„Ich hatte ihnen alles nur vorgespielt“ Thomas Bernhards

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„Ich hatte ihnen alles nur vorgespielt“ Thomas Bernhards
Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
Rubrik Literatur
(www.sicetnon.org)
Armin Breidenbach
„Ich hatte ihnen alles nur vorgespielt“
Thomas Bernhards „Holzfällen. Eine Erregung“
als Monolog auf dem Theater am Beispiel der
Inszenierung am Staatstheater Darmstadt
Magisterarbeit im Fach Germanistik
am Institut für
Sprach- und Literaturwissenschaft
TU Darmstadt, FB II
vorgelegt im April 2005
Sic et Non. Zeitschrift für Philosophie und Kulur. Im Netz.
#6. 2006
Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Inhalt
1
Einleitung: Bernhards Prosatext Holzfällen als Bühnenvorlage ............................................4
2
2.1
2.2
Forschungsüberblick............................................................................................................6
Literatur zu Bernhard und Holzfällen...................................................................................6
Literatur zur theaterwissenschaftlichen Methode ............................................................... 10
3
3.1
3.2
3.2.1
„Es strotzt vor Drama in Ihrem Werk“ – Zur Theatralität in Holzfällen.............................. 10
Relevanz von Titel und Untertitel ...................................................................................... 11
Figur und Perspektive des Erzählers als theatraler Person .................................................. 16
„sehe ich alles, höre ich alles, entgeht mir nichts“ - Beobachten und Zuschauen
als markante Eigenschaften des Erzählers.......................................................................... 19
3.2.2 „Ich hatte ihnen mein ganzes Leben nur vorgespielt“ – Zum Vorwurf der
Inauthentizität.................................................................................................................... 23
3.3
Rolle und Funktion der Figur des Burgschauspielers.......................................................... 27
3.4
Der beobachtete Beobachter: Die doppelte Bühnensituation .............................................. 31
4
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
4.8
4.8.1
4.8.2
4.8.3
4.8.4
4.8.5
4.9
Holzfällen als Theatermonolog .......................................................................................... 33
Das Zeichensystem Theater – zur theatersemiotischen Methode ........................................ 34
Die Transformation des Prosatextes in einen dramatischen Monologtext ........................... 36
Zur Bedeutung der Werktreue............................................................................................ 41
Zur Gestaltung der Bühne: Raum, Dekoration und Licht.................................................... 44
Musik: Einsatz und Bedeutung .......................................................................................... 47
Die äußere Erscheinung der Figur des Erzählers ................................................................ 49
Rezeption .......................................................................................................................... 49
Ausgewählte Analysebeispiele........................................................................................... 50
Die Charakterisierung des Ehepaars Auersberger............................................................... 51
Die Charakterisierung von Jeannie Billroth........................................................................ 52
Die Charakterisierung des Burgschauspielers..................................................................... 54
Anfang und Ende – ein Kreis............................................................................................. 55
„In den Wald hinein“ – der Raum der Künstlichkeit wird verlassen ................................... 57
Zwischen Text und Spiel – abschließende Bemerkungen zur Inszenierung ........................ 59
5
Schlusswort: Theatralität in der Prosa und auf der Bühne .................................................. 61
6
Literaturverzeichnis........................................................................................................... 63
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#6. 2006
Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
1
Einleitung: Bernhards Prosatext Holzfällen als Bühnenvorlage
In Thomas Bernhards Werk nimmt der Prosatext Holzfällen. Eine Erregung1 eine
Zwischenstellung ein. Auf der einen Seite lässt er sich ins Spätwerk einreihen und innerhalb dessen in die Künstlertrilogie, die die Romane Alte Meister und Der Untergeher
gemeinsam mit Holzfällen bilden. Andererseits lässt sich die Nähe zur autobiographischen Literatur Bernhards nicht von der Hand weisen.2 Doch geht es in der vorliegenden
Arbeit nicht darum, den Text als einen Schlüsseltext zu lesen.3 Der Skandal4, den er
noch vor Erscheinen auslöste, interessiert ebenso wenig wie die Maskierung des Autors
Thomas Bernhard, der sich immer wieder der Fiktionalisierung seiner selbst sowie seines Umfeldes bediente.5
Im Mittelpunkt der Arbeit steht vielmehr die theatrale Situation, in der sich das
„künstlerische Abendessen“ abspielt. Die hauptsächlich werkkontextuell vorgehende
Lektüre (Kapitel 3) von Holzfällen, die als Hinführung zur Untersuchung des Monologs
zu verstehen ist, hat die Lesethese, dass der Erzähler nicht nur von einem Abend berichtet, an dem er teilgenommen hat. Seine Erzählung, deren Titel und Untertitel einige
Deutungsmöglichkeiten eröffnen (3.1), lese ich als einen Bericht von einem Theaterabend, den er von seinem Ohrensessel aus wie von einem Logenplatz belauscht und beobachtet hat. In diesem Zusammenhang kann von einer „dramatischen Prosa“6 gesprochen werden sowie der gesamten Erinnerung Theatralität unterstellt werden. Theatralität
verstehe ich als ein Merkmal, das Situationen zukommt, wenn sie theatralen Bühnensituationen entsprechen. Der Erzähler befindet sich nämlich in zwei Hinsichten in einer
solchen Theatersituation: einerseits als Zuschauer des Geschehens (3.2.1) sowie andererseits als in einem Rollenspiel involvierter Schauspieler (3.2.2) und damit als Teil1
Bernhard, Thomas: Holzfällen. Eine Erregung. Frankfurt am Main 1988. Zitate aus diesem Text sind im
Folgenden mit der Sigle H und Seitenzahl gekennzeichnet. Andere Texte Bernhards werden ebenfalls im
Text unter Verwendung von Siglen zitiert. Das Siglenverzeichnis ist dem Literaturverzeichnis vorangestellt. Jede Hervorhebung innerhalb der Zitate stammt, wenn nicht anders angemerkt, von Bernhard.
2
So etwa Jopling 2001, S. 155: „[…] Holzfällen is situated beween the autobiographical and the fictional
and it is constructed as a challenge to the reader to recognise it as such.“
3
Vgl. dazu etwa Mosebach 1988, vor allem S. 25, und Fialik 1992.
4
Vgl. dazu z. B.: Schindlecker 1987. In diesem Band findet sich auch eine umfangreiche Bibliographie
der im Umfeld des Skandals um Holzfällen erschienenen Zeitungsartikel: Ebd., S. 40-58. Vgl. dazu auch
Bentz 2000, S. 55-70; auch Tissmar 1990, S. 270-287, zu juristischen Fragen Noll 1995.
5
Eine Dekonstruktion der Verbindungen zwischen Autor- und Erzähler-Ich nimmt Andreas Maier (2004)
vor, der für die Monologsituationen in Bernhards Prosa eine kommunikative Defizienz feststellt, da die
vom Autor wie von den Erzählerfiguren aufgestellten Behauptungen ernstgemeinten Fragen häufig nicht
standhielten.
6
Link 2002, S. 1. Zu Links Einordnungsversuch vgl. den folgenden Forschungsbericht.
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nehmer, dessen Position die des reinen Beobachters wieder aufhebt. Seine Weltwahrnehmung wird dadurch theatral. Auch die anderen Gäste können ihren Rollen innerhalb
des Rollenspiels und damit dem Dramencharakter des Abendessens nicht entfliehen.
Einem dieser Gäste, dem Burgschauspieler, ist eine gesonderte Betrachtung gewidmet.
Meine These ist hier, dass der Burgschauspieler am stärksten im Rollenspiel der Künstlergesellschaft gefangen ist, so dass er seine Rolle als Schauspieler weiter spielt (3.3).
Zusammengefasst wird dieses Kapitel in dem Gedanken, den Erzähler als sich zur
Schau stellenden zu begreifen und diese Situation als doppelte Beobachtung zu verstehen: der Erzähler lässt sich beim Beobachten beobachten. Er befindet sich insofern
schon auf einer Bühne (3.4).
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist neben dem Text vor allem seine Transformation in eine Bühneninszenierung. Diese Dramatisierung (Kapitel 4) in Monologform
hatte am 9. März 2003 am Staatstheater Darmstadt Premiere.7 Für ihre Analyse wird die
theatersemiotische Methode von Erika Fischer-Lichte angewendet, auf deren zentrale
Kriterien in einem einleitenden Teil eingegangen wird (4.1). Die Dramatisierung des
Textes, die sich aufgrund der Theatralität und der Theater-Thematik doppelt anbietet
(und damit in der Erzählung des Schauspielers in der Inszenierung ein Theater auf dem
Theater zeigt), hat die Erstellung einer Textfassung zur Voraussetzung (4.2). In diesem
Zusammenhang widme ich mich dem Phänomen des Transformationsprozesses von
Prosa in Theater anhand der Frage, inwiefern in diesem intermedialen Zusammenhang
von Werktreue gesprochen werden kann – und ob sich der Satz von Kortner, nach welchem Werktreue nichts als Faulheit sei,8 bewahrheitet oder nicht (4.3). Um die Spielsituationen exakt analysieren zu können, bedarf es vorab einiger Erläuterungen zum
Theaterraum und zur Dekoration (4.4), sowie zur eingesetzten Musik (4.5) und der äußeren Erscheinung der Figur des Erzählers (4.6). Auch das Publikum muss einer kurzen
Untersuchung unterzogen werden, da es Teil des Raums ist (4.7). Im Mittelpunkt steht
aber die Analyse einzelner Szenen, deren Auswahl die Beziehungen des Erzählers zu
den anderen Gästen des Abendessens beleuchtet (4.8). Darauf folgt eine Zusammenfassung, in der noch einmal die Stichpunkte Privatheit und Öffentlickeit thematisiert werden.
7
Holzfällen. Eine Erregung. Nach einer Erzählung von Thomas Bernhard. Mit Gerhard Hermann. Regie
und Bühnenkonzept: Jens Poth. Musik: Roman Zach. Dramaturgie: Armin Breidenbach. Lichttechnische
Einrichtung: Dieter Göckel. Technische Einrichtung: Jürgen Werner.
8
Vgl. Kortner 1959, S. 231.
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Abschließend gehe ich der Frage nach, ob und wie die literaturwissenschaftliche Interpretation und die theaterpraktische Umsetzung in Bezug zueinander gesetzt werden
können. Die für beide Aspekte zentrale Perspektive der Theatralität, im textanalytischen
Zugriff vor allem im fingierten Rollenspiel interessant, für die Dramatisierung genuin,
wird hier einer generellen Untersuchung unterzogen (Kapitel 5).
2 Forschungsüberblick
2.1 Literatur zu Bernhard und Holzfällen
Seit dem Beginn der wissenschaftlichen Rezeption von Thomas Bernhards Werk Anfang der 1970er Jahre – die erste Dissertation stammt von 19739 – sind einige Gesamtdarstellungen und mehrere Arbeiten zur Theatralität bei Bernhard erschienen. Hans Höller10 deutet das Werk Bernhards aus der biographischen Situation der Entstehung und
stellt literaturgeschichtliche Bezüge her. Auch Joachim Hoells Portraitband ist vornehmlich ein biographisch orientierter, informativer Überblick.11 Er fasst die drei Romane Der Untergeher, Holzfällen und Alte Meister zu einer „Künste-Trilogie“12 zusammen. Holzfällen setze die „fiktional-biografische Aufarbeitung“ von Bernhards
„Lehrjahren“13 fort: „Der Text liest sich über weite Stellen als Standortbestimmung und
Selbstanalyse des Autors.“14 Manfred Mittermayer, der sich in seiner Überblicksdarstellung15 vor allem der Prosa widmet, sieht bei Bernhard „mühevolle Versuche des Menschen, sich innerhalb von Natur und Gesellschaft als selbständiges Individuum zu etablieren.“16 Er stellt für Holzfällen den Gegensatz von Joana und dem Ehepaar Auersberger heraus. Diesen werfe der Erzähler „Inauthentizität“17 vor, sie hätten in ihrer künstlichen Kunst eine „entfremdete Lebensform“18 gefunden.
9
Vgl. Hoell 2000, S. 92.
Höller 1993.
12
Hoell 2000.
12
Ebd., S. 138.
13
Ebd., S. 135.
14
Ebd. Und darüber hinaus liefere Bernhard in der Beschreibung der Liebe des Erzählers zum Komponisten Auersberger ein spätes Bekenntnis zu seiner Homosexualität: vgl. ebd., S. 136. Auch: Ders.: 2000.
15
Mittermayer 1995.
16
Ebd., S. VII.
17
Ebd., S. 125.
18
Ebd.
11
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Gitta Honeggers Thomas Bernhard – Was ist das für ein Narr?19 und Alfred Pfabigans Thomas Bernhard. Ein österreichisches Weltexperiment20 gehen über die instruktiven Ansätze von Höller, Hoell und Mittermayer sowie die Familienrekonstruktion durch
Louis Huguet21 hinaus. Gitta Honegger deutet Holzfällen strikt biographisch: der Erzähler sei eine Selbstinszenierung Bernhards22, der Text „brutale Hetze gegen den Selbstverrat der Künstler“23, die in einem Schlüsselroman auf den Prüfstand der dreißig Jahre
entfernten Perspektive gestellt würden. Während Honegger das „theatrale Existenzmodell“24 in Bernhards Texten als Überlebenschance für Figuren und Autor gleichermaßen
zu ihrer bevorzugten Deutungsfolie macht, unterteilt Pfabigan, der psychoanalytisch
und literatursoziologisch argumentiert, in Anlehnung an Nietzsches Konzept von Apollinischem und Dionysischem Bernhards Werk in zwei Bereiche. Dies sind das Apollinische, der Bereich der künstlerischen Existenz, einerseits und das Chonthische, die Nähe
zur Natur, andererseits. Für ihn zeichnen sich die Bernhardschen Geistesmenschen
durch ihren apollinischen Wahn, die Suche nach Perfektion, aus. Pfabigans These zu
den drei Künstler-Texten ist, dass sie zwar in die „Höllenwelt des apollinischen
Wahns“25 führten, andererseits aber eine „auf Stärke und Klugheit basierende Lebenskunst“ vorführten.26
Ich beschränke mich im Folgenden auf themenspezifisch ausgewählte Titel aus der
Forschungsliteratur zu Bernhards Prosa, vor allem zu seiner späten Prosa, die den
Werkkontext für Holzfällen darstellt. Als fruchtbar für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit haben sich vor allem drei Monographien herausgestellt, die die Theatralität
in Holzfällen behandeln: Willi Huntemanns Artistik und Rollenspiel. Das System Tho-
19
Honegger 2003.
Pfabigan 1999.
21
Huguet 1996. Ebenfalls zu nennen sind die Darstellungen von Bernhard Sorg (Sorg 1992) und Nicolas
Meyerhofer (Meyerhofer 1989). Zudem zeugen sowohl einige Interviewbände (zu Bernhard: Fialik 1991
und 1992; mit Bernhard: Dreissinger 1992, Hofmann 1991, Fleischmann 1991) als auch Memorabilia
(hier sei als Beispiel nur genannt: Hennetmair 2000) von den verschiedenen Aspekten, unter denen sich
Bernhard nach seinem Tod genähert werden kann. Auch wird dem Österreicher seit 1999 die Ehre eines
von der Thomas-Bernhard-Gesellschaft, die auch den Nachlass verwaltet, herausgegebenes Jahrbuchs
zuteil. Außerdem erscheint seit 2003 im Suhrkamp-Verlag eine auf 22 Bände projektierte Werkausgabe:
Bernhard, Thomas: Werke. Hg. von Martin Huber und Wendelin Schmidt-Dengler. Frankfurt a.M. Bei
dieser Ausgabe handelt es sich noch um keine historisch-kritische, sondern um eine lediglich mit einem
knappen Kommentar versehene Werkausgabe.
22
Vgl. Honegger 2003, S. 332/333.
23
Ebd., S. 333.
24
Ebd., S. 13.
25
Ebd., S 341.
26
Ebd., S. 342.
20
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
mas Bernhard27, Kay Links Arbeit Die Welt als Theater. Kunst und Künstlertum bei
Thomas Bernhard28 und Gregor Hens’ Thomas Bernhards Trilogie der Künste. 29
Willi Huntemann konstatiert in seiner Studie für Prosa und Dramatik Bernhards gleichermaßen eine Selbstreflexion des Künstlers im Rollenspiel.30 Innerhalb von Bernhards Rollenprosa differenziert er auf formaler Ebene zwischen dem „Erzählerbericht
als memoria mortui“ und authentisch figurierter Selbstdarstellung. Für die „KünstlerTrilogie“ (Der Untergeher, Holzfällen, Alte Meister) stellt er fest, dass sich die Erzählsituationen ähneln:
In allen drei Fällen berichtet ein Ich-Erzähler, der selbst dem Geschehensraum angehört, in einem
durchgehenden Erinnerungsmonolog […] in episodischer, achronischer Reihenfolge von seinem
Erlebnis mit einem Künstler, das ihn zur Aufzeichnung veranlasst hat.31
Wichtiger für die Unterstützung meiner These einer dramatischen Prosa ist Huntemanns Sicht auf das Theatrale in diesen Texten, zumal in Holzfällen. Seine These von
der Selbstreflexion Bernhards in den Erzählern seiner Rollenprosa kann meiner Ansicht
nach auf die Konstellation in Holzfällen angewendet werden. Modifiziert ist hier das
Rollenspiel des Autors übertragen auf die Gäste des nächtlichen Beisammenseins (s.
3.2.2).
Die Arbeit von Gregor Hens ist vor allem wegen ihres interdisziplinären Ansatzes interessant, der musikwissenschaftliche und textlinguistische mit literaturwissenschaftlichen Fragestellungen vereint. „Dabei ist an Interdisziplinarität alles erlaubt, was zum
Verständnis des Textes selbst beiträgt, denn um den Text selbst geht es.“32 Hens untersucht Der Untergeher, Holzfällen und Alte Meister anhand der in ihnen behandelten
Künste und fasst diese drei Texte zu einer Trilogie zusammen, die auch untereinander
textuelle Bezüge erkennen ließen. Für meine Interpretation von Holzfällen ist seine Arbeit zudem von Vorteil, da er innerhalb des Prosatextes dramatische Strukturen ausmacht.
Während Hens sich eher der Figur des Erzählers (und seinen erzähltheoretischen
Implikationen) widmet, ist für Kay Link der Gesamtzusammenhang von Kunst und Natur, Künstlichkeit und Natürlichkeit interessant. Er liefert erhellende Ergebnisse zu Na27
Huntemann 1990.
Link 2000.
29
Hens 1999a
30
Vgl. Huntemann 1990, S. 14.
33
Ebd., S. 341.
34
Ebd., S. 342.
31
Huntemann 1990, S. 46.
32
Hens 1999a, S. 12.
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tur- und Kunstbegriff in Bernhards Texten. Seine Untersuchung, die als Ausgangspunkt Holzfällen hat, zeichnet sich zudem durch ein hohes Maß an Querverweisen innerhalb von Bernhards Werk aus. Dass er Prosa und Drama gleichermaßen als Theatertexte behandelt, macht die Theatralität der Prosa, vor allem von Holzfällen und Auslöschung, noch deutlicher. Diese entwickelt er aus dem Konzept „Leben als Rollenspiel,
als Theater“33 und schließt damit an Bernhards Poetik der Bühnenkünstlichkeit34 an:
„Jeder Tag ist ein neuer Anlauf, die eigene Rolle zu perfektionieren, ein weiterer Versuch, auf der Lebensbühne zu bestehen.“35 Die drei genannten Studien vereint die Sicht
auf Bernhards Werk als Gesamtheit von Texten, die sich an der Schnittstelle von Drama
und Prosa befinden.
Von den unzähligen weiteren Veröffentlichungen zu Bernhard und Holzfällen haben
sich noch weitere als anregend herausgestellt. Claudia Öhlschläger begreift in ihrem
Aufsatz, in welchem sie den Text unter dem Stichwort Autoerotik untersucht, den
Selbstmord der Joana als das Frauenopfer, welches männliches Schreiben erst ermögliche. Sie deutet die Position des Erzählers im Ohrensessel als die eines zu echter Objektliebe unfähigen Voyeurs und stellt darüber hinaus aus geschlechterkritischer Sicht die
Verbindung zu Stifters Erzählung Der Hochwald her.36 Dass sich eine intertextuelle
Herangehensweise nicht im Aufspüren der Ähnlichkeiten zu einem zum Vergleich herangezogenen Text erschöpft, zeigt Ivar Sagmo in seinem Aufsatz.37 Für ihn stellt sich
die Figur der Jeannie Billroth dar, „als hätte sie die Rolle des Gregers Werle in der
Wildente übernommen.“38 Erst der Rückbezug auf Ibsens Stück erhellt seiner Ansicht
nach die vom Burgschauspieler ausgesprochene Trias „Wald, Hochwald, Holzfällen“.
Eva Marquardt untersucht die Entwicklung von Bernhards Prosa, in deren Bauweise sie
antithetische Verfahren entdeckt. In Bernhards Welt lasse sich Tatsächliches und Vorgestelltes nicht vereinen, was zur Unmöglichkeit von Kommunikation führe:
Die Befangenheit eines je einzelnen in seiner eigenen Sichtweise ist weder zu vermitteln noch aufzuheben: […] Die Bernhards gesamtes Werk bestimmende Atmosphäre von Einsamkeit, die im
monologhaften Sprechen ihren Ausdruck findet, resultiert aus der Verknüpfung der Wahrnehmungs- mit der Kommunikationsproblematik.39
33
Link 2000, S. 47.
S. DT, S. 149 und S. 150; vgl. auch Verstörung, S. 164f.: „Komödie. Die Welt ist tatsächlich, wie
schon oft gesagt, eine Probebühne, auf der ununterbrochen geprobt wird. […] Diese Probebühne ist eine
einzige Qual, und kein Mensch empfindet die Vorgänge darauf als ein Vergnügen.“
35
Link 2000, S. 67.
36
Vgl. Öhlschläger 1994.
37
Vgl. Sagmo 1986.
38
Ebd., S. 238.
39
Marquardt 1990, S. 186.
34
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Daran schließe ich bei der Untersuchung des Rollenspiels des Erzählers an. Denn
die angesprochene „Kommunikationsproblematik“ ist es, die Weltwahrnehmung
theatral werden lässt.
2.2 Literatur zur theaterwissenschaftlichen Methode
Die vorliegende Arbeit ist durch Theaterpraxis motiviert und nicht aus einem theaterwissenschaftlichen Studium entstanden. Für die Analyse der Inszenierung beschränke
ich mich darum auf das dreibändige Standardwerk von Erika Fischer-Lichte, Semiotik
des Theaters. 40 Sie begreift Theater als ein mittels semiotischer Beschreibung zu dekodierendes System. Ihr Ansatz zeichnet sich vor allem durch die Eindeutigkeit in der Begrifflichkeit aus, die in Kapitel 4.1 eingehender erläutert wird. Ergänzend greife ich auf
Christopher Balmes Einführungsband41 zurück, der vor allem hinsichtlich methodischer
Fragen konsultierenswert erscheint.
Zum wichtigen Komplex der Transformation eines narrativen Textes in ein Theaterstück liegt leider sehr wenig wissenschaftliche Literatur vor, so dass nur der Aufsatz
von Antje Dietrich zur Dramatisierung von Robert Walsers Jakob von Gunten am Theater Basel zurate gezogen wird.42
3
„Es strotzt vor Drama in Ihrem Werk“43 – Zur Theatralität in
Holzfällen
Jeder will leben, keiner tot sein, alles andere ist Lüge.
Am Ende sitzen sie im Fauteuil, in irgendeinem Ohrensessel
und phantasieren sich eine Existenz zusammen, die sie existiert haben
und die doch nicht das geringste mit ihrer eigenen Existenz zu tun hat. (Be 151)
In dieser Holzfällen-Lektüre steht die theatralische Situation im Vordergrund. Nach
einer Kontextualisierung des Titels innerhalb des Bernhardschen Werks wird zuerst auf
verschiedene Lesarten des Untertitels eingegangen. Dabei kommt der Unzuverlässigkeit
des Erzählers eine herausragende Rolle zu. Zudem erfolgt eine Zuordnung des Untertitels zum Titel (3.1). Daran schließt sich eine Analyse der Erzählerfigur an, die seine
theatrale Weltwahrnehmung der Realität als Zuschauer und Schauspieler thematisiert.
Auch werden andere Texte von Bernhard kontextualisiert. Neben den beiden genannten
40
Fischer-Lichte 1994; 1995a und 1995b.
Balme 2001.
42
Diedrich 1998.
43
Bernhard, Thomas: Über allen Gipfeln ist Ruh. In: Stücke 3, Frankfurt am Main 1988, S. 278.
41
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Aspekten ist das Rollenspiel, das die künstlerische Gesellschaft praktiziert, entscheidend für die These von einem erzählten Theaterabend (3.2). Der Burgschauspieler ist
am stärksten im Rollenspiel gefangen und kann selbst in der höchsten Erregung nicht
davon ablassen (3.3). Die das Kapitel abschließende Zusammenfassung fokussiert auf
die Kernthese, dass Theatralität in Holzfällen als doppelte Bühnensituation gelesen werden kann (3.4), wodurch die Dramatisierung im anschließenden Kapitel eine weitere
Bedeutung erhält.
3.1 Relevanz von Titel und Untertitel
Für das Verständnis des Textes hat der Titel eine signifikante Bedeutung, die sich
nicht nur durch Assoziation allein erläutern lässt, sondern eine systematischere Herangehensweise verlangt, also in gleicher Weise Text und Kontext von Holzfällen in den
Blick nimmt.44 Mit dem Titel Holzfällen, der sich dem Leser erst nach 302 Seiten erschließt, greift Bernhard ein Motiv auf, das in seinem Werk einige Male Verwendung
gefunden hat. Bereits in der frühen Erzählung Amras von 1964 sind es der jüngere und
der ältere Holzfäller, die miteinander schlafen. Diese homosexuelle Handlung erscheint
dem Erzähler nicht unnatürlich (vgl. Am 76f.). Der Erzähler von Beton erinnert sich
wehmütig an die Zeit, die er mit den „sogenannten einfachen Leuten“ (Be 148) verbrachte, er nennt „zum Beispiel die Holzfäller“ (ebd.) und ruft aus: „Jahrzehnte hatten
nur sie meine Sympathie!“ (ebd.) Sie seien es gewesen, die seine Erregung in eine Beruhigung umzuwandeln gewusst hätten (vgl. Be 152). Am Ende des Theaterstückes Die
Jagdgesellschaft sind es die Holzfäller, die nach dem Selbstmord des Generals, den sie
im Schlaf verfolgen45, beginnen, den vom Borkenkäfer befallenen Wald abzuholzen und
so die Jagdgesellschaft beenden. Auch Glenn Gould ist ein Holzfäller und damit dem
Ideal des Burgschauspielers verwandt: In Der Untergeher fällt er eine vor dem Fenster
stehende Esche, weil sie ihm angeblich das Klavierspielen erschwere (vgl. U 114).
In Holzfällen findet sich mit dem intertextuellen Hinweis auf Ibsens Wildente eine
weitere Verwendung des Titelmotivs: Der alte Ekdal, den der Burgschauspieler am Akademietheater gibt, war wegen der illegalen Abholzung staatlicher Wälder im Gefängnis und hat sich nach der Haftentlassung auf dem Dachboden von Hjalmar Ekdals Woh44
Link etwa deutet den Titel im Kontext der anderen „Lebensstichwörter“ (H 304) und betont den Begriff
„Hochwald“: „Er bezeichnet entweder einen Wald, der durch Nachwuchs aus Samen verjüngt oder künstlich angelegt wurde.“ (Link 2000, S. 33) Dies zeigt schon die Bandbreite der möglichen Deutungen.
45
JG 187: „GENERALIN Die ganzen Jahre sagt er/ den Satz / Den Holzknechten auf die Finger schauen/
den Holzknechten/ und den anderen Waldarbeitern/ auf die Finger schaun/ im Schlaf sagt er das oft/ dann
schreckt er auf / schwitzend“.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
nung aus alten Weihnachtsbäumen seinen eigenen Wald geschaffen, in dem sich
schließlich seine Enkelin Hedvig erschießt.46 Wenn also der Burgschauspieler von dieser Rolle so vehement behauptet, sie sei seine Lieblingsrolle (H 177), so findet sich hier
ebenfalls ein Hinweis für die Deutung des Titels.
Einige Interpreten deuten diesen als Metapher für einen Befreiungsakt: So vertritt
beispielsweise Eckhart Nickel die Ansicht, den Erzähler vereine die „ausholende Geste
des Holzfällers und das Ziel der Entzweiung oder Vernichtung seines behandelten Objekts“ mit diesem.47 Ähnlich argumentiert Nikolaus Langendorf, der den Titel ebenfalls
hinsichtlich der Schreibtätigkeit des Erzählers liest, welcher sich selbst mittels dieser zu
einem „,Holzfäller‘“48 im eigenen Leben gemacht habe, also persönliche Verletzungen
in Kauf genommen habe, um sich durchzusetzen. Diese Deutung lässt sich unterstützen
durch den Gedanken, dass Wald in Bernhards Werk häufig als Metapher für Finsternis
verwendet wird, so dass Holzfällen als ein Akt gesehen werden kann, der mittels Gewalt
wieder die Möglichkeit für freie Sicht eröffnet.49
Der Untertitel Eine Erregung reiht sich ein in die ungewöhnlichen Untertitel, die
Bernhards Texte kennzeichnen. Aus der Gruppe der Prosatexte sind nur Korrektur und
Das Kalkwerk explizit Roman benannt, die übrigen tragen die verschiedensten Untertitel. So ist beispielsweise dem ersten autobiographischen Text Die Ursache der Untertitel Eine Andeutung beigefügt und dem ebenfalls autobiographisch zu wertenden Text
Wittgensteins Neffe der Untertitel Eine Freundschaft. Die zuletzt geschriebene Prosa,
Alte Meister, trägt den Untertitel Komödie, wohingegen das Drama Elisabeth II. explizit
Keine Komödie untertitelt ist. Ist in den Fällen Die Ursache und Wittgensteins Neffe ein
klarer Bezug zum Inhalt festzustellen, so ist in den beiden letzten Fällen eine Gattungsbezeichnung bzw. ihre Negation gewählt. Eine solche Gattungsbezeichnung stellt Eine
Erregung jedoch nicht dar, vielmehr können Bezüge zu Inhalt und Stil festgestellt werden, da der Erzähler und der Burgschauspieler sich in eine Erregung hineinsteigern, die
sich stilistisch im Bericht des Erzählers sowie im Verhalten des Burgschauspielers nie-
46
Zu intertextuellen Verweisen und möglichen Bezügen auf Prätexte im Werk Bernhards generell siehe
Heyl . 1995, speziell zu Holzfällen Sagmo 1986. Im Übrigen erinnert sich der Erzähler seiner Lektüre von
Ibsens Drama, bricht aber diese Erinnerung ab und legt damit eine erste Spur für eine intertextuell orientierte Deutung (vgl. H 67).
47
Nickel 1997, S. 20.
48
Langendorf, 2001, S. 36.
49
Zum Wald in Bernhards Werk vgl. Klug 1991, S. 267-283, Eck-Koeniger, Andrée o.J., S. 120-123, und
Jurgensen 1981, S. 105ff.
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
derschlägt.50 Hier ist Gregor Hens zuzustimmen, der in diesem Zusammenhang Erregung liest als „Struktur und Gattung der Prosa, sie ist Grundlage ihres Stils. Von ihr
wird nicht berichtet, sondern sie ist inhärenter Bestandteil des sprachlichen und gedanklichen Materials, mit dem Bernhard arbeitet.“51
Vor allem aber ist die Erregung ein deutlicher Indikator für die Unzuverlässigkeit des
Erzählers. Denn was dem Leser als Erinnerung an das „künstlerische Abendessen“ und
als daraus hervorgegangene Reflexion präsentiert wird, erscheint wegen der starken Erregung des Erzählers hochgradig unglaubwürdig.52 Nicht nur seine emotionale Lage
aufgrund des Todes und der Beerdigung der einstigen Freundin Joana sowie der Anwesenheit in der Wohnung des Ehepaars Auersberger ist mit einer nüchternen Schilderung
des Geschehens unvereinbar. Auch die Anwesenheit von Jeannie Billroth echauffiert
ihn so, dass er die Beherrschung verliert: „Und dann treffen wir ihn [den Menschen,
A.B.] und kommen in eine fürchterliche Erregung hinein, dachte ich jetzt, und können
dieser Erregung nicht Herr werden.“ (H 219). Außerdem gibt er an, dass seine physische
Disposition und damit seine Erinnerungsfähigkeit infolge von Alkoholgenuss53 und zunehmender Müdigkeit immer schlechter geworden sei. Seine Verfassung ist auch als
Folge der Begräbnisstrapazen zu werten, denen die Abendgesellschaft ausgesetzt war
und von denen der Erzähler „völlig erschöpft“, „ja erledigt“ (H 85) ist. Zudem findet
das Abendessen spätabends statt: der Empfang zieht sich über fünfeinhalb Stunden hin,
von „halbelf“ (H 74) bis „vier Uhr früh“ (H 320).
Bei exakter Lektüre fallen einige Unstimmigkeiten im Text auf, die den Erzähler unglaubwürdig erscheinen lassen. Einerseits kann er sich nicht an den Auftritt54 des Burgschauspielers erinnern, weil er ihn verschlafen habe (vgl. H 174), andererseits berichtet
er vom „schamlosen Burgtheatergehuste“ (H 29) bei dessen Eintreten; auch kann er die
Zahl der übrigen Gäste nicht genau nennen: „[...] immerhin waren ja noch sieben oder
acht oder zehn oder zwölf Andere zu dem künstlerischen Abendessen gekommen […]“
50
Eine stilistische Analyse von Holzfällen kann ich hier nicht liefern. Vgl. dazu etwa: Betten 2001.
Hens 1999a, S. 124. Bernhard selbst, nach dem Untertitel befragt, stellt einen Zusammenhang mit der
Produktionsseite her: „Ja, weil der Stil auch ein etwas erregter ist in dem Buch, musikalisch gesehen, vom
Inhalt her schreibt man so was nicht ruhig, sondern in gewisser erregter Stimmung. Das kann man nicht
ganz so wie eine klassische Prosa schreiben, sondern da setzt man sich hin und ist ja schon einmal von
der Idee her erregt, und wenn man zu schreiben anfangt [sic], erregt einen schon der Stil.“ (Fleischmann
1991, S. 168, Hervorhebungen im Original)
52
Zum unzuverlässigen Erzählen vgl. Martinez/Scheffel 1999, S. 95-107.
53
Z. B.: „[…] ich hatte in der kürzesten Zeit mehrere Gläser Champagner getrunken […]“ (H 24), „[…]
mich mit ein paar Gläsern Champagner betäubt […]“; vgl. dazu auch H 76 und H 312.
54
Dass die Ankunft des Burgschauspielers als „Auftritt“ beschrieben wird, kann ebenfalls als Indiz für
die theatrale Weltwahrnehmung des Erzählers gewertet werden.
51
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
(H 236). Einmal spricht er davon, er habe „die Joana durch den Auersberger kennen
gelernt“ (H 18), später will er ihre Bekanntschaft „durch die Jeannie Billroth“ (H 159)
gemacht haben.
Am stärksten sticht die Ungenauigkeit im Zusammenhang mit seinem Alter ins Auge.
Der Erzähler behauptet, „viele Jahrzehnte“ (H 19) lang Einladungen wie der des Ehepaars Auersberger „aus dem Weg“ (ebd.) gegangen zu sein. Da er sie „bis in meine
Vierzigerjahre zur Genüge aufgesucht und gründlich kennen gelernt“ (H 19) haben will,
hieße das für sein Alter, dass er schon über siebzig Jahre alt sein müsste. Doch gibt er es
mit 52 Jahren an (H 107).55 Andererseits will er sich „genau sechsundzwanzig Jahre“ (H
21/22) zuvor von seinen „grauenhaften Zerstörer[n] und Umbringer[n]“ (H 20) gelöst
haben, also mit 26 Jahren, was wiederum der Aussage, er habe „bis in meine Vierzigerjahre“ (H 19) an Empfängen wie dem beschriebenen teilgenommen, widerspricht. Nikolaus Langendorf deutet diese Ungenauigkeit als Eingeständnis einer nur behaupteten,
aber nicht tatsächlich vollzogenen Abkehr von den „Freunden von früher“ (H 13).56 Dafür spricht auch der Umstand, dass sich der Erzähler auch sonst zwar des Bruches mit
seiner Vergangenheit rühmt57, zugleich aber gestehen muss, dieser noch verhaftet zu
sein.
Die geradezu manisch wiederholte Formel „Das ist die Wahrheit“ (H 74, 90, 93 u.ö.)
ist in diesem Zusammenhang nicht nur eine Äußerung, mittels welcher der Erzähler bekräftigen will, die einzig wahre Version zu erzählen. Denn je häufiger diese Formel Erwähnung findet, desto stärker drängt sich der Eindruck auf, dass es sich gerade nicht um
die einzig denkbare und darum gültige Wahrheit handelt, sondern eben nur um eine
Version. Wenn der Erzähler selbst dem Erzählten den Charakter einer Version unter
vielen zuspricht, thematisiert er damit die Fiktionalität des Textes und schließlich auch
seine eigene.58 Das hat Auswirkungen auf die gesamte Erzählsituation: Alles, was wir
55
Vgl. dazu auch Langendorf 2001, Anm. 21, S. 24.
Ebd.
57
Schließlich behauptet er, die Auersbergers „zwanzig Jahre“ (H 7) nicht gesehen und sie in dieser Zeit
„nicht ein einziges Mal getroffen“ (H 8) zu haben.
58
Vgl. dazu auch Jopling 2001, S. 142, und Hens’ These von der „Implosion des Erzählers“: Der Erzähler
eliminiere sich im Erzählvorgang, und vom „künstlerischen Abendessen“ bleibe nicht mehr übrig als das
Theaterstück, das er als Zuschauer erlebt habe (vgl. Hens 1999a, S. 92 u. S. 122). Hens lässt völlig außer
acht, dass die Erzählsituation direkt an die erzählte Situation anschließt und deshalb mitnichten von einer
Implosion gesprochen werden kann. Die Unzuverlässigkeit des Erzählers deutet er aus seiner angeblichen
Psychopathologie und nicht aus seiner nachvollziehbaren Erregung: Der Erzähler selbst erscheine wie ein
„katatoner Schizophrener, der ständig zwischen Alogie und Selbstgespräch schwankt“ (ebd., S. 90), er
denke assoziativ und vom Ton der Sprache her; ja er könne keine eindeutigen Werturteile fällen, weshalb
es sich um eine Ich-Auflösung handle: „Es ist die Dissoziation von Denken und Denken-Wollen bzw.
56
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
durch den Erzähler erfahren, ist von seiner subjektiven Sicht geprägt. Zudem ist diese
subjektive Sicht in sich noch einmal gebrochen durch ihre Unzuverlässigkeit.
Der Untertitel Eine Erregung erläutert also neben dem Stil die Unzuverlässigkeit des
Erzählers, die wiederum nicht nur auf dieser fußt. Der Titel hingegen lässt mehrere
Deutungen zu. Im Zusammenhang mit dem Untertitel ist Holzfällen als geradezu gewalttätiger Akt der Befreiung zu verstehen, in dem die Grenzen zwischen Freund und
Feind verschwimmen. Die Theatralität jedoch, die den Text durchzieht, ist im Titel und
im Untertitel noch nicht erkennbar.
Denken-Müssen, die hier vorgeführt wird.“ (Ebd., S. 90) Vgl. dazu auch Huntemann 1990, S 84, und
Vancoppenolle 1996, S. 195.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
3.2 Figur und Perspektive des Erzählers als theatraler Person
Die Weltwahrnehmung des autodiegetischen Erzählers ist vom Theater geprägt. Alles
wird für ihn zur Bühne, die Menschen zu Schauspielern. Auf dieser Bühne hat er eine
Doppelrolle inne: seine Perspektive ist die von Zuschauer und Schauspieler in einem.
Im Folgenden wird deshalb zunächst kurz auf Bernhards Ästhetik der Künstlichkeit und
die damit verbundene Poetik des Theatralen eingegangen, um im nächsten Schritt Zuschauerperspektive und gespielte Existenz des Erzählers zu erläutern.
In dem filmischen Porträtmonolog Drei Tage hat Thomas Bernhard 1970 seine Texte
in den Zusammenhang einer Ästhetik der Künstlichkeit gestellt. Vor allem die Nähe
seiner Prosatexte zum Theater wird hier hervorgehoben59:
In meinen Büchern ist alles künstlich, das heißt, alle Figuren, Ereignisse, Vorkommnisse spielen
sich auf einer Bühne ab, und der Bühnenraum ist total finster. Auftretende Figuren auf einem Bühnenraum, einem Bühnenviereck, sind durch ihre Konturen deutlicher zu erkennen […] Und wenn
man meine Arbeiten aufmacht, ist es so: Man soll sich vorstellen, man ist im Theater, man macht
mit der ersten Seite einen Vorhang auf […]. (DT 150f.; Hervorhebungen i. O.)
Neben dieser poetologischen Aussage des Autors finden sich mehrere Hinweise auf
Theatralität in Bernhards Prosa. Die Weltwahrnehmung des Erzählers der autobiographischen Bücher60 beispielsweise ist ebenfalls vom Theater geprägt:
Das Theater, das ich mit vier und mit fünf und mit sechs Jahren für mein ganzes Leben eröffnet
habe, ist schon eine in die Hunderttausende von Figuren vernarrte Bühne, die Vorstellungen haben
sich seit dem Premierentermin verbessert, die Requisiten sind ausgewechselt, die Schauspieler, die
das Schauspiel, das gespielt wird, nicht verstehen, werden hinausgeworfen, so war es immer.
(Ke 134)
Ein ebenfalls theatral zu nennendes Kennzeichen von Bernhards Prosatexten ist ihr
monologischer Stil. Dies legt es nahe, ihr theatrales Moment zu betonen und sie als
Theatermonologe zu lesen. Als Beispiele dafür sind vor allem der zweite Teil von Verstörung, der Monolog des Fürsten, und die späte Prosa zu nennen. Der Erzähler ist jeweils ein Ich-Erzähler, der entweder selber im Mittelpunkt der Handlung steht (Auslöschung, Beton) oder andere beobachtet bzw. dem Monolog eines anderen zuhört (Alte
Meister, Holzfällen). Insgesamt lässt sich feststellen, dass Bernhards Prosawerk von
59
Den Gedanken an seine Vorfahren vergleicht er dort einem „Zustand, wenn man im Theater sitzt, und
der Vorhang geht auf, und man sieht sofort die Leute, die man oben auf der Bühne sieht, und sie einteilt
in gute, schlechte – und nicht nur in gute und schlechte Charaktere oder Menschen oder Personen, sondern in gute und schlechte Schauspieler.“ (DT 149)
60
Dass dieser Erzähler nicht mit Bernhard gleichzusetzen ist und deshalb nur von autobiographischen
Erzählungen gesprochen werden kann, ergibt sich aus den zeitlichen Ungenauigkeiten und der Tatsache,
dass es Bernhard insgesamt weniger um eine detailgetreue Wiedergabe seines Lebens und Denkens geht,
sondern vielmehr um Legendenbildung in eigener Sache. Vgl. dazu Huguet o.J.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
einer Poetologie des Theatralen gekennzeichnet ist. Hans Höller sieht ebenfalls Parallelen innerhalb der Texte Bernhards. Für ihn
bestehen im Werk Thomas Bernhards weitgehende Strukturparallelen zwischen den Gattungen der
Erzählung, des Romans und des Dramas. Sie sind bedingt durch den theatralischen Inszenierungscharakter seiner Prosa, das szenische Arrangement aller Schauplätze in den Romanen und
Erzählungen und durch die Tendenz der Mittelpunktsfiguren zum Monolog, was den Erzähler in
die Rolle des Zuhörers drängt und damit auch die Haltung des Lesers mitbestimmt. Dazu kommt
noch, dass Theater und Schauspielkunst selbst wichtige thematische Bildkomplexe – als Modell
des Weltbezugs und der Wirklichkeitserfahrung – in der Prosa wie im Drama darstellen.61
Die zentralen Stichwörter für die vorliegende Interpretation des Erzählers als Zuschauer und Schauspieler sowie damit verbunden der beschriebenen Szenerie als Theaterabend sind Beobachten und Spielen. Wenn ein Theater ein „Ort zum Schauen“62 ist,
an welchem Menschen etwas vorspielen, dem andere zuschauen, wird die Wohnung in
der Gentzgasse zu einem Theater mit einem Zuschauer im Ohrensessel.63 Denn: „Theater entfaltet sich in der Dialektik von Spielen und Zuschauen; der Theatersituation liegt
die Vereinbarung der Beteiligten zugrunde, sich auf diese Dialektik einzulassen.“64 Es
bedarf prinzipiell nicht mehr als einer Person A, die eine Figur X darstellt, und einer
Person B, die diese Darstellung als solche anerkennt und Person A beim Spiel zuschaut.65
Daher steht in Unterkapitel 3.2.1 zunächst die Frage im Mittelpunkt, wie sich der
Vorgang der Beobachtung, des heimlichen Zuschauens, gestaltet. Die These lautet, dass
sich in Bernhards Texten häufig die Figur eines Beobachters findet.66 Zu denken ist hier
zum Beispiel an den jungen Famulanten, der in Frost den Maler Strauch beobachten
soll und in dieser Beobachtung zum Zuschauer von dessen Monologen wird. Die jeweilige Disposition des Beobachters ist entscheidend für die Wahrnehmung der beschriebenen Wirklichkeit als theatraler. Der Erzähler in Holzfällen ist demnach einer, der sowohl dem Ideal des Zuschauers als möglichst unbeteiligtem Beobachter am nächsten
kommt als auch dieses Ideal in der Reflexion seiner theatralen Wahrnehmung thematisiert. Er ist hier ein stiller Beobachter, ein Zuschauer, der für sich die Beobachterposition als Fluchtpunkt vor eigenem Handeln gewählt hat. Sie ermöglicht im Rückzug
61
Höller 1981, S. 45.
Vgl. Balme, Christopher: Einführung in die Theaterwissenschaft, 2. verbesserte Auflage Berlin 2001,
S. 11.
63
Vgl. dazu die Bemerkung von Ulrich Weinzierl zu Auslöschung: „Beim Lesen erging es uns wie im
Zuschauerraum.“ Weinzierl 1991, S. 193.
64
Brauneck 1992, S. 15f.
65
So sieht es z.B. Peter Brook in „Der leere Raum“: „Ich kann jeden Raum nehmen und ihn eine nackte
Bühne nennen. Ein Mann geht durch den Raum, während ihm ein anderer zusieht; das ist alles, was zur
Theaterhandlung notwendig ist.“ Brook 1983, S. 9.
66
Vgl. dazu: Ueding 1984.
62
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
die schonungslose Kritik, der der Erzähler das Ehepaar Auersberger unterzieht, und
verlegt das Gewicht der Hauptrolle auf den Burgschauspieler.
In Unterkapitel 3.2.2 wird das vom Erzähler Beobachtete untersucht. Dies sind die
Rollenspiele, die vor den Augen des Erzählers als Zuschauer stattfinden. Was sich bei
dem „künstlerischen Abendessen“ abspielt, ist als Rollenspiel zu verstehen, innerhalb
dessen sich der Erzähler ebenfalls wie ein Schauspieler verhält. Link bemerkt dazu, dass
„bei Bernhard auch zwischen den Menschen ein Drama“67 abläuft. Der Erzähler füllt
wie die anderen Gäste seine Rolle aus, kann aber diese Rolle thematisieren und so, in
der Reflexion, einen Umgang damit finden. Als Ergänzung zu Holzfällen bietet sich für
die Analyse der Zuschauerperspektive und des Vorspielens einer Existenz vor allem
Auslöschung an, das flankierend einbezogen wird.
67
Link 2000, S. 6.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
3.2.1 „sehe ich alles, höre ich alles, entgeht mir nichts“ - Beobachten und Zuschauen als markante Eigenschaften des Erzählers
Ein jeder Mensch will gleichzeitig teilnehmen und gleichzeitig in Ruhe gelassen sein.
Und da das eigentlich nicht möglich ist, beides, ist man immer in einem Konflikt.68
Wie oben beschrieben, findet sich die Figur des Beobachters als Zuschauer in vielen
Texten Bernhards. Dieser Beobachter ist kein Teilnehmer, sondern im Idealfall ein mit
wissenschaftlicher Objektivität ausgestatteter Außenstehender oder Fremder. Häufig
kommen bei Bernhard die Hauptfiguren aus dem Ausland zurück nach Österreich, das
sie als Provinz empfinden, und beanspruchen für sich den Blick des Fremden.69 Doch ist
die Objektivität der Bernhardschen Beobachter nur von kurzer Dauer, weil sie sich dem
beobachteten Geschehen nicht entziehen können oder eingreifen. Aus Zuschauern werden Protagonisten, aus Beobachtern Teilnehmer. Mit der Beobachtung anderer geht für
Bernhardsche Figuren die Selbstbeobachtung einher, die für die Ich-Erzähler Folgen
hat, wie Joachim Hoell aufzeigt:
Ein Geistesmensch beobachtet, analysiert und zergliedert das Leben. Indem er gegen alles vorgeht,
geht er auch gegen sich selbst vor. Die Beobachtung wird zur Selbstbeobachtung, die Analyse zur
Selbstanalyse, die Zergliederung zur Selbstzergliederung. Die Beobachtungskunst sei zwar die
höchste Kunst, heißt es, aber auch die tödlichste.70
Der Erzähler in Ja flieht zu seinem Nachbarn, weil er „in die fürchterlichste Selbstbeobachtung“ (Ja 17) geraten ist und erkennt, dass ein Leben allein auf die Dauer unerträglich ist. Den Erzähler in Holzfällen holen in der Beobachtung der anderen Gäste
Selbstzweifel und Selbstkritik ein, und es gelingt ihm nicht, seinem Ideal des Unbeteiligtseins zu entsprechen. An den Beispielen Alte Meister und Auslöschung möchte ich
im Folgenden kurz die Perspektive auf den Beobachter als Zuschauer noch verdeutlichen, um anschließend auf die Besonderheit des Beobachters in Holzfällen einzugehen.
Der Erzähler Atzbacher in Alte Meister möchte den Kritiker Reger „einmal von einem möglichst idealen Winkel aus ungestört beobachten“ (AM 7) und verharrt in dieser
Beobachterposition, bis der Zeitpunkt seiner Verabredung mit Reger gekommen ist.
Reger wird, wenn man den Blick des „Weißbärtigen Mannes“ von Tintoretto, unter
welchem er regelmäßig meditiert, ebenfalls als eine Beobachtung auffasst, von Atzba-
68
Hofmann 1992, S. 11.
Meist kommen sie zudem aus europäischen Weltstädten: Murau (Auslöschung) aus Rom, Professor
Robert (Heldenplatz) aus London, der Erzähler in Der Untergeher aus Madrid.
70
Hoell 1998, S. 26.
69
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
cher, aus dem Bild und von seinem „Sprachrohr“ (AM 33) Irrsigler beobachtet.71 Diese Situation, in der sich Reger regelmäßig befindet, ist also nicht nur kontemplativ, sondern immer schon als Beobachtung zu verstehen. Reger befindet sich im Bordone-Saal
geradezu auf einer Bühne, wo er vor selbstgewählten Zuschauern sein Denken ausstellt.
Atzbachers Situation ist ebenfalls die Beobachtung einer Beobachtung: er schaut Reger
bei der Bildbetrachtung zu, wird selbst aber, wie der Erzähler in Holzfällen, nicht beobachtet. Die Verbindung zu Auslöschung stellt Huntemann folgendermaßen her:
Die Erzähler der letzten beiden Romane sind zugleich Beobachter, die aus dem Verborgenen heraus (auf dem Ohrensessel im Vorzimmer bzw. vom benachbarten Museumssaal heraus) die Protagonisten beobachten und dabei deren Vergangenheit rekapitulieren. Die Ohrensesselposition in
Holzfällen und das völlige Unbeteiligtsein des Erzählers haben zudem die Konnotation des Theatersessels.72
Franz-Josef Murau, der Erzähler des zuletzt veröffentlichten Romans Auslöschung,
ist mit dem Erzähler von Holzfällen hinsichtlich der Situation des Beobachtens als Zuschauen am engsten verwandt. Auch Murau beobachtet aus dem Verborgenen heraus
und macht diese „Beobachtungskunst“ (AO 174) zum Thema seiner Ausführungen. Als
er sich Schloss Wolfsegg vom Dorf aus nähert, verharrt er, um sich die Szene als Außenstehender anzusehen (A 317), und denkt dabei: „Wir müssen die Menschen dann
beobachten, wenn sie nicht wissen, daß sie unser Beobachtungsopfer sind […].“
(A 318). Diese voyeuristische Position führt zu einem „schlechten Gewissen einerseits“
(ebd.), andererseits zum „größten Beobachtungsgenuß“ (ebd.):
Das Betrachten oder Beobachten, wenn der Betrachtete oder der Beobachtete nicht weiß, daß er
betrachtet oder beobachtet wird, ist eines der größten Vergnügen. Es ist allerdings, wie ich dachte,
gleichzeitig eine völlig unerlaubte Kunst, der wir uns aber nicht entziehen können, wenn wir auf
ihren Geschmack gekommen sind. (A 325)
Murau spricht hier das Lustmoment der heimlichen Beobachtung an. Psychoanalytisch gelesen speist sich sein Voyeurismus aus Lustmotiven und wird vom Über-Ich
sanktioniert. Die Macht, welche die Beobachterposition dem Beobachter über das Beobachtete verleiht, verschafft Lust. Doch ist gleichzeitig die Angst, teilzunehmen am beobachteten Geschehen, Motiv für die Distanz, aus der beobachtet wird, und hier der
Grund für sein Verharren hinter der Mauer. Murau befindet sich im Zwiespalt. Er überwindet diesen, tritt aus der Kulisse und wird vom Zuschauer zum Protagonisten. Das
Drama wird seine persönliche Aufführung, indem er sich zum Regisseur eines Stückes
71
Hens deutet Alte Meister entsprechend als „Versuch, mit den Möglichkeiten der Multiperspektivität in
der Kunst etwas darzustellen, was in Bernhards früherem Werk immer als unmöglich galt: die Selbstbeobachtung.“ Hens 1999, S. 22.
72
Huntemann 1990, S. 80-81.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
macht, in dem er die Hauptrolle spielt. Schon zuvor wird ihm klar, dass er sich in einer theatralen Situation befindet: „Das Theatralische des Vorgangs an der Orangerie
war mir auf einmal deutlich geworden, daß ich einem Theater zuschaue […]“ (A 318),
konstatiert Murau. In dieser Reflexion ist die theatrale Weltsicht vieler Bernhardscher
Erzähler zusammengefasst.
Für Holzfällen lässt sich festhalten, dass hier die Beobachtungssituation sowie die
Haltung des Beobachters als Zuschauer am deutlichsten dargestellt werden. Dies gilt für
die Fremd- wie für die Selbstbeobachtungen. Bereits im ersten Satz wird die Theatersituation – ein Zuschauer wartet in seinem Sessel auf den Auftritt eines Schauspielers und
beobachtet dabei andere Wartende, die in diesem Augenblick zugleich Zuschauer und
Schauspieler sind – hergestellt.73 Mannigfaltige Konnotationen des Ohrensessels, aus
welchem heraus der Erzähler beobachtet und in welchem er sich erinnert, sind möglich:
Er kann sowohl als Beichtstuhl wie als Richterstuhl verstanden werden, auch als einfacher Theatersessel, aufgrund seiner Position im toten Winkel hinter der Tür am ehesten
jedoch als ein privilegierter Logenplatz:
Auf dem Ohrensessel war ich ja immer in Ruhe gelassen, denn er stand hinter der Tür, durch welche Ankommende eintraten und auch genau in dem Halbdunkel, in welchem sich meine Phantasie
und meine Gedanken schon immer am besten auf die in Frage kommenden Gegenstände konzentrieren und entfalten konnten […]. Ich sah, auf dem Ohrensessel sitzend, die Leute im Musikzimmer, umgekehrt sahen die Gäste, die sich im Musikzimmer aufhielten, mich nicht. (H 40/41)
Seine spezifische Methode der Beobachtung habe sich der Ich-Erzähler im Atelier
von Joanas Mann Fritz angeeignet (vgl. H 133), wo er seine Initiation in Wiens Künstlerkreise erfuhr und zum ersten Mal die künstlerischen Menschen in ihrer Künstlichkeit,
ihrer Theatralität, beobachten konnte. Hier stellt er zum ersten Mal den Zusammenhang
von Künstlertum und Künstlichkeit her. Dass diese Art, Menschen zu beobachten, für
ihn eine Entlarvungsmethode darstellt, wird im Kontext der genannten Stelle klar. Der
Erzähler spricht von einem „undurchdringlichen Nebel, der bis dahin „die sogenannte
künstlerische Gesellschaft zugedeckt“ (H 133) habe, und den er mittels seiner „Methode
der Menschenbetrachtung und -Beobachtung“ habe „heben können“ (ebd.). Sein Verhältnis zu dieser „Methode“ ist so ambivalent wie das von Murau zu der seinen, ist sie
für ihn doch geprägt von „Rücksichtslosigkeit“, „Infamie“ und „Unmenschlichkeit“
(H 27). Beide können nicht in der Zuschauerposition verharren, sondern verlassen diese,
um mitzuspielen. Ihnen wird ihr Involviertsein deutlich.
73
Was die räumliche Anordnung anbelangt, ist Hens beizupflichten, der eine Parallele zu den Regieanweisungen in der Wildente erkennt. Hens 1999a, S. 95. Zu weiteren Ähnlichkeiten vgl. ebd., S. 97ff.
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Die Nähe dieses Zuschauens zur Überwachung hat Sorg hervorgehoben, für den die
späte Prosa durch die Überlegenheit des Beobachterblicks strukturiert ist.74 Denn der
Erzähler spricht davon, sich in der Position eines Überwachers zu befinden: „Nicht umsonst hatte ich mir schon in den Fünfzigerjahren diesen Ohrensessel […] ausgesucht,
denn in diesem Ohrensessel […] sehe ich alles, höre ich alles, entgeht mir nichts, dachte
ich.“ (H 31) Auch behauptet er, die anderen Gäste „tatsächlich skrupellos“ (ebd.) mit
seinem analytischen Blick zu durchdringen und das an sich selbst ebenso rücksichtslos
durchzuführen. Dies hat zur Folge, dass er die Lächerlichkeit, die er den anderen aufgrund ihres falschen Künstlertums zuschreibt, auch sich selbst eingestehen muss:
Was für lächerliche und gemeine Menschen, dachte ich, auf dem Ohrensessel sitzend, und gleich
darauf, was für ein lächerlicher und gemeiner Mensch ich selbst bin, […] und ich dachte, daß ich
selbst noch viel gemeiner und niederträchtiger bin als diese Auersberger […]. (H 39)
Die Anklage der anderen führt zur Selbstanklage. Der aggressive – erregte – Vorwurf
der Inauthentizität fällt auf die Wertmaßstäbe des Erzählers zurück, indem er sich den
anderen ein weiteres Mal unterwirft. Insofern projiziert er in der Beobachtung im höchsten Maße seine eigene „Verkommenheit“ (H 218) auf die anderen. Eine Ausflucht bietet
der Gedanke, „alles immer nur vorgespielt“ (H 105) und nicht wirklich erlebt zu haben,
also auch den erzählten Abend nicht.75
Auch Barbara Mariacher widmet sich der Figur des Beobachters in Holzfällen. Sie
hebt den Aspekt der Veränderung des Beobachteten durch den Beobachter hervor. Keinesfalls sei dieser neutral, vielmehr habe „das Beobachtete eine Rückwirkung auf den
Beobachter“.76 Anschließend an diese Bemerkung lässt sich für Holzfällen behaupten,
dass das vom Erzähler Beobachtete seine Fähigkeit zur Reflexion determiniert und seine
Überwacherposition untergräbt. Denn je stärker seine emotionale Bindung zu den beschriebenen Personen ist, desto weniger objektiv sind seine Beobachtungen. Zudem diagnostiziert Mariacher zurecht eine „Überlagerung“77 verschiedener Erzählebenen:
Dieser Beobachter als Erzähler beobachtet den im Ohrensessel sitzenden Beobachter, der sowohl
Ich-Protagonist als auch Ich-Erzähler ist, und dieser Beobachter als Erzähler beobachtet sich selbst
und die übrigen Gäste auf der Ebene des erinnerten Geschehens, das vom Begräbnis der Joana bis
in die Fünfziger Jahre reicht.78
74
Vgl. Sorg 1992, S. 115.
Vgl. dazu vor allem H 105ff. In Kapitel 3.2.2 werde ich auf diesen Fluchtgedanken des Erzählers näher
eingehen.
76
Mariacher 1999, S. 128.
77
Ebd., S. 129.
78
Ebd.
75
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Sie stellt also zwei Ebenen der Beobachtung fest: Selbstbeobachtung und Beobachtung der Gäste.79 Während die Beobachtung der Gäste, das Auseinandernehmen, von
Projektion geprägt ist – die Anderen sind immer das, was der Erzähler im Augenblick
der Beobachtung sieht, und zugleich all das, was sich bei ihm an Assoziationen einstellt,
seien es Erinnerungen, die angeblichen Eigenschaften der anderen Personen oder eigene
Charakterzüge – ist die Selbstbeobachtung das Ergebnis der Reflexion dieser Art der
Beobachtung. Dazu bemerkt Claudia Öhlschläger:
In dem Maße, wie über den voyeuristischen Blick eine Machtposition etabliert werden kann, wird
dieser durch die ihm inhärente Ambivalenz zugleich unterlaufen. Der ‚Herrschaftsblick‘ des IchErzählers gerät in dem Moment außer Kontrolle, in dem sich dieser in den verlogenen Lebensentwurf der Künstlerfreunde involviert sieht. […] Ist sein Blick also zunächst auf die Gäste der Auersbergers als Objekte gerichtet, derer er sich reflektierend und bewertend bemächtigen kann, so
fällt dieser Blick doch auf ihn selbst als das eigentliche Objekt der Betrachtung zurück.80
Was Öhlschläger hier anspricht, ist die nicht gelingende moralische Verurteilung der
anderen. Die Machtposition des Erzählers ist nur eine scheinbare, da seine Beobachtungen, sind sie auch noch so sehr theatral vermittelt, ihn doch wieder auf sich selbst zurückwerfen. Der angebliche Zuschauer, der behauptet, „dieses künstlerische Abendessen in der Gentzgasse zwar beobachtet, tatsächlich aber daran nicht teilgenommen“
(H 265) zu haben, zeigt sich eben doch als ein Teilnehmer des Geschehens. Der Schutz
der Theatralität misslingt. Er kann der Realität nicht entkommen. Denn er spielt in ihr
wie die anderen seine Rolle, wie im Folgenden dargelegt wird.
3.2.2 „Ich hatte ihnen mein ganzes Leben nur vorgespielt“ – Zum Vorwurf der
Inauthentizität
Der zweite Aspekt, der für die Interpretation des Abendessens als Theaterabend zentrale Bedeutung hat, ist das Schauspielen. Der Ehrengast des Abends ist ein professioneller Schauspieler und in den Augen des Erzählers sind alle Anwesenden nicht sie selbst,
sondern spielen eine Rolle. Zudem bezichtigt er sich selbst auch des Vorspielens.
Generell kann Schauspielerei einerseits begriffen werden als die Möglichkeit, im Alltag spielerisch ein anderer zu sein. Mittels dieses Spiels kann man sowohl die eigene
Sichtweise überprüfen als auch die Rolle eines anderen oder, wie im vorliegenden Fall,
sich selbst, ausprobieren. Diese Form der Schauspielerei, indem man sich in andere hin-
79
Eine weitere Ebene der Beobachtung ist die des Lesers, der den Beobachter beim Beobachten bzw. den
Erzähler beim Erzählen beobachtet. Der Erzähler befindet sich so schon auf einer Bühne, auf der Bühne
nämlich, die die Beobachtung der Leser aus der Lesesituation macht, was einen weiteren Ansatz für die
Dramatisierung darstellt.
80
Öhlschläger 1994, S. 122.
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
einversetzt, um etwas über sich zu lernen, folgt keinen Regeln und hat keinen festen
Rahmen. Sie bedarf, im Gegensatz zur Schauspielkunst eines Berufsschauspielers, keines so hohen Maßes an Verstellungskunst, da die angenommene Rolle jederzeit wieder
verlassen werden kann. Eine andere Form dieser Alltagsschauspielerei besteht darin,
sich selbst zu spielen, um tatsächliche Charakterzüge zu überdecken. Für einen ausgebildeten Bühnenschauspieler hingegen bedeutet die Darstellung eines anderen meistens
die einer von einem Autor festgeschriebenen Figur innerhalb fester Regeln einer Inszenierung. Diese Figur hat einen festen Text und klare Beziehungen zu den anderen Figuren eines Dramas. In Holzfällen finden sich die beiden beschriebenen Typen.
Als Darsteller des eigenen Lebens denunziert der Erzähler die anderen Gäste. Sie
werden als Selbstdarsteller beschrieben, denen theatralisches und damit öffentlichkeitswirksames Auftreten nicht fremd ist: „Ausnahmslos waren sie alle vorzügliche Theatermacher […].“ (H 45) In seinen Augen spielen sie das Künstlertum nur, das ihre gesamte Existenz ausmacht. Sie sind nicht natürlich, sondern immer schon künstlich:
Den Anschein von allem haben sich diese Leute immer gegeben, wirklich gewesen sind sie nichts
und einmal geben sie sich den Anschein, gebildet zu sein und sind es nicht, und einmal den Anschein, wie gesagt wird, musisch zu sein und sind es nicht, und einmal den Anschein, menschlich
zu sein und sind es nicht, dachte ich. […] Und vor allem haben sie sich den Anschein gegeben, natürlich zu sein und sind niemals natürlich gewesen, alles an ihnen war immer nur die Künstlichkeit
selbst […]. (H 164)
Damit setzen sie sich von der Figur der Joana ab, deren Versuch, ein tatsächlich
künstlerisches Leben zu führen und nicht nur zu spielen, nicht gelungen ist.81 Joanas
Selbstmord kann als Eingeständnis ihres künstlerischen Scheiterns gelesen werden, das
zu Ehren des Burgschauspielers gegebene Nachtmahl, welches das Gelingen seines Lebens als Künstler zur Voraussetzung hat, als Umkehrung der Beerdigung am Nachmittag des gleichen Tages.82 Diese Beerdigung ist dem Erzähler durch das „Kunstgesindel“
(H 92) aus der Stadt verdorben worden. Die ehemaligen Freunde der Joana hätten keine
wirkliche Trauer empfunden, sondern auch hier nur „einem theatralischen Effekt“
(H 112) genügen wollen. Beim Abendessen nimmt er sie als Bühnenfiguren, das Musikzimmer als Bühnenraum wahr: „[…] auf dem Ohrensessel, von welchem aus ich die
Gäste im Musikzimmer beobachtete, die wie auf einer Bühne agierten im Hintergrund,
einer beweglichen Photographie ähnlich […].“ (H 54)
81
Sie habe Schauspielerin oder Ballerina werden wollen (vgl. H 50) und sogar davon geträumt, am Burgtheater Erfolge zu feiern (vgl. H 62). Zum Motiv der an der Kunst gescheiterten Künstler im Spätwerk
Bernhards vgl. Huntemann, S. 46-49.
82
Vgl. zum Motiv des lächerlichen Mahls Herzmann 1988.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Mit der Wahrnehmung der anderen als Personal eines Dramas geht die Selbstwahrnehmung als Schauspieler einher. Denn der Erzähler ist nicht nur Zuschauer, sondern
spielt ebenfalls seine Rolle. Darin ist er dem Erzähler in Beton vergleichbar, der für sich
und seine Schwester konstatiert: „Immer wieder spielte ich meine Rolle. […] Tatsächlich war alles an uns theatralisch, es war die furchtbare Wirklichkeit, aber theatralisch.“
(Be 114) Allerdings unterscheidet er sich von seinen Mitspielern dadurch, dass er innerhalb dieses Rollenspiels nicht nur Teilnehmer ist, sondern vor allem beobachtet und
reflektiert, also die Beziehungen der anderen untereinander und vor allem seine eigenen
zu ihnen seiner Prüfung unterzieht.
Andreas Herzog vertritt mit Blick auf den Erzähler von Auslöschung die These, „daß
man Bernhards Erzähler als theatralische Figur betrachten kann, deren Rede mit dem
Monologtheater von Bernhards Dramenfiguren vergleichbar ist, auch wenn ihre Sprachform selbstverständlich anders strukturiert ist.“83 Er konstatiert eine äußerst spärliche
Handlung und vergleicht diese mit „Spielanweisungen eines Theaterstücks“.84 Ihm fällt
auf, was für Holzfällen genauso gilt: dass der Text durchzogen ist mit Begriffen, „die
zum semantischen Komplex des Theaters gehören“.85 Auch Stefan Krammer erkennt
die „Theatralizität“86 der Bernhardschen Prosa und schließt sich Herzog an, wenn er in
Murau zugleich Regisseur und Hauptdarsteller, Beobachter und Kommentator sieht.
Krammer geht noch weiter und expliziert die Bernhardsche Technik, Prosa dramatisch
zu gestalten, aus der Abfolge von Reden und Schweigen:
Indem Bernhard immer wieder darauf verweist, wer das Wort ergreift beziehungsweise wer zu
dem Gesagten schweigt, und das explizit im Text markiert, entsteht eine dramatische Interaktion
zwischen den Charakteren, die allein durch die sich wiederholenden Inquitformeln und die gedanklichen Einschübe unterbrochen wird.87
Das trifft auch für den Erzähler in Holzfällen zu. So lassen sich Dialogpassagen finden, die, wie Gregor Hens herausgestellt hat, Ähnlichkeiten mit dramatischer Literatur
haben.88
Mit der Selbstwahrnehmung als Schauspieler ist das Eingeständnis verbunden, nichts
von dem Beschriebenen wirklich erlebt haben zu wollen. „Dieses selbstsuggerierte Rol-
83
Herzog 1999, S. 124.
Ebd., S. 125.
85
Ebd., S. 126; vgl. auch Link 2000, S. 116 ff.
86
Krammer 2003, S. 137. Warum allerdings Krammer den Begriff „Theatralizität“ wählt und sich nicht
mit dem in der Forschung gängigen der „Theatralität“ begnügt, verrät er nicht.
87
Ebd., S. 142.
88
Vgl. Hens, 1999a, S. 118.
84
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
lenspiel ist zugleich Ausdruck wie Abwehr der durchschauten eigenen Heuchelei.“89
So spricht der Erzähler davon, bei der Begegnung mit dem Ehepaar Auersberger auf
dem Graben die Erschütterung über den Selbstmord der Joana nur vorgespielt zu haben
(vgl. H 105). Auch bei dem Telefonat mit der Gemischtwarenhändlerin in Kilb einige
Stunden zuvor will er nur so getan haben, als wäre er erschüttert gewesen (vgl. H 102).
Von der Idee, den Schock nur vorgespielt zu haben, gelangt er zu dem Gedanken, die
Annahme der Einladung nur vorgespielt zu haben, um mit ironischer Logik zu schließen, nicht tatsächlich in der Gentzgasse zu sein. Diese Überlegungen gipfeln in der Idee,
sein gesamtes Leben nicht gelebt zu haben:
Ich habe ihnen immer alles vorgespielt, sagte ich mir. Ich habe allen alles immer nur vorgespielt,
ich habe mein ganzes Leben nur gespielt und vorgespielt, sagte ich mir auf dem Ohrensessel, ich
lebe kein tatsächliches, kein wirkliches, ich lebe und existiere nur ein vorgespieltes, ich habe immer nur ein vorgespieltes Leben gehabt, niemals ein tatsächliches, wirkliches, sagte ich mir, und
trieb diese Vorstellung so weit, dass ich schließlich an diese Vorstellung glaubte. Ich atmete tief
ein und sagte mir und zwar so, daß es die Leute im Musikzimmer hören mussten, du hast nur ein
vorgespieltes Leben, kein wirkliches gelebt, nur eine vorgespielte Existenz, keine tatsächliche, alles, was dich betrifft und alles, das du bist, ist immer nur ein vorgespieltes, kein tatsächliches und
kein wirkliches gewesen. (H 105/106, kursiv i. O.)
Wie oben angedeutet, ist die Möglichkeit gegeben, dass der Erzähler die Behauptung,
„immer alles vorgespielt“ (H 105) zu haben, durchaus als Flucht in die distanzierende
Schauspielerexistenz denkt. Indem er behauptet, kein eigenständiges Leben geführt zu
haben, sondern als Schauspieler (in der Darstellung eines anderen und nur im Bewusstsein, einen Zuschauer zu haben) immer nur für andere existiert zu haben, macht er sich
selbst zu einer künstlichen Figur. Dies entbindet ihn vom Eingeständnis der eigenen
Verletzlichkeit und der eigenen Heuchelei. Denn auch er lebt seine Lebenslüge: er
nimmt teil an dem Abendessen, obwohl er sich von der Künstlichkeit der sogenannten
Künstler absetzen will. Johann Sonnleitner begreift die in Bernhards Werk häufig vorkommende
Theatermetapher als Reizschutz: Der Autor bezieht einerseits eine distanzierende Zuschauerposition, wobei er aus der Welt als Bühne heraustritt, ist aber zugleich ihr allmächtiger Regisseur und
Arrangeur als Erzähler und Dramatiker.90
Diese autororientierte Deutung lässt sich auf den Erzähler in Holzfällen übertragen,
auch ohne ihn mit Bernhard gleichzusetzen.91 Auch für diesen Erzähler stellt die Theatralisierung der Wirklichkeit einen Puffer dar, der es ihm erlaubt, diese aus der Distanz
des Beobachters wahrzunehmen. In Verbindung mit der Selbstwahrnehmung als Schau89
Huntemann 1990, S. 51.
Sonnleitner 2001, S. 391.
91
Nicht wenige Autoren allerdings sehen den Erzähler in Holzfällen durchaus als Abbild Bernhards. Vgl.
dazu z. B. Oberreiter 1999.
90
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
spieler bietet ihm die Theatralität eine Rückzugsmöglichkeit von der nicht länger ausgehaltenen Realität.
Der Burgschauspieler schließlich ist der einzige professionelle Schauspieler unter den
Gästen. Seine Funktion innerhalb der fiktionalen Konstruktion wird im folgenden Kapitel erörtert.
3.3 Rolle und Funktion der Figur des Burgschauspielers
In diesem Unterkapitel erfolgt zuerst ein Überblick über die Charakterisierung des
Burgschauspielers,92 an die sich eine Untersuchung eventueller Gemeinsamkeiten zwischen ihm und dem Erzähler anschließt. Anschließend wird beleuchtet, ob diese Gemeinsamkeiten darauf hinweisen, dass der Burgschauspieler als Sprachrohr des Erzählers verstanden werden kann, und ob der Burgschauspieler tatsächlich als einziger „in
Anbetracht der peinlichen Ereignisse […] die erlösenden und zugleich angemessenen
Worte“93 findet.
Von Bernhards Erzähler wird der Schauspieler eingeführt als „Wiener Publikumsliebling und Burgtheatergeck“ (H 28), als einer der „geistlosen Brüller“ (ebd.), die ihm das
Burgtheater verleideten. Voller Abscheu nennt er ihn anfangs einen „dramatischen
Schreihals“ (H 29) und „ein Musterbeispiel von Antikünstler überhaupt“ (ebd.). Einen
Namen trägt dieser Schauspieler nicht, sein Status als Schauspieler an der Wiener Burg
ist es, der ihm die Ehre verschafft, zu einer nachträglichen Premierenfeier anlässlich der
Aufführung von Ibsens Wildente im Wiener Akademietheater eingeladen zu werden.
Seine Namenlosigkeit macht ihn austauschbar. Er ist für Erzähler wie Gastgeber nur
„der Schauspieler, der immer nur Burgschauspieler genannt worden ist […].“ (H 172f.)
Individuelle Eigenschaften werden ihm dementsprechend auch nicht zugesprochen. Für
den Erzähler sind alle Burgschauspieler gleichermaßen „kleinbürgerliche Popanze, die
von der theatralischen Kunst nicht die geringste Ahnung haben und die aus dem Burgtheater längst ein Siechenhaus ihres dramatischen Dilettantismus gemacht haben“
(H 31), die er bis auf wenige Ausnahmen hasse (vgl. H 29). In „geistiger Beschränktheit
und tatsächlich immer in Geistlosigkeit“ (H 250) sei auch der Ehrengast am Burgtheater
gealtert, ohne sich zu entwickeln. Im Gegensatz dazu preist ihn Frau Auersberger, für
92
Burgschauspieler sind nicht nur Schauspieler, die an der Wiener „Burg“, dem Inbegriff des Großtheaters, engagiert sind, sondern sogar ein eigener Typ Schauspieler, wenn wir Alfred Polgar folgen: „Im
Anfang […] war der heroische oder der ,Burgschauspieler‘. Sein edler Typus ist ausgestorben.“ Polgar
1984, S. 103. Eine andere Sicht, allerdings auf fiktionaler Ebene, bietet Elfriede Jelinek: Burgtheater. In:
Jelinek 1997, S. 129-189.
93
Klug 1991, S. 12.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
die er ein „grandioser Schauspieler“ (H 22), ja „der erste aller lebenden Schauspieler“
(H 23) ist. Innerhalb der Figurenkonstellation ist der Burgschauspieler ein Teil des den
Abend strukturierenden Gegensatzpaares, das aus ihm, dem Erfolgreichen, und der am
selben Tag zu Grab getragenen Joana, die gescheitert ist, besteht. Der Burgschauspieler
steht an der Spitze derjenigen, die für ihre Kunst mit dem Staat einen Kompromiss geschlossen haben. Die Aversionen des Erzählers kanalisieren sich stellvertretend auf ihn.
Am Akademietheater spielt er in der Wildente die Rolle des alten Ekdal, von der er
behauptet, sie sei seine „Lieblingsrolle“ und immer seine „Wunschrolle“ gewesen (H
177). Der alte Ekdal, Vater des jungen Ekdal, hat sich in dessen Wohnung auf den
Dachboden zurückgezogen, auf welchem er sich aus alten Weihnachtsbäumen einen
Wald gebastelt hat, in dem er sich ungestört aufhalten kann und wo er eine lahme Wildente pflegt. Ruiniert und alt, ist dies der Raum, in welchem er seinen Lebensabend
verbringen kann. Ekdal ist keine große Rolle, sondern vielmehr eine Nebenfigur in Ibsens Drama. Er hat mit dem Leben einen Kompromiss geschlossen, der auf einer Lüge
aufbaut. Denn der alte Ekdal war wegen illegaler Abholzung staatlicher Wälder im Gefängnis, obwohl Konsul Werle dafür hätte bestraft werden müssen.94
Ivar Sagmo weist darauf hin, dass sowohl Holzfällen als auch Alte Meister intertextuelle Verweise in sich tragen. Für Holzfällen sei es die genannte Wildente, die Aufschluss geben könne über den Grund der Erregung des Burgschauspielers. Sagmos These lautet, dass Jeannie Billroth den Part des Gregers Werle aus der Wildente spiele und
damit dem Burgschauspieler vor Augen führe, dass „sein Leben etwas Vorgespieltes,
eine Scheinexistenz“95 gewesen sei. Sagmo zufolge spielt der Burgschauspieler den alten Ekdal nicht nur, sondern identifiziert sich mit seiner Rolle, denn „[…] er ist ja in
gewisser Weise der alte Ekdal, der auf seine Weise seinen Kompromiss mit dem Leben
geschlossen hat.“96 Auch Willi Huntemann meint diese Identifikation zu erkennen:
„Noch im (verbalen) Versuch, aus der Künstlichkeit auszubrechen, reproduziert er sie
symbolisch, wie der Artist in Am Ortler in die Vaterrolle zurückfällt.“97
Das trifft nur bedingt zu. Zwar nennt der Burgschauspieler die Rolle des Ekdal seine
„Wunschrolle“ und zeichnet in seinem Ausbruch ein Gegenbild zur in der Künstlichkeit
94
Vgl. Ibsen 1978.
Sagmo 1986, S. 238. Ebenfalls intertextuell argumentiert Hens, der jedoch nicht Ibsens Wildente, sondern Strindbergs Dramen Totentanz und Gespenstersonate als ausschlaggebend für seine Interpretation
anführt (vgl. Hens 1999a, S. 89ff.).
96
Ebd., S. 242.
97
Huntemann 1190, S. 55.
95
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
erstarrten Gesellschaft. Darüber hinaus ist sein Ausbruch aber auch Teil einer weiteren Rolle, nämlich der des Provokateurs. Wie weiter unten gezeigt wird, genügt der
Burgschauspieler immer wieder den Anforderungen, seine Rolle zu spielen und somit
dem Abend erst den von ihm erhofften Flair zu verleihen. Mit seinem Ausbruch perpetuiert er also das Rollenspiel des Abends.
Zuerst möchte ich auf die Gemeinsamkeiten von Burgschauspieler und Erzähler eingehen, die die Vermutung nahe legen, es könne sich bei dem Schauspieler um ein alter
ego des Erzählers handeln. Diese Gemeinsamkeiten, die sich über den Text verstreut
finden,98 kulminieren im Ausbruch des Burgschauspielers, der auf die Frage der Jeannie
Billroth, ob er denn in seiner Kunst „Erfüllung gefunden habe“ (H 293), mit einem erregten Monolog antwortet. Wenn er davon spricht, die versammelten Künstler wegen
ihres Gehabes im Grunde zu hassen und dass er sich am liebsten in die Berge zurückziehen würde, um „selbst Natur zu sein“ (H 302), dann geht er mit dem Erzähler insofern konform, als er in seiner Wut auch dessen Hass auf Jeannie Billroth und alle anwesenden Künstler und ihr zur Schau gestelltes Künstlertum verbalisiert. Der Vorwurf an
die Jeannie Billroth, über Kunst zu reden, ohne etwas davon zu verstehen (vgl. H 296),
könnte ebenso vom Erzähler stammen. Auch dessen ambivalente Einstellung Wien und
insbesondere dem Burgtheater gegenüber teilt er: „Wir hassen diese Stadt und lieben sie
doch, wie keine andere, sagte er. Wie wir […] auch das Burgtheater hassen und doch
lieben wie kein anderes.“ (H 186) Darum bewundert der Erzähler den Burgschauspieler
kurzzeitig. Er glaubt in ihm nach seinem Ausbruch etwas „merkwürdig AltPhilosophisches“ (H 304) zu erkennen: „Der anfängliche Schwätzer […] war im Laufe
dieses künstlerischen Abendessens […] zur philosophischen Figur […] geworden […]“
(H 305) und darüber hinaus „von einer Figur zu einem Menschen“. (H 306f.) Doch lässt
der Erzähler den Burgschauspieler nur scheinbar als sein Sprachrohr auftreten, tatsächlich ist dessen Tirade eine erzähltheoretische Finte. Die genannten Gemeinsamkeiten
konstruieren nur vordergründig eine Übereinstimmung. Denn der Burgschauspieler
greift mit seinem Monolog nicht nur die anderen Anwesenden, sondern auch den Erzähler selbst und dessen Kompromiss an, doch wieder eine Einladung des Ehepaars Auersberger angenommen zu haben. Indem der Erzähler den Schauspieler aussprechen lässt,
98
Die Aussagen der beiden ähneln sich stark; beispielsweise: „Ballerinen, Schauspielerinnen […] hängen
sich auf.“ (Erzähler, H 15) und „Schauspieler sind prädestiniert, sich umzubringen, aufzuhängen!“ (Burgschauspieler, H 194); auch den Wunsch des Burgschauspielers, „in Ruhe gelassen“ (H 302) zu werden,
formulierte der Erzähler schon zuvor (vgl. H 40).
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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was er selbst aus Feigheit nicht zu sagen wagt, offenbart er seine eigene Schwäche.99
Er erfindet diese Figur, um sein eigenes Schweigen erträglich zu gestalten. Erst aus der
Distanz der Verschriftlichung, sprich: der Kunst, gelingt es ihm, sich zu verhalten.
Wie oben angedeutet ist das, was der Burgschauspieler in seiner Erregung und trotzdem gefasst (vgl. H 295) ausspricht, ebenfalls ein Rollenspiel. Vor seinem Ausbruch
erfüllt er die an ihn gestellten Erwartungen, wenn er über die Inszenierung der Wildente
spricht (vgl. H 177ff.), von Schauspielerkollegen berichtet (vgl. H 193ff.) und über das
Burgtheater schwadroniert (vgl. H 276ff.). Dabei macht er sich lächerlich und zeigt seine ganze Eitelkeit, indem er behauptet, unvoreingenommen über die Inszenierung, in
der er mitspielt, urteilen zu können (vgl. H 200). Den Höhepunkt dieser Selbstdesavouierung stellt die Aussage dar, „alle Wildenten, die in den letzten Jahrzehnten aufgeführt worden sind, gesehen“ (H 199) zu haben. Dazu kommt noch, dass er behauptet, in
Ibsens Drama hänge alles von der Figur des Ekdal ab: „Ist der Ekdal schlecht, ist das
ganze Stück schlecht, ist die ganze Aufführung schlecht.“ (H 200) Offensichtlich findet
hier eine Sympathielenkung des Lesers zuungunsten des Burgschauspielers statt.
Wahrgenommen wird der Burgschauspieler vom Erzähler zuerst in seiner Rolle als
Burgschauspieler:
Der Burgschauspieler war ja, […], als nichts anderes, als der Burgschauspieler aufgetreten zuerst
und hatte auch noch seinen sogenannten echten Fogosch als Burgschauspieler, was für mich heißt,
als abstoßende Figur, gegessen, sich die ganze Zeit während des Fogoschessens als die mich abstoßende Figur in Szene gesetzt [...]. (H 306; Unterstreichungen von mir, A.B.)
Die für die Wahrnehmung des Burgschauspielers entscheidende Perspektive ist die
der Rolle, des Als-ob, und der Erzähler nimmt an, dass der Burgschauspieler diese Rolle
kurzzeitig verlassen habe. Jedoch fällt auf, dass der Burgschauspieler seine Kaffeetasse
hält, „wie ich mit größtem Erstaunen sah, ohne zu zittern, um von Zeit zu Zeit einen
Schluck daraus zu machen.“ (H 295) Er hat die Situation unter Kontrolle, sein Ausbruch
ist mithin kein affektgeladener, sondern inszeniert. Der Burgschauspieler kann als einziger die Künstlichkeit, die er kritisiert, herstellen und sich so über sie erheben. Mit den
ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gelingt es ihm, sich innerhalb seiner Rolle zu verändern und nach seiner Tirade wieder in die ursprüngliche Rolle zurückzufallen. Auch
der Erzähler zeigt sich beeindruckt und glaubt in der Trias „Wald, Hochwald, Holzfällen“ „Lebensstichwörter“ (H 304) zu erkennen, die weit über das hinaus reichten, was
99
Nicht nur Jeannie Billroth, auch der Erzähler fragt, „ob es ihm, wie gesagt wird, nicht zum Halse heraus hinge […] immer wieder nur klassische Rollen gespielt zu haben auf dem Burgtheater“ (H 263). Er
steht also mit seinen Fragen Jeannie Billroth in nichts nach. Interessant wäre hier eine Kontextualisierung
des Autorlebens; vgl. dazu Ellrich 2002.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
sich am Abend abgespielt hat. Doch indem der Burgschauspieler sich wieder in die
Rolle begibt, die ihm zugedacht war, indem er sich bei Jeannie Billroth entschuldigt,
wird klar, dass sein Monolog keineswegs als Ausbruch aus dem „heillosen Wahnsinn
der Künstlichkeit“ (H 301) zu verstehen ist. Er stellt nur eine Momentaufnahme innerhalb des Rollenspiels der Künstlergesellschaft dar.
3.4
Der beobachtete Beobachter: Die doppelte Bühnensituation
Wie sich gezeigt hat, berichtet der unzuverlässige Erzähler in Holzfällen von einem
Theaterabend, den er wie ein Zuschauer und zugleich wie ein Schauspieler in einem
Ensemble erlebt hat. Er teilt seine Fremd- und Selbstbeobachtungen als Teilnehmer dieses Rollenspiels dem Leser mit, der sich so in einer doppelten Beobachtungssituation
befindet: Er beobachtet den Erzähler beim Beobachten. Diese Situation ist vor dem Hintergrund des Theatralen, das Holzfällen durchzieht, als doppelte Bühnensituation zu
verstehen. Der Erzähler exponiert sich und seine Beobachtungen auf einer Bühne, wodurch vor den Augen des Lesers ein Theater auf dem Theater entsteht. Zudem lesen sich
auf der inhaltlichen Ebene seine Beobachtungen in ihrer Exaktheit und ihrer Nähe zum
Drama wie ein Stück.
Realität hat der Erzähler zu einem Theaterstück transformiert, in welchem er die Rolle spielen kann, die er sich selbst aussuchen würde, und trotzdem in der Distanz des stillen Beobachters verharren kann. Mit der Wahrnehmung der Realität als Theater geht die
eigene Unfähigkeit einher, das, was sich dort abspielt, als Realität anzuerkennen. Unmittelbare Erfahrung wird unmöglich gemacht. Die Bedingung der Möglichkeit von
realistischer Erfahrung wäre für den Erzähler die Durchbrechung der Künstlichkeit, wie
sie der Burgschauspieler scheinbar aufzeigt. Dieser kann zwar die Ebenen Spiel und
Ernst souverän handhaben, jedoch bleibt auch er im Rollenspiel gefangen. Es stellt sich
bei näherer Betrachtung heraus, dass der Burgschauspieler nur von einer Rolle in eine
andere geflüchtet ist. Er ist also nicht aus der Künstlichkeit entkommen, sondern hat nur
eine andere Form, eine ebenso künstliche, für seine Erregung gefunden. Insofern kann
gesagt werden, dass innerhalb der Poetik des Theatralen für die Protagonisten keine realistische, keine andere Erfahrung möglich ist. Damit spricht der Erzähler den anderen
ihre Individualität ab, da sie sich in der Künstlichkeit nicht voneinander unterscheiden
würden. Dieser Vorwurf fällt auf ihn selbst zurück. Der Burgschauspieler spricht zwar
von Natur und Anderssein, doch hat er einen Kompromiss mit der Existenz als Burgschauspieler geschlossen. Sie ermöglicht es ihm, auf der Bühne ein anderer zu sein,
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bringt vor allem aber mit sich, dass seine Eitelkeit befriedigt wird und er sich der Bewunderung des Publikums sicher sein kann. Ihm bietet Theater in seiner Künstlichkeit
die Möglichkeit, ein anderer zu sein. Der Burgschauspieler darf das, ist insofern der
Künstlichkeit immer schon enthoben, indem er sich ihr bewusst bedienen kann. Der Erzähler hat aber nur die Schrift, bleibt also ebenfalls innerhalb der Künstlichkeit.
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4
Holzfällen als Theatermonolog
Wie in Kapitel 3 dargelegt, kann Holzfällen als Prosatext mit dramatischen Zügen gelesen werden. Darum bot sich eine Transformation ins Medium Theater an. Diese Dramatisierung, die aus der dramaturgischen Einrichtung des Prosatextes und der szenischen Umsetzung besteht, bildet den Gegenstand dieses Kapitels. Um sich der Inszenierung des Monologs, der das Ergebnis der Dramatisierung darstellt, annähern zu
können, bedarf es einer knappen Klärung der Zugangsweise (4.1). Hier wird erläutert,
wie sich das theatersemiotische System von Erika Fischer-Lichte für die Analyse einer
stark reduzierte Inszenierung wie Holzfällen am Staatstheater Darmstadt zur Anwendung bringen lässt. Anschließend wird auf die Unterschiede zwischen Prosatext und
Theatertext eingegangen und der Begriff des Theatertexts näher differenziert. Da es sich
bei der Inszenierung von Holzfällen um die Adaption eines Prosatextes für die Bühne
handelt, wird auf die Besonderheiten und Strukturveränderungen im Zuge dieser Transformation eingegangen. Denn nicht nur die Rezeptionssituation ändert sich, auch die
Codes, die es auf Seiten der Rezipienten zu entschlüsseln gilt (4.2). Wie bei jedem Theaterereignis, das auf einem vorgegebenen Text basiert, ist es auch für die Inszenierung
von Holzfällen nicht unerheblich, sich mit dem Aspekt der Werktreue zu befassen,
selbst wenn die Idee der Werktreue grundsätzlich in Frage gestellt werden kann. Denn
gerade die Bearbeitung eines Prosatextes für die Bühne macht deutlich, wie schwer es
ist, tatsächlich werkgetreu zu arbeiten (4.3). Darauf folgt ein beschreibender Überblick
über Raum, Dekoration und Licht (4.4) sowie zur eingesetzten Musik (4.5), der zudem
erste Deutungen enthält, um sich in einem nächsten Schritt dem wichtigsten Gegenstand
der Analyse, dem Darsteller des Erzählers, anzunähern (4.6). Da auch dem Publikum
innerhalb der Inszenierung von Holzfällen eine Rolle zukommt, wird dies gesondert
betrachtet (4.7). Schließlich werden einige ausgewählte Spielsituationen genauer untersucht, anhand derer die Gesamtkonzeption der Inszenierung erläutert wird (4.8). Auf
ihre exemplarische Stellung gehe ich jeweils zu Beginn der einzelnen Szenenanalysen
ein. Die untersuchten Szenen sind in zwei Blöcke unterteilt. Der erste Block umfasst die
Charakterisierungen des Ehepaars Auersberger (4.8.1), der Jeannie Billroth (4.8.2) und
des Burgschauspielers (4.8.3), da hier ihre Darstellung durch den Erzähler, der sich jeweils kurzzeitig in ihre Rollen begibt, deutlich wird. Der zweite Block umfasst eine Betrachtung von Anfang und Ende des Stückes (4.8.4) sowie der Schlüsselszene innerhalb
des Ausbruchs des Burgschauspielers (4.8.5). Abschließend findet eine Einordnung der
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Inszenierung statt, die sich zum Ziel setzt, eine grundlegende Inszenierungskonzeption aus der Analyse herauszulesen (4.9), die zu den Ergebnissen der literaturwissenschaftlichen Interpretation in bezug gesetzt wird.
4.1
Das Zeichensystem Theater – zur theatersemiotischen Methode
Für die theaterwissenschaftliche Analyse wurde der Ansatz der Aufführungsanalyse
von Erika Fischer-Lichte gewählt. Sie begreift in ihrem Standardwerk Semiotik des
Theaters100 das Medium Theater als Rede mit einem spezifischen Zeichensystem, das
sich aus verschiedenen Zeichensystemen zusammensetzt und mithin polysemiotisch
genannt werden kann. Sie versteht eine Theateraufführung als feststehendes und fertiges
Produkt, dessen Zeichen, der theatralische Code, in der semiotischen Analyse mittels
der Kenntnis der ihnen zugrundeliegenden kulturellen Codes vom Zuschauer zu entschlüsseln sind:
[…] wir haben Theater als einen Prozeß bestimmt, in dem Zeichen, die in einer Kultur bereits vorhanden sind, und eine spezifische Funktion erfüllen, nicht in dieser Funktion, sondern als Zeichen
von Zeichen verwendet werden, um die entsprechende Kultur in zweifachem Sinn zu reflektieren:
Theater bildet eine Kultur ab und stellt sie in dieser Abbildung vor das nachdenkende Bewußtsein
ihrer Angehörigen.101
Das aus dem Prozess entstandene Produkt ist in ihren Augen einem Text zu vergleichen, weshalb eine Theateraufführung wie ein Text zu lesen sei. Mit Fischer-Lichte
kann für Theater unterschieden werden zwischen Zeichen, die die Verkörperung einer
Figur X durch den Schauspieler A in einem Raum Z betreffen, und solchen, die die restlichen Teile einer theatralen Inszenierung, also Raum, Musik, Geräusche und anderes,
betreffen. Neben den äußerlichen Zeichen des Schauspielers wie Maske, Kostüm und
Frisur sind es die Zeichen, die der Schauspieler A hervorbringt, um die Figur X darzustellen. Diese unterteilt Fischer-Lichte in sprachliche und kinesische Zeichen. Unter
sprachlichen Zeichen sind linguistische (Rhythmus, Tonhöhe etc., Tempo, Timbre, Frequenz und Geschwindigkeit der Stimme) und paralinguistische Zeichen (Ausdruck von
Gefühlen, Stimmungen etc., ohne dass sie deutlich Gesten oder Mimik zugeordnet werden könnten) zu verstehen. Zu beachten ist hierbei, dass die paralinguistischen Zeichen
die linguistischen in den meisten Fällen näher bestimmen, also die linguistischen ohne
die Zuhilfenahme der paralinguistischen häufig nicht zu deuten sind. Als kinesische
Zeichen bezeichnet sie Zeichen der Bewegung. Dazu gehören posture, der Standort ei100
Fischer-Lichte, Erika: Semiotik des Theaters. A.a. O. Für die folgenden Ausführungen beziehe ich
mich auf Band 1, Das System der theatralischen Zeichen. 3. Auflage, Tübingen 1994.
101
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
ner Figur im Raum, sowie ihre Bewegung von einem Ort zum anderen. Ferner werden
unter diese Kategorie mimische, gestische und proxemische (Bewegungen im Bühnenbild und zwischen Schauspielern) Zeichen subsumiert. Von diesen sind die mimischen
Zeichen die komplexesten. Ebenfalls als Zeichen des Schauspielers sind die nonverbalen akustischen Zeichen wie etwa Klatschen, Stampfen oder Heulen zu nennen.
Die Zeichen, die nicht den Schauspieler betreffen, beschreibt Fischer-Lichte als visuelle Zeichen des Raumes wie Raumanordnung, Dekoration, Requisiten und Beleuchtung. Je komplexer ein Bühnenbild, desto stärker treten diese Zeichen miteinander in
Kontakt, so dass in der theaterwissenschaftlichen Analyse genau untersucht werden
muss, wie sich diese Beziehungen gestalten. Für den Monolog Holzfällen kann schon
jetzt festgehalten werden, dass es sich im Hinblick auf das Bühnenbild um eine extrem
reduzierte Inszenierung handelt. Die genannten Beziehungen sind somit nur die zwischen dem Schauspieler und dem Raum sowie die zwischen Raum und Licht. Während
es sich bei gestischen, mimischen und proxemischen Zeichen um flüchtige und veränderliche Zeichen handelt, sind die Zeichen des Bühnenbilds fixiert. Wie Lichtstände,
Requisiten und Kostüme hängt das Bühnenbild nicht von den Tätigkeiten des Schauspielers ab und kann somit als Zeichen für sich gedeutet werden. Für die nähere Bestimmung zum Beispiel des Bühnenbilds jedoch ist immer zu beachten, wie der Raum
durch die sich in ihm befindliche Figur definiert wird.
Die Problematik einer solchen systematischen Zeichentheorie besteht darin, dass das
zu deutende Objekt als feste Größe verstanden wird. Fischer-Lichte berücksichtigt etwa
nicht die Veränderungen innerhalb einer Inszenierung während einer Spielzeit. Das ist
insofern von Bedeutung, als sich nicht unwichtige Akzentverschiebungen auch in einem
eingespielten Ablauf ergeben können, so dass sich z. B. Premiere und letzte Vorstellung
auf der Zeichenebene unterscheiden können. Zwar bleiben die hervorgebrachten Zeichen weitgehend gleich, doch sind es gerade die kleinen Akzentverschiebungen, die
weitere Denotationen ermöglichen. Daraus ist zu folgern, dass jeweils eine einzelne
Aufführung, nicht aber die Inszenierung im Verlauf einer Spielzeit Gegenstand der Analyse ist.
Fischer-Lichtes Ansatz ist einer unter mehreren konkurrierenden102 und hat sich wegen seiner klaren Systematik als praktikabel herausgestellt. Allerdings ist ihre Methode
102
Zu nennen ist hier vor allem Guido Hiß, der mit Der theatralische Blick. Einführung die Aufführungsanalyse (Hiß 1993) eine Erweiterung vorgelegt hat. Zudem hat Patrice Pavis ein Modell der dialektischen
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
vor allem als Beschreibungsinstrumentarium zu verstehen, das Deutungen verschiedenster Ansätze dienen kann. Denn die Aufführung ist ein Zeichensystem, dem mittels
semiotischer Beschreibung allein noch nicht zureichend nahegekommen ist. Die Zeichen weisen immer auf etwas hin, haben also eine nicht zufällig zustande gekommene
Bedeutung, die entschlüsselt, decodiert werden kann. Der Code wurde in den Proben
erarbeitet, soll für das Publikum verständlich sein und kann in der Analyse durch die
Decodierung erklärt werden. Trotz der in der Proben erarbeiteten Bedeutung z.B. eines
mimischen Zeichens ist nie sichergestellt, dass ihm nicht noch andere Bedeutungen zugesprochen werden können. Die Enkodierung ist also einerseits Ergebnis von konzeptionellen Überlegungen und folgt aus dem Abwägen verschiedener Möglichkeiten, Denotat und Konnotat sind zu unterscheiden, doch tut dies das nicht homogene Publikum,
das am Ende eine Bedeutung konstruiert. Insofern ist auch nicht davon auszugehen,
dass es eine universelle Geltung beanspruchende richtige Deutung der konstruierten
Zeichen geben kann. So kann es in der Inszenierungsanalyse nur darum gehen, anhand
der ermittelten Zeichen und ihrer Bedeutungen eine Gesamtdeutung zu versuchen.103
Eine Besonderheit von Theater ist die simultane Produktion und Rezeption der theatralischen Zeichen. Dieser transitorische Charakter des Theaters, seine Flüchtigkeit, wird
gerade bei Video- und Filmaufzeichnungen deutlich. Denn das Unmittelbare, das einen
Theaterabend auszeichnet und vor allem vom Film unterscheidet, geht hier verloren.
Zwar schafft erst die Videoaufzeichnung die Möglichkeit, ein Theaterereignis wiederholt zu rezipieren, wie man auch ein Buch oder einen Kinofilm noch einmal lesen bzw.
sehen kann, doch ist dies eine vermittelte Erfahrung. Auch die Aufzeichnung von Holzfällen kann demnach keine dem tatsächlichen Ereignis entsprechende sinnliche Erfahrung des Ereignisses bieten.104
4.2 Die Transformation des Prosatextes in einen dramatischen Monologtext
Untersuchungsgegenstand dieses Unterkapitels ist der Text, der der Inszenierung
zugrunde liegt. Von Bedeutung sind hier besonders die durch die Transformation entAnalyse vorgestellt, das den Kommunikationsprozess zwischen Schauspieler und Zuschauer zur Basis hat
(Pavis 1988).
103
Zur Kritik an Fischer-Lichtes Methode s. Lehmann 1989.
104
Die Videoaufzeichnung, die dieser Arbeit beiliegt, ist aus zwei verschiedenen Aufführungen zusammengeschnitten worden, so dass schon hier klar wird, dass es sich bei der folgenden Analyse nicht um die
Analyse einer einzigen Aufführung handelt. Außerdem ergibt sich aus dem Umstand, dass ich an der
Inszenierung mitgearbeitet und mehr als eine Aufführung besucht habe, eine genaue Kenntnis der gesamten Inszenierung.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
standenen Unterschiede zwischen Textvorlage und tatsächlichem Spieltext. Daraus
ergibt sich die Frage, welchen Einfluss diese Änderungen auf der Ebene des Geschehens für die Inszenierung haben.
Grundsätzlich können mit Christopher Balme im Zusammenhang mit der Analyse
von Theater drei Textarten unterschieden werden: Theatertext, Inszenierungstext und
Aufführungstext.105 Als Theatertext kann jeder für die Umsetzung auf der Bühne geschriebene Text verstanden werden, somit auch eine Romanbearbeitung. Dies ist eine
Erweiterung des engen Dramenbegriffs von Pfister u.a.106 Denn heutige Theatertexte
sind nicht notwendig in Akte und Szenen eingeteilt, zudem finden sich nicht mehr so
häufig Regieanweisungen.107 Auch ist nicht immer klar, wann sich welche Personen auf
der Bühne befinden.
Unter dem Begriff Inszenierungstext ist die szenische Form des Theatertexts zu verstehen, die Umsetzung in die Struktur der Bühne. Der Inszenierungstext ist das, was
nach Konzeption und Probenarbeit für das Bühnengeschehen verbindlich ist. Als Aufführungstext schließlich bezeichnet Balme die „allabendliche Realisierung der Inszenierung“108, die sich vom Inszenierungstext unverkennbar abhebt. Je stärker sich der realisierte Aufführungstext vom Inszenierungstext unterscheidet, desto schwieriger ist es für
die Beteiligten, die für die Wiederholbarkeit notwendigen Absprachen einzuhalten.
Gegenstand dieses Kapitels ist folglich der aus dem Prosatext entstandene Theatertext, die „definierte textliche Vorlage“.109 Der Prosatext enthält im Unterschied zu für
die Bühne geschriebenen Texten keine Hinweise auf die Situation, in der er spielt. Er
hat erinnernden Charakter und trägt am Schluss den fiktionalen Hinweis, dass er direkt
im Anschluss an den Abend bei den Auersbergers entstanden ist. Es wäre demnach
falsch, für den Monolog eine tatsächliche Spielsituation im Ohrensessel zu konzeptionieren. Ebenso wenig geht aus ihm hervor, ob die Erzählerfigur den Raum verlässt oder
in welcher Verfassung er sich befindet und ob der Erzähler den Text überhaupt spricht.
Es gibt also im Prosatext, wenn er als Bericht gelesen wird, keinen Nebentext, nur
Haupttext.
105
Vgl. Balme 2001, S. 83.
Vgl. Pfister 2001; dazu auch Poschmann 1997 und Keim 1998 .
107
Zu denken ist hier etwa an die Texte Elfriede Jelineks, etwa: Der Tod und das Mädchen I-V. Prinzessinnendramen. Berlin: Berliner Taschenbuchverlag 2003.
108
Balme, S. 83.
109
Ebd.
106
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Als wichtigstes Charakteristikum des Theatertextes wird im Folgenden die Monologform betrachtet. In einem Theaterstück mit mehreren Figuren ist ein Monolog die
längere Rede einer Figur, die nicht von anderen Figuren unterbrochen wird. Er wird
definiert als „Aussprache oder Selbstgespräch einer Figur; neben dem Dialog wichtigste
längere, in sich geschlossene Form der dramatischen Rede“.110 Er unterscheidet sich
vom Beiseitesprechen durch seine deutliche Gerichtetheit. Auch kann er das Geschehen
auf der Bühne kommentieren. Im Monolog stellt sich die Figur stärker dar, als das im
Dialog möglich ist. Ihr ist alle Aufmerksamkeit sicher, und oft wird ein Monolog an
einer exponierten Stelle der Bühne (an der Rampe, auf einem Podest oder an signifikanten Bühnenelementen) gesprochen. Durch das Fehlen eines Dialogpartners ist es das
Publikum, das angesprochen wird. Für das Monodrama, das sich vom Monolog dadurch
unterscheidet, dass hier nur ein Schauspieler handelt und spricht, gilt darüber hinaus,
dass es nur für das Publikum gesprochen wird.
Aus dem Prosatext entstand eine erste Bühnenfassung, die nach mehreren Überarbeitungsschritten schließlich zur für die Inszenierung gültigen Textfassung wurde. Diese
definitive Regiebuchfassung, die neben technischen Anweisungen auch Stichwörter für
die einzelnen Szenen enthält, 111 besteht aus 45 Szenen und umfasst 22 Seiten. Die Einteilung in diese Szenen folgt den unterschiedlichen Spielsituationen und ergibt sich zum
einen aus den wechselnden Spielorten, zum anderen aus den verschiedenen Spielhaltungen des Darstellers. Der Wechsel der Spielorte wiederum ist eine Folge der Streichungen innerhalb des Textes. In den Unterkapiteln zu einzelnen Szenen wird darauf näher
eingegangen. Zweimal wird die Chronologie der Prosavorlage verändert: zum einen
wird Szene 16 („Ich bin, obwohl ich auf keine Fall in die Gentzgasse hatte gehen wollen, in die Gentzgasse gegangen...“) im Anschluss an Szene 22 wiederholt. Geplant war
anfangs sogar eine mehrfache Häufung, um die Wiederholungsstruktur Bernhards auf
die Spitze zu treiben. Auch sollte mittels dieser Wiederholung der Zwang, unter dem
der Erzähler steht und der ihn gegen seine Überzeugung handeln lässt, hervorgehoben
werden. Zum zweiten beginnt die Inszenierung mit dem Ende des Prosavorlage. Dadurch ergibt sich schon auf der Ebene des Theatertextes eine Kreisstruktur. Außerdem
verdeutlicht dieser Eingriff die Situation, in welcher der Text entstanden sein soll.
110
Sucher 1996, S. 285.
Beispielsweise ist Szene 4, die Begegnung mit dem Ehepaar Auersberger auf dem Graben, mit dem
Stichwort „Galgenhumor“ versehen.
111
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Weil ein wichtiges Kriterium für die Musikalität der Bernhardschen Sprache die
Vollständigkeit der Sätze ist, finden sich keine Streichungen innerhalb von Sätzen, sondern nur zwischen Passagen. Zudem war für die Streichungen entscheidend, dass der
Fortgang der Handlung für die Zuschauer verständlich ist. Zwangsläufig fielen damit
einige Stränge der Handlung weg. Zunächst gehe ich auf für Dramaturgie, die Inszenierung und die Spielform relevante Aspekte der Transformation des Prosatextes in einen
Inszenierungstext ein.
Da es sich bei Holzfällen um einen Prosatext mit autodiegetischem Erzähler handelt,
der schon in der Prosafassung einen Erinnerungsmonolog darstellt, lag es nahe, als
Spielform einen Monolog zu wählen. Um das „künstlerische Abendessen“ insgesamt
auf die Bühne zu bringen, hätte die Aufteilung des Textes auf mehrere Schauspieler erfolgen müssen, wie es in Ansätzen am Schauspiel Leipzig getan wurde. Dort fand am
11.2.2004 eine szenische Lesung aus Holzfällen mit zwei Schauspielern statt. Roland
Leithäuser schildert die Aufführung wie folgt:
Auf der Bühne wird eine festlich gedeckte Tafel angedeutet, an der die beiden Rezitatoren Albrecht und Schrodt zunächst Platz nehmen, nur um dann im Laufe dieser „szenischen Lesung“ jeweils simultan die Plätze zu wechseln, einmal am jeweiligen Kopfende, dann vor dem Tisch, am
Schluß sogar auf dem Tisch Platz zu nehmen. Mal gemeinsam, dann wieder allein, oft lautstark die
Anfeindungen des Erzählers repetierend, lassen sich die beiden Akteure zunehmend intensiver auf
den Text ein, dabei in schöner Regelmäßigkeit die Kunstpausen durch einen Schluck aus dem
Sektglas unterstreichend. 112
Die Darmstädter Inszenierung hingegen beschränkt sich auf den Erzähler und kommt
zudem ohne jegliche Requisiten aus. Ein Schauspieler, Gerhard Hermann, spricht den
gesamten Text und in diesem die Stimmen der anderen Gäste, die er teilweise spielt,
teilweise karikiert. Die durchaus denkbare Möglichkeit, ihm eine weitere Figur zur Seite
zu stellen, um so den für Bernhards Stücke typischen stummen Zuhörer113 zu konstruieren und damit die Inszenierung in die Nähe dieser Stücke zu rücken, war nie Teil der
Konzeption.114 Vielmehr galt von Anfang an das Prinzip der Reduktion auf einen Darsteller und damit die Form des Monologs. Zudem lassen sich aus der Inszenierung noch
andere Leitprinzipien für die dramaturgische Einrichtung herauslesen. Dies sind neben
der Reduktion auf einen Darsteller die sinnvolle Verdichtung sowie die in der Prosafassung ersichtliche Theatralität. Zudem musste für die Zuschauer die Verständlichkeit
112
Leithäuser 2004, o.S.
Vgl. für die Dramen Bernhards: Klug 1991.
114
Tatsächlich fragte einmal ein Zuschauer, ob bei der Konzeption des Abends der Gedanke aufgetaucht
sei, dem Erzähler noch einen stummen Partner an die Seite zu stellen, um die Inszenierung noch stärker
den Stücken Bernhards anzunähern. Vgl. dazu auch Schmidt-Denglers Äußerung zu Bernhards Dramen,
sie seien „gegen die Möglichkeit des Dialogs konzipiert.“ Schmidt-Dengler 1997, S. 149.
113
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
gewährleistet werden. Es versteht sich von selbst, dass hinsichtlich der Praktikabilität
in bezug auf Raum und Schauspieler gearbeitet werden musste.
Antje Diedrich gibt in ihrer Darstellung zur Dramatisierung von Robert Walsers Jakob von Gunten am Theater Basel115 einige Hinweise zu „Grundprinzipien des Dramatisierungsprozesses“116. Sie stellt drei Prinzipien heraus: Konzentration, Objektivierung
und szenische Transformation.
Diedrich betont, dass die Bearbeiter von Walsers Roman bei der Konzentration auf
einige Hauptaspekte und bei der Zusammenstellung sowie der Umstrukturierung des
Textes für die Inszenierung eine grundlegende Verschiebung weg vom Ich-Erzähler in
Kauf genommen haben. Für Holzfällen hingegen war gerade die Konzentration auf den
Ich-Erzähler wichtig, da seine Figur den Abend trägt. Diese Objektivierung sei für den
Walserschen Text notwendig gewesen, um die Aufteilung des Textes auf die verschiedenen Figuren schlüssig gestalten zu können. Im Fall der Transformation des Prosatextes von Holzfällen hingegen ergab sich diese Schwierigkeit nicht. Hier wurde bewusst
ein Monolog hergestellt und damit die Monologform der Vorlage beibehalten. Das dritte und hinsichtlich der Inszenierungsanalyse wichtigste Prinzip, die szenische Transformation, definiert Diedrich wie folgt:
Szenische Transformation meint die Umwandlung eines sprachlichen Textes in Inszenierungstext,
in die Vielfalt und das Zusammenwirken verschiedener szenischer Ausdrucksmittel. Das Theater
konkretisiert den verbalen Text visuell und akustisch, fixiert ihn auf sinnliche Merkmale und Anschauung.117
Der Prozess der szenischen Umsetzung ist somit, da er „konkretisiert“ und „fixiert“,
neben dem Erstellen der Textfassung eine weitere Festlegung auf eine Interpretation der
Textvorlage. Erst in diesem Prozess werden die theatralischen Zeichen so definiert, dass
von einer eigenständigen Kunstform gesprochen werden kann. Er ist Gegenstand der
Analysen weiter unten.
Eine ganz pragmatische Voraussetzung für die szenische Umsetzung ist die Verdichtung des Textes. Mit Blick auf die Zuschauer sollte für Holzfällen eine Textfassung entstehen, die zum einen unterhält und sich zum anderen nicht nur in der Unterhaltung erschöpft, sondern die Figur des Erzählers, die im Mittelpunkt steht, auch als tragischen
Charakter zeigt. Insofern ist die Konzentration die Grundvoraussetzung für das Herstellen einer Strichfassung. Auch gab es von Seiten des Staatstheaters Darmstadt die Vor-
115
Diedrich 1998.
Ebd., S. 186.
117
Ebd., S.195.
116
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
gabe, eine Spieldauer von 75 Minuten nicht zu überschreiten. Darüber hinaus ist bei
einem Monologtext immer zu beachten, welche Textmenge ein Schauspieler in einer
bestimmten Zeit bewältigen kann.
So stellte sich die Frage, auf welche Teile verzichten werden konnte. Dies ist der
stärkste interpretatorische Eingriff und als erster Schritt der Interpretation zu verstehen.
Aus der endgültigen Strichfassung lässt sich herauslesen, dass neben Anfang und Ende
sowie dem Monolog des Burgschauspielers vor allem auf spielbare Szenen Wert gelegt
wurde, die zudem den gesamten Text der Vorlage zusammenfassen. Tatsächliche Theatertauglichkeit erweist sich zwar erst auf der Probebühne, doch gibt der Blick für Spielbarkeit den Ausschlag: Welche Szenen spielbar sind, liegt im Ermessen der Bearbeiter.
Die Theatertexte Bernhards sind gekennzeichnet von häufigen und extrem langen
Monologen. So ist der Protagonist von Minetti über weite Strecken der einzige, der etwas sagt. Auch in Der Ignorant und der Wahnsinnige ist es im ersten Akt vor allem der
Doktor, der zu, aber nicht mit dem Vater der „Königin der Nacht“ spricht. Dieser hat
eine für Bernhardsche Stücke typische Rolle inne: er muss beinahe stumm ertragen, was
die andere Figur spricht. Man könnte sagen, dass in der Inszenierung von Holzfällen das
Publikum diese Rolle zugeteilt bekommen hat.
Von den Bernhardschen Dramen unterscheidet sich die Prosabearbeitung von Holzfällen nicht nur in der Textgestalt, sondern auch in ihrer Sprache. Zwar finden sich in
den Dramen Bernhards ebenfalls Wiederholungen, Übertreibungen und viele, häufig
sehr lange Neologismen, doch unterscheidet sich die Struktur vor allem der späten Prosa
insofern von den Dramen, als dass hier etwas Fugenhaftes zu finden ist. Festzuhalten
bleibt somit, dass die Umarbeitung der Prosavorlage wegen ihres monologischen Charakters nahe lag. Trotzdem bietet sie die Möglichkeit, neben dem Erzähler auch noch
andere Figuren zu zeigen.
4.3 Zur Bedeutung der Werktreue
Unter „Werktreue“ versteht man im Zusammenhang mit Theater den Gedanken, es
könne eine allgemeingültige, dem Werk angemessene Interpretation und darum eine
einzige gültige Spielweise geben, die sich in vielen verschiedenen Inszenierungen wiederfinden lasse. Damit geht die Idee einher, dass einem Werk ein vom Autor deutlich
formulierter und die Zeiten überdauernder Sinn innewohne, den der Regisseur nur herauszufiltern brauche. „Der Dramentext wird hierbei als Partitur und die Inszenierung als
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
eine Art Übersetzung gesehen.“118 Eigene Ideen im Sinne eines Regietheaters, das
eine eigene Sicht auf das Stück präsentieren möchte und zu diesem Zweck stärker in die
Textgestalt eingreift, stehen dazu im Widerspruch. Hans-Thies Lehmann macht deutlich, dass jeder Medienwechsel Bedeutungsverschiebungen zur Folge hat:
[…] jede Transposition eines Textes in die Wirklichkeit des Theaters fügt auf der einen Seite objektiv Bedeutungsdimensionen hinzu und unterschlägt andere – muß doch bei den zahllosen auffälligen und weniger auffallenden Mehrdeutigkeiten, ja schon in Rhythmus, Pausen und Abständen das Theater stets entscheiden, d.h. unterdrücken, und erweitern zugleich.119
Besonders bekannte Klassiker wie Goethes, Schillers oder Shakespeares Werke werden gern herangezogen, um von Seiten der Vertreter eines Theaters, das sich dem Wort
des Autors verpflichtet fühlt, zu verdeutlichen, dass es eine übergreifende, allgemeinmenschliche Idee gebe, deren getreue Inszenierung Sache des Theaters sein soll. In diesem Zusammenhang stellt Erika Fischer-Lichte120 die Frage, auf welche Weise Klassikerinszenierungen nicht museal werden sollten. Sie nennt Goethes und Schillers drastische Eingriffe in die Textgestalt fremder Dramen, um sie für ihr zeitgenössisches Theater tauglich zu machen, als Beispiele für nicht werkgetreues Theater. Denn solange der
Gehalt des Stückes nicht leide, seien solche Eingriffe durchaus sinnig. Ihrer Ansicht
nach ist der Begriff der Werktreue eng mit der Etablierung des Bildungsbürgertums im
letzten Drittel des 19. Jh. verbunden, in der das Theater „der Verbreitung des zeitlos
gültigen Dichterwortes, der Pflege und Verehrung der Klassiker zu dienen“ gehabt hätte.121 Auf der Textebene habe damals volles Vertrauen in das Wort des Dichters bestanden. Auf die Ebene der Inszenierung übertragen bedeute dies „die Vorbildlichkeit einer
bestimmten Inszenierungsform“.122 Diese zeichne sich durch drei alternative Eigenschaften aus: entweder solle das Werk erstens ohne Änderungen auf die Bühne gebracht
werden oder aber zweitens die Inszenierung folge nur den „Aufbau- und Gliederungsprinzipien des Dramas“ oder es bestehe drittens zumindest Synonymität zwischen den
theatralischen Zeichen der Inszenierung und den sprachlichen Zeichen des Dramas. Die
erste Möglichkeit widerlegt Fischer-Lichte, indem sie ihr jede Logik abspricht: keinesfalls könne es zu einer Dramenvorlage, die zwar in ihrer Textgestalt konstant sei, allein
eine mögliche (Bühnen-) Umsetzung geben, weil der Prozess der Transformation in ei118
Borgmeier, Raimund: „Werktreue“. In: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Hg. von Ansgar Nünning. Stuttgart 1998, S. 565.
119
Lehmann, Hans-Thies: Die Inszenierung: Probleme ihrer Analyse. In: Zeitschrift für Semiotik, Band
11, Heft 1 (1989), S. 29-50, S. 34.
120
Fischer-Lichte 1985.
121
Ebd., S. 39.
122
Ebd., S. 40.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
ne Aufführung immer von den Bedeutungen ausgehe, die einem Text zugesprochen
würden, und diese Bedeutungen niemals die gleichen seien.123 Die zweite Alternative
entkräftet sie mit dem Argument, dass die exakte Einteilung der Aufführung in die gleichen Teile Haupt- und Nebentext, wie es im Dramentext der Fall ist, rein praktisch nicht
möglich sei. Der dritten Möglichkeit hält sie entgegen, dass beispielsweise die körperlichen Unterschiede verschiedener Schauspieler, die in verschiedenen Inszenierungen die
gleiche Figur spielen, eine solche Synonymität unmöglich machen. Fischer-Lichte
kommt zu dem Schluss, dass „werkgetreue Inszenierungen prinzipiell unmöglich“124
seien. Der Begriff der Werktreue
stellt vielmehr einen subjektiv-normativen Wertungsbegriff dar, der als ein Instrument zur Durchsetzung der eigenen – meist überholten – ästhetischen Vorstellungen und zur Abwehr bzw. Herabsetzung jeder radikal neuen Inszenierungspraxis polemische Verwendung findet. Als Begriff der
Kritik erscheint der Begriff der Werktreue daher vollkommen unbrauchbar, wenn nicht gar schädlich.125
Als Arbeitsbegriff schlägt sie Adäquatheit vor, kommt aber auch hier zu dem Ergebnis, dass dieser nicht tauglich sei. Er sei ähnlich wie der Begriff der Werktreue das „Resultat eines subjektabhängigen Deutungs- und Wertungsprozesses.“126
Übertragen auf die Inszenierung von Holzfällen lässt sich feststellen, dass eine tatsächlich werkgetreue Inszenierung insofern von vornherein unmöglich war, da es sich
bei dem Text nicht um einen Dramentext handelt. Werkgetreu im strengsten Sinn hätte
hier geheißen, die Prosa entweder am Stück vorzulesen oder in einem noch zu erforschenden Bernhardschen Sinn auf die Bühne zu bringen. Dies hätte zwar anhand verschiedener Äußerungen Bernhards geschehen können, war aber nicht das Anliegen der
Regie.127 Außerdem ist den Äußerungen Bernhards zu seinen Texten nicht immer Eindeutigkeit beschieden. Wie oben (4.1) deutlich wurde, geht mit der Transformation in
ein anderes Zeichensystem immer eine Strukturveränderung einher, die darüber hinaus
geht, wie sich ein Dramentext bei der Transformation in theatralische Zeichen verändert. Die Bedeutungen, die innerhalb des Probenprozesses festgelegt werden, sind, wie
sich weiter unten zeigen wird, immer von dem jeweiligen Regiekonzept und seiner Umsetzung durch die Schauspieler abhängig. An der Dramatisierung von Holzfällen kann
nur werkgetreu genannt werden, dass nicht in Sätzen, sondern nur in Passagen gestri123
Vgl. ebd., S. 41.
Ebd., S. 46.
125
Ebd.
126
Ebd., S. 47.
127
Interessanterweise machten während der Zeit der Aufführungen von Holzfällen immer wieder Zuschauer die Bemerkung, sie hätten Bernhard auch immer genau so verstanden, wie sein Text dann inszeniert wurde.
124
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
chen wurde. Zudem wurde bis auf eine Ausnahme die Chronologie beibehalten. Ansonsten pocht die Umsetzung des Prosatextes in einen dramatischen Monologtext auf
künstlerische Freiheit.
4.4
Zur Gestaltung der Bühne: Raum, Dekoration und Licht
Ist schon generell ein Theaterraum immer ein Vorstellungsraum in mehreren Hinsichten – nämlich der Raum, in dem die Vorstellung stattfindet; der Raum, in dem sich die
dargestellten Figuren darstellen; nicht zuletzt der Raum für die Vorstellungen des Publikums – so erfährt dieser Begriff bei der Inszenierung von Holzfällen je nach Szene
eine andere Bedeutung, auf die bei der Analyse der einzelnen Szenen hingewiesen wird.
Zuerst aber beschreibe ich diesen Vorstellungsraum sowie die einzige Dekoration, einen
roten Läufer, um anschließend Bedeutungen für diese Zeichen aufzuzeigen. Daran
schließt sich eine kurze Übersicht über die Position der Scheinwerfer an.
Erika Fischer-Lichte nennt einen „Bühnenraum […] denjenigen Raumabschnitt […],
in dem A agiert, um X darzustellen.“128 Dies kann überall sein, wo A als X auftritt. Somit ist für einen Bühnenraum ein Theater nicht unbedingt notwendig, der Spielort ist
beliebig wählbar. Für den Monolog Holzfällen diente ein langgezogener quaderförmiger
Gang im Inneren des Staatstheaters Darmstadt als Spielort. Dieser Gang wurde im normalen Theaterbetrieb nicht als Bühnenraum genutzt und war darum auch nicht wie eine
Bühne eingerichtet. Er wurde nicht zum Zweck, darin Theater zu spielen, errichtet. Seine Funktion im alltäglichen Theaterbetrieb war die Verbindung der damaligen „Werkstattbühne“, durch deren Eingang die Zuschauer für die Aufführungen zum Bühnenraum gelangten, mit einer anderen Probebühne.
Dieser Gang im Erdgeschoss des Staatstheaters bot sich zum einen an, weil er noch
nie als Spielort fungiert und deshalb den Reiz des Neuen hatte. Zum zweiten entfaltete
er durch seine Enge eine andere Atmosphäre als eine „normale“ Bühne. Möglich wurde
eine unmittelbare Theatererfahrung, wie sie in der Entfernung, die zwischen Zuschauerraum und beispielsweise einer Guckkastenbühne besteht, nicht möglich ist. Denn zwischen Zuschauern und Darsteller befand sich keine Barriere, wie sie eine Bühne mit
unterschiedlichen Höhenniveaus und Rampe darstellt. Vielmehr verschmelzen Bühne
und Zuschauerraum. Man könnte sagen, dass es sich bei diesem Kellergang um eine
Arenabühne ohne Rampe handelt.
128
Fischer-Lichte 1994, S. 142.
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Der Raum war auf einer Seite von einer zweigeteilten blaugerahmten Glastür begrenzt, durch die der Gang mittels eines Schalters an der der Zugangstür gegenüberliegenden Seite sowohl verlängert als auch abgeschlossen werden konnte. Zugleich bot
diese Tür die Spielmöglichkeit der Spiegelung und des Betrachtens der Zuschauer von
außen. Daneben wird der Raum zwischen Tür und Regiepult verdoppelt: Die Zuschauer
sehen sich auch selbst im Spiegel. Wie weiter unten gezeigt wird, erfüllt die Tür in Szene 40 die Funktion einer Käfigscheibe: wenn der Darsteller des Erzählers den Bühnenraum verlässt, betrachtet er die Zuschauer von außen. Für diese wiederum verstärkt sich
der Moment der Beobachtung, sie werden sozusagen zu Zoobesuchern (vgl. 4.8.5).
Die Wände des Ganges bestanden aus geweißtem Beton und wurden nicht dekoriert.
Drei Zugänge zu Magazinen wurden, um einen einheitlichen Raum zu erhalten sowie
aus akustischen Gründen, mit weißen Tüchern passgenau abgehängt. Direkt an diese
Wände wurden pro Seite 30 gleiche, einfache Holzstühle ohne Armlehnen gestellt, so
dass zwischen dem weiter unten erläuterten roten Läufer und den Stühlen auf jeder Seite
ca. 15 cm Platz waren. Auf der der Glastür gegenüberliegenden Seite befand sich während der Vorstellungen das Technikpult, von dem aus die Licht- und Musikeinsätze gefahren wurden. Die Musikboxen befanden sich auf Stützen direkt links und rechts neben
dem Regie- und Technikpult. An der Decke waren sieben Scheinwerfer eingerichtet.
Vorab ergeben sich, auch ohne Einbeziehung der einzelnen Spielsituation und den in
diesen vorkommenden Zeichen, bereits einige unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten.
So kann der gesamte Raum zum einen als Umkehrung der Situation beim Abendessen
der Auersbergers gesehen werden. Denn der geweißte Beton stellt in seiner schlichten
Schmucklosigkeit das Negativ der ausladenden Inneneinrichtung in der Gentzgasse dar.
Die Zuschauer befänden sich somit in der gleichen Lage wie der Erzähler während des
erzählten Geschehens: sie sitzen rund um das Geschehen und schweigen. Sind es während des Essens die Gäste, die dem Burgschauspieler zuhören, so sind es nun die Zuschauer, die aus der Perspektive des Erzählers diesem zuhören. Er ist damit der Mittelpunkt des Geschehens, den der Burgschauspieler während des erzählten Abends darstellt. In dessen Rolle wiederum befindet sich nun der Erzähler: war er beim erzählten
Abendessen noch schweigender Gast, so ist er jetzt derjenige, dem zugehört wird. Indem das Publikum die Rolle des Schweigenden innehat, ähnelt es zudem wie oben be-
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schrieben dem stummen Partner in den großen Monologpartien der Bernhardschen
Stücke.129
Unter Einbeziehung des dunkelroten Läufers, der einzigen Dekoration, ist außerdem
eine Deutung des schmalen Ganges als Laufsteg möglich. Dieser Läufer, ein grobgestrickter, dunkelroter Teppich, ist ca. 21 Meter lang und ca. 120 cm breit. Er wurde
nicht extra für die Inszenierung angefertigt. Andere Dekorationen wurden nicht verwendet. Auch das ist, so viel lässt sich hier schon sagen, ein Anzeichen für die durchgehaltene Reduktion der Inszenierung.
Der Läufer für sich erinnert an einen Laufsteg, auf dem sich jemand präsentiert. Im
Fall der Inszenierung ist dies der Erzähler, der sich selbst darstellen will. Seine privaten
Gedanken, Erinnerungen und Beobachtungen werden öffentlich gemacht. Läufer und
äußere Erscheinung des Schauspielers sind in keine direkte Beziehung zueinander zu
bringen. Vielmehr bilden sie einen Kontrast: deuten Kleidung und fehlende Maskierung
eher auf eine private Situation hin, so ist der Läufer mit öffentlichen Orten konnotiert:
er erinnert an den roten Teppich, auf dem etwa Filmstars empfangen werden. Das Aufund Ablaufen auf dem Teppich ist damit Selbstdarstellung und trägt zudem Merkmale
der Selbstentäußerung. Verbunden damit ist aber auch die Künstlichkeit, die in dieser
Entäußerung zu finden ist: auf einem Laufsteg nämlich geht es nur um das Äußerliche,
die Kleidung der Models. Der Erzähler aber entäußert sich, indem er seine privaten Gedanken, Erinnerungen und Beobachtungen mitteilt. Wie in Kapitel 3.2.1 hervorgehoben,
ist es seine spezifische „Beobachtungsvorgangsweise“, die ihn zum Zuschauer und das
Geschehen, dem er zuschaut, zu einem theatralen Ereignis macht.
Denn Beobachten und Zuschauen sind auch hinsichtlich des Raumes wichtige Stichwörter. Wenn der Darsteller in Szene 10 mit dem Text „Wir lernen viel, wenn wir Leute
von hinten beobachten, die nicht wissen, daß wir sie beobachten“ (RB 7) zur Tür geht
und sich dort umdreht und die Zuschauer direkt ansieht, kehrt er ihre Zuschauerposition
um und macht damit deutlich, dass er sich ihrer Blicke bewusst ist. Er macht sich zum
Beobachter ihres Zuschauens. Der Laufsteg hat also nicht nur das Merkmal des Ausstellens, zugleich verdeutlicht der Darsteller, indem er bewusst zeigt, dass er sich auf einem
Laufsteg befindet, die Situation des Theaters.
So reduziert wie die Dekoration der Bühne ist auch die Beleuchtung. Für den Monolog wurde lediglich ein Bodenscheinwerfer auf dem Boden vor dem Regiepult, direkt an
129
Hier ist an den ersten Akt von Heldenplatz, die Ausschweifungen des Doktors in Der Ignorant und der
Wahnsinnige oder Bruscons in Der Theatermacher zu denken.
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das Ende des Läufers, befestigt. Zudem wurden fünf Deckenscheinwerfer und zwei
Punktstrahler an den beiden Enden des Teppichs gehängt. Der Gang hinter der Glastür
wurde nicht separat beleuchtet, sondern konnte nur mittels des Bodenscheinwerfers erhellt werden. Nur dieser ist mit einer blauen Folie versehen, die anderen Scheinwerfer
erzeugen gelbes, warmes Licht. Die fünf Deckenscheinwerfer konnten separat voneinander geregelt werden, wie in Szene 27, dem von der Bachschen Fuge untermalten
Kreiseln über die gesamte Länge des Teppichs, zu erkennen. Die beiden Punktstrahler
waren so montiert, dass sie das Gesicht des Schauspielers an den Stirnseiten des Gangs
mit Licht versahen. Darüber hinaus erhellte der sich an der Glastür befindliche die Tür
und in Szene 40 durch die Tür hindurch Gesten und Mimik des Schauspielers.
Dies ist neben dem Anfang, wenn – wie auch wieder am Ende der Aufführung – allein der Bodenscheinwerfer im Einsatz ist, ein markanter Einsatzpunkt für die Beleuchtung. Es kann jedoch, ohne die kinesischen Zeichen der Aufführung zu betrachten, nur
für den Bodenscheinwerfer eine bedeutungskonstituierende Zeichenhaftigkeit festgestellt werden. Am Anfang und am Ende, wenn der Darsteller Gerhard Hermann murmelnd auftritt bzw. abgeht, hat das Blau des Bodenscheinwerfers die Konnotation einer
nächtlichen Straße, so dass die Figur des Erzählers eine Verlorenheit auf den Straßen
Wiens erhält. Auf die durch die Beleuchtung entstehenden Konnotationen gehe ich weiter unten in den Szenenanalysen ein. Doch zunächst seien die verschiedenen Musikstücke, die in der Inszenierung eingesetzt werden, genannt.
4.5
Musik: Einsatz und Bedeutung
Die musikalischen Zeichen, nonverbale akustische Zeichen, werden im Fall von
Holzfällen nicht vom Schauspieler hervorgebracht, sondern von CD eingespielt. Diese
Musikstücke denotieren je nach Einsatzort als Teil des Bühnenbilds den Ort der Handlung,130 das Vergehen von Zeit, Erinnerung und den Gemütszustand der Figur des Erzählers. Insgesamt gibt es 15 Musikeinsätze, die sich unterteilen lassen in Musik, die
von dem tschechischen Theatermusiker Roman Zach eigens für den Darmstädter Monolog komponiert wurde bzw. die aus dieser entstanden ist, und solche, die schon fertig
vorlag. Zach hat fünf Stücke mit einer Gesamtlaufzeit von 72 Minuten arrangiert.131
Eine weitere Verwendung von Musik stellt der Gesang durch den Darsteller innerhalb
von Szene 7 dar. Hier handelt es sich um ein Lied aus dem Klavierbüchlein der Anna
130
131
Vgl. Fischer-Lichte 1994, S. 172.
Zach 2002.
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Magdalena Bach von Johann Sebastian Bach132, dessen erste Zeile, „Bist du bei mir,
bin ich mit Freuden“ gesungen werden.
Bei der Musik, die beim Einlass gespielt wird und kurz vor dem Auftritt des Schauspielers abbricht, handelt es sich um eine Endlosschleife, die aus einem Titel von Zach
hergestellt wurde. Sie hat atmosphärischen Charakter und kann für den Auftritt des Erzählers als Teil des Bühnenbilds begriffen werden. Denn durch diesen Mix aus Straßengeräuschen und teilweise elektronisch verfremdeten Natursounds wird der ansonsten
jeder Dekoration bare Raum jenseits der Glastür zu einer Straße. In Verbindung mit der
Beleuchtung durch den Bodenscheinwerfer ergibt sich für den Anfang eine nächtliche,
städtische Umgebung, aus der der Darsteller in den Bühnenraum tritt. Näher erläutert
wird diese Deutung unter 4.8.5.
Die Musik zwischen den Szenen 3 und 4, 4 und 5, 5 und 6 sowie zwischen den Szenen 6 und 7 stammt ebenfalls von Roman Zach. Auch die Musik zwischen den Szenen
14 und 15 ist eine verfremdete Version dieser Vorlage. An diesen Stellen hat der Einsatz der Musik strukturierenden Charakter, den Zuschauern wird es erleichtert, sich in
die Sprache Bernhards hineinzuhören und sich auf die auf der verbalen Ebene geschilderte Geschichte einzulassen.
Mit dem Hinhocken des Erzählers vor Szene 15, das ein Innehalten denotiert, verdeutlicht sie, dass Zeit vergeht. Des weiteren findet sich eine verfremdete Version unter
Szene 23, die eine Wiederholung von Szene 16 darstellt. Die Musik hat hier illustrierenden Charakter und demonstriert mittels ihrer Schnelligkeit den Zwang, unter welchem der Erzähler das Abendessen aufsucht. Sie kann als ein Zeichen für die Emotionen
des Erzählers gesehen werden, der sich in dieser Szene bezichtigt, sich entgegen seinen
eigenen Normen verhalten zu haben. Der Schauspieler bringt hier neben den verbalen
nur mimische und paralinguistische Zeichen hervor, die als Zeichen für eine große Qual
zu deuten sind. Denn er stottert und verzieht sein Gesicht dabei zu einer Grimasse.
Musik der zweiten Kategorie wird zweimal eingesetzt: zum einen eine Fughetta von
Bach, die Fughetta in c-moll, BWV 961, in einer Einspielung von Glenn Gould. Diese
dient als Erinnerungsmusik, die den Erzähler in Szene 27 durch den Bühnengang kreiseln lässt. Zum anderen ist es die Arie „Bist du bei mir, bin ich zufrieden“ aus dem Klavierbüchlein der Anna Magdalena Bach. Dieser Titel, ausgewählt, weil das Klavier-
132
Bach, Johann Sebastian: Liederbuch der Anna Magdalena Bach, BWV 5008.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
büchlein im Prosatext vorkommt (H 23) und textlich gut zur angespannten Verfassung
des Erzählers passte, wird sehr laut zwischen den Szenen 31 und 32 eingespielt.
4.6
Die äußere Erscheinung der Figur des Erzählers
Von einer tatsächlichen Maskierung des Darstellers kann nicht gesprochen werden.
Die einzige Veränderung in seinem Gesicht ist eine leichte Abpuderung, so dass es etwas bleicher erscheint als in natura. Die halblangen Haare sind nicht gefärbt und wurden leicht nach hinten gekämmt, so dass die Stirn betont wird. Die Haare wurden dem
Darsteller für die Inszenierung nicht besonders geschnitten.
Auch das Kostüm bietet nicht sehr viele Anhaltspunkte. Es besteht aus einem unspektakulären, dem Darsteller locker um den Körper wehenden weißen Hemd mit langen
Ärmeln sowie einer braunen, ein klein wenig zu langen Stoffhose, die nicht ganz passend auf seinen Hüften sitzt. Zudem trägt er ein Paar abgelaufene braune geschnürte
Lederschuhe mit harten Sohlen. Das ist kein komplexer vestimentärer Code. Er kann als
realistisch bezeichnet werden.
Wie schon angedeutet, lassen sich Maske und Kostüm als Zeichen für eine sehr private Situation lesen133: zusammen mit dem Auftritt des Darstellers zu Beginn der Aufführung lässt sich hier schon feststellen, dass die Situation, in der sich die Figur des Erzählers befindet, nicht von vornherein eine Theatersituation darstellt. Vielmehr kommt
der Erzähler, wenn er den Kellergang entlanggeht und die Glastür passiert, erst auf die
Bühne (vgl. 4.8.5).
4.7
Rezeption
In der theaterwissenschaftlichen Forschung wird häufig übersehen, dass das Publikum einen nicht unerheblichen Anteil am Gelingen eines Abends hat.134 Denn Theater
entsteht und besteht auch immer in der Interaktion zwischen Schauspielern und Zuschauern. Eine Inszenierungsanalyse, die dies außer acht lässt, beschneidet sich selbst.
Neben den Vorgaben der Inszenierung und teilweise dem Befinden der Schauspieler
hängt das Gelingen einer Aufführung nämlich auch von der Bereitschaft des Publikums
ab, sich auf die Aufführung einzulassen. Daher muss das Publikum innerhalb eines Modells, das Theater als Kommunikation begreift, immer als Teil dieser Kommunikation
133
Während der Proben kam zudem der Gedanke auf, den Darsteller eine alte, abgewetzte Hausjacke
tragen zu lassen, um für die Figur des Erzählers die angesprochene Privatheit noch zu verstärken.
134
Vgl. Roselt 2003.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
begriffen werden.135 Darum möchte ich im Folgenden auf die Rezipienten eingehen
und ihre besondere Stellung in der untersuchten Inszenierung, die sich vor allem aus der
Raumkonzeption herleitet. Zwar kann ich keine empirische Untersuchung liefern, doch
ist es mein Anliegen zu verdeutlichen, welche Reaktionen zu verzeichnen sind. Die ausgewählten Reaktionen wurden direkt im Anschluss an verschiedene Vorstellungen von
verschiedenen Zuschauern geäußert.
Dies ist zum einen der Eindruck, zu Beginn der Aufführung ein Hörspiel vorgeführt
bekommen zu haben, das sich erst mit der Zeit zu einem Theaterstück wandelte. In den
Vorstellungen waren immer wieder Zuschauer zu beobachten, die ihre Augen schlossen
und sogar während längerer Passagen mitdirigierten, als handele es sich nicht um einen
Text, der gesprochen wird, sondern um ein vorgetragenes Musikstück. Das verweist auf
die Wichtigkeit der Stimme bzw. des Textes und ist außerdem ein Indiz für die Musikalität der Prosavorlage, die in der szenischen Umsetzung erhalten geblieben ist. Es unterstreicht ebenfalls die Konzentration auf den gesprochenen Text, der vor allem im ersten
Teil, bis zur „Ankunft“ des Burgschauspielers, im Mittelpunkt der Inszenierung steht.
Da der Darsteller den einzelnen Zuschauern sehr nah kommt136 und sie einige Male
direkt angesprochen werden (beispielsweise in den Szenen 12, 19 und 26), können sie
sich ihm nicht entziehen. Sie stehen geradezu in direktem Kontakt mit dem Schauspieler. Ebenso wenig können sie den Blicken der anderen Zuschauer entkommen, weil sie
immer unter deren Beobachtung stehen. Es war unmöglich, sich zu unterhalten, ohne
dass dies von den anderen wahrgenommen wurde. Das vermittelte einigen Zuschauern
das Gefühl, sich an einem öffentlichen Ort zu befinden, etwa in einem Linienbus oder
einer U-Bahn. Das in Unterkapitel 3.2.1 für den Prosatext herausgestellte Moment der
Beobachtung findet sich also in der Inszenierung auf der Ebene des Raums und der des
Publikums wieder.
4.8 Ausgewählte Analysebeispiele
In der vorliegenden Arbeit kann keine vollständige Beschreibung des gesamten Theaterereignisses geliefert werden. So beschränke ich mich auf einige ausgewählte Beispiele, anhand derer sich meiner Ansicht nach exemplarisch verdeutlichen lässt, welche verschiedenen Haltungen der Schauspieler Gerhard Hermann in der Figur des Erzählers
einnimmt. Daneben machen die unterschiedlichen Arten, die Gäste des Abendessens zu
135
136
Vgl. dazu Fischer-Lichte 1997.
Vgl. Benz 2003.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
charakterisieren, klar, wie sich das Verhältnis des Erzählers zu ihnen gestaltet. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern die Charakterisierungen immer
durch die Figur des Erzählers gebrochen sind. Denn für die Analyse ist zu beachten,
dass in der Darstellung der anderen immer eine Zwischenebene eingeschoben ist. Es
handelt sich also um ein Spiel im Spiel: der Darsteller spielt eine Figur, die eine andere
vorstellt, wenn er dem Publikum die Sicht des Erzählers auf die anderen präsentiert.
Als Beispiele dienen zunächst die Darstellung verschiedener Figuren durch den Erzähler. Diese sind das Ehepaar Auersberger, Jeannie Billroth und der Burgschauspieler.
Nachdem diese Nebenfiguren gezeigt wurden, ist es der Erzähler, dessen Darstellung in
zwei Szenen beleuchtet werden soll. Dies sind der Anfang und seine Verdopplung am
Ende der Vorstellung sowie die zentrale Stelle der Inszenierung, das Heraustreten des
Darstellers aus dem Theaterraum mit den Worten des Burgschauspielers „In den Wald
gehen“ (Szene 40). Hier spielt auch die Frage eine Rolle, inwieweit sich in der Szene
hinter der Glastür die Figuren von Erzähler und Burgschauspieler einander annähern
bzw. ob sich die in Kapitel 3.3 angesprochene, teilweise Übereinstimmung der beiden
auch in der Inszenierung feststellen lässt.
4.8.1 Die Charakterisierung des Ehepaars Auersberger
Das Ehepaar Auersberger wird durch über die Inszenierung verteilte mimische und
gestische Zeichen charakterisiert, von denen ich einige anführen möchte.
Für Frau Auersberger lässt sich feststellen, dass der Erzähler sie zum einen lächerlich
macht, indem er, wie in Szene 7, ihre Stimme beim Sprechen imitiert. Die Wörter
„grandioser Schauspieler“ und „hinreißende Wildente“, „der bedeutendste Schauspieler
überhaupt“ und „der erste aller lebenden Schauspieler“ (RB 5/H 22) werden extrem
überbetont, ja geradezu schrill ausgesprochen. Zum anderen verdeutlicht er ihre Gastgeberinnenrolle, wenn er in Szene 13, nach dem Text „als ob sie den Tod der Joana jetzt,
zu diesem Abendessenempfang, ausnützte für ihre Zwecke“ (RB 8/H 41), an der Glastür
eine Haltung einnimmt, die Christus am Kreuz darstellt. Auf dem Gesicht des Schauspielers ist hier eine Leidensmiene zu sehen, er beugt den Rücken und lässt den Kopf
hängen. Die Arme hält er ohne Spannung ausgebreitet. Auch damit diffamiert er Frau
Auersberger, denn es wäre eine Anmaßung ihrerseits, sich als Möglichkeit zu begreifen,
alles Leid der anderen Gäste auf sich zu nehmen.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
Stärker als Frau Auersberger wird Herr Auersberger vorgestellt. Seine Darstellung
in Szene 33, in welcher der Erzähler nachahmt, wie er „Die Menschheit gehört ausgerottet“ und die anderen Sätze, „Die Gesellschaft gehört abgeschafft“ sowie „Wir sollten
uns alle gegenseitig umbringen“ (RB 16/H 248) spricht, ist ebenfalls eine Diffamierung.
Bereits auf der verbalen Ebene sind die Äußerungen des Auersberger komisch, weil sie
nicht in den Zusammenhang der künstlerischen Gesellschaft passen. Dass aber der Erzähler die im Text erwähnten Wiederholungen ausspielt, dabei den ganzen Körper zur
Bewegung benutzt und die Äußerung des Auersberger zudem mit einem gespielten Aufstoßen beendet, führt beim Publikum immer wieder zu Lachen und bewirkt in diesem
Verlachen Antipathie.
Eine weitere Szene, in der Herr Auersberger charakterisiert wird, ist Szene 36. Auf
der verbalen Ebene wird hier von einem Ausfall seinerseits berichtet. Diesen spielt der
Darsteller als Erzähler, indem er nach „urplötzlich sein Unterkiefergebiss aus dem
Mund genommen“ (RB 18/H 261) das Herausnehmen des Gebisses direkt vollführt. Er
unterstricht dies mit einem kurzen „tschak“ und dreht sich einmal um die eigene Achse,
die rechte Hand erhoben, als hätte er das Gebiss darin. Diese Illustration des Textes
durch die Gesten des Herausnehmens, Vorzeigens und Wiederhineinschiebens verstärkt
die schon auf der verbalen Ebene erzeugte Diffamierung. Darüber hinaus spielt der Darsteller auch hier, jeweils nach den Sätzen des Auersberger, ein Aufstoßen.
Beide Ehepartner werden also durch Komik diffamiert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Positive Charakterisierungen finden auf der Ebene des Spiels nicht statt. Die
aufgeführten Charakterisierungen sind exemplarisch, weil sie eine Art der Charakterisierung, die diffamierende, zeigen.
4.8.2 Die Charakterisierung von Jeannie Billroth
Als zweite exemplarische Charakterisierung habe ich die der Figur der Jeannie Billroth ausgewählt. Diese wird bei ihrer ersten Erwähnung zu Beginn von Szene 34 charakterisiert durch beidseitiges Schulternhochziehen und Verziehen des Gesichts. Der
Schauspieler drückt seine Schultern unter scheinbar großer Anstrengung wieder nach
unten, doch schon bei der nächsten Erwähnung (ebenfalls Szene 34, nur wenige Zeilen
später: „Die Jeannie hatte immer ...“) seiner ehemaligen Freundin verkrampft er wieder
und muss diese Verkrampfung erneut bekämpfen. Damit geht eine Veränderung der
Stimme einher. Der Darsteller setzt den Namen Jeannie Billroth vom übrigen Text ab
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und spricht ihn sehr gepresst aus. So macht er deutlich, dass ihre Anwesenheit ihm
körperliche Beschwerden bereitet, ja ihn ekelt. Das kinesische Zeichen des Schulternhochziehens wird noch ein drittes Mal benutzt, bei der Nennung des Namens zu Beginn
der Szene 37.
Die Charakterisierung der Jeannie Billroth bleibt vorerst unerklärlich, da dem Zuschauer des Monologs die Informationen, die dem Leser im Prosatext geliefert werden,
fehlen. Das gesamte Verhältnis des Erzählers zu ihr – zu betonen ist vor allem die Konkurrenz auf literarischem Gebiet – wird ausgespart. Auch ist im Prosatext bereits nach
54 Seiten, also nach ca. 15 % des Textvolumens, von ihr die Rede, der Spieltext führt
sie im Verhältnis sehr viel später ein: auf Seite 17 (von 22). Darum wirkt ihre Vorstellung über das Krampfen leicht komisch und merkwürdig. Der Zuschauer muss sich im
weiteren Verlauf des der Szene aus dem Wenigen, was er über sie erfährt (dass sie nämlich sowohl in den Auersberger wie auch in den Erzähler verliebt gewesen sei (RB 17);
dass sie den Burgschauspieler herausfordert (RB 18); dass sie ebenfalls eine Schriftstellerin ist (RB 17)) ein Bild machen von der Beziehung des Erzählers zu ihr.
Auf dramaturgischer Ebene wird die Figur der Jeannie Billroth also reduziert auf ihre
katalytische Funktion für den Ausbruch des Burgschauspielers. Denn im weiteren Verlauf der Szene 37 fungiert sie als Antagonistin des Burgschauspielers. Ihre Frage nach
der „Erfüllung“ spricht der Darsteller beim ersten Mal pur, kommentiert sie jedoch mit
einem Schlucken am Satzende, das durch das demonstrative Bewegen des Adamsapfels
verstärkt wird. Das zeigt schon, wie der Erzähler die Frage einschätzt: nämlich als Unverfrorenheit dem Burgschauspieler gegenüber. Der Tonfall der zweiten Erwähnung der
Frage ist noch ebenso süßlich wie bei der ersten. Doch beim dritten Mal schon erinnert
der Tonfall an ein Verhör. Beim vierten Mal schließlich schreit der Darsteller „ob der
Burgschauspieler an seinem Lebensende sage könne, dass seine Kunst für ihn erfüllung
gewesen sei“ (RB 18/H 292) und setzt sie scharf gegen den übrigen Text ab, der zuvor,
ab „worin der Burgschauspieler sich aber gründlich getäuscht hatte“, wie ein Märchen
gesprochen wird. Auch nach dem Schreien fällt der Darsteller wieder in diese Stimmlage zurück. Versteht man den Erzähler in diesem Zusammenhang als Märchenerzähler,
so kann für die Wahrnehmung dieser Situation durch den Erzähler festgehalten werden,
dass er sie in ihrer Aufdringlichkeit als irreal, wie aus einer anderen Zeit, empfindet.
Übrigens wird nur hier Schreien eingesetzt. Damit wird zusätzlich klar gemacht, welche
außergewöhnliche Stellung der Frage von Jeannie Billroth zukommt, ja dass die Art und
Weise der Frage als Gewalt zu verstehen ist.
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Wie die Charakterisierung des Ehepaars Auersberger geschieht die der Jeannie Billroth ebenfalls mit äußerst sparsamen Mitteln. Im Gegensatz zu dieser ist sie allerdings
nur an einer Stelle der Inszenierung zu finden und wird nicht durch Informationen für
die Zuschauer unterfüttert. Hingegen wird der Burgschauspieler an mehreren Stellen
gezeigt.
4.8.3 Die Charakterisierung des Burgschauspielers
In der Verkörperung des Burgschauspielers durch den Erzähler findet zuerst ebenfalls
eine Diffamierung statt. Diese beginnt bereits bei seiner ersten Darstellung am Ende von
Szene 11. Hier illustriert der Schauspieler das Gesagte, indem er das „schamlose Burgtheatergehuste“ (RB 7/H 29) im Anschluss ausstößt, den Kopf leicht zurücknimmt, wodurch sich ein leichtes Doppelkinn bildet, und einige Male mit den Augen zwinkert.
Dies lässt den Burgschauspieler etwas debil erscheinen.
Eine weitere Diffamierung findet in Szene 28 statt, wenn der Erzähler davon spricht,
das Eintreten des Burgschauspielers verschlafen zu haben. Die Art, wie er „der Burgschauspieler“ sagt, mit einem Erstaunen in der Stimme, gibt diesem ein übermäßiges
Gewicht, weckt die Erwartungen des Publikums auf den Ehrengast des Abends und leitet bereits die folgenden Szenen ein. In diesen wird der Burgschauspieler über die
Stimme abgesetzt, der Erzähler wechselt jetzt zwischen seiner Erzählstimme und der
des Burgschauspielers, die sich durch ein nicht zu überhörendes Näseln auszeichnet.
Dieses körperliche Manko wird er für die Darstellung des Burgschauspielers fast den
gesamten Abend beibehalten.
Der erste Text, den der Erzähler mit dieser Stimme spricht, ist „nicht mein bester Abend“ (RB 14/H 175). Dazu erhebt er, wie um Aufmerksamkeit zu erregen, den rechten
Zeigefinger. Im folgenden spricht der Erzähler die jeweiligen, dem Burgschauspieler
zugeordneten Textteile mit dieser Stimme. Zudem zeigt sich auf seinem Gesicht eine in
der Inszenierung noch nicht gesehene Mimik, die weitaus lebhafter ist als jede zuvor.
Sowohl die Mimik des Erzählers ändert sich als auch die der dargestellten Figur. Die
des Erzählers erscheint wie die eines lebhaften Geschichtenerzählers, die des Burgschauspielers dagegen überspitzt dargestellt. Wenn der Erzähler als Burgschauspieler
„Der Ekdal ist meine Lieblingsrolle sagt“, kann man ein Kind sehen, dem sein Spielzeug gestohlen wurde. So wird aus dem alternden Schauspieler und seiner Lieblingsrolle, auf der er so existenziell besteht, nichts weiter als eine alltägliche Begebenheit.
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Allerdings erfährt die Darstellung des Burgschauspielers eine Wandlung in der
Charakterisierung durch den Erzähler (vgl. für die Textebene Kapitel 3.3). Diese drückt
sich in der Sprachbehandlung in Szene 38, dem Ausbruch, folgendermaßen aus: Hier
wird eine extrem andere Intonation benutzt, der Burgschauspieler wird nicht länger über
das Näseln und die Grimasse charakterisiert. Mit den Worten „Was für ein unbotmäßiges Gefasel von Lebensende“ (RB 19/H 294) beginnt ein Stakkato, das innerhalb des
Ausbruchs immer wieder durchbricht. Dieses Stakkato zeichnet sich durch eine anfängliche Atemlosigkeit aus. Der Erzähler spricht diesen Text ohne Gesten an der Seite des
Regiepults, nur sein Kopf ist beleuchtet. Nach dem Stakkato ist die Stimme des Burgschauspieler nicht mehr die näselnde, die sie anfangs war. Der gesamte restliche Text
wird in der unverstellten Stimme des Erzählers gesprochen.
Das Stakkato, das den Ausbruch kennzeichnet, verdeutlicht, dass ein Moment eingetreten ist, in welchem die herkömmliche Sprache nicht mehr ausreicht, sondern eine
andere Sprachform benutzt werden muss. Die damit einhergehende Atemlosigkeit verstärkt dies noch.
Die in Kapitel 3.3 diagnostizierte umgekehrte Fallhöhe des Burgschauspielers findet
sich auch in der Inszenierung. Er wird zuerst unsympathisch gemacht, und diese Position wird schließlich im Stakkato wieder aufgehoben.
4.8.4 Anfang und Ende – ein Kreis
Wie schon in den einführenden Bemerkungen zur Textfassung beschrieben, beginnt
die Inszenierung auf der verbalen Ebene mit dem Schluss des Prosatextes. Die kinesische Ebene gestaltet sich wie folgt: Der Darsteller kommt, diesen Text mehr murmelnd
als sprechend, von links in den noch nicht durch die Glastür geteilten Gang. Das sehen
die Zuschauer nicht sofort. Erst wenn sie ihn seinen Text sprechen hören, erregt er ihre
Aufmerksamkeit. Laut Regiebuch fängt dieser Text mit „und ich lief durch die Gassen“
(H 319/ RB 2) an. Die Zuschauer hören im ersten Augenblick nur, dass er spricht, können jedoch den Text noch nicht verstehen. Des weiteren wissen sie nicht, dass es das
Ende des Prosatextes ist. Das wird erst am Ende der Inszenierung deutlich, wenn sich
sowohl Text als auch Haltung wiederholen, und damit schließt sich für das Publikum
der Kreis.
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Der Darsteller spricht diesen Anfangstext, bedächtig auf dem Läufer hin- und hergehend, ohne Striche bis zum Ende des Prosatextes, bis „bevor es zu spät ist“ (H 321/
RB 2). Das Publikum nimmt er noch nicht wahr. Mit dem Ende des Textes ist er an der
Tür angelangt. Hier schließt er die Glastür, dreht sich um und beginnt in einer anderen
Haltung, sobald die Tür vollständig geschlossen ist, mit dem Anfang des Spieltextes,
der hier weitgehend mit dem Anfang der Vorlage übereinstimmt. Das wird von einem
Lichtwechsel mit dem Zufallen der Tür begleitet: der Bodenscheinwerfer erlischt, und
die Hauptbeleuchtung strahlt den gesamten Raum hell aus.
Wie oben bereits erwähnt, lässt die Beleuchtung mit dem blau gefärbten Bodenscheinwerfer eine nächtliche Straße entstehen. Auch die Einlassmusik hat ja sowohl
Straßen- als auch Naturelemente. Damit kann für diese Szene behauptet werden, dass
der Erzähler sich von der Straße, auf der er sehr leise und vorsichtig geht, in den Bühnenraum bewegt. Die Situation auf der Straße ist sogar noch näher bestimmt: das Blau
konnotiert hier eine nächtliche Situation. Das und die Bedächtigkeit, mit der er spricht,
dass er vor sich auf den Boden schaut und die Art und Weise, wie er geht, legt die Deutung nahe, dass es sich hier um ein Selbstgespräch handelt. Von diesem hören die Zuschauer zumindest das Ende deutlich, erfahren also, dass der Erzähler etwas über das
„künstlerische Abendessen“ schreiben will. Da sich der Anfang des Prosatextes sofort
anschließt und der Darsteller auch in einem anderen Ton, nämlich mit erhobener Stimme, ja fast aggressiv, spricht, kann gesagt werden, dass die introspektive Haltung in diesem Moment in eine Selbstausstellung umschlägt. Der rote Teppich wird von einer
Straße zu einem Laufsteg, die gesamte Situation von einer privaten zu einer öffentlichen.
Während der Proben wurde darüber nachgedacht, eventuell noch stärker zu betonen,
dass sich der Erzähler selbst als Schauspieler seines eigenen Lebens sieht, und so auch
seine Position und die des Burgschauspielers aneinander anzunähern. Dazu sollte folgender Prolog dienen, der anstelle des vorgezogenen Endes gesprochen werden sollte:
Ich habe ihnen immer alles vorgespielt. Ich habe allen alles immer nur vorgespielt, ich habe mein
ganzes Leben nur gespielt und vorgespielt, ich lebe kein tatsächliches, kein wirkliches, ich lebe
und existiere nur ein vorgespieltes, ich habe immer nur ein vorgespieltes Leben gehabt, niemals
ein tatsächliches, wirkliches, du hast nur ein vorgespieltes Leben, kein wirkliches gelebt, nur eine
vorgespielte Existenz, keine tatsächliche, alles, was dich betrifft und alles, das du bist, ist immer
nur ein vorgespieltes, kein tatsächliches und kein wirkliches gewesen. (H 105/106, kursiv i.O.)
Mit diesem Prolog hätte auch der Charakter der Figur des Erzählers insofern näher erläutert werden können, als sich das Spiel im Spiel auf der einen Seite deutlich gezeigt
hätte. Auf der anderen Seite wäre so das Spiel des Darstellers betont worden. Das TheaSic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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ter auf dem Theater, das der Erzähler entstehen lässt, hätte dadurch noch stärker hervorgehoben werden können.
Am bemerkenswertesten allerdings ist die Kreisstruktur, die durch den Prolog entsteht. Das Mittel, mit dem Ende zu beginnen, ist vor allem aus Kriminalfilmen bekannt,
in denen durch das bekannte Ende das Gewicht auf die Hinführung zu diesem Ende gelegt wird. Im Fall von Holzfällen jedoch ergibt sich mit dem Auftritt aus dem Blau der
Straße, in das der Erzähler am Ende der Inszenierung wieder verschwindet, und dem
Abgang ebendort hin für den gesamten Teil dazwischen eine Bühnensituation, die als
solche herausgestellt ist. Die klare Abgrenzung von Anfang und Ende, das Abschließen
des Raums und sein Öffnen im Abgehen verdeutlichen für den Teil, der im Gang und
auf dem Läufer spielt, dass es sich hierbei um Theater handelt, um ein Theater, das der
Erzähler für die Zuschauer aufführt. Insofern wird hiermit die Illusion des Theaters und
die künstliche Situation selbst thematisiert.
4.8.5 „In den Wald hinein“ – der Raum der Künstlichkeit wird verlassen
Als zentrale Stelle der Inszenierung ist Szene 40 gesondert zu behandeln, in welcher
der Darsteller das einzige Mal den geschlossenen Raum verlässt. Zudem fällt im gesprochenen Text der Titel, so dass Zuschauer, die den Prosatext nicht kennen, zum ersten Mal verstehen, warum der Theaterabend diesen Titel trägt. Die untersuchte Szene
schließt an die Suada des Burgschauspielers an. Ist dieser Ausbruch noch auf der paralinguistischen Ebene gekennzeichnet von einem durchgehaltenen Stakkato, das formal
die Erregung verdeutlicht, so ist Szene Nr. 40 sprachlich relativ ruhig gestaltet. Nachdem er den Text
In den Wald gehen, tief in den Wald hinein, sagte der Burgschauspieler, sich gänzlich dem Wald
überlassen, das ist es immer gewesen, der Gedanke, nichts anderes, als selbst Natur zu sein. Wald,
Hochwald, Holzfällen, das ist es immer gewesen. (RB 20/ H 303)
mit dem Gesicht zur Glastür gesprochen hat, geht der Schauspieler aus dem abgeschlossenen Theaterraum, den er selbst zu Beginn der Aufführung hergestellt hatte, heraus. Dies wird mit Musik untermalt, hier ist es ebenfalls die von Roman Zach, die schon
als Einlassmusik Verwendung gefunden hatte. Nun sehen die Zuschauer nach einem
kurzen Black in einem anderen Licht – nur der blaue Bodenscheinwerfer und der an der
Decke befestigte Punktstrahler zur Tür sind im Einsatz – den Darsteller durch die Tür.
Hinter der Tür spricht er mit weit aufgerissenen Lippen und überdeutlich. Die Finger
beider Hände drückt er weit gespreizt gegen die Scheibe. Anhand der LippenbewegunSic et Non. zeitschrift für philosophie und kulur. im netz.
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gen sind mehrmals die Wörter „Wald, Hochwald, Holzfällen“ zu erkennen, jedoch
nicht zu hören. Dazu vollführt er eigenartige Bewegungen, ja schneidet geradezu Grimassen. Anschließend öffnet er wieder die Tür und kommt zurück in den Theaterraum.
Von der Position an der Glastür setzt er die Aufführung in einem verbindlichen und netten Plauderton fort. Den Text „Alte Schauspieler gehen nur mehr noch auf die Nerven...“ (RB 20) spricht er wieder direkt zum Publikum auf beiden Seiten des Läufers.
Ich deute das Verlassen des Bühnenraums als Flucht des Burgschauspielers aus der
künstlichen Situation. Er lässt die Kunstwelt, die selbst geschaffene Künstlichkeit, kurzzeitig hinter sich. Von außerhalb des Raumes, in dem sich der Rest der Inszenierung
abspielt, beobachtet er nun die Abendgesellschaft. Der Schauspieler macht sich selbst
zum Zuschauer und dreht damit die Spielsituation um. In diesem Moment sind die Zuschauer die Beobachteten. Sie befinden sich für den Schauspieler in einem Schaufenster, so wie er sich zuvor zur Schau gestellt hatte. Hier lässt sich eine Verbindung mit
Kapitel 3 herstellen: War dort die Zuschauerposition des Erzählers betont worden, die
durchaus voyeuristische Züge trägt, so ist hier hervorzuheben, dass in der Umkehrung
die Zuschauer in die Lage der beobachteten Gäste versetzt werden.
Andererseits ist die Glastür auch als Käfig zu verstehen, in dem der Erzähler gefangen ist. Die überdeutlichen Lippenbewegungen und das Pressen der Finger an die Tür
wären dann als Hilferufe zu deuten. Um Hilfe flehte der Burgschauspieler, der sich hinter der Glastür im Gefängnis der Künstlichkeit befände. Beide Deutungen erscheinen
möglich.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es hier zu einer Überlagerung der beiden Figuren gekommen ist. War oben die Rede von den Schwierigkeiten, den Erzähler exakt
von den von ihm vorgeführten Figuren zu differenzieren, so gilt das auch hier: Hinter
dem Glas spricht zwar der Schauspieler Gerhard Hermann, der immer den Erzähler gespielt hat, den Text, der in der Prosa dem Burgschauspieler zuzuordnen ist. Und es wurde auch in den bisherigen Charakterisierungen deutlich, dass immer der Erzähler in die
Rolle eines anderen wechselte, dabei aber als Erzähler agierte. Das fällt für die Deutung
der Figur hinter der Glasscheibe am stärksten ins Gewicht. Daher muss die Frage, ob es
hier eine Überlagerung zu verzeichnen ist, verneint werden.
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4.9 Zwischen Text und Spiel –
abschließende Bemerkungen zur Inszenierung
Die Untersuchung des Monologs Holzfällen hat ergeben, dass es sich bei der Dramatisierung von Bernhards Prosatext um eine sehr stark reduzierte Inszenierung handelt,
die fast ohne Dekoration und ganz ohne Requisiten auskommt. Daneben fand nur eine
sehr sparsame Kostümierung statt. Auch auf der Ebene der Bewegung lässt sich eine
relative Zeichenarmut diagnostizieren. Zwar sind die Charakterisierungen der anderen
Gäste mit gestischen und mimischen Zeichen versehen, die Figur des Erzählers aber
bleibt, bis auf die wenigen Szenen, in denen das Publikum sozusagen privat angesprochen wird, relativ statisch. Die meiste Bedeutung tragen darum für diese Figur die paralinguistischen Zeichen. Die Inszenierung vertraut vor allem dem Bernhardschen Text
und der Stimme des Schauspielers.
Aus theatersemiotischer Perspektive ist also eine Inszenierung entstanden, die sich
vor allem in drei Hinsichten untersuchen lässt: Schauspieler, Raum und Text. Die Zeichen, die der Schauspieler hervorbringt, sind in einigen Szenen nur paralinguistische
Zeichen, in anderen Szenen vielfältig. Dies ließ sich auf der Ebene der kinesischen Zeichen anhand der Statik der Figur des Erzählers für die Momente des reinen Erzählens
verdeutlichen. Die Darstellung der anderen Gäste durch die Figur des Erzählers kann für
das Ehepaar Auersberger und Jeannie Billroth auch in der Reduktion als karikierend
begriffen werden. Dagegen ergab sich für die Darstellung des Burgschauspielers, dass
sie sich von einer diffamierenden zu einer ernsten verändert, was als umgekehrte Fallhöhe begriffen werden kann.
Zusammenfassend lässt sich zur Darstellung des Erzählers sagen, dass sie zwischen
einer Figur, die Privates öffentlich machen will, und einer Figur, die ganz in sich selbst
versunken erscheint, changiert. In den Szenen, in denen kurzzeitig Öffentlichkeit hergestellt wird, schlägt sie unmittelbar darauf wieder in Privatheit um. Somit lässt sich eine
Ambivalenz von privat und öffentlich konstatieren.
Was die Transformation der Prosa angeht, hat sich herausgestellt, dass diese in zwei
Schritten stattfand: der erste Schritt war die dramaturgische Einrichtung des Textes fürs
Theater, der zweite die szenische Umsetzung auf der Bühne. Die Form des Monologs
erwies sich als tragfähig, da im Mittelpunkt von Text wie Inszenierung die Figur des
Erzählers steht. Aus dem Text wurde mittels einiger Eingriffe, welche die Chronologie
des Textes bis auf zwei Momente beibehielt, ein Theaterabend, der vor allem auf das
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Wort vertraut und insofern einerseits einem Hörspiel ähnelt. Andererseits finden sich
immer wieder Szenen, deren Analyse klar macht, dass innerhalb dieser reduzierten Theaterform auch Spielszenen zu finden sind. Diese Spielszenen finden im ebenfalls sehr
reduzierten Raum statt, in dem das Publikum zur Kulisse wird. Denn die Anordnung der
Zuschauer zu beiden Seiten des Gangs kann als Teil der Tafel verstanden werden. Außerdem fand hier der Aspekt der Beobachtung noch einmal Anwendung, da sich die
Zuschauer aufgrund der Nähe der anderen Zuschauer nicht deren Beobachtung zu entziehen vermögen. Sie befinden sich in der nahezu öffentlichen Situation, die zugleich so
eng gestaltet ist, dass es aus ihr kein Entkommen gibt. Dies verstärkt ein weiteres Mal
die Thematik von Nähe und Distanz, die schon den Prosatext durchzieht.
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Schlusswort: Theatralität in der Prosa und auf der Bühne
Die für den Prosatext Holzfällen in Kapitel 3 herausgearbeitete Theatralität ist Voraussetzung für die szenische Umsetzung gewesen. Insofern kann die werkkontextuelle
Interpretation, die vor allem die späte Prosa Bernhards in die Analyse einbezog, als Hinführung zur Inszenierungsanalyse in Kapitel 4 verstanden werden, auch wenn es sich
bei den Untersuchungsgegenständen um verschiedene Medien handelt. Der Medienwechsel vom Text zur Inszenierung, die szenische Umsetzung, bewegte sich entlang der
in Kapitel 3 herausgearbeiteten Aspekte. Denn die Dialektik von Zuschauen und Spielen, die für die Konstitution der Theatralität herangezogen wurde (vgl. Kapitel 3.2), fand
ihre Fortsetzung auf der Bühne. Zwar sind im Medium Theater die beiden genannten
Aspekte Grundbestandteile jeder Inszenierung. Allerdings muss festgehalten werden,
dass in der Dramatisierung von Holzfällen gerade die Aspekte Zuschauen und Spielen
herausragende Bedeutung erlangt haben.
Ersterer wurde in die Raumkonzeption übertragen, letzterer auf das Vorspielen der
anderen Gäste durch die Figur des Erzählers. Der zentrale Aspekt der Beobachtung einer privaten Angelegenheit in einem Raum, der zu einem öffentlichen geworden ist, der
zudem als Laufsteg gedeutet werden kann (vgl. Kapitel 4.4), wurde transformiert in die
Enge des Ganges. Daraus ergab sich die Nähe der Zuschauer untereinander und die Nähe der Zuschauer zum Darsteller. Während der Aspekt des Spielens in der Textanalyse
vor allem für die Selbstinszenierung des Erzählers galt (vgl. Kapitel 3.2.2), konnte gezeigt werden, dass in der Dramatisierung neben dem Spiel der Erzählerfigur, das wie
Bühne und Kostüm als sehr sparsam zu bezeichnen ist, auch andere Figuren von diesem
Erzähler vorgestellt werden. Das Rollenspiel, das auf der Textebene neben Zuschauen
und Vorspielen für die Theatralität konstituierend ist, findet also ebenfalls seine Fortsetzung auf der Ebene der Inszenierung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die
in Kapitel 3 thematisierten Aspekte der Theatralität in der Konzeption der Inszenierung
niedergeschlagen haben.
Sowohl mittels des werkkontextuellen Ansatzes der literaturwissenschaftlichen Interpretation als auch mittels der theatersemiotischen Methode, die für die Inszenierungsanalyse benutzt wurde, konnte Theatralität herausgearbeitet werden. Jedoch unterscheidet sich die für die Textebene eruierte Theatralität insofern von der in der Inszenierung
zum Tragen kommenden, als dass der Berichtscharakter des Prosatextes die Theatralität
dem Geschehen im Nachhinein einschreibt. Es ist die Wahrnehmung des Erzählers, die
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Wirklichkeit zum Theaterereignis werden lässt. Der Leser befindet sich in einer doppelten Beobachtungssituation, die das Beobachtete zu einem Theater auf dem Theater
werden lässt (vgl. 3.4). Auch für die in der Inszenierung kann gesagt werden, dass die
verschiedenen von der Figur des Erzählers gespielten Charakterisierungen – von denen
die des Burgschauspielers herausragt – ein Theater auf dem Theater darstellen. Doch
während der Erzähler des Prosatextes die theatralen Situationen nur beschreibt, sind es
gerade diese Szenen, die der Erzähler der Dramatisierung spielt, sie also mit theatralischen Zeichen füllt und damit eine Interpretation festlegt. Hervorzuheben hierbei ist,
dass die Fremdcharakterisierungen im Verlauf der Inszenierung im Vergleich zum Prosatext eine veränderte Theatralisierung erfahren haben. Während Theatralität in der
Textfassung alleine durch das Medium Schrift erzeugt werden konnte, waren es in der
Inszenierung gerade die Szenen, in denen der Schauspieler aus seinem gestenarmen
Monologisieren ausbrach und in einem gestisch und mimisch umfangreicheren Spiel die
anderen Gäste vorstellte. Der Monolog des Prosatextes wurde also in eine Inszenierung
transformiert, die sowohl den introspektiven Monologcharakter beibehält als auch tatsächliche Spielmomente hervorbringt.
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6.1
Literaturverzeichnis
Werke von Thomas Bernhard
6.1.1
A
AM
Am
AO
Be
F
H
Ja
Ke
U
V
Prosa, alphabetisch nach Siglen geordnet
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Der Untergeher. Frankfurt a. M. 1988.
Verstörung. Frankfurt a. M. 1986.
6.1.2 Drama, nach Siglen alphabetisch geordnet
IW
JG
Der Ignorant und der Wahnsinnige. In: Thomas Bernhard: Stücke 1.
Frankfurt a. M. 1988, S. 79-169.
Die Jagdgesellschaft. In: Thomas Bernhard: Stücke 1. Frankfurt a. M.
1988, S. 171-249.
6.1.3 Interviews, Reden und Ähnliches
DT
Drei Tage. In: Der Italiener. Salzburg 1971, S. 144-161.
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Thomas Bernhard. Weitra 1992.
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Armin Breidenbach: Thomas Bernhards Holzfällen als Monolog auf dem Theater.
6.2 Forschungsliteratur
6.2.1
Zu Thomas Bernhard
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6.2.2
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6.3 Sonstige Literatur sowie Musik
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Ders.: Aria „Gib dich zufrieden und sei stille“. In: Klavierbüchlein der Anna
Magdalena Bach. BWV 508.
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thomas_bernhard_mit_einer_szenischen_lesung_roland_leithaeuser.html,
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Zach, Roman (2002): Musik für Holzfällen. 5 Tracks auf MiniDisc. Prag.
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