Bestandsaufnahme „Crack-Konsum“ in Deutschland

Transcription

Bestandsaufnahme „Crack-Konsum“ in Deutschland
Universität Bremen
Bremer Institut für Drogenforschung
(BISDRO)
Bestandsaufnahme „Crack-Konsum“ in
Deutschland: Verbreitung, Konsummuster,
Risiken und Hilfeangebote
Endbericht
(31.8.2001)
Heino Stöver
unter Mitarbeit von Melanie Nüdling
Universität Bremen
FB 08 - ARCHIDO
PD Dr. Heino Stöver
Postfach 33 04 40
28334 Bremen
Tel.: ++49 (0)421 218-3173
Fax: ++49 (0)421 218-3684
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Inhaltsverzeichnis
TABELLEN................................................................................................................3
EINLEITUNG .............................................................................................................1
DANK.........................................................................................................................4
1 METHODISCHES VORGEHEN ............................................................................5
1.1 Literaturanalyse...............................................................................................5
1.2 Persönliche Befragung von Schlüsselpersonen in zwei Städten.....................5
1.3 Telefonische Befragungen von ExpertInnen ...................................................6
1.4 Anschreiben der Drogenbeauftragten/-dezernentInnen ..................................6
2 GRUNDLAGEN .....................................................................................................7
2.1 Begriffsklärung: Was ist „Crack“/“Freebase“? .................................................7
2.1.1 Freebase ........................................................................................................... 7
2.1.2 Crack ................................................................................................................. 7
2.2. Konsummotive und Lebenswelt ......................................................................8
2.3. Gesundheitliche Risiken und soziale Desintegration.......................................9
2.4. Abhängigkeit und Kontrollstrategien..............................................................10
2.5. Zusammenfassung........................................................................................14
3 CRACK-KONSUM - PRÄVALENZ ......................................................................15
3.1 Crack-Konsum in Hamburg und Frankfurt.....................................................15
3.1.1 Hamburg.......................................................................................................... 16
3.1.1.1 Situationsbeschreibung .............................................................................................. 16
3.1.1.2 Ergebnisse empirischer Studien................................................................................. 21
3.1.1.3 Polizeiliche Daten ....................................................................................................... 25
3.1.2 Frankfurt .......................................................................................................... 25
3.1.2.1 Situationsbeschreibung .............................................................................................. 25
3.1.2.2 Ergebnisse empirischer Studien................................................................................. 31
3.1.2.3 Polizeiliche Daten ....................................................................................................... 33
3.1.3. Zusammenfassung........................................................................................... 35
3.2 Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und
Bundesländern ................................................................................................1
3.2.1. Zusammenfassung............................................................................................. 5
3.3. Ergebnisse zur Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum Crackkonsum in
großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik Deutschland:........................6
3.4 Entwicklung des Kokain- und Crackkonsums in Deutschland und Europa ...19
3.4.1. Kokain-/CrackkonsumentInnen in ambulanten und stationären Einrichtungen der
Suchtkrankenhilfe ............................................................................................ 20
3.4.2. IFT – Konsum psychoaktiver Substanzen in der erwachsenen Bevölkerung von
18-59 Jahren.................................................................................................... 21
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3.4.3. Polizeiliche Erkenntnisse .................................................................................. 23
3.4.4. Einschätzung der weiteren Entwicklung des Crack-Konsums in Deutschland.. 25
4 BERATUNGS- UND BEHANDLUNGSNOTWENDIGKEITEN UND -ANGEBOTE
29
4.1 Prävention .....................................................................................................30
4.2 Aufsuchende, ‚nachlaufende’ Sozialarbeit ....................................................30
4.2.1 „Laufwerk“ Hamburg – Aufsuchende Sozialarbeit in offenen Drogenszenen ... 31
4.2.2 Crack Street – Projekt Frankfurt ...................................................................... 32
4.3 Harm reduction..............................................................................................33
4.3.1 Konsumräume ................................................................................................. 33
4.3.2 Safer-Use Materialien ...................................................................................... 37
4.4 Behandlungsangebote ..................................................................................38
4.4.1 Ambulante Behandlung: Das Beispiel KOKON in Berlin................................... 38
4.4.2 Ohr-Akupunktur ............................................................................................... 40
4.4.3 Ruhe- und Rückzugsräume ............................................................................. 41
4.4.4 Entzug ............................................................................................................. 41
4.4.5. Psychiatrische Sprechstunde und Akutinterventionen...................................... 42
4.4.6. Wohnangebote ................................................................................................ 42
4.4.7. Vernetzung ...................................................................................................... 43
4.4.8. Einzelfallhilfe und Case-Management .............................................................. 44
4.4.9. Anlaufstellen für die Zielgruppe jugendlicher Crack-KonsumentInnen .............. 44
4.4.10. Hilfen für die Zielgruppe der Substituierten..................................................... 44
4.4.11 Peer involvement-Strategien............................................................................ 45
4.4.12 Fortbildungs- und Ausbildungsbedarf............................................................... 45
4.5 Crack-Konsum in niedrigschwellig organisierten Angeboten der Akzeptierende
Drogenarbeit: Probleme und Umgehensweisen............................................46
4.6 Diskussion: Neue Hilfeangebote einrichten und/oder vorhandene Angebote
modifizieren? .................................................................................................48
5 ORDNUNGSPOLITISCHE UMGEHENSWEISEN IN DEN KOMMUNEN ...........50
5.1. Dialog zwischen Drogenhilfe und Polizei.......................................................50
6 ZUSAMMENFASSENDE DISKUSSION DER ERGEBNISSE ............................52
7 FRAGESTELLUNGEN FÜR ZUKÜNFTIGE FORSCHUNGSTÄTIGKEIT...........57
8. LITERATUR.........................................................................................................59
9. ANHANG .............................................................................................................64
9.1. Zum Umgang und Behandlung von Crack-KonsumentInnen –
Informationsbesuch in Rotterdam/Amsterdam und London (K.-J. Lange) ....64
9.1.1. Beschreibung der besuchten Einrichtungen in Amsterdam und Rotterdam ...... 64
9.1.2. Beschreibung der besuchten Einrichtungen in London..................................... 66
9.2. Adressen .......................................................................................................73
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Tabellen
Tabelle 1:
Symptome bzw. Nebenwirkungen des Cocain-Abusus durch
Rauchen von Freebase
Tabelle 2:
Erlebte Wirkungen beim Crack-Rauchen
Tabelle 3:
Sonstige Beschwerden nach Crack-Konsum
Tabelle 4:
Synopse der empirischen Studien zum Thema Crack
Tabelle 5:
Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und
Bundesländern
Tabelle 6:
Ergebnisse der Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum CrackKonsum in großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik
Deutschland
Tabelle 7:
Polizeiliche Daten zu Fällen, erstauffällige KonsumentInnen und
Sicherstellungsmengen im Zusammenhang mit Kokain
Tabelle 8:
Übersicht über Konsumräume und Konsumbedingungen in
Deutschland
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„Nur zu Zeiten erträgt göttliche
Fülle der Mensch“ (Hölderlin)
Einleitung
Aus den Vereinigten Staaten erreichen uns immer wieder alarmierende Meldungen
über die „Crack-Gefahr“. Das amerikanische Nachrichtenmagazin „News Week“ hält
die „Todesdroge“ Crack für „gefährlicher als die Seuchen des Mittelalters“ (1986).
Auch entsprechende Medien in Deutschland folgen dieser Sichtweise: Der ‚Spiegel‘
bezeichnet Crack als das ‚gefährlichste aller Rauschgifte‘ und beschreibt die
Drogenverkäufer (‚Internationale Mafiosi und afrikanische Dealer‘) als ‚grausam wie
die Roten Khmer‘ (52/2000). Der Droge, dem Pharmakon selbst wird vor allem ein
großes Sucht- und Aggressionspotential zugeschrieben: „Crack greift sich einen
Jugendlichen, der es eben noch zögernd ausprobiert hat, und verwandelt ihn in
jemanden, der jeden moralischen Wert zerstört, an den er jemals geglaubt hat“
(Rosenthal, zit. n. Der Spiegel Nr. 43/1986, S. 150). Befürchtet wird seit langem das
„Überschwappen“ der „Crack-Welle“ nach Europa. Auch Kriminaldirektor Mellenthin,
Leiter der Rauschgiftabteilung im LKA Stuttgart hatte 1986 keinen Zweifel, daß sich
Deutschland auf eine „Crack-Welle“ einstellen muß (vgl. Der Spiegel Nr. 43/1986, S.
150). Zu diesem Zeitpunkt wurden in Deutschland die ersten Fälle von CrackKonsum im Rahmen von Erhebungen für das Frühwarnsystem im Großraum
Hamburg beobachtet. Hierbei handelte es sich um vier Drogenabhängige mit einer
langjährigen Drogenkarriere und polyvalentem Mißbrauch (vgl. Keup/Weidig 1986, S.
431). 1994 berichtet das „Hamburger Abendblatt“ wieder über Crack („Todesdroge
Crack in Hamburg“/7.1.94; „Todesdroge Crack in Hamburg auf dem
Vormarsch“/8.1.94) Während ein Drogenexperte die Beschlagnahmung einer kleinen
Menge Crack als Indikator für ein Herüberschwappen der Crack-Welle auf Hamburg
betrachtet, sieht die Polizei darin kein Alarmzeichen: „Für dieses Rauschgift gibt es
bei uns keinen Markt“.
Inzwischen rauchen 70 bis 90% der Süchtigen in Hamburg Crack, so die Bild
Zeitung: „Eine Droge, die brutal macht. Rücksichtslos und gewalttätig“ (Bild 8.Jan.
2001, S. 9;) oder der stern „Die Teufelsdroge kommt: Weiße ‚Steine‘ aus
rauchbarem Kokain erobern die deutsche Rauschgiftszene und machen Süchtige
verrückt“ (stern Nr. 11, 11.3.99).
Jenseits der oftmals sensationsorientierten medialen Aufbereitung des CrackThemas (vor allem mit dem Begriff der „Drogenwelle“) und einer „drug-scare“
(Drogenpanik festgemacht an Crack in den USA) wird eine zunehmende Verbreitung
von ‚Crack - Konsum‘ seit einigen Jahren in der (Fach-)Öffentlichkeit als wachsendes
Problem wahrgenommen. Die Entwicklungen in großstädtischen Metropolen (vor
allem Hamburg und Frankfurt, zum Teil auch Hannover) legen nahe, dass der
Konsum von ‚Crack‘ dort in der Drogenszene verbreitet ist und eine Zunahme des
Konsums erfolgt. Polizeiliche Daten sowohl über Delikte im Zusammenhang mit der
Droge ‚Crack‘, als auch Daten über ‚Erstauffällige KonsumentInnen‘ im
Zusammenhang mit ‚Crack‘ bestätigen diesen Trend, wenn auch die Zunahme nur
sehr gering zu sein scheint. Einrichtungen der vorwiegend niedrigschwellig
arbeitenden Drogenhilfe in diesen drei Städten werden zunehmend mit dem
Phänomen ‚Crack-Konsum‘ konfrontiert und haben bereits Hilfeangebote entwickelt.
Anders als der traditionell verbreitete Gebrauch von sedierende Substanzen (Heroin,
Benzodiazepine, Alkohol, Mischdrogengebrauch) in den Drogenszenen der
Großstädte hat mit Kokain bereits seit einiger Zeit eine Droge zunehmende
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Verbreitung gefunden, die es Hilfeeinrichtungen schwer macht, überhaupt Kontakte
als Basis für weiterführende gesundheitliche und soziale Hilfen zu knüpfen. Mit dem
Phänomen ‚Crack‘ scheinen sich diese Probleme eher noch verschärft zu haben:
Aggressivität, hohe Mobilität, schlechte Erreichbarkeit und exzessive Gebrauchsmuster sind Kennzeichen der KonsumentInnen dieser Droge.
Zwar scheint es auch Hinweise dafür zu geben, dass Crack auch in bestimmter Form
kontrolliert und/oder zeitlich unterbrochen konsumiert wird, allerdings gibt es viele
Anzeichen dafür, dass das psychische Suchtpotential aufgrund des unmittelbaren
Anflutens im Köper und die Gefühle von „Grandiosität“ und stark gesteigertem
Selbstbewußtsein und –vertrauen für viele Menschen als so überwältigend erlebt
werden, das diese Droge zum alltagsleitenden Lebensprinzip der KonsumentInnen
wird, das andere lebens- und alltagsbezogene Aktivitäten ausschließt oder
zumindest in hohem Maße vernachlässigt. In Einzelfällen ist die individuelle
Steuerungsfähigkeit vorübergehend oder insgesamt stark eingeschränkt.
In beiden Städten Hamburg und Frankfurt herrscht angesichts des hohen Grades an
Verelendung der Crack-KonsumentInnen eine allgemeine Ratlosigkeit. Trotz erster
Interventionsansätze (Kontakt, Beratung, Behandlung in den Formen Akupunktur,
Tagesruheräume, stärkere Streetwork, Nutzung der „Time Out – Phasen“, safer-useMaterialien) lässt sich aber auch auf der Drogenhilfepraxisebene eine Hilflosigkeit
beobachten, wie die mit dem Crack-Konsum verbundene Dynamik und Verelendung
von der Suchtkrankenhilfe am besten bearbeitet werden kann. Deutlich wird auf den
Koordinationstreffen der betroffenen Städte, aber auch auf der Fachtagung „Crack –
Stein(e) des Anstoßes“ (16.5.01 in Hamburg), dass es keine Patentrezepte für eine
adäquate Hilfe gibt und dass sich keine „Schnellschüsse“ anbieten, sondern eine
sachliche Annäherung an das Phänomen geboten ist.
Inwieweit Crack tatsächlich in Deutschland verbreitet ist, wie es auf die
KonsumentInnen wirkt und welche Hilfeangebote bereits bestehen und welche noch
eingerichtet werden sollten, soll in dieser Bestandsaufnahme geklärt werden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit „Crack-Konsum in Deutschland: Verbreitung,
Konsummuster, Risiken und Hilfeangebote“ ist es, alle verfügbaren Daten und
Informationen verschiedener Quellen und relevanter Einrichtungen sowie
professionell mit dem Bereich befasster Personen zusammenzutragen. Dies soll
dazu dienen:
•
•
•
•
•
ein Gesamtbild der Verbreitung von „Crack“ in Deutschland vor dem
Hintergrund europäischer Entwicklungen (Schwerpunkte des Konsums,
Handels,
Schmuggels,
Verbreitung
außerhalb
von
Metropolen)
Beschlagnahmungsmengen, erstauffällige KonsumentInnen) zu zeichnen,
eine Auswertung epidemiologischer Daten zu Kokain- und Crack-Konsum in
Deutschland zu erstellen,
einen Überblick über KonsumentInnen (geschlechtsspezifische Unterschiede,
Altersspezifische, ethnische Besonderheiten, soziale Hintergrunddaten etc.)
zu geben,
Konsummuster (Menge, Häufigkeit, Preis, einschl. entwickelter Schadensminimierungsstrategien) zu verstehen,
subkulturelle Rahmenbedingungen (Rituale, Drogenspezifika, Einbindungen in
andere Szenen) zu erhellen,
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•
gesundheitliche Risiken (Todesfälle, Lungenschädigungen) zu präzisieren,
soziale Folgeerscheinungen zu benennen und bestehende und geforderte
Hilfeangebote (Drogenkonsumräume, Straßensozialarbeit) zu beschreiben.
Die Schwierigkeit den Anspruch einer realistischen Bestandsaufnahme adäquat
umzusetzen, haben Peter Degkwitz und Uwe Verthein (2001, 175) benannt. Es geht
darum panischen Reaktionen vorzubeugen: „Dazu gehört, die tatsächlichen
Probleme nicht zu verniedlichen, sondern adäquat darzustellen. Diese Aufgabe ist
kompliziert, da Professionelle ebenso wie Wissenschaftler in der Gefahr stehen, das
Thema zu dramatisieren, da ohne die entsprechende „Inszenierung“ breitere
Öffentlichkeit und Politik nicht zu begehen sind, die erforderlichen Mittel für die
Versorgung (und die erforderlichen Erprobungen) oder die Forschung
bereitzustellen. Zur realistischen Bestandsaufnahme gehört es, die Crack-Mythen zu
entzaubern. Denn diese Mythen für die erlebten pharmakologischen Wirkungen,
ebenso wie Mythen für die Wirkungen auf das Verhalten (Aggressivität, Kriminalität
und Paranoia) haben Bedeutung für irrationale Zuspitzungen – bei Konsumenten
ebenso wie in Öffentlichkeit und Politik.“
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Dank
Für wertvolle Informationen und ihre grundsätzliche Bereitschaft an dieser
Bestandsaufnahme mitzuwirken, bedanke ich mich bei: Jutta Arras-Lührs (Malteser
Frankfurt), Wolfgang Barth, (Drogennotdienst, Frankfurt), Christina Baumeister
(Drogenbeauftragte der Freien und Hansestadt Hamburg), Martin Dörrlamm
(WALKMAN, Frankfurt), Norbert Dworsky (freiraum e.V. Hamburg), Regina Ernst
(Drogenreferentin der Stadt Frankfurt am Main), Wolfgang Götz, (KOKON, Berlin),
Werner Heinz (JJ Frankfurt), Wolf Kemper (Universität Hamburg), Jürgen Klee
(AIDS-Hilfe Frankfurt/La Strada), Hans-Harald Körner (Staatsanwaltschaft Frankfurt),
Kurt J. Lange (BAGS Hamburg), Alfred Lessing (Gesundheits-, Jugend- und
Sozialdezernat Hannover), Dieter Maul (Landesstelle gegen die Suchtgefahren,
Hamburg), Josh Steinmetz (Integrative Drogenhilfe Frankfurt am Main), Thomas
Schwabe (La Strada, Frankfurt), Jürgen Weimer (Drogenreferat Stadt Frankfurt am
Main), Herbert Villhauer (Palette, Hamburg), Willy Wilkens (jugend hilft jugend/HIDA,
Hamburg).
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1
Methodisches Vorgehen
Das praktische Vorgehen dieser Bestandsaufnahme bezog sich auf vier Ebenen:
•
Durch Analyse der Literatur von epidemiologischen Untersuchen, polizeilichen
Berichten, Trendanalysen und vor allem grauer Literatur (Jahresberichte etc.)
wurde Umfang und Qualität des Phänomens geklärt. Dabei wurden sowohl
internationale, nationale wie auch regional/kommunale Bezüge hergestellt.
•
Durch persönliche Befragungen von ‚Schlüsselpersonen‘ in den Bereichen
Polizei, praktische Drogenhilfe, Drogenhilfeadministration und –koordination
sowohl auf Städte- wie auf Länderebene wurden Details der Problematik
‚Crack-Konsum‘ herausgearbeitet. Diese Interviews wurden inhaltsbezogen
ausgewertet.
•
Durch telefonische Befragungen von ExpertInnen aus Wissenschaft/Forschung und Praxis in weiteren Städten wurden ergänzende Informationen für
eine Bestandsaufnahme eingeholt.
•
Durch Anschreiben aller Drogenbeauftragten
zuständigen MitarbeiterInnen der Länder.
bzw.
für
Drogenfragen
1.1
Literaturanalyse
Dokumente der letzten Jahre folgender europäischer, nationaler Dach- und/oder
Fachverbände, Forschungsstellen und Präventionsinstitutionen wurden untersucht:
•
•
•
•
•
•
•
Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA),
Lissabon
Reitox focal point Deutschland (IFT), München
Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS), Hamm
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln
Fachverband Drogen und Rauschmittel (FDR), Hannover
Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik
akzept e.V., Münster
Fachverband Sucht, Bonn.
Folgende Datenbanken wurden auf relevante Dokumente überprüft:
•
•
•
Archiv und Dokumentationszentrum für Drogenliteratur (ARCHIDO), Bremen
DHS-Datenbank, Hamm
DIMDI, Köln.
1.2
Persönliche Befragung von Schlüsselpersonen in zwei Städten
Die Untersuchung konzentrierte sich auf zwei Städte (Freie und Hansestadt
Hamburg und Frankfurt am Main), weil Informationen bisher ergeben haben, dass
hier die größte Verbreitung von Crack-Konsum und entsprechender DrogenhilfeInfrastruktur vorfindbar ist. Soweit möglich sollen auch Gemeinsamkeiten und
Unterschiede herausgearbeitet werden. In diesen beiden Städten wurden Interviews
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mit Schlüsselpersonen geführt, die Kernaussagen für ihre Einrichtung treffen
können.
•
•
•
•
•
•
die Landesdrogenbeauftragten in beiden Ländern (Hamburg, Hessen)
DrogenhilfekoordinatorIn Frankfurt
Polizei in beiden Städten
zusätzlich: BKA Wiesbaden
Drogenhilfeeinrichtungen (Frankfurt: AIDS-Hilfe Frankfurt, Drogennotdienst,
Integrative Drogenhilfe, Institutionsambulanz der Malteser Werke, Kommunale
Jugend-, Kinder- und Familienhilfe, Drogenhilfezentrum Bleichstr.; Hamburg:
Freiraum Hamburg e.V., Palette, Hamburg, Stay Alive St. Pauli, Projekt
Laufwerk, Drob Inn, Therapiehilfe e.V.)
VetreterInnen der Jugendhilfe.
Beide Städte wurden jeweils zwei Tage besucht, um die Interviews mit den
Schlüsselpersonen in den genannten Einrichtungen durchführen zu können.
1.3
Telefonische Befragungen von ExpertInnen
Zusätzlich wurden telefonische Befragungen von ExpertInnen aus dem Feld
durchgeführt, wobei ein Schwerpunkt auf Berlin gelegt wurde:
•
•
•
•
•
•
Elfried Koller, Drogenbeauftragte Berlins
Wolfgang Goetz, Kokon, Berlin
Peter Tossmann, Berlin
Astrid Leicht, Fixpunkt, Berlin
Rolf Bergmann, BOA, Berlin
G. Schmidt-Burda, Anti-Drogenverein
1.4
Anschreiben der Drogenbeauftragten/-dezernentInnen
um einen Gesamtüberblick zu erhalten, wurden auch in anderen Bundesländern und
Städten Befragungen zum Phänomen „Crack-Konsum“ durchgeführt. Die Ergebnisse
aus den Städten sind in diese Untersuchung eingegangen
Schließlich hat eine Teilnahme an der Tagung „Crack – Stein(e) des Anstosses am
16.5.01 in Hamburg nochmals wesentliche Positionen der ExpertInnen deutlich
gemacht. Die Ergebnisse der Referate sind in diese Arbeit mit eingeflossen.
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2
Grundlagen
2.1
Begriffsklärung: Was ist „Crack“/“Freebase“?
Oftmals wird in Berichten über Kokain und Crack diese beiden Substanzen
gleichgesetzt. Für eine feine Unterscheidung ist es jedoch oftmals wichtig zwischen
den verschiedenen Applikationsformen von Kokain auf der einen Seite und Crack
und Freebase auf der anderen Seite zu unterscheiden. Diese begriffliche
Verwechselung und Gleichstellung von Crack, Freebase und Kokain erfolgt nicht nur
in den Medien, sondern auch in der Fachdiskussion. Dadurch ergeben sich jedoch
Verwirrung und Unklarheiten (den uneinheitlichen Sprachgebrauch berichtet auch
Decorte im Rahmen seiner Untersuchung; 2000, 191).
Die Literatur, Berichte und persönlichen Aussagen, auf die wir uns in dieser Arbeit
stützen, unterscheiden vielfach nicht zwischen diesen beiden Zubereitungsformen
(„Crack“, „Steine“, „Base“, „Rocks“, „Roxanne“, „Supercoke“.). Daher wird hier, wie in
anderen Untersuchungen, übergreifend von ‚rauchbarem Kokain‘ gesprochen, d.h.
es wird nicht mehr unterschieden zwischen den verschiedenen Zubereitungsformen
‚Freebase‘ und ‚Crack‘ (Degkwitz/Verthein, 2000 38).
2.1.1 Freebase
Um Freebase zu gewinnen, wird das gewöhnliche Kokain-Hydrochlorid von Verunreinigungen befreit und die stärkere Kokainbase herausgelöst. Dies geschieht indem
das Kokain mit organischen Lösungsmitteln (Äther, Chloroform; vgl. Olgiati 1991, 15)
aufgekocht und dann getrocknet wird. Aus einem Gramm Kokain entsteht so
ungefähr ein halbes bis 0,7 Gramm Freebase (vgl. auch Stone/Fromme/Kagan 1990,
S. 54; vgl. Götz 2001). Da es sich bei den Lösungsmitteln um hochexplosive Stoffe
handelt, ist diese Herstellungsart gefährlich und führte immer wieder zu Todesfällen
(vgl. Schweer/Strasser 1994, S. 121; Olgiati 1991, S.15).
Freebase ist nicht wasserlöslich und kann somit nur, zumeist in einer Wasserpfeife,
geraucht oder durch Erhitzen inhaliert werden. Durch das Erhitzen schmilzt die
Freebase und verdampft, so daß die reinen Kokainkämpfe in die Lunge eingesogen
werden. Die Wirkung setzt sehr rasch, ca. nach 5-10 Sekunden, ein, und ist vergleichbar mit einer intravenösen Kokaininjektion. Der Konsument erlebt eine Flut von
Euphorie und Herzflimmern. Bei häufigem Konsum und starken Dosen können
Halluzinationen auftreten. Die Wirkung der Droge ist jedoch nur von kurzer Dauer
und hoher Intensität: „Der Rush ist in zwei Minuten wieder vergangen, und der
Konsument fühlt ein restliches Glimmern für die nächsten zehn oder zwanzig
Minuten“ (Stone/Fromme/Kagan 1990, S. 55).
Freebase war in Deutschland in den 70er Jahren kurzzeitig auf dem Markt und hat
dann nur noch in kleinen und finanzkräftigen gesellschaftlichen Gruppen Eingang
gefunden (siehe Konstantin Wecker: „Uferlos“).
2.1.2 Crack
Die Herstellung von Crack ist weniger gefährlich als die von Freebase. Zudem ist sie
einfacher und billiger. Um Crack zu erzeugen wird Kokainhydrochlorid mit
anorganischen Substanzen (Ammoniak, Salmiak, in den USA: Backpulver)
aufgekocht und dann getrocknet (vgl. Olgiati 1991, 15). In Deutschland enthält das
Backpulver Stärke, was sie untauglich macht zur Crack-Aufbereitung. Zurück bleiben
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beigefarbene bröckelige Crackklümpchen. Durch diesen Vorgang können aus einem
Gramm Kokain sechs bis acht Portionen Crack gewonnen werden. Crack ist jedoch
nicht so rein wie Freebase, da alle bei der Herstellung enthaltenen oder
entstehenden Verunreinigungen und Streckmittel noch vorhanden sind, und auch die
giftigen Beimischungen vervielfacht werden: „Crack ist genauso sauber oder
unsauber wie das Kokain, aus dem es deriviert worden ist“ (Sahihi 1989, 38).
Weil Crack an der Luft zerfällt, wird es in luftdichte Glas- oder Plastikamphiolen
gefüllt (vgl. Schweer/Strasser 1994, S. 121). Aus einem Gramm Kokainhydrochlorid
können so etwa 1,3 Gramm „Crack“ hergestellt werden (Götz 2001).
Crack wird in Pfeifen (auch Cannabispfeifen) geraucht, die in den Großstädten in
vielen Tabakläden verkauft werden. Hierbei kommt es zu knackenden Geräuschen,
was zum Namen der Droge führte („to crackle = knistern). Auch mit Crack wird ein
rascher und intensiver Rausch erzielt, der ca. 10-15 Minuten anhält. Zunächst
kommt es wie bei Kokain auch zu Hyperaktivität, Erhöhung der Sensibilität und
Erlebnisfähigkeit, zu einer subjektiven Empfindung erhöhter Leistungssteigerung und
Euphorie, dann zu oftmals tiefen Depressionen. Auch Gereiztheit, Schlaf- und
Appetitlosigkeit sind häufige Folgen. Ebenfalls schlägt die anfängliche Euphorie
leicht in rastlose Erregung um.
Beide rauchbaren Kokainformen fluten in Sekunden im Körper an, die Halbwertzeit
beträgt etwa 20 Minuten. Dabei macht laut Krausz (2001) die Applikationsform
intravenös Kokain oder rauchbares Crack keinen Unterschied im Wirkungseintritt,
während Püschel (2001) die Position vertritt, dass bei grundsätzlich gleicher
Wirkdauer die Verteilung im Hirn nach Inhalation bzw. Rauchen schneller erfolgt, als
die intravenöse Applikation. Es scheint so zu sein, dass das große Lungenvolumen
die Wirkung eher entfaltet als nach Übertreten der Blut-Hirn-Schranke bei i.v.
Applikation (bestätigend auch: Villhauer 2001).
Unterschiedliches Wirkungsempfinden wird von intravenös applizierenden
Kokainbenutzern und Nutzern rauchbaren Kokains berichtet. Erfahrene i.v.
KokainkonsumentInnen berichten oft, dass der „Gewinn und die Wirkung“ durch das
Cracksteine – Rauchen nicht mehr so enorm ist.
2.2. Konsummotive und Lebenswelt
Hintergrund für den Anstieg der Zahl der KonsumentInnen ist die hohe Kompatibilität
der Droge Kokain mit den Zielen unserer Leistungsgesellschaft, die Stress
bewältigende, hochkonzentrierte und kreative Bürger und ArbeitnehmerInnen fordert.
Einige massenmedial aufbereitete Fälle (z.B. der Fußballtrainer Christoph Daum)
zeigen, dass Kokain als Stimulantium längst eingesickert ist in die Arbeits- und
Berufswelt, und nicht länger nur in der Bohème als Stimulantium genutzt wird (bspw.
Im Fall des Liedermachers Konstantin Wecker). Gute persönliche und soziale
Ressourcen, Verankerung in Familie, Beruf und sonstigen sozialen Einheiten
verhindern ein schnelles gesellschaftliches und polizeiliches Auffälligwerden.
Kokain scheint auch dem gesellschaftlichen Umwandlungsprozeß in Richtung
Individualisierung zu entsprechen, in dem Ich-bezogene Werte und
Verhaltensweisen unterstützt werden.
Subkulturelle Rahmenbedingungen, Einbindungen in bestimmen Szenen geben
oftmals den Gruppendruck vor, der zum Crack-Konsum führt. Die Motive zum
Konsum sind ganz unterschiedlicher Natur. Es wurde schon darauf hingewiesen,
dass insbesondere Jugendliche mit dem bloßen „Steine rauchen“ kein
Gefährdungspotential wie mit dem intravenösen Konsum verbinden. Crack wird als
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„neue“ Droge betrachtet, die es auszuprobieren gilt, und
Leistungsgesellschaft ein Gefühl der Grandiosität verleihen kann.
die
in
dieser
Kemmesies (2000, 22 m.w.N.) unterstreicht die vielfältigen Konsumformen des
Kokaingebrauchs: kontrollierte, sozial-integrierte, klinisch und strafrechtlich
unauffällige. Kokain wird der Charakter einer lifestyle-Droge zugeschrieben, die eine
adäquate Antwort auf die menschlichen Anforderungen der Entfesselung der
Produktivkräfte, Globalisierung der Märkte und individuelle Reproduktionsnotwendigkeiten paßt. Leistungssteigerung und schnelle psychische Stimulans scheinen die
Attribute des Kokains den letzten Jahrzehnten des 20. Und den beginnenden neuen
Jahrhunderts zu sein. Pharmakologische Wirkungen sind dabei nicht starr, objektiv
und ‚naturgesetzlich‘ zu denken, sondern das Wirkungsspektrum der Drogen für
Einzelne und Kollektive hängt nicht unwesentlich von den (sub-)kulturellen und
politischen Bedeutungszuschreibungen, Funktionalisierung und Wirkungsattributierungen ab.
2.3. Gesundheitliche Risiken und soziale Desintegration
Der Konsum von Freebase beeinträchtigt bei länger andauerndem Gebrauch Mund,
Zunge, Luftröhre und Lunge. Bei exzessivem Konsum kann es zu chronischen
Schmerzen im Mund und zu einer ständig geschwollenen Zunge kommen. Ebenfalls
treten Atemprobleme und Abhusten von Blut und schwarzem Belag auf (vgl.
Stone/Fromme/Kagan 1990, S. 54).
Symptome bzw. Nebenwirkungen des
Cocain-Abusus durch Rauchen von Freebase
(Tabelle 1)
Angst
Paranoide Wahrnehmung
Visuelle Halluzinationen
Unsoziales Verhalten
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme
Logorrhoe
Sehstörung
Husten mit schwarzem Auswurf
Muskelschmerzen
Psychomotorische Erregtheit
Gewichtsverlust
Artikulationsstörungen
Massiver Verlust der Impulskontrolle
Akustische Halluzinationen
Lethargie
Depression
60%
60%
50%
40%
38%
38%
35%
35%
35%
35%
35%
31%
28%
25%
25%
25%
N=32
Quelle: Olgiati 1991, S.17
Seite 9
Bei höherdosiertem Crackkonsum werden Atem- und Kreislaufstörungen verursacht.
Eine Überdosierung kann zu Atem- oder Herzstillstand und zum Tode führen (vgl.
Behörde für Schule... o.J., S. 30). Crack-Konsum ist ebenfalls mit dem Risiko für
Bronchitis und Lungenschäden (Entzündungen, Blutungen) mit hohem Risiko eines
chronischen Verlaufs verbunden. Auch Schleimhäute von Lippen und Mund sowie
das Herz werden geschädigt.
Bei Frauen, die während der Schwangerschaft Crack geraucht haben, kommt es
zudem überdurchschnittlich zu Totgeburten und Mißbildungen der Kinder. Schon
nach kurzer Zeit des Konsums kann die natürliche Funktion der Neurotransmitter im
Gehirn (Dopaminproduktion) für Monate bzw. Jahre gestört sein (vgl. Behörde für
Schule... o.J., S. 37). Gleichwohl hängen diese Störungen von der Intensität und
Dauer des Konsums und ggf. des weiteren Drogenkonsums ab.
Vogt/Schmid/Roth zeigen in ihrer Übersicht über chronische Krankheiten (HCV und
HIV-Infektionen) unter Crack-Rauchern weit verbreitet sind: „Männer haben im
Vergleich zu Frauen insgesamt eine etwas geringere Belastung mit chronischen
Krankheiten; Drogenabhängige, die kein Crack rauchen, haben im Vergleich mit den
Crack-Konsumenten wiederum insgesamt etwas geringere Belastungen mit
chronischen Krankheiten. Am stärksten belastet sind Frauen, die Crack rauchen, mit
HC-Infektionen und - mit gewissen Einschränkungen – mit HIV-Infektionen.“ Ein
Grund könnte dafür sein, wie schon in der needle-sharing-Studie (Kleiber/Pant
1996), dass die Frauen einer Doppelbelastung des Infektionsrisikos neben der
intravenösen Applikationsform und durch oftmals ungeschützte Prostitution
ausgesetzt sind. Auch Püschel (2001) weist auf das erhebliche sexuelle
Infektionsrisiko hin, dass einerseits eingegangen wird zur Finanzierung des CrackKonsums (Beschaffungsprostitution), andererseits als Folge der Kokain/CrackWirkung in einer gesteigerte sexuellen Aktivität selbst besteht (und oftmals
ungeschützt).
Die bei weiblichen Crack-Konsumenten verbreitete Beschaffungsprostitution führt
neben Gewalt- und Erniedrigungs- und Entwürdigungserfahrungen aber auch zu
weitreichenden und offenbar zunehmenden Verelendungs- und sozialen
Desintegrationsprozessen. Diese Entwicklung wird in beiden Metropolen (Hamburg
und Frankfurt) deutlich.
Die letale Dosis liegt oral genommen bei 0,5 bis 1,0 g. „Bei parenteraler Applikation
können schon 30mg tödlich sein“ (Martinetz 1994, 106).
2.4. Abhängigkeit und Kontrollstrategien
Das Abhängigkeitspotential von Freebase/Crack wird unterschiedlich beurteilt. Von
einigen Autoren wird darauf hingewiesen, daß Crack sehr schnell zur Sucht führe
und schon nach fünf- bis sechsmaligem Gebrauch eine psychische Abhängigkeit
drohe (vgl. Täschner und Richtenberg 1988, S. 72). Selbst der einmalige Gebrauch
wird als abhängigkeitserzeugend in der Fachliteratur beschrieben: „Unter Insidern gilt
es als die verheerendste Droge, denn bereits der einmalige „Genuß“ von 3
stecknadelgroßen Bröckchen kann zur ständigen Abhängigkeit führen (Martinetz
1994, 106). Als eine wesentliche Ursache für das hohe psychische Suchtpotential
gelten der heftige euphorische Kick und der schnelle Wirkungsabfall der Droge (vgl.
Behörde für Schule... o.J., S. 34). Dieser schnelle Wechsel zwischen positiver und
negativer Wirkung (Euphorie und Depression) kann zu einem starken Verlangen
nach Wiederherstellung des als positiv empfundenen Zustandes führen und so eine
psychische Abhängigkeit initiieren bzw. eine Suchtdynamik in Gang setzen.
Seite 10
Darüber hinaus wird von einigen Autoren (z.B. Hess 1989, S. 468) auch eine
physische Abhängigkeit mit körperlichen Entzugserscheinungen konstatiert. Als
charakteristische Abstinenz- und Entzugssymptome werden vor allem Übelkeit,
Depressionen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Schwindel und Tremor genannt
(vgl. u.a. Gomez 1988, S. 43; Sahihi 1989, S.45f.). Es treten zwar keine vegetativen
Entzugserscheinungen wie bei OpiatkonsumentInnen auf, die eine begleitende
Entzugsmedikation erforderlich machen (vgl. Haasen 1998, S. 4). Doch kann man
von einer physischen Abhängigkeit jedoch auch angesichts der neuro-adaptiven
Erscheinungen bei Absetzen der Droge sprechen, die sich in Erschöpfung,
Schlaflosigkeit, dem völligen körperlichen Zusammenbruch, Anhedonie, Depression
äußern und Ausdruck der massiven Stoffwechselprobleme im Gehirn sind (vgl. Götz
2001). Häufige, oftmals in psychischen Kategorien beschriebene Symptome, sind
Angst, bis hin zu paranoiden Zuständen und suizidalen Tendenzen. Bei einem
wiederholten sofortigen Folgekonsum über einen längeren Zeitraum setzt die
körpereigene Dopaminproduktion aus, was erhebliche Stoffwechselprobleme zur
Folge hat (vgl. Suchtinformationsserver Jugend hilft Jugend e.V. Hamburg).
Es ist eine Frage der Definition des Entzugsprozesses und der dort auftretenden
psychischen und physischen Phänomene. Wenn man den Opiatentzugsprozeß
zugrunde legt und nach vergleichbaren Symptomen auf körperliche Ebene sucht,
wird man bei Crack nicht von einer „klassischen“ körperlichen Abhängigkeit
sprechen. Erweitert man jedoch die Definition (gem. DSM IV/ICD 10) dann lassen
sich auch bei Dauergebrauch von Kokain und Crack körperliche
Abhängigkeitssymptome feststellen.
Über die Kontrollierbarkeit von rauchbarem Kokain (d.h. Crack und freebase) gehen
die Meinungen weit auseinander. Von vielen wird das Suchtpotential für so groß
halten, dass kein bewusst kontrollierter Umgang mit Crack möglich scheint, und dass
selbst auch unterbrochener Konsum und bewusstes Rausch-Crackrauchen („binge
smoking“) letztlich nicht am individuellen Willen, sondern an Grenzen der
körperlichen und psychischen Belastbarkeit oder materiellen Finanzierbarkeit
orientiert ist. Auch unterbrochener Konsum wird in dieser Vorstellung über kurz oder
lang zu einem „Abrutschen in die Drogenszene“ (Baumeister 2001) führen.
Demgegenüber stehen Erkenntnisse von PraktikerInnen und Forschern, die
rauchbarem Kokain keine „hyperpotente“ Wirkung im Vergleich zum Kokain in
schnupfbarer Form zuschreiben, sondern einen kontrollierten Einsatz für möglich
halten, der über lange Zeit, sozial und gesundheitlich unauffällig betrieben werden
kann, bzw. wird (vgl. Kemper 2001). Insofern ist die Crack-Diskussion
möglicherweise verkürzt auf die Bedrohlichkeit eines linearen Prozesses in
Abhängigkeit und körperlichen Ruin. Dieser Verlauf wird massenmedial wirksam und
z.T. hysterisch beschrieben. Auch Wolfgang Götz, Leiter der Berliner
Therapieeinrichtung KOKON mit dem Schwerpunkt ambulante Therapie für
Kokainabhängige, geht von einer erheblichen Dunkelziffer von sozial integriertem
Kokainkonsum - zumindest für Berlin - aus. Dabei scheint es sich eher um einen
unauffälligen Gebrauch von „freebase“ – KonsumentInnen zu handeln. Freebase als
„reinere“ Form der Zubereitung wird seiner Einschätzung nach von KonsumentInnen
mit höherem Bildungsniveau und tragfähigeren sozialen Ressourcen und finanziellen
Möglichkeiten gebraucht, während Crack eher von Angehörigen der klassischen
Drogenszene zusätzlich genommen wird oder von „Außenseitern“ wie jugendlichen
Prostituierten oder Strichern.
Seite 11
Auch zwei Untersuchungen aus den Niederlanden zeigen, dass durchaus
Selbstkontrollstrategien im Umgang mit rauchbarem Kokainkonsum entwickelt
werden1.
Zunächst finden Barendregt/van de Mheen/Blanken (1999) in einer Untersuchung
über den Einfluß von Konsumorten und Selbstkontrollmechanismen von 183
beobachteten KokainraucherInnen in Rotterdam heraus, dass der Konsumort von
Bedeutung für die Konsummenge ist. Im Gegensatz zum Ort des Drogenerwerbs
(Dealeradresse) und den eigenen Wohnungen der KonsumentInnen wurde in den
Räumen der Pauluskirche in Rotterdam vergleichsweise geringere Mengen geraucht.
Im Konsumraum der Pauluskirche darf allerdings nur von der Alufolie konsumiert
werden („chineesen“). Es besteht ein Verbot des Freebase – Rauchens. Dies ist als
eine präventive Maßnahmen zu betrachten, um Eskalationen jeder Art zu vermeiden.
Dieser Maßnahme liegt die selbstberichtete und beobachtete Erkenntnis zugrunde,
dass „chineesen“ von Kokain eine weniger starke „Gier“ hervorruft, als der Konsum
über das Rauchen in einer Freebasepfeife2.
Viele KonsumentInnen haben darüber hinaus Selbstregulierungsstrategien
entwickelt, um kokainbedingte Dynamiken und unangenehme (Neben-)Wirkungen
des Kokainrauchens (z.B. Paranoia) zu vermeiden. Der Folgekonsum von
sedierenden Substanzen wie z.B. Heroin (die Hälfte der Befragten) oder anderen
psychoaktiven Substanzen nach dem Rauchen von Freebase stellt eine Form der
Vermeidung unerwünschter Effekte dar. Diese Form von Selbstmedikation wird in
Ansätzen auch in Berichten und Beobachtungen von PraktikerInnen in den beiden
Städten Hamburg und Frankfurt deutlich. Die Hälfte der Untersuchten in Rotterdam
setzt kurz nach dem Gebrauch den Kokainkonsum fort. Die Befragten in Rotterdam
sehen in der Substanz Kokain selbst eine Ursache für das „Weiterrauchen-Wollen“.
Wenn auch setting-bedingte Faktoren (wie z.B. Hausregeln) einen Einfluß auf die
Konsummuster haben, so wird dies abschließend eingeschätzt als eher verstärkend
denn als Konsummuster schaffend. In der Untersuchung wird auch deutlich, dass die
Pharmakodynamik und das Suchtpotenzial von rauchbarem Kokain sehr hoch ist
und Selbstregulierungsverhalten nur schwer entwickelt und eingehalten werden
kann.
Während einige der Befragten ambivalente Haltungen gegenüber ihrem Konsum
äußern und einen Wunsch nach Aufhören-Wollen aber nicht Aufhören-können
ausdrücken, geht es bei einer andere Gruppe um Kokain-Rauchen als Teil eines
drogenzentrierten Lebensstils in der gesellschaftlichen Randständigkeit. Während
die erstgenannten die Zielgruppe für Trainingsprogramme der Suchtkrankenhilfe
darstellt, geht es für die zweite Gruppe zunächst um harm-reduction Maßnahmen,
um weitere soziale und gesundheitliche Verelendungen zu verhindern. Mehr als die
Hälfte der Befragten hatten mehr als 10 Jahre Erfahrungen mit rauchbarem
Kokainkonsum.
Die zweite aktuelle niederländische Studie von Tim Boekhut van Solinge (2001) hat
in einem Praxisforschungsansatz die Bedeutung von Interventionsstrategien für
KonsumentInnen rauchbaren Kokains (in den Niederlanden unter dem Stichwort
„aufgekochtes Kokain“ geführt) erkundet. Diese beiden von der Stiftung „Mainline“
angewandten Strategien (Gesundheitsfragebogen Selbstkontrollprogramm) für
Zielgruppen in Utrecht und Amsterdam dienen als Anknüpfungspunkte in der
1
Auch aus den USA sind durchaus Kenntnisse über sozio-kulturelle Lernprozesse im Umgang mit
Crack vorhanden: sowohl für das Erlernen aber auch für das Aussteigen (Reinarman/Levine 1997)
2
: „Es ist etwa zu vergleichen mit dem Trinken von Wodka aus Biergläsern“ (Visser 2001).
Seite 12
aufsuchenden Straßensozialarbeit (mit Hilfe eines Busses der an die
Szenetreffpunkte heranfährt), um über Gesundheitsfragen ins Gespräch zu kommen,
Risikobewußtsein zu schärfen und Regeln für einen kontrollierteren Konsum
rauchbaren Kokains zu eruieren und weiter zu vermitteln.
Der ethnographische Zugang zur Drogenszene3 zeigt, daß auf der individuellen
Ebene durchaus ein Wissen darüber verbreitet ist, wie die unerwünschte, weil
ruinöse Dynamik von Freebase/Crack, unterbrochen oder besser bewältigt werden
kann. Dieses Wissen bezieht sich auf den Kontext des Konsums, Regeln für den
Gebrauch, Ratschläge für eine Verminderung oder einen Nicht-Gebrauch,
Alternativen zum Konsum rauchbaren Kokains und finanzielle Aspekte. Deutlich wird
in dieser Untersuchung auch, daß als individuelle Bewältigungsmuster im Rahmen
einer Selbstmedikation andere Substanzen eingesetzt werden, die die Dynamik des
Kokain helfen einzudämmen bzw. besser zu kontrollieren. Eine Aussagen der
GebraucherInnen seien hier zur Illustration aufgeführt4:
Kontext des Konsums
„Guck ab und zu in den Spiegel und habe Respekt für deinen eigenen Körper. Das
Coke zerstört den Körper.“
„Steck dir Ziele. Aber solche die erreichbar sind.“
„Akzeptiere deinen Crack-Konsum. Betrachte das Dope nicht als deinen Feind, aber
auch nicht als deinen Freund.“
etc.
Alternativen zum Konsum rauchbaren Kokains
• „Chineezen ist besser als basen. Basen macht man bis zur Erschöpfung“
• „Einen Zug für den Kick, den Rest chineezen“
• „Ich rauchen Joints nach dem Kokaingebrauch, um runter zu kommen“
• „Ich gebrauche erst Heroin, dann Kokain“
• „Wenn ich kein Heroin kaufen kann, kaufe ich auch kein Kokain“
• „Ich gebrauche nicht auf der Straße“
etc.
Reduktion und Konsumverzicht
•
„Wenn ich mir vorgenommen habe einen Tag keine Kokain zu nehmen, bleibe ich
auch der Szene fern“
• „Ich gehe regelmäßig zu meiner Mutter , 4-5 Tage, da gebrauche ich kein coke“
• „Ich gebrauche vor allem allein, mit anderen bin ich geneigt durch zu gehen“
• „Wenn ich zwei Tage mit coke verbracht habe, nehme ich einen Tag Ruhe“
• „Ich bleibe einige Tage zuhause und nehme Methadon. Ich ruhe aus ohne coke“
etc.
Finanzielle Aspekte
„Nimm für einen Trip nicht zuviel Geld mit und lass das Zubehör zuhause.“
3
Vgl. etwa Nabben/Korf (1999) für die Bedeutung von Kokain/Crack für Jugendliche in
Partydrogenzusammenhängen und für Jugendliche mit marginalisiertem Lebensstil
4
Eigene Übersetzung
Seite 13
„Lass dein Geld von einer Institution oder Vertrauensperson verwalten“
etc.
In diesen Aussagen werden individuelle Selbstkontrollstrategien deutlich, die (über)lebenswichtige Konsumerfahrungen- und Problembewältigungsmuster reflektieren:
Auch
GebraucherInnen
treffen
rationale
Entscheidungen
und
wägen
Handlungsalternativen ab. Dies wird von der Hilfepraxis wahrgenommen und als
Anknüpfungspunkte für weitere Hilfeangebote nutzbar gemacht. Deutlich wird in der
Untersuchung der beiden Szenen auch, daß es sich um Szenemitglieder handelt, die
bereits seit Jahren ihr Leben um Drogen herum organisieren („den Tag rumbringen
auf der Suche nach Geld und Drogen und dabei der Polizei entwichen“) und auch
aus diesen Erfahrungen heraus schadensminimierende Strategien entwickelt haben.
Als Ergebnisse der Praxisforschung wird deutlich, daß es wichtig ist
•
•
•
•
Sehr nah an der Szene heranzugehen, um möglichst viele GebraucherInnen zu
erreichen
Einen niedrigschwellige Zugang zu organisieren
Regelmäßig in die Szene zu gehen, um zu den Erreichten auch längerfristig
Kontakt zu halten
Kurzdauernde Interventionen und Hilfen anzubieten, die dem schnellen
Lebensstil angepaßt sind.
2.5. Zusammenfassung
„Freebasen“ und „Crack“ stellen unterschiedliche Formen der Zubereitung bzw.
Weiterverarbeitung von Kokain dar. Durch Rückumwandlung in den basischen
Zustand entsteht eine Kokainbase, die gegenüber Kokain etwa die vierfache
Wirkung hat (BKA 2001). Es entsteht in beiden Fällen aus dem Pulverkokain
rauchbares Kokain, wobei Freebasen gegenüber Crack die „reinere Form“ bedeutet.
Die Wirkungsunterschiede zwischen diesen beiden Zubereitungsformen sind als
marginal einzustufen. Die Verbreitung scheint schichtspezifisch zu verlaufen: „CrackKonsum“ bei sozial auffälligen Angehörigen der Unterschicht, „Freebase“ bei
Angehörigen höherer gesellschaftlicher Schichten mit vorhandenen Ressourcen und
stärkerer Integration.
In Diskussion über Crack geht es oftmals um die beiden rauchbaren
Kokainvarianten, z.T. wird aber (z.B. in Polizeiberichten) in der Diskussion und
Dokumentation nicht zwischen Crack, Freebase und Kokainhydrochlorid selbst
unterschieden. Das führt zur begrifflichen Verwirrung und erschwert Diskussionen
über das Phänomen und nötig werdende Hilfestrategien.
Es existiert ein erhebliches Dunkelfeld für KonsumentInnen von Kokain aber auch
seinen rauchbaren Zubereitungsformen. Kokain, Crack und Freebase haben auch
Einzug gehalten in die bürgerliche Lebens- und Arbeitswelt. Gesellschaftliche
Leistungsanforderungen können subjektiv mit der Drogenwirkung von Kokain und
seinen Derivaten (Steigerung des Selbstbewußtseins, kurzzeitig verbesserte
Stressbewältigung und Stimulanz) offenbar befriedigt werden. Und offensichtlich
schafft ein nicht unerheblicher Teil einen völligen Ausstieg oder einen sozial und
gesundheitlich unauffällig/kontrollierten Konsum ohne institutionelle Hilfe als
‚Selbstheiler’ (vgl. dazu Schneider/Stöver 2000).
Seite 14
3
Crack-Konsum - Prävalenz
Es gibt eine Gruppe von langjährigen und psychisch und sozial verelendeten
Opiatkonsumenten (die vorwiegend Heroin konsumieren oder aber auch mit
Methadon substituiert werden), die auch zusätzlich Kokain konsumieren. Ein kleiner
Teil dieser Gruppe wiederum scheint Crack zu konsumieren.
So ist aus Frankfurt am Main bekannt, dass diese Gruppe bis 1999 rund 150 bis 300
der etwa 6.000 bis 8.000 Heroinkonsumenten ausmacht. Der Trend zum CrackRauchen wird dort seit 1995 beobachtet. Seit 1999 ist hier aber die Rede von einer
Steigerung auf 500 bis 1.000.
In Hamburg wird dieser Trend seit 1,5 Jahren ebenfalls beobachtet und bis zu 50 %
der Besucher der Drogenkonsumräume konsumieren auch Crack. Der Hamburger
Senat erwähnt in der Beantwortung einer kleinen parlamentarischen Anfrage vom
08.08.2000 noch Schätzungen, die sich auf 100 bis 200 Crack-Konsumenten im
Umfeld des Hauptbahnhofs beliefen; inzwischen wird eine weit höhere Anzahl
angenommen.
In Berlin ist das freebasen (Vermengung von Kokainhydriochlorid mit Äther)
verbreitet in der Kokain-gebrauchenden Szene. Aber ein Konsum (und Verkauf) von
Crack in der Straßenszene ist nicht mitgeteilt worden.
In Hannover tritt das Phänomen rauchbaren Kokains zwar nicht so massiert auf wie
in Hamburg und Frankfurt. Da Kokain fest in der Drogenszene verankert ist, sind
auch Anfänge des Konsums un der zunehmenden Verbreitung von Crack-Konsum
erkennbar.
Im folgenden wird die Situation des Crack-Rauchens in den beiden Städten Frankfurt
und Hamburg exemplarisch und ausführlich beschrieben. Angesichts der
Vielschichtigkeit der Problematik und mehrjährigen Geschichte mit vielen Akteuren
kann dies im Rahmen dieser Bestandsaufnahme nur skizzenhaft geschehen.
3.1
Crack-Konsum in Hamburg und Frankfurt5
In beiden Städten scheint die Crack-Herstellung eine Veränderung durchlaufen zu
haben: von der eigenen Herstellung zu Hause oder einem anderen Ort, hin zum Kauf
fertiger Produkte auf der Straße. Der Kleinhandel selbst vollzieht sich mit einer
ähnlichen Geschwindigkeit wie das Crack-Rauchen selbst. Dabei werden die CrackSteine oder Splitter nach Augenmaß verkauft, was Manipulationen und ‚Linken’ des
Anderen Tür und Tor öffnet. Qualitätstests wie bei Heroin (Heudtlass 2000) oder
selbst minimales drug-checking wie bei Ecstasy (vgl. Schroers 2000) scheint es bei
Crack, jedenfalls im Endverkauf nicht zu geben. Das führt zu oft erheblichen
Preisschwankungen und Qualitätsminderungen (z. T. werden ganz andere
5
Für die beiden Städte Hamburg und Frankfurt ist die Praxis der Brechmittelvergabe nicht untersucht
worden. 1996 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt den Einsatz von Brechmitteln zur polizeilichen
Beweissicherung untersagt. Diese Entscheidung ist im Jahre 2000 vom Bundesverfassungsgericht
wieder aufgehoben worden.
Seite 15
Substanzen als Crack ausgegeben), die aber im schnellen Handel auf der Straße
wenig Konsequenzen haben. Crack-Erwerb wird also auch durch die Vielzahl
involvierter Händler/KonsumentInnen zu einem ‚Glücksspiel’, denn anders als bei
den meisten anderen Drogen, scheint es in diesem Bereich auf der untersten
Straßenebene keine dauerhaften, vertrauenswürdigen Handelsbeziehungen zu
geben. Dem Zufall wird hier Tür und Tor geöffnet, wenn man allein die Form weit
verbreiteter Übergabe der Crack-Steine betrachtet. Die Steine werden in verpackter
Form oftmals ‚aus dem Mund heraus’ verkauft, d.h. selbst eine Inaugenscheinnahme
ist oft nicht möglich und wird von den Käufern auch akzeptiert.
Nach Aussagen der „Crack-Street-Projekt“ (CSP) - MitarbeiterInnen in Frankfurt hat
sich in der Crack/Drogenszene eine Verrohung der Sitten und Umgangsweisen
untereinander ergeben. Beschaffungskriminalität weist deutlichere Spuren von
Brutalität auf, Gewalt wird zunehmend ein Mittel der Auseinandersetzung der
KonsumentInnen untereinander und unter den Händlern werden z.T. heftige
Revierkämpfe und regelrechte ‚Kleinkriege’ ausgetragen.
Z.T. existieren auch unter KonsumentInnen Phantasien, solange der Beschaffung
ungezügelt nachzugehen, bis sie von der Polizei aufgegriffen werden, nehmen
sozusagen die repressive Instanz als persönliche Grenzsetzung wahr. Dieses
Aufgreifen
kann
sogar
lebensverlängernd
wirken,
wenn
eine
Krankenhauseinweisung veranlaßt wird, und in dieser Situation sich
Ansprachemöglichkeiten ergeben und die Entlassungssituation besprochen werden
kann. Diese Entzugsphase wird zu einem bedeutsamen Ort der Ansprache und
flexiblen Hilfestellung. Obwohl es in Frankfurt ein Modell ‚Therapie sofort’ nicht gibt,
lassen sich im Einzelfall schnelle und unbürokratische Regelungen treffen.
3.1.1 Hamburg
3.1.1.1 Situationsbeschreibung
Historische Entwicklung
1996 soll es nach Einschätzung des wissenschaftlichen Mitarbeiters der Hamburger
Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) Herrn Lange, und den
Angaben aus dem Drogenhilfebereich erste Hinweise auf Crack-Konsum in
Hamburg gegeben haben. Anfang 1999, so teilte Herr Lange mit, wurde von
MitarbeiterInnen einiger Überlebenshilfe-Einrichtungen (Konsumraum) beklagt, dass
sie sich vermehrt einem gereiztem Verhalten bei Kokain injizierenden und Crack
rauchenden Nutzern der Einrichtung ausgesetzt sähen. Außer Hinweisen auf
Akupunktur und das ‚Crack-Street-Projekt‘ in Frankfurt gab es zu dieser Zeit noch
keine elaborierten konzeptionellen Vorschläge, wie mit dieser Erscheinung
umzugehen sei. Der Crack-Konsum geriet in der Folgezeit sehr schnell in den
Mittelpunkt des fachlichen, öffentlichen und auch allgemein politischen Interesses6.
In der ersten Jahreshälfte 2000 wurde von niedrigschwelligen Drogenhilfeträgern
beobachtet, dass die Crack-KonsumentInnen nicht nur aus bekannten Mitgliedern
der Drogenszene bestanden, sondern dass auch junge MigrantInnen und Frauen
deutscher Staatsangehörigkeit die der Prostitution nachgingen, zu diesem
Konsumentenkreis gehörten. Herr Lange berichtet von vermehrten Beobachtungen
über an öffentlichen Plätzen Crack rauchende, problembelastet erscheinende
6
Hier wurde die erste Anfrage nach Hilfeangeboten und adäquaten politischen Umgehensweisen mit
dem Crack-Phänomen in der Hamburger Bürgerschaft bereits 1999 gestellt (weitere Schriftliche Kleine
Anfragen: 22.2. und 15.8. 2000)
Seite 16
Heranwachsende und Jugendliche, die bis dahin nicht dem primär opiatabhängigen
Kern der Drogenszene zugerechnet wurden. Herr Lange befürchtet, dass die
schnelle Ausbreitung von Crack-Konsum in der Szene bekannter Drogenabhängiger
und die bisher ungebremste Zunahme des Crack-Angebotes zu fallenden Preisen
durch eine steigende Zahl von sich an öffentlichen Plätzen aufhaltenden
Strassendealern, vermehrt auch die Neugier von problembelasteten, risikobereiten
und daher leicht verführbaren jungen Menschen weckt, die bis dahin kaum oder nur
am Rande Kontakte mit dem von HeroinkonsumentInnen geprägtem Drogenmilieu
unterhielten. Insgesamt ist seit 1999 eine hohe Dynamik von Crack Konsum in
Hamburg feststellbar.
Soziale Auswirkungen des Crack-Konsums
Crack-KonsumentInnen sind anders als die Opiatabhängigen früherer Jahre den
ganzen Tag und z.T. die ganze Nacht, und dies ggf. über mehrere Tage und Nächte
hindurch mit ihrem Konsum, Kauf/Verkauf in einem Stadtteil beschäftigt. Der
normale Tag-/Nachtrhythmus ist einem diskontinuierlichen Leben bis in die frühen
Morgenstunden gewichen. Norbert Dworsky (2001) macht darauf aufmerksam, dass
die Lebensrhythmen sich grundsätzlich mit dem Aufkommen des Crack-Konsums
verändert haben. Während sich früher längere Rhythmen über die Wirkungsdauer
der Droge (bei Heroin sich über 4-6- Stunden, Methadon 24 Stunden) ergaben, so
verkürzen sich diese bei Kokain auf 20-30 Min. und bei Crack verkürzen sich die
Zeiten nochmals auf wenige Minuten. Damit werden auch die Interventionszeiten
immer kürzer und die traditionellen Strategien der Ansprache, der Kontaktherstellung
müssen ergänzt werden um Methoden unmittelbarer und schneller Hilfegewährung.
Thane (2001) beschreibt den Crack-Konsum auf der offenen Drogenszene als
diskontinuierlich: mehrere Stunden bis mehrere Tage bis die physischen oder
monetären/materiellen Grenzen erreicht sind. Dabei handelt es sich hauptsächlich
um Jugendcliquen. Deren Konsum ist motiviert von der Erwartung einer erhöhten
Leistungsbereitschaft durch stimulierende Substanzen (wobei Crack nur eine
Substanz ist neben Amphetaminen, XTC), im Gegensatz zum betäubenden Konsum
von Opiaten. Mit stimulierenden Substanzen wird „Power“ und Dynamik assoziiert,
die eher den jugendlichen Zeitgeist symbolisieren.
Die Erkrankungen der Atemwege treten dabei sehr schnell und offensichtlich auf:
bronchial-asthmatische Beschwerden mit starkem Husten, der nicht mehr befreiend
wirkt.
Torsten Seeland, Leiter der Revierwache des hauptsächlich betroffenen Stadtteils
St. Georg in Hamburg, berichtet, dass sich durch diese Dauerpräsenz ganz neue
Belastungen für den Stadtteil ergeben und zwar von Personen, die nicht dem
Stadtteil angehören, sondern ihn nur als Hintergrund für Konsum und Geschäft
benutzen. Die Belastungen für die Bevölkerung beziehen sich auf Lärm, Streits in
der Kauf-, Verkaufssituation und äußern sich in Beschwerden bei der Polizei.
Aggressivität wird dabei von der Polizei vor allem innerhalb der Crack-RaucherInnen
– Szene festgestellt. Eine Zunahme der Gewaltbereitschaft gegenüber Unbeteiligten
wurde bisher von der Polizei nicht festgestellt, auch keine Angriffe gegenüber
PolizistInnen. Insofern wird das medial oft vermittelte Bild von „durch die Stadt
rasenden Monstern“ nicht bestätigt.
Das Zugehensverhalten der Polizei hat sich dahingehend geändert, dass nur noch
mehrere PolizistInnen auf Crack-KonsumentInnen zugehen. Doch gibt es keine
Sondereinheiten, sondern im Rahmen der normalen Arbeit wird auch Auffälligkeiten
in der Drogen- und Crack-Szene nachgegangen. Seeland (2001) beurteilt die
Seite 17
Wirkung polizeilicher Arbeit zwar als gering, die Polizeipräsenz und –arbeit
insgesamt aber als sehr notwendig. Versuche die polizeiliche Taktik zu verändern,
mit weniger Präsenz von Zivil- oder Streifenbeamten führten zu einem Abbruch,
nachdem die Verkaufsszene diese Versuche unmittelbar für ihrerseits höhere
Präsenz ausgenutzt hat.
Verbreitung des Crack-Konsums
Der Crack-Konsum ist laut Polizeiangaben (Seeland 2001) in Hamburg wie in
Frankfurt vor dem Hintergrund eines seit mehreren Jahren zu verzeichnenden
Anstiegs des Kokainkonsums zu betrachten. Laut ihren Angaben benutzen ca. 2/3
der offenen Drogenszene Crack und Kokain. Aus polizeilichen Erkenntnissen stellen
ausschließliche Crack-RaucherInnen die Ausnahme dar. Damit werden Ergebnisse
aus empirischen Studien (etwa Thane 2000) und praktischen Erfahrungen aus der
niedrigschwelligen Drogenhilfe bestätigt (Dworsky 2001).
Aus Hamburg, aber auch aus Frankfurt und Hannover bestehen Berichte und
Beschreibungen aus der Jugendkultur, wonach ‚basen‘ bzw. „Steine Rauchen“ von
solchen randständigen jungen Menschen als gesundheitlich viel weniger riskant als
Heroin empfunden wird, „da man es ja nicht spritze“. Z.T. wird berichtet, dass die
Jugendlichen nicht nur eine Abneigung gegen intravenösen Drogenkonsum zeigen,
sondern sich auch bewusst abgrenzen gegen die „Fixerszene“ und ihren i.v.
Drogenkonsum, der von ihnen als gefährlicher und gesundheitlich/sozial bedrohlicher
wahrgenommen wird, während sie „bloß Steine rauchen“. Das Risikobewusstsein ist
gering ausgeprägt, „Steine rauchen“ wird nicht gleichgesetzt mit ruinösem
Drogenkonsum.
Es scheint – ähnlich der Situation in Frankfurt – auch eine Gruppe jüngerer
KonsumentInnen zu geben, die Crack rauchen: aus Migrantenkreisen, risikobereit
ohne ‚sub-kulturelle Einbindungen, sowie jüngere männliche und weibliche
Prostituierte, und schließlich Kinder in der Szene „KIDS“ am Hauptbahnhof.
Unklar ist, wie groß der Migrantenanteil an diesen jugendlichen Cliquen ist. Erste
Hinweise auf die kulturelle Herkunft der Crack-RaucherInnen in Hamburg zeigen,
dass ihr Anteil relativ hoch ist. Möglicherweise verfängt gerade bei ihnen als
’Quereinsteiger’ in den Konsum illegaler Drogen die Argumentation von der geringen,
im Gegensatz zur intravenös applizierenden Drogenszene, die mit hohen
gesundheitlichen Gefährdungen assoziiert wird, besonders gut.
Dworsky (2001) berichtet von einer Umfrage im ‚Fixstern’, einem großen
Konsumraum in Hamburg (siehe Kapitel 4.3.1.), dass von 41 Crack-KonsumentInnen
24 AusländerInnen waren (GUS, Türkei etc.) und 17 deutscher Herkunft.
Gegenwärtig konzentriert sich der Crack-Konsum in Hamburg auf zwei Stadtteile:
•
•
St. Georg in Hauptbahnhofsnähe, hier sind es 400-500 Personen, die im
Laufe eines Tages diesen Ort aufsuchen, bei denen „ersten Crack“ als
Präferenzdroge bezeichnet werden kann, wobei ca. 100-150 als
ausschließlich Crack-KonsumentInnen eingeschätzt werden müssen.
Im Schanzenviertel seien dies 50-100.
Kleinere Szenen bestehen Willy Wilkens (HIDA/Hamburg) zufolge darüber hinaus
auch in Jenfeld (20 Personen), und an der Elbgaustr./Altona (ca. 20). Insgesamt
schätzt Herr Wilkens die Zahl der Crack-KonsumentInnen in Hamburg auf 800-900,
Seite 18
wobei er ca. 300 KonsumentInnen als „hard core“ KonsumentInnen bezeichnet.
Andere Schätzungen belaufen sich auf 500-700 KonsumentInnen (Zamory 2001).
Diese KonsumentInnen haben wahrscheinlich schon vorher einen Drogenkontakt
gehabt und waren Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen bereits durch Kinder- und
Jugendalkoholismus aufgefallen.
Die Dynamik der Crack-Situation hat sich in den letzten 12 Monaten erheblich
beschleunigt: sowohl auf der KonsumentInnen – Seite als auch in der Diskussion um
Hilfeangebote.
Laut Drogentherapeut Herbert Villhauer gibt es auch eine Zunahme von CrackKonsum in sozial unauffälligen Kreisen, vornehmlich bei „Leistungskoksern“ aus sog.
Imageberufen (Medienbereich, IT-Bereich). Diese Personen kommen nicht in die
klassischen Drogenhilfeeinrichtungen.
Generell entsteht in Hamburg das Bild, dass es sich nicht um einen großen Teil den
MitarbeiterInnen der niedrigschwelligen Suchtkrankenhilfe unbekannter CrackKonsumentInnen handelt, sondern um bereits aus vielfältigen Beratungs- und
Betreuungszusammenhängen bekannten Personen.
Das Crack-Angebot
Thane (2001) berichtet, dass bis etwa Ende 1999 die Hälfte der KonsumentInnen
ihre Steine noch selbst hergestellt hat, seither konzentriert sich die Angebotsseite
mehr und mehr darauf , die Steine bereits portionsgerecht anzubieten. Die Preise
liegen ebenso wie in Frankfurt (siehe unten) bei etwa DM 5-10 für die kleinste
Einheit, kleinere Beutel werden für DM 50,- verkauft, woraus sich 7-10 kleine
Einheiten ergeben7. Der Verkauf erfolgt auch hier nach Augenmaß und nicht nach
Abwiegen, es gibt so gut wie keine Qualitätskontrollen.
Die Qualität untersuchter Stichproben in Hamburg hat nach Dworsky (2001) eine
hohe Schwankungsbreite: bei Heroin von 0-82%, bei Kokain von 0-100%.
Der Verkauf selbst hergestellter Steine oder von Fertigprodukten erfolgt in S-Bahnen
oder in den Bahnhöfen (Schanzenviertel, Dammtor, Hauptbahnhof).
Ähnlich wie in Frankfurt wird auch in Hamburg von polizeilicher Seite davon
berichtet, dass Crack zu einer Zahlungseinheit für Freier gegenüber
drogenabhängigen Prostituierten geworden ist8 (Seeland 2001). Das Crack-Angebot
ist zu einer neuen Währung geworden und verwischt die Grenzen von Dealern und
Zuhältern.
Hilfeangebote
Die praktischen Drogenhilfe-Angebote für Crack-KonsumentInnen konzentrieren sich
auf eine Intensivierung gegenwärtig schon bestehender Hilfeinstrumente (z.B.
nachgehende oder ‚nachlaufende’ Sozialarbeit, Akupunktur), beispielsweise eine
stärker interdisziplinär ausgerichtete Arbeit von „Laufwerk“ (siehe Kapitel 4.2.1.). Die
von den PraktikerInnen vorgetragenen Ideen gehen in Richtung:
•
Rauchräume in den Konsumräumen in Hauptbahnhofsnähe.
7
Tabak- und Zeitschriftenkioske um die Szene (Hauptbahnhof) herum haben sich auf den Bedarf
eingestellt und verkaufen Crack-Pfeifen samt Zubehör (Reinigungswolle) für DM 8-10 DM an
jedermann.
8
Das „Sex-for-Crack Phänomen in den USA wird ausführlich untersucht von Ratner (1993)
Seite 19
•
•
Mit einer Akupunktur-Ambulanz sind gute Erfahrungen mit einem
dreimonatigem Projekt gemacht worden, die durch Spendenmittel finanziert
wurden. Vorgeschlagen wird eine Fortsetzung dieser anonym nutzbaren
Akupunktur
Übernachtungsstellen in der Alexanderstraße und Kirchenalle/St. Georg
sollten auch als Tagesruheraum dienen (Träger Jugendhilfe), Tag und
Nachtteam wie Café Sperrgebiet.
Im Konsumraum ‚Fixstern’ im Schanzenviertel ist der Crack-Konsum verboten - wie
in allen Frankfurter Konsumräumen auch, weil zuviel Aggressivität der
KonsumentInnen untereinander und in der Beziehung zu BetreuerInnen entwickelt
wurde. Im „Abrigado“ in Hamburg-Harburg wiederum außerhalb der sozialen
Brennpunke St. Georg und Schanzenviertel besteht dieses Problem des
Ausschlusses von Crack-KonsumentInnen nicht. Dort ist auch das Crack-Problem
jedoch nicht als gravierend einzustufen.
Schwierig erscheint mehreren PraktikerInnen die Vorstellung eines Konsumraumes
ausschließlich für Crack-KonsumentInnen. Dieser würde personell nur schwer
besetzbar sein und ordnungspolitisch auch nicht handhabbar sein. Einrichtungen wie
in Rotterdam, wo offenbar in 11 sog. basements 30-50 Personen mit Club-Karte
Crack kaufen können, und die von der Polizei toleriert werden, sind in Deutschland
gegenwärtig nicht denkbar. Eine „Dealergemeinschaft“, die bspw. in der Pauluskirche
für Qualität sorgt, wird vom Kirchenvorstand (Pastor Visser) dort solange geduldet,
wie die Qualität und Preise in Ordnung sind: „Im Jahre 1994 beschließe ich auch den
Drogenhandel zu regulieren, indem ich einigen Dealern unter bestimmen
Bedingungen erlaube ihren Stoff in der Kirche zu verkaufen. Die Bedingungen
betreffen: das Verbot Gewalt anzuwenden oder jemanden zu bedrohen, das Verbot
Wucherpreise zu berechnen und die Pflicht eine gute Atmosphäre zu bewirken“
(Visser 2001).
Statt eines Spezialangebotes nur für Crack-RaucherInnen wird in hamburg eher ein
integratives Konzept favorisiert. Norbert Dworsky (2001a) von freiraum e.V. sieht
folgende Bestandteile eines solchen Angebots:
•
•
•
•
•
•
Chill out Möglichkeit
Tagesschlafplätze/Tagesruhebetten
Konsummöglichkeiten
Akupunktur sofort
Case Management (im Anschluß an das Bundesmodellprogramm)
Therapie sofort.
Insbesondere von der Methode Case Management verspricht sich Dworsky eine
Lotsenfunktion und Fallkoordination für weitere Hilfen. Integrative Einrichtungen sind
bereits KIDS (Kinder in der Szene), Ragazza und das Café Sperrgebiet.
Auch in Hamburg wird versucht, in den niedrigschwelligen Einrichtungen auf die
Gruppe der Crack-KonsumentInnen mit besonderen Angeboten einzugehen. Die
Schaffung eines settings, das beruhigend wirkt (Ruhe, wenig Licht) und eine
Trennung von den anderen Heroinkonsumenten wird auch angestrebt. Es wird eine
spezielle Schulung von Mitarbeitern der Drogenhilfe für notwendig gehalten.
Seite 20
Außerdem gibt es eine ambulante Beratungseinrichtung, die spezielle Angebote für
Kokainkonsumenten anbietet.
Ähnlich wie in Frankfurt sollten auch in Hamburg Tagesruhebetten geschaffen
werden, diese könnten auch mit Pflegesatzmitteln finanziert werden. Gegenwärtig
wird eine Umorientierung in den Hilfen für den Stadtteil St. Georg diskutiert. Der
geplante Konsumraum in St. Georg wird von der Bezirksversammlung Mitte nicht
akzeptiert. Möglicherweise kann die Zustimmung zur Einrichtung eines
Kriseninterventionszentrums das sich vornehmlich an Crack-KonsumentInnen richtet,
erreicht werden.
Substitution
Der Kokain- und auch Crack-Konsum unter Substituierten ist besonders hoch. Die
Kokainwirkung wird oftmals als ein probates Gegengewicht zur Methadonwirkung
empfunden. Im Gegensatz zu Methadon mach Kokain antriebsstark und wach.
Dworsky (2001) berichtet, dass etwa 40% der Substituierten, die sich in der psychosozialen Begleitung befinden auch Kokain- und/oder Crack-KonsumentInnen sind.
Dies macht differenzierte Angebote notwendig. Gegenwärtig wird im Rahmen von
durch Spendenmittel finanzierter einstündigen Akupunkturbehandlung große Erfolge
der Beruhigung und Ansprachemöglichkeit erzielt.
Auch Villhauer (2001) spricht von einer erheblichen Gefährdung von Substituierten in
psycho-sozialer Betreuung. Der Behandlungserfolg längerer therapeutischer Arbeit
würde oftmals innerhalb kürzester Zeit zunichte gemacht durch exzessiven CrackKonsum mit den gesundheitlichen und sozialen Folgeerscheinungen.
Als Zwischenbilanz für die Situation in Hamburg kann das Zitat des DROB-INN
Mitarbeiters Peter Möller (2001) herangezogen werden: „Der Crackkonsum in
Hamburg hat sich zu einem faustdicken und ernstzunehmenden Problem entwickelt.
Die Hysterie jedoch, die Horrorszenarien, wie sie von den Medien, aber auch
streckenweise von der Drogenhilfe selbst aufgezeichnet werden, sind jedoch nicht
nachvollziehbar und für eine nüchterne Bewertung und Konzeptentwicklung zu
diesem Problem sehr schädlich.“
3.1.1.2 Ergebnisse empirischer Studien
Im folgenden werden die Ergebnisse der ersten und wichtigen empirischen Studien
zum Thema „Crack“ referiert:
a). Eine explorative Befragung von 64 Crack-RaucherInnen in der Hamburger
„offenen Drogenszene“ (K.Thane, G. Thiel (Projektgruppe Evaluation u.
Drogenforschung – Jugendhilfe e.V.).
Anhand eines Fragebogens wurden 1999 64 CrackkonsumentInnen zu ihrem
Drogenkonsum, den erlebten Wirkungen und gesundheitlichen Beschwerden
befragt. Die Befragung fand im Umfeld szenenaher Drogeneinrichtungen statt,
erfolgte anonym. Die Ergebnisse werden im folgenden dargestellt (vgl. Thane/Thiel
2000, S. 15-19):
Geschlecht: 63% Männer
37% Frauen
Seite 21
Alter:
bis 25 Jahre:
26 bis 30 Jahre:
31 bis 35 Jahre:
älter als 35 Jahre:
21%
30%
34%
16%
Das mittlere Alter der Männer betrug 31,8 Jahre, das der Frauen 29 Jahre.
Konsummuster:
Nur 8% der KonsumentInnen gaben ausschließlich Crack-Konsum an. 83% der
Crack-KonsumentInnen konsumierten zusätzlich Kokain, 75% Heroin und 36%
weitere Drogen. 58% konsumierten zusätzlich Heroin und Kokain, 22% Kokain,
Heroin und weitere Drogen.
Konsumdauer:
Maximal ein halbes Jahr: 36%
Halbes Jahr bis zwei Jahre bzw. länger als zwei Jahre: 32%
Es zeigten sich keine geschlechts- oder altersspezifischen Unterschiede.
Konsumhäufigkeit:
Täglicher Konsum:
Alle 2-3 Tage:
Einmal pro Woche:
Seltener als einmal pro Woche:
45%
18%
15%
22%
Auch hier zeigten sich keine alters- oder geschlechtsspezifischen Unterschiede. Es
bestand kein Zusammenhang zwischen Konsumdauer und Konsumhäufigkeit.
Konsumeinheiten:
Tägliche „Steine“-RaucherInnen rauchten im Mittel fast 19 Konsumeinheiten/Pfeifen
(Median=15). Diejenigen mit seltenerem Konsum im Mittel etwas mehr als vier
Konsumeinheiten. Auch hier zeigten sich keine alters- oder geschlechtsspezifischen
Unterschiede. Es wurde jedoch deutlich, daß diejenigen mit einer Konsumdauer über
zwei Jahre tendenziell täglich häufiger rauchten als jene mit kürzerer Konsumdauer.
Herstellung:
50% der KonsumentInnen stellten ihre „Steine“ selbst her. Diejenigen, die erst bis zu
sechs Monate rauchten, stellten sie seltener selbst her.
94% der Befragten stellten ihre „Steine“ mit Ammoniak und 6% mit Natron her.
Wirkungen:
Die genannten Wirkungen wurden zu inhaltlichen Kategorien zusammengefaßt. So
wurden vorrangig genannt:
Erlebte Wirkungen beim Crack-Rauchen
(Tabelle 2)
„Euphorie“; „besser fühlen“
„Verrückter Kopf“; „verwirrt“
„Unruhig“; „nervös“; „unkonzentriert“
„Aktiver“; „wacher“
„Erhöhter Puls“; „Herzschlag“
17%
15%
15%
12%
12%
Seite 22
„Gier nach mehr“
„Paranoia“
11%
7%
Quelle: Thane/Thiel 2000, S. 16
Wirkungsdauer:
Über die Wirkungsdauer lagen Angaben von n=30 Crack-KonsumentInnen vor. Im
Mittel wurde eine Wirkungsdauer von ca. neun Minuten angegeben; der Medianwert
lag bei 2,8 Minuten.
Gesundheitliche Folgen:
Atembeschwerden:
39%
Kopfschmerzen:
38%
Weitere Beschwerden:
44%
Die frei genannten „sonstigen Beschwerden“ wurden zu inhaltlichen Kategorien
zusammengefaßt:
Sonstige Beschwerden
(Tabelle 3)
„Gier nach mehr; starke Sucht“
„Aggressionen;, Reizbarkeit“
„Schädigung innerer Organe“
„Kopf kaputt; blöd im Kopf; kein
Überblick mehr“
„Depressionen; antriebsarm“
„Lungenschäden; Husten“
„Herzbeschwerden“
„Gleichgültigkeit; „asozial“; „link“
18%
18%
12%
9%
9%
7%
6%
6%
Quelle: Thane/Thiel 2000, S. 17
Von Kopfschmerzen berichten häufiger KonsumentInnen mit relativ kürzerer
Konsumdauer.
b). „Crackwelle? Bedeutung und Konsequenzen veränderter Konsummuster“
Peter Degkwitz, Uwe Vertheim
Im Mittelpunkt der Bestandsaufnahme für Hamburg steht Crack, „also auf für das
Rauchen durch unterschiedliche Methoden aufbereitetes Kokain-Hydrochlorid“(Degk-
Seite 23
witz/Verthein 2000, S. 38). Die Ergebnisse der Untersuchung9 werden im folgenden
dargestellt (vgl. Degkwitz/Verthein 2000, S. 37-48).
Mit einem standardisierten Fragebogen wurden 616 Konsumenten (21% Frauen,
79% Männer) im Alter von 32,5 (plus/minus 7) Jahren in und im Umfeld von drei
szenenahen Hamburger Konsumräumen nach ihrem Konsum in den letzten 24
Stunden befragt. Hier dominiert nach wie vor der Heroinkonsum. 84% der Befragten
gaben an, in den letzten 24 Stunden Heroin konsumiert zu haben. Drei Viertel der
Befragten konsumierten Kokain. Von jeweils einem Viertel bis einem Drittel werden
Methadon, Alkohol, Cannabis und Benzodiazepine angegeben. Eine nachgeordnete
Bedeutung haben Codein, Barbiturate, Ecstasy und Amphetamine.
Ausgehend von diesen Angaben erfolgte eine Gruppenbildung zu den Konsummustern:
•
•
•
•
Konsumentengruppe, bei der Kokain gefolgt von Heroin im Vordergrund steht:
35%.
Konsumentengruppe, bei der Heroin im Vordergrund steht: 28%.
Konsumentengruppe, bei der Heroin und Kokain die wichtigsten Mittel sind:
25%. Auch Methadon und Benzodiazepine spielen eine wichtige Rolle.
Konsumentengruppe, bei der Alkohol und Methadon im Vordergrund gefolgt
von Heroin und Kokain stehen: 12%.
Applikationsformen:
I.v.-Konsum von Heroin und Kokain: 82% (ausschließlich iv.-Konsum: 61%)
Rauchen bzw. Sniefen: 18%
Neben i.v-Konsum zusätzlich Rauchen bzw. Sniefen: 21%
Im folgenden wird der Kokainkonsum der vier Konsumentengruppen in Bezug auf die
Konsumform betrachtet: Hier wird deutlich, daß der i.v.-Konsum bei allen Gruppen
im Vordergrund steht. 31% der Kokain-Heroin Gruppe haben in den letzten 24
Stunden Crack konsumiert.
Diejenigen, die Crack konsumieren (22%) haben durchschnittlich 7,1 Konsumeinheiten.
Bei Betrachtung der unterschiedlichen Konsummuster von Kokain, wurde
festgestellt, daß 71% der 447 Kokainkonsumenten das Kokain spritzen. (58% nutzen
es ausschließlich intravenös). In den letzten 24 Stunden haben 39% das Kokain als
Crack geraucht (25% nutzen das Kokain ausschließlich in der rauchbaren Form).
Etwa die Hälfte der Crackkonsumenten weist bis zu 4 Konsumeinheiten pro Tag auf.
32% der Crackkonsumenten konsumieren 10mal oder häufiger am Tag.
Reiner Crackkonsum kommt mit 9% relativ selten vor. Es dominiert die Kombination
mit Heroin. 29% der Crack-Konsumenten hat in den letzten 24 Stunden auch
Methadon, 32% Benzodiazepine und 26% Alkohol zu sich genommen.
Im Vergleich zur Gesamtgruppe der Nutzer der Konsumräume zeigen sich keine
Unterschiede hinsichtlich Alter, Dauer der Drogenkarriere und Geschlechtszusammensetzung. Es besteht jedoch eine Tendenz in Richtung stärkerer Desintegration
hinsichtlich Wohn- und Einkommenssituation.
9
Diese Befunde wurden im Rahmen einer EU Studie zur Evaluation von Gesundheitsräumen im
Sommer 2000 gewonnen.
Seite 24
3.1.1.3 Polizeiliche Daten
Die Polizei hat bereit 1996 auf die rapide Zunahme konsumbezogener Delikte im
Zusammenhang mit Kokain hingewiesen, deren Zahl im Jahre 1998 erstmals höher
gewesen ist als die Delikte im Zusammenhang mit Heroin. Rauchbare Formen des
Kokains schälten sich als eigenständiges Konsummuster im ersten Halbjahr 1999
sehr deutlich heraus, so dass die Rauschgiftdienststelle des Landeskriminalamt im
Juli des Jahres beauftragt wurde, eine Sonderauswertung zu erstellen.
Aus polizeilicher Sicht wird eingeschätzt, dass sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit
des Crack-Konsums verlangsamt hat. Besonders auffällig an der Crack-Szene ist,
dass Konsum und Handel wie bei kaum einer anderen Droge zusammenfallen, bis
hin zum schnellen Zug aus der Pfeife, der mit DM 5 bezahlt werden muß. Insgesamt
bildet Crack für einen relativ günstigen Preis überhaupt intensive drogeninduzierte
Wirkungen.
In Hamburg nehmen laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik (PKS) die registrierten
Fälle im Zusammenhang mit Kokain seit einigen Jahren zu. Im Jahr 2000 wurde ein
Anstieg der Zahlen um 4,2% verzeichnet (Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde
für Inneres), während die Delikte im Zusammenhang mit Heroin (Erwerb und Besitz)
zurückgehen (-15,8%). Der Rückgang der Zahlen für Heroin wird in Zusammenhang
gesehen mit der Ausweitung des Methadon-Programms auf 4.500 Substituierte.
Unter den für das Jahr 2000 erfaßten 12 484 Verstößen gegen das
Betäubungsmittelgesetz (Rückgang um 4,7% gegenüber dem Vorjahr) wurden vom
LKA Hamburg 5279 Fälle im Zusammenhang mit Erwerb, Besitz oder Handel von
Kokain registriert. Die Delikte im Zusammenhang mit Kokain machen demnach
42,3% der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz insgesamt aus.
Im Rahmen einer Sonderauswertung für das Jahr 2000 ermittelte das LKA Hamburg
1322 Fälle (einschl. Nacherhebung; pers. Mitteilung Herr Körnert) im
Zusammenhang mit Crack (Besitz und Erwerb, d.h. allgemeine Delikte und Handel).
Im ersten Halbjahr 1999 betrug die Zahl der Crack-bezogenen Delikte 610;
monatsbezogen verglichen mit 1999 ergab sich für das Jahr 2000 nur eine sehr
geringe Zunahme.
Die Daten dieser Sonderauswertung zu Crack können allerdings nicht ohne weiteres
mit weiteren Vorjahresdaten verglichen werden aufgrund nicht vorgenommener
Differenzierung in der PKS nach Crack und Kokain (auch noch für 2000). Allerdings
konnte auch kein kontinuierlicher Anstieg der monatlichen Fallzahlen beobachtet
werden. Im Jahresverlauf ergeben sich erhebliche Schwankungen der
Fallaufkommen.
21% (das sind 144 von 390 Personen) der ersterfaßten Konsumenten harter Drogen
im Jahr 2000 wurden im Zusammenhang mit Crack-Delikten ermittelt (auch hier
keine Vergleichsmöglichkeit mit den Vorjahreszahlen).
3.1.2 Frankfurt
3.1.2.1 Situationsbeschreibung
Historische Entwicklung
Seite 25
Bereits seit 1992 wird ein vermehrtes Auftreten von Kokain in Frankfurt beobachtet.
Auch Kemmesies (1997) hat auf die wachsende Bedeutung von Kokain als zweiter
Leitdroge für KonsumentInnen auf der Straße bereits Mitte der 90er Jahre
hingewiesen. Dieses Ergebnis wird bestätigt von einer Erhebung im Konsumraum
Elbestr. des Drogennotdienstes darüber, was die KonsumentInnen im Konsumraum
konsumieren: Etwa 50% der Konsumvorgänge im Konsumraum betreffen i.v.
Konsum von Kokain bzw. wieder aufgelöstes Crack (Wolfgang Barth, Leiter des
Drogennotdienstes in Frankfurt). Dieses Ergebnis wird von anderen Trägern von
Konsumräumen im Frankfurter Bahnhofsbereich bestätigt (Klee 2001; Steinmetz
2001).
Ab etwa 1996/97 läßt sich eine Wandlung des Konsummusters und -frequenz von
intravenöser Applikation zum Rauchen beobachten. Mittlerweile steht der CrackKonsum nach Heroin jetzt an der zweiten Stelle der präferierten illegalen Drogen in
Frankfurt.
Zunächst bestanden im Bahnhofsbereich noch zwei völlig voneinander getrennte
Drogenszenen: die der i.v. DrogenkonsumentInnen und die der CrackRaucherInnen. Diese Trennung ist weitgehend aufgehoben.
In der Frankfurter Trägerarbeitsrunde zum Thema „Crack“ wurden ab 1997 laut
Abschlußbericht der Pilotphase des Crack-Street-Projektes (CSP 1999) vier Gruppen
von Crack-KonsumentInnen identifiziert:
•
•
•
•
Polytoxikomane, i.v. DrogenkonsumentInnen, deren erste Präferenzdroge
Heroin ist
Substituierte, die einen Kokain-/ und/oder Crack-Beikonsum aufweisen
Primäre
Crack-KonsumentInnen,
Szenen
jugendlicher
DrogenkonsumentInnen
und
junger
Erwachsener
(Treffpunkte:
Theatervorplatz, Altes Postamt). Roth (1999, 40) stellt einen hohen Anteil von
Mädchen und jungen Frauen fest.
MigrantInnen und Aussiedler, z-T. aus Auffangeinrichtungen, Quereinsteiger
ohne „Umweg“ über Opiatkonsum, z.T. auch in gesonderten Stadtteilszenen.
Diese Szene ist vor allem männlich geprägt.
Für die beiden letzten Gruppen gilt gemeinsam, dass sie andere Identitäten als eine
Drogensubkultur-Identität herausbilden. Es sind Jugendphänomene, die hier
handlungsleitend sind und nach kurzer Zeit oftmals in einen Desintegrationsprozeß
münden.
Insbesondere von der letzten Gruppe wird berichtet, dass – parallel zu Berichten aus
Hamburg – „Steine rauchen“ für nicht so risikoreich gehalten wird, wie der
intravenöse Konsum. Zum Teil wird sogar berichtet, dass KonsumentInnen „Steine“
nicht gleichsetzen mit „Crack“, sondern für „harmloser“ halten, weil Crack für eine
„amerikanische Erfindung“ gehalten wird, eine Substanz die mit Backpulver
hergestellt wird, was in Deutschland aufgrund des Stärkeanteils des im hierzulande
erwerbbaren Backpulvers nicht möglich ist. Dadurch wird eine Abgrenzung von der
„i.v. Drogenszene“ erreicht und das eigene Drogenkonsumverhalten als ungefährlich
wahrgenommen.
Aus Auffangeinrichtungen und Beschulungsprojekten wird berichtet, dass der
Drogen- und Crack-Konsum in der Gruppe der MigrantInnen und Aussiedler, eine
Seite 26
beträchtliche Dynamik entwickelt hat. Dazu kommt die muttersprachliche
Problematik, die ein angemessenes Eingehen auf kulturelle Denk- und
Handlungsweisen erschwert.
Das Crack-street-Projekt (siehe Kapitel 4.2.2.) wurde im September 1997 mit 3monatigem Probelauf eingerichtet. Seit 1999 trifft sich die AG Crack gebildet in der
Montagsrunde in unregelmäßigen Abständen.
Soziale Auswirkungen des Crack-Konsums
Die Crack-Szene muß als hochmobil beschrieben werden, Handel und Konsum sind
eng miteinander verbunden und finden in Straßenbahnen und verschiedenen
Stadteilen (allerdings mit Schwerpunkt Bahnhofsbereich) statt. Der Grad der
Verelendung hat eine neue Qualität erreicht. PraktikerInnen der niedrigschwelligen
Suchtkrankenhilfe berichten, dass die Zahl der Drogennotfälle in Frankfurt sich
erhöht und hat und dass die Drogenotfallhilfe und –versorgung schwieriger geworden
ist.
Besondere Auffälligkeiten im KonsumKonsumentInnen werden beschrieben als:
•
•
•
•
und
Sozialverhalten
von
Crack-
zunehmende Verelendungstendenzen (Erschöpfung, Verwahrlosung)
Wiederaufnahme der Prostitution und Kriminalität zur Geldbeschaffung
zunehmende Aggression und Gewaltbereitschaft insbesondere der Mitglieder
der Drogenszene untereinander
Verschuldung.
Gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind:
•
•
•
•
•
psychotische Zustände
körperliche Verwahrlosung durch Selbstvernachlässigung
körperliche Zusammenbrüche durch massiven Schlafentzug
Auffälligkeiten, wie Wahn-, Angst, Zwangsvorstellungen etc.
Abbruch
von
Kontakten
zu
Drogenhilfeeinrichtungen,
HIV/AIDSBehandlungen und psychosozialer Betreuung, Fernbleiben von der
Methadonvergabe
Die Prostitution ist für viele Mädchen und Frauen oftmals die einzige und schnellste
Möglichkeit das nötige Geld für die Crack-Steine zu verdienen (siehe Junkfurter
Ballergazette 3/2000). Z.T. haben die Freier jedoch bereits Crack-Steine erworben
und setzen diese als Zahlungsmittel oder Zahlungsversprechen ein. Unter diesem
Vorzeichen werden safer-use und safer – sex – Regeln (siehe DAH 2000;
Marzodko/Schiffer 2000), die ohnehin in der Drogenprostitution auf der Straße nicht
eine ähnliche hohe Verbreitung finden wie in der professionellen Prostitution,
vernachlässigt. Unter diesen Bedingungen ist es bereits mehrfach zu
Misshandlungen gekommen.
Viele erwachsene Frauen sind zudem von HIV und Hepatitisinfektionen betroffen.
Verbreitung des Crack-Konsums
Der Leiter des Konsumraums Niddastr. (Josh Steinmetz) schätzt die Gesamtzahl
derjenigen, die Crack/Steine zusätzlich zu den sonstigen Substanzen konsumieren
auf mind. 70% des „harten Kerns“ der BesucherInnen der Konsumräume.
Seite 27
Aus der Kommunalen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Stadt Frankfurt wird
bereits 1999 berichtet, daß 100% der Zielgruppe der Einrichtung WALK MAN Crack
konsumieren. „Wir schätzen, daß sich im Laufe eines Jahres etwa 50 Minderjährige
in der i.v.-konsumierenden Straßenszene länger aufhalten. Dazu kommt noch eine
etwas höhere Zahl von jungen Volljährigen (18-20 Jahre; Dörrlamm 1999).
Kleinkriminalität und Prostitution stellen die wesentlichen Beschaffungswege dar.
Der Aufenthalt in der i.v.-konsumierenden Drogenszene führte rasch zu
polytoxikamanen Gerbauchsmustern.
Das Crack-Angebot
Neuere Informationen von MitarbeiterInnen aus den Konsumräumen in Frankfurt und
dem Frankfurter Drogenreferat (Weimer 2001) sprechen vom Phänomen des
Wiederaufkochens von Crack-Steine durch Auflösen der Steine mit Hilfe von
Ascorbinsäure (‚Kokainascorbat’). Das Kokainascorbat ist flüssig und injizierbar - ein
relativ reines Kokainprodukt. Diese Entwicklung scheint eine Reaktion auf die
Knappheit bzw. Nicht-Erhältlichkeit von Kokain in Pulverform zum Auflösen und
intravenösen Gebrauch auf der Straße zu sein (ggf. im Unterschied zu sozial
integrierten Szenen). Diese Praxis ist auch ablesbar an einer deutlicheren Nachfrage
nach Ascorbin in den Angeboten niedrigschwelliger Drogenhilfen. Die
KonsumentInnen äußern dabei keine Enttäuschung über einen Wirkungsverlust,
sondern führen diesen erneuten Umwandlungsprozeß selbstverständlich durch.
Mehrere Gründe können dafür angeführt werden: Das Bedürfnis nach i.v.
Konsumform („Nadelgeilheit“) als bekanntere Konsumform, eine Form der
Selbstregulation: Die heftige Wirkung über das Rauchen wird reduziert und gespritzt
hält sie etwas länger vor. Möglicherweise ist dies als ein Versuch Einzelner zu
werten, gegenzusteuern gegen die hohe Geschwindigkeit des Crack-Konsums.
Aufgrund eines mangelnden Angebots von Pulver-Kokain ergibt sich eine Zunahme
von Crack-KonsumentInnen, was für die Händler offenbar ökonomische Vorteile
bringt, da bei der Umwandlung des Kokains zu Crack offenbar mehr
Verkaufseinheiten zu einem insgesamt höheren Preis entstehen. Crack-Steine
kosten, abhängig von der Größe des Steines, der Polizeipräsenz, dem
Dealeraufkommen, etwa DM 20 –80 auf der Drogenszene, 1 Zug aus der Pfeife
kostet etwa 5-10 DM.
Hilfeangebote
Angesichts
des
insgesamt
veränderten
Konsumverhaltens
von
DrogenkonsumentInnen in der Stadt ist ein Rückgang der Spritzenumtauschzahlen
in den letzten Jahren zu verzeichnen. Wenngleich auch diese Entwicklung nicht
einheitlich in allen Angeboten zu beobachten ist: Der Konsumraum La Strada
verzeichnet steigende Zahlen (Klee 2001). Die Applikationsform „Rauchen von
Crack“ führt konsequenterweise zu einem Rückgang der Konsumvorgänge in den
Frankfurter Konsumräumen, da das Crack-Rauchen aufgrund der gegenwärtigen
Rechtslage10 nicht erlaubt ist (ca. 10-20%). Ein Grund für einen Rückgang der
Konsumvorgänge in den Konsumräumen mag auch in der längeren Verweildauer
aufgrund körperlicher Verelendung vieler NutzerInnen liegen.
10
Die Landesverordnung zum Betrieb und zur Nutzung von Konsumräumen in Hessen ist noch nicht in
Kraft
Seite 28
Seit 1996 begann eine Diskussion um Crack in der ‚Montagsrunde‘, des Frankfurter
Forums zur Diskussion und Steuerung der kommunalen Drogenproblematik.
Ordnungsprobleme gibt es Werner Heinz zu Folge durch eine kleine Teilgruppe, eine
Minderheit der KonsumraumbenutzerInnen, die in der Lage sind, die Situation
„aufzumischen“, trotz vorgelagerter Sicherheitsvorkehrungen, wie Schleusen,
Sicherheitsbarrieren oder Club-Karten. Wenn aus disziplinarischen Gründen
Ausschlüsse aus Hilfeangeboten erfolgen, dann aufgrund von Crack-Konsum, selten
aufgrund eines Alkoholkonsums.
Crack-Konsum wird in Frankfurt zu einer Bedrohung niedrigschwelliger Arbeit und
zeigt deren Grenzen auf (siehe ausführlicher Kap. 4.5.).
Auch aus dem ländlichen Bereich gibt es laut Werner Heinz erste Berichte aus
Beratungsstellen über jugendlichen Crack-Konsum (Main/Taunuskreis, Friedberg
aus dem Wetteraukreis).
Neben 10 Tagesruhebetten, die nach Angaben von Jürgen Klee (2001) zu etwa 6080% belegt sind, existieren bei La Strada (AIDS-Hilfe Frankfurt) 23 Notschlafbetten
(in Frankfurt insgesamt über 100). Auch ein eigens an Jugendliche gerichtetes
Angebot ist vorhanden.
Grundlage für das erwähnte Crack-Street-Projekt (CSP; siehe ausführlich Kapitel
4.2.2.) war der katastrophale psychische und physische Zustand. Die Zielgruppe
sollte dann angesprochen und über mögliche Hilfeangebote informiert werden, wenn
sich dazu eine Gelegenheit bieten würde. Eine Beratung über und Vermittlung in
mögliche Hilfen sollte erfolgen:
•
•
•
•
•
Akupunktur fast in jedem Projekt möglich (über Mitarbeiter im
Delegationsverfahren)
Konsiliarpsychiatrie
Substitution, weil wenig ausschließliche Crack-KonsumentInnen
Spontan-Entzug geplant – feste Betten, Uni-Klinik, Bürgerhospital (Hadamar)
geplant
Für Jugendliche und junge Erwachsene: Gesamte Bandbreite der
Jugendhilfe. Für diese Gruppen existiert auch eine besondere
Zusammenarbeit mit der Entzugseinrichtung in Hasselborn
Die Krise der niedrigschwelligen Drogenarbeit wird oft an Crack festgemacht. Doch
auch andere Gründe für die Gereiztheit und Verfolgungssituation der CrackKonsumentInnen müssen benannt werden: Nischen zum Konsum auf Bahnhöfen
und in der Innenstadt werden geschlossen, Sicherheitsvorkehrungen der Polizei und
der privaten Wachdienste haben zugenommen, die Polizei ist stark präsent, „3-SOffensive“ der Bahn, ein Pilotprojekt in dem speziell geschultes Personal für
Sicherheit und Ordnung eingesetzt wird, hohe MitarbeiterInnenfluktuation,
Resignation und burn-out-Symptome bei den MitarbeiterInnen der Drogenhilfe sind
verbreitet.
In den Konsumräumen müssen mehr ordnungspolitische Aufgaben erledigt werden,
von Stimmungslagen abhängig gemacht werden.
Seite 29
Insgesamt werden von PraktikerInnen folgende Interessen an einer weitergehenden
Crack-Studie formuliert, die hier stichwortartig zusammengefasst werden (vgl.
insgesamt Kapitel 7):
•
•
•
•
•
•
Interventionsforschung (welche Intervention ist effektiv, welche nicht?)
Ethnographische Forschung
Händlerstruktur, Angebotsveränderung (schwieriger Zugang, Berberdialekte,
Dynamik medialer Aufbereitung: Crack-Steine schneller, mehr Geld)
Entzugsbehandlung: raus aus der Szene für einige Tage
Heimfahrten – Kreislauf durchbrechen
Modellprojekt: 2 Jahre am Stück finanziert (Verhaltenstherapeutische
ausgerichtet).
Vor dem Hintergrund der Erfahrung von PraktikerInnen, dass die Grenzen der
bisherigen Form von Niedrigschwelligkeit in der Drogenhilfe deutlich geworden sind,
werden Überlegungen zu Zwangseinweisungen nach Hadamar (Psychiatrisches
Landeskrankenhaus) angestellt: Extrem auffällige gesundheitsgeschädigte
Personen, die Hausverbot haben weil sie sich nicht an die Hausregeln halten. Etwa
20 Personen (über diese Zahl herrscht jedoch keine vollständige Einigkeit), über die
gesprochen wird und wo unklar ist, was mit ihnen geschehen soll.
Substitution
Mit Ausbau des Methadonprogramms bzw. –verschreibung wurde auch ein Anstieg
des Kokainhandels und -konsums festgestellt. „Kokain hat sich seit dem Start der
Substitutionsangebote in Frankfurt Anfang der 90er Jahre zur primären
Beigebrauchsdroge bei Substituierten entwickelt. Während bis ca. 1995/96 der
Beigebrauch fast ausschließlich als i.v. Konsum stattfand, setzte seit 1997 und
verstärkt seit ca. einem bis eineinhalb Jahren der Umstieg von i.v.-Konsum auf Crack
ein. Heute stellt das Rauchen von Crack das primäre Beigebrauchsmuster bei
Substituierten dar.“ (Heinz 1999, 1). Joachim Krause (1999), substituierender Arzt
bei den Malteser Werken, bestätigt diese Entwicklung: Hier sind es ca. 50 Personen,
d.h. etwa 30% der Substituierten in der Medizinischen Ambulanz und
Methadonsubstitution, die einen Crack-Konsum aufweisen.
Eine psycho-soziale Stabilisierung durch die Substitution wird durch einen CrackKonsum oftmals zunichte gemacht. Beispielhaft wird dieser Prozeß vom
therapeutischen Leiter des Frankfurter Drogenhilfeträgers Jugendberatung und
Jugendhilfe e.V. Werner Heinz (1999, 1f): „Von derzeit 55 in der Ambulanz des DHZ
(Drogenhilfezentrum Bleichstr.; H.S.) Substituierten weisen im Verlauf der letzten 6
Monate 30 Personen – z.T. zeitweise, begrenzt auf Rückfallphasen, z.T.
durchgängig- Beikonsum von i.v. Kokain oder Crack auf. Bei einem Teil der durch
hohen Beigebrauch charakterisierten Gruppe konnte mit Auflagen oder
motivierender Beratung ein (nicht selten nach einigen Monaten wiederholter)
selektiver stationärer Entzug durchgeführt und der Kokain/Crack-Konsum zumindest
zeitweise unterbrochen werden. Bei 4 Personen aus dieser Gruppe bestand oder
besteht primär oder ausschließlich i.v. Konsum; bei 25 Personen liegt oder lag
primär oder ausschließlich Crack-Konsum vor. Aktuell hochgradiger Konsum primär
von Crack liegt bei 10 Personen, aktuell hochgradiger Konsum liegt bei 4 Personen
vor. Bei etwa der Hälfte der Substituierten mit massivem Kokain-/Crack-Beikonsum
wurden entweder psychiatrische Störungsbilder diagnostiziert:
Seite 30
-
schwere Borderlinepersönlichkeitsstörungen
- narzisstische Persönlichkeitsstörungen
Depression
Oder es wurde eine bereits früh einsetzende Prägung durch den Lebensmittelpunkt
Drogenszene festgestellt. In Einzelfällen geht Suicidalität mit der Crack-Abhängigkeit
einher. Ebenfalls in Einzelfällen wurde in der Beratung ein enger Zusammenhang
zwischen Crack-Konsum und Problemen mit Sexualität infolge der Opiatabhängigkeit
erkennbar: Opiatabhängigkeit/Methadonsubstitution wird in Zusammenhang mit
Potenzproblemen gebracht – Crack wird als Stimulans und zur Hebung der sexuellen
Erlebensfähigkeit gebracht.“
3.1.2.2 Ergebnisse empirischer Studien
a). „Crack-Konsum in der Drogenszene in Frankfurt am Main: Ergebnisse
empirischer Studien“ (Irmgard Vogt, Martin Schmid, Marcus Roth)
In der Untersuchung werden Daten aus drei unterschiedlichen Datenquellen präsentiert. Es wird darauf hingewiesen, daß die vorgestellten Ergebnisse nicht repräsentativ für die Frankfurter Drogenszene sind, sondern einzelne Facetten unterschiedlich selektierter Stichproben beleuchten (vgl. Vogt/Schmid/Roth 2000, S. 513).
Zunächst werden Daten der Polizei vorgestellt:
•
•
•
•
„Crackabhängige“ (1999).
80% männlich; 20% weiblich.
379 (33%) Personen nehmen ausschließlich Crack.
785 (67%) Personen nehmen weitere Drogen.
Unter den erstauffälligen KonsumentInnen hat die Polizei 319 Personen u.a. wegen
Crack neu registriert:
•
•
•
79% männlich; 21% weiblich.
134 (42%) Personen nehmen ausschließlich Crack.
185 (58%) Personen nehmen weitere Drogen.
Studie 1:
Wurde von Oktober 1998 bis April 1999 durchgeführt. Mit Hilfe zwei männlicher
Interviewer füllten 59 Crackkonsumenten einen Fragebogen in verschiedenen
niedrigschwelligen Einrichtungen (Cafés, Konsumräume) für Drogenabhängige aus.
Auswahlkriterien für die TeilnehmerInnen an der Befragung:
• Erfahrung mit Crack
• etwa gleich viele männliche wie weibliche Befragte.
Studie 2:
Wurde von November 1997 bis November 1998 durchgeführt. Befragt (Interviewer
+Fragebogen) wurden 312 NutzerInnen von Tagesbetten (Schlafplätze für die Zeit
von 10-16 Uhr) in einer Einrichtung der Aids-Hilfe in Frankfurt. Auswahlkriterien:
Seite 31
•
NutzerInnen von Tagesbetten
Die Teilnahme an beiden Studien war freiwillig und anonym. Die Befragung wurde
abgebrochen, wenn der Konsument nicht in der Lage war, den Bogen mit Hilfe der
Interviewer auszufüllen.
Studie 3:
Es wurden Daten von 2.160 KlientInnen aus der JJ-Basisdokumentation aus der Zeit
von Januar bis Dezember 1999 herangezogen. Bei der Untersuchung handelt es
sich um eine standardisierte Daten-Dokumentation der Klientel von 27 ambulanten,
teilstationären und stationären Einrichtungen des Trägers „Jugendberatung und
Jugendhilfe e.V.“ im Rhein-Main-Gebiet (Frankfurt am Main und Umgebung). Für die
Dokumentation wurde eine erweiterte Version des EBIS-Fragebogen eingesetzt.
Ausgewählt wurden nur Daten von Personen, die Crack, Kokain oder Opiate
konsumierten. Nach den Gesprächen in der Einrichtung wurde die Dokumentation
von MitarbeiterInnen der Einrichtung mit dem KlientInnen ausgefüllt. Die Dokumentation fand in jedem Fall statt, die Datenauswertung erfolgte anonym. Personen, die
nur das Café oder den Konsumraum nutzten wurden nicht dokumentiert.
Die Auswertung dieser Studien konzentriert sich auf Klienten, von denen Angaben
zum Crackkonsum vorliegen.
Geschlechtsverteilung:
Zum Vergleich wurden hier zusätzlich Daten aus dem Jahresbericht des Konsumraums des Drogennotdienstes in Frankfurt sowie die Angaben der Polizei über
Drogenabhängige hinzugefügt. Hier sowie in der JJ-Basisdokumentation liegt der
Anteil der Frauen unter 25%. In den Studien 1 und 2 ist der Frauenanteil hingegen
überdurchschnittlich hoch. Dies läßt sich jedoch bei Studie 1 durch die gezielte
Auswahl der Befragten erklären. Ebenso wird deutlich (Studie 2), daß Tagesbetten
überdurchschnittlich von Frauen genutzt werden.
Alter:
Das Durchschnittsalter liegt für die Frauen knapp unter 30 Jahren, für die Männer bei
knapp über 30 Jahren. Der Altersdurchschnitt unterscheidet sich somit nicht wesentlich von anderen Drogenabhängigen.
Dauer des Crackkonsums:
Studie 1: Die Dauer des Konsums liegt bei den Männern bei 3 Jahren und bei den
Frauen bei 4,8 Jahren. Junge Neueinsteiger sind in dieser Stichprobe somit nicht
vertreten. Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß es diese Gruppe (unter 21 Jahre)
gibt. (AUSFÜHREREN ?)
Nationalität der Konsumenten:
In den drei Studien sind gut zwei Drittel der Befragten Deutsche.
Wohnsituation:
Anteil der Personen, die in Frankfurt gemeldet sind:
Studie 2: 25%
NutzerInnen des Konsumraums im Drogennotdienst: 32%
Polizei: 35%
Seite 32
Anteil der Personen mit eigener Wohnung:
Studie 1: 33% Männer; 27% Frauen
Studie 2: 9% Männer; 2% Frauen
JJ-Basisdokumentation: 32% Männer; 44,5% Frauen
Konsumraum Drogennotdienst: 57% Männer; 61% Frauen
Für Crackkonsumenten gilt, daß sie viel häufiger keine Wohnung haben als andere
Drogenabhängige. Ebenso wurde festgestellt, daß es unter den Crackkonsumenten
eine relativ große Gruppe gibt, die tags und nachts Notschlafbetten in Anspruch
nimmt.
Konsummuster:
Aus der JJ-Basisdokumentation geht hervor, daß bei Drogenabhängigen polyvalente
Konsummuster dominieren. Crackkonsumenten nehmen jedoch insgesamt mehr
Drogen als die jeweiligen Vergleichsgruppen.
Der Einstieg in den Konsum „harter“ Drogen beginnt meist mit Heroin. Nur 10% der
Befragten aus Studie 1 geben an, daß Crack ihre erste „harte“ Droge war.
Aus Studie 1 rauchen ca 90% der Befragten mindestens ein- bis zweimal täglich
Crack. Ca ein Viertel dieser Gruppe raucht Crack öfter als fünf Mal am Tag.
Ebenfalls gibt ein Viertel dieser Gruppe an, daß Crack ihre Hauptdroge ist.
Aggressionsbereitschaft:
Es wird darauf hingewiesen, daß MitarbeiterInnen der Einrichtungen der Drogenhilfe
im Frankfurter Bahnhofviertel berichten, daß die Aggressionsbereitschaft ihrer
Klientel in den letzten beiden Jahren zugenommen hat. Aus den Daten kann jedoch
nicht gefolgert werden, daß Crackkonsumenten tatsächlich aggressiver als andere
DrogenkonsumentInnen sind. Aus den Daten der JJ-Basisdokumentation geht
jedoch hervor, daß Männer und vor allem Frauen, die Crack konsumieren etwas
häufiger wegen Körperverletzung verurteilt wurden als andere Drogenabhängige. Die
Daten reichen jedoch nicht aus, um zu klären, ob die erhöhte
Aggressionsbereitschaft auf Verhaltensänderungen der Crackkonsumenten
zurückzuführen ist oder andere Faktoren beteiligt sind.
Gesundheit:
Beim Vergleich der subjektiven Einschätzung der Gesundheit der Befragten, zeigt
sich, daß sich die BesucherInnen von Konsumräumen und Cafés bei weitem für
gesünder halten als die NutzerInnen der Tagesbetten. Die Daten belegen zudem,
daß sich bei der Hälfte der Konsumenten eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch den Konsum von Crack ergeben hat.
Ebenfalls zeigt sich, daß Drogenabhängige, die kein Crack rauchen insgesamt etwas
geringer mit chronischen Krankheiten belastet sind.
Auch wird deutlich, daß sich ein größerer Anteil der Crackkonsumenten in einer Substitutionsbehandlung befindet, als der Drogenabhängigen, die kein Crack rauchen.
Zum Teil ist der Anteil der Crackkonsumenten unter den Substituierten recht hoch.
3.1.2.3 Polizeiliche Daten
Einer Studie lokaler Drogenmärkte zufolge (Vergleich Frankfurt/Mailand) hat sich der
Drogenmarkt in den 90er Jahren vor dem Hintergrund und einhergehend mit der
Vielzahl auf den Markt kommender Drogen mehr und mehr differenziert. Der Studie
zufolge werden die Mehrzahl der Drogengeschäfte von vielen verhältnismäßig
kleinen und häufig kurzlebigen ‚Unternehmen’ abgewickelt. Es handelt sich dabei
Seite 33
einerseits um Familien, andererseits um Gruppen, die nicht miteinander verwandt
sind und sich nach mehr oder minder kurzer Tätigkeit wieder auflösen. In beiden
Städten sind die gefährlichsten Positionen im Endverkauf auf der Straße vorwiegend
mit ausländischen Dealern besetzt (vgl. drugnet europe/EBDD Jan./Febr.2001, S. 2).
Die Frankfurter Polizei hat in ihrer Ermittlungstätigkeit Kokain und Crack differenziert.
Die Crack-Steine werden in der Regel nach Polizeierkenntnissen (Herr Kloss) nicht
selbst hergestellt, sondern in fertig zubereiteter Form angekauft. Die Herstellung ist
recht aufwendig und für DrogenkonsumentInnen, die auf der Straße oder in
betreuten Wohnformen leben, kaum regelmäßig durchzuführen.
Frankfurts Besonderheit besteht in seiner Funktion als zentrale Drehscheibe durch
den größten deutschen Flughafen, wo sowohl Kokain am oder im Körper, als auch in
der Fracht eingeführt wird.
Der Kleinhandel findet letztlich unter sich verändernden Bedingungen statt: die
Händler sind in Bewegung, so auch die KonsumentInnen. Der Handel läuft also nicht
vor derselben Kulisse sondern in U-und S-Bahnen und in U-Bahnhöfen statt, obwohl
sich ein Schwerpunkt im Bahnhofsbereich lokalisieren lässt.
Der Handel, die Angebotsseite ist eher in Säulenform organisiert (kleinere Gruppen,
ggf. unabhängig voneinander agierend), statt wie im Opiathandel pyramidisch
(kleinere zentrale Händler im Hintergrund und mehrere Verteilerebenen (bis hin zum
Kleinstraßenhändler, der auf Kommissionsbasis Drogen verkauft). Diese Säulenform
des Angebots macht es der Polizei u.a. schwer, die Angebotsseite nachhaltig zu
stören. Eine weitere Schwierigkeit beseht darin, dass der Handel im wesentlichen
von kleinen unzugänglichen Sippen- oder Familieneinheiten aus Nord- und
Westafrika organisiert wird, so dass es mehr oder weniger unmöglich ist, in diese
Handelsbereiche vorzustoßen. Laut Polizeiauskunft wird der Handel in Frankfurt
hauptsächlich von Personen aus Schwarzafrika (aus Nigeria, Sudan und Ghana) und
in Teilbereichen auch aus Nordafrika (aus Marokko, Algerien). Dabei sollen
Personen aus Nigeria hauptsächlich für den Einfuhrschmuggel und Sudanesen und
Ghanaesen hauptsächlich für den Straßenhandel zuständig sein11. Die Verbindung
von Kokain-Herkunftsländern (z.B. Kolumbien) und Afrika wird darin gesehen, dass
ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung Kolumbiens aus Nigerianern besteht. Die
Beteiligung von Nordafrikanern an Einfuhr von Kokain und Herstellung und Verkauf
von Crack wird so erklärt, dass eine Verbindung nach Kolumbien über Spanien (und
ehemalige Kolonialbeziehungen, Spanisch Marokko) zu sehen ist. „Laut Falldatei
Rauschgift wurden im Jahr 2000 in Frankfurt/M. 473 (1999: 452) Tatverdächtige im
Zusammenhang mit Crack registriert, davon stammte knapp die Hälfte der Personen
aus Afrika“ (BKA 2001a, 11).
Die Sicherstellungsmengen von Crack sind im Vergleich zu anderen Drogen (Kokain
282kg, Heroin ca. 57kg, Haschisch 472kg), daher eher gering (1999: 843,20g; 2000:
905,99g). Das K65 hat im Jahre 1999 5,25g, im Jahre 2000 190g sichergestellt
(Kokain 42kg, Heroin 31 kg, Haschisch 128kg).
11
„ „Das Rauschgift wird von den Dealern in der Regel in kleinen Plomben portioniert im Mund
mitgeführt und verkauft. Die kleinen Portionseinheiten werden häufig in doppelte Müllbeutelfolie, die
eine Absorbtion verhindern soll, eingepackt und durch Erhitzen luftdicht verschweißt. Bei einer
polizeilichen Kontrolle werden die Plomben verschluckt und später vom Körper wieder ausgeschieden“
(BKA 2001a, 11)
Seite 34
Die Polizei hat Ende 2000 3747 Drogenabhängige registriert, von denen 1664 von
der Droge Crack abhängig waren (336 Frauen, 1328 Männer). 506 der registrierten
Personen nahmen ausschließlich Crack ein, wohingegen 1158 Personen als
polytoxikoman eingestuft wurden. Inwieweit die Polizei sich auf die Angaben der
KonsumentInnen zu ausschließlichem Crack-Konsum und –Abhängigkeit verlässt,
oder inwieweit eigene Erkenntnisse zur Einordnung dienen, ist unklar. Auch ist unklar
inwieweit die Selbst-Angabe Crack-Abhängig den Festgenommenen in der
gegenwärtigen Crack-Diskussion opportun erscheinen.
Im Vergleich zu 1999 (Daten v. 4.1.2000) ist im Jahre 2000 die Zahl derjenigen, die
die Polizei in der Drogen-Abhängigen Datei als Crackkonsumenten erfasst hat, von
1164 auf 1664 gestiegen, die Zahl der ausschließlichen Crack-KonsumentInnen von
379 auf 506, die der Polytoxikomanen von 785 auf 1158. Im Jahre 1999 hat die
Polizei Frankfurt (Rauschgiftkommissariat K65; D-ZKB) 319 Fälle von CrackKonsumentInnen ermittelt (davon 134 ausschließlich Crack, 185 polytoxikoman), d.h.
im Jahre 1998 waren der Polizei 803 Crack-KonsumentInnen bekannt, davon 286
ausschließliche Crack-KonsumentInnen.
Das Landeskriminalamt Hessen hat in einer im Jahr 2000 durchgeführten
Sonderauswertung in insgesamt 1.238 Fällen Crack sichergestellt (eine Steigerung
gegenüber dem Vorjahr um 233%).
Der größte Anteil entfiel auf die KonsumentInnen, Handel und Schmuggel stellen nur
ein Fünftel der Crack-Delikte.
Im Jahre 1999 wurden unter den erstmalig auffällig gewordenen Drogenabhängigen
(insgesamt 616 Personen) 134 im Zusammenhang mit der Droge Crack festgenommen.
Insgesamt waren im Jahr 1999 3205 Drogenabhängige polizeilich registriert, von
denen die Mehrzahl als polytoxikoman eingestuft wurde (1559) vor Heroinabhängig
(738), vor Kokain mit (401) und 379 als ausschließliche Crack-Konsumenten.
Inwieweit diese polizeilich vorgenommene Differenzierung der Drogenpräferenz
trennscharf ist, oder überhaupt sein kann, ist unklar.
Die Nationalitäten dieser 506 ausschließlichen Crack-KonsumentInnen zeigt, dass
der überwiegende Teil aus Deutschland stammt (272) und einige der ausschließlich
Crack-Konsumierenden aus nordafrikanischen Ländern wie Algerien, Marokko
stammt. Inwieweit hier eine Verbindung zu ehemaligen Händlern gesehen werden
kann, ist nicht klar.
Der Altersdurchschnitt der Crack-Delinquenten entspricht in etwa de Altersstruktur
beim Kokain, wobei deutlich wird, dass sich in der Altersgruppe von 30-35, also
vermutlich langjährige DrogenkonsumentInnen die Zahl der Crack-KonsumentInnen
deutlich häuft.
3.1.3. Zusammenfassung
Aus beiden Städten wird berichtet, daß Crack-Konsum bei den Angehörigen der
(offenen) Drogenszenen seit Mitte der 90er Jahre aufgetreten ist und inzwischen weit
verbreitet und verankert ist. Zahlen aus dem Hilfebereich sprechen von einer Zahl
Seite 35
von etwa 700-1200 KokainraucherInnen jeweils in Hamburg und Frankfurt12. Von
einigen Jugend- und MigrantInnengruppen abgesehen, handelt es sich dabei
größtenteils um den Beratungs- und Behandlungsstellen, und auch der Polizei
bekannten Personen. Crack-Konsum ist dabei Teil eines polyvalenten
Drogenkonsummusters. Ausschließliche Crack-KonsumentInnen scheint es nur in
sehr geringer Zahl zu geben. Zu fragen ist, ob dies nicht auch ein Übergangsstadium
bedeutet in Richtung Mischdrogengebrauch. Die gesundheitlichen und sozialen
Verelendung wird von allen Befragten bestätigt. Beschaffungskriminalität und –
prostitution bilden zusätzliche Risiken für die KonsumentInnen.
Der Anteil von Substituierten an den befragten Crack-KonsumentInnen ist in beiden
Städten sehr hoch. Motive der Substituierten könnten in der Bekämpfung der
Langeweile und der Suche nach Antriebssteigerung liegen.
Risikogruppen bilden zudem noch jugendliche Gruppen, MigrantInnen und
Angehörige der Stricher- bzw. Prostituiertenszenen. Sie unterschätzen oftmals die
Wirkungen und Dynamiken von Crack und scheinen Kontrollvorstellungen zu hegen
im Rahmen jugendlichen „Unverletzlichkeitsdenkens“.
Steuerungsgremien haben in beiden Städten versucht, adäquate Hilfeangebote auf
diese Herausforderung zu finden, wobei die „Montagsrunde“ in Frankfurt eine
längere Tradition in der kommunalen Kommunikation über lokale Drogenprobleme
aufweist.
Unklar ist, wie die weitere Dynamik des Crack-Konsums eingeschätzt werden muß:
Ist ein „Sättigungsgrad“ erreicht, oder besteht die Gefahr einer Vergrößerung der
Zahl der KonsumentInnen? Laut Aussagen der Polizei, der MitarbeiterInnen der
Administration der Suchtkrankenhilfe und der Hilfeeinrichtungen spricht für die
letztere Annahme die Entwicklung der letzten 12-18 Monate.
Die (niedrigschwellig organisierte Drogenhilfe wird mit dem Crack – Konsum und
seinen sozialen, gesundheitlichen und juristischen Folgen für die KonsumentInnen
unmittelbar konfrontiert, während die Zahl der hilfe- und therapiesuchenden
KonsumentInnen weiterführenden Hilfeangebote noch nicht sehr groß ist.
Insbesondere in Konsumräumen, Kontaktläden, Übernachtungsstellen wird die
drogenbezogene Verhaltensproblematik der KonsumentInnen deutlich und stellt die
Grundlagen der Arbeit in Frage. Die MitarbeiterInnen nehmen in hohem Maße
ordnungspolitische Aufgaben wahr.
Hilfeangebote als Reaktion haben sich in beiden Städten gebildet, wobei die
„nachlaufende Sozialarbeit“, die vor allem in Frankfurt interdisziplinär und
institutionenübergreifend organisiert ist, verspricht, durch persönliche, verbindliche
und kompetente Beziehungen zu den KonsumentInnen tragfähige Hilfegrundlagen
herzustellen.
12
Die Polizei in Hamburg spricht von 2/3 der offenen Drogenszene, die Crack-RaucherInnen sind,
möglicherweise deckt sich diese Schätzung mit der o..g. absoluten Zahl. Die Hamburger Polizei
ermittelte im Jahre 2000 1322 Fälle im Zusammenhang mit Crack. In Frankfurt geht die Polizei von ca.
500 ausschließlichen Crack-KonsumentInnen aus (Crack-KonsumentInnen insgesamt ca. 1600).
Seite 36
Synopse der empirischen Studien zum Thema Crack (Tabelle 4)
Studie
N
K.Thane,
64
G. Thiel
P.
Degwitz,
616
U.
Vertheim
Zeit
1999
Ort
Methode
Fragebogen,
Hamburg anonym und
unentgeltlich
Hamburg
Standardisierter
Fragebogen
Stichprobe
Häufigkeit/
Einheiten
Konsummuster
63%
Männer
37%
Frauen
Tägl.: 45%
Alle 2-3 Tage:18%
Einmal pro Woche: 15%
Seltener: 22%
Tägl. Raucher
konsumierten im
Mittel fast 19 Pfeifen (Median= 15),
diejenigen mit seltenerem Konsum
im Mittel etwas
mehr als vier Konsumeinheiten
8% rauchen
ausschließlich Crack,
83% konsumierten zusätzlich
Kokain, 75%
Heroin
21%
32,5 Jahre
Frauen
(plus minus 7) 79%
Männer
Diejenigen, die
Crack konsumieren haben durchschnittlich 7,1
Konsumeinheiten,
etwa die Hälfte
der Konsumenten
weist bis zu 4 Einheiten pro Tag
auf, 32% konsumieren 10mal
oder häufiger am
Tag
Reiner
Crackkonsum: 9%. Es
dominiert die
Kombination
mit Heroin
Alter
Das mittlere
Crackkonsumenten Alter der Mänim Umfeld szenener betrug
naher Drogeneinrich- 31,8 Jahre,
tungen
das der Frauen 29 Jahre
Drei Konsumräume
und Umfeld
Seite 1
Geschlecht
I. Vogt,
M.
Schmid,
M. Roth
Crackkonsumenten in
Studie 1
59
10.98Frankfurt Fragebogen, freiwillig verschiedenen
04.99
und anonym
niedrigschwelligen
Einrichtungen
Studie 2
Studie 3
312
2.160
11.97Fragebogen, freiwillig
Frankfurt und anonym
11.98
01.99Frankfurt
12.99
Standardisierte
Daten-Dokumentation, erweiterte
Version des EBISFragebogens,
nach Gesprächen in
der Einrichtung wurde
die Dokumentation
von MitarbeiterInnen
mit dem KlientInnen
ausgefüllt. Die
Dokumentation fand
in jedem Fall statt
NutzerInnen von
Tagesbetten in einer
Einrichtung der
Aids.Hilfe
Klientel von 27 ambulanten, teilstationären
und stationären
Einrichtungen des
Trägers „Jugendberatung und
Jugendhilfe e.V.“.
Ausgewählt wurden
nur die Daten von
Personen, die Crack,
Kokain oder Opiate
konsumierten
90% rauchen
mindestens einbis zweimal täglich Crack. Ca. ein
Viertel dieser
Gruppe raucht
Crack öfter als
fünf Mal am Tag.
Durchschnitts
alter der
Frauen: knapp
unter 30, der
Männer knapp
über 30
Für 10% der
Befragten
war Crack
ihre erste
„harte“
Droge
Durchschnitts
alter der
Frauen: knapp
unter 30, der
Männer knapp
über 30
Durchschnitts
alter der
Frauen: knapp
unter 30, der
Männer knapp
über 30
Seite 2
Der Anteil
der
Frauen
liegt unter
25%
Es dominieren polyvalente Konsummuster
Seite 3
3.2
Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und
Bundesländern
Wie sieht die Crack-Verbreitung in anderen deutschen Städten aus? Um diese Frage
beantworten zu können, ist eine Befragung bei Drogenbeauftragten und
Kontaktpersonen durchgeführt worden. Die nachfolgende Tabelle faßt die
Ergebnisse zusammen:
Seite 1
Verbreitung von Crack-Konsum in anderen deutschen Städten und Bundesländern (Tabelle 5)
Bundesland
Ergebnisse
Quelle
„Crack-Konsum kein Problem im Saarland“
Umfrage unter allen saarländischen Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe
Britta Blau,
Sozialministerium
in Saarbrücken nicht auffällig geworden
Drogenhilfe-Zentrum (DHZ)
Lothar Schmidt
Herr Schiemann
INDRO
Wolfgang Schneider
Saarland
VERWEIS AN GINKO
NRW
Kontaktperson
Kein Crackkonsum bekannt
Gerda Marx-Manske
Verweis an Beratungsstellen
Bremen
SchleswigHolstein
Hamburg
kein relevanter Crackkonsum in Essen
Crackkonsum wird nur selten und fast ausschließlich als Beikonsum beobachtet. Im Land Bremen (Städte Bremen und
Bremerhaven) wurden 1999 keine und im Jahre 2000 vier
Delikte im Zusammenhang mit dem Besitz und Handel mit
Crack polizeilich erfasst.
Zur Zeit läuft anläßlich der Anfrage des LKAs eine Umfrage
bei den Einrichtungen der ambulanten Suchtkrankenhilfe
Schleswig-Holsteins. Aus den bereits vorliegenden Antworten
kann man schließen, daß der Konsum von Crack in allen
Landesteilen Schleswig-Holsteins nur vereinzelt auftritt. Die
Versorgung erfolgt in der Regel über Hamburg.
siehe Kapitel 3.1.1.
Krisenhilfe Essen
M. Mombeck
Drogenbeauftragter der Freien
Hansestadt Bremen
Anton Bartling
Ilka Dettbarn,
Umfrage des LKAs bei den Ein- Ministerium für Arbeit,
richtungen der Suchtkrankenhilfe Gesundheit und
Schleswig-Holsteins
Soziales des Landes
Schleswig-Holstein
Bundesland
Niedersachsen
Hessen
Rheinland-Pfalz
BadenWürttemberg
Bayern
Ergebnisse
In der Landeshauptstadt Hannover hat sich die Konsumform
des Rauchens von Crack und Freebase inzwischen etabliert
Quelle
Kontaktperson
Café Connection-Umfrage
unter NutzerInnen des
Kontaktcafés (1999)
Alfred Lessing für Stadt
Hannover
Die Kommission Organisierte
Kriminalität (KOK) des
Bundeskriminalamtes hat die
Landeskriminalämter gebeten
über die Drogenbeauftragten der
Länder eine Abfrage zur CrackProblematik durchzuführen. Zur
Zeit läuft eine Umfrage bei den
Einrichtungen der
Suchtkrankenhilfe in RheinlandPfalz
Ingo Brennberger,
Ministerium für Kultur,
Jugend, Familie und
Frauen.
siehe Kapitel 3.1.2.
Ergebnisse liegen bis Anfang April 2001 vor
1. Ergebnisse liegen bis ca. 10.03.01 vor
2. Fü Ba-Wü nur verschwindend kleiner Personenkreis
konsumiert Crack. Aus Mannheim wird berichtet, dass
die Klienten wg. Crack nach Frankfurt fahren
(19.2.2001).
Vereinzelte Apotheker-Berichte von jungen Leuten, die in
Nachtapotheken Substanzen zur Crack-Herstellung kaufen.
Ansonsten nichts bekannt.
In Einrichtungen sind nur vereinzelte Klienten zu beobachten,
die Erfahrungen mit Kokain und Crack haben (19.2.01)
1. Befragung über die Verbände
der freien Wohlfahrtspflege im
Auftrag des Sozialministeriums
Baden-Württemberg
Umfrage des bayerischen
Staatsministeriums für
Gesundheit, Ernährung und
Verbraucherschutz im Auftrag
des Landeskriminalamts
1.Eva Weiser
(Landesstelle gegen
die Suchtgefahren)
2. Dr. Siefert
(Sozialmin. Ba.-Wü.)
Jan Peter Jaedicke
(bas-München)
Dr. Baumann,
Bayerisches
Staatsministerium für
Gesundheit, Ernährung
und Verbraucherschutz
Bundesland
Sachsen
Ergebnisse
Verweis an die Suchtbeauftragten der Städte Chemnitz,
Dresden und Leipzig sowie an das Giftinformationszentrum in
Erfurt
„Lediglich eine Beratungsstelle (Halle) berichtet von Klienten,
deren Bekannten gelegentlich Crack konsumieren“
Befragung der
Suchtberatungsstellen in
Sachsen-Anhalt September
2000
es liegen keine Daten vor zu Konsummustern, Risiken und
Hilfeangeboten. In den letzten Studien wurde Crack-Konsum
nicht speziell beleuchtet.
Suchtberatungsstellen und Kliniken des Landes, die mit
Drogenabhängigen zu tun haben sagen übereinstimmend
aus, dass Crack-Konsum im Land noch keine Rolle spielt.
Keine Hinweise auf Crack-Konsum. Jahresbilanz 1999 d.
Sen.verwaltung f. Schule, Jugend und Sport eht zwar davon
aus, dass 70% d. Abhängigen mehr als 5
Drogenkonsumieren, aber keine Hinweise auf Crack-Konsum.
Verweis an KOKON
Verweis an Prof. Heckmann,
Flossmann, Zollweg und Just
Sachsen-Anhalt
MecklenburgVorpommern
Berlin
Quelle
Landesstelle gegen die
Suchtgefahren MecklenburgVorpommern - Geschäftsstelle
Kontaktperson
Dr. Böttger, Sächsisches Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und
Familie
Helga Meeßen-Hühne
(LS-SA)
Dr. Willer Ministerium f.
Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales
Claudia Diekneite
Slopianka-Pöhlmann
(Landesstelle gegen
die Suchtgefahren)
Thüringen
Brandenburg
„Keine Erkenntnisse zu einem gehäuften Aufkommen von
Crackkonsumenten“ (6.3.2001)
Claus Niekrentz (BLS)
3.2.1. Zusammenfassung
Es zeigt sich, dass außerhalb der Metropolen Hamburg und Frankfurt CrackKonsumentInnen nur noch in geringerem Maße in Hannover und in den übrigen
Fällen in Einzelfällen den Drogen- und Therapiezentren bekannt geworden sind.
Einerseits haben Rückmeldungen aus den an Frankfurt und Hamburg grenzenden
Bundesländern bzw. Städte ergeben, dass die Großstädten für die Versorgung
Einzelner genutzt werden. D.h. dass auch in den kleineren Städten und auch auf
dem Lande Crack-Konsum zwar nur in Einzelfällen, aber immerhin doch bekannt
geworden ist. So ergibt etwa eine Befragung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit
und Soziales des Landes Schleswig-Holstein (2001), „...dass in Schleswig-Holstein
nur in Einzelfällen Crack konsumiert wird. Crackhandel findet nach Aussagen von
Klienten nur in eingeschränkter Form in Kiel, Schleswig und im Kreis Ostholstein
statt. Die Konsumenten versorgen sich hauptsächlich in Hamburg“. Für BadenWürttemberg (Mannheim) wurden ähnliche Beobachtungen gemacht (s. Tabelle
oben). Diese Sogwirkung der Metropolen ist wahrscheinlich zu verstehen im Rahmen
allgemeiner Drogenbeschaffung, aber sie kann auch bedeuten, dass ‚neue’ Drogen
und Konsummuster Verbreitung im Umland erfahren.
Andererseits gibt es angesichts der Tatsache, dass Crack seit mehreren Jahren in
Hamburg und Frankfurt verbreitet ist, wenig Hinweise auf eine stetige oder gar
sprunghafte Zunahme des Crack-Konsums in den benachbarten Städten und
Ländern. Für Rheinland-Pfalz etwa wird berichtet, dass Drogenberatungsstellen zwar
vereinzelt über Crack-Konsum berichten, dass aber nach wie vor Crack kein
dominierendes Thema darstellt. So ist es etwa trotz der räumlichen Nähe zu
Frankfurt in den Städten Mainz oder Wiesbaden dort nicht zu ähnlichen
Entwicklungen im Crack-Konsum gekommen, sondern bei vereinzelten Berichten
geblieben (Collet 2001).
Auch in Bayern wurde in Einzelfällen ein Vorkommen von Kokain-/Crack-Konsum
beobachtet, wobei allerdings zwischen i.v. und rauchbaren Kokainkonsumformen
nicht unterschieden wurde in einem Konflikt um den Kontaktladen des
Drogenhilfeträgers MUDRA, Nürnberg, MUDRA: Für 14 Tage wurde der offene
Bereich eines Kontaktladens geschlossen mit dem Verweis, dass die Gewalt unter
DrogenkonsumentInnen zunimmt und das Hilfeangebot massiv beeinträchtigt. Die
Gewalt unter DrogenkonsumentInnen wurde in Zusammenhang gesehen mit
polizeilichen Aktivitäten einer Szeneräumung und zunehmenden Kokain- und auch
Crack-Konsum. Russlanddeutsche sind massiv in der Drogenszene (auch hoher
Anteil an der Zahl der Drogentoten) und auch im Drogenhandel repräsentiert.
Auf jeden Fall scheint es keine lineare Entwicklung zu geben, die etwa „wellenartig“
wie oft von den Massenmedien berichtet, das gesamt Land erfasst. Auch nach
mehrjähriger Präsenz dieses Phänomens hat es nicht d e n Problemcharakter auf
Bundesebene erhalten. Dies wird auch bestätigt über die Antwort von
Bundeseinrichtungen und Fachverbänden zu unserer schriftlichen Anfrage (z.B.
Fachverband Drogen und Rauschmittel e.V. 2001; akzept e.V. 2001; BzgA 2001).
Über die weitere Entwicklung in den einzelnen Ländern wird ggf. eine Umfrage von
der „Kommission Organisierte Kriminalität (KOK)“ des Bundeskriminalamtes über die
Landeskriminalämter und die Drogenbeauftragten der Länder über die CrackProblematik Auskunft geben.
Seite 5
3.3. Ergebnisse zur Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum Crackkonsum
in großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik Deutschland:
Im folgenden (Tabelle 6) werden die Ergebnisse Umfrage der Geschäftsstelle der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom August 1999 und der erneuten
Umfrage durch uns im März 2001 (die zusätzlichen Ergebnisse der 2. Umfrage sind
jeweils kursiv markiert) referiert:
Folgende Fragen zum genannten Thema wurden gestellt:
1. Ist Ihnen in Ihrer Einrichtung ein Trend aufgefallen, dass zunehmend Crack
konsumiert wird?
2. Wenn ja, seit wann gibt es diesen Trend?
3. Können Sie sagen, um wieviel Personen es sich handelt und welcher
Prozentanteil ist das bezogen auf die Gesamtzahl der KlientInnen in der
Einrichtung?
4. Gibt es bei diesen Personen besondere Auffälligkeiten im Konsum- und
Sozialverhalten?
5. Welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen beobachten Sie?
6. Gibt es bereit spezifische Maßnahmen im Umgang mit diesen KlientInnen?
7. Was sollte Ihrer Meinung nach geschehen im Rahmen von Aufklärung,
Beratung und Behandlung bezogen auf diese Problematik?
Seite 6
Ergebnisse der Kurzumfrage unter Hilfeeinrichtungen zum Crack-Konsum in großstädtischen Zentren in der Bundesrepublik
Deutschland (Tabelle 6):
Berlin
Einrichtung
KOKON, Berlin
BOA e.V., Berlin
(Prenzlauer Berg
u. Tiergarten)
BOA e.V.
Marzahn
1. Trend
Ja/ Nein
Ja
Nein
Nein
2. Seit
wann?
1991
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
Vorgespräche:
29,5%,
Therapie:
35,5%
4. Auffälligkeiten im
Konsum-/Sozialverhalten
5. Gesundheitliche
Beeinträchtigungen
Coke-Run, aktives an
Gesellschaft orientiertes
Verhalten, keine
"Verweigerer"
Zappeligkeit und unter besonderem Stress stehend
Personen neigen zu extremen Konsumformen. Dies
führt i.d.R. auch zu dissozialen Verhalten.
5%
2-5%, das
entspricht einer
totalen Zahl von
Gesundheitliche
ca. 5-12
Beeinträchtigungen:
schwere psychische Störungen, wie Verfolgungswahn
(Gerücht: In
Hellersdf. soll
Crack konsumiert werden)
6. Spezifische
Massnahmen
zum Umgang
eigenes spezifisches Kokainprogramm
Beratungssettings angemessen gestalten
Wegen der
geringen Zahl
der Personen
nicht nötig.
Kokon befaßt
sich mit diesem
Klientel.
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
drogenspezifische
Interventionsformen
Förderung v. Know-How bzgl.
der Stoffkunde, Safer use bei
involvierten Hilfesystemen,
Sprechen über Konsumverhalten
und -formen im Beratungskontext
Therapieeinrichtungen, die sich
ausschließlich mit
Kokainabhängigen befassen.
sekundärpräventive Aufklärung
SKA
Dresdenerstraße
Nein
Stadt Einrichtung
1. Trend
Ja/ Nein
2. Seit
wann?
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
4. Auffälligkeiten im
Konsum-/Sozialverhalten
5. Gesundheitliche
Beeinträchtigungen
6. Spezifische
Massnahmen
zum Umgang
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
6. Spezifische
Massnahmen
zum Umgang
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
Crack als
Hauptdroge
unter 10%
Drogennotdienst
Nein
Ansbacher Straße
Hamburg
Einrichtung
1.
Trend
Ja/
Nein
2. Seit
wann?
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
bis zu 50%
1,5 Jahren
Freiraum
Hamburg e.V.
Ja
seit ca. 3
Jahren.
das entspricht bis
zu 150 Personen. Meist
handelt es sich
um Personen mit
polyvalentem
Drogenkonsum.
4. Auffälligkeiten im
Konsum-/Sozialverhalten
5. Gesundheitliche
Beeinträchtigungen
Verhalten gekennzeichnet von
Hektik, Agression, Paranoia,
psychotische Zustände,
Innerer Unruhe
Gesundheitliche
Beeinträchtigungen: schnelle
körperliche Verelendung,
Austrocknung, Herz- KreislaufBeschwerden, Hyperaktiv,
leicht reizbar, z.T. paranoid
und psychotisch.
Settings mit beruhigender Wirkung (Raumgestaltung), Schu- Schulungen, Gestaltung der
lungen der Mitar- Einrichtungen, Therapie und
beiterInnen
Akupunkturbehandlung
Durch Fortbildun- Mögliche Konzepte werden
gen wird verderzeit in Hamburg diskutiert.
sucht sich auf die
neuen Problematiken einzu-
stellen.
Stay Alive
St. Pauli
Nein
(aber
November
Freebas `98
e)
Therapie- hilfe
Ja
e.V. Bokholt
1 Jahr
Hinweise auf
Risiken der
Konsumform
5 Personen, die reizbar, aggressiv, sprunghaft,
Akupunkturschwer in der Entgiftung zu
meisten kom.
behandlung
nicht in d. Entzug halten
80-100 Personen, 10-15%
der offenen Szene Hamburg
(Bahnhof, St.
Georg)
Projekt
Laufwerk,
Sozialarbeit in Ja
offenen
Szenen
Winterhalbjahr
1997/98
Safer-Use- Broschüre zu
Kokainderivaten
Schätzungsweise
70-80% der
KlientInnen in der
offenen Szene
konsumieren
Crack in unterschiedlichem
Maße. Als
Primärdroge wird
Crack von 1015% konsumiert.
Dauerkonsum, -handel, gekennzeichnet durch Verelendung, Unruhe, Perspektivlosigkeit.
Depressive Verstimmungen,
extreme Hektik, aggressive
Stimmung. Die meisten
KlientInnen konsumieren
Heroin zum „Runterkommen“.
Kaum Hilfsmöglichkeiten für
MigrantInnen.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen: starke Verelendung,
desolater körperlicher
Allgemeinzustand, z.T.
spastische Bewegungen bei
dauerhaftem Konsum,
Hautprobleme, Atemwegsbeschwerden und Depressionen.
schwellenloser Einstieg in den
Ausstieg über Vorleistung durch
Sozialhilfeträger, Streetwork,
Begleitung zu
Übernachtungsstellen, um die
Ämtern, RechtsLeute überhaupt zu erreichen)
anwälten, um P.
drogenhilfefähig
Verbesserte und ausgeweitete
zu machen, VerPräventionsarbeit in Schulen und
mittlung an nieJugendeinrichtungen. Beratungsdrigschwellige
stellen müßten ihre Arbeit noch
Einrichtungen vor
mehr auf die steigende ProbleOrt (Grundvermatik des Crackkonsums aussorgung)
richten. Dies könnte z.B. durch
vermehrte aufsuchende und
Aufsuchende
nachgehende Arbeit als integraSozialarbeit,
ler Bestandteil der BeratungsAkupunktur
stellen umgesetzt werden, um
die Anbindung zu erleichtern und
damit die Haltequote zu verbes-
sern. Haus-, Knast- und Krankenhausbesuche, Zuwendungsfinanzierte Akupunktur, Ruheraumangebote und Tagesschlafstellen. Eine Clearingstelle
der Behörden, Ämter, Kostenträger, um gezielter und schneller
einen Zugang in weiterführende
Maßnahmen zu ermöglichen.
Spezialisiertere Therapien für
Kokain(-derivat)-User. Schneller
Zugang zur Substitution, Entgiftung sofort.
Stadt Einrichtung
DROB INN
(Zusammenfassung v. 5
niedrigschwelligen
Einrichtg.)
1.
Trend
Ja/
Nein
Ja
2. Seit
wann?
seit
1996/7
4. Auffälligkeiten im
6. Spezifische
Konsum-/Sozialverhalten
Massnahmen
5. Gesundheitliche
zum Umgang
Beeinträchtigungen
Konsumart verschieden bis zu
Dauerkonsum, meist
Freebase, körperliche Beschwerden (Kopfschmerzen),
Müdigkeit, Antriebslosigkeit,
Aggressivität, extreme
haben keine
80% d. KlientIn- Ruhelosigkeit
nen konsumieren
spezifischen
Gesundheitliche
(auch) Crack
Maßnahmen
Beeinträchtigungen:
Herzerkrankungen, Infektionen
der Atemwege, Kachexie,
Dehydration, Zahnschäden,
Krampfanfälle, Parasitenbefall
durch allgem. Verelendung,
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
leicht zugängliche und enorm
niedrigschwellige Hilfen, Tagesschlafplätze, geschützte und
offene Konsummöglichkeiten,
umfassende Aufklärung auch der
Drogenhilfe über Konsum und
Folgen.
Psychosen. Verwirrtheit und
Desorientierung
IHHD
Selbsthilfe
Nein
Frankfurt/M.
Einrichtung
Institutionsambulanz der
Malteser Werke
GmbH
Integrative
Drogenhilfe e.V.
Druckraum
Niddastr.
1. Trend
Ja/ Nein
Ja
Ja (Streetwork)
2. Seit
wann?
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
3 Jahren
30% v. 50 P.
seit
1996/97
mindestens
70% des harten Kerns
des Klientels
konsumiert
Crack
zusätzlich zu
4. Auffälligkeiten im
Konsum-/Sozialverhalten
5. Gesundheitliche
Beeinträchtigungen
Verhalten gekennzeichnet
von Aggression und Gewalt, psychiatrische Krankheitsbilder, Abnahme Compliance
Aggressivität, Hektik, Realitätsbezug geht verloren,
Konsum bis zum Zusammenbruch, Persönlichkeitsveränderungen.
Zunehmende Verelendungstendenzen, Aggres-
6. Spezifische
Massnahmen
zum Umgang
Talk down, Akupunkturbehandlung
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
Infos/ Arbeitsweise
Sozialintegration Verelendeter,
Heroinvergabeprogramm, Weg
Safer-Use-Tipps, von der stoffspezifischen Diskussion, da es hierfür keine
Gespräche
brauchbaren Konzepte gibt und
geben wird.
den
sonstigen
Substanzen
Stadt Einrichtung
AIDS-Hilfe
Frankfurt e.V.
1. Trend
Ja/ Nein
Ja
Kommunale
Kinder-, Jugend
Ja
und Familienhilfe
WALK MAN
2. Seit
wann?
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
sion und Gewaltbereitschaft, Auffälligkeiten wie
Wahn-, Angst-, Zwangsvorstellungen.
Gesundheitliche
Beeinträchtigungen:
Psychotische Zustände,
körperliche Verwahrlosung
durch Selbstverwahrlosung,
körperliche Zusammenbrüche durch massiven
Schlafentzug
4. Auffälligkeiten im
Konsum-/Sozialverhalten
5. Gesundheitliche
Beeinträchtigungen
6. Spezifische
Massnahmen
zum Umgang
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
seit 1997 "CrackStreet-Projekt",
Time Out-Versuche, Einzelfallhilfe
Integration in Hilfesystem, Akupunkturbehandlung, medikamentöse Behandlung, Time OutCenter
Krisenbetten, niedrigschwellige
Substitution, Entzug sofort
seit 1993
ein Drittel
vereinzelt,
von 100
seit 1995
Personen
auffällig
stark agitierend, laut, hektisch, gewaltbereit und gewalttätig, Konsum bis zur
Ermattung
seit 1992
vereinzelt, ca. 100% v
seit 1996 50 P.
massiv
Beginn zum großen Teil mit
Crack/ Freebase, dazu
dann Schlaf-/Schmerzdirekter persöntabletten o. Heroin, bzw.
licher Zugang,
polytoxikomaner Gebrauch
Einzelfallhilfe
aller verfügbaren Drogen (je
nach finanziellen Möglichkeiten)
Verbesserte Zusammenarbeit
der Instanzen der Jugendarbeit,
da soziales Problem (ASD)
Drogennotdienst
Elbestraße
Ja
gut einem
Jahr
Öffentlicher Konsum, da
keine Räume vorhanden,
intensiver Kleinhandel auf
der Straße
Stadt Einrichtung
Drogenhilfezentrum
Bleichstraße
1. Trend
Ja/ Nein
Ja
2. Seit
wann?
90-er
Jahre
Substitutio
nsbeigebrau
ch,
zunächst
intravenös
, seit 1997
und
verstärkt
seit 1998
Crack
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
4. Auffälligkeiten im
Konsum-/Sozialverhalten
5. Gesundheitliche
Beeinträchtigungen
Schneller, massiver
Kontrollverlust,
30 v. 55 P.
Verschlechterung des
(Substituiergesundh. Und sozialen
te i.v. Kokain
Status, Unruhe, Agitiertheit
o. Crack) 25
bis Agressivität,
ausschließFernbelieben bei
lich Crack
Methadonvergabe bzw.
gänzl. Kontaktabbruch
6. Spezifische
Massnahmen
zum Umgang
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
Time Out (durch
stationäre
Entgiftung,
medikamentunter
stütztes
ambulantes
Behandlungsprogramm), OhrAkupunkturbeha
ndlg.
Info und Aufklärung der
offenkundig verharmlosenden
Mythen, Qualifizierung der
Mitarbeiter spezifisch zu Kokain/
Crack, Entwicklung medikamentund akupunkturgestützter
Behandlungsangebote für primär
Kokain/ Crack-Abhängige,
Anpassung stationärer
Entzugsmöglichkeiten,
kurzfristige Aufnahme in
stationäre Entgiftungen
ermöglichen
Sonstige Städte
Stadt Einrichtung
1. Trend
Ja/ Nein
Ja
Hannover
Münster INDRO e.V.
Nein, kein
Crackkonsu
m bekannt,
wenn, nur
untergeordnete
Rolle
Bonn- Drogenund AIDSSelbsthilfe Bonn
Nein
13
4. Auffälligkeiten im
2. Seit
Konsum-/Sozialverhalten
5. Gesundheitliche
wann?
Beeinträchtigungen
Alltagsmanagement ist
schlechter geworden,
Ängste, Aggressionen,
Inzwischen
Gewichtsverlust,
1997/98 etabliert in der
Zahnausfall,
Drogenszene
Verfolgungswahn,
Größenwahn gepaart mit
depressiven Schüben13
3. Wieviel
Personen/
%-Anteil
Nein
Jahresbericht 2000, step Hannover, S. 4ff über niedrigschwellige Arbeitsfelder
6. Spezifische
Massnahmen
zum Umgang
7. Vorschläge zur
Aufklärung/Behandlung.
„Nadeln gegen
Nadeln“ –
AkupunkturAngebot in der
Drobs seit
September 1999
3x wöchentl.
Safer-Use-Flyer zum Thema
"Kokain" ansonsten kein konreter
Handlungsbedarf
Bremen- Amt für
soziale Dienste
Drogenberatung
Nein
Nein (Frankfurter
Crack-Projekt ist
bekannt)
EssenNein
Krisenhilfe e.V.
Drogen-beratung
München - L 43
Drogennotdienst
Nein (kein
Thema)
Leipzig - Suchtzentrum Leipzig
Nein
Nürnberg - Mudra
z.T. zuneh(Altern. Jugendmend in
und Drogenhilfe
Privatszene
e.V.)
Erstellung von
substanzspezifischen
Aufklärungsmaterialien bereits
erfolgt
Völklingen –
Psychosoz. BeraNein
tungsstelle für
junge Menschen
Saarbrücken –
Psychosoz. BeraNein
tungsstelle für
junge Menschen
Crack ist Teil eines polytoxikomanen Konsummusters,
deshalb gleiche Maßnahmen wie
bei anderen
Saarbrücken –
Aktionsgemeinschaft Drogenberatung e.V.
(Tabelle 5)
Nein (im
Trend
liegen
Designerdrogen)
3.4
Entwicklung des Kokain- und Crackkonsums in Deutschland und Europa
Sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene wird seit Beginn der 80er
Jahre auf einen ansteigenden Kokainkonsum hingewiesen.
In den USA ist eine enormer Anstieg von Kokainkonsum seit Mitte der 80er Jahre zu
verzeichnen. Krausz (2001) weist auf die Zahl von 0,7% der Bevölkerung über 12
Jahre in den USA hin, die aktuelle KokainkonsumentInnen sind. Krausz zitiert eine
NIDA-Veröffentlichung des Jahres 1997 wonach eine Jahresprävalenz in den USA
(Konsum in den letzten 12 Monaten) von 1% bei den Männern und 0,4% bei den
Frauen ermittelt wurde. Die Lebenszeitprävalenz beträgt in den USA 20%. Mit einem
hohen Kokainkonsum sind auch eine hohe Zahl von Drogennotfällen verbunden.
Die Verschiebung vom Heroin- zum rauchbaren Kokainkonsum hat sich in den
Vereinigten Staaten zehn Jahre früher abgespielt. Der Höhepunkt des CrackKonsum lag dort Mitte der 80er Jahre. Es wird berichtet, daß der Konsum in einigen
Großstädten abnehmend ist und daß Heroin als präferierte Droge wieder zurück
gekehrt ist (Boekhout van Solinge 2001, 95). Eine Begründung kann die Tatsache
sein, daß der Gebrauch von rauchbarem Kokain so erschöpfend, ruinös ist, daß er
nicht längere Jahre in der gleichen Intensität betrieben werden kann, ohne
sedierenden Substanzkonsum.
Für Europa weist der Jahresbericht der EMCDDA (2000) auf eine steigende
Prävalenz in den EU-Mitgliedsstaaten hin. Der Konsum von Kokain steigt unter
gesellschaftlich aktiven Gruppen und breitet sich zunehmend über größere
Schichten der EU aus. EU-weit haben etwa 1-6% der 16-34 Jährigen und 1-2% der
SchülerInnen mindestens einmal Kokain probiert. Die Europäische Kommission hat
den Anstieg zum Anlaß genommen, die EMCDDA zu beauftragen verfügbares
Wissen über Kokainkonsum zusammenzutragen und im Herbst 2001 einen Bericht
über die Entwicklung des Kokainkonsums in Europa zu veröffentlichen (Carpentier
2001).
Aus den Niederlanden wird berichtet, daß Freebase/Crack aus einigen
Drogenszenen schon seit Jahren nicht mehr wegzudenken ist. Gleichwohl gibt es
Signale aus der Praxis, daß Heroin (sogar in spritzbarer Form, siehe Boekhout van
Solinge 2001, 95) auch in Holland wieder zurückkommt. Doch rauchbares Kokain
wird das beherrschende Thema für die Suchtkrankenhilfe in den Niederlanden für
die nächsten Jahre bleiben.
Über einen längeren Zeitraum betrachtet scheint es wellenartige Bewegungen in den
präferierten Drogen zu geben - dies aus vielfältigen Gründen. Ein wesentlicher
Faktor ist vor allem der Zeitgeist, die Angemessenheit einer Droge mit dem
gesellschaftlichen mainstream.
Über die aktuelle Verbreitung von Kokain und Crack in Deutschland können die
Daten der ambulanten und stationären Suchtkrankenhilfe geben, sowie die vom
Bundesministerium in Auftrag gegebene Studie zum „Konsum psychoaktiver
Substanzen in der erwachsenen Bevölkerung von 18-59 Jahren“ mit
Datenerhebungen aus dem Jahr 2000 Auskunft geben:
Seite 19
3.4.1. Kokain-/CrackkonsumentInnen
in
Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe
ambulanten
und
stationären
Tossmann u.a. (2000) weisen darauf hin, dass trotz der steigenden Verbreitung von
Kokain seit den 90er Jahren und auch von Crack-Konsum in Deutschland nur ein
relativ geringer Teil von KokainkonsumentInnen die klassischen Beratungs- und
Behandlungsangebote aufsucht (6% der über 2000 Patienten, die im Jahre 1998
eine Suchtbehandlung in einer Drogenfachklinik in Deutschland durchgeführt haben).
Auch Kemmesies (2000, 23) stellt für die Hilfeseite fest, dass sich trotz des Anstiegs
der polizeilich erhobenen Daten seit etwa 20 Jahren, sich dieser Anstieg nicht auf
der Hilfeseite abbildet: „stellt Kokain im Bereich der stationären wie ambulanten
Drogenhilfe nur ein marginales Problem dar. Lediglich 1,6% aller Klienten im
ambulanten (Simon und Palazzetti 1999a, 23) und 1,3% im stationären Bereich
(Simon und Palazzetti 1999b, 74) weisen die Hauptdiagnose Kokain auf. Die
Behandlungsstatistiken
signalisieren
keine
Zunahme
problematischer
Kokaingebrauchsmuster.“
Die aktuellen Daten der Statistik über ambulante Behandlungen allein (EBIS-A,
bisher EBIS) und für stationäre Behandlungen (EBIS-S, bisher SEDOS) bestätigen
dies für das Jahr 2000 diese Beobachtung (vgl. Welsch 2001). Die aktuellen Zahlen
(vgl. Strobl u.a. 2001a) lauten:
Ambulante Behandlungen (EBIS-A):
-
Hauptdiagnose1 Kokain (inkl. Crack...): 935 oder 1,6% der Klienten mit
eigener Problematik (812 Männer, 123 Frauen)
Einzeldiagnose1
Kokain:
6.427
(5.225
Männer,
1.202
Frauen)
Einzeldiagnose Crack: 382 (316 Männer, 66 Frauen)
Einzeldiagnose Kokain (inkl. Crack...): schädlicher Gebrauch: 2.057 (1.692
Männer, 457 Frauen), Abhängigkeit: 4.315 (3.506 Männer, 809 Frauen).
Zum Zeitpunkt der Endberichterstellung konnte noch nicht exakt beurteilt werden,
wie die Entwicklung der Zahlen von 1999 zum Jahr 2000 verlaufen ist. Nach erster
Einschätzung scheint im ambulanten Bereich der Anteil der Klienten mit
Hauptdiagnose Kokain im Vergleich zu 1999 weitgehend gleich geblieben zu sein.
Bei den Einzeldiagnose Kokain (nur Abhängigkeit) scheint es eine leichte Abnahme
zu geben. Da sich die Klienten- und Einrichtungszahlen im Vergleich zum Jahr 1999
deutlich verändert haben, werden die genauen Berechnungen noch etwas Zeit in
Anspruch nehmen. Das betrifft auch die Veränderungen im stationären Bereich:
Auch hier scheint eher eine Abnahme statt gefunden zu haben14.
1
Der Unterschied zwischen Einzel- und Hauptdiagnose liegt darin begründet: Für jede Substanz, die
ein Klient konsumiert, wird von der Einrichtung eine entsprechende Diagnose vorgenommen. Da
multipler Konsum unter Drogenklienten die Regel ist, ergeben sich für diese dann meist mehrere
Einzeldiagnosen (ICD 10, für Kokain/Crack F14). Die therapieleitende Diagnose, z.B. eine
Abhängigkeit von Opiaten, wird dann durch den Berater/die Beraterin als Hauptdiagnose
gekennzeichnet (vgl. Welsch 2001).
14
Die Tabellenbände von EBIS und SEDOS von 1999 und in Kürze 2000 (Anfang Juli 2001) liegen
auch im Internet zum herunterladen (http://www.ebis-ift.de/ebis/download_fr.htm). Der kommentierte
Jahresbericht erscheint etwa im August im Rahmen eines Sonderheftes der Zeitschrift „Sucht“
Seite 20
Im Jahre 1998 wurde bundesweit in den Einrichtungen der ambulanten
Suchtkrankenhilfe bei 341 bzw. 0,6% der Männer und 69 bzw. 0,3% der Frauen
schädlicher Konsum bzw. Abhängigkeit von Crack dokumentiert (vgl. EBIS-Bericht
1998).
Stationäre Behandlungen (EBIS-S; vgl. Strobl 2001b):
Hauptdiagnose Kokain (incl. Crack...): 72 oder 0,7% der Klienten mit eigener
Problematik (69 Männer, 3 Frauen).
Einzeldiagnose Kokain: 1.244 (1.027 Männer, 217 Frauen)
Einzeldiagnose Crack: 81 (69 Männer, 12 Frauen)
Einzeldiagnose Kokain (incl. Crack...) schädlicher Gebrauch: 251 (214
Männer, 37 Frauen), Abhängigkeit: 782 (661 Männer, 121 Frauen).
3.4.2.
IFT – Konsum psychoaktiver
Bevölkerung von 18-59 Jahren
Substanzen
in
der
erwachsenen
Um den zunehmenden Crack-Konsum verstehen zu können, scheint es zunächst
wichtig, sich die Entwicklung des schnupfbaren oder i.v. konsumierbaren Kokains
anzusehen – auch um die Relationen zu verdeutlichen. Das Institut für
Therapieforschung (IFT) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit die
epidemiologischen Trends im Konsum von psychotropen Substanzen erforscht und
festgestellt, dass etwa 2,4% der erwachsenen Bevölkerung Kokain jemals
konsumiert haben (0,1% Crack), mit deutlicher Häufung im dritten Lebensjahrzehnt.
Die folgende der Lebenszeit-, 12-Monats- und 30-Tage-Prävalenz illegaler Drogen in
Westdeutschland ist insbesondere für die Angaben zu Kokain und Crack interessant:
Seite 21
Geschlecht
Lebenszeit
Gesamt
6632
Männer
3026
Frauen
3606
Altersgruppen
18-20 21-24 25-29 30-39 40-49 50-59
303
438
638
1920 1649 1684
Cannabis
Amphetamine
Ecstasy
LSD
Heroin
Methadon
Andere Opiate (z.B. Codein,
Opium, Morphium)
Kokain
Crack
21,4
2,4
1,5
2,0
0,4
0,2
0,8
(1310)
(148)
(82)
(125)
(20)
(10)
(47)
24,8
2,8
1,8
2,6
0,5
0,3
1,1
17,7
2,0
1,1
1,4
0,2
0,1
0,5
38,0
2,4
5,2
2,4
0,4
-1,1
38,1
3,4
5,7
3,6
0,5
0,5
1,0
31,8
2,5
3,2
2,3
0,7
0,5
1,0
24,1
2,5
1,1
2,1
0,5
0,1
1,1
16,9
2,0
0,2
2,2
0,3
0,1
0,8
6,6
1,1
0,1
0,9
-0,1
0,1
2,4
0,1
(144)
(6)
3,0
0,2
1,9
--
2,6
--
4,8
0,5
4,7
--
3,5
0,2
1,2
0,1
0,2
--
Andere
Drogen
als
Cannabis
Illegale Drogen insgesamt
Schnüffelstoffe
Pilze
5,2
(319)
6,3
4,1
7,2
11,5
7,6
5,6
4,2
1,9
21,8
0,8
2,0
(1339)
(50)
(116)
25,4
1,0
2,5
18,1
0,7
1,5
38,0
1,1
3,4
38,3
1,8
7,1
32,5
0,9
2,6
24,5
1,4
2,1
17,5
0,4
1,3
7,0
0,1
0,1
Männer
Frauen
12-Monate
Gesamt
18-20 21-24 25-29 30-39 40-49 50-59
Cannabis
Amphetamine
Ecstasy
LSD
Heroin
Methadon
Andere Opiate (z.B. Codein,
Opium, Morphium)
Kokain
Crack
6,2
0,6
0,6
0,2
0,1
0,1
0,1
(355)
(33)
(34)
(9)
(6)
(4)
(8)
7,9
0,8
1,0
0,2
0,2
0,1
0,2
4,5
0,4
0,3
0,1
--0,1
25,3
2,1
1,8
1,5
0,4
---
19,7
3,3
3,7
0,5
0,3
0,3
0,5
11,3
0,7
0,8
0,1
0,5
0,3
0,3
5,5
0,5
0,5
0,1
--0,2
1,5
0,1
0,1
0,1
0,1
0,1
0,1
0,4
-------
0,9
--
(48)
(3)
1,2
0,1
0,5
--
2,0
--
2,7
0,2
1,7
--
1,0
0,1
0,2
0,1
---
Andere
Drogen
als
Cannabis
Illegale Drogen insgesamt
Schnüffelstoffe
Pilze
1,3
(76)
1,8
0,9
3,2
6,5
1,7
1,4
0,2
--
6,5
0,1
0,5
(367)
(3)
(28)
8,2
0,1
0,7
4,7
-0,3
25,6
0,4
2,5
20,4
0,3
3,2
11,7
0,2
0,8
5,8
-0,1
1,5
-0,1
0,4
---
Männer
Frauen
30-Tage
Gesamt
18-20 21-24 25-29 30-39 40-49 50-59
Cannabis
Amphetamine
Ecstasy
LSD
Heroin
Methadon
Andere Opiate (z.B. Codein,
Opium, Morphium)
Kokain
Crack
3,4
0,2
0,3
0,1
0,1
0,1
0,0
(191)
(14)
(17)
(4)
(5)
(4)
(1)
4,8
0,2
0,4
0,1
0,2
0,1
--
2,0
0,3
0,2
-----
13,8
1,1
1,6
1,2
----
12,8
1,5
1,5
-0,3
0,3
--
5,5
-0,2
0,1
0,5
0,3
0,1
2,9
0,2
0,3
-----
0,9
0,1
--0,1
0,1
--
0,1
-------
0,3
--
(15)
(1)
0,3
--
0,2
0,0
1,2
--
0,2
0,2
0,5
--
0,3
--
0,1
--
---
Andere
Drogen
als
Cannabis
Illegale Drogen insgesamt
Schnüffelstoffe
Pilze
0,6
(35)
0,7
0,5
1,8
2,4
0,9
0,6
0,2
--
3,6
-0,1
(201)
(0)
(6)
4,9
-0,2
2,2
-0,1
13,8
-1,2
13,9
-0,2
5,7
-0,1
3,0
-0,1
1,0
---
0,1
---
(Quelle IFT 2001)
Die letzten Daten aus der letzten Repräsentativerhebung aus dem Jahre 1997 gaben
an, dass zwischen 0,8 und 1,2 % im letzten Jahr vor der Befragung Kokain jemals
Seite 22
konsumiert haben (etwa 300.000 bis 350.000). Von diesen sind etwa 8%
regelmäßige und häufige Kokainkonsumenten (darunter dreimal bis viermal so viele
Männer wie Frauen). Dies ist allerdings mit einer hohen Dunkelziffer belegt. Aus
regionalen epidemiologischen Studien, etwa aus Bremen, wissen wir, dass dort die
aktuelle Kokainkonsumprävalenz bei bekannten Drogenkonsumenten bei rund 1,7 %
liegt, die von Crack bei 0,05 %. Es gibt allerdings eine steigende Zahl von
Kokainkonsumenten, die wegen sozialer und psychischer Probleme durch den
regelmäßigen und häufigen Kokainkonsum nach Beratung und Hilfe nachsuchen. In
den Drogenberatungsstellen oder Therapieeinrichtungen werden rund 5 bis 6 % der
Klienten hauptsächlich wegen eines Kokainproblems beraten oder behandelt, das
sind rund 11.000 Personen pro Jahr. Crack-Konsum und Probleme damit geben 2,4
% dieser Personen an (etwa 250 bis 300).
3.4.3. Polizeiliche Erkenntnisse
Rauschgiftdelikte sind immer Kontrolldelikte, d.h. die Zahl der registrierten Delikte ist
in hohem Maße abhängig von der Kontrollintensität der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Insofern ist die Polizeiliche Kriminalstatistik auch ein Ausdruck der Fokussierung polizeilicher Ermittlungstätigkeit auf Crack-bezogene Delikte (BKA 2001, 2).
Für Deutschland hat das BKA einen Anstieg des Anteils der Kokainkonsumenten an
der Gesamtzahl der polizeilich erstauffälligen Konsumenten harter Drogen von 1980
auf 1999 festgestellt. Der Anteil hat sich mehr als vervierfacht (von 5,3% auf 23,8%
siehe BKA 2000; zit. n. Kemmesies 2000, 23).
Aus den Informationen des Bundeskriminalamtes geht hervor, dass im Jahr 1998
gegen 23.391 Personen wegen eines Kokaindelikts ermittelt wurde, mit einem hohen
Zuwachs in Hamburg. Im Jahre 1999 erhöhte sich diese Zahl auf 25.499 Personen,
mit auffälligen Zuwachsraten in Nordrhein-Westfalen und Hamburg (wobei hier auf
die Funktion des Hamburger Hafens für die Einfuhr hingewiesen wird). In rund 5.500
Fällen wurden sowohl 1998, wie 1999 kleinere und größere Mengen Kokain
sichergestellt, 1998 war das in 220 Fällen Crack/Freebase, 1999 waren es 460 Fälle.
1999 wurde ein illegales Labor, in dem Crack hergestellt wurde ermittelt. Bei den
22.584 erstauffälligen Konsumenten harter Drogen wurde im Jahre 2000 gegen etwa
ein Viertel wegen Kokaindelikten ermittelt (5.327; die Daten für 1998 und 1999 sind
hier nahezu gleich).
Die Zahl der polizeilich ermittelten Fälle im Zusammenhang mit Kokain ist im Jahre
2000 zurückgegangen (um 12,3%), ebenso wie die polizeilich festgestellten
erstauffälligen KokainkonsumentInnen. Die polizeiliche Beschlagnahmungsmenge
von Kokain ist im Jahre 2000 sogar um 53,8% zurückgegangen.
Der Rückgang der Sicherstellungsmenge von Kokain in Deutschland um 53,8 %
gegenüber dem Vorjahr bedeutet das bisher niedrigste Niveau der letzten zehn
Jahre (1994: 767 kg).
Polizeiliche
Daten
zu
Fällen,
erstauffällige
KonsumentInnen
Sicherstellungsmengen im Zusammenhang mit Kokain, (Tabelle 7)
und
Seite 23
Jahr
Fälle
1997
1998
1999
2000
5482
5532
5491
4814
Polizeilich
festgestellte
erstauffällige Konsumenten
5144
5691
5662
5327
Sicherstellungsmenge
(Kokain)
1721kg
1133kg
1979,1kg
913,4kg
In allen drei Bereichen ist also kurzfristig eine rückläufige Tendenz erkennbar (s.
Tabelle 1). Im mittelfristigen Trend ist eher eine Stabilisierung, denn eine Zunahme
erkennbar. Im langfristigen Trend 1985 – 1999 ist etwa die Zahl der erstmalig
auffälligen KokainkonsumentInnen allerdings kontinuierlich gestiegen, die
Kokainsicherstellungsmengen haben sich von 1989 bis 1999 nicht kontinuierlich
weiterentwickelt, sondern wechselhaft.
Die Zahl der Tatverdächtigen im Zusammenhang mit Crack (laut Falldatei
Rauschgift) hat sich seit drei Jahren allerdings erhöht:
1998:
1999:
2000:
556
600
1625
(Quelle BKA 2001a, 9)
Nationalitäten der Tatverdächtigen bei a). Kokain- und b). Crack-Delikten
a). Die größten Sicherstellungsmengen fanden sich dabei im Hamburger Hafen
(72 kg im ) und Kassel (51 kg). Die wichtigste Sicherstellungsorte mit einem Anteil
von 68,6 % der Gesamtsicherstellungsmenge wurden die deutschen Flug- und
Seehäfen registriert (626,7 kg). 119,2 kg wurden in deutschen Seehäfen und
507,5 kg auf Flughäfen, davon allein 377,2 kg am Flughafen Frankfurt/Main,
beschlagnahmt (vgl. auch BKA 2001a, 6f).
„Im Zusammenhang mit Kokainsicherstellungen dominieren nach wie vor deutsche
Tatverdächtige, gefolgt von türkischen und sierraleonischen Staatsangehörigen.
Bei Tatverdächtigen aus Kolumbien und Venezuela ist auffällig, dass bei einer
relativ geringen Anzahl an Personen verhältnismäßig große Kokainmengen
sichergestellt wurden. Dies deutet auf eine besondere Bedeutung von
Angehörigen dieser Nationen im Bereich Handel und Schmuggel hin. Im Jahr 2000
wurde erstmals Crack in der Falldatei Rauschgift separat erfasst. Die
Gesamtsicherstellungsmenge an Crack belief sich auf 2,2 kg. Davon wurden allein
in Frankfurt/Main 1,17 kg in 337 Fällen und in Hamburg 0,53 kg in 543 Fällen
sichergestellt. An den Brennpunkten wird der Straßenhandel mit Crack
überwiegend von Westafrikanern (Nigerianern) und Marokkanern dominiert. Die
Herstellung von Crack bzw. die Vorratshaltung beschränkt sich auf kleine Mengen,
da unter Einwirkung von Luftfeuchtigkeit ein Abbau der Wirksubstanz erfolgt und
die Haltbarkeit von begrenzter Dauer ist“.
Seite 24
b). Auch die Nationalitäten bei Crack-Delikten ist insofern interessant, als dass es
vor allem deutsche Tatverdächtige sind, die im Zusammenhang mit Crack
registriert wurden (29,4%, d.h. 477 von 1.625 im Jahr 2000; 158 von 600 im Jahr
1999 und 179 von 556 im Jahr 1998), gefolgt von Straftätern afrikanischer
Herkunft (28,9%). Diese Zahlen relativieren die Einschätzung etwas, dass der
Handel in Frankfurt und Hamburg von Afrikanern dominiert wird (BKA 2001a, 1).
Es könne der Eindruck entstehen, als würde Crack nur und ausschließlich von
Nicht-Betroffenen, d.h. Nicht-KonsumentInnen aus Nord- und Schwarzafrika
verkauft werden.
Cracksicherstellungen in kg
0,5
1,17
0,53
Frankfurt/M.
Hamburg
Sonstige
(Quelle BKA 2001)
Die Sicherstellungsmengen und –orte bestätigt die Konzentration des Crack-Handels
auf Hamburg und Frankfurt. Über 80% des sichergestellten Cracks wurde in
Hamburg und Frankfurt sichergestellt. Auch die Bedeutung der See- und Flughäfen
für den Kokainhandel wird damit unterstrichen.
3.4.4. Einschätzung
Deutschland
der
weiteren
Entwicklung
des
Crack-Konsums
in
Wie wird die Prävalenzentwicklung von Crack von ExpertInnen beurteilt? Folgende
Grundlagen lassen sich für eine Einschätzung zukünftiger Verbreitung benennen:
•
•
•
•
•
•
Niedriger Preis für eine sehr intensive Drogenwirkung
Wirkung und Preis insbesondere für Jugendliche attraktiv (Subjektiv empfundene
Stärkung des Durchsetzungsvermögens, des Auftretens etc.)
Passend zur Leistungsgesellschaft (auch in Dienstleistungsbereichen wie
Prostitution)
Suggestion der Ungefährlichkeit durch das Rauchen im Gegensatz zur
intravenösen Applikation
Schnell möglicher Konsum in der Öffentlichkeit ohne Aufsehen zu erregen
Relativ hohe Verbreitung von Kokain kann eine schnelle Verbreitung v on Crack
begünstigen (vgl. Täschner/Richtberg 1988, 71f; vgl. Roth 1999, 29f).
Seite 25
Anders als in den USA etwa, gibt es in Deutschland jedoch keine, auch in den
Großstädten, vergleichbar hohe Verelendung Jugendlicher und junger Erwachsener.
„Dennoch macht der niedrige Preis, die leichte Verfügbarkeit und der extrem hohe
Suchtfaktor eine mögliche Eindämmung der Droge äußerst schwierig. Eine große
Gefahr könnte entstehen, wenn das Crack Einzug in die „Technoszene“ hält und mit
oder neben dem Ecstasy konsumiert wird“ (Roth 1999, 32) Diesen Befürchtung
bestätigt sich laut KOKON (1999, 1) bereits: „Häufig hören wir in unserer offenen
Sprechstunde von Ecstasykonsument, die begonnen haben, mit Kokain zu
experimentieren und die aufgrund der langfristig attraktiveren Wirkung – vor allem
fehlen die selbstlimitierenden Nebenwirkungen wie bei Ecstasy – auf das zunächst
vergleichsweise harmlos und gut steuerbar erscheinende Kokain umsteigen“.
Zunächst kann festgestellt werden, dass einige empirische Befunde dafür sprechen,
dass der Kokainkonsum in Teilen der Jugend- und Partyszenen besonders hoch ist.
Tossmann u.a. (2000) berichten von einem hohen Anteil Kokainerfahrener auf den
von ihnen (Berlin: Tossmann/Heckmann 1997) und anderen (München: Künzel u.a.
1997) untersuchten Besuchern von Techno-Parties. Unklar ist jedoch, ob Kokain als
ein Vorläufer eines nachfolgenden Crack-Konsums zu betrachten ist, oder ob der
hochriskante Konsum von Crack nicht mit dem lifestyle-Gefühl dieser Jugendkulturen
vereinbar ist. Zu klären müsste sein, inwieweit Kokain in anderen Ländern (USA)
eine Vorreiter- und Indikatorenfunktion übernommen hat.
Die Repräsentativerhebung des IFT weist in Bezug auf Crack die größte Häufung der
Lebenszeit-, 12-Monats- und 30-Tage-Prävalenz in der Altersgruppe der 21-24Jährigen zwischen 0,2% und 0,5% aus. Auch Erfahrungen mit dem Kokainkonsum
sind in dieser Altersstufe und der folgenden (25-29) besonders hoch. Das bedeutet,
dass Menschen im dritten Lebensjahrzehnt die ausgeprägtesten Erfahrungen mit
Kokain und Crack besitzen. Ob dies als zusätzlicher Gebrauch, oder als Beigebrauch
innerhalb von OpiatkonsumentInnenszenen der Fall ist, oder ob Kokain/Crack als
Erstpräferenz gewählt werden ist unklar. In beiden Fällen ist eine Rückwirkung auf
jüngere KonsumentInnengruppen denkbar.
Viele Erfahrungen von MitarbeiterInnen der Drogenhilfe, Beobachtungen der Polizei
und wissenschaftliche Daten weisen auf die Bedeutung von Kokainkonsum als
antriebs- und leistungssteigernd für Menschen in Methadonbehandlung hin. Die
spezifische Wirkung von Methadon als wenig euphorisierend, eher sedierend und
Trägheit fördernd wird von vielen KonsumentInnen versucht mit Kokain aufzuheben.
Die Verbreitung von Kokain seit Anfang der 90er Jahre ist deshalb im
Zusammenhang mit der Methadonbehandlung zu betrachten. Eine Ausweitung kann
auch in Zukunft immer wieder zu diesen Effekten führen (vgl. auch Klostermann u.a.
1996).
Ganz wesentlich für den weiteren Umgang mit Crack ist die öffentliche und auch
fachliche (Drogenhilfepraxis und Wissenschaft) Diskussion über Crack. Mehrere
AutorInnen haben für die USA auf die negativen Konsequenzen und die
sozialpsychologische Funktion einer Crack-Panik als symbolisches Politikvorhaben
und
Dämonisierungskonstrukt
hingewiesen
(Reinarman/Levine
1997).
Degkwitz/Verthein (2001, 174) schätzen die Möglichkeit eines Transfers dieser
Politik gegenüber Crack-KonsumentInnen in unsere Gesellschaft als gering ein: „Es
gibt in der Bundesrepublik bzw. in Europa keine mit den USA vergleichbare soziale
und politisch-ideologische Konstellation. So fehlen etwa als Resonanzboden der
Seite 26
Panik extreme Armut und Rassentrennung.“ Trotzdem betrachten sie den
gesellschaftspolitischen Hintergrund in Deutschland als durchaus empfänglich für
„dysfunktionale Bewältigungsmuster (auf personal wie sozialer Ebene)“ mit Hilfe von
psychotropen Substanzen – vor allem Kokain/Crack. Entscheidend ist eine
Versachlichung der gesamten Debatte, eine Fundierung der Diskussion mit
rationalen Mitteln.
Das BKA (2001a) stellt fest, dass bis auf wenige Ausnahmen, Crack-Delikte im Jahre
2000 in nur zwei Bundesländern ermittelt wurden: Hamburg und Hessen. D.h. von
polizeilicher Seite besteht die Einschätzung, dass nach wie vor Crack-Konsum
(abgesehen von einigen „Beschaffungsfahrten“) sich in den beiden Metropolen
Hamburg und Frankfurt abspielt15. Auch die vom BKA (2001a, 9) präsentierten
Zahlen sog. Rauschgifttote (2.030 im Jahre 2000) sind ein Indiz dafür, dass der
Konsum vor allem auf die beiden Städte konzentriert ist: „Bei sieben Toten war
Crack überdosiert oder durch Mischintoxikation zusammen mit anderen
Rauschgiften todesursächlich. Jeweils drei Todesfälle wurden in Hessen (zwei davon
in Frankfurt/M.) und in Hamburg registriert“.
Was sind die Gründe für die Konzentration des Crack-Handels und –Konsums
weitgehend auf diese beiden Städte? Die vier wichtigsten Überlegungen sind ohne
Zweifel:
•
Strategische Verkehrslage: Die große Bedeutung der See- und Flughäfen in
Hamburg und Frankfurt. Hamburg mit dem größten Seehafen und Frankfurt
mit dem größten Flughafen Deutschlands scheinen eine besonders günstige
Verkehrslage für Einfuhr und unmittelbare Weiterverbreitung zu bieten.
Möglicherweise bieten auch andere Verkehrsknotenpunkte (wie große
Bahnhöfe mit Drogenszenen in der Nähe, z.B. Hannover) gute
Voraussetzungen für eine Entwicklung der Angebotsseite
•
Große Drogenszenen: Beide Großstädte besitzen große (offene)
Drogenszenen, in denen der Kokainhandel und –konsum bereits seit
mehreren Jahren eingeführt und verbreitet war, bevor crack auf den Markt
kam. Es existieren also entwickelte Märkte, in denen sich Angebot und
Nachfrage organisieren können. Die Drogenszenen sind sichtbar für die
Angebotsseite, die Verkaufssituation ist so unübersichtlich, daß sie von der
Polizei nicht mehr kontrollierbar ist.
•
Gut organisierte Angebotsseite: In beiden Städten haben sich spezifische
Angebotsstrukturen entwickelt, die offenbar über gut funktionierende
Händlernetze verfügen, die extrem gut organisiert sind. Denn der Kokain/crack-handel erfordert aufgrund spezifischer Qualitäten von crack (geringe
Haltbarkeit an der Luft) besonders gut ausgebaute Verkaufsnetze. Laut BKA
(2001, 1) wird der Handel mit Crack von Schwarz- und Nordafrikanern
dominiert. Möglicherweise haben sich entsprechende Infrastrukturen zum
Crack-Verkauf in anderen deutschen Städten (noch) nicht gebildet.,
15
Selbst in Niedersachsen wurden insgesamt nur 2 Fälle bekannt, wobei von Drogenhilfe-ExpertInnen
die Verbreitung von rauchbarem Kokain in der Drogenszene bereits seit mehreren Jahren berichtet
wird.
Seite 27
•
Ökonomische Vorteile: Da Kokain – Konsum seit 90er in Europa ausdehnt, ist
es möglich dass der lukrative Markt mit Crack sich ebenfalls ausdehnt. Dieser
wird durchgeführt von mehreren Gruppen, die den Kleinhandel organisieren
und persönliche Risiken der Inhaftierung, Abschiebung eingehen können.
Voraussetzungen: Kokainkonsum trifft auf verelendete Szene, für die Crack
attraktiv ist.
Abschließend kann vermutet werden, dass sich im Gefolge des sich ausbreitenden
Kokainkonsums auch der Crack-Markt weiter ausdehnen und damit auch der CrackKonsum zunehmen wird. Die Crack-Produktion und –Verkauf stellt offenbar einen
ökonomisch lukrativen Geschäftszweig dar. Das Bundeskriminalamt vermutet, dass
es sich in Deutschland um einen noch ungesättigten Markt handeln könnte, den die
Angebotsseite in Zukunft bedienen wird (BKA 2001, 15).
Seite 28
4
Beratungs- und Behandlungsnotwendigkeiten und -angebote
Das Drogenhilfesystem, auf MischdrogenkonsumentInnen (Opiate, Benzodiazepine,
Alkohol) spezialisiert, wird seit einigen Jahren zusätzlich mit dem Phänomen eines
zunehmend alltäglich gewordenen Kokain- und Crack-Konsums ihres Klientels
konfrontiert. Das wirft mehrere Fragen auf:
•
Welche neuen Anforderungen an das ambulante und stationäre
Suchtkrankenhilfesystem entstehen angesichts der Verbreitung von Kokain/Crack-Konsums? Ist das Hilfesystem auf die Anforderungen, die sich durch
Crack-Konsum ergeben adäquat vorbereitet, oder müssen Modifizierungen
vorgenommen werden?
•
Müssen ‚Spezialangebote‘ entwickelt werden, oder können integrative
Hilfeangebote gemacht werden?
•
Ist das in Frankfurt und Hamburg festgestellte Aggressionspotential auf die
besonderen Umstände des Crack-Konsums zurückzuführen, ist es ein
inhärentes Potential des Pharmakons „Crack“, oder/und eine Folge der
Konsumumstände und den Konsummustern? Warum wurde das nie in
Zusammenhang mit Kokain festgestellt? Welche Rolle spielen Dynamiken
einer
Sich-Selbst-Erfüllenden-Prophezeiung‘?
Haben
sich
CrackKonsumentInnen einen Habitus zugelegt, der egoistisch-aggressiven
Auftretens, der – solange keine Grenzen gezeigt oder auch auf die Einhaltung
gepocht wird – sich rücksichtslos in einer Einrichtung nach dem „Recht des
Stärkeren“ durchsetzen kann?
In Frankfurt wurde darauf verwiesen, dass das Phänomen eines zunehmenden
Crack-Konsums vor allem auf ein niedrigschwelliges Drogenhilfesystem trifft, das
sich als überfordert und ausgebrannt erlebt. Während die erste Generation von
DrogenhilfemitarbeiterInnen eher in den Leitungsebenen arbeiten, treffen junge und
motivierte MitarbeiterInnen of tauf festgefahrene Strukturen, die demotivierend sind
und zu einem Gefühl des Ausgebrannt-Seins führen können.
•
16
Für Hamburg ist eine stärkere Vernetzung bestehender Angebote angedacht.
Eine „Sonderbehandlung“ für ausschließliche ‚Crack-KonsumentInnen wird
abgelehnt. Hauptaufgabe sei die Konsumenten überhaupt zu erreichen, was
schwierig ist angesichts des hektischen und hochmobilen Lebensstils. Wenn
zusätzliche Angebote, dann sollten sie den Charakter von Kontrapunkten zur
erlebten
Drogenwirkung
aufweisen:
Tagesruhebetten,
Akupunktur,
Substitutionsbehandlung, (wenn schon Opiatkonsum nebenbei besteht, um
Kontakt zum medizinischen Hilfesystem herzustellen), niedrigschwellige
Überlebenshilfen,
Übernachtungsund
Wohnmöglichkeiten
(Krisenwohnungen
mit
ambulanter
Betreuung),
Entzug
(sofort!),
Basisversorgung
und
Weitervermittlung
in
stabilisierende
und
ausstiegsorientierte Angebote16.
vgl. auch die Forderungen des „Fachausschusses Drogen“ der Hamburgischen Landesstelle gegen
die Suchtgefahren‘ v. 15.2.2001
Eine medikamentengestützte Suchtbehandlung, die zur Verminderung des
Suchtdrucks führen könnte, gibt es im Gegensatz zu anderen Drogen bei Kokain und
Crack nicht.
Von mehreren Gesprächspartnern wird betont, dass der Ton im Umgang mit den
Crack-KonsumentInnen in der Einrichtung vor großer Bedeutung ist. Erwartungen
eines aggressiven Verhaltens können zu Prozessen „Sich-selbst-erfüllenderProphezeiung“ führen: „Wiederum stellt sich hier die Frage, ob die
Befindlichkeitsveränderungen kausal auf den Stoff zurückgeführt werden können,
oder ob dieser nur eine Triggerfunktion für das Ausleben von Aggressionen hat“
(Vogt/Schmid/Roth 2000, S. 11). Die AutorInnen weisen zurecht auf die schlechte
Gesundheitssituation und die erlebte Hetze, Schlaflosigkeit und geschwächte
körperliche Verfassung hin, die allgemein zu einer desolaten Lage psycho-sozialen
und gesundheitlichen Lage führen. Thane (2001) weist auf die häufigen Streits beim
Kauf (nach Augenmaß) von Crack hin, wo Käufer „gelinkt“ werden, Aggressionen
aber nicht auf den Verkäufer richten können, sondern in der Szene ausleben. Zudem
scheinen Konsum –und Lebensbedingunen für das Wirkungsempfinden und das
Maß an Aggression von großer Bedeutung zu sein. Deshalb scheint es wichtig zu
sein, de-eskalierend auf die KonsumentInnen zuzugehen.
Trotz der von mehreren ExpertInnen geschilderten Aggressionsdurchbrüche von
DrogenkonsumentInnen meldet die Polizei Hamburgs etwa, dass noch kein Übergriff
eines Crack-Konsumenten auf Polizeibeamte stattgefunden hat. Dies steht auch im
Gegensatz zu amerikanischen Erfahrungen und zeigt einmal mehr, dass eine
Übertragung eines Szenarios nur bedingt möglich ist.
Im folgenden werden einige Felder von Beratungs- und Behandlungsangeboten für
die Zielgruppe der Crack-KonsumentInnen näher beleuchtet.
4.1
Prävention
Die Tatsache, dass insbesondere unter Jugendlichen, v.a. auch MigrantInnen und
Aussiedlern in beiden untersuchten Städten, aber auch Hannover (siehe Café
Connection 1999) die Bewertung von Crack als harmlose Droge, jedenfalls
harmloser als der intravenöse, existentiell als bedrohlicher empfundene Konsum von
Kokain und Heroin vornehmen, zeigt daß im Präventionsbereich differenziertere
Angebote entwickelt werden müssen. Der gewöhnlich am Anfang intermittierende
Gebrauch nährt zudem Kontrollillusionen und vermittelt leicht die Vorstellung, dass
eine Abhängigkeit nicht besteht und auch nicht eintreten wird. In diesen
Jugendgruppen ist zielgruppenspezifische und lebensweltnahe Aufklärung und
Information dringend nötig, die sowohl geschlechts- als auch kulturspezifisch
angelegt sein sollte.
4.2
Aufsuchende, ‚nachlaufende’ Sozialarbeit
Der Begriff ‚aufsuchende Sozialarbeit’ erweist sich in der Arbeit mit CrackKonsumentInnen als zu defensiv. Oftmals sind keine Wohnungen vorhanden, in
denen man die KonsumentInnen aufsuchen könnte, z.T. sind aber auch zeitlich
keine Ruhephasen und Rhythmen im Alltag erkennbar, die ein Aufsuchen
ermöglichen würden. ‚Nachlaufende Sozialarbeit’ meint hingegen, dass tatsächlich
Personen von MitarbeiterInnen des Crack-Street-Projektes in Frankfurt gesucht
werden, um Kontakte zu halten und Hilfen zu leisten.
Zwei wesentliche Erkenntnisse im Umgang mit Crack-KonsumentInnen zeigen:
•
•
Hilfen müssen individuell, in Form von Einzelfallhilfe im Rahmen einer
übergeordneten, institutionenübergreifenden Hilfeplanung, wie sie im ‚casemanagements’ durchgeführt wird (s. Kap. 4.4.8.), organisiert werden.
Erfahrungen der ambulanten ‚Crack’-Projekte ist, dass die Betreuung sehr
persönlich sein muß und dass Betreuung nicht in andere Hilfesegmente oder
Abteilungen ‚abgegeben’, sondern persönlich und durchgängig stattfinden
muß. Das heißt auch, dass mit den Bezugspersonen persönliche
Auseinandersetzungen um Versorgungsleistungen, Alltagskonflikte und
Konsumproblematiken geführt werden müssen. Insbesondere in der
Jugendhilfe ist die Erfahrung gemacht worden, dass es um ein ‚Sich-Reiben’
an anderen Personen geht, um das Setzen und Diskutieren von Grenzen um
Verantwortungsübernahme.
4.2.1 „Laufwerk“ Hamburg
Drogenszenen
–
Aufsuchende
Sozialarbeit
in
offenen
Das Projekt „Laufwerk“ – Aufsuchende Sozialarbeit in offenen Drogenszenen –
existiert in Hamburg seit 1997. Es wurde von fünf Hamburger Trägern der
Drogenhilfe gegründet (siehe ausführlich Grosche/Voges 2000, 48ff) und arbeitet
vorwiegend in der offenen Drogenszene im Hauptbahnhofsbereich. Die
ProjektmitarbeiterInnnen suchen die KonsumentInnen direkt in der offenen Szene
auf und bieten Einzelfallhilfen:
•
•
•
•
•
Information
Beratung
Krisenintervention und Soforthilfe
Safer-use und Gesundheitsberatung
Vermittlung und Begleitung
Das Büro von Laufwerk liegt 5 Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Auf der
Straße gehören Handy, Infomaterial über das Hamburger (Drogen-)Hilfesystem,
Handgeld und einem Beatmungsbeutel zur Ausstattung der SozialarbeiterInnen.
„Ausstiegsorientierte Sozialarbeit in offenen Drogenszenen bedeutet für uns nicht
zwingend den sofortigen Weg in eine Therapieeinrichtung, sondern generell eine
Verbesserung der aktuellen Lebensumstände ... Ein Ziel unserer Arbeit ist es,
Alternativen zum Leben auf der Szene vorzustellen, um dann gegebenenfalls in
geeignete weiterführende Einrichtungen vermitteln zu können“ (S. 50).
Hervorgehoben wird bei dieser Arbeitsmethode „punktgenau“ auf die Hilfebedarfe
der Crack-KonsumentInnen eingehen zu können und „... über den bloßen Kontakt
hinaus unter anderem in Beratungs-, und Betreuungseinrichtungen, Arbeitsprojekte,
Übernachtungs- und Übergangseinrichtungen, Wohnprojekte oder Entgiftungen zu
vermitteln“ (Grosche/Voges 2000, 53).
Das Projekt verfügt über 6 Stellen – allerdings ist im Gegensatz zum Crack-StreetProjekt in Frankfurt (s.u.). die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe hier nicht mit
vertreten, womit eine ähnliche Interdisziplinarität wie beim CSP nicht gegeben ist.
Das Fazit der aufsuchenden Sozialarbeit mit dem Angebot individueller Hilfen von
„Laufwerk“ nach 3 Jahren lautet, dass diese Arbeit dazu beigetragen hat,
unmittelbare Hilfen und Weitervermittlungen zu eröffnen (v.a. auch Substitutions-,
Entzugs- und Wohnplätze) und eine Anbindung an das Hilfesystem mit der
Zielsetzung von harm-reduction zu ermöglichen.
4.2.2 Crack Street – Projekt Frankfurt17
In Frankfurt am Main gibt es seit 1997 ein spezielles trägerübergreifendes und
interdisziplinäres Hilfeprojekt, ein Kooperationsprojekt von Trägern der Drogen- und
AIDS- und Jugendhilfe. Es handelt sich um ein klassisches Streetwork-Projekt mit
der besseren Charakterisierung ‚nachlaufende Sozialarbeit’. Mehrere KollegInnen
unterschiedlicher Disziplinen (s.o.) mit jeweils einer 15-Std.-Stelle und zweimal einer
halben Stelle (19,25 Std.) kontaktieren auf der Straße jugendliche und ältere CrackKonsumentInnen. Die MitarbeiterInnen haben jeweils volle Stellen und arbeiten in
den entsprechenden Hilfeprojekten der Träger. Die Arbeitszeit auf der Straße
entspricht dabei der Hilfegewährung/-organisation in den jeweiligen Hilfeprojekten.
So ist eine persönliche ‚durchgehende’ Betreuung und Anbindung gewährleistet.
Anknüpfungspunkt ist oftmals der Koffer des/der Ärztin, der medizinische Hilfe
signalisiert. Unmittelbare Hilfe für die KonsumentInnen ist von einer großer
Bedeutung, der unmittelbare Kontakt zu dieser Gruppe erfolgt über ‚Türöffner’,
Personen, die einen direkten und vertrauenswürdigen Kontakt zu anderen
KonsumentInnen in dieser Szene haben.
In dieser Phase der Hilfegewährung wird versucht Kontakt zum Sozialarbeiter
herzustellen und der oft desolate gesundheitliche Zustand (v.a. Verelendung,
Unterernährung, TBC in mehreren Fällen) angesprochen und Hilfe angewendet
werden. Essen und weitergehende Versorgungen (unmittelbare Hilfen:
Übernachtungsplätze vermitteln etc.) sind Ziel des weiteren des Kontaktes. Aber
zunächst einmal und vor allem beim Erstkontakt wird hier versucht, Vertrauen durch
einen persönlichen, direkten Kontakt zu den betroffenen Klienten herzustellen, die
zum größten Teil noch jung sind und ohne feste soziale Kontakte. Es wird versucht,
unbürokratische und flexible Hilfen in Abstimmung mit der Jugendhilfe zur Verfügung
zu stellen und Entzugsbehandlungen anzubieten und zu unterstützen. Bester
Zeitpunkt für die Ansprache ist die Phase unmittelbar nach dem Konsum.
Erschwert wird die weitere Betreuung und Wiederauffindbarkeit immer wieder durch
den hohen Bewegungsdrang und die hohe Mobilität der KonsumentInnen.
Die Sozialarbeiter leisten auch eine Ämterbegleitung, Besuche im Krankenhaus und
eine soziale Hilfeplanung nach KJHG. Gute Erfahrungen wurden dabei mit der
Akupunkturbehandlungen gemacht, die zu einer Verringerung des Verlangens nach
Crack geführt haben. Angestrebt wird ein generelles ‚Ruhiger – Werden’, der
‚Suchtdruck’ soll verringert werden.
Die Hilfe ist stark einzelfall-orientiert und sehr aufwendig. Dennoch konnte in 40 bis
50 Fällen ein Kontakt mit einer eine intensiven Betreuung hergestellt werden.
Interdisziplinarität in der Kooperation hat sich als sehr wichtig erweisen: Malteser,
AIDS-Hilfe, Kommunale Kinder-, Jugend- und Familienhilfe organisieren (WALK
MAN) nicht nur die Unterbringung in Hotels (für Jugendliche und junge Erwachsene),
sondern können Jugendliche auch wieder in die Herkunftsgemeinden bringen. Vor
allem aber werden die drei relevanten Hilfebereiche in einem Projekt vor Ort bereits
aufeinander abgestimmt und Hilfebedarf wird nicht von oben in einer bürokratischen
17
Vgl. insgesamt die Projektübersicht und –analyse bei Roth 1999
Form zwischen den Hilfeträgern geplant. Durch ein gemeinsames Auftreten aller drei
relevanter Hilferessorts wird Hilfe eher ganzheitlich wahrgenommen, Grenzen der
einzelnen Ressorts verschwinden und damit auch ein Stück Mißtrauen. Martin
Dörrlamm von WALK MAN (1999) beschreibt die Beziehung zu den Jugendlichen
und Heranwachsenden als durch viele Beziehungsabbrüche gekennzeichnet:
Sowohl mit den Herkunftsfamilien, als auch den Institutionen der Jugendhilfe: „Das
wesentliche Kennzeichne im Umgang mit dieser Klientel ist denn auch die
Einforderung von stabilen Beziehungen und die Einforderung der Helfer als
kongruente Personen in dieser Beziehung. Nur der direkte persönliche Zugang und
auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene Hilfen ermöglichen eine grundlegende
Veränderung der Lebenssituation.“ (Dörrlamm 1999, 3).
Die psychiatrische Anbindung in der Schielestr. (der Malteser) hat sich als sehr
wichtig erwiesen.
Zum großen Teil sind die KonsumentInnen den im ‚CSP’-Projekt vereinten jeweiligen
Hilfeträgern bereits bekannt:
•
•
•
Jugendliche, dem Jugendamt
Substituierte, den Maltesern
Polytoxikomane DrogenkonsumentInnen, den MitarbeiterInnen von ‚La
Strada’.
Schwierig ist oft, dass KlientInnen aufgrund des Kokain-/Crackkonsums bereits aus
Substitutionsbehandlungen
ausgeschlossen
wurden,
eine
Tatsache
die
Neuvermittlungen wieder problematisch macht.
Die MitarbeiterInnen von CSP gehen davon aus, dass es auch bei Crack so etwas
wie einen ‚kontrollierten’ Konsum gibt, etwa „Monats-Cracker“, die noch über soziale
Anbindungen verfügen und sei es durch Geldknappheit oder andere soziale
Umstände am weiteren Konsum gehindert werden.
4.3
Harm reduction
Der Konsum rauchbaren Kokains stellt in vielerlei Hinsicht ein enormes
gesundheitliches und soziales Risiko dar. Gleichwohl vollzieht er sich intermittierend,
in Phasen mit Pausen nach Erschöpfungs- und Zusammenbruchereignissen oder
institutionellem Handeln (Gefängnisauftenhalt, stationärer (Teil-)Entzug). Ein
ständiges, in jeder Hinsicht enorm belastendes Auf und Ab zwischen Rausch und
Entzug, Euphorie und Dysphorie (erst „flash“ dann „crash“), Selbstkontrolle und
Kontrollverlust. Für die Drogenhilfe kommt es im wesentlichen darauf an, die
KonsumentInnen in diesen Phasen zu unterstützen, zu ihnen Kontakt herzustellen,
zu halten, dazu beizutragen, diese längere Periode ohne irreversible Schäden zu
überstehen. Schadensminimierende Hilfen sind bereits entwickelt worden. Im
folgenden werden einige kurz vorgestellt und diskutiert.
4.3.1 Konsumräume
Die Konsumräume gewähren den DrogenkonsumentInnen nur in Hamburg ein
kleines Angebot von Rauchplätzen. Dies seht vor allem in den frauenspezifischen
Angeboten der Konsumräume und Kontakt- und Anlaufstellen für Prostituiere zur
Verfügung (Café Sperrgebiet und Ragazza). Dies hat mehrere Gründe:
•
•
•
z.T. Ausdruck ordnungsrechtlicher Überlegungen, weil bei CrackKonsumentInnen Konsum und Handel sehr schnell ineinander übergehen und
für MitarbeiterInnen das Handelsverbot in den Konsumräumen nur schwer
durchsetzbar ist und alle Aufmerksamkeit bindet.
Zudem wird durch Crack-Konsum auch eine erhebliche Unruhe und oftmals
Aggressivität der KonsumentInnen untereinander in diese Angebote getragen,
z.T. aber auch Ausdruck der Bemühungen, den Gesundheitsschutzinteressen
der MitarbeiterInnen Rechnung zu tragen. Überhaupt erfordert das Rauchen
von Drogen (Heroin, Crack) besondere technische Voraussetzungen
(Rauchabzugsanlagen).
In den Frankfurter Konsumräumen erlaubt die rechtliche Basis kein Crack-Rauchen.
Auch das Auskratzen der Pfeifen als konsumvorbereitende Handlung wird nicht
toleriert. Trotzdem findet zumindest letzteres immer wieder statt. Klee (2001) hält die
Einrichtung von speziellen Rauchplätzen für überlegenswert, wenn der rechtliche
Rahmen dies erlaubt.
Übersicht über Konsumräume und Konsumbedingungen in Deutschland (Tabelle 8)
Einrichtung
Träger
Standort
Drob Inn
Jugendhilfe e.V.
Hamburg St. Georg
Fixstern
Freiraum e.V.
Hamburg Sternschanze
Abrigado
Freiraum e.V.
DroBill
Kodrobs
Stay Alive
Café Drei
Hamburg –
Harburg
Steps, Drogenhilfe Hamburg –
Bremen
Billstedt
Jugend hilft Jugend Hamburg –
e.V.
Ottensen
Hamburg Jugendhilfe e.V.
St. Pauli
Drogenhilfe
Eimsbüttel
Hamburg Eimsbüttel
Hamburg St. Georg
Frankfurt –
La Strada
Aids Hilfe Frankfurt Mainzer Landstraße 93
Jugendberatung
Frankfurt –
Drogennotdienst und Jugendhilfe
Elbestraße 38
e.V.
Verein Arbeits- und Frankfurt East Side
Erziehungshilfe
Schielestraße
Ragazza e.V.
Ragazza e.V.
Anzahl der Konsumplätze
3 Rauchplätze
7 i.v. Plätze
3 Rauchplätze. (Derzeit kein
Crack-Konsum erlaubt)
6 i.v. Plätze
4 Rauchplätze
4 i.v. Plätze
1 Rauchplatz
6 i.v. Plätze
5 i.v. Plätze
Öffnungsstd. Durchschnittliche Besucherzahl
pro Woche
pro Tag
600-700 Kontakte. Ca 200-300
47,5
Individuen. Ca 50% nutzen den
Konsumraum
45
100-150
33
79
30
Ca. drei Konsumenten am Tag,
steigende Tendenz
36
40-60
2 Rauchlätze
36
6 i.v. Plätze
6 i.v. Plätze für Männer, 2 i.v.
Plätze für Frauen. Höchstens 7
30
Konsumvorgänge gleichzeitig.
Frauen haben Vorrang.
2 Rauchplätze
24
6 i.v. Plätze
35-36, seit August steigend
7 i.v. Plätze
60,5
150
8 i.v. Plätze
126
250
8 i.v. Plätze
30
30-50
100
30-40 grobe Schätzung
Einrichtung
Träger
Standort
Anzahl der Konsumplätze
Öffnungsstd. Durchschnittliche Besucherzahl
pro Woche
pro Tag
24-26
Konsumraum
Niddastraße
Drop In –
Fixpunkt
Integrative
Drogenhilfe
Frankfurt 12 i.v. Plätze
Niddastraße 49
Hannover Step (Paritätischer
Hamburger Allee 11 i.v. Plätze
Wohlfahrtsverband)
75
Drogenhilfezentrum
Saarbrücken
Saarbrücken –
Brauerstr. 39
INDRO e.V.
INDRO e.V.
Münster
Bremer Platz 18- 4 (max. 6) + 1 Raucherraum18
20
18
Bisher kein Crack-Konsum in Münster beobachtet
20 i.v. Plätze
105
350-450 Konsumvorgänge
34
130-170
63 (7 x 9)
ca. 500 Konsumvorgänge; von ca.
200 Besuchern des DHZ nutzen
ca. 2/3 den Druckraum (der Rest
ist v.a. wegen Substitution
ausgeschlossen)
27
40-60
Sind Konsumräume so wie sie bestehen eine Form der Hilfe für CrackKonsumentInnen? Wie obige Tabelle zeigt, sind Rauchplätze nur in einigen
Hamburger Konsumräumen vorgesehen, aber praktisch nicht von großer Bedeutung.
In Frankfurt wird kein Konsum von rauchbarem Kokain geduldet. Fraglich ist noch,
wie die Landesverordnung Hessens mit diesem Problem umgehen wird.
Konsumräume sind bei Crack anders als bei i.v. Heroin-/Kokainkonsum zunächst
nicht offensichtliche Räume der Hygienevermittlung. Safer use – Regeln (siehe
nächstes Kapitel) sind auf wenige Botschaften reduziert und könnten auch
anderweitig vermittelt werden. Konsumräume in der gegenwärtigen Form wären
auch nicht vorbereitet auf das Tempo, die eingebrachte Aggressivität und die hohe
mögliche Frequenz bei Crack-KonsumentInnen. Der Konsum und die
Vorbereitungen des Konsum erfordern wenig Vorbereitungen: eine windgeschützte
Ecke und Pfeife und Kratzer sind die denkbar einfachsten Voraussetzungen für
einen schnellen Konsum.
Gleichwohl wird auch in anderen Szenen ein Konsumraum z.T. von den Betroffenen
gefordert. Im Amsterdamer Stadtteil Bijlmer, wo eine große Szene von Freebase/Crack-RaucherInnen existiert, wird dies und ein Tagesauffang mit
Essensmöglichkeit von der Betroffenengruppe selbst gefordert (Boekhout van
Solinge 2001, 93).
Bei
den
Konsumräumen,
so
Josh
Steinmetz
(2001),
werden
Ermüdungserscheinungen des Systems deutlich, die Pioniermentalität ist vorüber,
auch als Pionierthema ist es von den vorderen Rängen der Diskussion innovativer
Drogenhilfe verschwunden und statt dessen machen sich z.T. burn-out-Phänomene
bei den MitarbeiterInnen bemerkbar. Zudem ergeben sich durch häufige Übergriffe
z.T. auch auf MitarbeiterInnen Notwendigkeiten, die Einrichtungen zu verteidigen
oder zu schließen.
Ob es aber explizite Räumlichkeiten zum Crack-Konsum geben sollte, darüber
bestehen geteilte Ansichten.
4.3.2 Safer-Use Materialien
Die folgenden Print-Medien sind für die Zielgruppe von Crack-KonsumentInnen
bereits erarbeitet worden:
1. Crack, Steine, Splitter, Base, Rocks, Supercoke – Alles dasselbe?
Zielgruppe: Crack-GebraucherInnen
Inhalt:
Stoffinformationen, Risiken, Safer Use, Notfallhinweise und Crack
Konsumtabus
Hrsg.:
jugend hilft jugend e.V. Hamburg
2. Safer-Use-Tipps zu Crack
Zielgruppe: Crack-GebraucherInnen
Inhalt:
Aufklärung über Gesundheitsschädigungen, Stoffinformationen, Risikovermeidung, Safer Use und Crack Konsumtipps,
Hrsg.:
DROB INN (Jugendhilfe e.V. Hamburg, in Zusammenarbeit mit
Laufwerk)
3. Coca, Kokain, Crack
Zielgruppe: Berater, Betroffene, Interessierte
Seite 37
Inhalt:
Hrsg.:
Pharmakologie, Wirkung und Geschichte des Kokains, Risiken, Motive und Umgang mit KonsumentInnen
Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle gegen die
Suchtgefahren e.V.
4. Safer Use von Kokain und Crack
Zielgruppe: Prostitutierte
Inhalt:
Konsumformen, safer Use Tipps
Hrsg.:
HWG e.V. (Christine Drösler/Carmen Fernandez) Karlsruher Str. 5 –
60329 Frankfurt a.M.
5 Crack – Steine – Base – Baseball – Rocks – Roxanne – Supercoke: Safer Use
Zielgruppe: Crack-GebraucherInnen
Inhalt:
Aufklärung über Gesundheitsschädigungen, Risikovermeidung, Safer
Use und Crack Konsumtipps,
Hrsg.:
Stadt Frankfurt/Main, Drogenreferat
4.4
Behandlungsangebote
Ganz allgemein bezieht sich ein großer Teil der Vorschläge befragter ExpertInnen für
Behandlungsmöglichkeiten von Crack-KonsumentInnen auf Angebote, in denen der
Konsument zur Ruhe kommen kann. Der Geschwindigkeit von CrackKonsum/KonsumentInnen
sollen
entgegenlaufende
Projekte,
‚Entschleunigungsprojekte’ (Werner Heinz, jj Frankfurt), als Kontrapunkte
entgegengesetzt werden. Diese Angebote könnten Modulcharakter haben, sich
aufeinander aufbauen oder aufeinander stark abgestimmt sein, so dass
Veränderungswünsche und –bereitschaften unmittelbar und unbürokratisch und mit
geringen Wartezeiten aufgenommen werden können. Stärker noch als bei
KonsumentInnen anderer Drogen scheint es von enormer Bedeutung zu sein, ohne
Wartezeit die Hilfebedürftigen unmittelbar in Behandlungseinrichtungen zu
vermitteln.
Ganz grundsätzlich sieht Krausz (2001)
Möglichkeiten und methodische Instrumente:
•
•
•
•
vier
Bereiche
für
therapeutische
Psychosoziale Therapien scheinen am effektivsten,
kognitiv orientierte Verhaltenstherapie,
motivierende Gesprächsführung
Familien- und Netzwerkunterstützung.
4.4.1 Ambulante Behandlung: Das Beispiel KOKON in Berlin
Eine der wenigen Behandlungseinrichtungen in Deutschland mit Schwerpunkt auf
therapeutische Arbeit mit KokainkonsumentInnen stellt die Berliner Einrichtung
KOKON dar19. In einer Auswertung der Klientendaten aus den Jahren 1995-1999
(vgl. Tossmann/Götz/Tensil 2000) geben 37% der 941 Befragten Kokain als
Hauptdroge an. Der Anteil derjenigen die Kokain inhaliert oder geraucht haben liegt
dabei bei 26%. Der größte Teil der PatientInnen gibt Schnupfen (58%) an (15%
19
siehe Darstellung und Auswertung der klientenbezogenen Daten in: Tossmann/Götz/Tensil 2000
Seite 38
intravenöse Applikation). Die Forscher kommen zu dem Schluß, dass
KokainkonsumentInnen im Vergleich zu den Heroinkonsumenten sich durch eine
bessere Schul- und Berufsausbildung auszeichnen und auch eher einer
regelmäßigen eine Erwerbstätigkeit nachgehen (S.21). Sie stellen weiterhin fest,
dass Ende der 90er Jahre auch untere soziale Schichten mit dem Kokainkonsum
und zwar mit riskanten Applikationsformen begonnen haben (Rauchen, intravenös):
„Etwas verkürzt könnte man vielleicht von zwei sozialen Gruppen von
KokainkonsumentInnen sprechen, wobei in den unteren sozialen Milieus härtere
Applikationsformen wahrscheinlicher sind“ (Tossmann/Götz/Tensil 2000, 21).
Die besondere Form der ambulanten Behandlung bietet eine hohe Erreichbarkeit
von KokainkonsumentInnen und weitere Einbindung in ein in die Gesamteinrichtung
integriertes Behandlungsmodell. Insgesamt verfügt die Einrichtung über maximal 60
Therapieplätze,
finanziert
anteilig
über
das
Land
Berlin
und
die
Rentenversicherungsträger, Krankenkassen und Sozialhilfeträgern im Rahmen der
„Empfehlungsvereinbarung ambulante Rehabilitation Sucht (EVARS)“. Dabei ist die
Nachfrage für das Kokainprojekt in den letzten Jahren gestiegen (KOKON 1999, 3,
17).
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der opiat- und der kokainabhängigen Klientel
besteht in der unterschiedlichen Wahrnehmung der Kokainabhängigen im Selbstbild:
„Viele der KonsumentInnen sind jedoch bezüglich ihrer Behandlungsbereitschaft
noch sehr ambivalent und brechen ihre ersten Behandlungsversuche wieder ab ...
Dennoch ist der erste – und oft wichtigste – Schritt in Richtung Änderung gemacht:
Die Erfahrung zeigt, daß viele zu einem späteren Zeitpunkt bei uns einen zweiten –
erfolgreicheren – Anlauf nehmen. KokainkonsumentInnen pflegen bei ihrem ersten
Therapieversuch oft hartnäckig die Vorstellung, doch nicht ‚wirklich‘ abhängig zu
sein. Diese Vorstellung wird durch das Substanztypische, immer wieder
unterbrochene Einnahmemuster genährt, das die Illusion von Kontrolle über die
Einnahme stützt.
Die Struktur des Behandlungsprogramms besteht aus zwei Eingangsstufen, die nach
Präferenzdrogen differenziert werden (Opiat- und Kokainprojekt). Die beiden
Eingangsstufen werden nach 4-6 Monaten zusammengeführt und in einem
integrierten, 16-18 Monate dauernden settings weiter behandelt (KOKON 1999, 7).
Die ersten beiden jeweils 4 Monate dauernden Phasen haben zum Ziel, eine
Abstinenzmotivation aufzubauen bzw. zu stabilisieren und die erreichte Abstinenz
aufrechtzuerhalten („Rückfallprävention“). In den anschließenden beiden, jeweils 3-4
Monate dauernden, Phasen geht es um die psychosoziale Reorganisation und eine
Zukunftsorientierung mit den Zielen intra- und interpersonelle Kompetenz,
Lebensstiländerung und zufriedene Abstinenz.
Ein Nachsorgeangebot besteht aus einer Stabilisierungs- und Stützungsbehandlung
bzw. einer Auffangbehandlung für PatientInnen, die nach Abschluß der Therapie
einen Rückfall hatten (Dauer: 4-6 Monate), „um ihre Abstinenzorientierung wieder zu
stabilisieren und ihre Bewältigungskompetenz zu stärken (KOKON 1999, 4).
Schließlich finden Treffen zweier Selbsthilfegruppen in den Räumlichkeiten von
KOKON statt.
Therapeutische Grundlage bildet ein kognitiv-verhaltensorientierter Ansatz, der sich
an einem interaktionistischen Persönlichkeitsmodell ausrichtet. Dabei wird die
Person als aus psychologischen und biologischen Faktoren gebildet betrachtet. Als
Ziel der Therapie wird nicht nur eine Besserung der primären Symptomatik
Seite 39
angestrebt, sondern ebenso Verbesserungen in der Qualität der interpersonellen
Beziehungen, des Selbstwertgefühls und der Lebenszufriedenheit“ (Götz 1998, 10).
Für Frankfurt hat Werner Heinz (1998b) einen Vorschlag für ein spezifisches
Behandlungsangebot für Kokainabhängige in Frankfurt erarbeitet, in dem
Erfahrungen und konzeptionelle Überlegungen von KOKON und den Hamburger
‚Seehaus-Projekt‘ eingeflossen sind: „Das Behandlungskonzept kann auf dem
Hinterrund langjähriger suchtmedizinischer und suchttherapeutischer Erfahrungen
entwickelt und in die bestehenden Angebote des Drogenhilfezentrums optimal
integriert werden. Im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase sollen systematisch
Erfahrungen gesammelt und ausgewertet und Einrichtungen der Drogenhilfe für eine
Übernahme dieses spezifischen Angebotes zur ambulanten Abstinenztherapie bei
Kokainabhängigkeit qualifiziert werden. Die Personal- und Sachkosten des hier
vorgeschlagenen Pilotprojektes belaufen sich auf schätzungsweise DM 150 000 pro
Jahr (S. 6).“ Das ambulante Behandlungsangebot sieht 4 Module vor:
1. Basisgruppe Information und Beratung
2. Einzelberatung und Vorbereitung einer Behandlung
3. Medizinische und suchttherapeutische Unterstützung in der Entzugs- und
Cravingphase
4. Ambulante Rehabilitation
Auch Jürgen Klee (2001) plädiert für die Einrichtung eines verhaltenstherapeutisch
orientierten 12-Wochen-Programms einer ambulanten Unterstützung von ausstiegsbzw. veränderungsbereiten Crack-KonsumentInnen.
Vorbild für diesen Vorschlag könnte das „Blenheim Project“ In London sein (siehe
Kapitel 9.1.2.). Diese Hilfeeinrichtung bietet eine 12 wöchige Kompakttherapie aus
Kursen zur Rückfallprävention, Beratung allgemeiner Lebensprobleme mit
Rollenspielen und Gruppenaktivitäten an. Anschließend wird einmal wöchentlich auf
unbegrenzte Zeit eine individuelle Nachsorge angeboten.
4.4.2 Ohr-Akupunktur
Welche Bedeutung Ohr-Akupunktur in der Behandlung von Crackkonsumenten
haben kann wird von ExpertInnen aus Wissenschaft, Praxis und Suchtadministration
unterschiedlich beurteilt. Von den einen wird dieser Behandlungsform eine große
Bedeutung zugeschrieben, wonach sie schon an sich einen Veränderungswunsch
initiieren, zumindest aber ‚Überlegung’ (im Stadium der ‚contemplation’ nach
Prochaska/DiClemente
1986)
fördern
könnte.
Als
Bestandteil
eines
Entschleunigungskonzeptes, als integraler Bestandteil eines umfassendenden
Konzeptes mit aufeinander bezogenen Bausteinen könnte Akupunktur jedoch eine
nicht unbedeutende Rolle zur Milderung der Entzugssymptomatik spielen:
-
Zur Unterstützung des ambulanten Entzugs
Zur Unterstützung des selektiven Entzugs
Zur Stabilisierung der Abstinenz (vgl. Heinz 1999).
Von der Suchtakupunktur kann ein Beitrag im Rahmen eines differenzierten
Hilfeangebots erwartet werden. Der Akupunktur mit niedrigschwelligem Zugang (vgl.
Degkwitz/Verthein 2001, 176) kommt die Bedeutung einer Anbindungsmöglichkeit
Seite 40
zu, eines ersten, ernsten Kontaktes, der für die Information über weitergehende
therapeutische, rechtliche Hilfen bzw. Basisversorgung genutzt werden kann. Vor
dieser verminderten Erwartung kommt der Suchtakupunktur die Bedeutung eines
„kleinen Schrittes“ in Richtung Ansprache und Anbindung zu (Klee 2001; vgl. auch
Roth 1999, 51) und rechtfertigt auch den weiteren Ausbau und die Einbindung von
Akupunktur in die niedrigschwellige Hilfe. Klee plädiert für ein 12-Std. Dauerangebot
von Akupunktur. Dies wird auch von Herbert Villhauer 2001 gefordert mit dem Zusatz
ambulante Akupunktur für KonsumentInnen auf der Straße anzubieten (ggf. mit
Liegen), um eine möglichst große Reichweite zu ermöglichen.
Zu prüfen wird sein, wie sich die Nachfrage nach diesem Angebot verhält – und
würde dieses Angebot in und anhand der Praxis prüfen lassen. Dieses Angebot
sollte wissenschaftlich begleitet werden.
Akupunktur wird als kassenfinanzierte Leistung in der Suchttherapie nicht finanziert.
Ähnlich wie der Methadonvergabe (‚Hamburger Vertrag‘) ist die Drogenbeauftragte
Hamburgs Christina Baumeister, der Meinung, dass die öffentliche Hand hier nicht
vorgreifen
und
vorfinanzieren
sollte,
sondern
Akupunktur
als
Regelversorgungsangebot in der Suchtmedizin ein wirksames Mittel ist, das von den
Krankenkassen finanziert werden sollte. Allenfalls kann es deshalb in Hamburg nur
ein Modellprojekt geben, das mit Begleitforschung die Wirksamkeit dieser
Behandlungsmethode überprüfen soll. Die Ergebnisse sollten den Krankenkassen
zur erneuen Überprüfung wieder vorgelegt werden.
Im Rahmen der bisherigen Praxis (über §37 BSHG Krankenversorgung) war eine
Akupunkturbehandlung im ambulanten Rahmen möglich für Sozialhilfeempfänger.
Im stationären setting ist ihre Finanzierung über Pflegesätze mit den Krankenkassen
bzw. Rentenversicherungsträgern geregelt und möglich.
Die Ohrakupunktur im Rahmen einer ambulanten Suchthilfe kann im
Delegationsverfahren auch von anderen Professionen psycho-sozialer und auch
medizinische Bereiche durchgeführt werden. Die Diagnose muß natürlich vom Arzt
gestellt werden. Die Geeignetheit des durchführenden Personals ist jeweils vom
behandelnden Arzt im Einzelfall zu prüfen.
4.4.3 Ruhe- und Rückzugsräume
Rückzugsräume, ob bei Tag oder Nacht stellen eine Möglichkeit für CrackKonsumentInnen dar, in Erschöpfungszuständen auszuruhen und zur Ruhe zu
kommen (Chill Out – Räume und Tagesruhebetten).
Tagesruhebetten sind in Frankfurt unmittelbar an die Träger niedrigschwelliger
Drogenhilfe gekoppelt, insofern ergibt sich eine schnelle Vermittelbarkeit in diese
und in weiterführende Hilfeangebote.
Diskutiert wird auch die Einrichtung von Tagesruhebetten im Hamburger Stadtteil St.
Georg, wo beruhigende Maßnahmen zur Verfügung stehen und wo Ruhe wieder
erlebt werden kann. Diese Räumlichkeiten bieten Möglichkeiten für eine beraterische
oder therapeutische Hilfe, weil hier ein Zur-Ruhe-Kommen erreicht wird. Heinz
(1999) hält dies für eine Möglichkeit, Angebote ärztlicher und sozialtherapeutischer
Beratung, kurzfristiger Vermittlung in weiterführende medikamentengestützte
ambulante oder stationäre Behandlung und Akupunktur zu leisten.
4.4.4 Entzug
Im Rahmen starker kommunaler Vernetzung sollten schnell und unbürokratisch
erreichbare Entzugsbetten zur Verfügung stehen, um Crack-KonsumentInnen, wenn
Seite 41
sie Veränderungs- bzw. Ausstiegswünsche formulieren, schnell und zeitnah zu
Beratungsgesprächen helfen zu können. Der Träger JJ in Frankfurt hat sogar eine
institutionelle
Verschränkung
von
ambulanter
Leistung
(in
der
Substitutionsambulanz) und Entzug über die Einstellung eines Arztes, der in beiden
Bereichen arbeitet, hergestellt. Heinz (1999,2) ist der Auffassung, dass eine
Unterbrechung der Konsumphase durch „Time Out“ hergestellt werden kann. „In der
Regel kann dieses „Time Out“ nur durch Einweisung in stationäre selektive
Entgiftung erreicht werden. Die Bereitschaft zur stationären Entgiftung ist schwer
herzustellen“.
Möglicherweise
ist
eine
Motivation
in
bestimmten
Erschöpfungszuständen zu erreichen, wenn eine Entgiftung sehr kurzfristig
eingeleitet werden kann. Die Probleme sind dabei auftretende Wartezeiten und eine
ggf. hohe Abbruchrate, vor allem in den ersten 3 Tagen. Zum Teil werden Time-OutPhasen durch äußere Umstände erzwungen (Stationäre Krankenhausbehandlung,
Aufenthalt im Gefängnis) und kann dann fortgesetzt werden.
Heinz (1999, 3) fordert eine Anpassung der stationären Entzugsmöglichkeiten an die
Veränderungen angesichts des vermehrten Konsums von Kokain und Crack:
„Stationärer
Entzug
von
Kokain/Crack
muß
zwischen
verschiedenen
Konsumentengruppen differenzieren
a) Polytoxikomanie – ggf. substituierte Opiatabhängigkeit mit sekundärer Kokain/Crackabhängigkeit
b) Primäre Kokain-/Crackabhängigkeit.
In jedem Fall sind zunächst Ruhe- und Rückzugsbedarf der Abhängigen zu
berücksichtigen/Rekreationsphasen zu ermöglichen. Primär Kokain-CrackAbhängige
suchen
nach
Überwindung
der
ersten
Crash-Phase
Aktivierung/Orientierung, Informationsgruppen zu Dynamik und Wirkungsweise der
Kokainabhängigkeit sind indiziert; Information über charakteristische Konsummuster
(Binges) etc.“
4.4.5. Psychiatrische Sprechstunde und Akutinterventionen
Klee (2001) berichtet vom Erfolg einer psychiatrischen Sprechstunde im Angebot La
Strada/AIDS-Hilfe Frankfurt, wo eine Fachärztin aus dem Bürgerhospital in Frankfurt
in der Konsiliarpsychiatrie beschäftigt ist. Hier werden seelische Notstände (wie
Psychosen, Suizidalität) aufgenommen und es erfolgen entsprechende Beratungen.
Diese niedrigschwellige Anlaufstelle kann als Grundlage psychiatrischer
Akutinterventionen bei psychischen Problemen (Phobien, Wahn) sowohl während
des Konsums, als auch in den Zwischenphasen genutzt werden (depressive Phasen;
vgl. Degwitz/Verthein 2001, 176).
4.4.6. Wohnangebote
Wohnen, und vor allem betreutes Einzelwohnen soll einen Abstand zur
Drogenszenen schaffen, einen Ort bieten an dem entspannt werden kann. Einige
befragte Personen machen den Vorschlag Wohnungen anzumieten, möglicherweise
auch in Form von Wohngemeinschaften einzurichten, die eine Rückzugsmöglichkeit
und Beruhigung darstellen könnten.
Unterschiedliche Konzepte gibt es über die Formen und Intensität der Betreuung,
sowohl in medizinischer, als auch in sozialarbeiterischer Sicht. Grundlage für den
Seite 42
Einzug in solche Wohnung könne die Substitution darstellen. Werner Heinz sieht in
den gegenwärtigen drogenfreien Therapien klassischen Stils die Qualität früherer
Wohngemeinschaftsformen von drogenfreien therapeutischen Gemeinschaften
verloren, die weniger professionell geführt und begleitet, als vielmehr den Anteil von
Selbsthilfe als Lebens- und Wohngemeinschaft betont haben. Er denkt darüber noch
dass die Anwesenheit/Bereitschaft eines Mediziners in diesem stationären
Krisenzentrum eine große Bedeutung erhält. Hier kann ggf. auch ein Entzug
durchgeführt oder vermittelt werden. Zu denken ist auch daran, dass andere
Entzugsformen mit innovativen Möglichkeiten (wie z.B. CIKADE, siehe Heudtlass
1997) eingerichtet werden.
Die MitarbeiterInnen des CSP-Projektes in Frankfurt würden ein Modell des
ambulante betreuten Wohnens mit einer Form von mobiler Betreuung favorisieren.
Denkbar wäre die Anmietung von 3-4 Wohnungen, als Optionen zur Belegung mit
Crack-KonsumentInnen und der individuellen, persönlichen Betreuung. Dazu haben
sie haben positive Erfahrungen mit dem Anmieten von Hotelzimmern außerhalb des
Bahnhofviertels bzw. der Drogenszenen gemacht, wo obdachlose Jugendliche
zunächst untergebracht werden können. Dies ist insbesondere für Jugendliche eine
probate Lösung, die ‚auf der Kippe stehen’ und bereit sind ihren Konsum zu
verändern. In einigen Fällen wurde ein deutlicher Rückgang des Konsums
festgestellt.
Andere therapeutische Erfordernisse ergeben sich für Crack-KonsumentInnen mit
sozial höherer Integration und einer primären Kokainabhängigkeit, etwa als
klassische Kokain-Sniefer. Hier existieren bereits Kliniken, die ambulante Therapien
anbieten.
Strukturierte
Beratung,
medizinische
Untersuchungen,
Informationsweitergabe und verhaltenstherapeutische Modelle oder/und ambulante
Rehabilitation (nach der Empfehlungsvereinbarung). Wobei eine Erfahrungssatz zu
sein scheint, dass Sniefen vermehrt in das Konsummuster des Crack-Rauchens
übergeht. Für diese Gruppe sozial (noch) integrierter besteht nach Ansicht von
Werner Heinz ein wachsender Hilfebedarf, der in der Suchtpolitik noch nicht
genügend Eingang gefunden hat.
Eine niedrigschwellige Form des Wohnens könnten Übergangswohnungen sein, die
zunächst erst mal die Wohnsituation stabilisieren ohne weitere Ansprüche als eine
Form von ‚Zwischenlösung’.
4.4.7. Vernetzung
Um dem vielschichtigen Problem Crack-Konsum angemessen begegnen zu können,
ist zunächst auf kommunaler Ebene ein hoher Grad an Vernetzung nötig. In
Frankfurt und Hamburg bestehen sowohl auf der Ebene der Kommunikation der
Träger und verantwortlichen Behörden untereinander Austauschmöglichkeiten über
Hilfemöglichkeiten.
Doch trotz in Frankfurt vorhandenem dichten Netz von Konsumräumen,
Notschlafstellen, Tagesruhebetten für Crack-Konsumenten (z.T. räumlich eng
angegliedert an Substitutionsambulanz bzw. Kontaktladen), medizinischer
Notfallmaßnahmen, stationärer Vermittlungsmöglichkeiten (Entzug und Therapie) ist
man dennoch etwas ratlos, wie genau Crack-KonsumentInnen geholfen werden
kann. Ein Vorschlag von PraktikerInnen ist die Anwendung des Case-ManagementKonzeptes auf diesen Personenkreis (siehe nächstes Kapitel).
Seite 43
4.4.8. Einzelfallhilfe und Case-Management
Die Arbeit der ‚nachlaufenden Sozialarbeiter’ im Crack-Street-Projekt in Frankfurt
und im Projekt Laufwerk in Hamburg verdeutlichen die Besonderheit verlässlicher
und
persönlicher
Beziehungen
zu
(überwiegend
jugendlichen)
DrogenkonsumentInnen. Die Einzelfallhilfe sollte als personell durchgehende Hilfe
und Begleitung für Crack-KonsumentInnen sowohl auf der Straße als auch in den
Behandlungseinrichtungen gestaltet werden. Die Mitarbeiter könnten sich rekrutieren
aus Mitarbeitern, die bereits in den Einrichtungen niedrigschwelliger Hilfe arbeiten
(Entzug, Straßensozialarbeit). Ein einrichtungsübergreifender und interdisziplinärer
Ansatz scheint von besonderer Bedeutung zu sein.
Die Finanzierung dieser Arbeit ist jedoch außer in Zusatzmodellen bisher finanziell
nicht zu leisten und ist als umfassende Behandlungsleistung auch nicht
abrechenbar.
Es zeigt sich, dass im oftmals komplexen Hilfeprozeß mehrere Institutionen
unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt sind. Das Case Management stellt eine
Methode dar, diese Hilfeprozeß rational und transparent zu steuern „...bei
durchgehender Koordination und Kontrolle des Handelns der im Einzelfall
Beteiligten. Integrierte Versorgung im Einzelfall ... Das Fallmanagement überbrückt
den fragmentarischen Charakter einzelner Behandlungen, Hilfen, formeller und
informeller Dienstleistungen, stellt den Zusammenhang mit der persönlichen und
familiären Lebensführung eines Betroffenen her und bewerkstelligt mit ihm
zusammen nach Möglichkeit einen effektiven Behandlungs-, Unterstützungs- und
Eingliederungsverlauf“ (Wendt 2001, 61).
Aus dem vom BMG geförderten fünfjährigen Versuch des Case Managements für
chronisch mehrfach beeinträchtigte Abhängige kann abschließend geschlossen
werden, „ ...dass das Kernelement von Case Management, die Hilfeplanung, ein
geeignetes System für umfassende Planung und Klientenbeteiligung sowie die
fallbezogene Steuerung und Abstimmung von Hilfen darstellt“ (Schu 2001, 65).
Allerdings merkt Martina Schu als wichtige Erkenntnis aus dem Modellprojekt auch
an, dass ein verändertes Selbstverständnis der Helfer nötig ist, traditionelles eher
angebotszentriertes Professionsverständnis überwiegt und diesen neuen Ansatz z.T.
blockiert.
Der Ansatz des Case Managements kann mit dem jüngst entwickelten Verfahren der
„Motivierenden Beratung“ in der HelferIn-KlientInnen Beziehung gekoppelt werden
(Schmid/Vogt 2001, 73ff).
4.4.9. Anlaufstellen für die Zielgruppe jugendlicher Crack-KonsumentInnen
In Hamburg existieren mehrere Angebote für Jugendliche unter 18 Jahren, wo das
Thema Crack auch eine bedeutende Rolle spielt: Basis e.V. und KIDS.
4.4.10. Hilfen für die Zielgruppe der Substituierten
Die Verbreitung des Kokain - und in Frankfurt und Hamburg – vor allem des CrackKonsums unter Substituierten ist erheblich. Dworsky (2001) spricht von einer
Verbreitung von 40% unter den psychosozial betreuten Substituierten für Hamburg.
Heinz (1999) beobachtet, dass das Rauchen von Crack das primäre
Seite 44
Beigebrauchsmuster bei Substituierten darstellt. Daten aus den empirischen Studien
in Frankfurt und Hamburg belegen diese Beobachtungen (siehe Kapitel 3.1.). Auch
für Hannover stellt Kokain-/Crackkonsum bei Substituierten ein ernstes Problem dar
(Café Connection 1999, 19).
Das bedeutet, dass die Behandlungsergebnisse mit dem Ziel der psychosozialen
Stabilisierung massiv durch den Crack-/Kokainkonsum in Frage gestellt werden:
gesundheitliche Risiken (Infektionsrisiken durch ungeschützte sexuelle Kontakte,
Kontaktabbrüche bestehender Behandlungen (HIV, psychosoziale Betreuung)
soziale Verelendung (Verwahrlosung, Verschuldung), juristische Probleme durch
vermehrte Beschaffungskriminalität und –prostitution sind die unausweichliche
Folgen.
Heinz
(1999,
4)
schlägt
den
Ausbau
von
stationären
Übergangseinrichtungen für Substituierte vor, die eine Unterstützung bei der
Orientierung und Stabilisierung zum Ziel haben. Die Begründung liegt in der
Tatsache, dass Substituierte aus ambulanten Zusammenhängen herausfallen, da sie
den geforderten Wandel der Lebenssituation nicht erreichen.
Ein Abbruch der Substitutionsbehandlung aufgrund eines Crack-Konsums kann
bedeuten, dass eine wichtige Brücke zum medizinischen/psychosozialen Hilfesystem
zerstört wird. Deshalb ist es wichtig, über die Substitution eine Anbindung zum Arzt
bzw. psychosozialen MitarbeiterInnen zu erhalten.
4.4.11 Peer involvement-Strategien
Um lebensweltnahe Präventions- oder Beratungs-/Behandlungsarbeit für
DrogennutzerInnen machen zu können, wird es zunehmend wichtig
DrogengebraucherInnen, Vertreter der Szenen stärker in fachliche Debatten und
praktische Arbeit, in Präventionskampagnen mit einzubeziehen. Ihr Wissen, ihre
Expertise und Kompetenz kann für eine Ansprache und eine Vermittlung von
Botschaften genutzt werden. Es ist eine Methode, den subjektiven Sinn, die Funktion
des Drogenkonsums und die gesundheitlichen Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen
in ihren Lebenswelten wahrzunehmen oder zu verstehen.
Für die Präventionsebene und aus einer professionellen Perspektive bedeutet das,
die Entwicklung von peer-involvement-Strategien, die einen Einbezug von CrackKonsumentInnen zulassen voranzutreiben, um die ‚Risikokompetenz‘ der
DrogennutzerInnen anzusprechen und die Beratungskompetenz der professionellen
HelferInnen zu stärken.
Bislang ist kein Praxismodell bekannt, wo ehemalige Crack-KonsumentInnen in die
Drogenszenen gehen, um Aufklärungs- und Kontaktarbeit zu leisten. Da es sich
oftmals um schwer zugängliche Populationen handelt, scheint diese Arbeitsweise
jedoch durchaus erwägenswert. Insbesondere weil man mit peer-involvement
Strategien
glaubwürdige
Botschaften
unter
alters-,
geschlechtsund
kulturspezifischen Gesichtspunkten vermitteln kann.
4.4.12 Fortbildungs- und Ausbildungsbedarf
De-Eskalations- und Anti-Gewalttraining haben in Frankfurt20 einen hohen Zuspruch
gehabt. Es gab eine hohe Nachfrage und Teilnahme von Seiten der Mitarbeiter
niedrigschwelliger Drogenhilfeträger, Seit November 2000 Berichte über Gewalt
20
durchgeführt durch das Hamburger Institut für Drogen und AIDS/Hamburg
Seite 45
zurückgegangen, De-Eskalation, andere Sicht auf das Gewaltverhalten einiger
DrogenkonsumentInnen. Gewalt wird danach nicht nur ausschließlich dem CrackKonsum ursächlich zugeordnet, sondern auch Gewaltvorkommen auf der Szene
insgesamt gestiegen, polizeiliche Verfolgung, natürlich auch Verelendung durch
einen multiplen Drogenkonsum ohne Schlaf, hohe Erschöpfung und Stress.
Eine Qualifizierung für Ärzte, Verbesserung der Früherkennung für Ärzte und
Sozialarbeiter, sowie Fortbildung Vermittlung der Besonderheiten von Kokain/Crackgebrauch bzw. –abhängigkeit, Umgangs- und Behandlungsformen bei
Kokainabhängigkeit, Erste-Hilfe bei Kokain-/Crack-Notfällen ist dringend geboten.
Weiter Angebote um MitarbeiterInnen in niedrigschwelligen Einrichtungen im
Umgang mit den Folgen des Crack-Konsums zu unterstützen hat HIDA (Hamburg,
Träger: Jugend hilft Jugend) entwickelt:
•
•
•
•
•
Stoffkunde und Infektionsrisiken
Akupunktur als unterstützende Maßnahme
Umgang und Arbeit mit aggressiven Kindern und Jugendlichen
Individuelle Arbeitsansätze mit Crack-Usern
Anti-Aggressions- und De-Eskalationstraining
Kennzeichnend sind paranoide Zustände (wie in Tabelle 2), Reizüberflutung und
psychotische Zustände. Das erfordert laut Drogentherapeut Herbert Villhauer Fort/Weiterbildung in Problematiken der Doppeldiagnosen.
4.5
Crack-Konsum in niedrigschwellig organisierten Angeboten der
Akzeptierende Drogenarbeit: Probleme und Umgehensweisen
Eine wirksame Hilfe für Crack-KonsumentInnen erfordert intensive Beschäftigung mit
dem Einzelfall. Gruppenangebote, wie traditionell in der Suchtkrankenhilfe verankert
scheinen nicht geeignet, die komplexe soziale und gesundheitliche Problematik der
KonsumentInnen adäquat bewältigen zu können. Zudem ergeben Gruppenangebote
Dynamiken, die sich eher störend als hilfreich auf die Gruppe auswirken. Die
einzelfallorientierte Arbeit macht eher Strategien des Case-Managements (s.o.)
notwendig als die traditionelle offene (Gruppen-)Arbeit mit DrogenkonsumentInnen.
Die Finanzierungsfrage des Case-Managements ist für jugendliche CrackRaucherInnen mit dem Instrument des KJHGs einfacher zu bewältigen, als mit den
nicht-personengebundenen kommunalen oder Landes-Zuweisungen.
Aufgrund der Nähe von Konsum und Handel funktioniert die Abgrenzung der Hilfe
und Szene immer weniger, das heißt, dass insbesondere in den großen
Kontaktläden in den Metropolen Frankfurt und Hamburg, diesen traditionellen
Ausschluß von Szene und Szeneverhaltensweisen, die Setzung der Hilfeeinrichtung
als Kontrapunkt zu der Dynamik der Drogenszene nicht mehr vollständig oder nicht
mehr im beanspruchten Sinn einer ‚Schutzfunktion’ umgesetzt werden kann. Damit
einhergehend verlieren diese großen Angebote eine solidarisierende Funktion als
Einrichtung ‚der von der Prohibition Betroffenen’. Eine deutlichere Grenzziehung von
Hilfe und Hilfesuchenden ist nötig geworden: Mit verstärktem ordnungspolitischen
Vorgehen und höherer (Verhaltens-)Kontrolle der KlientInnen verliert die
akzeptierende Drogenarbeit ihre ‚weiße Weste’ als reine Unterstützungseinrichtung
für die Interessen der BesucherInnen. Konsumräume sind nicht mehr ‚Szeneräume’,
wobei es eine Auffassung von ‚rechtsfreien Räumen’ nie gegeben hat. Besonders in
Seite 46
den Großstädten wird deutlich, daß die Hilfeeinrichtungen von den NutzerInnen wie
selbstverständlich als Teil des Drogenhilfesystems angenommen werden und nicht
länger eine hohe Identifikation mit (innovativen) Projekten (wie Konsumräumen)
besteht. Der Prozeß der Durchsetzung drogenpolitisch brisanter Projekte wird
entweder nicht mehr begleitet, wird nicht verstanden (u.a. weil die NutzerInnen aus
anderen Kulturen stammen), oder es ist bereits eine andere, jüngere Generation, die
die Implementationsphase nicht miterlebt hat. Vor diesem Hintergrund werden
solche niedrigschwelligen Angebote genutzt, wie alle anderen Angebote der
Basisversorgung.
Die Problematik des Crack-/Kokain-Konsums offenbart die Notwendigkeit der
niedrigschwelligen Drogenhilfeträger, Grenzen zu formulieren und sie auch klar
durchzusetzen. Crack-Rauchverbote, Hausverbote, Schließung von offenen
Bereichen, Ausgabe von Identitäts- oder BesucherInnenausweisen, Anstellung
privater Wachdienste an den Eingängen zu Kontakt- und Anlaufstellen, sind dabei
Reaktionen auf die neuen Entwicklungen, um die Angebote überhaupt noch halten
zu können – sowohl drogenpolitisch, als auch nachbarschaftlich. Die Akzeptanz der
Einrichtungen ist nicht grenzenlos, sondern die unmittelbare Nähe von CrackKonsum und Handel erfordert klare Leitlinien für jede Einrichtung.
Die niedrigschwelligen Einrichtungen in den betroffenen Städten Frankfurt, Hamburg
und auch Hannover, insbesondere jene mit Konsummöglichkeiten, leiden erheblich
unter dem oftmals gestörten Sozialverhalten einiger ihrer Besucher. Beispielhaft
ausgewertet wurden die besonderen Vorkommnisse des Kontaktladens (mit
Notschlafstelle und Konsumraum) „La Strada“, der AIDS-Hilfe Frankfurt für den
Zeitraum vom 1.5.200-30.4.2001. Deutlich wird hier die hohe Zahl von
Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Übergriffen gegenüber MitarbeiterInnen
und Belästigungen, Schlägereien und Bedrohungen der Klienten untereinander.
Allerdings ist dieses Bedrohungspotential auch mit besonderen Maßnahmen
offenbar zu reduzieren (Personalverstärkung, De-Eskalation etc. AG Crack 2001)
Für diese Situation von Gewalt, Regelverletzung und Übergriffigkeit gibt es sicherlich
eine ganze Reihe von Ursachen die sich hier kumulieren. Kokain-/Crack-Konsum
selbst, der pharmakologische Faktor, ist nur einer dieser Gründe. Die
Folgeerscheinungen des Konsums, die Auswirkungen der Repression, die
zunehmende Aggression der Betroffenen untereinander vor dem Hintergrund einer
sozialen und gesundheitlichen hohen Verelendung bilden die Grundlage für ein
oftmals gestörtes Verhalten der KonsumentInnen.
Vorschläge zum Umgang mit Crack-KonsumentInnen gehen in Frankfurt dahin, die
letzten zehn Jahre Versorgungsarbeit einer inhaltlichen Inventur zu unterziehen.
Nach Meinung eines Praktikers sollte man sich angesichts des „Crackproblem“
wieder auf Überlebenshilfe und Deckung der Grundbedürfnisse konzentrieren.
Allerdings mit der Intention den Aufenthalt auf der Szene so kurz mit möglich zu
halten. Außerdem solle auch wieder über Tabuthemen, wie z.B.
Zwangseinweisungen, diskutiert werden.
Werner Heinz (jj) gibt zu bedenken, dass alle institutionellen Angebote immer auch
unerwünschte Nebeneffekte verursachen. Das beste Beispiel sei das „Lernen am
Modell“ in Konsumräumen oder anderen Einrichtungen der Drogenhilfe.
Seite 47
Doch initialer Zwang für extrem selbstschädigende Verhaltensweisen? Die
MitarbeiterInnen des CSP-Projektes in Frankfurt sind skeptisch angesichts des
Vorschlags einer geschlossener Unterbringung in der Jugendhilfe. Erfahrungen
zeigen, das Jugendliche nach kurzer Zeit wieder auf der Szene auftauchen und
schlechter erreichbar sind, weil sie sich illegal dort befinden und sich als ‚abgehauen
aus dem Heim’ erleben. Möglicherweise wird auch das Vertrauen zur Drogenhilfe
geschmälert oder gestört.
Die Drogenhilfe wird, so die Einschätzung des Leiters des Konsumraumes Niddastr.
Josh Steinmetz, z.T. nicht mehr wahrgenommen: Früher habe man die Szene mit
begleitenden Angeboten flankiert, heute ist die Szene ‚überdacht’. Offene Szenen
außerhalb
ergeben
sich
zumeist
nur
noch
vor
den
jeweiligen
Drogenhilfeeinrichtungen. Dies führt oftmals zur Auffassung dort würden ‚rechtsfreie
Räume’ bestehen.
4.6
Diskussion: Neue
Angebote modifizieren?
Hilfeangebote
einrichten
und/oder
vorhandene
Diese Frage beherrscht die Suche nach neuen Möglichkeiten in der Hilfe für CrackKonsumentInnen, so etwa den ‚Fachrat der ambulanten Drogen- und Suchthilfe’ in
Hamburg.
Zunächst muß gefragt werden, ob sich die Crack-KonsumentInnen als homogene
Gruppe fassen lassen, für die Spezialangebote eingerichtet werden sollen. Die
Erfahrungen
zeigen,
dass
es
sich
eher
um
eine
heterogene
KonsumentInnenpopulation handelt die überdies durch vielfältige soziale,
gesundheitliche und rechtliche Problemlagen gekennzeichnet ist. Eine
ausschließliche Crack-Konsumentengruppe scheint so gut wie gar nicht zu
existieren, hingegen werden immer andere Konsumpraktiken mitbenannt. Zudem, so
Josh Steinmetz von der integrativen drogenhilfe Frankfurt, vollziehen
KonsumentInnen häufig Wechsel im Selbstbild und der (Konsum-)Identität,
sozusagen Umdefinitionen vornehmen. Welche Einwände gegen „Spezialangebote“
für crack-KonsumentInnen gibt es?
a. Einrichtungen allein für Crack-KonsumentInnen würde eine Eigendynamik
entwickeln, die einerseits kaum beherrschbar wäre und andererseits für die
KonsumentInnen möglicherweise zur Verfestigung von Konsum und
Konsummustern führen könnte.
b. Für Einrichtungen dieser Art würde es schwer werden, MitarbeiterInnen zu
finden. Die niedrigschwellige Drogenhilfe kann schon jetzt aufgrund von
Personalnot kaum ihre Öffnungszeiten aufrechterhalten.
c. In der Regel dominiert ein polytoxikomanes Konsummuster bei den CrackKonsumentInnen. Sie sind den Einrichtungen bereits bekannt. Lediglich das
Setting und das Klima haben sich verändert. Durch konzeptionelle
Änderungen in den Einrichtungen niedrigschwelliger Drogenhilfe sollte ein
besser Umgang und Versorgung erreicht werden können.
d. Die Nischenprojekte in der Drogenhilfe müssen zunehmend skeptischer
betrachtet werden, da dies den Weg in die Normalität (ein Ziel der Bewegung
akzeptierender Drogenarbeit) eher versperrt.
e. Es geht hier eher um ‚Entschleunigung’, statt einen problematischen Konsum
weiter zu bündeln und das Tempo der Nutzung zu erhöhen.
Seite 48
Roth (1999, 108ff) weist noch einmal ausdrücklich auf die Schwierigkeiten hin,
gemeinschaftlich nutzbare Angebote (Café, Wohn- und Übernachtungsstätten) für
aktuelle Crack-KonsumentInnen einzurichten. Probleme können vor allem aus der
inneren Dynamik, Aggressivität und dem Tempo in den Gruppen der CrackKonsumentInnen entstehen, die gemeinschaftliche Angebote eher zu vergrößern,
denn zu vermindern vermögen.
Seite 49
5
Ordnungspolitische Umgehensweisen in den Kommunen
Die niedrigschwelligen Einrichtungen der Drogenhilfe, Kontakt-, Konsumräume,
Wohn- und Übernachtungsprojekte sind auch Bestandteil kommunaler
Ordnungspolitik. Die Auflösung oder Vertreibung von Drogenszenen ließ sich oftmals
nur mit Hilfe des Vorhandenseins von niedrigschwelligen Drogenhilfeangeboten
rechtfertigen. Der Erfolg dieser Maßnahmen ließ sich oftmals daran festmachen,
inwiefern die DrogenkonsumentInnen von der Straße verschwunden waren (Klee
1994).
5.1. Dialog zwischen Drogenhilfe und Polizei
Es scheint, als ob mit dem Auftreten von Crack die Drogenhilfe und die Polizei in den
Kommunen stärker miteinander kooperieren und kommunizieren. War die Beziehung
in den vergangenen Jahren eher von Mißtrauen geprägt und sogar als feindselig
charakterisiert worden, so scheint sich über das Phänomen Crack eine Annäherung
ergeben zu haben. Der Drogenhilfe scheint es oftmals willkommen zu sein, dass der
aggressive Handel insbesondere im Umfeld ihrer Hilfeeinrichtungen von der Polizei
gestört wird, um nicht die Behandlungserfolge „vorn“ durch die aggressiven
Handelsauftreten der Dealer „hinten“ wieder zunichte machen zu lassen, so ein
Drogenberater. Umgekehrt weiß die Polizei, dass die Drogenhilfe die einzige Instanz
ist, die in dieser schwierigen Lage überhaupt Hilfen anbieten kann.
Der Stellenwert der Repression in dem kommunalen Drogenhilfestruktur hat sich mit
dem Aufkommen von Crack-Konsum, zumindest in den Metropolen Frankfurt und
Hamburg verändert. Drogenkonsum in und um die Einrichtungen, aber auch
gewaltsame Auseinandersetzungen innerhalb der Einrichtungen haben sowohl in
Frankfurt als auch in Hamburg zu einem verstärkten Dialog von
Drogenhilfeeinrichtungen und der Polizei geführt. Sei es, dass dies in institutionellen
Bahnen in den „Montagsrunden“ in Frankfurt passiert, oder Einzelfallabsprachen
sind. Es gilt schlichtweg aus ordnungspolitischen Erwägungen die Akzeptanz der
Einrichtungen in der Bevölkerung zu erhalten bzw. erst zu erreichen. Der offene
Konsum vor den Einrichtungen der niedrigschwelligen Drogenhilfe löst in der Regel
eine Auseinandersetzung über das Vorgehen von Hilfeintervention und Repression
aus.
Eher stillschweigend wird auch von Therapeutenseite die Ansammlung von
aggressiv vorgehenden Dealern vor Einrichtungen der Drogenhilfe (etwas
psychosoziale Betreuung Substituierter) betrachtet. Polizeipräsenz ist oftmals hier
der Garant dafür, dass nicht bereits beim Verlassen der Einrichtung Crack-/KokainVerkäufer Kontakt zu den Substituierten aufbauen.
Die vor ca. 10 Jahren vorhandene bedingungslose Distanzierung der Institutionen
von Hilfe und Kontrolle ist einer lokalen, kommunalen Diskussion um
Krisenmanagement gewichen, oftmals vor dem Hintergrund der Gewissheit, dass
keine der beiden Instanzen mehr alleinige Kompetenz in der Lösung des
„Drogenproblems“ beansprucht. Zu vielschichtig erscheint das Problem von
Vorgehen der Angebotsseite und den Problemen der potentiellen Nachfragegruppe.
Torsten Seeland (2001), Leiter der Revierwache 11, St. Georg, Hamburg, schlägt die
Einrichtung sog. polizeilicher „Milieubeamter“ vor, die einen Dialog zwischen
Drogenhilfe und der Polizei führen sollen, und die in Hamburg im Einsatz sind, aber
Seite 50
nicht eine Lösung für das gesamte Crack-Problem darstellen können. Er berichtet
auf der Tagung „Crack - Stein(e) des Anstosses (16.5.2001) davon, dass die
Hamburger Polizei Versuche durchgeführt hat, mit weniger Polizeipräsenz (sowohl
von zivil- als auch von uniformierten BeamtInnen auf dem Hansaplatz in St.
Georg/Hamburg) eine De-eskalation durchzuführen, was aufgrund der Massierung
von Dealern auf dem Hansaplatz bereits nach wenigen Tagen abgebrochen werden
musste.
Seite 51
6
Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse
Kokainkonsum nimmt in ganz Europa und auch in Deutschland seit den 90er Jahren
deutlich zu. Etwa 2,5% der Erwachsenen (18-59 Jahre) besitzt Konsumerfahrungen
und etwa 1,5% konsumieren aktuell (bei den 18-34-jährigen: 4%). „Der
missbräuchliche bzw. abhängige Konsum von Kokain ist als Hauptdiagnose in
ambulanter Betreuung am dritthäufigsten vorzufinden. Hier liegt der Anteil von
Kokainhauptdiagnosen bei ca. 8%, in stationärer Suchtbehandlung mit ca. 7% im
gleichen Größenbereich (vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2001).
Die Zahl der polizeilich ermittelten Fälle im Zusammenhang mit Kokain ist im Jahre
2000 zurückgegangen (um 12,3%), ebenso wie die polizeilich festgestellten
erstauffälligen KokainkonsumentInnen. Die polizeiliche Beschlagnahmungsmenge
von Kokain ist im Jahre 2000 sogar um 54% zurückgegangen.
Gegenwärtig liegt der Anteil der Behandlungen in Beratungs- oder
Therapieeinrichtungen aufgrund einer Crack-Problematik bei 2,4% (etwa 250-300
Personen). „Der missbräuchliche bzw. abhängige Konsum von Kokain ist 1999 als
Hauptdiagnose in ambulanter Betreuung am dritthäufigsten vorzufinden und liegt bei
7% ... Es liegen etwa 6 Mal so viele Einzeldiagnosen wie Hauptdiagnosen vor. Dies
bedeutet, daß Kokain von den Klienten meist im Beikonsum verwendet wird. (DBDD,
134). Bei den Einzeldiagnosen zu Crack bei Personen in ambulanter Betreuung
ergibt sich seit 1996 eine Zunahme (von 205 im Jahre 1996 bis 415 im Jahre 1999;
vgl. DBDD 2000).
Diese KonsumentInnen-, Beratungs-, Behandlungs- und Polizeidaten liefern
insgesamt ein widersprüchliches Bild: Die offizielle, statistische Seite bildet die auf
der Praxisebene vor allem in den Großstädten Hamburg und Frankfurt beobachtete
Entwicklung in den Drogenszenen auf der Straße (noch) nicht ab.
Auch wenn die polizeilich dokumentierten Zahlen im Moment stagnieren, die Zahl
der wegen Crack- und Kokainabhängigkeit in Behandlung befindlichen Patienten
auch nicht gestiegen ist, so muß doch konstatiert werden, daß der Konsum von
Crack Einzug gefunden hat in die Drogenszene – zumindest in den Metropolen
Hamburg und Frankfurt. Dort, und auch in Hannover in Ansätzen erkennbar, ist der
Crack-Konsum fest verankert und Bestandteil eines polyvalenten Gebrauchsmusters
innerhalb der Drogenszene. Dies geschah nach einem längeren Prozeß eines
vermehrten (i.v. – applizierten ) Konsums von Kokain, der bis Anfang der 90er Jahre
zurückreicht.
Trotzdem kann gegenwärtig nicht von einer Crack-Welle gesprochen werden, die
über Deutschland schwappt. Deutlich wird, dass der Crack-Konsum nicht nur in
Frankfurt und Hamburg seit mehreren Jahren massiert ist, sondern auch dort nur in
bestimmten Szenen zu finden ist (bspw. in Hamburg nur in zwei Stadtgebieten: St.
Georg und Schanzenviertel). Auch hat es trotz eines mehr als fünfjährigen CrackKonsums in den genannten Metropolen keine nennenswerte Ausdehnung auf die
umliegenden Städte und Gemeinden gegeben. Zu fragen bleibt, ob Crack als ein
Großstadtphänomen betrachtet werden muß, daß an bestimmte Voraussetzungen
und Dynamiken gebunden ist, die nicht überall gegeben oder herstellbar sind.
Seite 52
Dem vermehrten Konsum von Kokain in den Drogenszenen (i.v. Konsum als
eigenständiges Konsummuster, als Cocktail, d.h. zusammen mit Heroin oder
Benzodiazepinen), und das Auftreten von Crack in einigen Großstädten (Frankfurt,
Hamburg und Hannover) in den letzten Jahren liegen folgende Dynamiken zugrunde:
•
Rauchbares Kokain entfaltet schnell seine Wirkung, es entsteht Hektik, Unruhe,
Aggression durch Entzug und Neubeschaffung, d.h. die Drogenhilfe wird
einerseits von diesem veränderten Tempo überrollt, d.h. Regeln, klare und
konkrete Vereinbarungen über Grenzen und unerwünschtem Verhalten werden
wichtiger denn je.
•
Informationen der Träger und einige empirische Studien (Frankfurt/Hamburg)
deuten darauf hin, dass Crack-Konsum Bestandteil eines polyvalenten
Drogengebrauchs einer gesundheitlich und sozial verelendeten Gruppe von
DrogenkonsumentInnen geworden ist. Besonders in den Städten Frankfurt und
Hamburg läßt sich diese Beobachtung empirisch untermauern. Wie groß die Zahl
derjenigen ist, die ausschließlich Crack gebraucht, oder wie groß die Zahl der
Neueinsteiger ist, die mit dem Konsum von Crack beginnen, ist unklar. Doch
scheint es keine etablierten getrennten Drogenszenen zu geben, sondern der
Crack-Konsum hat in der den Hilfeträgern und weitgehend auch der Polizei
bereits bekannten DrogenkonsumentInnen Einzug gehalten. Es handelt sich
oftmals um ältere KonsumentInnen: Das Durchschnittsalter in einige
Untersuchungen in offenen Drogenszenen liegt bei den Männern etwa bei 30
Jahren, bei den Frauen etwas jünger. Es gibt aber offensichtlich nur eine kleine
Gruppe von KonsumentInnen, die ausschließlich Crack nutzt und nicht früher
oder später auch zu sedierenden Substanzen greift (Opioide/Methadon), Alkohol,
Benzodiazepine). Crack als Hauptdroge wird nur von einem kleinen Teil der
DrogenkonsumentInnen angegeben. Zu fragen ist, ob Crack überhaupt dauerhaft
als präferierte Droge genutzt werden kann, ohne im Rahmen einer
Selbstmedikation über kurz oder lang sedierende Substanzen einzusetzen.
•
Die Drogenhilfe muß sich deshalb in einer bestimmten Form dieser
Geschwindigkeit anpassen und schnelle, unbürokratische Hilfen anbieten. Die
Hilfen sind vom Kern oft ein Kontrapunkt zur erlebten Schnelllebigkeit des
Rausches: Ruhe, Entspannung, Räume zum Ausruhen sollen die Hektik
aufheben.
•
Es muß ein alters-, geschlechts- und kulturspezifischer Zugang zu der Zielgruppe
der Crack-KonsumentInnen erfolgen, wenn man den Hilfebedarfen,
Koordinationsanforderungen und besonderen Lebenslagen Rechnung tragen will.
•
Das bisheriges System der (niedrigschwelligen) Drogenhilfe war wenig
einzelfallorientiert, d.h. Hilfen wurden oftmals im Gruppensetting angeboten
(Kontaktladen mit 30 Plätzen etc.). In der Crack-Arbeit und v.a. mit Jugendlichen
ist eine Einzelfallorientierung gefordert, d.h. ein individuelleres Arbeiten mit
problematischen Drogenabhängigen. ‚Gruppenfähigkeit‘ ist hier das Ziel nicht
Voraussetzung oder Ausgangspunkt der Hilfe.
•
Umstrukturierung von Hilfe im niedrigschwelligen Bereich: Konsum und Handel
liegen noch enger zusammen als bei reinen HeroinkonsumentInnen. Folge des
schnellen, häufigen Konsumierens ist, dass Handel und Konsum vielfach im
Seite 53
Grenzbereich offener Einrichtungen liegen. Möglicherweise greift die BTmG –
Veränderung zur rechtlichen Straflosstellung des Betriebs von Konsumräumen
hier zu kurz. Und in den Bundesländer, die noch keine Verordnungen erlassen
haben, tut sich nach wie vor ein rechtsfreier Raum auf.
•
Stationäre Drogenhilfeeinrichtungen bieten zwar eine breite therapeutische
Palette, aber der Weg dorthin ist lang und die Haltekraft der Crack-NutzerInnen in
diesen Einrichtungen gering. Auch hier müßte die Drogenhilfe aus der reinen
Angebotsfunktion heraus kommen und mehr Angebote mit „zugehendem
Charakter“ bzw. anderen Formen der Beziehungsarbeit entwickeln.
•
Die relativ geringe Zahl von Hilfesuchenden in ambulanten und stationären
Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe kann seine Ursache darin haben, dass
Kokainkonsum durchaus sozial integriert, polizeilich, gesundheitlich und (über
weite Strecken) sozial unauffällig betrieben werden kann. Dies kann aber auch
daran liegen, dass die klassischen Drogenhilfeangebote (Beratung und
Behandlung) immer noch einseitig auf Heroin- bzw. MischdrogenkonsumentInnen
ausgerichtet sind und wenig Expertise in der Behandlung Kokainabhängiger
vorliegt und kommuniziert worden ist in den letzten 5-10 Jahren. Dies wird auch
in anderen Ländern deutlich (bswp. Niederlande, siehe Boekhout van Solinge
2001, 94).
Eine Verbreitung in kleineren Gruppen Jugendlicher, (jugendlicher) MigrantInnen,
Prostituierten, Strichern und anderen randständigen Bevölkerungsgruppen, ist zwar
in Hamburg und Frankfurt zu verzeichnen. Diese Gruppen gehen jedoch meist über
kurz oder lang in der traditionellen Drogenszene aufgehen. Ein polytoxikomanes
Gebrauchsmuster ist dann oftmals die Folge eines mehrjährigen Konsums im dritten
Lebensjahrzehnt.
Insbesondere in diesen Gruppen wird deutlich, dass „Steine rauchen“ bei den
Jugendlichen mit einer trügerischen Sicherheit der Ungefährlichkeit wahrgenommen
wird angesichts dem als „wirklich gefährlich“ eingestuften intravenösen
Drogenkonsum. Hiervon grenzt man sich gerade über die differente
Selbstwahrnehmung ab. Dieser fatale Irrtum bestätigt sich dadurch, dass
lebensbedrohliche Assoziationen (wie eine HIV oder Hepatitis-Infektion,
Überdosierung) mit dem „Steine rauchen“ nicht verbunden werden. Im Gegenteil:
Über die in der Alltagspraxis gängige Applikationsform ‚Rauchen’ wird eher eine
Bagatellisierung begünstigt und verstärkt. Crack-Konsum wird als weiches
Konsummuster und als Abgrenzungsverhalten gesehen.
Hier sind spezielle Interventionsstrategien nötig, die professionelle, persönliche,
stabile und verläßliche Beziehungen nötig machen, ebenso wie den Einbezug von
‚Gleich-zu-Gleich‘ Strategien ehemaliger Crack-KonsumentInnen. In diesem
Zusammenhang scheint es nötig, auch die individuellen Selbstkontrollstrategien mit
den Zielen Selbstmedikation, Herunterdosieren und Ruhiger-Werden zu
berücksichtigen und in die fachliche Arbeit einzubeziehen (s. Kapitel 4.4.11.).
Insgesamt muß als ein Resultat unterschiedlichen Umgehens mit CrackKonsumentInnen festgehalten werden, dass es für eine medizinische und
sozialtherapeutische Ansprechbarkeit und Hilfestellung wichtig ist, trotz mitunter
schwierigen Verhaltens der Crack-gebrauchenden Personen mit wiederholten
Seite 54
Beziehungsabbrüchen, die Brücken nicht abzubrechen. Denn durch einen Abbruch
der Kontakte werden Möglichkeiten schneller, persönlicher Intervention vergeben.
Egal ob es sich um ärztliche, sozialtherapeutische, harm-reduction oder einfach
persönliche Kontakte handelt – all dies kann zu einer Fortsetzung des erhöhten
Risikoverhaltens führen.
Besonders problematisch ist die Situation der Crack-RaucherInnen, die sich in
Substitutionsbehandlungen befinden. Die hohe Verbreitung von Kokain-/CrackBeigebrauch in den psychosozialen Betreuung sowohl in Hamburg als auch in
Frankfurt zeigt, daß neben den gesundheitlichen und sozialen Verelendungen auch
ein Herausfallen aus der Substitutionsbehandlung droht. Ob die Einrichtung
stationärer Übergangseinrichtungen für Substituierte mit dem Ziel der Unterstützung
bei der Orientierung und Stabilisierung eine angemessene Reaktion darstellt,
oder/und ein besonderes Eingehen auf dieses Problemlage seitens der
BetreuerInnen in der psycho-sozialen Betreuung, oder andere Maßnahmen
(niedrigschwellige Substitution), muß ausführlicher diskutiert werden. Fest steht, daß
über die Substitutionsbehandlung ein letzter Kontakt zum Hilfe-/Medizinsystem
erhalten geblieben ist, der für das Angebot weiterer Hilfen von großer Bedeutung
sein kann.
Neue Haushaltsmittel wird es angesichts der meist schlechten Haushaltslage bei
vielen Kommunen nicht geben. Zur Einrichtung neuer Präventions- und
Behandlungsangebote müssen deshalb oftmals Geld- und Personalmittel
umgeschichtet werden. Dies kann sich auch aus einer sich verändernden
Drogenhilfesituation
ergeben,
in
der
das
klassische
Klientel,
wie
Mischdrogengebraucher mit erster Präferenz Heroinkonsum möglicherweise in den
nächsten Jahren mehr und mehr ausbleibt.
Angesichts der offensichtlichen Verelendung vieler Crack-KonsumentInnen in den
beiden Metropolen Hamburg und Frankfurt scheint es unerlässlich, dass der Mangel
an Koordination zwischen Praxis, Forschung, Polizei und Politik aufgehoben wird,
und eine Zusammenschau aller Erkenntnisse und Daten erfolgt, die als Grundlage
weiteren Vorgehens genutzt werden sollte.
Insgesamt scheint die Bündelung von Kompetenzen mit Drogen befaßter
verschiedener Institutionen von großer Bedeutung für eine angemessene
regionale/lokale Reaktion auf „Crack“ bzw. Kokainprobleme zu sein. Die
Einrichtungen von Arbeitskreisen und (Montags-)Runden, wie in den untersuchten
Städten Hamburg und Frankfurt, zeigen, dass aus der träger- und
institutionenübergreifenden
Gesamtschau
angemessene
Vorgehensweisen,
konzertierte Aktionen entwickelt werden können. Beispielhaft in Frankfurt sind
eingebunden die Staatsanwaltschaft, Polizei, Sozial-, Gesundheits-, Schul- und
Jugendbehörden (vgl. Frerichs 2001).
Klee (2001) verweist allerdings auf den ‚Kommunalisierungseffekt der Drogenpolitik
(Quensel), d.h. in den (beiden beschriebenen) Kommunen sind Kompetenzen im
Umgang mit DrogenkonsumentInnen entwickelt worden, die als gewachsene
Strukturen nicht ohne weiteres übertragbar sind. Trotzdem sollen im folgenden erste
übergreifende Schlussfolgerungen entwickelt werden.
Eine ‚Konzertierte Aktion’ auf Bundesebene könnte
länderübergreifend einen intensiven Erfahrungsaustausch,
darüber hinaus
Erkenntnis- und
Seite 55
Diskussionsprozeß im Rahmen einer gemeinsamen Fachtagung (‚Science Meets
Practice‘) organisieren. Beteiligt werden sollten vor allem: Drogen- und
Jugendhilfepraxis, Bundeskriminalamt, Forschung, Politik.
Ziel einer solchen Veranstaltung sollte auch die Diskussion weiterer
Vorgehensweisen sein (z.B. Früherkennung von Crack-Konsum auch in den Städten,
die bisher keine oder wenig Hinweise mit diesem Phänomen haben).
Eine Reduzierung auf das Thema „Crack“ blendet die sozialpolitischen Dimensionen
von Armut, Verelendung und ggf. kultur- und geschlechterspezifischen (z.B. Umgang
mit Autoaggression bei Frauen/Mädchen) Faktoren aus. Crack ist auch als Symbol
einer Verelendung bestimmter Bevölkerungsgruppen v.a. sichtbar in den
Großstädten zu betrachten.
Die Rolle der Polizei ist im Zusammenhang mit der Verfolgung von CrackKonsumentInnen/HändlerInnen besonders problematisch. Einerseits hat die Polizei
die Aufgabe der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, d.h. die
Verfolgung der HändlerInnen und der Verhinderung des Handels und Konsums (v.a.
in der Öffentlichkeit). Die Beweissicherung für die BeamtInnen ist besonders
schwierig, weil es sich um extrem kleine Einheiten handelt, die schwer
sicherzustellen sind. Der Einsatz von Brechmitteln zur Beweissicherung ist zudem
nicht unumstritten und auch nicht immer von Erfolg gekrönt. Ausländerrechtliche
Fragen, Probleme der Identitätsfeststellung und die Straflosigkeit bzw. Einstellung
von Verfahren angesichts der „geringen gefundenen Mengen“ im CrackHandel/Konsum sind nicht gerade motivationsfördernd.
Wie bei kaum einer anderen Droge fallen auf der Straßenhändlerebene Handel und
Konsum in einer Person zusammen, d.h. die Händlerseite ist nicht mehr klar
abgrenzbar und die polizeiliche Verfolgung muß sich notwendigerweise auf die
KonsumentInnen richten und erreicht das letztes Glied in der Kette. Das führt
natürlich zu einem hohen Grad an polizeilicher Verfolgung bei den KonsumentInnen,
deren gesundheitlicher, sozialer, finanzieller Stress noch durch die ständige Angst
vor Strafverfolgung, Platzverweisen etc. erhöht wird.
Andererseits ist eine polizeiliche Präsenz und Ermittlungsarbeit unumgänglich.
Erfahrungen in Hamburg mit einer reduzierten Präsenz haben zu einer raschen
Zunahme auf der Angebotsseite geführt. Therapeuten beklagen zudem, dass Dealer
sehr aggressiv vor den Drogenbehandlungseinrichtungen (Substitution) um Kunden
werben und die Ergebnisse psychosozialer Behandlung und Beratung in Frage
stellen, wenn der Crack-Verkauf vor den Türen stattfindet.
Insofern hat sich in Ansätzen eine neue, wenn auch noch nicht explizit
ausgesprochene, Beziehung zwischen Drogenhilfeeinrichtungen und Polizei in
beiden Metropolen entwickelt, mit dem gemeinsamen Ziel des Kontaktes und der
Hilfe zwischen Repression und Verelendung.
Case management als strukturierende, systematische Hilfeplanung, persönliche
durchgehende Hilfe, die zudem noch interdisziplinär angelegt und mit relevanten
Hilfeinstitutionen vernetzt ist, versprechen Aussicht auf flexible und unbürokratische
Antworten auf die Herausforderungen durch den Anteil von KokainraucherInnen in
den Drogenszenen. Alters-, Geschlechts- und Ethnospezifik sind dabei zu
berücksichtigen.
Seite 56
7 Fragestellungen für zukünftige Forschungstätigkeit
Im Zusammenhang mit Crack-Konsum in verschiedenen Szenen (klassische
Opiatszene, Jugendliche (Experimentierer), MigrantInnen besteht eine Reihe offener
und dringender Forschungsfragen (Degkwitz/Verthein, 2001, 176). Der
Forschungsbedarf ist insbesondere bei den persönlichen Befragungen der
Schlüsselpersonen erkennbar geworden. Die folgenden Fragestellungen können als
grundsätzliche Forschungsfragestellungen betrachtet werden. Dabei ist grundsätzlich
und zunächst erst einmal festzustellen, daß Befragungen möglich sind (Thane/Thiel
2000), eine Tatsache, die von manchen angesichts des hektischen und
problematischen Lebensstil für äußerst schwierig gehalten wurde. Neben einer
quantitativ ausgerichteten Bestandsaufnahme von Herkunft, Zugehörigkeit und
demographischen Faktoren der KonsumentInnen, deren Inanspruchnahme von
Hilfen, sollten aber auch eher qualitativ, ehtnographisch orientierte Zugangswege
beschritten werden, um mehr Erkenntnisse über individuelle Verhaltensmuster,
Kontrollstrategien, Bewertungen von bestehenden und Wünsche nach weiteren
Hilfeangeboten und subjektive Befindlichkeiten zu erhalten. Erst über diesen Weg so
zeigt die informative Arbeit von Boekhut van Solinge (2001) aus den Niederlanden,
kann die subjektive Bedeutung des Freebase-/Crack-Konsums mit all seinen
Dynamiken und Brüchen eher verstanden werden.
Einige der aus dieser Bestandsaufnahme gewonnenen Forschungsfragestellungen
seien hier stichwortartig aufgeführt:
•
Wie kann der Zugang zu suchtspezifischen Hilfen bei Kokain-/CrackKonsumentInnen weiter optimiert werden (vgl. auch Tossmann/Götz/Tensil
2000, 22)?
•
Im Rahmen der Originalstoffvergabe der wissenschaftlichen Arzneimittelstudie
wird zu prüfen sein, inwieweit der Kokain- und Crack-Konsum bei Erhalt von
Heroin reduziert wird, und ob sich der hohe Rückgang in der Schweizer Studie
zur Originalstoffvergabe bestätigen lässt. Dies ist insbesondere auch
interessant für die Methadonempfänger, die einen nicht unerheblichen Teil
der Crack-KonsumentInnen stellen.
•
Geschlechtsspezifische Aspekte und Besonderheiten des Crack-Konsums im
Rahmen des von Hilfeträgern oft beobachteten autoaggressiven Verhaltens
(bei Mädchen und Frauen) und nach außen gerichteten aggressiven
Verhaltens (bei Männern).
•
Migrations- und kultur- und jugendspezifische Aspekte beim Crack-Konsum
vor dem Hintergrund geringerer Gefahreneinschätzung gegenüber i.v.
Applikationsformen Dies geht einher mit den neuen Zielsetzungen des
Bundesministeriums für Gesundheit (Suchtbericht 2000), in dem ausdrücklich
auf gesundheitsabträgliche Drogenkonsummuster von jungen Aussiedlern
hingewiesen wird. Diese Gruppe wird durch die gegenwärtigen Hilfsangebote
nur unzulänglich erreicht. „Ein deutliches Alarmsignal ist die um das Vierfache
gestiegene Zahl von Drogentodesfällen unter jungen Aussiedlern“.
(Suchtbericht der Bundesdrogenbeauftragten 2000).
Seite 57
•
Vor- und Nachteile des Wirkungserlebens und der Selbstkontrollmuster, um
die Bedeutung, den Sinn und die Funktion von Crack-Konsum verstehen zu
können
•
Ist Crack-Konsum als eigenständiges Konsummuster zu betrachten, oder als
Übergangsphänomen in einen (Misch-)Drogenkonsum?
•
Welche Risikobewertung des Cracks nehmen einzelne KonsumentInnen vor.
Einige Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass „Steine rauchen“
eher verharmlost wird und als „gesündere Alternative zum i.v. Konsum
jeglicher Art betrachtet wird. Welche safer-use - Materialien lassen sich
entwickeln, die sich speziell an die Zielgruppe der Jugendlichen richten?
•
Die Angebotsseite muß stärker erforscht werden, um Praktiken und
Dynamiken des Marktes, und regionale Begrenzungen des Crack-Angebots
und -konsums zu erklären. Wichtig ist die Vernetzung mit der Entwicklung des
Kokainmarktes. Wie verändert das Angebot die Konsumformen und –
frequenzen.
Welche
Auswirkungen
hat
die
Reduktion
des
Pulverkokainangebotes auf den Einstieg in den Konsum rauchbaren Kokains?
Lassen sich Motive auf der Produzentenseite ausmachen, das Angebot
künstlich zu verknappen um den gewinnbringenderen Crack-Handel
auszudehnen („Das Angebot bestimmt die Nachfrage“?)? Wie hat sich der
Verkauf durch minderjährige Verkäufer entwickelt, wie ist die
Abschiebepraxis?
•
Wie haben sich die kokain-/crackbedingten Not- und Todesfälle entwickelt?
•
Welche Anforderungen in Fort- und Weiterbildung stellt dieses Phänomen an
die HelferInnen (Diagnostik, Doppeldiagnosen, De-Eskalationstraining etc.)?
Seite 58
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9. Anhang
9.1. Zum Umgang und Behandlung von Crack-KonsumentInnen
Informationsbesuch in Rotterdam/Amsterdam und London (K.-J. Lange21)
9.1.1.
Beschreibung
Rotterdam
der
besuchten
Einrichtungen
in
Amsterdam
–
und
„Mainline“-Amsterdam
Die Mainline Stiftung ist eine unabhängige freie Organisation, deren Anliegen es ist,
den gesundheitlichen Zustand und die Lebensqualität von Drogenkonsumenten so
weit wie möglich zu verbessern.
Grundlage der auf Schadensminderung abzielenden Aktivitäten ist eine
akzeptierende Haltung gegenüber Drogenkonsum, der nicht a priori als unbedingt zu
unterlassendes bzw. gänzlich aufzugebendes Verhalten aufgefasst wird. Man
versucht, unter Drogenkonsumenten via persönlichen Kontakt und Schriften
Botschaften zu verbreiten, die im wesentlichen aus praktischen Ratschlägen
bestehen, wie das Risiko akuter schädlicher Folgen beim Drogenkonsum verringert
werden kann. Letztlich zielt man auf eine Änderung der Einnahmegewohnheiten in
der Drogensubkultur ab. Dies setzt voraus, dass die „safer use „ Informationen in
einer Weise abgefasst und vermittelt werden, die von der Drogenszene als
bedenkenswert und auch als in der Regel befolgbar angenommen werden. Im
Hinblick auf Heroinabhängige und die sie bedrohende Gefahren beim intravenösen
Spritzen(vor allem HIV/AIDS) ist dies im vergangenen Jahrzehnt weitgehend
gelungen. Es zeigte sich ,dass viele Heroinjunkies „safer use“ Botschaften
annahmen, das intravenöse Spritzen von Drogen hat in Holland deutlich
abgenommen.
Die Ansprechbarkeit für gesundheitsbezogene Botschaften gestaltet sich laut
Mainline bei Crack-Kokainrauchern erheblich schwieriger, bedingt durch Hektik und
Agitiertheit, Paranoia und das besessene Verlangen nach mehr- Erscheinungen, die
diese Szene kennzeichnen und sie von der von Heroinkonsum geprägten Szene zu
Anfang der neunziger Jahre unterscheidet.
21
Dieser Reisebericht des Informationsbesuches wurde von Herrn K.-J. Lange,
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Referat ‚Drogen und Sucht’ in der Behörde für
Arbeit, Gesundheit und Soziales verfaßt.
Seite 64
Das Programm von Mainline für Crackuser, das in Bussen stattfindet, die
regelmässig an Szenetreffpunkten parken, wo Crack gedealt und geraucht wird,
besteht aus folgendem:
• eine kurze, leicht durchzuführende medizinische Untersuchung zu
Grösse/Gewicht, Puls, Körpertemperatur, Blutdruck und Lungenfunktion.
Dem Crackuser werden die Testergebnissen im Vergleich zu den
Durchschnittswerten gesunder Personen mitgeteilt, er wird sozusagen
gezwungen, seinen Gesundheitszustand zur Kenntnis zu nehmen und zu
erfahren, inwieweit und wieso dieser Zustand aus seinem Drogenkonsum
resultiert.
-
-
Ein Fragebogen bzw. strukturiertes Interview, mit dem eruiert wird, inwieweit
und in welcher Hinsicht der Crackuser seinen Konsum noch steuern könnte.
Dabei stellen sich Verhaltensmuster bzw. –regeln heraus, denen der
Crackuser als befolgenswerte Regel zustimmen kann und solche, die er oder
sie vielleicht bereits unbewusst befolgt. Zu solchen Regeln gehört: Setz dir ein
Limit, wieviel Du für Crack-Coke ausgibst! Trag nicht all dein Geld mit dir
herum, du wirst es sonst alles auf einmal in „Base“ umsetzen! Rauche kleine
Pfeifen, keine großen!. Schiebe die erste Pfeife am Tag möglichst lange
hinaus! Nimm dir in der Woche Tage vor, an denen du nicht rauchst! (vgl.
ausführlicher Kapitel 2.4.; H.S.)
Im Gespräch versuchen die Mainline Mitarbeiter die User zu überzeugen, sich
selbst solche Konsumregeln zu stellen, um ein völliges Abstürzen zu
vermeiden. Ihrer Auffassung nach gibt es auch unter Crackrauchern eine nicht
geringe Anzahl, die nicht alle Kontrolle über ihren Konsum verlieren.
Rotterdam Crack- Kokain Projekt
Das sog. „Kokain Programm“ in Rotterdam ist ein experimentelles, d.h.
wissenschaftlich begleitetes niedrigschwelliges, 8 bis 11 Monate dauerndes
Behandlungsprojekt für 85 ausgewählte, chronische Crackraucher, die für
herkömmliche Hilfemaßnahmen schwer zu erreichen bzw. dort herausgefallen sind
oder soziale Fürsorgeinstitutionen überhaupt meiden.
Aufgrund der Tatsache, dass bei Rauchern von Crack-Kokain in der Regel
gravierendere Defekte auftreten als bei Schnupfern von Pulverkokain - sie sind
vermehrt aggressiv, mitunter manifest paranoid psychotisch, haben erhebliches
Untergewicht , Zahnschäden und Lungenschäden - wird bei diesen KonsumentInnen
ein anderer Ansatz als bei der üblichen Drogenhilfe angewandt. Die Klientinnen und
Klienten werden in der Szene angesprochen, teilweise regelrecht namentlich
gesucht, und zur Teilnahme angeregt. Seit Beginn des Projekts im vergangenen Jahr
sind 185 Personen angesprochen worden, 61 nehmen zwischenzeitlich teil.
Ein wesentliches Moment für die Rekrutierung ist, dass sofort praktische Hilfe in
dringenden Belangen angeboten wird. Dadurch kann der Klient oder die Klientin eher
an das Projekt angebunden werden. Allerdings muss diese Klientel vielfach immer
wieder aufs neue aufgesucht und zur Fortsetzung des Kontakts bewogen werden.
Beständigkeit und das Einhalten von Terminen kann bei den meistens hektisch
agierenden Crackusern nicht vorausgesetzt und zugemutet werden. Es kommt
darauf an, sie erst einmal zur Ruhe zu bringen. Daher ist es wichtig, eine
vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und Angebote vorzuhalten, in denen
Seite 65
Klienten , die nach einer Phase exzessiven, mitunter unablässig mehrere Tage
anhaltenden Crackkonsums in ein Stadium völliger Erschöpfung gefallen sind, sich in
ruhiger Umgebung regenerieren können. Derartige Krisenintervention wird in
diversen Kliniken des Projektträgers Boumanhuis geleistet. Die Mitarbeiter des
Projekts halten während dieser Zeit regelmässigen Kontakt zu dem Klienten oder der
Klientin, die sie dorthin vermittelt haben. Eine ständig verfügbare Hilfe ist
Akupunktur.
Die Zentrale des Crack Projekts liegt in einer Seitenstrasse, sozusagen im Hinterhof
von Einzelhandelsgeschäften .Von 8.30 bis 12 Uhr besteht ein freier Zugang für alle
Crackuser, die sich dort nur aufhalten oder unmittelbare praktische Hilfen möchten.
Sollte jemand zu agitiert erscheinen, wird er oder sie zunächst nicht hereingelassen.
Bisher hat es keine aggressiven Akte in der Einrichtung gegeben. Akut psychotisch
erscheinende Klienten werden in psychiatrische Stationen vermittelt, meistens mit
Einwilligung des Betroffenen. Von den Frauen, die kommen, betätigen sich
dreiviertel als Prostituierte, die Männer finanzieren ihren Drogenkonsum vorwiegend
aus Diebstählen und Raub. Viele sind obdachlos.
Nachmittags findet mit den Klienten systematische Einzelfallarbeit statt. Dabei geht
es von Unterkunftsbeschaffung, Erledigung von Amtsangelegenheiten wie
Ausweisausstellung, Sozialhilfe etc. bis zur Einübung von Verhaltensweisen, die zu
einer Verringerung des Crackkonsums führen. Immerhin wollen etwa ein Drittel der
Teilnehmer vom zwanghaften Crackkonsum loskommen.und „clean“ werden. Eine
wesentliche Bedingung, um dieses Ziel zu erreichen, ist ein Kontrakt mit den
Mitarbeitern, wonach der Klient diesen sein Geld aushändigt und sich pro Tag nur
vorher festgelegte Beträge auszahlen lässt. Diese Budgetierung wird in aller
Konsequenz durchgehalten und kann nicht durch eine einfache Forderung
rückgängig gemacht werden.
Bei allen Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation erscheint wichtig,
dass die Mitarbeiter den Probanden bei den notwendigen Gängen und Prozeduren
konsequent begleiten und nicht nur mit der Erledigung beauftragen. Auch ist wichtig,
dass von Seiten der Mitarbeiter alle Termine und Vereinbarungen strikt eingehalten
werden, einmal Zugesagtes darf nicht ausfallen, selbst wenn die Klienten in ihrer
flüchtigen und unzuverlässigen Art
nur gelegentlich erscheinen. Dies fördert die Gewissensbildung .
Da das Projekt, d.h. die vergleichende Evaluation mit einer gleichgroßen
Kontrollgruppe, die nur herkömmliche Einrichtungen für Drogenabhängige in
Anspruch nehmen kann, noch nicht beendet ist, können noch keine validen
Aussagen über das Ausmaß an Erfolge und Nichterfolg gemacht werden. Nach
Auffassung der Mitarbeiter gibt es jedoch spürbar erhebliche Veränderungen, die auf
einen stabilisierten Crackkonsum und eine soziale Verbesserung hinweisen.
9.1.2. Beschreibung der besuchten Einrichtungen in London
Community Drug Project – Crack Service
Das Community Drug Project (CDP) ist eine freie Trägerorganisation, die seit ca.
dreissig Jahren Hilfen für Personen mit Drogenproblemen in Süd London anbietet.
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Spezielle Einrichtungen für Personen, die Probleme im Zusammenhang mit
Crackkonsum haben, wurden notwendig, als sich herausstellte, dass diese
Menschen in herkömmlichen Drogenberatungsdiensten, die sich bis 1995
hauptsächlich mit Opiatabhängigen befassten, kaum behandelbar war.
Crackabhängige sind anders als Heroinabhängige, ihr Verhalten ist „schneller“,
flüchtiger und dramatischer, sie zeigen kaum Stabilität. Überdies besteht eine
Neigung, sich im Selbstverständnis von Heroinjunkies abzugrenzen , dabei neigen
Crackuser viel eher zum Kontrollverlust über ihren Konsum als Opiatuser, die für
gewöhnlich mit 1 bis 3 Injektionen pro Tag auskommen. Die Klienten, die zum CDP
kommen rauchen hingegen um die 20 „rocks“ pro Tag. Nach Auffassung der
Mitarbeiter ist beim Crackrauchen im Unterschied zum Schupfen von Kokain in
Pulverform ein kontrollierter Konsum kaum möglich. Man rät prinzipiell zum
Aufhören. Leider sei in Jugendszenen zu beobachten, dass ein Teil der an
Drogenkonsum interessierten Jugendlichen bis 20 Jahre wenig Hemmungen haben,
Kokain und auch Crack zu versuchen; mitunter wird dies als weniger schädlich als
Ecstasy empfunden.
Das durchschnittliche Alter der Klienten, die zum CDP kommen liegt bei Ende
zwanzig. Etwa ¼ der Klienten geht noch einer Arbeit nach, allerdings geht das
Einkommen sämtlichst für den Erwerb von Crack drauf. Für 14 bis 20 jährige
Jugendliche steht eine spezielle Mitarbeiterin zur Verfügung, ebenso gibt es spezielle
Mitarbeiter für Klienten aus ethnischen Minderheiten., rund 50 % sind nicht britischer
Herkunft.
In der Regel kommen die Klienten während bzw. aufgrund einer persönlichen Krise
zum Projekt, z. B. wegen der Erkenntnis, jede Steuerungsfähigkeit über den Konsum
verloren zu haben und/oder wegen Depressionen und Wahnvorstellungen in Folge
exzessiven Konsums
Viele haben vorher versucht, ohne professionelle Unterstützung aufzuhören, was
nicht gelang.
Daher sind die meisten Hilfesuchenden hoch motiviert, den Konsum ganz
aufzugeben.
Es kommt vor, dass der Kontakt zu der Einrichtung über die Polizei zustandekommt.
Mitarbeiter des CDP sind im Rahmen von Initiativen zur Kriminalitätsvorbeugung in
sieben Revierwachen der Region Süd London tätig. Sie beraten und vermitteln
Drogenkonsumenten, die wegen des Besitzes von gefährlichen Drogen wie Heroin,
Kokain, Amphetamine (sog. Class A Drogen) in Polizeigewahrsam genommen
wurden.
Die Einrichtung ist von montags bis freitags von 9.30 - 17.00 Uhr geöffnet. In den
Vormittagsstunden finden die verabredeten therapeutischen Sitzungen und
Behandlungen mit Akupunktur und Shiatsu Massage auf individueller Basis statt.
Diesen komplementären Therapien wird eine besondere Bedeutung zugemessen,
sie helfen beim Bemühen um Zügelung des Verlangens nach Crack und um
allgemeine Entspannung. Auch besondere Kräutertees werden empfohlen. Diese
Angebote entfalten ihre Attraktivität besonders während der allgemeinen „drop in“
Stunden nachmittags von 14 – 17 Uhr, in denen die Einrichtung für jedermann
geöffnet ist und die Mitarbeiter in einer freundlichen Atmosphäre für unverbindliche
Gespräche und Informationen zur Verfügung stehen. Vielfach geht es darum, den
Crackusern zu erläutern, was die Droge bei ihnen bewirkt und wodurch ihr Problem
bedingt ist. Bei gereizten Klienten ist es meistens möglich, diese durch Zureden zu
Seite 67
beruhigen und aggressives Ausagieren zu verhindern. Nach den Erfahrungen des
CDP Teams sind stationäre Entzugsbehandlungen bei Crackusern im allgemeinen
nicht notwendig.
Worauf es ankommt sind Angebote und ein gewisses Geschick, die Klientin oder
den Klienten „bei der Stange“ zu halten, das Bemühen um Veränderung zu erhalten
und zu stärken.
Die Standard-Vorgehensweise bei entwöhnungswilligen Klienten besteht aus 6
intensiven Sitzungen: zwei zur Motivationsstärkung, zwei über Möglichkeiten zur
Bewältigung des heftigen Verlangens nach Drogen („Craving“) und zwei über
Vorbeugung von Rückfällen. Ziel ist eine Stabilisierung und die Vermittlung in
weiterführende Behandlung. Die Sitzungen folgen Protokollen, die sich in der
Suchtbehandlung als wirksam erwiesen haben. Zunächst werden die Gründe
herausgearbeitet, warum der Klient etwas verändern möchte und versucht, eine
gewisse Veränderungsbereitschaft zu erzielen. Dann werden Ambivalenzen und
Widerstände exploriert und schließlich ein Veränderungsplan entworfen. Bei den
Sitzungen zurm „Craving bewältigen“ wird den Klienten geholfen, Empfindungen und
Gefühle als Craving zu identifizieren, Auslöser zu erkennen und cognitive
Reaktionen bzw. offene Handlungen zu üben, die das Verlangen schwächen und
nicht mehr als unbezwingbar erscheinen lassen. Bei der Rückfallprävention geht es
um ein Programm bzw. um ein Training von Verhaltensweisen und Gedanken in
Situationen, in denen früher Drogen konsumiert wurden, um die Bewältigung von
Angst- und Panikattacken und um Möglichkeiten zur Änderung des Lebensstils.
Als Erfolg der Bemühungen des CDP Crack Service wird angesehen, wenn die
Klienten die 6 Sitzungen mitmachen, eine Stabilisierung berichten und/oder sich in
eine weiterführende Behandlung, z. B. in eine stationäre Therapeutischen
Gemeinschaft oder zur Fortführung ambulanter Therapie in eine andere Einrichtung
vermitteln lassen.
Marina House Stimulant Clinic
Marina House ist ein Ambulatorium für Drogenabhängige des nationalen britischen
Gesundheitsdienstes, es gehört zum großen Londoner Maudsley Hospital Trust,
dem auch das renommierte nationale Suchtforschungszentrum angegliedert ist . Die
Ambulanz ist in zwei Abteilungen untergliedert: eine für Opiatabhängige, die dort in
der Regel mit Methadon substituiert werden, in seltenen Fällen auch Heroin
verschrieben erhalten und, seit drei Jahren, eine Abteilung zur Behandlung von
Konsumenten bzw. Abhängigen von Zentralstimulanzien. Die Abteilung wurde
eingerichtet aufgrund der Beobachtung -- dies gilt für alle derartigen
Spezialeinrichtungen -- dass trotz eines erheblichen Anstiegs des Konsums von
Amphetaminen, Kokain und Crack- Kokain und der damit verbundenen Probleme
diese Konsumenten kaum bei den herkömmlichen Drogenberatungs-und
Behandlungsdiensten auftauchten. Dies hatte folgende Gründe:
- Konsumenten von Zentralstimulanzien glauben oft von sich, dass sie „die
Sache im Griff haben“, da sie nach gelegentlichem Exzesskonsum eine
gewisse Zeit nichts nehmen.
Seite 68
-
Stimulanzkonsumenten glauben, dass Drogeneinrichtungen letztlich nur für
Heroinabhängige geschaffen seien, mit denen man kaum etwas gemein habe.
Stimulanzkonsumenten bezweifeln, dass sie bei Drogeneinrichtungen etwas
erhalten können , was ihnen hilft, da es so etwas wie ein
Substitutionspräparat nicht gibt.
Nach Auffassung der Mitarbeiter muss die ambulante Behandlung von
Stimulanzabhängigen, die im wesentlichen auf psychologischen
Erkenntnissen und Techniken der cognitiven Verhaltenstherapie beruht,
kompakt sein. Die Klienten kämen meistens wegen einer sozialen Krise, bei
der sich der Bezug zum Drogenkonsum nicht mehr verleugnen lässt. Erstes
Ziel sei, sie überhaupt in Behandlung halten zu können. Wichtig sei, dem
Klienten verständlich zu machen, durch welche neurologischen und
psychologischen Vorgänge sein momentanes Problem entstanden sei. Ihm
oder ihr sollte auseinandergesetzt werden, wie es kommt, dass man, obwohl
man doch eigentlich wegen der erlebten unangenehmen Folgen genug hatte
und aufhören wollte, doch plötzlich wieder von einem heftigen Verlangen nach
der Droge (Craving) überfallen wird. und welche Gedanken zum erneuten Griff
z. B. nach Crack hinführen.
Die meisten Klienten sind um die 30 Jahre alt und konsumieren Crack seit 3
bis 4 Jahren.
Im Unterschied zu den eher szenenahen Einrichtungen freier Träger wie dem
Crack Service des Community Drug Projects (CDP) und dem Blenheim
Project gibt es im Marina House kein „drop in“ Angebot, bei dem sich
Betroffene unverbindlich einige Stunden in der Einrichtung aufhalten können.
Marina House arbeitet nach Therapie Manualen, die vom amerikanischen National
Institute on Drug Abuse zur Rückfallprävention bei Kokainabhängigkeit entwickelt
worden sind und sich in den USA bewährt haben. Thematisch geht es um das
Erkennen und das Bewältigen von riskanten Situationen, um das Erkennen eigener
fehlerhafter Gedanken und Rationalisierungen und das Einüben von gedanklichen
Gegenreaktionen und Alternativhandlungen bei Cravingattacken.
Die Arbeit des Marina House wird vom nationalen Suchtforschungszentrum
wissenschaftlich begleitet. Die Wirksamkeit der ambulant angewandten
psychologischen Verfahren wird optimistisch eingeschätzt.
Blenheim Project22
Das Blenheim Project ist eine freie Einrichtung ,die seit über dreissig Jahren
Aufklärung und Hilfen für Personen mit Drogenproblemen im Londoner Stadtteil
Notting Hill anbietet. Anfang 1995 gehörte das Blenheim Projekt zu den ersten
Drogenhilfeeinrichtungen, die ambulante Behandlungsansätze , speziell für CrackKokainkonsumenten, entwickelten. Es ist heute die einzige Einrichtung in
Großbritannien, die ein „Crack Day Programme“, ein kompaktes 12 wöchentliches
ambulantes Behandlungsprogramm, 5 Tage in der Woche, pro Tag 5,5 Stunden,
durchführt.
22
Vgl. „What the crack? For Professionals. About the Blenheim Project London (Selbstverlag)
Seite 69
Die Rekrutierung für dieses Programm erfolgt nicht nur durch die „drop in“
Zeiten(montags bis freitags von 13 bis 16 Uhr, dienstags zusätzlich von 18-19 Uhr) in
denen Drogenkonsumenten unverbindlich hereinschauen dürfen und mit Mitarbeitern
sprechen können, sondern auch über Beratungskräfte, die in Revierwachen und in
Haftanstalten tätig sind. Grundlage ist die „drug testing treatment order“, eine Art
Bewährungsauflage für Drogenkonsumenten.
Das „Drop in“ erhält durch das unverbindliche Angebot verschiedener Formen
alternativer Medizin wie Akupunktur, Shiatsu Massage, Bowen Berührungstherapie,
Aromaöle und Kräutertees eine besondere Atmosphäre, die für Crackuser attraktiv
ist, weil sie in Krisensituationen Entspannung und Beruhigung verspricht. Als wichtig
wird erachtet , dass die Klienten umfassend informiert werden, welche Folgen die
Droge in den Hirnfunktionen bewirkt und was sie ihrem Organismus insgesamt
antun.
Will ein Crackuser das Angebot der Einrichtung über Tipps zur Schadensbegrenzung
und Hilfen bei den cracktypischen Krisenzuständen in Anspruch nehmen, erfolgt
über drei bis fünf Tage eine intensive Exploration (assessment) über Gewohnheiten,
Bezugspersonen, biografische Ereignisse und Motive zum Aufhören. Vielfach fühlen
sich Probanden nach einigen Tagen besser, aber gerade das lässt sie in der
Behandlungsmotivation schwanken. Erscheint ein Klient nach dem assessment
einigermaßen stabil, wird er für das weiterführende Behandlungsprogramm
akzeptiert.
Durch das intensive Befassen mit den Gewohnheiten und den sie
aufrechterhaltenden Bedingungen, durch Entspannungsübungen und das Einüben
konträrer Verhaltensweisen, durch das allmähliche Lernen, sich auch ohne Drogen
gut zu fühlen bzw. Lust zu empfinden soll der für Crack- und Kokainkonsum
typische Zyklus ( Konsum – Erschöpfung –Erholung – erneutes Verlangen)
durchbrochen werden. Besonders gearbeitet wird an Möglichkeiten, das Aufsteigen
des Verlangens und die damit einhergehenden Rationalisierungen bzw.
Rechtfertigungen zu bewältigen.
Nach der 12 wöchigen Kompakttherapie aus Kursen zur Rückfallprävention,
allgemeinen Lebensproblemen mit Rollenspielen und Gruppenaktivitäten findet
einmal wöchentlich auf unbegrenzte Zeit eine individuelle Nachsorge statt. Die
Angebote der alternativen Medizin begleiten das gesamte Programm als
Komplementärtherapie.
Die Klienten sind meistens um die dreissig Jahre alt. Die Quote derer, die das
Programm vollständig absolvieren liegt bei 50%, davon sollen viele vom Crack und
Kokain vollständig losgekommen sein.
Die Behandlung kostet pro Person pro Woche etwa 200 Pfund.
City Roads – Crisis Intervention
Die stationäre Kriseninterventionseinrichtung City Roads existiert seit 1978 und hält
17 Betten für Opiat Konsumenten und Konsumenten von Kokain, Crack und
Amphetaminen vor( jedoch nicht für Personen, die hauptsächlich Ecstasy nehmen).
Aufgenommen werden Drogenabhängige über 17 Jahre, deren Leben derartig
chaotisch geworden und deren Drogenkonsum so ausser Kontrolle geraten bzw.
riskant ist, dass ein mehrtägiger Aufenthalt in einer sicheren und verständnisvollen
Umgebung angezeigt ist. Aufgenommen werden auch an Aids , Hepatitis und
anderen Krankheiten leidende Drogenabhängige, soweit kein Krankenhausaufenthalt
Seite 70
notwendig ist. Crackabhängige Schwangere können aufgenommen werden,
hingegen keine schwangeren Frauen, die primär opiatabhängig sind.
Die Klienten und Klientinnen (60%sind männlich) bewerben sich zum großen Teil
selbst – der Telefondienst ist jeden Tag rund um die Uhr besetzt – ein anderer Teil
wird von ambulanten Einrichtungen wie dem Blenheim Project oder dem Community
Drug Project
überwiesen. Möglichst innerhalb von 18 Stunden kommt ein
persönlicher Kontakt zustande. 20% der Aufnahmesuchenden haben vorher noch
keinen Kontakt zu irgendwelchen Drogenhilfeeinrichtungen gehabt, 32 % haben
keine ärztliche Behandlung in Anspruch genommen.
Es gibt keine Warteliste, im allgemeinen können die Bewerber kurzfristig oder nach
wenigen Tagen aufgenommen werden. Die Klienten können bis zu 21 Tagen
bleiben, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt bei 14 Tagen. In dieser Zeit
besteht Gelegenheit, zu entgiften, Funktionen wie Schlaf- Wach Rhythmus und
Ernährung zu stabilisieren und mit den Mitarbeitern die aktuelle Befindlichkeit und
mögliche, aus der Krise herausführende Perspektiven, zu beratschlagen. Im
Vordergrund stehen dabei meistens praktische Ratschläge zur Schadensbegrenzung
(harm reduction), viele Klienten sind noch nicht soweit, dass sie mit dem
Drogenkonsum ganz aufhören wollen. City Roads sieht sich nicht als therapeutische
Gemeinschaft von zum Aufhören entschlossenen Drogenkonsumenten . In dem
Sinne gezielte
tiefenpsychologische Therapie findet nicht statt, jedoch
unterstützende psychologische Gespräche und komplementäre Therapien aus der
alternativen Meditin (Akupunktur, Massagen) zur Bewältigung von heftigem
Dogenverlangen(Craving).
Ein passives Herumhängen, etwa morgens nicht aufstehen , ist untersagt, die
Klienten müssen an angesagten Aktivitäten teilnehmen. Die Klienten werden
angehalten, im Umgang miteinander, Mässigung zu üben. Bei extremen
Stimmungsschwankungen und paranoischen Vorkommnissen werden milde
Tranquilizer in geringen Dosierungen gegeben. Im Jahr 1999 hatten 58% der
Crackuser, die zu City Roads kamen, über Gewaltbedrohung berichtet, 30% hatten
bereits Kontakt mit psychiatrischen Diensten gehabt.
Von den Klienten, die länger als 10 Tage geblieben sind, schätzen 85% bei der
Entlassung ihre Zukunft besser ein. 84% der Klienten verlassen das City Road Haus
mit einer Vermittlung in eine weiterführende Einrichtung. Viele gehen anschliessend
in eine stationäre Entwöhnungsbehandlung wie z.B. Phoenix House.
Seite 71
Phoenix House- Featherstone Lodge
Phoenix House existiert seit 30 Jahren und ist eine stationäres
Rehabilitationseinrichtung (Therapeutische Gemeinschaft ) für Drogenabhängige.
Vergleichbare Einrichtungen gibt es seit den siebziger Jahren auch in Deutschland,
in Hamburg sind dies die therapeutischen Gemeinschaften der Träger „Jugendhilfe“,
„Jugend hilft Jugend“, „Frauenperspektiven“ und „Therapiehilfe“.
Der Aufenthalt im Phoenix House beträgt 6 Monate. In dieser Zeit haben die
Klienten die Möglichkeit, ihr Leben von Grund auf neu zu gestalten, indem in einem
strikt strukturierten Tagesprogramm konstruktive Lebenstechniken gelernt werden.
Nach der Aufnahme (die in der Regel nach einer klinischen Entzug bzw. nach einer
stabilisierenden Vorbereitung durch „street agencies“ wie dem Crack Service des
Community Drug Projects oder dem Blenheim Project erfolgt) wird der Klient /die
Klientin einem Bezugstherapeuten (key worker ) zugeteilt, der eine umfassende
psycho-soziale Diagnose erarbeitet, gemeinsam mit dem Klienten einen
Therapieplan zu den Bereichen entwirft, in denen der Klient besonderer
Hilfestellungen bedarf und mit ihm/ihr individuelle Ziele festlegt. In der ersten Phase
des Behandlungsprogramms werden den Klienten in themenzentrierten Sitzungen
intensiv Hilfen angeboten, die sie befähigen , alle Lebensbereiche zu erforschen, die
einen Bezug zu ihrem Drogenkonsum haben und erste Lösungsmöglichkeiten zu
erkennen. Gebrauch gemacht wird auch von Yoga, Entspannungstechniken und
Akupunktur.
Während der zweiten Phase wird Gelegenheit gegeben, zusehends unabhängiger
persönliche Lebensweisen zu entwickeln und zu erproben und sich in Richtung eines
Neuanfangs zu bewegen. Dabei erhalten die Klienten fortgesetzt Unterstützung bei
der Überwindung von emotionalen und praktischen Schwierigkeiten.
Nach den 6 Monaten können die Klienten an den Programmen des Trägers zur
Berufsausbildung, zur Arbeitsbeschaffung und zum betreuten Wohnen teilnehmen.
Nach Auffassung des Personals und bereits rehabilitierter Exklienten ist diese Art
stationärer Therapie sowohl für primär Opiatabhängige als auch für primär Kokainbzw. Crackabhängige geeignet. Letztlich sei der Lebensstil und der Hintergrund
gleich. Ohnehin würden fast alle Drogenabhängigen mehrere Drogenarten nehmen,
heutzutage zu 90% auch Crack.
Besondere Schwierigkeiten habe man mit primären Crackusern nicht. Phoenix
House böte allen langjährig Drogenabhängigen, die sozial und mental
heruntergekommen seien und sich nach einem anderen Leben sehnen, eine
Zukunft. Die alten Gewohnheiten würden hinterfragt und es käme zu einem
Wertewandlungprozess.
Bei katamnestischen Untersuchungen habe sich ergeben, dass 57% der
Therapieabsolventen sechs Monate nach Beendigung des Programms drogenfrei
und sozial integriert seien.
Seite 72
9.2. Adressen
Frankfurt
Stadt Frankfurt
Drogenreferat
Regina Ernst
Jürgen Weimer
Walter-Kolb-Str. 9-11
60594 Frankfurt am Main
[email protected]
La Strada/Frankfurter AIDS-Hilfe
Jürgen Klee
Mainzer Landstr. 93
60329 Frankfurt
T.: 069/231020
Drogenhilfezentrum
Werner Heinz
Bleichstr. 20
60325 Frankfurt
Tel.: 069 91 30 300
Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Dr. H.H. Körner
Friedrich-Ebert-Anlage 35
60327 Frankfurt am Main
T.: 069 1367 01
F.: 069 1367 8468
WALK MAN
Kommunale Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Frankfurt
Grosse Friedberger Str. 33-35
60313 Frankfurt am Main
Crack-Street-Projekt
LA STRADA
Mainzer Landstr. 93
60329 Frankfurt a.M.
Hamburg
„Drogen und Sucht“ - BAGS Hamburg
Referat Drogen und Sucht Behörde für Arbeit, Gesundheit und
Soziales Amt für Gesundheit
K.-J. Lange
Tesdorpfstrasse 8
D - 20148 Hamburg
040 428 48 2074 bzw. 2075
Seite 73
[email protected]
Drogenbeauftragte der Freien und Hansestadt Hamburg
Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Frau Christina Baumeister
Tesdorpfstr. 8
20148 Hamburg
DROB INN
Kurt-Schumacher-Allee 42
20097 Hamburg
[email protected]
[email protected]
Berlin
Drogenbeauftragte des Landes Berlin
Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport
Frau Elfriede Koller
Beuthstr. 6-8
10117 Berlin
KOKON
Verein für ambulante Drogentherapie e.V.
Wolfgang Götz
Obentrautstr. 57
10963 Berlin
Tel.: 030 217 3970
BOA
Jugend- und Drogenberatung Tiergarten
Zwinglistr. 4
10555 Berlin
Landeshauptstadt Hannover
Gesundheits- Jugend- und Sozialdezernat
Dezernat D
Alfred Lessing
Trammplatz 2
30159 Hannover
Alfred Lessing
T.: 0511 168 464 41
F.: 0511 168 463 63
Stichting Mainline
Postbus 58303
NL-1040 HH Amsterdam
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[email protected]
T.: ++31 20 68 22660
F.: ++31 20 68 13003
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