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres), während die Delikte im Zusammenhang mit Heroin (Erwerb und Besitz) zurückgehen (-15,8%). Der Rückgang der Zahlen für Heroin wird in Zusammenhang gesehen mit der Ausweitung des Methadon-Programms auf 4.500 Substituierte. Unter den für das Jahr 2000 erfaßten 12 484 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Rückgang um 4,7% gegenüber dem Vorjahr) wurden vom LKA Hamburg 5279 Fälle im Zusammenhang mit Erwerb, Besitz oder Handel von Kokain registriert. Die Delikte im Zusammenhang mit Kokain machen demnach 42,3% der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz insgesamt aus. Im Rahmen einer Sonderauswertung für das Jahr 2000 ermittelte das LKA Hamburg 1322 Fälle (einschl. Nacherhebung; pers. Mitteilung Herr Körnert) im Zusammenhang mit Crack (Besitz und Erwerb, d.h. allgemeine Delikte und Handel). Im ersten Halbjahr 1999 betrug die Zahl der Crack-bezogenen Delikte 610; monatsbezogen verglichen mit 1999 ergab sich für das Jahr 2000 nur eine sehr geringe Zunahme. Die Daten dieser Sonderauswertung zu Crack können allerdings nicht ohne weiteres mit weiteren Vorjahresdaten verglichen werden aufgrund nicht vorgenommener Differenzierung in der PKS nach Crack und Kokain (auch noch für 2000). Allerdings konnte auch kein kontinuierlicher Anstieg der monatlichen Fallzahlen beobachtet werden. Im Jahresverlauf ergeben sich erhebliche Schwankungen der Fallaufkommen. 21% (das sind 144 von 390 Personen) der ersterfaßten Konsumenten harter Drogen im Jahr 2000 wurden im Zusammenhang mit Crack-Delikten ermittelt (auch hier keine Vergleichsmöglichkeit mit den Vorjahreszahlen). 3.1.2 Frankfurt 3.1.2.1 Situationsbeschreibung Historische Entwicklung Seite 25 Bereits seit 1992 wird ein vermehrtes Auftreten von Kokain in Frankfurt beobachtet. Auch Kemmesies (1997) hat auf die wachsende Bedeutung von Kokain als zweiter Leitdroge für KonsumentInnen auf der Straße bereits Mitte der 90er Jahre hingewiesen. Dieses Ergebnis wird bestätigt von einer Erhebung im Konsumraum Elbestr. des Drogennotdienstes darüber, was die KonsumentInnen im Konsumraum konsumieren: Etwa 50% der Konsumvorgänge im Konsumraum betreffen i.v. Konsum von Kokain bzw. wieder aufgelöstes Crack (Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes in Frankfurt). Dieses Ergebnis wird von anderen Trägern von Konsumräumen im Frankfurter Bahnhofsbereich bestätigt (Klee 2001; Steinmetz 2001). Ab etwa 1996/97 läßt sich eine Wandlung des Konsummusters und -frequenz von intravenöser Applikation zum Rauchen beobachten. Mittlerweile steht der CrackKonsum nach Heroin jetzt an der zweiten Stelle der präferierten illegalen Drogen in Frankfurt. Zunächst bestanden im Bahnhofsbereich noch zwei völlig voneinander getrennte Drogenszenen: die der i.v. DrogenkonsumentInnen und die der CrackRaucherInnen. Diese Trennung ist weitgehend aufgehoben. In der Frankfurter Trägerarbeitsrunde zum Thema „Crack“ wurden ab 1997 laut Abschlußbericht der Pilotphase des Crack-Street-Projektes (CSP 1999) vier Gruppen von Crack-KonsumentInnen identifiziert: • • • • Polytoxikomane, i.v. DrogenkonsumentInnen, deren erste Präferenzdroge Heroin ist Substituierte, die einen Kokain-/ und/oder Crack-Beikonsum aufweisen Primäre Crack-KonsumentInnen, Szenen jugendlicher DrogenkonsumentInnen und junger Erwachsener (Treffpunkte: Theatervorplatz, Altes Postamt). Roth (1999, 40) stellt einen hohen Anteil von Mädchen und jungen Frauen fest. MigrantInnen und Aussiedler, z-T. aus Auffangeinrichtungen, Quereinsteiger ohne „Umweg“ über Opiatkonsum, z.T. auch in gesonderten Stadtteilszenen. Diese Szene ist vor allem männlich geprägt. Für die beiden letzten Gruppen gilt gemeinsam, dass sie andere Identitäten als eine Drogensubkultur-Identität herausbilden. Es sind Jugendphänomene, die hier handlungsleitend sind und nach kurzer Zeit oftmals in einen Desintegrationsprozeß münden. Insbesondere von der letzten Gruppe wird berichtet, dass – parallel zu Berichten aus Hamburg – „Steine rauchen“ für nicht so risikoreich gehalten wird, wie der intravenöse Konsum. Zum Teil wird sogar berichtet, dass KonsumentInnen „Steine“ nicht gleichsetzen mit „Crack“, sondern für „harmloser“ halten, weil Crack für eine „amerikanische Erfindung“ gehalten wird, eine Substanz die mit Backpulver hergestellt wird, was in Deutschland aufgrund des Stärkeanteils des im hierzulande erwerbbaren Backpulvers nicht möglich ist. Dadurch wird eine Abgrenzung von der „i.v. Drogenszene“ erreicht und das eigene Drogenkonsumverhalten als ungefährlich wahrgenommen. Aus Auffangeinrichtungen und Beschulungsprojekten wird berichtet, dass der Drogen- und Crack-Konsum in der Gruppe der MigrantInnen und Aussiedler, eine Seite 26 beträchtliche Dynamik entwickelt hat. Dazu kommt die muttersprachliche Problematik, die ein angemessenes Eingehen auf kulturelle Denk- und Handlungsweisen erschwert. Das Crack-street-Projekt (siehe Kapitel 4.2.2.) wurde im September 1997 mit 3monatigem Probelauf eingerichtet. Seit 1999 trifft sich die AG Crack gebildet in der Montagsrunde in unregelmäßigen Abständen. Soziale Auswirkungen des Crack-Konsums Die Crack-Szene muß als hochmobil beschrieben werden, Handel und Konsum sind eng miteinander verbunden und finden in Straßenbahnen und verschiedenen Stadteilen (allerdings mit Schwerpunkt Bahnhofsbereich) statt. Der Grad der Verelendung hat eine neue Qualität erreicht. PraktikerInnen der niedrigschwelligen Suchtkrankenhilfe berichten, dass die Zahl der Drogennotfälle in Frankfurt sich erhöht und hat und dass die Drogenotfallhilfe und –versorgung schwieriger geworden ist. Besondere Auffälligkeiten im KonsumKonsumentInnen werden beschrieben als: • • • • und Sozialverhalten von Crack- zunehmende Verelendungstendenzen (Erschöpfung, Verwahrlosung) Wiederaufnahme der Prostitution und Kriminalität zur Geldbeschaffung zunehmende Aggression und Gewaltbereitschaft insbesondere der Mitglieder der Drogenszene untereinander Verschuldung. Gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind: • • • • • psychotische Zustände körperliche Verwahrlosung durch Selbstvernachlässigung körperliche Zusammenbrüche durch massiven Schlafentzug Auffälligkeiten, wie Wahn-, Angst, Zwangsvorstellungen etc. Abbruch von Kontakten zu Drogenhilfeeinrichtungen, HIV/AIDSBehandlungen und psychosozialer Betreuung, Fernbleiben von der Methadonvergabe Die Prostitution ist für viele Mädchen und Frauen oftmals die einzige und schnellste Möglichkeit das nötige Geld für die Crack-Steine zu verdienen (siehe Junkfurter Ballergazette 3/2000). Z.T. haben die Freier jedoch bereits Crack-Steine erworben und setzen diese als Zahlungsmittel oder Zahlungsversprechen ein. Unter diesem Vorzeichen werden safer-use und safer – sex – Regeln (siehe DAH 2000; Marzodko/Schiffer 2000), die ohnehin in der Drogenprostitution auf der Straße nicht eine ähnliche hohe Verbreitung finden wie in der professionellen Prostitution, vernachlässigt. Unter diesen Bedingungen ist es bereits mehrfach zu Misshandlungen gekommen. Viele erwachsene Frauen sind zudem von HIV und Hepatitisinfektionen betroffen. Verbreitung des Crack-Konsums Der Leiter des Konsumraums Niddastr. (Josh Steinmetz) schätzt die Gesamtzahl derjenigen, die Crack/Steine zusätzlich zu den sonstigen Substanzen konsumieren auf mind. 70% des „harten Kerns“ der BesucherInnen der Konsumräume. Seite 27 Aus der Kommunalen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Stadt Frankfurt wird bereits 1999 berichtet, daß 100% der Zielgruppe der Einrichtung WALK MAN Crack konsumieren. „Wir schätzen, daß sich im Laufe eines Jahres etwa 50 Minderjährige in der i.v.-konsumierenden Straßenszene länger aufhalten. Dazu kommt noch eine etwas höhere Zahl von jungen Volljährigen (18-20 Jahre; Dörrlamm 1999). Kleinkriminalität und Prostitution stellen die wesentlichen Beschaffungswege dar. Der Aufenthalt in der i.v.-konsumierenden Drogenszene führte rasch zu polytoxikamanen Gerbauchsmustern. Das Crack-Angebot Neuere Informationen von MitarbeiterInnen aus den Konsumräumen in Frankfurt und dem Frankfurter Drogenreferat (Weimer 2001) sprechen vom Phänomen des Wiederaufkochens von Crack-Steine durch Auflösen der Steine mit Hilfe von Ascorbinsäure (‚Kokainascorbat’). Das Kokainascorbat ist flüssig und injizierbar - ein relativ reines Kokainprodukt. Diese Entwicklung scheint eine Reaktion auf die Knappheit bzw. Nicht-Erhältlichkeit von Kokain in Pulverform zum Auflösen und intravenösen Gebrauch auf der Straße zu sein (ggf. im Unterschied zu sozial integrierten Szenen). Diese Praxis ist auch ablesbar an einer deutlicheren Nachfrage nach Ascorbin in den Angeboten niedrigschwelliger Drogenhilfen. Die KonsumentInnen äußern dabei keine Enttäuschung über einen Wirkungsverlust, sondern führen diesen erneuten Umwandlungsprozeß selbstverständlich durch. Mehrere Gründe können dafür angeführt werden: Das Bedürfnis nach i.v. Konsumform („Nadelgeilheit“) als bekanntere Konsumform, eine Form der Selbstregulation: Die heftige Wirkung über das Rauchen wird reduziert und gespritzt hält sie etwas länger vor. Möglicherweise ist dies als ein Versuch Einzelner zu werten, gegenzusteuern gegen die hohe Geschwindigkeit des Crack-Konsums. Aufgrund eines mangelnden Angebots von Pulver-Kokain ergibt sich eine Zunahme von Crack-KonsumentInnen, was für die Händler offenbar ökonomische Vorteile bringt, da bei der Umwandlung des Kokains zu Crack offenbar mehr Verkaufseinheiten zu einem insgesamt höheren Preis entstehen. Crack-Steine kosten, abhängig von der Größe des Steines, der Polizeipräsenz, dem Dealeraufkommen, etwa DM 20 –80 auf der Drogenszene, 1 Zug aus der Pfeife kostet etwa 5-10 DM. Hilfeangebote Angesichts des insgesamt veränderten Konsumverhaltens von DrogenkonsumentInnen in der Stadt ist ein Rückgang der Spritzenumtauschzahlen in den letzten Jahren zu verzeichnen. Wenngleich auch diese Entwicklung nicht einheitlich in allen Angeboten zu beobachten ist: Der Konsumraum La Strada verzeichnet steigende Zahlen (Klee 2001). Die Applikationsform „Rauchen von Crack“ führt konsequenterweise zu einem Rückgang der Konsumvorgänge in den Frankfurter Konsumräumen, da das Crack-Rauchen aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage10 nicht erlaubt ist (ca. 10-20%). Ein Grund für einen Rückgang der Konsumvorgänge in den Konsumräumen mag auch in der längeren Verweildauer aufgrund körperlicher Verelendung vieler NutzerInnen liegen. 10 Die Landesverordnung zum Betrieb und zur Nutzung von Konsumräumen in Hessen ist noch nicht in Kraft Seite 28 Seit 1996 begann eine Diskussion um Crack in der ‚Montagsrunde‘, des Frankfurter Forums zur Diskussion und Steuerung der kommunalen Drogenproblematik. Ordnungsprobleme gibt es Werner Heinz zu Folge durch eine kleine Teilgruppe, eine Minderheit der KonsumraumbenutzerInnen, die in der Lage sind, die Situation „aufzumischen“, trotz vorgelagerter Sicherheitsvorkehrungen, wie Schleusen, Sicherheitsbarrieren oder Club-Karten. Wenn aus disziplinarischen Gründen Ausschlüsse aus Hilfeangeboten erfolgen, dann aufgrund von Crack-Konsum, selten aufgrund eines Alkoholkonsums. Crack-Konsum wird in Frankfurt zu einer Bedrohung niedrigschwelliger Arbeit und zeigt deren Grenzen auf (siehe ausführlicher Kap. 4.5.). Auch aus dem ländlichen Bereich gibt es laut Werner Heinz erste Berichte aus Beratungsstellen über jugendlichen Crack-Konsum (Main/Taunuskreis, Friedberg aus dem Wetteraukreis). Neben 10 Tagesruhebetten, die nach Angaben von Jürgen Klee (2001) zu etwa 6080% belegt sind, existieren bei La Strada (AIDS-Hilfe Frankfurt) 23 Notschlafbetten (in Frankfurt insgesamt über 100). Auch ein eigens an Jugendliche gerichtetes Angebot ist vorhanden. Grundlage für das erwähnte Crack-Street-Projekt (CSP; siehe ausführlich Kapitel 4.2.2.) war der katastrophale psychische und physische Zustand. Die Zielgruppe sollte dann angesprochen und über mögliche Hilfeangebote informiert werden, wenn sich dazu eine Gelegenheit bieten würde. Eine Beratung über und Vermittlung in mögliche Hilfen sollte erfolgen: • • • • • Akupunktur fast in jedem Projekt möglich (über Mitarbeiter im Delegationsverfahren) Konsiliarpsychiatrie Substitution, weil wenig ausschließliche Crack-KonsumentInnen Spontan-Entzug geplant – feste Betten, Uni-Klinik, Bürgerhospital (Hadamar) geplant Für Jugendliche und junge Erwachsene: Gesamte Bandbreite der Jugendhilfe. Für diese Gruppen existiert auch eine besondere Zusammenarbeit mit der Entzugseinrichtung in Hasselborn Die Krise der niedrigschwelligen Drogenarbeit wird oft an Crack festgemacht. Doch auch andere Gründe für die Gereiztheit und Verfolgungssituation der CrackKonsumentInnen müssen benannt werden: Nischen zum Konsum auf Bahnhöfen und in der Innenstadt werden geschlossen, Sicherheitsvorkehrungen der Polizei und der privaten Wachdienste haben zugenommen, die Polizei ist stark präsent, „3-SOffensive“ der Bahn, ein Pilotprojekt in dem speziell geschultes Personal für Sicherheit und Ordnung eingesetzt wird, hohe MitarbeiterInnenfluktuation, Resignation und burn-out-Symptome bei den MitarbeiterInnen der Drogenhilfe sind verbreitet. In den Konsumräumen müssen mehr ordnungspolitische Aufgaben erledigt werden, von Stimmungslagen abhängig gemacht werden. Seite 29 Insgesamt werden von PraktikerInnen folgende Interessen an einer weitergehenden Crack-Studie formuliert, die hier stichwortartig zusammengefasst werden (vgl. insgesamt Kapitel 7): • • • • • • Interventionsforschung (welche Intervention ist effektiv, welche nicht?) Ethnographische Forschung Händlerstruktur, Angebotsveränderung (schwieriger Zugang, Berberdialekte, Dynamik medialer Aufbereitung: Crack-Steine schneller, mehr Geld) Entzugsbehandlung: raus aus der Szene für einige Tage Heimfahrten – Kreislauf durchbrechen Modellprojekt: 2 Jahre am Stück finanziert (Verhaltenstherapeutische ausgerichtet). Vor dem Hintergrund der Erfahrung von PraktikerInnen, dass die Grenzen der bisherigen Form von Niedrigschwelligkeit in der Drogenhilfe deutlich geworden sind, werden Überlegungen zu Zwangseinweisungen nach Hadamar (Psychiatrisches Landeskrankenhaus) angestellt: Extrem auffällige gesundheitsgeschädigte Personen, die Hausverbot haben weil sie sich nicht an die Hausregeln halten. Etwa 20 Personen (über diese Zahl herrscht jedoch keine vollständige Einigkeit), über die gesprochen wird und wo unklar ist, was mit ihnen geschehen soll. Substitution Mit Ausbau des Methadonprogramms bzw. –verschreibung wurde auch ein Anstieg des Kokainhandels und -konsums festgestellt. „Kokain hat sich seit dem Start der Substitutionsangebote in Frankfurt Anfang der 90er Jahre zur primären Beigebrauchsdroge bei Substituierten entwickelt. Während bis ca. 1995/96 der Beigebrauch fast ausschließlich als i.v. Konsum stattfand, setzte seit 1997 und verstärkt seit ca. einem bis eineinhalb Jahren der Umstieg von i.v.-Konsum auf Crack ein. Heute stellt das Rauchen von Crack das primäre Beigebrauchsmuster bei Substituierten dar.“ (Heinz 1999, 1). Joachim Krause (1999), substituierender Arzt bei den Malteser Werken, bestätigt diese Entwicklung: Hier sind es ca. 50 Personen, d.h. etwa 30% der Substituierten in der Medizinischen Ambulanz und Methadonsubstitution, die einen Crack-Konsum aufweisen. Eine psycho-soziale Stabilisierung durch die Substitution wird durch einen CrackKonsum oftmals zunichte gemacht. Beispielhaft wird dieser Prozeß vom therapeutischen Leiter des Frankfurter Drogenhilfeträgers Jugendberatung und Jugendhilfe e.V. Werner Heinz (1999, 1f): „Von derzeit 55 in der Ambulanz des DHZ (Drogenhilfezentrum Bleichstr.; H.S.) Substituierten weisen im Verlauf der letzten 6 Monate 30 Personen – z.T. zeitweise, begrenzt auf Rückfallphasen, z.T. durchgängig- Beikonsum von i.v. Kokain oder Crack auf. Bei einem Teil der durch hohen Beigebrauch charakterisierten Gruppe konnte mit Auflagen oder motivierender Beratung ein (nicht selten nach einigen Monaten wiederholter) selektiver stationärer Entzug durchgeführt und der Kokain/Crack-Konsum zumindest zeitweise unterbrochen werden. Bei 4 Personen aus dieser Gruppe bestand oder besteht primär oder ausschließlich i.v. Konsum; bei 25 Personen liegt oder lag primär oder ausschließlich Crack-Konsum vor. Aktuell hochgradiger Konsum primär von Crack liegt bei 10 Personen, aktuell hochgradiger Konsum liegt bei 4 Personen vor. Bei etwa der Hälfte der Substituierten mit massivem Kokain-/Crack-Beikonsum wurden entweder psychiatrische Störungsbilder diagnostiziert: Seite 30 - schwere Borderlinepersönlichkeitsstörungen - narzisstische Persönlichkeitsstörungen Depression Oder es wurde eine bereits früh einsetzende Prägung durch den Lebensmittelpunkt Drogenszene festgestellt. In Einzelfällen geht Suicidalität mit der Crack-Abhängigkeit einher. Ebenfalls in Einzelfällen wurde in der Beratung ein enger Zusammenhang zwischen Crack-Konsum und Problemen mit Sexualität infolge der Opiatabhängigkeit erkennbar: Opiatabhängigkeit/Methadonsubstitution wird in Zusammenhang mit Potenzproblemen gebracht – Crack wird als Stimulans und zur Hebung der sexuellen Erlebensfähigkeit gebracht.“ 3.1.2.2 Ergebnisse empirischer Studien a). „Crack-Konsum in der Drogenszene in Frankfurt am Main: Ergebnisse empirischer Studien“ (Irmgard Vogt, Martin Schmid, Marcus Roth) In der Untersuchung werden Daten aus drei unterschiedlichen Datenquellen präsentiert. Es wird darauf hingewiesen, daß die vorgestellten Ergebnisse nicht repräsentativ für die Frankfurter Drogenszene sind, sondern einzelne Facetten unterschiedlich selektierter Stichproben beleuchten (vgl. Vogt/Schmid/Roth 2000, S. 513). Zunächst werden Daten der Polizei vorgestellt: • • • • „Crackabhängige“ (1999). 80% männlich; 20% weiblich. 379 (33%) Personen nehmen ausschließlich Crack. 785 (67%) Personen nehmen weitere Drogen. Unter den erstauffälligen KonsumentInnen hat die Polizei 319 Personen u.a. wegen Crack neu registriert: • • • 79% männlich; 21% weiblich. 134 (42%) Personen nehmen ausschließlich Crack. 185 (58%) Personen nehmen weitere Drogen. Studie 1: Wurde von Oktober 1998 bis April 1999 durchgeführt. Mit Hilfe zwei männlicher Interviewer füllten 59 Crackkonsumenten einen Fragebogen in verschiedenen niedrigschwelligen Einrichtungen (Cafés, Konsumräume) für Drogenabhängige aus. Auswahlkriterien für die TeilnehmerInnen an der Befragung: • Erfahrung mit Crack • etwa gleich viele männliche wie weibliche Befragte. Studie 2: Wurde von November 1997 bis November 1998 durchgeführt. Befragt (Interviewer +Fragebogen) wurden 312 NutzerInnen von Tagesbetten (Schlafplätze für die Zeit von 10-16 Uhr) in einer Einrichtung der Aids-Hilfe in Frankfurt. Auswahlkriterien: Seite 31 • NutzerInnen von Tagesbetten Die Teilnahme an beiden Studien war freiwillig und anonym. Die Befragung wurde abgebrochen, wenn der Konsument nicht in der Lage war, den Bogen mit Hilfe der Interviewer auszufüllen. Studie 3: Es wurden Daten von 2.160 KlientInnen aus der JJ-Basisdokumentation aus der Zeit von Januar bis Dezember 1999 herangezogen. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine standardisierte Daten-Dokumentation der Klientel von 27 ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen des Trägers „Jugendberatung und Jugendhilfe e.V.“ im Rhein-Main-Gebiet (Frankfurt am Main und Umgebung). Für die Dokumentation wurde eine erweiterte Version des EBIS-Fragebogen eingesetzt. Ausgewählt wurden nur Daten von Personen, die Crack, Kokain oder Opiate konsumierten. Nach den Gesprächen in der Einrichtung wurde die Dokumentation von MitarbeiterInnen der Einrichtung mit dem KlientInnen ausgefüllt. Die Dokumentation fand in jedem Fall statt, die Datenauswertung erfolgte anonym. Personen, die nur das Café oder den Konsumraum nutzten wurden nicht dokumentiert. Die Auswertung dieser Studien konzentriert sich auf Klienten, von denen Angaben zum Crackkonsum vorliegen. Geschlechtsverteilung: Zum Vergleich wurden hier zusätzlich Daten aus dem Jahresbericht des Konsumraums des Drogennotdienstes in Frankfurt sowie die Angaben der Polizei über Drogenabhängige hinzugefügt. Hier sowie in der JJ-Basisdokumentation liegt der Anteil der Frauen unter 25%. In den Studien 1 und 2 ist der Frauenanteil hingegen überdurchschnittlich hoch. Dies läßt sich jedoch bei Studie 1 durch die gezielte Auswahl der Befragten erklären. Ebenso wird deutlich (Studie 2), daß Tagesbetten überdurchschnittlich von Frauen genutzt werden. Alter: Das Durchschnittsalter liegt für die Frauen knapp unter 30 Jahren, für die Männer bei knapp über 30 Jahren. Der Altersdurchschnitt unterscheidet sich somit nicht wesentlich von anderen Drogenabhängigen. Dauer des Crackkonsums: Studie 1: Die Dauer des Konsums liegt bei den Männern bei 3 Jahren und bei den Frauen bei 4,8 Jahren. Junge Neueinsteiger sind in dieser Stichprobe somit nicht vertreten. Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß es diese Gruppe (unter 21 Jahre) gibt. (AUSFÜHREREN ?) Nationalität der Konsumenten: In den drei Studien sind gut zwei Drittel der Befragten Deutsche. Wohnsituation: Anteil der Personen, die in Frankfurt gemeldet sind: Studie 2: 25% NutzerInnen des Konsumraums im Drogennotdienst: 32% Polizei: 35% Seite 32 Anteil der Personen mit eigener Wohnung: Studie 1: 33% Männer; 27% Frauen Studie 2: 9% Männer; 2% Frauen JJ-Basisdokumentation: 32% Männer; 44,5% Frauen Konsumraum Drogennotdienst: 57% Männer; 61% Frauen Für Crackkonsumenten gilt, daß sie viel häufiger keine Wohnung haben als andere Drogenabhängige. Ebenso wurde festgestellt, daß es unter den Crackkonsumenten eine relativ große Gruppe gibt, die tags und nachts Notschlafbetten in Anspruch nimmt. Konsummuster: Aus der JJ-Basisdokumentation geht hervor, daß bei Drogenabhängigen polyvalente Konsummuster dominieren. Crackkonsumenten nehmen jedoch insgesamt mehr Drogen als die jeweiligen Vergleichsgruppen. Der Einstieg in den Konsum „harter“ Drogen beginnt meist mit Heroin. Nur 10% der Befragten aus Studie 1 geben an, daß Crack ihre erste „harte“ Droge war. Aus Studie 1 rauchen ca 90% der Befragten mindestens ein- bis zweimal täglich Crack. Ca ein Viertel dieser Gruppe raucht Crack öfter als fünf Mal am Tag. Ebenfalls gibt ein Viertel dieser Gruppe an, daß Crack ihre Hauptdroge ist. Aggressionsbereitschaft: Es wird darauf hingewiesen, daß MitarbeiterInnen der Einrichtungen der Drogenhilfe im Frankfurter Bahnhofviertel berichten, daß die Aggressionsbereitschaft ihrer Klientel in den letzten beiden Jahren zugenommen hat. Aus den Daten kann jedoch nicht gefolgert werden, daß Crackkonsumenten tatsächlich aggressiver als andere DrogenkonsumentInnen sind. Aus den Daten der JJ-Basisdokumentation geht jedoch hervor, daß Männer und vor allem Frauen, die Crack konsumieren etwas häufiger wegen Körperverletzung verurteilt wurden als andere Drogenabhängige. Die Daten reichen jedoch nicht aus, um zu klären, ob die erhöhte Aggressionsbereitschaft auf Verhaltensänderungen der Crackkonsumenten zurückzuführen ist oder andere Faktoren beteiligt sind. Gesundheit: Beim Vergleich der subjektiven Einschätzung der Gesundheit der Befragten, zeigt sich, daß sich die BesucherInnen von Konsumräumen und Cafés bei weitem für gesünder halten als die NutzerInnen der Tagesbetten. Die Daten belegen zudem, daß sich bei der Hälfte der Konsumenten eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch den Konsum von Crack ergeben hat. Ebenfalls zeigt sich, daß Drogenabhängige, die kein Crack rauchen insgesamt etwas geringer mit chronischen Krankheiten belastet sind. Auch wird deutlich, daß sich ein größerer Anteil der Crackkonsumenten in einer Substitutionsbehandlung befindet, als der Drogenabhängigen, die kein Crack rauchen. Zum Teil ist der Anteil der Crackkonsumenten unter den Substituierten recht hoch. 3.1.2.3 Polizeiliche Daten Einer Studie lokaler Drogenmärkte zufolge (Vergleich Frankfurt/Mailand) hat sich der Drogenmarkt in den 90er Jahren vor dem Hintergrund und einhergehend mit der Vielzahl auf den Markt kommender Drogen mehr und mehr differenziert. Der Studie zufolge werden die Mehrzahl der Drogengeschäfte von vielen verhältnismäßig kleinen und häufig kurzlebigen ‚Unternehmen’ abgewickelt. Es handelt sich dabei Seite 33 einerseits um Familien, andererseits um Gruppen, die nicht miteinander verwandt sind und sich nach mehr oder minder kurzer Tätigkeit wieder auflösen. In beiden Städten sind die gefährlichsten Positionen im Endverkauf auf der Straße vorwiegend mit ausländischen Dealern besetzt (vgl. drugnet europe/EBDD Jan./Febr.2001, S. 2). Die Frankfurter Polizei hat in ihrer Ermittlungstätigkeit Kokain und Crack differenziert. Die Crack-Steine werden in der Regel nach Polizeierkenntnissen (Herr Kloss) nicht selbst hergestellt, sondern in fertig zubereiteter Form angekauft. Die Herstellung ist recht aufwendig und für DrogenkonsumentInnen, die auf der Straße oder in betreuten Wohnformen leben, kaum regelmäßig durchzuführen. Frankfurts Besonderheit besteht in seiner Funktion als zentrale Drehscheibe durch den größten deutschen Flughafen, wo sowohl Kokain am oder im Körper, als auch in der Fracht eingeführt wird. Der Kleinhandel findet letztlich unter sich verändernden Bedingungen statt: die Händler sind in Bewegung, so auch die KonsumentInnen. Der Handel läuft also nicht vor derselben Kulisse sondern in U-und S-Bahnen und in U-Bahnhöfen statt, obwohl sich ein Schwerpunkt im Bahnhofsbereich lokalisieren lässt. Der Handel, die Angebotsseite ist eher in Säulenform organisiert (kleinere Gruppen, ggf. unabhängig voneinander agierend), statt wie im Opiathandel pyramidisch (kleinere zentrale Händler im Hintergrund und mehrere Verteilerebenen (bis hin zum Kleinstraßenhändler, der auf Kommissionsbasis Drogen verkauft). Diese Säulenform des Angebots macht es der Polizei u.a. schwer, die Angebotsseite nachhaltig zu stören. Eine weitere Schwierigkeit beseht darin, dass der Handel im wesentlichen von kleinen unzugänglichen Sippen- oder Familieneinheiten aus Nord- und Westafrika organisiert wird, so dass es mehr oder weniger unmöglich ist, in diese Handelsbereiche vorzustoßen. Laut Polizeiauskunft wird der Handel in Frankfurt hauptsächlich von Personen aus Schwarzafrika (aus Nigeria, Sudan und Ghana) und in Teilbereichen auch aus Nordafrika (aus Marokko, Algerien). Dabei sollen Personen aus Nigeria hauptsächlich für den Einfuhrschmuggel und Sudanesen und Ghanaesen hauptsächlich für den Straßenhandel zuständig sein11. Die Verbindung von Kokain-Herkunftsländern (z.B. Kolumbien) und Afrika wird darin gesehen, dass ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung Kolumbiens aus Nigerianern besteht. Die Beteiligung von Nordafrikanern an Einfuhr von Kokain und Herstellung und Verkauf von Crack wird so erklärt, dass eine Verbindung nach Kolumbien über Spanien (und ehemalige Kolonialbeziehungen, Spanisch Marokko) zu sehen ist. „Laut Falldatei Rauschgift wurden im Jahr 2000 in Frankfurt/M. 473 (1999: 452) Tatverdächtige im Zusammenhang mit Crack registriert, davon stammte knapp die Hälfte der Personen aus Afrika“ (BKA 2001a, 11). Die Sicherstellungsmengen von Crack sind im Vergleich zu anderen Drogen (Kokain 282kg, Heroin ca. 57kg, Haschisch 472kg), daher eher gering (1999: 843,20g; 2000: 905,99g). Das K65 hat im Jahre 1999 5,25g, im Jahre 2000 190g sichergestellt (Kokain 42kg, Heroin 31 kg, Haschisch 128kg). 11 „ „Das Rauschgift wird von den Dealern in der Regel in kleinen Plomben portioniert im Mund mitgeführt und verkauft. Die kleinen Portionseinheiten werden häufig in doppelte Müllbeutelfolie, die eine Absorbtion verhindern soll, eingepackt und durch Erhitzen luftdicht verschweißt. Bei einer polizeilichen Kontrolle werden die Plomben verschluckt und später vom Körper wieder ausgeschieden“ (BKA 2001a, 11) Seite 34 Die Polizei hat Ende 2000 3747 Drogenabhängige registriert, von denen 1664 von der Droge Crack abhängig waren (336 Frauen, 1328 Männer). 506 der registrierten Personen nahmen ausschließlich Crack ein, wohingegen 1158 Personen als polytoxikoman eingestuft wurden. Inwieweit die Polizei sich auf die Angaben der KonsumentInnen zu ausschließlichem Crack-Konsum und –Abhängigkeit verlässt, oder inwieweit eigene Erkenntnisse zur Einordnung dienen, ist unklar. Auch ist unklar inwieweit die Selbst-Angabe Crack-Abhängig den Festgenommenen in der gegenwärtigen Crack-Diskussion opportun erscheinen. Im Vergleich zu 1999 (Daten v. 4.1.2000) ist im Jahre 2000 die Zahl derjenigen, die die Polizei in der Drogen-Abhängigen Datei als Crackkonsumenten erfasst hat, von 1164 auf 1664 gestiegen, die Zahl der ausschließlichen Crack-KonsumentInnen von 379 auf 506, die der Polytoxikomanen von 785 auf 1158. Im Jahre 1999 hat die Polizei Frankfurt (Rauschgiftkommissariat K65; D-ZKB) 319 Fälle von CrackKonsumentInnen ermittelt (davon 134 ausschließlich Crack, 185 polytoxikoman), d.h. im Jahre 1998 waren der Polizei 803 Crack-KonsumentInnen bekannt, davon 286 ausschließliche Crack-KonsumentInnen. Das Landeskriminalamt Hessen hat in einer im Jahr 2000 durchgeführten Sonderauswertung in insgesamt 1.238 Fällen Crack sichergestellt (eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 233%). Der größte Anteil entfiel auf die KonsumentInnen, Handel und Schmuggel stellen nur ein Fünftel der Crack-Delikte. Im Jahre 1999 wurden unter den erstmalig auffällig gewordenen Drogenabhängigen (insgesamt 616 Personen) 134 im Zusammenhang mit der Droge Crack festgenommen. Insgesamt waren im Jahr 1999 3205 Drogenabhängige polizeilich registriert, von denen die Mehrzahl als polytoxikoman eingestuft wurde (1559) vor Heroinabhängig (738), vor Kokain mit (401) und 379 als ausschließliche Crack-Konsumenten. Inwieweit diese polizeilich vorgenommene Differenzierung der Drogenpräferenz trennscharf ist, oder überhaupt sein kann, ist unklar. Die Nationalitäten dieser 506 ausschließlichen Crack-KonsumentInnen zeigt, dass der überwiegende Teil aus Deutschland stammt (272) und einige der ausschließlich Crack-Konsumierenden aus nordafrikanischen Ländern wie Algerien, Marokko stammt. Inwieweit hier eine Verbindung zu ehemaligen Händlern gesehen werden kann, ist nicht klar. Der Altersdurchschnitt der Crack-Delinquenten entspricht in etwa de Altersstruktur beim Kokain, wobei deutlich wird, dass sich in der Altersgruppe von 30-35, also vermutlich langjährige DrogenkonsumentInnen die Zahl der Crack-KonsumentInnen deutlich häuft. 3.1.3. Zusammenfassung Aus beiden Städten wird berichtet, daß Crack-Konsum bei den Angehörigen der (offenen) Drogenszenen seit Mitte der 90er Jahre aufgetreten ist und inzwischen weit verbreitet und verankert ist. Zahlen aus dem Hilfebereich sprechen von einer Zahl Seite 35 von etwa 700-1200 KokainraucherInnen jeweils in Hamburg und Frankfurt12. Von einigen Jugend- und MigrantInnengruppen abgesehen, handelt es sich dabei größtenteils um den Beratungs- und Behandlungsstellen, und auch der Polizei bekannten Personen. Crack-Konsum ist dabei Teil eines polyvalenten Drogenkonsummusters. Ausschließliche Crack-KonsumentInnen scheint es nur in sehr geringer Zahl zu geben. Zu fragen ist, ob dies nicht auch ein Übergangsstadium bedeutet in Richtung Mischdrogengebrauch. Die gesundheitlichen und sozialen Verelendung wird von allen Befragten bestätigt. Beschaffungskriminalität und – prostitution bilden zusätzliche Risiken für die KonsumentInnen. Der Anteil von Substituierten an den befragten Crack-KonsumentInnen ist in beiden Städten sehr hoch. Motive der Substituierten könnten in der Bekämpfung der Langeweile und der Suche nach Antriebssteigerung liegen. Risikogruppen bilden zudem noch jugendliche Gruppen, MigrantInnen und Angehörige der Stricher- bzw. Prostituiertenszenen. Sie unterschätzen oftmals die Wirkungen und Dynamiken von Crack und scheinen Kontrollvorstellungen zu hegen im Rahmen jugendlichen „Unverletzlichkeitsdenkens“. Steuerungsgremien haben in beiden Städten versucht, adäquate Hilfeangebote auf diese Herausforderung zu finden, wobei die „Montagsrunde“ in Frankfurt eine längere Tradition in der kommunalen Kommunikation über lokale Drogenprobleme aufweist. Unklar ist, wie die weitere Dynamik des Crack-Konsums eingeschätzt werden muß: Ist ein „Sättigungsgrad“ erreicht, oder besteht die Gefahr einer Vergrößerung der Zahl der KonsumentInnen? Laut Aussagen der Polizei, der MitarbeiterInnen der Administration der Suchtkrankenhilfe und der Hilfeeinrichtungen spricht für die letztere Annahme die Entwicklung der letzten 12-18 Monate. Die (niedrigschwellig organisierte Drogenhilfe wird mit dem Crack – Konsum und seinen sozialen, gesundheitlichen und juristischen Folgen für die KonsumentInnen unmittelbar konfrontiert, während die Zahl der hilfe- und therapiesuchenden KonsumentInnen weiterführenden Hilfeangebote noch nicht sehr groß ist. Insbesondere in Konsumräumen, Kontaktläden, Übernachtungsstellen wird die drogenbezogene Verhaltensproblematik der KonsumentInnen deutlich und stellt die Grundlagen der Arbeit in Frage. Die MitarbeiterInnen nehmen in hohem Maße ordnungspolitische Aufgaben wahr. Hilfeangebote als Reaktion haben sich in beiden Städten gebildet, wobei die „nachlaufende Sozialarbeit“, die vor allem in Frankfurt interdisziplinär und institutionenübergreifend organisiert ist, verspricht, durch persönliche, verbindliche und kompetente Beziehungen zu den KonsumentInnen tragfähige Hilfegrundlagen herzustellen. 12 Die Polizei in Hamburg spricht von 2/3 der offenen Drogenszene, die Crack-RaucherInnen sind, möglicherweise deckt sich diese Schätzung mit der o..g. absoluten Zahl. Die Hamburger Polizei ermittelte im Jahre 2000 1322 Fälle im Zusammenhang mit Crack. In Frankfurt geht die Polizei von ca. 500 ausschließlichen Crack-KonsumentInnen aus (Crack-KonsumentInnen insgesamt ca. 1600). Seite 36 Synopse der empirischen Studien zum Thema Crack (Tabelle 4) Studie N K.Thane, 64 G. Thiel P. Degwitz, 616 U. Vertheim Zeit 1999 Ort Methode Fragebogen, Hamburg anonym und unentgeltlich Hamburg Standardisierter Fragebogen Stichprobe Häufigkeit/ Einheiten Konsummuster 63% Männer 37% Frauen Tägl.: 45% Alle 2-3 Tage:18% Einmal pro Woche: 15% Seltener: 22% Tägl. Raucher konsumierten im Mittel fast 19 Pfeifen (Median= 15), diejenigen mit seltenerem Konsum im Mittel etwas mehr als vier Konsumeinheiten 8% rauchen ausschließlich Crack, 83% konsumierten zusätzlich Kokain, 75% Heroin 21% 32,5 Jahre Frauen (plus minus 7) 79% Männer Diejenigen, die Crack konsumieren haben durchschnittlich 7,1 Konsumeinheiten, etwa die Hälfte der Konsumenten weist bis zu 4 Einheiten pro Tag auf, 32% konsumieren 10mal oder häufiger am Tag Reiner Crackkonsum: 9%. Es dominiert die Kombination mit Heroin Alter Das mittlere Crackkonsumenten Alter der Mänim Umfeld szenener betrug naher Drogeneinrich- 31,8 Jahre, tungen das der Frauen 29 Jahre Drei Konsumräume und Umfeld Seite 1 Geschlecht I. Vogt, M. Schmid, M. Roth Crackkonsumenten in Studie 1 59 10.98Frankfurt Fragebogen, freiwillig verschiedenen 04.99 und anonym niedrigschwelligen Einrichtungen Studie 2 Studie 3 312 2.160 11.97Fragebogen, freiwillig Frankfurt und anonym 11.98 01.99Frankfurt 12.99 Standardisierte Daten-Dokumentation, erweiterte Version des EBISFragebogens, nach Gesprächen in der Einrichtung wurde die Dokumentation von MitarbeiterInnen mit dem KlientInnen ausgefüllt. Die Dokumentation fand in jedem Fall statt NutzerInnen von Tagesbetten in einer Einrichtung der Aids.Hilfe Klientel von 27 ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen des Trägers „Jugendberatung und Jugendhilfe e.V.“. Ausgewählt wurden nur die Daten von Personen, die Crack, Kokain oder Opiate konsumierten 90% rauchen mindestens einbis zweimal täglich Crack. Ca. ein Viertel dieser Gruppe raucht Crack öfter als fünf Mal am Tag. Durchschnitts alter der Frauen: knapp unter 30, der Männer knapp über 30 Für 10% der Befragten war Crack ihre erste „harte“ Droge Durchschnitts alter der Frauen: knapp unter 30, der Männer knapp über 30 Durchschnitts alter der Frauen: knapp unter 30, der Männer knapp über 30 Seite 2 Der Anteil der Frauen liegt unter 25% Es dominieren polyvalente Konsummuster Seite 3 3.2 Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und Bundesländern Wie sieht die Crack-Verbreitung in anderen deutschen Städten aus? Um diese Frage beantworten zu können, ist eine Befragung bei Drogenbeauftragten und Kontaktpersonen durchgeführt worden. Die nachfolgende Tabelle faßt die Ergebnisse zusammen: Seite 1 Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und Bundesländern (Tabelle 5) Bundesland Ergebnisse Quelle „Crack-Konsum kein Problem im Saarland“ Umfrage unter allen saarländischen Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe Britta Blau, Sozialministerium in Saarbrücken nicht auffällig geworden Drogenhilfe-Zentrum (DHZ) Lothar Schmidt Herr Schiemann INDRO Wolfgang Schneider Saarland VERWEIS AN GINKO NRW Kontaktperson Kein Crackkonsum bekannt Gerda Marx-Manske Verweis an Beratungsstellen Bremen SchleswigHolstein Hamburg kein relevanter Crackkonsum in Essen Crackkonsum wird nur selten und fast ausschließlich als Beikonsum beobachtet. Im Land Bremen (Städte Bremen und Bremerhaven) wurden 1999 keine und im Jahre 2000 vier Delikte im Zusammenhang mit dem Besitz und Handel mit Crack polizeilich erfasst. Zur Zeit läuft anläßlich der Anfrage des LKAs eine Umfrage bei den Einrichtungen der ambulanten Suchtkrankenhilfe Schleswig-Holsteins. Aus den bereits vorliegenden Antworten kann man schließen, daß der Konsum von Crack in allen Landesteilen Schleswig-Holsteins nur vereinzelt auftritt. Die Versorgung erfolgt in der Regel über Hamburg. siehe Kapitel 3.1.1. Krisenhilfe Essen M. Mombeck Drogenbeauftragter der Freien Hansestadt Bremen Anton Bartling Ilka Dettbarn, Umfrage des LKAs bei den Ein- Ministerium für Arbeit, richtungen der Suchtkrankenhilfe Gesundheit und Schleswig-Holsteins Soziales des Landes Schleswig-Holstein Bundesland Niedersachsen Hessen Rheinland-Pfalz BadenWürttemberg Bayern Ergebnisse In der Landeshauptstadt Hannover hat sich die Konsumform des Rauchens von Crack und Freebase inzwischen etabliert Quelle Kontaktperson Café Connection-Umfrage unter NutzerInnen des Kontaktcafés (1999) Alfred Lessing für Stadt Hannover Die Kommission Organisierte Kriminalität (KOK) des Bundeskriminalamtes hat die Landeskriminalämter gebeten über die Drogenbeauftragten der Länder eine Abfrage zur CrackProblematik durchzuführen. Zur Zeit läuft eine Umfrage bei den Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe in RheinlandPfalz Ingo Brennberger, Ministerium für Kultur, Jugend, Familie und Frauen. siehe Kapitel 3.1.2. Ergebnisse liegen bis Anfang April 2001 vor 1. Ergebnisse liegen bis ca. 10.03.01 vor 2. Fü Ba-Wü nur verschwindend kleiner Personenkreis konsumiert Crack. Aus Mannheim wird berichtet, dass die Klienten wg. Crack nach Frankfurt fahren (19.2.2001). Vereinzelte Apotheker-Berichte von jungen Leuten, die in Nachtapotheken Substanzen zur Crack-Herstellung kaufen. Ansonsten nichts bekannt. In Einrichtungen sind nur vereinzelte Klienten zu beobachten, die Erfahrungen mit Kokain und Crack haben (19.2.01) 1. Befragung über die Verbände der freien Wohlfahrtspflege im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg Umfrage des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz im Auftrag des Landeskriminalamts 1.Eva Weiser (Landesstelle gegen die Suchtgefahren) 2. Dr. Siefert (Sozialmin. Ba.-Wü.) Jan Peter Jaedicke (bas-München) Dr. Baumann, Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz Bundesland Sachsen Ergebnisse Verweis an die Suchtbeauftragten der Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig sowie an das Giftinformationszentrum in Erfurt „Lediglich eine Beratungsstelle (Halle) berichtet von Klienten, deren Bekannten gelegentlich Crack konsumieren“ Befragung der Suchtberatungsstellen in Sachsen-Anhalt September 2000 es liegen keine Daten vor zu Konsummustern, Risiken und Hilfeangeboten. In den letzten Studien wurde Crack-Konsum nicht speziell beleuchtet. Suchtberatungsstellen und Kliniken des Landes, die mit Drogenabhängigen zu tun haben sagen übereinstimmend aus, dass Crack-Konsum im Land noch keine Rolle spielt. Keine Hinweise auf Crack-Konsum. Jahresbilanz 1999 d. Sen.verwaltung f. Schule, Jugend und Sport eht zwar davon aus, dass 70% d. Abhängigen mehr als 5 Drogenkonsumieren, aber keine Hinweise auf Crack-Konsum. Verweis an KOKON Verweis an Prof. Heckmann, Flossmann, Zollweg und Just Sachsen-Anhalt MecklenburgVorpommern Berlin Quelle Landesstelle gegen die Suchtgefahren MecklenburgVorpommern - Geschäftsstelle Kontaktperson Dr. Böttger, Sächsisches Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie Helga Meeßen-Hühne (LS-SA) Dr. Willer Ministerium f. Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales Claudia Diekneite Slopianka-Pöhlmann (Landesstelle gegen die Suchtgefahren) Thüringen Brandenburg „Keine Erkenntnisse zu einem gehäuften Aufkommen von Crackkonsumenten“ (6.3.2001) Claus Niekrentz (BLS) 3.2.1. Zusammenfassung Es zeigt sich, dass außerhalb der Metropolen Hamburg und Frankfurt CrackKonsumentInnen nur noch in geringerem Maße in Hannover und in den übrigen Fällen in Einzelfällen den Drogen- und Therapiezentren bekannt geworden sind. Einerseits haben Rückmeldungen aus den an Frankfurt und Hamburg grenzenden Bundesländern bzw. Städte ergeben, dass die Großstädten für die Versorgung Einzelner genutzt werden. D.h. dass auch in den kleineren Städten und auch auf dem Lande Crack-Konsum zwar nur in Einzelfällen, aber immerhin doch bekannt geworden ist. So ergibt etwa eine Befragung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein (2001), „...dass in Schleswig-Holstein nur in Einzelfällen Crack konsumiert wird. Crackhandel findet nach Aussagen von Klienten nur in eingeschränkter Form in Kiel, Schleswig und im Kreis Ostholstein statt. Die Konsumenten versorgen sich hauptsächlich in Hamburg“. Für BadenWürttemberg (Mannheim) wurden ähnliche Beobachtungen gemacht (s. Tabelle oben). Diese Sogwirkung der Metropolen ist wahrscheinlich zu verstehen im Rahmen allgemeiner Drogenbeschaffung, aber sie kann auch bedeuten, dass ‚neue’ Drogen und Konsummuster Verbreitung im Umland erfahren. Andererseits gibt es angesichts der Tatsache, dass Crack seit mehreren Jahren in Hamburg und Frankfurt verbreitet ist, wenig Hinweise auf eine stetige oder gar sprunghafte Zunahme des Crack-Konsums in den benachbarten Städten und Ländern. Für Rheinland-Pfalz etwa wird berichtet, dass Drogenberatungsstellen zwar vereinzelt über Crack-Konsum berichten, dass aber nach wie vor Crack kein dominierendes Thema darstellt. So ist es etwa trotz der räumlichen Nähe zu Frankfurt in den Städten Mainz oder Wiesbaden dort nicht zu ähnlichen Entwicklungen im Crack-Konsum gekommen, sondern bei vereinzelten Berichten geblieben (Collet 2001). Auch in Bayern wurde in Einzelfällen ein Vorkommen von Kokain-/Crack-Konsum beobachtet, wobei allerdings zwischen i.v. und rauchbaren Kokainkonsumformen nicht unterschieden wurde in einem Konflikt um den Kontaktladen des Drogenhilfeträgers MUDRA, Nürnberg, MUDRA: Für 14 Tage wurde der offene Bereich eines Kontaktladens geschlossen mit dem Verweis, dass die Gewalt unter DrogenkonsumentInnen zunimmt und das Hilfeangebot massiv beeinträchtigt. Die Gewalt unter DrogenkonsumentInnen wurde in Zusammenhang gesehen mit polizeilichen Aktivitäten einer Szeneräumung und zunehmenden Kokain- und auch Crack-Konsum. Russlanddeutsche sind massiv in der Drogenszene (auch hoher Anteil an der Zahl der Drogentoten) und auch im Drogenhandel repräsentiert. Auf jeden Fall scheint es keine lineare Entwicklung zu geben, die etwa „wellenartig“ wie oft von den Massenmedien berichtet, das gesamt Land erfasst. Auch nach mehrjähriger Präsenz dieses Phänomens hat es nicht d e n Problemcharakter auf Bundesebene erhalten. Dies wird auch bestätigt über die Antwort von Bundeseinrichtungen und Fachverbänden zu unserer schriftlichen Anfrage (z.B. Fachverband Drogen und Rauschmittel e.V. 2001; akzept e.V. 2001; BzgA 2001). Über die weitere Entwicklung in den einzelnen Ländern wird ggf. eine Umfrage von der „Kommission Organisierte Kriminalität (KOK)“ des Bundeskriminalamtes über die Landeskriminalämter und die Drogenbeauftragten der Länder über die CrackProblematik Auskunft geben. Seite 5 3.3. Ergebnisse zur Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum Crackkonsum in großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik Deutschland: Im folgenden (Tabelle 6) werden die Ergebnisse Umfrage der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom August 1999 und der erneuten Umfrage durch uns im März 2001 (die zusätzlichen Ergebnisse der 2. Umfrage sind jeweils kursiv markiert) referiert: Folgende Fragen zum genannten Thema wurden gestellt: 1. Ist Ihnen in Ihrer Einrichtung ein Trend aufgefallen, dass zunehmend Crack konsumiert wird? 2. Wenn ja, seit wann gibt es diesen Trend? 3. Können Sie sagen, um wieviel Personen es sich handelt und welcher Prozentanteil ist das bezogen auf die Gesamtzahl der KlientInnen in der Einrichtung? 4. Gibt es bei diesen Personen besondere Auffälligkeiten im Konsum- und Sozialverhalten? 5. Welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen beobachten Sie? 6. Gibt es bereit spezifische Maßnahmen im Umgang mit diesen KlientInnen? 7. Was sollte Ihrer Meinung nach geschehen im Rahmen von Aufklärung, Beratung und Behandlung bezogen auf diese Problematik? Seite 6 Ergebnisse der Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum Crack-Konsum in großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik Deutschland (Tabelle 6): Berlin Einrichtung KOKON, Berlin BOA e.V., Berlin (Prenzlauer Berg u. Tiergarten) BOA e.V. Marzahn 1. Trend Ja/ Nein Ja Nein Nein 2. Seit wann? 1991 3. Wieviel Personen/ %-Anteil Vorgespräche: 29,5%, Therapie: 35,5% 4. Auffälligkeiten im Konsum-/Sozialverhalten 5. Gesundheitliche Beeinträchtigungen Coke-Run, aktives an Gesellschaft orientiertes Verhalten, keine "Verweigerer" Zappeligkeit und unter besonderem Stress stehend Personen neigen zu extremen Konsumformen. Dies führt i.d.R. auch zu dissozialen Verhalten. 5% 2-5%, das entspricht einer totalen Zahl von Gesundheitliche ca. 5-12 Beeinträchtigungen: schwere psychische Störungen, wie Verfolgungswahn (Gerücht: In Hellersdf. soll Crack konsumiert werden) 6. Spezifische Massnahmen zum Umgang eigenes spezifisches Kokainprogramm Beratungssettings angemessen gestalten Wegen der geringen Zahl der Personen nicht nötig. Kokon befaßt sich mit diesem Klientel. 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. drogenspezifische Interventionsformen Förderung v. Know-How bzgl. der Stoffkunde, Safer use bei involvierten Hilfesystemen, Sprechen über Konsumverhalten und -formen im Beratungskontext Therapieeinrichtungen, die sich ausschließlich mit Kokainabhängigen befassen. sekundärpräventive Aufklärung SKA Dresdenerstraße Nein Stadt Einrichtung 1. Trend Ja/ Nein 2. Seit wann? 3. Wieviel Personen/ %-Anteil 4. Auffälligkeiten im Konsum-/Sozialverhalten 5. Gesundheitliche Beeinträchtigungen 6. Spezifische Massnahmen zum Umgang 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. 6. Spezifische Massnahmen zum Umgang 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. Crack als Hauptdroge unter 10% Drogennotdienst Nein Ansbacher Straße Hamburg Einrichtung 1. Trend Ja/ Nein 2. Seit wann? 3. Wieviel Personen/ %-Anteil bis zu 50% 1,5 Jahren Freiraum Hamburg e.V. Ja seit ca. 3 Jahren. das entspricht bis zu 150 Personen. Meist handelt es sich um Personen mit polyvalentem Drogenkonsum. 4. Auffälligkeiten im Konsum-/Sozialverhalten 5. Gesundheitliche Beeinträchtigungen Verhalten gekennzeichnet von Hektik, Agression, Paranoia, psychotische Zustände, Innerer Unruhe Gesundheitliche Beeinträchtigungen: schnelle körperliche Verelendung, Austrocknung, Herz- KreislaufBeschwerden, Hyperaktiv, leicht reizbar, z.T. paranoid und psychotisch. Settings mit beruhigender Wirkung (Raumgestaltung), Schu- Schulungen, Gestaltung der lungen der Mitar- Einrichtungen, Therapie und beiterInnen Akupunkturbehandlung Durch Fortbildun- Mögliche Konzepte werden gen wird verderzeit in Hamburg diskutiert. sucht sich auf die neuen Problematiken einzu- stellen. Stay Alive St. Pauli Nein (aber November Freebas `98 e) Therapie- hilfe Ja e.V. Bokholt 1 Jahr Hinweise auf Risiken der Konsumform 5 Personen, die reizbar, aggressiv, sprunghaft, Akupunkturschwer in der Entgiftung zu meisten kom. behandlung nicht in d. Entzug halten 80-100 Personen, 10-15% der offenen Szene Hamburg (Bahnhof, St. Georg) Projekt Laufwerk, Sozialarbeit in Ja offenen Szenen Winterhalbjahr 1997/98 Safer-Use- Broschüre zu Kokainderivaten Schätzungsweise 70-80% der KlientInnen in der offenen Szene konsumieren Crack in unterschiedlichem Maße. Als Primärdroge wird Crack von 1015% konsumiert. Dauerkonsum, -handel, gekennzeichnet durch Verelendung, Unruhe, Perspektivlosigkeit. Depressive Verstimmungen, extreme Hektik, aggressive Stimmung. Die meisten KlientInnen konsumieren Heroin zum „Runterkommen“. Kaum Hilfsmöglichkeiten für MigrantInnen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen: starke Verelendung, desolater körperlicher Allgemeinzustand, z.T. spastische Bewegungen bei dauerhaftem Konsum, Hautprobleme, Atemwegsbeschwerden und Depressionen. schwellenloser Einstieg in den Ausstieg über Vorleistung durch Sozialhilfeträger, Streetwork, Begleitung zu Übernachtungsstellen, um die Ämtern, RechtsLeute überhaupt zu erreichen) anwälten, um P. drogenhilfefähig Verbesserte und ausgeweitete zu machen, VerPräventionsarbeit in Schulen und mittlung an nieJugendeinrichtungen. Beratungsdrigschwellige stellen müßten ihre Arbeit noch Einrichtungen vor mehr auf die steigende ProbleOrt (Grundvermatik des Crackkonsums aussorgung) richten. Dies könnte z.B. durch vermehrte aufsuchende und Aufsuchende nachgehende Arbeit als integraSozialarbeit, ler Bestandteil der BeratungsAkupunktur stellen umgesetzt werden, um die Anbindung zu erleichtern und damit die Haltequote zu verbes- sern. Haus-, Knast- und Krankenhausbesuche, Zuwendungsfinanzierte Akupunktur, Ruheraumangebote und Tagesschlafstellen. Eine Clearingstelle der Behörden, Ämter, Kostenträger, um gezielter und schneller einen Zugang in weiterführende Maßnahmen zu ermöglichen. Spezialisiertere Therapien für Kokain(-derivat)-User. Schneller Zugang zur Substitution, Entgiftung sofort. Stadt Einrichtung DROB INN (Zusammenfassung v. 5 niedrigschwelligen Einrichtg.) 1. Trend Ja/ Nein Ja 2. Seit wann? seit 1996/7 4. Auffälligkeiten im 6. Spezifische Konsum-/Sozialverhalten Massnahmen 5. Gesundheitliche zum Umgang Beeinträchtigungen Konsumart verschieden bis zu Dauerkonsum, meist Freebase, körperliche Beschwerden (Kopfschmerzen), Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Aggressivität, extreme haben keine 80% d. KlientIn- Ruhelosigkeit nen konsumieren spezifischen Gesundheitliche (auch) Crack Maßnahmen Beeinträchtigungen: Herzerkrankungen, Infektionen der Atemwege, Kachexie, Dehydration, Zahnschäden, Krampfanfälle, Parasitenbefall durch allgem. Verelendung, 3. Wieviel Personen/ %-Anteil 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. leicht zugängliche und enorm niedrigschwellige Hilfen, Tagesschlafplätze, geschützte und offene Konsummöglichkeiten, umfassende Aufklärung auch der Drogenhilfe über Konsum und Folgen. Psychosen. Verwirrtheit und Desorientierung IHHD Selbsthilfe Nein Frankfurt/M. Einrichtung Institutionsambulanz der Malteser Werke GmbH Integrative Drogenhilfe e.V. Druckraum Niddastr. 1. Trend Ja/ Nein Ja Ja (Streetwork) 2. Seit wann? 3. Wieviel Personen/ %-Anteil 3 Jahren 30% v. 50 P. seit 1996/97 mindestens 70% des harten Kerns des Klientels konsumiert Crack zusätzlich zu 4. Auffälligkeiten im Konsum-/Sozialverhalten 5. Gesundheitliche Beeinträchtigungen Verhalten gekennzeichnet von Aggression und Gewalt, psychiatrische Krankheitsbilder, Abnahme Compliance Aggressivität, Hektik, Realitätsbezug geht verloren, Konsum bis zum Zusammenbruch, Persönlichkeitsveränderungen. Zunehmende Verelendungstendenzen, Aggres- 6. Spezifische Massnahmen zum Umgang Talk down, Akupunkturbehandlung 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. Infos/ Arbeitsweise Sozialintegration Verelendeter, Heroinvergabeprogramm, Weg Safer-Use-Tipps, von der stoffspezifischen Diskussion, da es hierfür keine Gespräche brauchbaren Konzepte gibt und geben wird. den sonstigen Substanzen Stadt Einrichtung AIDS-Hilfe Frankfurt e.V. 1. Trend Ja/ Nein Ja Kommunale Kinder-, Jugend Ja und Familienhilfe WALK MAN 2. Seit wann? 3. Wieviel Personen/ %-Anteil sion und Gewaltbereitschaft, Auffälligkeiten wie Wahn-, Angst-, Zwangsvorstellungen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen: Psychotische Zustände, körperliche Verwahrlosung durch Selbstverwahrlosung, körperliche Zusammenbrüche durch massiven Schlafentzug 4. Auffälligkeiten im Konsum-/Sozialverhalten 5. Gesundheitliche Beeinträchtigungen 6. Spezifische Massnahmen zum Umgang 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. seit 1997 "CrackStreet-Projekt", Time Out-Versuche, Einzelfallhilfe Integration in Hilfesystem, Akupunkturbehandlung, medikamentöse Behandlung, Time OutCenter Krisenbetten, niedrigschwellige Substitution, Entzug sofort seit 1993 ein Drittel vereinzelt, von 100 seit 1995 Personen auffällig stark agitierend, laut, hektisch, gewaltbereit und gewalttätig, Konsum bis zur Ermattung seit 1992 vereinzelt, ca. 100% v seit 1996 50 P. massiv Beginn zum großen Teil mit Crack/ Freebase, dazu dann Schlaf-/Schmerzdirekter persöntabletten o. Heroin, bzw. licher Zugang, polytoxikomaner Gebrauch Einzelfallhilfe aller verfügbaren Drogen (je nach finanziellen Möglichkeiten) Verbesserte Zusammenarbeit der Instanzen der Jugendarbeit, da soziales Problem (ASD) Drogennotdienst Elbestraße Ja gut einem Jahr Öffentlicher Konsum, da keine Räume vorhanden, intensiver Kleinhandel auf der Straße Stadt Einrichtung Drogenhilfezentrum Bleichstraße 1. Trend Ja/ Nein Ja 2. Seit wann? 90-er Jahre Substitutio nsbeigebrau ch, zunächst intravenös , seit 1997 und verstärkt seit 1998 Crack 3. Wieviel Personen/ %-Anteil 4. Auffälligkeiten im Konsum-/Sozialverhalten 5. Gesundheitliche Beeinträchtigungen Schneller, massiver Kontrollverlust, 30 v. 55 P. Verschlechterung des (Substituiergesundh. Und sozialen te i.v. Kokain Status, Unruhe, Agitiertheit o. Crack) 25 bis Agressivität, ausschließFernbelieben bei lich Crack Methadonvergabe bzw. gänzl. Kontaktabbruch 6. Spezifische Massnahmen zum Umgang 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. Time Out (durch stationäre Entgiftung, medikamentunter stütztes ambulantes Behandlungsprogramm), OhrAkupunkturbeha ndlg. Info und Aufklärung der offenkundig verharmlosenden Mythen, Qualifizierung der Mitarbeiter spezifisch zu Kokain/ Crack, Entwicklung medikamentund akupunkturgestützter Behandlungsangebote für primär Kokain/ Crack-Abhängige, Anpassung stationärer Entzugsmöglichkeiten, kurzfristige Aufnahme in stationäre Entgiftungen ermöglichen Sonstige Städte Stadt Einrichtung 1. Trend Ja/ Nein Ja Hannover Münster INDRO e.V. Nein, kein Crackkonsu m bekannt, wenn, nur untergeordnete Rolle Bonn- Drogenund AIDSSelbsthilfe Bonn Nein 13 4. Auffälligkeiten im 2. Seit Konsum-/Sozialverhalten 5. Gesundheitliche wann? Beeinträchtigungen Alltagsmanagement ist schlechter geworden, Ängste, Aggressionen, Inzwischen Gewichtsverlust, 1997/98 etabliert in der Zahnausfall, Drogenszene Verfolgungswahn, Größenwahn gepaart mit depressiven Schüben13 3. Wieviel Personen/ %-Anteil Nein Jahresbericht 2000, step Hannover, S. 4ff über niedrigschwellige Arbeitsfelder 6. Spezifische Massnahmen zum Umgang 7. Vorschläge zur Aufklärung/Behandlung. „Nadeln gegen Nadeln“ – AkupunkturAngebot in der Drobs seit September 1999 3x wöchentl. Safer-Use-Flyer zum Thema "Kokain" ansonsten kein konreter Handlungsbedarf Bremen- Amt für soziale Dienste Drogenberatung Nein Nein (Frankfurter Crack-Projekt ist bekannt) EssenNein Krisenhilfe e.V. Drogen-beratung München - L 43 Drogennotdienst Nein (kein Thema) Leipzig - Suchtzentrum Leipzig Nein Nürnberg - Mudra z.T. zuneh(Altern. Jugendmend in und Drogenhilfe Privatszene e.V.) Erstellung von substanzspezifischen Aufklärungsmaterialien bereits erfolgt Völklingen – Psychosoz. BeraNein tungsstelle für junge Menschen Saarbrücken – Psychosoz. BeraNein tungsstelle für junge Menschen Crack ist Teil eines polytoxikomanen Konsummusters, deshalb gleiche Maßnahmen wie bei anderen Saarbrücken – Aktionsgemeinschaft Drogenberatung e.V. (Tabelle 5) Nein (im Trend liegen Designerdrogen) 3.4 Entwicklung des Kokain- und Crackkonsums in Deutschland und Europa Sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene wird seit Beginn der 80er Jahre auf einen ansteigenden Kokainkonsum hingewiesen. In den USA ist eine enormer Anstieg von Kokainkonsum seit Mitte der 80er Jahre zu verzeichnen. Krausz (2001) weist auf die Zahl von 0,7% der Bevölkerung über 12 Jahre in den USA hin, die aktuelle KokainkonsumentInnen sind. Krausz zitiert eine NIDA-Veröffentlichung des Jahres 1997 wonach eine Jahresprävalenz in den USA (Konsum in den letzten 12 Monaten) von 1% bei den Männern und 0,4% bei den Frauen ermittelt wurde. Die Lebenszeitprävalenz beträgt in den USA 20%. Mit einem hohen Kokainkonsum sind auch eine hohe Zahl von Drogennotfällen verbunden. Die Verschiebung vom Heroin- zum rauchbaren Kokainkonsum hat sich in den Vereinigten Staaten zehn Jahre früher abgespielt. Der Höhepunkt des CrackKonsum lag dort Mitte der 80er Jahre. Es wird berichtet, daß der Konsum in einigen Großstädten abnehmend ist und daß Heroin als präferierte Droge wieder zurück gekehrt ist (Boekhout van Solinge 2001, 95). Eine Begründung kann die Tatsache sein, daß der Gebrauch von rauchbarem Kokain so erschöpfend, ruinös ist, daß er nicht längere Jahre in der gleichen Intensität betrieben werden kann, ohne sedierenden Substanzkonsum. Für Europa weist der Jahresbericht der EMCDDA (2000) auf eine steigende Prävalenz in den EU-Mitgliedsstaaten hin. Der Konsum von Kokain steigt unter gesellschaftlich aktiven Gruppen und breitet sich zunehmend über größere Schichten der EU aus. EU-weit haben etwa 1-6% der 16-34 Jährigen und 1-2% der SchülerInnen mindestens einmal Kokain probiert. Die Europäische Kommission hat den Anstieg zum Anlaß genommen, die EMCDDA zu beauftragen verfügbares Wissen über Kokainkonsum zusammenzutragen und im Herbst 2001 einen Bericht über die Entwicklung des Kokainkonsums in Europa zu veröffentlichen (Carpentier 2001). Aus den Niederlanden wird berichtet, daß Freebase/Crack aus einigen Drogenszenen schon seit Jahren nicht mehr wegzudenken ist. Gleichwohl gibt es Signale aus der Praxis, daß Heroin (sogar in spritzbarer Form, siehe Boekhout van Solinge 2001, 95) auch in Holland wieder zurückkommt. Doch rauchbares Kokain wird das beherrschende Thema für die Suchtkrankenhilfe in den Niederlanden für die nächsten Jahre bleiben. Über einen längeren Zeitraum betrachtet scheint es wellenartige Bewegungen in den präferierten Drogen zu geben - dies aus vielfältigen Gründen. Ein wesentlicher Faktor ist vor allem der Zeitgeist, die Angemessenheit einer Droge mit dem gesellschaftlichen mainstream. Über die aktuelle Verbreitung von Kokain und Crack in Deutschland können die Daten der ambulanten und stationären Suchtkrankenhilfe geben, sowie die vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studie zum „Konsum psychoaktiver Substanzen in der erwachsenen Bevölkerung von 18-59 Jahren“ mit Datenerhebungen aus dem Jahr 2000 Auskunft geben: Seite 19 3.4.1. Kokain-/CrackkonsumentInnen in Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe ambulanten und stationären Tossmann u.a. (2000) weisen darauf hin, dass trotz der steigenden Verbreitung von Kokain seit den 90er Jahren und auch von Crack-Konsum in Deutschland nur ein relativ geringer Teil von KokainkonsumentInnen die klassischen Beratungs- und Behandlungsangebote aufsucht (6% der über 2000 Patienten, die im Jahre 1998 eine Suchtbehandlung in einer Drogenfachklinik in Deutschland durchgeführt haben). Auch Kemmesies (2000, 23) stellt für die Hilfeseite fest, dass sich trotz des Anstiegs der polizeilich erhobenen Daten seit etwa 20 Jahren, sich dieser Anstieg nicht auf der Hilfeseite abbildet: „stellt Kokain im Bereich der stationären wie ambulanten Drogenhilfe nur ein marginales Problem dar. Lediglich 1,6% aller Klienten im ambulanten (Simon und Palazzetti 1999a, 23) und 1,3% im stationären Bereich (Simon und Palazzetti 1999b, 74) weisen die Hauptdiagnose Kokain auf. Die Behandlungsstatistiken signalisieren keine Zunahme problematischer Kokaingebrauchsmuster.“ Die aktuellen Daten der Statistik über ambulante Behandlungen allein (EBIS-A, bisher EBIS) und für stationäre Behandlungen (EBIS-S, bisher SEDOS) bestätigen dies für das Jahr 2000 diese Beobachtung (vgl. Welsch 2001). Die aktuellen Zahlen (vgl. Strobl u.a. 2001a) lauten: Ambulante Behandlungen (EBIS-A): - Hauptdiagnose1 Kokain (inkl. Crack...): 935 oder 1,6% der Klienten mit eigener Problematik (812 Männer, 123 Frauen) Einzeldiagnose1 Kokain: 6.427 (5.225 Männer, 1.202 Frauen) Einzeldiagnose Crack: 382 (316 Männer, 66 Frauen) Einzeldiagnose Kokain (inkl. Crack...): schädlicher Gebrauch: 2.057 (1.692 Männer, 457 Frauen), Abhängigkeit: 4.315 (3.506 Männer, 809 Frauen). Zum Zeitpunkt der Endberichterstellung konnte noch nicht exakt beurteilt werden, wie die Entwicklung der Zahlen von 1999 zum Jahr 2000 verlaufen ist. Nach erster Einschätzung scheint im ambulanten Bereich der Anteil der Klienten mit Hauptdiagnose Kokain im Vergleich zu 1999 weitgehend gleich geblieben zu sein. Bei den Einzeldiagnose Kokain (nur Abhängigkeit) scheint es eine leichte Abnahme zu geben. Da sich die Klienten- und Einrichtungszahlen im Vergleich zum Jahr 1999 deutlich verändert haben, werden die genauen Berechnungen noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Das betrifft auch die Veränderungen im stationären Bereich: Auch hier scheint eher eine Abnahme statt gefunden zu haben14. 1 Der Unterschied zwischen Einzel- und Hauptdiagnose liegt darin begründet: Für jede Substanz, die ein Klient konsumiert, wird von der Einrichtung eine entsprechende Diagnose vorgenommen. Da multipler Konsum unter Drogenklienten die Regel ist, ergeben sich für diese dann meist mehrere Einzeldiagnosen (ICD 10, für Kokain/Crack F14). Die therapieleitende Diagnose, z.B. eine Abhängigkeit von Opiaten, wird dann durch den Berater/die Beraterin als Hauptdiagnose gekennzeichnet (vgl. Welsch 2001). 14 Die Tabellenbände von EBIS und SEDOS von 1999 und in Kürze 2000 (Anfang Juli 2001) liegen auch im Internet zum herunterladen (http://www.ebis-ift.de/ebis/download_fr.htm). Der kommentierte Jahresbericht erscheint etwa im August im Rahmen eines Sonderheftes der Zeitschrift „Sucht“ Seite 20 Im Jahre 1998 wurde bundesweit in den Einrichtungen der ambulanten Suchtkrankenhilfe bei 341 bzw. 0,6% der Männer und 69 bzw. 0,3% der Frauen schädlicher Konsum bzw. Abhängigkeit von Crack dokumentiert (vgl. EBIS-Bericht 1998). Stationäre Behandlungen (EBIS-S; vgl. Strobl 2001b): Hauptdiagnose Kokain (incl. Crack...): 72 oder 0,7% der Klienten mit eigener Problematik (69 Männer, 3 Frauen). Einzeldiagnose Kokain: 1.244 (1.027 Männer, 217 Frauen) Einzeldiagnose Crack: 81 (69 Männer, 12 Frauen) Einzeldiagnose Kokain (incl. Crack...) schädlicher Gebrauch: 251 (214 Männer, 37 Frauen), Abhängigkeit: 782 (661 Männer, 121 Frauen). 3.4.2. IFT – Konsum psychoaktiver Bevölkerung von 18-59 Jahren Substanzen in der erwachsenen Um den zunehmenden Crack-Konsum verstehen zu können, scheint es zunächst wichtig, sich die Entwicklung des schnupfbaren oder i.v. konsumierbaren Kokains anzusehen – auch um die Relationen zu verdeutlichen. Das Institut für Therapieforschung (IFT) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit die epidemiologischen Trends im Konsum von psychotropen Substanzen erforscht und festgestellt, dass etwa 2,4% der erwachsenen Bevölkerung Kokain jemals konsumiert haben (0,1% Crack), mit deutlicher Häufung im dritten Lebensjahrzehnt. Die folgende der Lebenszeit-, 12-Monats- und 30-Tage-Prävalenz illegaler Drogen in Westdeutschland ist insbesondere für die Angaben zu Kokain und Crack interessant: Seite 21 Geschlecht Lebenszeit Gesamt 6632 Männer 3026 Frauen 3606 Altersgruppen 18-20 21-24 25-29 30-39 40-49 50-59 303 438 638 1920 1649 1684 Cannabis Amphetamine Ecstasy LSD Heroin Methadon Andere Opiate (z.B. Codein, Opium, Morphium) Kokain Crack 21,4 2,4 1,5 2,0 0,4 0,2 0,8 (1310) (148) (82) (125) (20) (10) (47) 24,8 2,8 1,8 2,6 0,5 0,3 1,1 17,7 2,0 1,1 1,4 0,2 0,1 0,5 38,0 2,4 5,2 2,4 0,4 -1,1 38,1 3,4 5,7 3,6 0,5 0,5 1,0 31,8 2,5 3,2 2,3 0,7 0,5 1,0 24,1 2,5 1,1 2,1 0,5 0,1 1,1 16,9 2,0 0,2 2,2 0,3 0,1 0,8 6,6 1,1 0,1 0,9 -0,1 0,1 2,4 0,1 (144) (6) 3,0 0,2 1,9 -- 2,6 -- 4,8 0,5 4,7 -- 3,5 0,2 1,2 0,1 0,2 -- Andere Drogen als Cannabis Illegale Drogen insgesamt Schnüffelstoffe Pilze 5,2 (319) 6,3 4,1 7,2 11,5 7,6 5,6 4,2 1,9 21,8 0,8 2,0 (1339) (50) (116) 25,4 1,0 2,5 18,1 0,7 1,5 38,0 1,1 3,4 38,3 1,8 7,1 32,5 0,9 2,6 24,5 1,4 2,1 17,5 0,4 1,3 7,0 0,1 0,1 Männer Frauen 12-Monate Gesamt 18-20 21-24 25-29 30-39 40-49 50-59 Cannabis Amphetamine Ecstasy LSD Heroin Methadon Andere Opiate (z.B. Codein, Opium, Morphium) Kokain Crack 6,2 0,6 0,6 0,2 0,1 0,1 0,1 (355) (33) (34) (9) (6) (4) (8) 7,9 0,8 1,0 0,2 0,2 0,1 0,2 4,5 0,4 0,3 0,1 --0,1 25,3 2,1 1,8 1,5 0,4 --- 19,7 3,3 3,7 0,5 0,3 0,3 0,5 11,3 0,7 0,8 0,1 0,5 0,3 0,3 5,5 0,5 0,5 0,1 --0,2 1,5 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,4 ------- 0,9 -- (48) (3) 1,2 0,1 0,5 -- 2,0 -- 2,7 0,2 1,7 -- 1,0 0,1 0,2 0,1 --- Andere Drogen als Cannabis Illegale Drogen insgesamt Schnüffelstoffe Pilze 1,3 (76) 1,8 0,9 3,2 6,5 1,7 1,4 0,2 -- 6,5 0,1 0,5 (367) (3) (28) 8,2 0,1 0,7 4,7 -0,3 25,6 0,4 2,5 20,4 0,3 3,2 11,7 0,2 0,8 5,8 -0,1 1,5 -0,1 0,4 --- Männer Frauen 30-Tage Gesamt 18-20 21-24 25-29 30-39 40-49 50-59 Cannabis Amphetamine Ecstasy LSD Heroin Methadon Andere Opiate (z.B. Codein, Opium, Morphium) Kokain Crack 3,4 0,2 0,3 0,1 0,1 0,1 0,0 (191) (14) (17) (4) (5) (4) (1) 4,8 0,2 0,4 0,1 0,2 0,1 -- 2,0 0,3 0,2 ----- 13,8 1,1 1,6 1,2 ---- 12,8 1,5 1,5 -0,3 0,3 -- 5,5 -0,2 0,1 0,5 0,3 0,1 2,9 0,2 0,3 ----- 0,9 0,1 --0,1 0,1 -- 0,1 ------- 0,3 -- (15) (1) 0,3 -- 0,2 0,0 1,2 -- 0,2 0,2 0,5 -- 0,3 -- 0,1 -- --- Andere Drogen als Cannabis Illegale Drogen insgesamt Schnüffelstoffe Pilze 0,6 (35) 0,7 0,5 1,8 2,4 0,9 0,6 0,2 -- 3,6 -0,1 (201) (0) (6) 4,9 -0,2 2,2 -0,1 13,8 -1,2 13,9 -0,2 5,7 -0,1 3,0 -0,1 1,0 --- 0,1 --- (Quelle IFT 2001) Die letzten Daten aus der letzten Repräsentativerhebung aus dem Jahre 1997 gaben an, dass zwischen 0,8 und 1,2 % im letzten Jahr vor der Befragung Kokain jemals Seite 22 konsumiert haben (etwa 300.000 bis 350.000). Von diesen sind etwa 8% regelmäßige und häufige Kokainkonsumenten (darunter dreimal bis viermal so viele Männer wie Frauen). Dies ist allerdings mit einer hohen Dunkelziffer belegt. Aus regionalen epidemiologischen Studien, etwa aus Bremen, wissen wir, dass dort die aktuelle Kokainkonsumprävalenz bei bekannten Drogenkonsumenten bei rund 1,7 % liegt, die von Crack bei 0,05 %. Es gibt allerdings eine steigende Zahl von Kokainkonsumenten, die wegen sozialer und psychischer Probleme durch den regelmäßigen und häufigen Kokainkonsum nach Beratung und Hilfe nachsuchen. In den Drogenberatungsstellen oder Therapieeinrichtungen werden rund 5 bis 6 % der Klienten hauptsächlich wegen eines Kokainproblems beraten oder behandelt, das sind rund 11.000 Personen pro Jahr. Crack-Konsum und Probleme damit geben 2,4 % dieser Personen an (etwa 250 bis 300). 3.4.3. Polizeiliche Erkenntnisse Rauschgiftdelikte sind immer Kontrolldelikte, d.h. die Zahl der registrierten Delikte ist in hohem Maße abhängig von der Kontrollintensität der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Insofern ist die Polizeiliche Kriminalstatistik auch ein Ausdruck der Fokussierung polizeilicher Ermittlungstätigkeit auf Crack-bezogene Delikte (BKA 2001, 2). Für Deutschland hat das BKA einen Anstieg des Anteils der Kokainkonsumenten an der Gesamtzahl der polizeilich erstauffälligen Konsumenten harter Drogen von 1980 auf 1999 festgestellt. Der Anteil hat sich mehr als vervierfacht (von 5,3% auf 23,8% siehe BKA 2000; zit. n. Kemmesies 2000, 23). Aus den Informationen des Bundeskriminalamtes geht hervor, dass im Jahr 1998 gegen 23.391 Personen wegen eines Kokaindelikts ermittelt wurde, mit einem hohen Zuwachs in Hamburg. Im Jahre 1999 erhöhte sich diese Zahl auf 25.499 Personen, mit auffälligen Zuwachsraten in Nordrhein-Westfalen und Hamburg (wobei hier auf die Funktion des Hamburger Hafens für die Einfuhr hingewiesen wird). In rund 5.500 Fällen wurden sowohl 1998, wie 1999 kleinere und größere Mengen Kokain sichergestellt, 1998 war das in 220 Fällen Crack/Freebase, 1999 waren es 460 Fälle. 1999 wurde ein illegales Labor, in dem Crack hergestellt wurde ermittelt. Bei den 22.584 erstauffälligen Konsumenten harter Drogen wurde im Jahre 2000 gegen etwa ein Viertel wegen Kokaindelikten ermittelt (5.327; die Daten für 1998 und 1999 sind hier nahezu gleich). Die Zahl der polizeilich ermittelten Fälle im Zusammenhang mit Kokain ist im Jahre 2000 zurückgegangen (um 12,3%), ebenso wie die polizeilich festgestellten erstauffälligen KokainkonsumentInnen. Die polizeiliche Beschlagnahmungsmenge von Kokain ist im Jahre 2000 sogar um 53,8% zurückgegangen. Der Rückgang der Sicherstellungsmenge von Kokain in Deutschland um 53,8 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet das bisher niedrigste Niveau der letzten zehn Jahre (1994: 767 kg). Polizeiliche Daten zu Fällen, erstauffällige KonsumentInnen Sicherstellungsmengen im Zusammenhang mit Kokain, (Tabelle 7) und Seite 23 Jahr Fälle 1997 1998 1999 2000 5482 5532 5491 4814 Polizeilich festgestellte erstauffällige Konsumenten 5144 5691 5662 5327 Sicherstellungsmenge (Kokain) 1721kg 1133kg 1979,1kg 913,4kg In allen drei Bereichen ist also kurzfristig eine rückläufige Tendenz erkennbar (s. Tabelle 1). Im mittelfristigen Trend ist eher eine Stabilisierung, denn eine Zunahme erkennbar. Im langfristigen Trend 1985 – 1999 ist etwa die Zahl der erstmalig auffälligen KokainkonsumentInnen allerdings kontinuierlich gestiegen, die Kokainsicherstellungsmengen haben sich von 1989 bis 1999 nicht kontinuierlich weiterentwickelt, sondern wechselhaft. Die Zahl der Tatverdächtigen im Zusammenhang mit Crack (laut Falldatei Rauschgift) hat sich seit drei Jahren allerdings erhöht: 1998: 1999: 2000: 556 600 1625 (Quelle BKA 2001a, 9) Nationalitäten der Tatverdächtigen bei a). Kokain- und b). Crack-Delikten a). Die größten Sicherstellungsmengen fanden sich dabei im Hamburger Hafen (72 kg im ) und Kassel (51 kg). Die wichtigste Sicherstellungsorte mit einem Anteil von 68,6 % der Gesamtsicherstellungsmenge wurden die deutschen Flug- und Seehäfen registriert (626,7 kg). 119,2 kg wurden in deutschen Seehäfen und 507,5 kg auf Flughäfen, davon allein 377,2 kg am Flughafen Frankfurt/Main, beschlagnahmt (vgl. auch BKA 2001a, 6f). „Im Zusammenhang mit Kokainsicherstellungen dominieren nach wie vor deutsche Tatverdächtige, gefolgt von türkischen und sierraleonischen Staatsangehörigen. Bei Tatverdächtigen aus Kolumbien und Venezuela ist auffällig, dass bei einer relativ geringen Anzahl an Personen verhältnismäßig große Kokainmengen sichergestellt wurden. Dies deutet auf eine besondere Bedeutung von Angehörigen dieser Nationen im Bereich Handel und Schmuggel hin. Im Jahr 2000 wurde erstmals Crack in der Falldatei Rauschgift separat erfasst. Die Gesamtsicherstellungsmenge an Crack belief sich auf 2,2 kg. Davon wurden allein in Frankfurt/Main 1,17 kg in 337 Fällen und in Hamburg 0,53 kg in 543 Fällen sichergestellt. An den Brennpunkten wird der Straßenhandel mit Crack überwiegend von Westafrikanern (Nigerianern) und Marokkanern dominiert. Die Herstellung von Crack bzw. die Vorratshaltung beschränkt sich auf kleine Mengen, da unter Einwirkung von Luftfeuchtigkeit ein Abbau der Wirksubstanz erfolgt und die Haltbarkeit von begrenzter Dauer ist“. Seite 24 b). Auch die Nationalitäten bei Crack-Delikten ist insofern interessant, als dass es vor allem deutsche Tatverdächtige sind, die im Zusammenhang mit Crack registriert wurden (29,4%, d.h. 477 von 1.625 im Jahr 2000; 158 von 600 im Jahr 1999 und 179 von 556 im Jahr 1998), gefolgt von Straftätern afrikanischer Herkunft (28,9%). Diese Zahlen relativieren die Einschätzung etwas, dass der Handel in Frankfurt und Hamburg von Afrikanern dominiert wird (BKA 2001a, 1). Es könne der Eindruck entstehen, als würde Crack nur und ausschließlich von Nicht-Betroffenen, d.h. Nicht-KonsumentInnen aus Nord- und Schwarzafrika verkauft werden. Cracksicherstellungen in kg 0,5 1,17 0,53 Frankfurt/M. Hamburg Sonstige (Quelle BKA 2001) Die Sicherstellungsmengen und –orte bestätigt die Konzentration des Crack-Handels auf Hamburg und Frankfurt. Über 80% des sichergestellten Cracks wurde in Hamburg und Frankfurt sichergestellt. Auch die Bedeutung der See- und Flughäfen für den Kokainhandel wird damit unterstrichen. 3.4.4. Einschätzung Deutschland der weiteren Entwicklung des Crack-Konsums in Wie wird die Prävalenzentwicklung von Crack von ExpertInnen beurteilt? Folgende Grundlagen lassen sich für eine Einschätzung zukünftiger Verbreitung benennen: • • • • • • Niedriger Preis für eine sehr intensive Drogenwirkung Wirkung und Preis insbesondere für Jugendliche attraktiv (Subjektiv empfundene Stärkung des Durchsetzungsvermögens, des Auftretens etc.) Passend zur Leistungsgesellschaft (auch in Dienstleistungsbereichen wie Prostitution) Suggestion der Ungefährlichkeit durch das Rauchen im Gegensatz zur intravenösen Applikation Schnell möglicher Konsum in der Öffentlichkeit ohne Aufsehen zu erregen Relativ hohe Verbreitung von Kokain kann eine schnelle Verbreitung v on Crack begünstigen (vgl. Täschner/Richtberg 1988, 71f; vgl. Roth 1999, 29f). Seite 25 Anders als in den USA etwa, gibt es in Deutschland jedoch keine, auch in den Großstädten, vergleichbar hohe Verelendung Jugendlicher und junger Erwachsener. „Dennoch macht der niedrige Preis, die leichte Verfügbarkeit und der extrem hohe Suchtfaktor eine mögliche Eindämmung der Droge äußerst schwierig. Eine große Gefahr könnte entstehen, wenn das Crack Einzug in die „Technoszene“ hält und mit oder neben dem Ecstasy konsumiert wird“ (Roth 1999, 32) Diesen Befürchtung bestätigt sich laut KOKON (1999, 1) bereits: „Häufig hören wir in unserer offenen Sprechstunde von Ecstasykonsument, die begonnen haben, mit Kokain zu experimentieren und die aufgrund der langfristig attraktiveren Wirkung – vor allem fehlen die selbstlimitierenden Nebenwirkungen wie bei Ecstasy – auf das zunächst vergleichsweise harmlos und gut steuerbar erscheinende Kokain umsteigen“. Zunächst kann festgestellt werden, dass einige empirische Befunde dafür sprechen, dass der Kokainkonsum in Teilen der Jugend- und Partyszenen besonders hoch ist. Tossmann u.a. (2000) berichten von einem hohen Anteil Kokainerfahrener auf den von ihnen (Berlin: Tossmann/Heckmann 1997) und anderen (München: Künzel u.a. 1997) untersuchten Besuchern von Techno-Parties. Unklar ist jedoch, ob Kokain als ein Vorläufer eines nachfolgenden Crack-Konsums zu betrachten ist, oder ob der hochriskante Konsum von Crack nicht mit dem lifestyle-Gefühl dieser Jugendkulturen vereinbar ist. Zu klären müsste sein, inwieweit Kokain in anderen Ländern (USA) eine Vorreiter- und Indikatorenfunktion übernommen hat. Die Repräsentativerhebung des IFT weist in Bezug auf Crack die größte Häufung der Lebenszeit-, 12-Monats- und 30-Tage-Prävalenz in der Altersgruppe der 21-24Jährigen zwischen 0,2% und 0,5% aus. Auch Erfahrungen mit dem Kokainkonsum sind in dieser Altersstufe und der folgenden (25-29) besonders hoch. Das bedeutet, dass Menschen im dritten Lebensjahrzehnt die ausgeprägtesten Erfahrungen mit Kokain und Crack besitzen. Ob dies als zusätzlicher Gebrauch, oder als Beigebrauch innerhalb von OpiatkonsumentInnenszenen der Fall ist, oder ob Kokain/Crack als Erstpräferenz gewählt werden ist unklar. In beiden Fällen ist eine Rückwirkung auf jüngere KonsumentInnengruppen denkbar. Viele Erfahrungen von MitarbeiterInnen der Drogenhilfe, Beobachtungen der Polizei und wissenschaftliche Daten weisen auf die Bedeutung von Kokainkonsum als antriebs- und leistungssteigernd für Menschen in Methadonbehandlung hin. Die spezifische Wirkung von Methadon als wenig euphorisierend, eher sedierend und Trägheit fördernd wird von vielen KonsumentInnen versucht mit Kokain aufzuheben. Die Verbreitung von Kokain seit Anfang der 90er Jahre ist deshalb im Zusammenhang mit der Methadonbehandlung zu betrachten. Eine Ausweitung kann auch in Zukunft immer wieder zu diesen Effekten führen (vgl. auch Klostermann u.a. 1996). Ganz wesentlich für den weiteren Umgang mit Crack ist die öffentliche und auch fachliche (Drogenhilfepraxis und Wissenschaft) Diskussion über Crack. Mehrere AutorInnen haben für die USA auf die negativen Konsequenzen und die sozialpsychologische Funktion einer Crack-Panik als symbolisches Politikvorhaben und Dämonisierungskonstrukt hingewiesen (Reinarman/Levine 1997). Degkwitz/Verthein (2001, 174) schätzen die Möglichkeit eines Transfers dieser Politik gegenüber Crack-KonsumentInnen in unsere Gesellschaft als gering ein: „Es gibt in der Bundesrepublik bzw. in Europa keine mit den USA vergleichbare soziale und politisch-ideologische Konstellation. So fehlen etwa als Resonanzboden der Seite 26 Panik extreme Armut und Rassentrennung.“ Trotzdem betrachten sie den gesellschaftspolitischen Hintergrund in Deutschland als durchaus empfänglich für „dysfunktionale Bewältigungsmuster (auf personal wie sozialer Ebene)“ mit Hilfe von psychotropen Substanzen – vor allem Kokain/Crack. Entscheidend ist eine Versachlichung der gesamten Debatte, eine Fundierung der Diskussion mit rationalen Mitteln. Das BKA (2001a) stellt fest, dass bis auf wenige Ausnahmen, Crack-Delikte im Jahre 2000 in nur zwei Bundesländern ermittelt wurden: Hamburg und Hessen. D.h. von polizeilicher Seite besteht die Einschätzung, dass nach wie vor Crack-Konsum (abgesehen von einigen „Beschaffungsfahrten“) sich in den beiden Metropolen Hamburg und Frankfurt abspielt15. Auch die vom BKA (2001a, 9) präsentierten Zahlen sog. Rauschgifttote (2.030 im Jahre 2000) sind ein Indiz dafür, dass der Konsum vor allem auf die beiden Städte konzentriert ist: „Bei sieben Toten war Crack überdosiert oder durch Mischintoxikation zusammen mit anderen Rauschgiften todesursächlich. Jeweils drei Todesfälle wurden in Hessen (zwei davon in Frankfurt/M.) und in Hamburg registriert“. Was sind die Gründe für die Konzentration des Crack-Handels und –Konsums weitgehend auf diese beiden Städte? Die vier wichtigsten Überlegungen sind ohne Zweifel: • Strategische Verkehrslage: Die große Bedeutung der See- und Flughäfen in Hamburg und Frankfurt. Hamburg mit dem größten Seehafen und Frankfurt mit dem größten Flughafen Deutschlands scheinen eine besonders günstige Verkehrslage für Einfuhr und unmittelbare Weiterverbreitung zu bieten. Möglicherweise bieten auch andere Verkehrsknotenpunkte (wie große Bahnhöfe mit Drogenszenen in der Nähe, z.B. Hannover) gute Voraussetzungen für eine Entwicklung der Angebotsseite • Große Drogenszenen: Beide Großstädte besitzen große (offene) Drogenszenen, in denen der Kokainhandel und –konsum bereits seit mehreren Jahren eingeführt und verbreitet war, bevor crack auf den Markt kam. Es existieren also entwickelte Märkte, in denen sich Angebot und Nachfrage organisieren können. Die Drogenszenen sind sichtbar für die Angebotsseite, die Verkaufssituation ist so unübersichtlich, daß sie von der Polizei nicht mehr kontrollierbar ist. • Gut organisierte Angebotsseite: In beiden Städten haben sich spezifische Angebotsstrukturen entwickelt, die offenbar über gut funktionierende Händlernetze verfügen, die extrem gut organisiert sind. Denn der Kokain/crack-handel erfordert aufgrund spezifischer Qualitäten von crack (geringe Haltbarkeit an der Luft) besonders gut ausgebaute Verkaufsnetze. Laut BKA (2001, 1) wird der Handel mit Crack von Schwarz- und Nordafrikanern dominiert. Möglicherweise haben sich entsprechende Infrastrukturen zum Crack-Verkauf in anderen deutschen Städten (noch) nicht gebildet., 15 Selbst in Niedersachsen wurden insgesamt nur 2 Fälle bekannt, wobei von Drogenhilfe-ExpertInnen die Verbreitung von rauchbarem Kokain in der Drogenszene bereits seit mehreren Jahren berichtet wird. Seite 27 • Ökonomische Vorteile: Da Kokain – Konsum seit 90er in Europa ausdehnt, ist es möglich dass der lukrative Markt mit Crack sich ebenfalls ausdehnt. Dieser wird durchgeführt von mehreren Gruppen, die den Kleinhandel organisieren und persönliche Risiken der Inhaftierung, Abschiebung eingehen können. Voraussetzungen: Kokainkonsum trifft auf verelendete Szene, für die Crack attraktiv ist. Abschließend kann vermutet werden, dass sich im Gefolge des sich ausbreitenden Kokainkonsums auch der Crack-Markt weiter ausdehnen und damit auch der CrackKonsum zunehmen wird. Die Crack-Produktion und –Verkauf stellt offenbar einen ökonomisch lukrativen Geschäftszweig dar. Das Bundeskriminalamt vermutet, dass es sich in Deutschland um einen noch ungesättigten Markt handeln könnte, den die Angebotsseite in Zukunft bedienen wird (BKA 2001, 15). Seite 28 4 Beratungs- und Behandlungsnotwendigkeiten und -angebote Das Drogenhilfesystem, auf MischdrogenkonsumentInnen (Opiate, Benzodiazepine, Alkohol) spezialisiert, wird seit einigen Jahren zusätzlich mit dem Phänomen eines zunehmend alltäglich gewordenen Kokain- und Crack-Konsums ihres Klientels konfrontiert. Das wirft mehrere Fragen auf: • Welche neuen Anforderungen an das ambulante und stationäre Suchtkrankenhilfesystem entstehen angesichts der Verbreitung von Kokain/Crack-Konsums? Ist das Hilfesystem auf die Anforderungen, die sich durch Crack-Konsum ergeben adäquat vorbereitet, oder müssen Modifizierungen vorgenommen werden? • Müssen ‚Spezialangebote‘ entwickelt werden, oder können integrative Hilfeangebote gemacht werden? • Ist das in Frankfurt und Hamburg festgestellte Aggressionspotential auf die besonderen Umstände des Crack-Konsums zurückzuführen, ist es ein inhärentes Potential des Pharmakons „Crack“, oder/und eine Folge der Konsumumstände und den Konsummustern? Warum wurde das nie in Zusammenhang mit Kokain festgestellt? Welche Rolle spielen Dynamiken einer Sich-Selbst-Erfüllenden-Prophezeiung‘? Haben sich CrackKonsumentInnen einen Habitus zugelegt, der egoistisch-aggressiven Auftretens, der – solange keine Grenzen gezeigt oder auch auf die Einhaltung gepocht wird – sich rücksichtslos in einer Einrichtung nach dem „Recht des Stärkeren“ durchsetzen kann? In Frankfurt wurde darauf verwiesen, dass das Phänomen eines zunehmenden Crack-Konsums vor allem auf ein niedrigschwelliges Drogenhilfesystem trifft, das sich als überfordert und ausgebrannt erlebt. Während die erste Generation von DrogenhilfemitarbeiterInnen eher in den Leitungsebenen arbeiten, treffen junge und motivierte MitarbeiterInnen of tauf festgefahrene Strukturen, die demotivierend sind und zu einem Gefühl des Ausgebrannt-Seins führen können. • 16 Für Hamburg ist eine stärkere Vernetzung bestehender Angebote angedacht. Eine „Sonderbehandlung“ für ausschließliche ‚Crack-KonsumentInnen wird abgelehnt. Hauptaufgabe sei die Konsumenten überhaupt zu erreichen, was schwierig ist angesichts des hektischen und hochmobilen Lebensstils. Wenn zusätzliche Angebote, dann sollten sie den Charakter von Kontrapunkten zur erlebten Drogenwirkung aufweisen: Tagesruhebetten, Akupunktur, Substitutionsbehandlung, (wenn schon Opiatkonsum nebenbei besteht, um Kontakt zum medizinischen Hilfesystem herzustellen), niedrigschwellige Überlebenshilfen, Übernachtungsund Wohnmöglichkeiten (Krisenwohnungen mit ambulanter Betreuung), Entzug (sofort!), Basisversorgung und Weitervermittlung in stabilisierende und ausstiegsorientierte Angebote16. vgl. auch die Forderungen des „Fachausschusses Drogen“ der Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren‘ v. 15.2.2001 Eine medikamentengestützte Suchtbehandlung, die zur Verminderung des Suchtdrucks führen könnte, gibt es im Gegensatz zu anderen Drogen bei Kokain und Crack nicht. Von mehreren Gesprächspartnern wird betont, dass der Ton im Umgang mit den Crack-KonsumentInnen in der Einrichtung vor großer Bedeutung ist. Erwartungen eines aggressiven Verhaltens können zu Prozessen „Sich-selbst-erfüllenderProphezeiung“ führen: „Wiederum stellt sich hier die Frage, ob die Befindlichkeitsveränderungen kausal auf den Stoff zurückgeführt werden können, oder ob dieser nur eine Triggerfunktion für das Ausleben von Aggressionen hat“ (Vogt/Schmid/Roth 2000, S. 11). Die AutorInnen weisen zurecht auf die schlechte Gesundheitssituation und die erlebte Hetze, Schlaflosigkeit und geschwächte körperliche Verfassung hin, die allgemein zu einer desolaten Lage psycho-sozialen und gesundheitlichen Lage führen. Thane (2001) weist auf die häufigen Streits beim Kauf (nach Augenmaß) von Crack hin, wo Käufer „gelinkt“ werden, Aggressionen aber nicht auf den Verkäufer richten können, sondern in der Szene ausleben. Zudem scheinen Konsum –und Lebensbedingunen für das Wirkungsempfinden und das Maß an Aggression von großer Bedeutung zu sein. Deshalb scheint es wichtig zu sein, de-eskalierend auf die KonsumentInnen zuzugehen. Trotz der von mehreren ExpertInnen geschilderten Aggressionsdurchbrüche von DrogenkonsumentInnen meldet die Polizei Hamburgs etwa, dass noch kein Übergriff eines Crack-Konsumenten auf Polizeibeamte stattgefunden hat. Dies steht auch im Gegensatz zu amerikanischen Erfahrungen und zeigt einmal mehr, dass eine Übertragung eines Szenarios nur bedingt möglich ist. Im folgenden werden einige Felder von Beratungs- und Behandlungsangeboten für die Zielgruppe der Crack-KonsumentInnen näher beleuchtet. 4.1 Prävention Die Tatsache, dass insbesondere unter Jugendlichen, v.a. auch MigrantInnen und Aussiedlern in beiden untersuchten Städten, aber auch Hannover (siehe Café Connection 1999) die Bewertung von Crack als harmlose Droge, jedenfalls harmloser als der intravenöse, existentiell als bedrohlicher empfundene Konsum von Kokain und Heroin vornehmen, zeigt daß im Präventionsbereich differenziertere Angebote entwickelt werden müssen. Der gewöhnlich am Anfang intermittierende Gebrauch nährt zudem Kontrollillusionen und vermittelt leicht die Vorstellung, dass eine Abhängigkeit nicht besteht und auch nicht eintreten wird. In diesen Jugendgruppen ist zielgruppenspezifische und lebensweltnahe Aufklärung und Information dringend nötig, die sowohl geschlechts- als auch kulturspezifisch angelegt sein sollte. 4.2 Aufsuchende, ‚nachlaufende’ Sozialarbeit Der Begriff ‚aufsuchende Sozialarbeit’ erweist sich in der Arbeit mit CrackKonsumentInnen als zu defensiv. Oftmals sind keine Wohnungen vorhanden, in denen man die KonsumentInnen aufsuchen könnte, z.T. sind aber auch zeitlich keine Ruhephasen und Rhythmen im Alltag erkennbar, die ein Aufsuchen ermöglichen würden. ‚Nachlaufende Sozialarbeit’ meint hingegen, dass tatsächlich Personen von MitarbeiterInnen des Crack-Street-Projektes in Frankfurt gesucht werden, um Kontakte zu halten und Hilfen zu leisten. Zwei wesentliche Erkenntnisse im Umgang mit Crack-KonsumentInnen zeigen: • • Hilfen müssen individuell, in Form von Einzelfallhilfe im Rahmen einer übergeordneten, institutionenübergreifenden Hilfeplanung, wie sie im ‚casemanagements’ durchgeführt wird (s. Kap. 4.4.8.), organisiert werden. Erfahrungen der ambulanten ‚Crack’-Projekte ist, dass die Betreuung sehr persönlich sein muß und dass Betreuung nicht in andere Hilfesegmente oder Abteilungen ‚abgegeben’, sondern persönlich und durchgängig stattfinden muß. Das heißt auch, dass mit den Bezugspersonen persönliche Auseinandersetzungen um Versorgungsleistungen, Alltagskonflikte und Konsumproblematiken geführt werden müssen. Insbesondere in der Jugendhilfe ist die Erfahrung gemacht worden, dass es um ein ‚Sich-Reiben’ an anderen Personen geht, um das Setzen und Diskutieren von Grenzen um Verantwortungsübernahme. 4.2.1 „Laufwerk“ Hamburg Drogenszenen – Aufsuchende Sozialarbeit in offenen Das Projekt „Laufwerk“ – Aufsuchende Sozialarbeit in offenen Drogenszenen – existiert in Hamburg seit 1997. Es wurde von fünf Hamburger Trägern der Drogenhilfe gegründet (siehe ausführlich Grosche/Voges 2000, 48ff) und arbeitet vorwiegend in der offenen Drogenszene im Hauptbahnhofsbereich. Die ProjektmitarbeiterInnnen suchen die KonsumentInnen direkt in der offenen Szene auf und bieten Einzelfallhilfen: • • • • • Information Beratung Krisenintervention und Soforthilfe Safer-use und Gesundheitsberatung Vermittlung und Begleitung Das Büro von Laufwerk liegt 5 Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Auf der Straße gehören Handy, Infomaterial über das Hamburger (Drogen-)Hilfesystem, Handgeld und einem Beatmungsbeutel zur Ausstattung der SozialarbeiterInnen. „Ausstiegsorientierte Sozialarbeit in offenen Drogenszenen bedeutet für uns nicht zwingend den sofortigen Weg in eine Therapieeinrichtung, sondern generell eine Verbesserung der aktuellen Lebensumstände ... Ein Ziel unserer Arbeit ist es, Alternativen zum Leben auf der Szene vorzustellen, um dann gegebenenfalls in geeignete weiterführende Einrichtungen vermitteln zu können“ (S. 50). Hervorgehoben wird bei dieser Arbeitsmethode „punktgenau“ auf die Hilfebedarfe der Crack-KonsumentInnen eingehen zu können und „... über den bloßen Kontakt hinaus unter anderem in Beratungs-, und Betreuungseinrichtungen, Arbeitsprojekte, Übernachtungs- und Übergangseinrichtungen, Wohnprojekte oder Entgiftungen zu vermitteln“ (Grosche/Voges 2000, 53). Das Projekt verfügt über 6 Stellen – allerdings ist im Gegensatz zum Crack-StreetProjekt in Frankfurt (s.u.). die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe hier nicht mit vertreten, womit eine ähnliche Interdisziplinarität wie beim CSP nicht gegeben ist. Das Fazit der aufsuchenden Sozialarbeit mit dem Angebot individueller Hilfen von „Laufwerk“ nach 3 Jahren lautet, dass diese Arbeit dazu beigetragen hat, unmittelbare Hilfen und Weitervermittlungen zu eröffnen (v.a. auch Substitutions-, Entzugs- und Wohnplätze) und eine Anbindung an das Hilfesystem mit der Zielsetzung von harm-reduction zu ermöglichen. 4.2.2 Crack Street – Projekt Frankfurt17 In Frankfurt am Main gibt es seit 1997 ein spezielles trägerübergreifendes und interdisziplinäres Hilfeprojekt, ein Kooperationsprojekt von Trägern der Drogen- und AIDS- und Jugendhilfe. Es handelt sich um ein klassisches Streetwork-Projekt mit der besseren Charakterisierung ‚nachlaufende Sozialarbeit’. Mehrere KollegInnen unterschiedlicher Disziplinen (s.o.) mit jeweils einer 15-Std.-Stelle und zweimal einer halben Stelle (19,25 Std.) kontaktieren auf der Straße jugendliche und ältere CrackKonsumentInnen. Die MitarbeiterInnen haben jeweils volle Stellen und arbeiten in den entsprechenden Hilfeprojekten der Träger. Die Arbeitszeit auf der Straße entspricht dabei der Hilfegewährung/-organisation in den jeweiligen Hilfeprojekten. So ist eine persönliche ‚durchgehende’ Betreuung und Anbindung gewährleistet. Anknüpfungspunkt ist oftmals der Koffer des/der Ärztin, der medizinische Hilfe signalisiert. Unmittelbare Hilfe für die KonsumentInnen ist von einer großer Bedeutung, der unmittelbare Kontakt zu dieser Gruppe erfolgt über ‚Türöffner’, Personen, die einen direkten und vertrauenswürdigen Kontakt zu anderen KonsumentInnen in dieser Szene haben. In dieser Phase der Hilfegewährung wird versucht Kontakt zum Sozialarbeiter herzustellen und der oft desolate gesundheitliche Zustand (v.a. Verelendung, Unterernährung, TBC in mehreren Fällen) angesprochen und Hilfe angewendet werden. Essen und weitergehende Versorgungen (unmittelbare Hilfen: Übernachtungsplätze vermitteln etc.) sind Ziel des weiteren des Kontaktes. Aber zunächst einmal und vor allem beim Erstkontakt wird hier versucht, Vertrauen durch einen persönlichen, direkten Kontakt zu den betroffenen Klienten herzustellen, die zum größten Teil noch jung sind und ohne feste soziale Kontakte. Es wird versucht, unbürokratische und flexible Hilfen in Abstimmung mit der Jugendhilfe zur Verfügung zu stellen und Entzugsbehandlungen anzubieten und zu unterstützen. Bester Zeitpunkt für die Ansprache ist die Phase unmittelbar nach dem Konsum. Erschwert wird die weitere Betreuung und Wiederauffindbarkeit immer wieder durch den hohen Bewegungsdrang und die hohe Mobilität der KonsumentInnen. Die Sozialarbeiter leisten auch eine Ämterbegleitung, Besuche im Krankenhaus und eine soziale Hilfeplanung nach KJHG. Gute Erfahrungen wurden dabei mit der Akupunkturbehandlungen gemacht, die zu einer Verringerung des Verlangens nach Crack geführt haben. Angestrebt wird ein generelles ‚Ruhiger – Werden’, der ‚Suchtdruck’ soll verringert werden. Die Hilfe ist stark einzelfall-orientiert und sehr aufwendig. Dennoch konnte in 40 bis 50 Fällen ein Kontakt mit einer eine intensiven Betreuung hergestellt werden. Interdisziplinarität in der Kooperation hat sich als sehr wichtig erweisen: Malteser, AIDS-Hilfe, Kommunale Kinder-, Jugend- und Familienhilfe organisieren (WALK MAN) nicht nur die Unterbringung in Hotels (für Jugendliche und junge Erwachsene), sondern können Jugendliche auch wieder in die Herkunftsgemeinden bringen. Vor allem aber werden die drei relevanten Hilfebereiche in einem Projekt vor Ort bereits aufeinander abgestimmt und Hilfebedarf wird nicht von oben in einer bürokratischen 17 Vgl. insgesamt die Projektübersicht und –analyse bei Roth 1999 Form zwischen den Hilfeträgern geplant. Durch ein gemeinsames Auftreten aller drei relevanter Hilferessorts wird Hilfe eher ganzheitlich wahrgenommen, Grenzen der einzelnen Ressorts verschwinden und damit auch ein Stück Mißtrauen. Martin Dörrlamm von WALK MAN (1999) beschreibt die Beziehung zu den Jugendlichen und Heranwachsenden als durch viele Beziehungsabbrüche gekennzeichnet: Sowohl mit den Herkunftsfamilien, als auch den Institutionen der Jugendhilfe: „Das wesentliche Kennzeichne im Umgang mit dieser Klientel ist denn auch die Einforderung von stabilen Beziehungen und die Einforderung der Helfer als kongruente Personen in dieser Beziehung. Nur der direkte persönliche Zugang und auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene Hilfen ermöglichen eine grundlegende Veränderung der Lebenssituation.“ (Dörrlamm 1999, 3). Die psychiatrische Anbindung in der Schielestr. (der Malteser) hat sich als sehr wichtig erwiesen. Zum großen Teil sind die KonsumentInnen den im ‚CSP’-Projekt vereinten jeweiligen Hilfeträgern bereits bekannt: • • • Jugendliche, dem Jugendamt Substituierte, den Maltesern Polytoxikomane DrogenkonsumentInnen, den MitarbeiterInnen von ‚La Strada’. Schwierig ist oft, dass KlientInnen aufgrund des Kokain-/Crackkonsums bereits aus Substitutionsbehandlungen ausgeschlossen wurden, eine Tatsache die Neuvermittlungen wieder problematisch macht. Die MitarbeiterInnen von CSP gehen davon aus, dass es auch bei Crack so etwas wie einen ‚kontrollierten’ Konsum gibt, etwa „Monats-Cracker“, die noch über soziale Anbindungen verfügen und sei es durch Geldknappheit oder andere soziale Umstände am weiteren Konsum gehindert werden. 4.3 Harm reduction Der Konsum rauchbaren Kokains stellt in vielerlei Hinsicht ein enormes gesundheitliches und soziales Risiko dar. Gleichwohl vollzieht er sich intermittierend, in Phasen mit Pausen nach Erschöpfungs- und Zusammenbruchereignissen oder institutionellem Handeln (Gefängnisauftenhalt, stationärer (Teil-)Entzug). Ein ständiges, in jeder Hinsicht enorm belastendes Auf und Ab zwischen Rausch und Entzug, Euphorie und Dysphorie (erst „flash“ dann „crash“), Selbstkontrolle und Kontrollverlust. Für die Drogenhilfe kommt es im wesentlichen darauf an, die KonsumentInnen in diesen Phasen zu unterstützen, zu ihnen Kontakt herzustellen, zu halten, dazu beizutragen, diese längere Periode ohne irreversible Schäden zu überstehen. Schadensminimierende Hilfen sind bereits entwickelt worden. Im folgenden werden einige kurz vorgestellt und diskutiert. 4.3.1 Konsumräume Die Konsumräume gewähren den DrogenkonsumentInnen nur in Hamburg ein kleines Angebot von Rauchplätzen. Dies seht vor allem in den frauenspezifischen Angeboten der Konsumräume und Kontakt- und Anlaufstellen für Prostituiere zur Verfügung (Café Sperrgebiet und Ragazza). Dies hat mehrere Gründe: • • • z.T. Ausdruck ordnungsrechtlicher Überlegungen, weil bei CrackKonsumentInnen Konsum und Handel sehr schnell ineinander übergehen und für MitarbeiterInnen das Handelsverbot in den Konsumräumen nur schwer durchsetzbar ist und alle Aufmerksamkeit bindet. Zudem wird durch Crack-Konsum auch eine erhebliche Unruhe und oftmals Aggressivität der KonsumentInnen untereinander in diese Angebote getragen, z.T. aber auch Ausdruck der Bemühungen, den Gesundheitsschutzinteressen der MitarbeiterInnen Rechnung zu tragen. Überhaupt erfordert das Rauchen von Drogen (Heroin, Crack) besondere technische Voraussetzungen (Rauchabzugsanlagen). In den Frankfurter Konsumräumen erlaubt die rechtliche Basis kein Crack-Rauchen. Auch das Auskratzen der Pfeifen als konsumvorbereitende Handlung wird nicht toleriert. Trotzdem findet zumindest letzteres immer wieder statt. Klee (2001) hält die Einrichtung von speziellen Rauchplätzen für überlegenswert, wenn der rechtliche Rahmen dies erlaubt. Übersicht über Konsumräume und Konsumbedingungen in Deutschland (Tabelle 8) Einrichtung Träger Standort Drob Inn Jugendhilfe e.V. Hamburg St. Georg Fixstern Freiraum e.V. Hamburg Sternschanze Abrigado Freiraum e.V. DroBill Kodrobs Stay Alive Café Drei Hamburg – Harburg Steps, Drogenhilfe Hamburg – Bremen Billstedt Jugend hilft Jugend Hamburg – e.V. Ottensen Hamburg Jugendhilfe e.V. St. Pauli Drogenhilfe Eimsbüttel Hamburg Eimsbüttel Hamburg St. Georg Frankfurt – La Strada Aids Hilfe Frankfurt Mainzer Landstraße 93 Jugendberatung Frankfurt – Drogennotdienst und Jugendhilfe Elbestraße 38 e.V. Verein Arbeits- und Frankfurt East Side Erziehungshilfe Schielestraße Ragazza e.V. Ragazza e.V. Anzahl der Konsumplätze 3 Rauchplätze 7 i.v. Plätze 3 Rauchplätze. (Derzeit kein Crack-Konsum erlaubt) 6 i.v. Plätze 4 Rauchplätze 4 i.v. Plätze 1 Rauchplatz 6 i.v. Plätze 5 i.v. Plätze Öffnungsstd. Durchschnittliche Besucherzahl pro Woche pro Tag 600-700 Kontakte. Ca 200-300 47,5 Individuen. Ca 50% nutzen den Konsumraum 45 100-150 33 79 30 Ca. drei Konsumenten am Tag, steigende Tendenz 36 40-60 2 Rauchlätze 36 6 i.v. Plätze 6 i.v. Plätze für Männer, 2 i.v. Plätze für Frauen. Höchstens 7 30 Konsumvorgänge gleichzeitig. Frauen haben Vorrang. 2 Rauchplätze 24 6 i.v. Plätze 35-36, seit August steigend 7 i.v. Plätze 60,5 150 8 i.v. Plätze 126 250 8 i.v. Plätze 30 30-50 100 30-40 grobe Schätzung Einrichtung Träger Standort Anzahl der Konsumplätze Öffnungsstd. Durchschnittliche Besucherzahl pro Woche pro Tag 24-26 Konsumraum Niddastraße Drop In – Fixpunkt Integrative Drogenhilfe Frankfurt 12 i.v. Plätze Niddastraße 49 Hannover Step (Paritätischer Hamburger Allee 11 i.v. Plätze Wohlfahrtsverband) 75 Drogenhilfezentrum Saarbrücken Saarbrücken – Brauerstr. 39 INDRO e.V. INDRO e.V. Münster Bremer Platz 18- 4 (max. 6) + 1 Raucherraum18 20 18 Bisher kein Crack-Konsum in Münster beobachtet 20 i.v. Plätze 105 350-450 Konsumvorgänge 34 130-170 63 (7 x 9) ca. 500 Konsumvorgänge; von ca. 200 Besuchern des DHZ nutzen ca. 2/3 den Druckraum (der Rest ist v.a. wegen Substitution ausgeschlossen) 27 40-60 Sind Konsumräume so wie sie bestehen eine Form der Hilfe für CrackKonsumentInnen? Wie obige Tabelle zeigt, sind Rauchplätze nur in einigen Hamburger Konsumräumen vorgesehen, aber praktisch nicht von großer Bedeutung. In Frankfurt wird kein Konsum von rauchbarem Kokain geduldet. Fraglich ist noch, wie die Landesverordnung Hessens mit diesem Problem umgehen wird. Konsumräume sind bei Crack anders als bei i.v. Heroin-/Kokainkonsum zunächst nicht offensichtliche Räume der Hygienevermittlung. Safer use – Regeln (siehe nächstes Kapitel) sind auf wenige Botschaften reduziert und könnten auch anderweitig vermittelt werden. Konsumräume in der gegenwärtigen Form wären auch nicht vorbereitet auf das Tempo, die eingebrachte Aggressivität und die hohe mögliche Frequenz bei Crack-KonsumentInnen. Der Konsum und die Vorbereitungen des Konsum erfordern wenig Vorbereitungen: eine windgeschützte Ecke und Pfeife und Kratzer sind die denkbar einfachsten Voraussetzungen für einen schnellen Konsum. Gleichwohl wird auch in anderen Szenen ein Konsumraum z.T. von den Betroffenen gefordert. Im Amsterdamer Stadtteil Bijlmer, wo eine große Szene von Freebase/Crack-RaucherInnen existiert, wird dies und ein Tagesauffang mit Essensmöglichkeit von der Betroffenengruppe selbst gefordert (Boekhout van Solinge 2001, 93). Bei den Konsumräumen, so Josh Steinmetz (2001), werden Ermüdungserscheinungen des Systems deutlich, die Pioniermentalität ist vorüber, auch als Pionierthema ist es von den vorderen Rängen der Diskussion innovativer Drogenhilfe verschwunden und statt dessen machen sich z.T. burn-out-Phänomene bei den MitarbeiterInnen bemerkbar. Zudem ergeben sich durch häufige Übergriffe z.T. auch auf MitarbeiterInnen Notwendigkeiten, die Einrichtungen zu verteidigen oder zu schließen. Ob es aber explizite Räumlichkeiten zum Crack-Konsum geben sollte, darüber bestehen geteilte Ansichten. 4.3.2 Safer-Use Materialien Die folgenden Print-Medien sind für die Zielgruppe von Crack-KonsumentInnen bereits erarbeitet worden: 1. Crack, Steine, Splitter, Base, Rocks, Supercoke – Alles dasselbe? Zielgruppe: Crack-GebraucherInnen Inhalt: Stoffinformationen, Risiken, Safer Use, Notfallhinweise und Crack Konsumtabus Hrsg.: jugend hilft jugend e.V. Hamburg 2. Safer-Use-Tipps zu Crack Zielgruppe: Crack-GebraucherInnen Inhalt: Aufklärung über Gesundheitsschädigungen, Stoffinformationen, Risikovermeidung, Safer Use und Crack Konsumtipps, Hrsg.: DROB INN (Jugendhilfe e.V. Hamburg, in Zusammenarbeit mit Laufwerk) 3. Coca, Kokain, Crack Zielgruppe: Berater, Betroffene, Interessierte Seite 37 Inhalt: Hrsg.: Pharmakologie, Wirkung und Geschichte des Kokains, Risiken, Motive und Umgang mit KonsumentInnen Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. 4. Safer Use von Kokain und Crack Zielgruppe: Prostitutierte Inhalt: Konsumformen, safer Use Tipps Hrsg.: HWG e.V. (Christine Drösler/Carmen Fernandez) Karlsruher Str. 5 – 60329 Frankfurt a.M. 5 Crack – Steine – Base – Baseball – Rocks – Roxanne – Supercoke: Safer Use Zielgruppe: Crack-GebraucherInnen Inhalt: Aufklärung über Gesundheitsschädigungen, Risikovermeidung, Safer Use und Crack Konsumtipps, Hrsg.: Stadt Frankfurt/Main, Drogenreferat 4.4 Behandlungsangebote Ganz allgemein bezieht sich ein großer Teil der Vorschläge befragter ExpertInnen für Behandlungsmöglichkeiten von Crack-KonsumentInnen auf Angebote, in denen der Konsument zur Ruhe kommen kann. Der Geschwindigkeit von CrackKonsum/KonsumentInnen sollen entgegenlaufende Projekte, ‚Entschleunigungsprojekte’ (Werner Heinz, jj Frankfurt), als Kontrapunkte entgegengesetzt werden. Diese Angebote könnten Modulcharakter haben, sich aufeinander aufbauen oder aufeinander stark abgestimmt sein, so dass Veränderungswünsche und –bereitschaften unmittelbar und unbürokratisch und mit geringen Wartezeiten aufgenommen werden können. Stärker noch als bei KonsumentInnen anderer Drogen scheint es von enormer Bedeutung zu sein, ohne Wartezeit die Hilfebedürftigen unmittelbar in Behandlungseinrichtungen zu vermitteln. Ganz grundsätzlich sieht Krausz (2001) Möglichkeiten und methodische Instrumente: • • • • vier Bereiche für therapeutische Psychosoziale Therapien scheinen am effektivsten, kognitiv orientierte Verhaltenstherapie, motivierende Gesprächsführung Familien- und Netzwerkunterstützung. 4.4.1 Ambulante Behandlung: Das Beispiel KOKON in Berlin Eine der wenigen Behandlungseinrichtungen in Deutschland mit Schwerpunkt auf therapeutische Arbeit mit KokainkonsumentInnen stellt die Berliner Einrichtung KOKON dar19. In einer Auswertung der Klientendaten aus den Jahren 1995-1999 (vgl. Tossmann/Götz/Tensil 2000) geben 37% der 941 Befragten Kokain als Hauptdroge an. Der Anteil derjenigen die Kokain inhaliert oder geraucht haben liegt dabei bei 26%. Der größte Teil der PatientInnen gibt Schnupfen (58%) an (15% 19 siehe Darstellung und Auswertung der klientenbezogenen Daten in: Tossmann/Götz/Tensil 2000 Seite 38 intravenöse Applikation). Die Forscher kommen zu dem Schluß, dass KokainkonsumentInnen im Vergleich zu den Heroinkonsumenten sich durch eine bessere Schul- und Berufsausbildung auszeichnen und auch eher einer regelmäßigen eine Erwerbstätigkeit nachgehen (S.21). Sie stellen weiterhin fest, dass Ende der 90er Jahre auch untere soziale Schichten mit dem Kokainkonsum und zwar mit riskanten Applikationsformen begonnen haben (Rauchen, intravenös): „Etwas verkürzt könnte man vielleicht von zwei sozialen Gruppen von KokainkonsumentInnen sprechen, wobei in den unteren sozialen Milieus härtere Applikationsformen wahrscheinlicher sind“ (Tossmann/Götz/Tensil 2000, 21). Die besondere Form der ambulanten Behandlung bietet eine hohe Erreichbarkeit von KokainkonsumentInnen und weitere Einbindung in ein in die Gesamteinrichtung integriertes Behandlungsmodell. Insgesamt verfügt die Einrichtung über maximal 60 Therapieplätze, finanziert anteilig über das Land Berlin und die Rentenversicherungsträger, Krankenkassen und Sozialhilfeträgern im Rahmen der „Empfehlungsvereinbarung ambulante Rehabilitation Sucht (EVARS)“. Dabei ist die Nachfrage für das Kokainprojekt in den letzten Jahren gestiegen (KOKON 1999, 3, 17). Ein wesentlicher Unterschied zwischen der opiat- und der kokainabhängigen Klientel besteht in der unterschiedlichen Wahrnehmung der Kokainabhängigen im Selbstbild: „Viele der KonsumentInnen sind jedoch bezüglich ihrer Behandlungsbereitschaft noch sehr ambivalent und brechen ihre ersten Behandlungsversuche wieder ab ... Dennoch ist der erste – und oft wichtigste – Schritt in Richtung Änderung gemacht: Die Erfahrung zeigt, daß viele zu einem späteren Zeitpunkt bei uns einen zweiten – erfolgreicheren – Anlauf nehmen. KokainkonsumentInnen pflegen bei ihrem ersten Therapieversuch oft hartnäckig die Vorstellung, doch nicht ‚wirklich‘ abhängig zu sein. Diese Vorstellung wird durch das Substanztypische, immer wieder unterbrochene Einnahmemuster genährt, das die Illusion von Kontrolle über die Einnahme stützt. Die Struktur des Behandlungsprogramms besteht aus zwei Eingangsstufen, die nach Präferenzdrogen differenziert werden (Opiat- und Kokainprojekt). Die beiden Eingangsstufen werden nach 4-6 Monaten zusammengeführt und in einem integrierten, 16-18 Monate dauernden settings weiter behandelt (KOKON 1999, 7). Die ersten beiden jeweils 4 Monate dauernden Phasen haben zum Ziel, eine Abstinenzmotivation aufzubauen bzw. zu stabilisieren und die erreichte Abstinenz aufrechtzuerhalten („Rückfallprävention“). In den anschließenden beiden, jeweils 3-4 Monate dauernden, Phasen geht es um die psychosoziale Reorganisation und eine Zukunftsorientierung mit den Zielen intra- und interpersonelle Kompetenz, Lebensstiländerung und zufriedene Abstinenz. Ein Nachsorgeangebot besteht aus einer Stabilisierungs- und Stützungsbehandlung bzw. einer Auffangbehandlung für PatientInnen, die nach Abschluß der Therapie einen Rückfall hatten (Dauer: 4-6 Monate), „um ihre Abstinenzorientierung wieder zu stabilisieren und ihre Bewältigungskompetenz zu stärken (KOKON 1999, 4). Schließlich finden Treffen zweier Selbsthilfegruppen in den Räumlichkeiten von KOKON statt. Therapeutische Grundlage bildet ein kognitiv-verhaltensorientierter Ansatz, der sich an einem interaktionistischen Persönlichkeitsmodell ausrichtet. Dabei wird die Person als aus psychologischen und biologischen Faktoren gebildet betrachtet. Als Ziel der Therapie wird nicht nur eine Besserung der primären Symptomatik Seite 39 angestrebt, sondern ebenso Verbesserungen in der Qualität der interpersonellen Beziehungen, des Selbstwertgefühls und der Lebenszufriedenheit“ (Götz 1998, 10). Für Frankfurt hat Werner Heinz (1998b) einen Vorschlag für ein spezifisches Behandlungsangebot für Kokainabhängige in Frankfurt erarbeitet, in dem Erfahrungen und konzeptionelle Überlegungen von KOKON und den Hamburger ‚Seehaus-Projekt‘ eingeflossen sind: „Das Behandlungskonzept kann auf dem Hinterrund langjähriger suchtmedizinischer und suchttherapeutischer Erfahrungen entwickelt und in die bestehenden Angebote des Drogenhilfezentrums optimal integriert werden. Im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase sollen systematisch Erfahrungen gesammelt und ausgewertet und Einrichtungen der Drogenhilfe für eine Übernahme dieses spezifischen Angebotes zur ambulanten Abstinenztherapie bei Kokainabhängigkeit qualifiziert werden. Die Personal- und Sachkosten des hier vorgeschlagenen Pilotprojektes belaufen sich auf schätzungsweise DM 150 000 pro Jahr (S. 6).“ Das ambulante Behandlungsangebot sieht 4 Module vor: 1. Basisgruppe Information und Beratung 2. Einzelberatung und Vorbereitung einer Behandlung 3. Medizinische und suchttherapeutische Unterstützung in der Entzugs- und Cravingphase 4. Ambulante Rehabilitation Auch Jürgen Klee (2001) plädiert für die Einrichtung eines verhaltenstherapeutisch orientierten 12-Wochen-Programms einer ambulanten Unterstützung von ausstiegsbzw. veränderungsbereiten Crack-KonsumentInnen. Vorbild für diesen Vorschlag könnte das „Blenheim Project“ In London sein (siehe Kapitel 9.1.2.). Diese Hilfeeinrichtung bietet eine 12 wöchige Kompakttherapie aus Kursen zur Rückfallprävention, Beratung allgemeiner Lebensprobleme mit Rollenspielen und Gruppenaktivitäten an. Anschließend wird einmal wöchentlich auf unbegrenzte Zeit eine individuelle Nachsorge angeboten. 4.4.2 Ohr-Akupunktur Welche Bedeutung Ohr-Akupunktur in der Behandlung von Crackkonsumenten haben kann wird von ExpertInnen aus Wissenschaft, Praxis und Suchtadministration unterschiedlich beurteilt. Von den einen wird dieser Behandlungsform eine große Bedeutung zugeschrieben, wonach sie schon an sich einen Veränderungswunsch initiieren, zumindest aber ‚Überlegung’ (im Stadium der ‚contemplation’ nach Prochaska/DiClemente 1986) fördern könnte. Als Bestandteil eines Entschleunigungskonzeptes, als integraler Bestandteil eines umfassendenden Konzeptes mit aufeinander bezogenen Bausteinen könnte Akupunktur jedoch eine nicht unbedeutende Rolle zur Milderung der Entzugssymptomatik spielen: - Zur Unterstützung des ambulanten Entzugs Zur Unterstützung des selektiven Entzugs Zur Stabilisierung der Abstinenz (vgl. Heinz 1999). Von der Suchtakupunktur kann ein Beitrag im Rahmen eines differenzierten Hilfeangebots erwartet werden. Der Akupunktur mit niedrigschwelligem Zugang (vgl. Degkwitz/Verthein 2001, 176) kommt die Bedeutung einer Anbindungsmöglichkeit Seite 40 zu, eines ersten, ernsten Kontaktes, der für die Information über weitergehende therapeutische, rechtliche Hilfen bzw. Basisversorgung genutzt werden kann. Vor dieser verminderten Erwartung kommt der Suchtakupunktur die Bedeutung eines „kleinen Schrittes“ in Richtung Ansprache und Anbindung zu (Klee 2001; vgl. auch Roth 1999, 51) und rechtfertigt auch den weiteren Ausbau und die Einbindung von Akupunktur in die niedrigschwellige Hilfe. Klee plädiert für ein 12-Std. Dauerangebot von Akupunktur. Dies wird auch von Herbert Villhauer 2001 gefordert mit dem Zusatz ambulante Akupunktur für KonsumentInnen auf der Straße anzubieten (ggf. mit Liegen), um eine möglichst große Reichweite zu ermöglichen. Zu prüfen wird sein, wie sich die Nachfrage nach diesem Angebot verhält – und würde dieses Angebot in und anhand der Praxis prüfen lassen. Dieses Angebot sollte wissenschaftlich begleitet werden. Akupunktur wird als kassenfinanzierte Leistung in der Suchttherapie nicht finanziert. Ähnlich wie der Methadonvergabe (‚Hamburger Vertrag‘) ist die Drogenbeauftragte Hamburgs Christina Baumeister, der Meinung, dass die öffentliche Hand hier nicht vorgreifen und vorfinanzieren sollte, sondern Akupunktur als Regelversorgungsangebot in der Suchtmedizin ein wirksames Mittel ist, das von den Krankenkassen finanziert werden sollte. Allenfalls kann es deshalb in Hamburg nur ein Modellprojekt geben, das mit Begleitforschung die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode überprüfen soll. Die Ergebnisse sollten den Krankenkassen zur erneuen Überprüfung wieder vorgelegt werden. Im Rahmen der bisherigen Praxis (über §37 BSHG Krankenversorgung) war eine Akupunkturbehandlung im ambulanten Rahmen möglich für Sozialhilfeempfänger. Im stationären setting ist ihre Finanzierung über Pflegesätze mit den Krankenkassen bzw. Rentenversicherungsträgern geregelt und möglich. Die Ohrakupunktur im Rahmen einer ambulanten Suchthilfe kann im Delegationsverfahren auch von anderen Professionen psycho-sozialer und auch medizinische Bereiche durchgeführt werden. Die Diagnose muß natürlich vom Arzt gestellt werden. Die Geeignetheit des durchführenden Personals ist jeweils vom behandelnden Arzt im Einzelfall zu prüfen. 4.4.3 Ruhe- und Rückzugsräume Rückzugsräume, ob bei Tag oder Nacht stellen eine Möglichkeit für CrackKonsumentInnen dar, in Erschöpfungszuständen auszuruhen und zur Ruhe zu kommen (Chill Out – Räume und Tagesruhebetten). Tagesruhebetten sind in Frankfurt unmittelbar an die Träger niedrigschwelliger Drogenhilfe gekoppelt, insofern ergibt sich eine schnelle Vermittelbarkeit in diese und in weiterführende Hilfeangebote. Diskutiert wird auch die Einrichtung von Tagesruhebetten im Hamburger Stadtteil St. Georg, wo beruhigende Maßnahmen zur Verfügung stehen und wo Ruhe wieder erlebt werden kann. Diese Räumlichkeiten bieten Möglichkeiten für eine beraterische oder therapeutische Hilfe, weil hier ein Zur-Ruhe-Kommen erreicht wird. Heinz (1999) hält dies für eine Möglichkeit, Angebote ärztlicher und sozialtherapeutischer Beratung, kurzfristiger Vermittlung in weiterführende medikamentengestützte ambulante oder stationäre Behandlung und Akupunktur zu leisten. 4.4.4 Entzug Im Rahmen starker kommunaler Vernetzung sollten schnell und unbürokratisch erreichbare Entzugsbetten zur Verfügung stehen, um Crack-KonsumentInnen, wenn Seite 41 sie Veränderungs- bzw. Ausstiegswünsche formulieren, schnell und zeitnah zu Beratungsgesprächen helfen zu können. Der Träger JJ in Frankfurt hat sogar eine institutionelle Verschränkung von ambulanter Leistung (in der Substitutionsambulanz) und Entzug über die Einstellung eines Arztes, der in beiden Bereichen arbeitet, hergestellt. Heinz (1999,2) ist der Auffassung, dass eine Unterbrechung der Konsumphase durch „Time Out“ hergestellt werden kann. „In der Regel kann dieses „Time Out“ nur durch Einweisung in stationäre selektive Entgiftung erreicht werden. Die Bereitschaft zur stationären Entgiftung ist schwer herzustellen“. Möglicherweise ist eine Motivation in bestimmten Erschöpfungszuständen zu erreichen, wenn eine Entgiftung sehr kurzfristig eingeleitet werden kann. Die Probleme sind dabei auftretende Wartezeiten und eine ggf. hohe Abbruchrate, vor allem in den ersten 3 Tagen. Zum Teil werden Time-OutPhasen durch äußere Umstände erzwungen (Stationäre Krankenhausbehandlung, Aufenthalt im Gefängnis) und kann dann fortgesetzt werden. Heinz (1999, 3) fordert eine Anpassung der stationären Entzugsmöglichkeiten an die Veränderungen angesichts des vermehrten Konsums von Kokain und Crack: „Stationärer Entzug von Kokain/Crack muß zwischen verschiedenen Konsumentengruppen differenzieren a) Polytoxikomanie – ggf. substituierte Opiatabhängigkeit mit sekundärer Kokain/Crackabhängigkeit b) Primäre Kokain-/Crackabhängigkeit. In jedem Fall sind zunächst Ruhe- und Rückzugsbedarf der Abhängigen zu berücksichtigen/Rekreationsphasen zu ermöglichen. Primär Kokain-CrackAbhängige suchen nach Überwindung der ersten Crash-Phase Aktivierung/Orientierung, Informationsgruppen zu Dynamik und Wirkungsweise der Kokainabhängigkeit sind indiziert; Information über charakteristische Konsummuster (Binges) etc.“ 4.4.5. Psychiatrische Sprechstunde und Akutinterventionen Klee (2001) berichtet vom Erfolg einer psychiatrischen Sprechstunde im Angebot La Strada/AIDS-Hilfe Frankfurt, wo eine Fachärztin aus dem Bürgerhospital in Frankfurt in der Konsiliarpsychiatrie beschäftigt ist. Hier werden seelische Notstände (wie Psychosen, Suizidalität) aufgenommen und es erfolgen entsprechende Beratungen. Diese niedrigschwellige Anlaufstelle kann als Grundlage psychiatrischer Akutinterventionen bei psychischen Problemen (Phobien, Wahn) sowohl während des Konsums, als auch in den Zwischenphasen genutzt werden (depressive Phasen; vgl. Degwitz/Verthein 2001, 176). 4.4.6. Wohnangebote Wohnen, und vor allem betreutes Einzelwohnen soll einen Abstand zur Drogenszenen schaffen, einen Ort bieten an dem entspannt werden kann. Einige befragte Personen machen den Vorschlag Wohnungen anzumieten, möglicherweise auch in Form von Wohngemeinschaften einzurichten, die eine Rückzugsmöglichkeit und Beruhigung darstellen könnten. Unterschiedliche Konzepte gibt es über die Formen und Intensität der Betreuung, sowohl in medizinischer, als auch in sozialarbeiterischer Sicht. Grundlage für den Seite 42 Einzug in solche Wohnung könne die Substitution darstellen. Werner Heinz sieht in den gegenwärtigen drogenfreien Therapien klassischen Stils die Qualität früherer Wohngemeinschaftsformen von drogenfreien therapeutischen Gemeinschaften verloren, die weniger professionell geführt und begleitet, als vielmehr den Anteil von Selbsthilfe als Lebens- und Wohngemeinschaft betont haben. Er denkt darüber noch dass die Anwesenheit/Bereitschaft eines Mediziners in diesem stationären Krisenzentrum eine große Bedeutung erhält. Hier kann ggf. auch ein Entzug durchgeführt oder vermittelt werden. Zu denken ist auch daran, dass andere Entzugsformen mit innovativen Möglichkeiten (wie z.B. CIKADE, siehe Heudtlass 1997) eingerichtet werden. Die MitarbeiterInnen des CSP-Projektes in Frankfurt würden ein Modell des ambulante betreuten Wohnens mit einer Form von mobiler Betreuung favorisieren. Denkbar wäre die Anmietung von 3-4 Wohnungen, als Optionen zur Belegung mit Crack-KonsumentInnen und der individuellen, persönlichen Betreuung. Dazu haben sie haben positive Erfahrungen mit dem Anmieten von Hotelzimmern außerhalb des Bahnhofviertels bzw. der Drogenszenen gemacht, wo obdachlose Jugendliche zunächst untergebracht werden können. Dies ist insbesondere für Jugendliche eine probate Lösung, die ‚auf der Kippe stehen’ und bereit sind ihren Konsum zu verändern. In einigen Fällen wurde ein deutlicher Rückgang des Konsums festgestellt. Andere therapeutische Erfordernisse ergeben sich für Crack-KonsumentInnen mit sozial höherer Integration und einer primären Kokainabhängigkeit, etwa als klassische Kokain-Sniefer. Hier existieren bereits Kliniken, die ambulante Therapien anbieten. Strukturierte Beratung, medizinische Untersuchungen, Informationsweitergabe und verhaltenstherapeutische Modelle oder/und ambulante Rehabilitation (nach der Empfehlungsvereinbarung). Wobei eine Erfahrungssatz zu sein scheint, dass Sniefen vermehrt in das Konsummuster des Crack-Rauchens übergeht. Für diese Gruppe sozial (noch) integrierter besteht nach Ansicht von Werner Heinz ein wachsender Hilfebedarf, der in der Suchtpolitik noch nicht genügend Eingang gefunden hat. Eine niedrigschwellige Form des Wohnens könnten Übergangswohnungen sein, die zunächst erst mal die Wohnsituation stabilisieren ohne weitere Ansprüche als eine Form von ‚Zwischenlösung’. 4.4.7. Vernetzung Um dem vielschichtigen Problem Crack-Konsum angemessen begegnen zu können, ist zunächst auf kommunaler Ebene ein hoher Grad an Vernetzung nötig. In Frankfurt und Hamburg bestehen sowohl auf der Ebene der Kommunikation der Träger und verantwortlichen Behörden untereinander Austauschmöglichkeiten über Hilfemöglichkeiten. Doch trotz in Frankfurt vorhandenem dichten Netz von Konsumräumen, Notschlafstellen, Tagesruhebetten für Crack-Konsumenten (z.T. räumlich eng angegliedert an Substitutionsambulanz bzw. Kontaktladen), medizinischer Notfallmaßnahmen, stationärer Vermittlungsmöglichkeiten (Entzug und Therapie) ist man dennoch etwas ratlos, wie genau Crack-KonsumentInnen geholfen werden kann. Ein Vorschlag von PraktikerInnen ist die Anwendung des Case-ManagementKonzeptes auf diesen Personenkreis (siehe nächstes Kapitel). Seite 43 4.4.8. Einzelfallhilfe und Case-Management Die Arbeit der ‚nachlaufenden Sozialarbeiter’ im Crack-Street-Projekt in Frankfurt und im Projekt Laufwerk in Hamburg verdeutlichen die Besonderheit verlässlicher und persönlicher Beziehungen zu (überwiegend jugendlichen) DrogenkonsumentInnen. Die Einzelfallhilfe sollte als personell durchgehende Hilfe und Begleitung für Crack-KonsumentInnen sowohl auf der Straße als auch in den Behandlungseinrichtungen gestaltet werden. Die Mitarbeiter könnten sich rekrutieren aus Mitarbeitern, die bereits in den Einrichtungen niedrigschwelliger Hilfe arbeiten (Entzug, Straßensozialarbeit). Ein einrichtungsübergreifender und interdisziplinärer Ansatz scheint von besonderer Bedeutung zu sein. Die Finanzierung dieser Arbeit ist jedoch außer in Zusatzmodellen bisher finanziell nicht zu leisten und ist als umfassende Behandlungsleistung auch nicht abrechenbar. Es zeigt sich, dass im oftmals komplexen Hilfeprozeß mehrere Institutionen unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt sind. Das Case Management stellt eine Methode dar, diese Hilfeprozeß rational und transparent zu steuern „...bei durchgehender Koordination und Kontrolle des Handelns der im Einzelfall Beteiligten. Integrierte Versorgung im Einzelfall ... Das Fallmanagement überbrückt den fragmentarischen Charakter einzelner Behandlungen, Hilfen, formeller und informeller Dienstleistungen, stellt den Zusammenhang mit der persönlichen und familiären Lebensführung eines Betroffenen her und bewerkstelligt mit ihm zusammen nach Möglichkeit einen effektiven Behandlungs-, Unterstützungs- und Eingliederungsverlauf“ (Wendt 2001, 61). Aus dem vom BMG geförderten fünfjährigen Versuch des Case Managements für chronisch mehrfach beeinträchtigte Abhängige kann abschließend geschlossen werden, „ ...dass das Kernelement von Case Management, die Hilfeplanung, ein geeignetes System für umfassende Planung und Klientenbeteiligung sowie die fallbezogene Steuerung und Abstimmung von Hilfen darstellt“ (Schu 2001, 65). Allerdings merkt Martina Schu als wichtige Erkenntnis aus dem Modellprojekt auch an, dass ein verändertes Selbstverständnis der Helfer nötig ist, traditionelles eher angebotszentriertes Professionsverständnis überwiegt und diesen neuen Ansatz z.T. blockiert. Der Ansatz des Case Managements kann mit dem jüngst entwickelten Verfahren der „Motivierenden Beratung“ in der HelferIn-KlientInnen Beziehung gekoppelt werden (Schmid/Vogt 2001, 73ff). 4.4.9. Anlaufstellen für die Zielgruppe jugendlicher Crack-KonsumentInnen In Hamburg existieren mehrere Angebote für Jugendliche unter 18 Jahren, wo das Thema Crack auch eine bedeutende Rolle spielt: Basis e.V. und KIDS. 4.4.10. Hilfen für die Zielgruppe der Substituierten Die Verbreitung des Kokain - und in Frankfurt und Hamburg – vor allem des CrackKonsums unter Substituierten ist erheblich. Dworsky (2001) spricht von einer Verbreitung von 40% unter den psychosozial betreuten Substituierten für Hamburg. Heinz (1999) beobachtet, dass das Rauchen von Crack das primäre Seite 44 Beigebrauchsmuster bei Substituierten darstellt. Daten aus den empirischen Studien in Frankfurt und Hamburg belegen diese Beobachtungen (siehe Kapitel 3.1.). Auch für Hannover stellt Kokain-/Crackkonsum bei Substituierten ein ernstes Problem dar (Café Connection 1999, 19). Das bedeutet, dass die Behandlungsergebnisse mit dem Ziel der psychosozialen Stabilisierung massiv durch den Crack-/Kokainkonsum in Frage gestellt werden: gesundheitliche Risiken (Infektionsrisiken durch ungeschützte sexuelle Kontakte, Kontaktabbrüche bestehender Behandlungen (HIV, psychosoziale Betreuung) soziale Verelendung (Verwahrlosung, Verschuldung), juristische Probleme durch vermehrte Beschaffungskriminalität und –prostitution sind die unausweichliche Folgen. Heinz (1999, 4) schlägt den Ausbau von stationären Übergangseinrichtungen für Substituierte vor, die eine Unterstützung bei der Orientierung und Stabilisierung zum Ziel haben. Die Begründung liegt in der Tatsache, dass Substituierte aus ambulanten Zusammenhängen herausfallen, da sie den geforderten Wandel der Lebenssituation nicht erreichen. Ein Abbruch der Substitutionsbehandlung aufgrund eines Crack-Konsums kann bedeuten, dass eine wichtige Brücke zum medizinischen/psychosozialen Hilfesystem zerstört wird. Deshalb ist es wichtig, über die Substitution eine Anbindung zum Arzt bzw. psychosozialen MitarbeiterInnen zu erhalten. 4.4.11 Peer involvement-Strategien Um lebensweltnahe Präventions- oder Beratungs-/Behandlungsarbeit für DrogennutzerInnen machen zu können, wird es zunehmend wichtig DrogengebraucherInnen, Vertreter der Szenen stärker in fachliche Debatten und praktische Arbeit, in Präventionskampagnen mit einzubeziehen. Ihr Wissen, ihre Expertise und Kompetenz kann für eine Ansprache und eine Vermittlung von Botschaften genutzt werden. Es ist eine Methode, den subjektiven Sinn, die Funktion des Drogenkonsums und die gesundheitlichen Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen in ihren Lebenswelten wahrzunehmen oder zu verstehen. Für die Präventionsebene und aus einer professionellen Perspektive bedeutet das, die Entwicklung von peer-involvement-Strategien, die einen Einbezug von CrackKonsumentInnen zulassen voranzutreiben, um die ‚Risikokompetenz‘ der DrogennutzerInnen anzusprechen und die Beratungskompetenz der professionellen HelferInnen zu stärken. Bislang ist kein Praxismodell bekannt, wo ehemalige Crack-KonsumentInnen in die Drogenszenen gehen, um Aufklärungs- und Kontaktarbeit zu leisten. Da es sich oftmals um schwer zugängliche Populationen handelt, scheint diese Arbeitsweise jedoch durchaus erwägenswert. Insbesondere weil man mit peer-involvement Strategien glaubwürdige Botschaften unter alters-, geschlechtsund kulturspezifischen Gesichtspunkten vermitteln kann. 4.4.12 Fortbildungs- und Ausbildungsbedarf De-Eskalations- und Anti-Gewalttraining haben in Frankfurt20 einen hohen Zuspruch gehabt. Es gab eine hohe Nachfrage und Teilnahme von Seiten der Mitarbeiter niedrigschwelliger Drogenhilfeträger, Seit November 2000 Berichte über Gewalt 20 durchgeführt durch das Hamburger Institut für Drogen und AIDS/Hamburg Seite 45 zurückgegangen, De-Eskalation, andere Sicht auf das Gewaltverhalten einiger DrogenkonsumentInnen. Gewalt wird danach nicht nur ausschließlich dem CrackKonsum ursächlich zugeordnet, sondern auch Gewaltvorkommen auf der Szene insgesamt gestiegen, polizeiliche Verfolgung, natürlich auch Verelendung durch einen multiplen Drogenkonsum ohne Schlaf, hohe Erschöpfung und Stress. Eine Qualifizierung für Ärzte, Verbesserung der Früherkennung für Ärzte und Sozialarbeiter, sowie Fortbildung Vermittlung der Besonderheiten von Kokain/Crackgebrauch bzw. –abhängigkeit, Umgangs- und Behandlungsformen bei Kokainabhängigkeit, Erste-Hilfe bei Kokain-/Crack-Notfällen ist dringend geboten. Weiter Angebote um MitarbeiterInnen in niedrigschwelligen Einrichtungen im Umgang mit den Folgen des Crack-Konsums zu unterstützen hat HIDA (Hamburg, Träger: Jugend hilft Jugend) entwickelt: • • • • • Stoffkunde und Infektionsrisiken Akupunktur als unterstützende Maßnahme Umgang und Arbeit mit aggressiven Kindern und Jugendlichen Individuelle Arbeitsansätze mit Crack-Usern Anti-Aggressions- und De-Eskalationstraining Kennzeichnend sind paranoide Zustände (wie in Tabelle 2), Reizüberflutung und psychotische Zustände. Das erfordert laut Drogentherapeut Herbert Villhauer Fort/Weiterbildung in Problematiken der Doppeldiagnosen. 4.5 Crack-Konsum in niedrigschwellig organisierten Angeboten der Akzeptierende Drogenarbeit: Probleme und Umgehensweisen Eine wirksame Hilfe für Crack-KonsumentInnen erfordert intensive Beschäftigung mit dem Einzelfall. Gruppenangebote, wie traditionell in der Suchtkrankenhilfe verankert scheinen nicht geeignet, die komplexe soziale und gesundheitliche Problematik der KonsumentInnen adäquat bewältigen zu können. Zudem ergeben Gruppenangebote Dynamiken, die sich eher störend als hilfreich auf die Gruppe auswirken. Die einzelfallorientierte Arbeit macht eher Strategien des Case-Managements (s.o.) notwendig als die traditionelle offene (Gruppen-)Arbeit mit DrogenkonsumentInnen. Die Finanzierungsfrage des Case-Managements ist für jugendliche CrackRaucherInnen mit dem Instrument des KJHGs einfacher zu bewältigen, als mit den nicht-personengebundenen kommunalen oder Landes-Zuweisungen. Aufgrund der Nähe von Konsum und Handel funktioniert die Abgrenzung der Hilfe und Szene immer weniger, das heißt, dass insbesondere in den großen Kontaktläden in den Metropolen Frankfurt und Hamburg, diesen traditionellen Ausschluß von Szene und Szeneverhaltensweisen, die Setzung der Hilfeeinrichtung als Kontrapunkt zu der Dynamik der Drogenszene nicht mehr vollständig oder nicht mehr im beanspruchten Sinn einer ‚Schutzfunktion’ umgesetzt werden kann. Damit einhergehend verlieren diese großen Angebote eine solidarisierende Funktion als Einrichtung ‚der von der Prohibition Betroffenen’. Eine deutlichere Grenzziehung von Hilfe und Hilfesuchenden ist nötig geworden: Mit verstärktem ordnungspolitischen Vorgehen und höherer (Verhaltens-)Kontrolle der KlientInnen verliert die akzeptierende Drogenarbeit ihre ‚weiße Weste’ als reine Unterstützungseinrichtung für die Interessen der BesucherInnen. Konsumräume sind nicht mehr ‚Szeneräume’, wobei es eine Auffassung von ‚rechtsfreien Räumen’ nie gegeben hat. Besonders in Seite 46 den Großstädten wird deutlich, daß die Hilfeeinrichtungen von den NutzerInnen wie selbstverständlich als Teil des Drogenhilfesystems angenommen werden und nicht länger eine hohe Identifikation mit (innovativen) Projekten (wie Konsumräumen) besteht. Der Prozeß der Durchsetzung drogenpolitisch brisanter Projekte wird entweder nicht mehr begleitet, wird nicht verstanden (u.a. weil die NutzerInnen aus anderen Kulturen stammen), oder es ist bereits eine andere, jüngere Generation, die die Implementationsphase nicht miterlebt hat. Vor diesem Hintergrund werden solche niedrigschwelligen Angebote genutzt, wie alle anderen Angebote der Basisversorgung. Die Problematik des Crack-/Kokain-Konsums offenbart die Notwendigkeit der niedrigschwelligen Drogenhilfeträger, Grenzen zu formulieren und sie auch klar durchzusetzen. Crack-Rauchverbote, Hausverbote, Schließung von offenen Bereichen, Ausgabe von Identitäts- oder BesucherInnenausweisen, Anstellung privater Wachdienste an den Eingängen zu Kontakt- und Anlaufstellen, sind dabei Reaktionen auf die neuen Entwicklungen, um die Angebote überhaupt noch halten zu können – sowohl drogenpolitisch, als auch nachbarschaftlich. Die Akzeptanz der Einrichtungen ist nicht grenzenlos, sondern die unmittelbare Nähe von CrackKonsum und Handel erfordert klare Leitlinien für jede Einrichtung. Die niedrigschwelligen Einrichtungen in den betroffenen Städten Frankfurt, Hamburg und auch Hannover, insbesondere jene mit Konsummöglichkeiten, leiden erheblich unter dem oftmals gestörten Sozialverhalten einiger ihrer Besucher. Beispielhaft ausgewertet wurden die besonderen Vorkommnisse des Kontaktladens (mit Notschlafstelle und Konsumraum) „La Strada“, der AIDS-Hilfe Frankfurt für den Zeitraum vom 1.5.200-30.4.2001. Deutlich wird hier die hohe Zahl von Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Übergriffen gegenüber MitarbeiterInnen und Belästigungen, Schlägereien und Bedrohungen der Klienten untereinander. Allerdings ist dieses Bedrohungspotential auch mit besonderen Maßnahmen offenbar zu reduzieren (Personalverstärkung, De-Eskalation etc. AG Crack 2001) Für diese Situation von Gewalt, Regelverletzung und Übergriffigkeit gibt es sicherlich eine ganze Reihe von Ursachen die sich hier kumulieren. Kokain-/Crack-Konsum selbst, der pharmakologische Faktor, ist nur einer dieser Gründe. Die Folgeerscheinungen des Konsums, die Auswirkungen der Repression, die zunehmende Aggression der Betroffenen untereinander vor dem Hintergrund einer sozialen und gesundheitlichen hohen Verelendung bilden die Grundlage für ein oftmals gestörtes Verhalten der KonsumentInnen. Vorschläge zum Umgang mit Crack-KonsumentInnen gehen in Frankfurt dahin, die letzten zehn Jahre Versorgungsarbeit einer inhaltlichen Inventur zu unterziehen. Nach Meinung eines Praktikers sollte man sich angesichts des „Crackproblem“ wieder auf Überlebenshilfe und Deckung der Grundbedürfnisse konzentrieren. Allerdings mit der Intention den Aufenthalt auf der Szene so kurz mit möglich zu halten. Außerdem solle auch wieder über Tabuthemen, wie z.B. Zwangseinweisungen, diskutiert werden. Werner Heinz (jj) gibt zu bedenken, dass alle institutionellen Angebote immer auch unerwünschte Nebeneffekte verursachen. Das beste Beispiel sei das „Lernen am Modell“ in Konsumräumen oder anderen Einrichtungen der Drogenhilfe. Seite 47 Doch initialer Zwang für extrem selbstschädigende Verhaltensweisen? Die MitarbeiterInnen des CSP-Projektes in Frankfurt sind skeptisch angesichts des Vorschlags einer geschlossener Unterbringung in der Jugendhilfe. Erfahrungen zeigen, das Jugendliche nach kurzer Zeit wieder auf der Szene auftauchen und schlechter erreichbar sind, weil sie sich illegal dort befinden und sich als ‚abgehauen aus dem Heim’ erleben. Möglicherweise wird auch das Vertrauen zur Drogenhilfe geschmälert oder gestört. Die Drogenhilfe wird, so die Einschätzung des Leiters des Konsumraumes Niddastr. Josh Steinmetz, z.T. nicht mehr wahrgenommen: Früher habe man die Szene mit begleitenden Angeboten flankiert, heute ist die Szene ‚überdacht’. Offene Szenen außerhalb ergeben sich zumeist nur noch vor den jeweiligen Drogenhilfeeinrichtungen. Dies führt oftmals zur Auffassung dort würden ‚rechtsfreie Räume’ bestehen. 4.6 Diskussion: Neue Angebote modifizieren? Hilfeangebote einrichten und/oder vorhandene Diese Frage beherrscht die Suche nach neuen Möglichkeiten in der Hilfe für CrackKonsumentInnen, so etwa den ‚Fachrat der ambulanten Drogen- und Suchthilfe’ in Hamburg. Zunächst muß gefragt werden, ob sich die Crack-KonsumentInnen als homogene Gruppe fassen lassen, für die Spezialangebote eingerichtet werden sollen. Die Erfahrungen zeigen, dass es sich eher um eine heterogene KonsumentInnenpopulation handelt die überdies durch vielfältige soziale, gesundheitliche und rechtliche Problemlagen gekennzeichnet ist. Eine ausschließliche Crack-Konsumentengruppe scheint so gut wie gar nicht zu existieren, hingegen werden immer andere Konsumpraktiken mitbenannt. Zudem, so Josh Steinmetz von der integrativen drogenhilfe Frankfurt, vollziehen KonsumentInnen häufig Wechsel im Selbstbild und der (Konsum-)Identität, sozusagen Umdefinitionen vornehmen. Welche Einwände gegen „Spezialangebote“ für crack-KonsumentInnen gibt es? a. Einrichtungen allein für Crack-KonsumentInnen würde eine Eigendynamik entwickeln, die einerseits kaum beherrschbar wäre und andererseits für die KonsumentInnen möglicherweise zur Verfestigung von Konsum und Konsummustern führen könnte. b. Für Einrichtungen dieser Art würde es schwer werden, MitarbeiterInnen zu finden. Die niedrigschwellige Drogenhilfe kann schon jetzt aufgrund von Personalnot kaum ihre Öffnungszeiten aufrechterhalten. c. In der Regel dominiert ein polytoxikomanes Konsummuster bei den CrackKonsumentInnen. Sie sind den Einrichtungen bereits bekannt. Lediglich das Setting und das Klima haben sich verändert. Durch konzeptionelle Änderungen in den Einrichtungen niedrigschwelliger Drogenhilfe sollte ein besser Umgang und Versorgung erreicht werden können. d. Die Nischenprojekte in der Drogenhilfe müssen zunehmend skeptischer betrachtet werden, da dies den Weg in die Normalität (ein Ziel der Bewegung akzeptierender Drogenarbeit) eher versperrt. e. Es geht hier eher um ‚Entschleunigung’, statt einen problematischen Konsum weiter zu bündeln und das Tempo der Nutzung zu erhöhen. Seite 48 Roth (1999, 108ff) weist noch einmal ausdrücklich auf die Schwierigkeiten hin, gemeinschaftlich nutzbare Angebote (Café, Wohn- und Übernachtungsstätten) für aktuelle Crack-KonsumentInnen einzurichten. Probleme können vor allem aus der inneren Dynamik, Aggressivität und dem Tempo in den Gruppen der CrackKonsumentInnen entstehen, die gemeinschaftliche Angebote eher zu vergrößern, denn zu vermindern vermögen. Seite 49 5 Ordnungspolitische Umgehensweisen in den Kommunen Die niedrigschwelligen Einrichtungen der Drogenhilfe, Kontakt-, Konsumräume, Wohn- und Übernachtungsprojekte sind auch Bestandteil kommunaler Ordnungspolitik. Die Auflösung oder Vertreibung von Drogenszenen ließ sich oftmals nur mit Hilfe des Vorhandenseins von niedrigschwelligen Drogenhilfeangeboten rechtfertigen. Der Erfolg dieser Maßnahmen ließ sich oftmals daran festmachen, inwiefern die DrogenkonsumentInnen von der Straße verschwunden waren (Klee 1994). 5.1. Dialog zwischen Drogenhilfe und Polizei Es scheint, als ob mit dem Auftreten von Crack die Drogenhilfe und die Polizei in den Kommunen stärker miteinander kooperieren und kommunizieren. War die Beziehung in den vergangenen Jahren eher von Mißtrauen geprägt und sogar als feindselig charakterisiert worden, so scheint sich über das Phänomen Crack eine Annäherung ergeben zu haben. Der Drogenhilfe scheint es oftmals willkommen zu sein, dass der aggressive Handel insbesondere im Umfeld ihrer Hilfeeinrichtungen von der Polizei gestört wird, um nicht die Behandlungserfolge „vorn“ durch die aggressiven Handelsauftreten der Dealer „hinten“ wieder zunichte machen zu lassen, so ein Drogenberater. Umgekehrt weiß die Polizei, dass die Drogenhilfe die einzige Instanz ist, die in dieser schwierigen Lage überhaupt Hilfen anbieten kann. Der Stellenwert der Repression in dem kommunalen Drogenhilfestruktur hat sich mit dem Aufkommen von Crack-Konsum, zumindest in den Metropolen Frankfurt und Hamburg verändert. Drogenkonsum in und um die Einrichtungen, aber auch gewaltsame Auseinandersetzungen innerhalb der Einrichtungen haben sowohl in Frankfurt als auch in Hamburg zu einem verstärkten Dialog von Drogenhilfeeinrichtungen und der Polizei geführt. Sei es, dass dies in institutionellen Bahnen in den „Montagsrunden“ in Frankfurt passiert, oder Einzelfallabsprachen sind. Es gilt schlichtweg aus ordnungspolitischen Erwägungen die Akzeptanz der Einrichtungen in der Bevölkerung zu erhalten bzw. erst zu erreichen. Der offene Konsum vor den Einrichtungen der niedrigschwelligen Drogenhilfe löst in der Regel eine Auseinandersetzung über das Vorgehen von Hilfeintervention und Repression aus. Eher stillschweigend wird auch von Therapeutenseite die Ansammlung von aggressiv vorgehenden Dealern vor Einrichtungen der Drogenhilfe (etwas psychosoziale Betreuung Substituierter) betrachtet. Polizeipräsenz ist oftmals hier der Garant dafür, dass nicht bereits beim Verlassen der Einrichtung Crack-/KokainVerkäufer Kontakt zu den Substituierten aufbauen. Die vor ca. 10 Jahren vorhandene bedingungslose Distanzierung der Institutionen von Hilfe und Kontrolle ist einer lokalen, kommunalen Diskussion um Krisenmanagement gewichen, oftmals vor dem Hintergrund der Gewissheit, dass keine der beiden Instanzen mehr alleinige Kompetenz in der Lösung des „Drogenproblems“ beansprucht. Zu vielschichtig erscheint das Problem von Vorgehen der Angebotsseite und den Problemen der potentiellen Nachfragegruppe. Torsten Seeland (2001), Leiter der Revierwache 11, St. Georg, Hamburg, schlägt die Einrichtung sog. polizeilicher „Milieubeamter“ vor, die einen Dialog zwischen Drogenhilfe und der Polizei führen sollen, und die in Hamburg im Einsatz sind, aber Seite 50 nicht eine Lösung für das gesamte Crack-Problem darstellen können. Er berichtet auf der Tagung „Crack - Stein(e) des Anstosses (16.5.2001) davon, dass die Hamburger Polizei Versuche durchgeführt hat, mit weniger Polizeipräsenz (sowohl von zivil- als auch von uniformierten BeamtInnen auf dem Hansaplatz in St. Georg/Hamburg) eine De-eskalation durchzuführen, was aufgrund der Massierung von Dealern auf dem Hansaplatz bereits nach wenigen Tagen abgebrochen werden musste. Seite 51 6 Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse Kokainkonsum nimmt in ganz Europa und auch in Deutschland seit den 90er Jahren deutlich zu. Etwa 2,5% der Erwachsenen (18-59 Jahre) besitzt Konsumerfahrungen und etwa 1,5% konsumieren aktuell (bei den 18-34-jährigen: 4%). „Der missbräuchliche bzw. abhängige Konsum von Kokain ist als Hauptdiagnose in ambulanter Betreuung am dritthäufigsten vorzufinden. Hier liegt der Anteil von Kokainhauptdiagnosen bei ca. 8%, in stationärer Suchtbehandlung mit ca. 7% im gleichen Größenbereich (vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2001). Die Zahl der polizeilich ermittelten Fälle im Zusammenhang mit Kokain ist im Jahre 2000 zurückgegangen (um 12,3%), ebenso wie die polizeilich festgestellten erstauffälligen KokainkonsumentInnen. Die polizeiliche Beschlagnahmungsmenge von Kokain ist im Jahre 2000 sogar um 54% zurückgegangen. Gegenwärtig liegt der Anteil der Behandlungen in Beratungs- oder Therapieeinrichtungen aufgrund einer Crack-Problematik bei 2,4% (etwa 250-300 Personen). „Der missbräuchliche bzw. abhängige Konsum von Kokain ist 1999 als Hauptdiagnose in ambulanter Betreuung am dritthäufigsten vorzufinden und liegt bei 7% ... Es liegen etwa 6 Mal so viele Einzeldiagnosen wie Hauptdiagnosen vor. Dies bedeutet, daß Kokain von den Klienten meist im Beikonsum verwendet wird. (DBDD, 134). Bei den Einzeldiagnosen zu Crack bei Personen in ambulanter Betreuung ergibt sich seit 1996 eine Zunahme (von 205 im Jahre 1996 bis 415 im Jahre 1999; vgl. DBDD 2000). Diese KonsumentInnen-, Beratungs-, Behandlungs- und Polizeidaten liefern insgesamt ein widersprüchliches Bild: Die offizielle, statistische Seite bildet die auf der Praxisebene vor allem in den Großstädten Hamburg und Frankfurt beobachtete Entwicklung in den Drogenszenen auf der Straße (noch) nicht ab. Auch wenn die polizeilich dokumentierten Zahlen im Moment stagnieren, die Zahl der wegen Crack- und Kokainabhängigkeit in Behandlung befindlichen Patienten auch nicht gestiegen ist, so muß doch konstatiert werden, daß der Konsum von Crack Einzug gefunden hat in die Drogenszene – zumindest in den Metropolen Hamburg und Frankfurt. Dort, und auch in Hannover in Ansätzen erkennbar, ist der Crack-Konsum fest verankert und Bestandteil eines polyvalenten Gebrauchsmusters innerhalb der Drogenszene. Dies geschah nach einem längeren Prozeß eines vermehrten (i.v. – applizierten ) Konsums von Kokain, der bis Anfang der 90er Jahre zurückreicht. Trotzdem kann gegenwärtig nicht von einer Crack-Welle gesprochen werden, die über Deutschland schwappt. Deutlich wird, dass der Crack-Konsum nicht nur in Frankfurt und Hamburg seit mehreren Jahren massiert ist, sondern auch dort nur in bestimmten Szenen zu finden ist (bspw. in Hamburg nur in zwei Stadtgebieten: St. Georg und Schanzenviertel). Auch hat es trotz eines mehr als fünfjährigen CrackKonsums in den genannten Metropolen keine nennenswerte Ausdehnung auf die umliegenden Städte und Gemeinden gegeben. Zu fragen bleibt, ob Crack als ein Großstadtphänomen betrachtet werden muß, daß an bestimmte Voraussetzungen und Dynamiken gebunden ist, die nicht überall gegeben oder herstellbar sind. Seite 52 Dem vermehrten Konsum von Kokain in den Drogenszenen (i.v. Konsum als eigenständiges Konsummuster, als Cocktail, d.h. zusammen mit Heroin oder Benzodiazepinen), und das Auftreten von Crack in einigen Großstädten (Frankfurt, Hamburg und Hannover) in den letzten Jahren liegen folgende Dynamiken zugrunde: • Rauchbares Kokain entfaltet schnell seine Wirkung, es entsteht Hektik, Unruhe, Aggression durch Entzug und Neubeschaffung, d.h. die Drogenhilfe wird einerseits von diesem veränderten Tempo überrollt, d.h. Regeln, klare und konkrete Vereinbarungen über Grenzen und unerwünschtem Verhalten werden wichtiger denn je. • Informationen der Träger und einige empirische Studien (Frankfurt/Hamburg) deuten darauf hin, dass Crack-Konsum Bestandteil eines polyvalenten Drogengebrauchs einer gesundheitlich und sozial verelendeten Gruppe von DrogenkonsumentInnen geworden ist. Besonders in den Städten Frankfurt und Hamburg läßt sich diese Beobachtung empirisch untermauern. Wie groß die Zahl derjenigen ist, die ausschließlich Crack gebraucht, oder wie groß die Zahl der Neueinsteiger ist, die mit dem Konsum von Crack beginnen, ist unklar. Doch scheint es keine etablierten getrennten Drogenszenen zu geben, sondern der Crack-Konsum hat in der den Hilfeträgern und weitgehend auch der Polizei bereits bekannten DrogenkonsumentInnen Einzug gehalten. Es handelt sich oftmals um ältere KonsumentInnen: Das Durchschnittsalter in einige Untersuchungen in offenen Drogenszenen liegt bei den Männern etwa bei 30 Jahren, bei den Frauen etwas jünger. Es gibt aber offensichtlich nur eine kleine Gruppe von KonsumentInnen, die ausschließlich Crack nutzt und nicht früher oder später auch zu sedierenden Substanzen greift (Opioide/Methadon), Alkohol, Benzodiazepine). Crack als Hauptdroge wird nur von einem kleinen Teil der DrogenkonsumentInnen angegeben. Zu fragen ist, ob Crack überhaupt dauerhaft als präferierte Droge genutzt werden kann, ohne im Rahmen einer Selbstmedikation über kurz oder lang sedierende Substanzen einzusetzen. • Die Drogenhilfe muß sich deshalb in einer bestimmten Form dieser Geschwindigkeit anpassen und schnelle, unbürokratische Hilfen anbieten. Die Hilfen sind vom Kern oft ein Kontrapunkt zur erlebten Schnelllebigkeit des Rausches: Ruhe, Entspannung, Räume zum Ausruhen sollen die Hektik aufheben. • Es muß ein alters-, geschlechts- und kulturspezifischer Zugang zu der Zielgruppe der Crack-KonsumentInnen erfolgen, wenn man den Hilfebedarfen, Koordinationsanforderungen und besonderen Lebenslagen Rechnung tragen will. • Das bisheriges System der (niedrigschwelligen) Drogenhilfe war wenig einzelfallorientiert, d.h. Hilfen wurden oftmals im Gruppensetting angeboten (Kontaktladen mit 30 Plätzen etc.). In der Crack-Arbeit und v.a. mit Jugendlichen ist eine Einzelfallorientierung gefordert, d.h. ein individuelleres Arbeiten mit problematischen Drogenabhängigen. ‚Gruppenfähigkeit‘ ist hier das Ziel nicht Voraussetzung oder Ausgangspunkt der Hilfe. • Umstrukturierung von Hilfe im niedrigschwelligen Bereich: Konsum und Handel liegen noch enger zusammen als bei reinen HeroinkonsumentInnen. Folge des schnellen, häufigen Konsumierens ist, dass Handel und Konsum vielfach im Seite 53 Grenzbereich offener Einrichtungen liegen. Möglicherweise greift die BTmG – Veränderung zur rechtlichen Straflosstellung des Betriebs von Konsumräumen hier zu kurz. Und in den Bundesländer, die noch keine Verordnungen erlassen haben, tut sich nach wie vor ein rechtsfreier Raum auf. • Stationäre Drogenhilfeeinrichtungen bieten zwar eine breite therapeutische Palette, aber der Weg dorthin ist lang und die Haltekraft der Crack-NutzerInnen in diesen Einrichtungen gering. Auch hier müßte die Drogenhilfe aus der reinen Angebotsfunktion heraus kommen und mehr Angebote mit „zugehendem Charakter“ bzw. anderen Formen der Beziehungsarbeit entwickeln. • Die relativ geringe Zahl von Hilfesuchenden in ambulanten und stationären Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe kann seine Ursache darin haben, dass Kokainkonsum durchaus sozial integriert, polizeilich, gesundheitlich und (über weite Strecken) sozial unauffällig betrieben werden kann. Dies kann aber auch daran liegen, dass die klassischen Drogenhilfeangebote (Beratung und Behandlung) immer noch einseitig auf Heroin- bzw. MischdrogenkonsumentInnen ausgerichtet sind und wenig Expertise in der Behandlung Kokainabhängiger vorliegt und kommuniziert worden ist in den letzten 5-10 Jahren. Dies wird auch in anderen Ländern deutlich (bswp. Niederlande, siehe Boekhout van Solinge 2001, 94). Eine Verbreitung in kleineren Gruppen Jugendlicher, (jugendlicher) MigrantInnen, Prostituierten, Strichern und anderen randständigen Bevölkerungsgruppen, ist zwar in Hamburg und Frankfurt zu verzeichnen. Diese Gruppen gehen jedoch meist über kurz oder lang in der traditionellen Drogenszene aufgehen. Ein polytoxikomanes Gebrauchsmuster ist dann oftmals die Folge eines mehrjährigen Konsums im dritten Lebensjahrzehnt. Insbesondere in diesen Gruppen wird deutlich, dass „Steine rauchen“ bei den Jugendlichen mit einer trügerischen Sicherheit der Ungefährlichkeit wahrgenommen wird angesichts dem als „wirklich gefährlich“ eingestuften intravenösen Drogenkonsum. Hiervon grenzt man sich gerade über die differente Selbstwahrnehmung ab. Dieser fatale Irrtum bestätigt sich dadurch, dass lebensbedrohliche Assoziationen (wie eine HIV oder Hepatitis-Infektion, Überdosierung) mit dem „Steine rauchen“ nicht verbunden werden. Im Gegenteil: Über die in der Alltagspraxis gängige Applikationsform ‚Rauchen’ wird eher eine Bagatellisierung begünstigt und verstärkt. Crack-Konsum wird als weiches Konsummuster und als Abgrenzungsverhalten gesehen. Hier sind spezielle Interventionsstrategien nötig, die professionelle, persönliche, stabile und verläßliche Beziehungen nötig machen, ebenso wie den Einbezug von ‚Gleich-zu-Gleich‘ Strategien ehemaliger Crack-KonsumentInnen. In diesem Zusammenhang scheint es nötig, auch die individuellen Selbstkontrollstrategien mit den Zielen Selbstmedikation, Herunterdosieren und Ruhiger-Werden zu berücksichtigen und in die fachliche Arbeit einzubeziehen (s. Kapitel 4.4.11.). Insgesamt muß als ein Resultat unterschiedlichen Umgehens mit CrackKonsumentInnen festgehalten werden, dass es für eine medizinische und sozialtherapeutische Ansprechbarkeit und Hilfestellung wichtig ist, trotz mitunter schwierigen Verhaltens der Crack-gebrauchenden Personen mit wiederholten Seite 54 Beziehungsabbrüchen, die Brücken nicht abzubrechen. Denn durch einen Abbruch der Kontakte werden Möglichkeiten schneller, persönlicher Intervention vergeben. Egal ob es sich um ärztliche, sozialtherapeutische, harm-reduction oder einfach persönliche Kontakte handelt – all dies kann zu einer Fortsetzung des erhöhten Risikoverhaltens führen. Besonders problematisch ist die Situation der Crack-RaucherInnen, die sich in Substitutionsbehandlungen befinden. Die hohe Verbreitung von Kokain-/CrackBeigebrauch in den psychosozialen Betreuung sowohl in Hamburg als auch in Frankfurt zeigt, daß neben den gesundheitlichen und sozialen Verelendungen auch ein Herausfallen aus der Substitutionsbehandlung droht. Ob die Einrichtung stationärer Übergangseinrichtungen für Substituierte mit dem Ziel der Unterstützung bei der Orientierung und Stabilisierung eine angemessene Reaktion darstellt, oder/und ein besonderes Eingehen auf dieses Problemlage seitens der BetreuerInnen in der psycho-sozialen Betreuung, oder andere Maßnahmen (niedrigschwellige Substitution), muß ausführlicher diskutiert werden. Fest steht, daß über die Substitutionsbehandlung ein letzter Kontakt zum Hilfe-/Medizinsystem erhalten geblieben ist, der für das Angebot weiterer Hilfen von großer Bedeutung sein kann. Neue Haushaltsmittel wird es angesichts der meist schlechten Haushaltslage bei vielen Kommunen nicht geben. Zur Einrichtung neuer Präventions- und Behandlungsangebote müssen deshalb oftmals Geld- und Personalmittel umgeschichtet werden. Dies kann sich auch aus einer sich verändernden Drogenhilfesituation ergeben, in der das klassische Klientel, wie Mischdrogengebraucher mit erster Präferenz Heroinkonsum möglicherweise in den nächsten Jahren mehr und mehr ausbleibt. Angesichts der offensichtlichen Verelendung vieler Crack-KonsumentInnen in den beiden Metropolen Hamburg und Frankfurt scheint es unerlässlich, dass der Mangel an Koordination zwischen Praxis, Forschung, Polizei und Politik aufgehoben wird, und eine Zusammenschau aller Erkenntnisse und Daten erfolgt, die als Grundlage weiteren Vorgehens genutzt werden sollte. Insgesamt scheint die Bündelung von Kompetenzen mit Drogen befaßter verschiedener Institutionen von großer Bedeutung für eine angemessene regionale/lokale Reaktion auf „Crack“ bzw. Kokainprobleme zu sein. Die Einrichtungen von Arbeitskreisen und (Montags-)Runden, wie in den untersuchten Städten Hamburg und Frankfurt, zeigen, dass aus der träger- und institutionenübergreifenden Gesamtschau angemessene Vorgehensweisen, konzertierte Aktionen entwickelt werden können. Beispielhaft in Frankfurt sind eingebunden die Staatsanwaltschaft, Polizei, Sozial-, Gesundheits-, Schul- und Jugendbehörden (vgl. Frerichs 2001). Klee (2001) verweist allerdings auf den ‚Kommunalisierungseffekt der Drogenpolitik (Quensel), d.h. in den (beiden beschriebenen) Kommunen sind Kompetenzen im Umgang mit DrogenkonsumentInnen entwickelt worden, die als gewachsene Strukturen nicht ohne weiteres übertragbar sind. Trotzdem sollen im folgenden erste übergreifende Schlussfolgerungen entwickelt werden. Eine ‚Konzertierte Aktion’ auf Bundesebene könnte länderübergreifend einen intensiven Erfahrungsaustausch, darüber hinaus Erkenntnis- und Seite 55 Diskussionsprozeß im Rahmen einer gemeinsamen Fachtagung (‚Science Meets Practice‘) organisieren. Beteiligt werden sollten vor allem: Drogen- und Jugendhilfepraxis, Bundeskriminalamt, Forschung, Politik. Ziel einer solchen Veranstaltung sollte auch die Diskussion weiterer Vorgehensweisen sein (z.B. Früherkennung von Crack-Konsum auch in den Städten, die bisher keine oder wenig Hinweise mit diesem Phänomen haben). Eine Reduzierung auf das Thema „Crack“ blendet die sozialpolitischen Dimensionen von Armut, Verelendung und ggf. kultur- und geschlechterspezifischen (z.B. Umgang mit Autoaggression bei Frauen/Mädchen) Faktoren aus. Crack ist auch als Symbol einer Verelendung bestimmter Bevölkerungsgruppen v.a. sichtbar in den Großstädten zu betrachten. Die Rolle der Polizei ist im Zusammenhang mit der Verfolgung von CrackKonsumentInnen/HändlerInnen besonders problematisch. Einerseits hat die Polizei die Aufgabe der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, d.h. die Verfolgung der HändlerInnen und der Verhinderung des Handels und Konsums (v.a. in der Öffentlichkeit). Die Beweissicherung für die BeamtInnen ist besonders schwierig, weil es sich um extrem kleine Einheiten handelt, die schwer sicherzustellen sind. Der Einsatz von Brechmitteln zur Beweissicherung ist zudem nicht unumstritten und auch nicht immer von Erfolg gekrönt. Ausländerrechtliche Fragen, Probleme der Identitätsfeststellung und die Straflosigkeit bzw. Einstellung von Verfahren angesichts der „geringen gefundenen Mengen“ im CrackHandel/Konsum sind nicht gerade motivationsfördernd. Wie bei kaum einer anderen Droge fallen auf der Straßenhändlerebene Handel und Konsum in einer Person zusammen, d.h. die Händlerseite ist nicht mehr klar abgrenzbar und die polizeiliche Verfolgung muß sich notwendigerweise auf die KonsumentInnen richten und erreicht das letztes Glied in der Kette. Das führt natürlich zu einem hohen Grad an polizeilicher Verfolgung bei den KonsumentInnen, deren gesundheitlicher, sozialer, finanzieller Stress noch durch die ständige Angst vor Strafverfolgung, Platzverweisen etc. erhöht wird. Andererseits ist eine polizeiliche Präsenz und Ermittlungsarbeit unumgänglich. Erfahrungen in Hamburg mit einer reduzierten Präsenz haben zu einer raschen Zunahme auf der Angebotsseite geführt. Therapeuten beklagen zudem, dass Dealer sehr aggressiv vor den Drogenbehandlungseinrichtungen (Substitution) um Kunden werben und die Ergebnisse psychosozialer Behandlung und Beratung in Frage stellen, wenn der Crack-Verkauf vor den Türen stattfindet. Insofern hat sich in Ansätzen eine neue, wenn auch noch nicht explizit ausgesprochene, Beziehung zwischen Drogenhilfeeinrichtungen und Polizei in beiden Metropolen entwickelt, mit dem gemeinsamen Ziel des Kontaktes und der Hilfe zwischen Repression und Verelendung. Case management als strukturierende, systematische Hilfeplanung, persönliche durchgehende Hilfe, die zudem noch interdisziplinär angelegt und mit relevanten Hilfeinstitutionen vernetzt ist, versprechen Aussicht auf flexible und unbürokratische Antworten auf die Herausforderungen durch den Anteil von KokainraucherInnen in den Drogenszenen. Alters-, Geschlechts- und Ethnospezifik sind dabei zu berücksichtigen. Seite 56 7 Fragestellungen für zukünftige Forschungstätigkeit Im Zusammenhang mit Crack-Konsum in verschiedenen Szenen (klassische Opiatszene, Jugendliche (Experimentierer), MigrantInnen besteht eine Reihe offener und dringender Forschungsfragen (Degkwitz/Verthein, 2001, 176). Der Forschungsbedarf ist insbesondere bei den persönlichen Befragungen der Schlüsselpersonen erkennbar geworden. Die folgenden Fragestellungen können als grundsätzliche Forschungsfragestellungen betrachtet werden. Dabei ist grundsätzlich und zunächst erst einmal festzustellen, daß Befragungen möglich sind (Thane/Thiel 2000), eine Tatsache, die von manchen angesichts des hektischen und problematischen Lebensstil für äußerst schwierig gehalten wurde. Neben einer quantitativ ausgerichteten Bestandsaufnahme von Herkunft, Zugehörigkeit und demographischen Faktoren der KonsumentInnen, deren Inanspruchnahme von Hilfen, sollten aber auch eher qualitativ, ehtnographisch orientierte Zugangswege beschritten werden, um mehr Erkenntnisse über individuelle Verhaltensmuster, Kontrollstrategien, Bewertungen von bestehenden und Wünsche nach weiteren Hilfeangeboten und subjektive Befindlichkeiten zu erhalten. Erst über diesen Weg so zeigt die informative Arbeit von Boekhut van Solinge (2001) aus den Niederlanden, kann die subjektive Bedeutung des Freebase-/Crack-Konsums mit all seinen Dynamiken und Brüchen eher verstanden werden. Einige der aus dieser Bestandsaufnahme gewonnenen Forschungsfragestellungen seien hier stichwortartig aufgeführt: • Wie kann der Zugang zu suchtspezifischen Hilfen bei Kokain-/CrackKonsumentInnen weiter optimiert werden (vgl. auch Tossmann/Götz/Tensil 2000, 22)? • Im Rahmen der Originalstoffvergabe der wissenschaftlichen Arzneimittelstudie wird zu prüfen sein, inwieweit der Kokain- und Crack-Konsum bei Erhalt von Heroin reduziert wird, und ob sich der hohe Rückgang in der Schweizer Studie zur Originalstoffvergabe bestätigen lässt. Dies ist insbesondere auch interessant für die Methadonempfänger, die einen nicht unerheblichen Teil der Crack-KonsumentInnen stellen. • Geschlechtsspezifische Aspekte und Besonderheiten des Crack-Konsums im Rahmen des von Hilfeträgern oft beobachteten autoaggressiven Verhaltens (bei Mädchen und Frauen) und nach außen gerichteten aggressiven Verhaltens (bei Männern). • Migrations- und kultur- und jugendspezifische Aspekte beim Crack-Konsum vor dem Hintergrund geringerer Gefahreneinschätzung gegenüber i.v. Applikationsformen Dies geht einher mit den neuen Zielsetzungen des Bundesministeriums für Gesundheit (Suchtbericht 2000), in dem ausdrücklich auf gesundheitsabträgliche Drogenkonsummuster von jungen Aussiedlern hingewiesen wird. Diese Gruppe wird durch die gegenwärtigen Hilfsangebote nur unzulänglich erreicht. „Ein deutliches Alarmsignal ist die um das Vierfache gestiegene Zahl von Drogentodesfällen unter jungen Aussiedlern“. (Suchtbericht der Bundesdrogenbeauftragten 2000). Seite 57 • Vor- und Nachteile des Wirkungserlebens und der Selbstkontrollmuster, um die Bedeutung, den Sinn und die Funktion von Crack-Konsum verstehen zu können • Ist Crack-Konsum als eigenständiges Konsummuster zu betrachten, oder als Übergangsphänomen in einen (Misch-)Drogenkonsum? • Welche Risikobewertung des Cracks nehmen einzelne KonsumentInnen vor. Einige Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass „Steine rauchen“ eher verharmlost wird und als „gesündere Alternative zum i.v. Konsum jeglicher Art betrachtet wird. Welche safer-use - Materialien lassen sich entwickeln, die sich speziell an die Zielgruppe der Jugendlichen richten? • Die Angebotsseite muß stärker erforscht werden, um Praktiken und Dynamiken des Marktes, und regionale Begrenzungen des Crack-Angebots und -konsums zu erklären. Wichtig ist die Vernetzung mit der Entwicklung des Kokainmarktes. Wie verändert das Angebot die Konsumformen und – frequenzen. Welche Auswirkungen hat die Reduktion des Pulverkokainangebotes auf den Einstieg in den Konsum rauchbaren Kokains? Lassen sich Motive auf der Produzentenseite ausmachen, das Angebot künstlich zu verknappen um den gewinnbringenderen Crack-Handel auszudehnen („Das Angebot bestimmt die Nachfrage“?)? Wie hat sich der Verkauf durch minderjährige Verkäufer entwickelt, wie ist die Abschiebepraxis? • Wie haben sich die kokain-/crackbedingten Not- und Todesfälle entwickelt? • Welche Anforderungen in Fort- und Weiterbildung stellt dieses Phänomen an die HelferInnen (Diagnostik, Doppeldiagnosen, De-Eskalationstraining etc.)? Seite 58 8. Literatur AG Crack (2001): Protokoll des Treffens v. 14.2.2001 akzept e.V. (2001): Pers. Mitteilung (9.3.2001) Amendt, Günter (1987): Der große weiße Bluff. Die Drogenpolitik der USA. Eine Reportage. Hamburg Barrio G.; Fuente L.; Royuela L.;, Diaz A.: Rodriguez-Artalejo F. 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(2001): Pauluskerk in Rotterdam – ein niedrigschwelliges Hilfsangebot für DrogenkonsumentInnen. Schriftl. Fassung des Vortrages m 20.6.2001 auf der Fachtagung ÜberLEBEN in Drogenszenen v. 18.-20.6.2001 in Nürnberg WALK MAN (1999): Arbeitsbericht, Herbst 1999. Kommunale Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Frankfurt am Main. – 57.C08 Weimer, J. (2001): Pers. Kommunikation 3/2001 Seite 63 Welsch, K. (2001): Pers. Mitteilung 13.6.2001 Wendt, W. R. (2001): Case Management: Prozess-Steuerung und Koordination in der Arbeit mit Abhängigen. In: Suchttherapie 2, H. 2/2001, S. 61-64 Zamory, P. (2001): Eröffnung der Tagung „Crack – Stein(e) des Anstoßes“ am 16.5.2001 in Hamburg, veranstaltet von der GAL – Fraktion 9. Anhang 9.1. Zum Umgang und Behandlung von Crack-KonsumentInnen Informationsbesuch in Rotterdam/Amsterdam und London (K.-J. Lange21) 9.1.1. Beschreibung Rotterdam der besuchten Einrichtungen in Amsterdam – und „Mainline“-Amsterdam Die Mainline Stiftung ist eine unabhängige freie Organisation, deren Anliegen es ist, den gesundheitlichen Zustand und die Lebensqualität von Drogenkonsumenten so weit wie möglich zu verbessern. Grundlage der auf Schadensminderung abzielenden Aktivitäten ist eine akzeptierende Haltung gegenüber Drogenkonsum, der nicht a priori als unbedingt zu unterlassendes bzw. gänzlich aufzugebendes Verhalten aufgefasst wird. Man versucht, unter Drogenkonsumenten via persönlichen Kontakt und Schriften Botschaften zu verbreiten, die im wesentlichen aus praktischen Ratschlägen bestehen, wie das Risiko akuter schädlicher Folgen beim Drogenkonsum verringert werden kann. Letztlich zielt man auf eine Änderung der Einnahmegewohnheiten in der Drogensubkultur ab. Dies setzt voraus, dass die „safer use „ Informationen in einer Weise abgefasst und vermittelt werden, die von der Drogenszene als bedenkenswert und auch als in der Regel befolgbar angenommen werden. Im Hinblick auf Heroinabhängige und die sie bedrohende Gefahren beim intravenösen Spritzen(vor allem HIV/AIDS) ist dies im vergangenen Jahrzehnt weitgehend gelungen. Es zeigte sich ,dass viele Heroinjunkies „safer use“ Botschaften annahmen, das intravenöse Spritzen von Drogen hat in Holland deutlich abgenommen. Die Ansprechbarkeit für gesundheitsbezogene Botschaften gestaltet sich laut Mainline bei Crack-Kokainrauchern erheblich schwieriger, bedingt durch Hektik und Agitiertheit, Paranoia und das besessene Verlangen nach mehr- Erscheinungen, die diese Szene kennzeichnen und sie von der von Heroinkonsum geprägten Szene zu Anfang der neunziger Jahre unterscheidet. 21 Dieser Reisebericht des Informationsbesuches wurde von Herrn K.-J. Lange, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Referat ‚Drogen und Sucht’ in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales verfaßt. Seite 64 Das Programm von Mainline für Crackuser, das in Bussen stattfindet, die regelmässig an Szenetreffpunkten parken, wo Crack gedealt und geraucht wird, besteht aus folgendem: • eine kurze, leicht durchzuführende medizinische Untersuchung zu Grösse/Gewicht, Puls, Körpertemperatur, Blutdruck und Lungenfunktion. Dem Crackuser werden die Testergebnissen im Vergleich zu den Durchschnittswerten gesunder Personen mitgeteilt, er wird sozusagen gezwungen, seinen Gesundheitszustand zur Kenntnis zu nehmen und zu erfahren, inwieweit und wieso dieser Zustand aus seinem Drogenkonsum resultiert. - - Ein Fragebogen bzw. strukturiertes Interview, mit dem eruiert wird, inwieweit und in welcher Hinsicht der Crackuser seinen Konsum noch steuern könnte. Dabei stellen sich Verhaltensmuster bzw. –regeln heraus, denen der Crackuser als befolgenswerte Regel zustimmen kann und solche, die er oder sie vielleicht bereits unbewusst befolgt. Zu solchen Regeln gehört: Setz dir ein Limit, wieviel Du für Crack-Coke ausgibst! Trag nicht all dein Geld mit dir herum, du wirst es sonst alles auf einmal in „Base“ umsetzen! Rauche kleine Pfeifen, keine großen!. Schiebe die erste Pfeife am Tag möglichst lange hinaus! Nimm dir in der Woche Tage vor, an denen du nicht rauchst! (vgl. ausführlicher Kapitel 2.4.; H.S.) Im Gespräch versuchen die Mainline Mitarbeiter die User zu überzeugen, sich selbst solche Konsumregeln zu stellen, um ein völliges Abstürzen zu vermeiden. Ihrer Auffassung nach gibt es auch unter Crackrauchern eine nicht geringe Anzahl, die nicht alle Kontrolle über ihren Konsum verlieren. Rotterdam Crack- Kokain Projekt Das sog. „Kokain Programm“ in Rotterdam ist ein experimentelles, d.h. wissenschaftlich begleitetes niedrigschwelliges, 8 bis 11 Monate dauerndes Behandlungsprojekt für 85 ausgewählte, chronische Crackraucher, die für herkömmliche Hilfemaßnahmen schwer zu erreichen bzw. dort herausgefallen sind oder soziale Fürsorgeinstitutionen überhaupt meiden. Aufgrund der Tatsache, dass bei Rauchern von Crack-Kokain in der Regel gravierendere Defekte auftreten als bei Schnupfern von Pulverkokain - sie sind vermehrt aggressiv, mitunter manifest paranoid psychotisch, haben erhebliches Untergewicht , Zahnschäden und Lungenschäden - wird bei diesen KonsumentInnen ein anderer Ansatz als bei der üblichen Drogenhilfe angewandt. Die Klientinnen und Klienten werden in der Szene angesprochen, teilweise regelrecht namentlich gesucht, und zur Teilnahme angeregt. Seit Beginn des Projekts im vergangenen Jahr sind 185 Personen angesprochen worden, 61 nehmen zwischenzeitlich teil. Ein wesentliches Moment für die Rekrutierung ist, dass sofort praktische Hilfe in dringenden Belangen angeboten wird. Dadurch kann der Klient oder die Klientin eher an das Projekt angebunden werden. Allerdings muss diese Klientel vielfach immer wieder aufs neue aufgesucht und zur Fortsetzung des Kontakts bewogen werden. Beständigkeit und das Einhalten von Terminen kann bei den meistens hektisch agierenden Crackusern nicht vorausgesetzt und zugemutet werden. Es kommt darauf an, sie erst einmal zur Ruhe zu bringen. Daher ist es wichtig, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und Angebote vorzuhalten, in denen Seite 65 Klienten , die nach einer Phase exzessiven, mitunter unablässig mehrere Tage anhaltenden Crackkonsums in ein Stadium völliger Erschöpfung gefallen sind, sich in ruhiger Umgebung regenerieren können. Derartige Krisenintervention wird in diversen Kliniken des Projektträgers Boumanhuis geleistet. Die Mitarbeiter des Projekts halten während dieser Zeit regelmässigen Kontakt zu dem Klienten oder der Klientin, die sie dorthin vermittelt haben. Eine ständig verfügbare Hilfe ist Akupunktur. Die Zentrale des Crack Projekts liegt in einer Seitenstrasse, sozusagen im Hinterhof von Einzelhandelsgeschäften .Von 8.30 bis 12 Uhr besteht ein freier Zugang für alle Crackuser, die sich dort nur aufhalten oder unmittelbare praktische Hilfen möchten. Sollte jemand zu agitiert erscheinen, wird er oder sie zunächst nicht hereingelassen. Bisher hat es keine aggressiven Akte in der Einrichtung gegeben. Akut psychotisch erscheinende Klienten werden in psychiatrische Stationen vermittelt, meistens mit Einwilligung des Betroffenen. Von den Frauen, die kommen, betätigen sich dreiviertel als Prostituierte, die Männer finanzieren ihren Drogenkonsum vorwiegend aus Diebstählen und Raub. Viele sind obdachlos. Nachmittags findet mit den Klienten systematische Einzelfallarbeit statt. Dabei geht es von Unterkunftsbeschaffung, Erledigung von Amtsangelegenheiten wie Ausweisausstellung, Sozialhilfe etc. bis zur Einübung von Verhaltensweisen, die zu einer Verringerung des Crackkonsums führen. Immerhin wollen etwa ein Drittel der Teilnehmer vom zwanghaften Crackkonsum loskommen.und „clean“ werden. Eine wesentliche Bedingung, um dieses Ziel zu erreichen, ist ein Kontrakt mit den Mitarbeitern, wonach der Klient diesen sein Geld aushändigt und sich pro Tag nur vorher festgelegte Beträge auszahlen lässt. Diese Budgetierung wird in aller Konsequenz durchgehalten und kann nicht durch eine einfache Forderung rückgängig gemacht werden. Bei allen Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation erscheint wichtig, dass die Mitarbeiter den Probanden bei den notwendigen Gängen und Prozeduren konsequent begleiten und nicht nur mit der Erledigung beauftragen. Auch ist wichtig, dass von Seiten der Mitarbeiter alle Termine und Vereinbarungen strikt eingehalten werden, einmal Zugesagtes darf nicht ausfallen, selbst wenn die Klienten in ihrer flüchtigen und unzuverlässigen Art nur gelegentlich erscheinen. Dies fördert die Gewissensbildung . Da das Projekt, d.h. die vergleichende Evaluation mit einer gleichgroßen Kontrollgruppe, die nur herkömmliche Einrichtungen für Drogenabhängige in Anspruch nehmen kann, noch nicht beendet ist, können noch keine validen Aussagen über das Ausmaß an Erfolge und Nichterfolg gemacht werden. Nach Auffassung der Mitarbeiter gibt es jedoch spürbar erhebliche Veränderungen, die auf einen stabilisierten Crackkonsum und eine soziale Verbesserung hinweisen. 9.1.2. Beschreibung der besuchten Einrichtungen in London Community Drug Project – Crack Service Das Community Drug Project (CDP) ist eine freie Trägerorganisation, die seit ca. dreissig Jahren Hilfen für Personen mit Drogenproblemen in Süd London anbietet. Seite 66 Spezielle Einrichtungen für Personen, die Probleme im Zusammenhang mit Crackkonsum haben, wurden notwendig, als sich herausstellte, dass diese Menschen in herkömmlichen Drogenberatungsdiensten, die sich bis 1995 hauptsächlich mit Opiatabhängigen befassten, kaum behandelbar war. Crackabhängige sind anders als Heroinabhängige, ihr Verhalten ist „schneller“, flüchtiger und dramatischer, sie zeigen kaum Stabilität. Überdies besteht eine Neigung, sich im Selbstverständnis von Heroinjunkies abzugrenzen , dabei neigen Crackuser viel eher zum Kontrollverlust über ihren Konsum als Opiatuser, die für gewöhnlich mit 1 bis 3 Injektionen pro Tag auskommen. Die Klienten, die zum CDP kommen rauchen hingegen um die 20 „rocks“ pro Tag. Nach Auffassung der Mitarbeiter ist beim Crackrauchen im Unterschied zum Schupfen von Kokain in Pulverform ein kontrollierter Konsum kaum möglich. Man rät prinzipiell zum Aufhören. Leider sei in Jugendszenen zu beobachten, dass ein Teil der an Drogenkonsum interessierten Jugendlichen bis 20 Jahre wenig Hemmungen haben, Kokain und auch Crack zu versuchen; mitunter wird dies als weniger schädlich als Ecstasy empfunden. Das durchschnittliche Alter der Klienten, die zum CDP kommen liegt bei Ende zwanzig. Etwa ¼ der Klienten geht noch einer Arbeit nach, allerdings geht das Einkommen sämtlichst für den Erwerb von Crack drauf. Für 14 bis 20 jährige Jugendliche steht eine spezielle Mitarbeiterin zur Verfügung, ebenso gibt es spezielle Mitarbeiter für Klienten aus ethnischen Minderheiten., rund 50 % sind nicht britischer Herkunft. In der Regel kommen die Klienten während bzw. aufgrund einer persönlichen Krise zum Projekt, z. B. wegen der Erkenntnis, jede Steuerungsfähigkeit über den Konsum verloren zu haben und/oder wegen Depressionen und Wahnvorstellungen in Folge exzessiven Konsums Viele haben vorher versucht, ohne professionelle Unterstützung aufzuhören, was nicht gelang. Daher sind die meisten Hilfesuchenden hoch motiviert, den Konsum ganz aufzugeben. Es kommt vor, dass der Kontakt zu der Einrichtung über die Polizei zustandekommt. Mitarbeiter des CDP sind im Rahmen von Initiativen zur Kriminalitätsvorbeugung in sieben Revierwachen der Region Süd London tätig. Sie beraten und vermitteln Drogenkonsumenten, die wegen des Besitzes von gefährlichen Drogen wie Heroin, Kokain, Amphetamine (sog. Class A Drogen) in Polizeigewahrsam genommen wurden. Die Einrichtung ist von montags bis freitags von 9.30 - 17.00 Uhr geöffnet. In den Vormittagsstunden finden die verabredeten therapeutischen Sitzungen und Behandlungen mit Akupunktur und Shiatsu Massage auf individueller Basis statt. Diesen komplementären Therapien wird eine besondere Bedeutung zugemessen, sie helfen beim Bemühen um Zügelung des Verlangens nach Crack und um allgemeine Entspannung. Auch besondere Kräutertees werden empfohlen. Diese Angebote entfalten ihre Attraktivität besonders während der allgemeinen „drop in“ Stunden nachmittags von 14 – 17 Uhr, in denen die Einrichtung für jedermann geöffnet ist und die Mitarbeiter in einer freundlichen Atmosphäre für unverbindliche Gespräche und Informationen zur Verfügung stehen. Vielfach geht es darum, den Crackusern zu erläutern, was die Droge bei ihnen bewirkt und wodurch ihr Problem bedingt ist. Bei gereizten Klienten ist es meistens möglich, diese durch Zureden zu Seite 67 beruhigen und aggressives Ausagieren zu verhindern. Nach den Erfahrungen des CDP Teams sind stationäre Entzugsbehandlungen bei Crackusern im allgemeinen nicht notwendig. Worauf es ankommt sind Angebote und ein gewisses Geschick, die Klientin oder den Klienten „bei der Stange“ zu halten, das Bemühen um Veränderung zu erhalten und zu stärken. Die Standard-Vorgehensweise bei entwöhnungswilligen Klienten besteht aus 6 intensiven Sitzungen: zwei zur Motivationsstärkung, zwei über Möglichkeiten zur Bewältigung des heftigen Verlangens nach Drogen („Craving“) und zwei über Vorbeugung von Rückfällen. Ziel ist eine Stabilisierung und die Vermittlung in weiterführende Behandlung. Die Sitzungen folgen Protokollen, die sich in der Suchtbehandlung als wirksam erwiesen haben. Zunächst werden die Gründe herausgearbeitet, warum der Klient etwas verändern möchte und versucht, eine gewisse Veränderungsbereitschaft zu erzielen. Dann werden Ambivalenzen und Widerstände exploriert und schließlich ein Veränderungsplan entworfen. Bei den Sitzungen zurm „Craving bewältigen“ wird den Klienten geholfen, Empfindungen und Gefühle als Craving zu identifizieren, Auslöser zu erkennen und cognitive Reaktionen bzw. offene Handlungen zu üben, die das Verlangen schwächen und nicht mehr als unbezwingbar erscheinen lassen. Bei der Rückfallprävention geht es um ein Programm bzw. um ein Training von Verhaltensweisen und Gedanken in Situationen, in denen früher Drogen konsumiert wurden, um die Bewältigung von Angst- und Panikattacken und um Möglichkeiten zur Änderung des Lebensstils. Als Erfolg der Bemühungen des CDP Crack Service wird angesehen, wenn die Klienten die 6 Sitzungen mitmachen, eine Stabilisierung berichten und/oder sich in eine weiterführende Behandlung, z. B. in eine stationäre Therapeutischen Gemeinschaft oder zur Fortführung ambulanter Therapie in eine andere Einrichtung vermitteln lassen. Marina House Stimulant Clinic Marina House ist ein Ambulatorium für Drogenabhängige des nationalen britischen Gesundheitsdienstes, es gehört zum großen Londoner Maudsley Hospital Trust, dem auch das renommierte nationale Suchtforschungszentrum angegliedert ist . Die Ambulanz ist in zwei Abteilungen untergliedert: eine für Opiatabhängige, die dort in der Regel mit Methadon substituiert werden, in seltenen Fällen auch Heroin verschrieben erhalten und, seit drei Jahren, eine Abteilung zur Behandlung von Konsumenten bzw. Abhängigen von Zentralstimulanzien. Die Abteilung wurde eingerichtet aufgrund der Beobachtung -- dies gilt für alle derartigen Spezialeinrichtungen -- dass trotz eines erheblichen Anstiegs des Konsums von Amphetaminen, Kokain und Crack- Kokain und der damit verbundenen Probleme diese Konsumenten kaum bei den herkömmlichen Drogenberatungs-und Behandlungsdiensten auftauchten. Dies hatte folgende Gründe: - Konsumenten von Zentralstimulanzien glauben oft von sich, dass sie „die Sache im Griff haben“, da sie nach gelegentlichem Exzesskonsum eine gewisse Zeit nichts nehmen. Seite 68 - Stimulanzkonsumenten glauben, dass Drogeneinrichtungen letztlich nur für Heroinabhängige geschaffen seien, mit denen man kaum etwas gemein habe. Stimulanzkonsumenten bezweifeln, dass sie bei Drogeneinrichtungen etwas erhalten können , was ihnen hilft, da es so etwas wie ein Substitutionspräparat nicht gibt. Nach Auffassung der Mitarbeiter muss die ambulante Behandlung von Stimulanzabhängigen, die im wesentlichen auf psychologischen Erkenntnissen und Techniken der cognitiven Verhaltenstherapie beruht, kompakt sein. Die Klienten kämen meistens wegen einer sozialen Krise, bei der sich der Bezug zum Drogenkonsum nicht mehr verleugnen lässt. Erstes Ziel sei, sie überhaupt in Behandlung halten zu können. Wichtig sei, dem Klienten verständlich zu machen, durch welche neurologischen und psychologischen Vorgänge sein momentanes Problem entstanden sei. Ihm oder ihr sollte auseinandergesetzt werden, wie es kommt, dass man, obwohl man doch eigentlich wegen der erlebten unangenehmen Folgen genug hatte und aufhören wollte, doch plötzlich wieder von einem heftigen Verlangen nach der Droge (Craving) überfallen wird. und welche Gedanken zum erneuten Griff z. B. nach Crack hinführen. Die meisten Klienten sind um die 30 Jahre alt und konsumieren Crack seit 3 bis 4 Jahren. Im Unterschied zu den eher szenenahen Einrichtungen freier Träger wie dem Crack Service des Community Drug Projects (CDP) und dem Blenheim Project gibt es im Marina House kein „drop in“ Angebot, bei dem sich Betroffene unverbindlich einige Stunden in der Einrichtung aufhalten können. Marina House arbeitet nach Therapie Manualen, die vom amerikanischen National Institute on Drug Abuse zur Rückfallprävention bei Kokainabhängigkeit entwickelt worden sind und sich in den USA bewährt haben. Thematisch geht es um das Erkennen und das Bewältigen von riskanten Situationen, um das Erkennen eigener fehlerhafter Gedanken und Rationalisierungen und das Einüben von gedanklichen Gegenreaktionen und Alternativhandlungen bei Cravingattacken. Die Arbeit des Marina House wird vom nationalen Suchtforschungszentrum wissenschaftlich begleitet. Die Wirksamkeit der ambulant angewandten psychologischen Verfahren wird optimistisch eingeschätzt. Blenheim Project22 Das Blenheim Project ist eine freie Einrichtung ,die seit über dreissig Jahren Aufklärung und Hilfen für Personen mit Drogenproblemen im Londoner Stadtteil Notting Hill anbietet. Anfang 1995 gehörte das Blenheim Projekt zu den ersten Drogenhilfeeinrichtungen, die ambulante Behandlungsansätze , speziell für CrackKokainkonsumenten, entwickelten. Es ist heute die einzige Einrichtung in Großbritannien, die ein „Crack Day Programme“, ein kompaktes 12 wöchentliches ambulantes Behandlungsprogramm, 5 Tage in der Woche, pro Tag 5,5 Stunden, durchführt. 22 Vgl. „What the crack? For Professionals. About the Blenheim Project London (Selbstverlag) Seite 69 Die Rekrutierung für dieses Programm erfolgt nicht nur durch die „drop in“ Zeiten(montags bis freitags von 13 bis 16 Uhr, dienstags zusätzlich von 18-19 Uhr) in denen Drogenkonsumenten unverbindlich hereinschauen dürfen und mit Mitarbeitern sprechen können, sondern auch über Beratungskräfte, die in Revierwachen und in Haftanstalten tätig sind. Grundlage ist die „drug testing treatment order“, eine Art Bewährungsauflage für Drogenkonsumenten. Das „Drop in“ erhält durch das unverbindliche Angebot verschiedener Formen alternativer Medizin wie Akupunktur, Shiatsu Massage, Bowen Berührungstherapie, Aromaöle und Kräutertees eine besondere Atmosphäre, die für Crackuser attraktiv ist, weil sie in Krisensituationen Entspannung und Beruhigung verspricht. Als wichtig wird erachtet , dass die Klienten umfassend informiert werden, welche Folgen die Droge in den Hirnfunktionen bewirkt und was sie ihrem Organismus insgesamt antun. Will ein Crackuser das Angebot der Einrichtung über Tipps zur Schadensbegrenzung und Hilfen bei den cracktypischen Krisenzuständen in Anspruch nehmen, erfolgt über drei bis fünf Tage eine intensive Exploration (assessment) über Gewohnheiten, Bezugspersonen, biografische Ereignisse und Motive zum Aufhören. Vielfach fühlen sich Probanden nach einigen Tagen besser, aber gerade das lässt sie in der Behandlungsmotivation schwanken. Erscheint ein Klient nach dem assessment einigermaßen stabil, wird er für das weiterführende Behandlungsprogramm akzeptiert. Durch das intensive Befassen mit den Gewohnheiten und den sie aufrechterhaltenden Bedingungen, durch Entspannungsübungen und das Einüben konträrer Verhaltensweisen, durch das allmähliche Lernen, sich auch ohne Drogen gut zu fühlen bzw. Lust zu empfinden soll der für Crack- und Kokainkonsum typische Zyklus ( Konsum – Erschöpfung –Erholung – erneutes Verlangen) durchbrochen werden. Besonders gearbeitet wird an Möglichkeiten, das Aufsteigen des Verlangens und die damit einhergehenden Rationalisierungen bzw. Rechtfertigungen zu bewältigen. Nach der 12 wöchigen Kompakttherapie aus Kursen zur Rückfallprävention, allgemeinen Lebensproblemen mit Rollenspielen und Gruppenaktivitäten findet einmal wöchentlich auf unbegrenzte Zeit eine individuelle Nachsorge statt. Die Angebote der alternativen Medizin begleiten das gesamte Programm als Komplementärtherapie. Die Klienten sind meistens um die dreissig Jahre alt. Die Quote derer, die das Programm vollständig absolvieren liegt bei 50%, davon sollen viele vom Crack und Kokain vollständig losgekommen sein. Die Behandlung kostet pro Person pro Woche etwa 200 Pfund. City Roads – Crisis Intervention Die stationäre Kriseninterventionseinrichtung City Roads existiert seit 1978 und hält 17 Betten für Opiat Konsumenten und Konsumenten von Kokain, Crack und Amphetaminen vor( jedoch nicht für Personen, die hauptsächlich Ecstasy nehmen). Aufgenommen werden Drogenabhängige über 17 Jahre, deren Leben derartig chaotisch geworden und deren Drogenkonsum so ausser Kontrolle geraten bzw. riskant ist, dass ein mehrtägiger Aufenthalt in einer sicheren und verständnisvollen Umgebung angezeigt ist. Aufgenommen werden auch an Aids , Hepatitis und anderen Krankheiten leidende Drogenabhängige, soweit kein Krankenhausaufenthalt Seite 70 notwendig ist. Crackabhängige Schwangere können aufgenommen werden, hingegen keine schwangeren Frauen, die primär opiatabhängig sind. Die Klienten und Klientinnen (60%sind männlich) bewerben sich zum großen Teil selbst – der Telefondienst ist jeden Tag rund um die Uhr besetzt – ein anderer Teil wird von ambulanten Einrichtungen wie dem Blenheim Project oder dem Community Drug Project überwiesen. Möglichst innerhalb von 18 Stunden kommt ein persönlicher Kontakt zustande. 20% der Aufnahmesuchenden haben vorher noch keinen Kontakt zu irgendwelchen Drogenhilfeeinrichtungen gehabt, 32 % haben keine ärztliche Behandlung in Anspruch genommen. Es gibt keine Warteliste, im allgemeinen können die Bewerber kurzfristig oder nach wenigen Tagen aufgenommen werden. Die Klienten können bis zu 21 Tagen bleiben, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt bei 14 Tagen. In dieser Zeit besteht Gelegenheit, zu entgiften, Funktionen wie Schlaf- Wach Rhythmus und Ernährung zu stabilisieren und mit den Mitarbeitern die aktuelle Befindlichkeit und mögliche, aus der Krise herausführende Perspektiven, zu beratschlagen. Im Vordergrund stehen dabei meistens praktische Ratschläge zur Schadensbegrenzung (harm reduction), viele Klienten sind noch nicht soweit, dass sie mit dem Drogenkonsum ganz aufhören wollen. City Roads sieht sich nicht als therapeutische Gemeinschaft von zum Aufhören entschlossenen Drogenkonsumenten . In dem Sinne gezielte tiefenpsychologische Therapie findet nicht statt, jedoch unterstützende psychologische Gespräche und komplementäre Therapien aus der alternativen Meditin (Akupunktur, Massagen) zur Bewältigung von heftigem Dogenverlangen(Craving). Ein passives Herumhängen, etwa morgens nicht aufstehen , ist untersagt, die Klienten müssen an angesagten Aktivitäten teilnehmen. Die Klienten werden angehalten, im Umgang miteinander, Mässigung zu üben. Bei extremen Stimmungsschwankungen und paranoischen Vorkommnissen werden milde Tranquilizer in geringen Dosierungen gegeben. Im Jahr 1999 hatten 58% der Crackuser, die zu City Roads kamen, über Gewaltbedrohung berichtet, 30% hatten bereits Kontakt mit psychiatrischen Diensten gehabt. Von den Klienten, die länger als 10 Tage geblieben sind, schätzen 85% bei der Entlassung ihre Zukunft besser ein. 84% der Klienten verlassen das City Road Haus mit einer Vermittlung in eine weiterführende Einrichtung. Viele gehen anschliessend in eine stationäre Entwöhnungsbehandlung wie z.B. Phoenix House. Seite 71 Phoenix House- Featherstone Lodge Phoenix House existiert seit 30 Jahren und ist eine stationäres Rehabilitationseinrichtung (Therapeutische Gemeinschaft ) für Drogenabhängige. Vergleichbare Einrichtungen gibt es seit den siebziger Jahren auch in Deutschland, in Hamburg sind dies die therapeutischen Gemeinschaften der Träger „Jugendhilfe“, „Jugend hilft Jugend“, „Frauenperspektiven“ und „Therapiehilfe“. Der Aufenthalt im Phoenix House beträgt 6 Monate. In dieser Zeit haben die Klienten die Möglichkeit, ihr Leben von Grund auf neu zu gestalten, indem in einem strikt strukturierten Tagesprogramm konstruktive Lebenstechniken gelernt werden. Nach der Aufnahme (die in der Regel nach einer klinischen Entzug bzw. nach einer stabilisierenden Vorbereitung durch „street agencies“ wie dem Crack Service des Community Drug Projects oder dem Blenheim Project erfolgt) wird der Klient /die Klientin einem Bezugstherapeuten (key worker ) zugeteilt, der eine umfassende psycho-soziale Diagnose erarbeitet, gemeinsam mit dem Klienten einen Therapieplan zu den Bereichen entwirft, in denen der Klient besonderer Hilfestellungen bedarf und mit ihm/ihr individuelle Ziele festlegt. In der ersten Phase des Behandlungsprogramms werden den Klienten in themenzentrierten Sitzungen intensiv Hilfen angeboten, die sie befähigen , alle Lebensbereiche zu erforschen, die einen Bezug zu ihrem Drogenkonsum haben und erste Lösungsmöglichkeiten zu erkennen. Gebrauch gemacht wird auch von Yoga, Entspannungstechniken und Akupunktur. Während der zweiten Phase wird Gelegenheit gegeben, zusehends unabhängiger persönliche Lebensweisen zu entwickeln und zu erproben und sich in Richtung eines Neuanfangs zu bewegen. Dabei erhalten die Klienten fortgesetzt Unterstützung bei der Überwindung von emotionalen und praktischen Schwierigkeiten. Nach den 6 Monaten können die Klienten an den Programmen des Trägers zur Berufsausbildung, zur Arbeitsbeschaffung und zum betreuten Wohnen teilnehmen. Nach Auffassung des Personals und bereits rehabilitierter Exklienten ist diese Art stationärer Therapie sowohl für primär Opiatabhängige als auch für primär Kokainbzw. Crackabhängige geeignet. Letztlich sei der Lebensstil und der Hintergrund gleich. Ohnehin würden fast alle Drogenabhängigen mehrere Drogenarten nehmen, heutzutage zu 90% auch Crack. Besondere Schwierigkeiten habe man mit primären Crackusern nicht. Phoenix House böte allen langjährig Drogenabhängigen, die sozial und mental heruntergekommen seien und sich nach einem anderen Leben sehnen, eine Zukunft. Die alten Gewohnheiten würden hinterfragt und es käme zu einem Wertewandlungprozess. Bei katamnestischen Untersuchungen habe sich ergeben, dass 57% der Therapieabsolventen sechs Monate nach Beendigung des Programms drogenfrei und sozial integriert seien. Seite 72 9.2. Adressen Frankfurt Stadt Frankfurt Drogenreferat Regina Ernst Jürgen Weimer Walter-Kolb-Str. 9-11 60594 Frankfurt am Main [email protected] La Strada/Frankfurter AIDS-Hilfe Jürgen Klee Mainzer Landstr. 93 60329 Frankfurt T.: 069/231020 Drogenhilfezentrum Werner Heinz Bleichstr. 20 60325 Frankfurt Tel.: 069 91 30 300 Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Dr. H.H. Körner Friedrich-Ebert-Anlage 35 60327 Frankfurt am Main T.: 069 1367 01 F.: 069 1367 8468 WALK MAN Kommunale Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Frankfurt Grosse Friedberger Str. 33-35 60313 Frankfurt am Main Crack-Street-Projekt LA STRADA Mainzer Landstr. 93 60329 Frankfurt a.M. Hamburg „Drogen und Sucht“ - BAGS Hamburg Referat Drogen und Sucht Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales Amt für Gesundheit K.-J. Lange Tesdorpfstrasse 8 D - 20148 Hamburg 040 428 48 2074 bzw. 2075 Seite 73 [email protected] Drogenbeauftragte der Freien und Hansestadt Hamburg Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales Frau Christina Baumeister Tesdorpfstr. 8 20148 Hamburg DROB INN Kurt-Schumacher-Allee 42 20097 Hamburg [email protected] [email protected] Berlin Drogenbeauftragte des Landes Berlin Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Frau Elfriede Koller Beuthstr. 6-8 10117 Berlin KOKON Verein für ambulante Drogentherapie e.V. Wolfgang Götz Obentrautstr. 57 10963 Berlin Tel.: 030 217 3970 BOA Jugend- und Drogenberatung Tiergarten Zwinglistr. 4 10555 Berlin Landeshauptstadt Hannover Gesundheits- Jugend- und Sozialdezernat Dezernat D Alfred Lessing Trammplatz 2 30159 Hannover Alfred Lessing T.: 0511 168 464 41 F.: 0511 168 463 63 Stichting Mainline Postbus 58303 NL-1040 HH Amsterdam Seite 74 [email protected] T.: ++31 20 68 22660 F.: ++31 20 68 13003 Seite 75