Pracht am main
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Ton | Test: High-End-5.0-Surround-Set Holger Müller hat nicht nur in Physik aufgepasst, er hat bei German Physiks die im test High-End-5.0-Surround-Set German Physiks movie three € 18.000 Highlight Autor: Stefan Schickedanz // Redaktion: Holger Biermann // Bilder: Josef Bleier, Hersteller Man spricht Deutsch 62 Wissenschaft zum Programm gemacht. Mit dem einzigartigen DDD-Rundumstrahler verspricht er Surround-Fans ein unvergleichliches 360-Grad-Vergnügen. W ir Deutschen sind groß darin, bestehende Konzepte bis zum Exzess zu perfektionieren. Wenn es um Querdenken und Aufbrüche zu neuen Ufern geht, hängen uns andere ab. So musste etwa MP3 erst im Ausland Karriere machen, um via iPod endlich zu Hause Fuß zu fassen. Der Maintaler Unternehmer Holger Müller kann ein Lied davon singen. Wenn er seine einzigartige DDD-Technik (Dicks Dipole Driver, siehe Kasten Seite 66) für omnidirektionale Schallabstrahlung erläutert, schwankt der Hesse zwischen reichlich Stolz und ein wenig Wehmut. Er kann stets neue Auszeichnungen im Ausland anführen, doch im Inland blieb ihm eine vergleichbare Anerkennung bisher verwehrt. „Gerade im Handel herrscht die Meinung vor, Rundumstrahler wären diffus“, wundert sich der Querdenker. Dabei hat German Physiks gerade mit großem Einsatz und Materialaufwand alles in seiner Macht stehende unternommen, um diesem Killer-Argument zu begegnen. So besteht die Membran des DDD-Wandlers im Set aus den Standboxen Unlimited MK II (als Ultimate mit Polyester-Oberfläche erhältlich) und den kompakten PQS100 Plus für die Center- und Rear-Kanäle nicht mehr aus Titanfolie, sondern aus hauchdünnem Karbon, mit dessen Hilfe Phantomschallquellen sehr präzise Gestalt annehmen. Die perfekte 360-Grad-Abstrahlung, die diese Breitband-Chassis in der Horizontalen erreichen, bietet sich für Surround-Anwendungen nicht nur an, sie drängt sich sogar förmlich auf. So lässt sich eine gleichmäßige Schallverteilung im ganzen Raum erzielen. Zudem verfügen sämtliche Boxen des 18.000 Euro teuren German-Physiks-Sets nicht nur über die gleichen Treiber für den Mittel- und Hochtonbereich. Sie weisen auch identische Abstrahlcharakteristiken auf. Spätestens darin unterscheiden sie sich von dem, was allgemein üblich ist. Durch andere Anordnungen der MittelHochton-Chassis in Mehr-Wege-Systemen weichen dagegen üblicherweise insbesondere die Front- und CenterLautsprecher vom Rundstrahlverhalten ab und oft sogar die Rear-Speaker, wenn es sich etwa um Dipole handelt. Science Fiction Damit verspricht German Physiks in der Theorie eine äußerst räumliche Performance und verringert den Einfluss der Sitzposition auf das räumliche, aber auch das tonale Hörerlebnis gegenüber konventionellen Lautsprechern sehr deutlich. Das gilt ganz besonders für jene, die mit ihrem Heimkino-System ebenfalls Stereo in bester Qualität genießen möchten, sich aber nicht dem Diktat des Stereo-Dreieicks beugen wollen. Die futuristisch anmutenden Pilze auf den durch Sandwich-Bauweise und Kammern mit Metallkügelchen ruhig gestellten Tieftongehäusen der German-Physiks-Boxen tragen in ihrem Kopf alle Zutaten eines typischen Konus-Chassis: einen elektrodynamischen Antrieb mit Magnet, Schwing spule und Zentrierspinne. In der Tat macht der DDD-Treiber auch bei niedrigen Frequenzen eine kolbenförmige Mebranbewegung und folgt am unteren Ende seines Arbeitsbereichs den nach den Nachnamen ihrer Entdecker benannten Thiele-Small-Parametern, die das Verhalten eines federartigen Schwingsystems festlegen. Doch bei höheren Frequenzen passiert das, was Konstrukteure bei Lautsprechern gewöhnlich durch möglichst steife Membranen vermeiden wollen: Sie brechen auf. Das heißt: Sie folgen nicht mehr als Ganzes der Bewegung der Schwingspule. Doch die nur 0,15 mm dünne Kohlfaser-Folie des DDD-Wandlers ist sehr weich gehalten, um kontrollierte Partialschwingungen zu hohen Frequenzen hin zu ermöglichen. In diesen Schwingungsmoden steckt das Geheimnis zur gleichmäßigen 360-GradSchallabstrahlung über den gesamten Arbeitsbereich des Breitbänders, der genau genommen ein einteiliges ➜ Pracht am Main Hinter German Physiks steht der audiophile IT-Fachmann Holger Müller, der bereits mit seinem Unternehmen Mainhattan Acoustic internationale Erfolge verbuchen konnte. Anfang der 90er-Jahre kam der Hesse mit dem Mathematiker Peter Dicks zusammen, der in den 80er-Jahren den Prototypen eines Rundumstrahlers entwickelt hatte. Dessen grundlegende Konstruktion basierte auf dem legendä ren, in den Ohm-F-Lautsprechern eingesetzten Walsh-Wandler – entwickelt vom Amerikaner Lincoln Walsh – und wurde schließlich von Müller lizenziert und von der neue gegründeten Firma German Physiks zur Serienreife gebracht. 1992 kam der erste Lautsprecher mit DDD-Wandler in den Handel: der Borderland. video-magazin.de | 08_2014 63 Ton | Test: High-End-5.0-Surround-Set Unbreakable Höchste Bauteilequalität von deutschen Zulieferern und Top-Verarbeitung sind für German Physiks Ehrensache. Mehr-Wege-Chassis ohne die übliche elektronische Frequenzweiche ist. Dagegen bündeln konventionelle Kolbenhub-Chassis den Schall zu hohen Frequenzen hin immer stärker und patzen, wie sich im Messlabor regelmäßig zeigt, zum großen Teil trotz Arbeitsteilung schon bei seitlichen Winkeln von weniger als 30 Grad. Weil das DDD-Prinzip, das bis über 20 kHz hinauskommt, am unteren Bereichsende spätestens bei knapp über 100 Hz an seine Grenzen stößt, stellt German Physiks den Wunder-Wandlern konventionelle Bässe zur Seite. Die strahlen passend zur omnidirek tionalen Auslegung die ganze Schallenergie nach unten ab. Im Boden der knapp über einen Meter hohen Unlimited sitzt ein 20-cm-Tieftöner, der von einer aufwendigen Frequenzweiche unter 200 Hz ins Spiel gebracht wird. In den kompakten PQS-100 Plus setzt German Physiks einen 15er-Bass ein. Da die extrem spacige, mit ihrem Karbon-Furnier hochwertig wirkende Zwei-Wege-Box weder Füße noch Spikes hat, muss sie an die Wand gehängt werden. Dieser Aufstellung trägt auch ihre Abstimmung im Bass Rechnung. Wer der Statik seiner Wände nicht traut, kann sie auch auf Ständer (für 700 Euro) stellen. Was den DDD-Wandlern allerdings sehr entgegenkommt, ist weniger die moderate Größe als vielmehr eine schwache Bedämpfung des Hörraums. Weil der Rundumstrahler seine Schall e nergie gleichmäßig in alle Richtungen verteilt, verpufft ein Großteil davon, wenn die umliegenden Wände und Einrichtungen nicht viel davon wieder reflektieren. Dafür spricht der geringe Wirkungsgrad im schalltoten Raum, der laut Labor rund 10 dB unter dem von konventionellen Lautsprechern liegt, was allerdings in halligen Räumen relativ zu sehen ist. Hervorragende Räumlichkeit Im Hörtest konnte das Boxen-Quintett unsere Erwartungen in Sachen Räumlichkeit nicht nur erfüllen, es übertraf diese sogar deutlich. Nie zuvor stellte sich im video-Hörraum eine derart gleichmäßige Schallverteilung ein. Wo man Platz nahm, spielte dabei keine Rolle. Besonders beeindruckend war nicht nur der perfekte, gleichmäßige Übergang zwischen Front und Center. Gerade auch an der völlig lückenlosen Ankopplung von vorne und hinten zeigte sich die besondere Klasse des deutschen Dreamteams. So konnten sich Phantomschallquellen endlich frei und klar definiert in allen Himmelsrichtungen bewegen – und die Zuhörer auch, ohne dass das Klangbild in sich zusammenfiel. Gegenüber konventionellen Boxen ließen sich die Instrumente, Stimmen und Geräusche wie im echten Leben leichter mitverfolgen. Zudem profitierten vor allem Streicher von der DDD-Darbietung: Sie atmeten förm- lich auf, wirkten weniger gepresst. Das galt auch für Umweltgeräusche, etwa wenn eine Filmszene in New York spielte. Die Germans zeigten eine spezielle Art von Authentizität, die nichts mit Frequenzgang zu tun hat. Weiterhin fiel die extreme Plastizität von Stereo-Aufnahmen mit klaren Konturen auf – von wegen diffus. Schaut man bei sehr guten konventionellen Boxen, ob der Center mitläuft, ist man geneigt, bei der Unlimited MK II sein Ohr prüfend an die SurroundBoxen zu halten. So plastisch kamen nicht nur die Q-Sounds von Roger Waters‘ Album Amused To Death aus den Boxen, sondern auch gute Live-Aufnahmen. Der Bass reichte abgrundtief hinab, hätte aber im Oberbass etwas mehr Volumen vertragen dürfen. Im Surround-Betrieb übernahmen die als Vollbereichsboxen eingesetzten PQS-100 Plus diese Aufgabe durch Auffüllen der Lücke. In Stereo allein auf sich gestellt, wirkte diese Abstimmung jenseits der Klassik etwas zugeschnürt. Auch Stimmen haftete ungeachtet der perfekten Verständlichkeit in bestimmten Tonlagen ein leichter, heller Beigeschmack an. In puncto Neutralität, Hochtonauflösung und Sauberkeit erfordert die Erzeugung unlimitierter Räumlichkeit Zugeständnisse. Die Physik lässt sich eben auch nicht von Ingenieurskunst überlisten. Doch dieses einzigartige Set versteht es, die Grenzen beeindruckend zu erweitern. ■ Cone Heads: der DDD-Wandler Der DDD-Wandler (Dicks Dipole Driver) entstand in Zusammenarbeit von German Physiks mit dem Mathematiker Peter Dicks. Was aussieht wie ein senkrecht stehender Konus-Treiber ist in Wirklichkeit eine kleine technische Revolution. Während sich ein konventioneller Konus nur kolbenförmig bewegt und damit den Schall in Abhängigkeit von seinem Membrandurchmesser gerichtet abstrahlt, bedient der ab einer gewissen Frequenz als Biegewellstrahler arbeitende DDD-Wandler 360 Grad mit der gleichen Schallverteilung. Dieses perfekte Rundstrahlverhalten gleicht dem von akustischen Musikinstrumenten und befreit vom Stereo-Dreieck. Im SurroundSystem ergibt sich eine optimale Schallverteilung, weil alle Lautsprecher des German-Physiks-Systems die gleiche Abstrahlcharakteristik aufweisen. Je nach Auslegung und Material – inzwischen ersetzt eine 0,15 mm starke Karbonfolie 0,025 mm dickes Titan – arbeitet der DDD im Bereich zwischen 120 und 24 kHz. Eine Frequenzweiche ist lediglich zum Abtrennen vom konventionellen Konus-Bass vonnöten. 64 Testergebnisse „Hängt ihn höher!“ Hersteller Modell Preis Das Motto des Western-Klassikers gilt auch für die PQS-100 Plus. Zur Unterstützung des DDD-Chassis kommt ein Downfiring-Bass zum Einsatz. Es gibt aber auch einen Ständer. German Physiks Movie Three 18.000 Euro Klangqualität (max. 900 Punkte) sehr gut (89%)804 Natürlichkeit (100)85 Auflösungsvermögen (100)86 Sprachverständlichkeit (100)89 Räumliche Abbildung (100)100 Spielfreude (100)80 Basspräzision (100)90 Tiefgang (100)89 Pegelfestigkeit (100)85 Set-Harmonie (100)100 Ausstattung (max. 80 Punkte) sehr gut (88%) 70 Verarbeitung (max. 240 Punkte) überragend (94%) 225 Anmutung (120)110 Material (120)115 Gesamt (max. 1220 Punkte)1099 Testurteil: überragend (90 %) Preis/Leistung: sehr gut Daten und Messwerte Internetwww.german-physiks.com Daten & Fakten Front (B x H x T) / Gewicht 24 x 105 x 24 cm / 28,9 kg Center (B x H x T) / Gewicht 26,7 x 51 x 31 cm / 21 kg Rear (B x H x T) / Gewicht 26,7 x 51 x 31 cm / 21 kg Subwoofer (B x H x T) / Gewicht– Oberflächen Satin, Vinyl Farben Schwarz, Weiß, Grau, Braun BesonderheitenDDD-Rundumstrahler Black Cone down Technik Front / Center / Rear Ein 20-cm-Bass-Chassis verhilft den Hauptlautsprechern zu beachtlichem Tiefgang. Untere Grenzfrequenz: 32 Hz (-3 dB). Bauart 2 Wege, geschlossen Anzahl Wege 2/2/2 • Magnetisch geschirmt Besonderheiten Rear und Center für Wandaufhängung Technik Subwoofer Arbeitsprinzip– Phase variabel / schaltbar –/– Hochpegeleingang / -ausgang –/– Raumanpassung– Fernbedienung Sub– German Physiks Set € 18.000 perfektes Surround-Panorama, plastische Abbildung Messwerte Maximalpegel Front / Center / Rear / Sub 95 dB / – / – Impedanz Front (min. / Durchschnitt) 2,8 / 4 Ohm niedriger Wirkungsgrad Testurteil: überragend Preis/Leistung: sehr gut 90% • = ja // – = nein Aus dem Messlabor Standpunkt Gerade hatte ich einen Cooper S zum Testen. Der Wagen war in manchen Punkten nicht ganz so perfekt wie mein eigenes Auto, aber er hatte etwas Mitreißendes, das man sonst nirgends geboten bekommt. Irgendwie erinnert mich das an German Physiks: Man muss sich darauf einlassen, Prioritäten neu zu definieren und mit einigen Gewohnheiten brechen. Dann kann man damit außergewöhnlich Spaß haben. German Physiks Unlimited MK II Stefan schickedanz, sound-experte Das Zwei-Wege-System ist sehr breitbandig, zeigt allerdings Welligkeiten im Frequenzgang und erhöhten Klirr im Mittel-/HochtonBereich. Das Rundstrahlverhalten ist perfekt gleichmäßig. video-magazin.de | 08_2014 65