Wandel der Erwerbsformen - atypische Beschäftigung in Sachsen

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Wandel der Erwerbsformen - atypische Beschäftigung in Sachsen
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Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in Sachsen-Anhalt
Sylvia Schulz
Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in
Sachsen-Anhalt
In den letzten Jahren ist ein Wandel der Erwerbsformen mit einer
Auflösung der bisher bestehenden Muster des traditionellen
Normalarbeitsverhältnisses zu beobachten. Dieser äußert sich in
einer wachsenden Vielfalt von Beschäftigungsformen, die nicht
mehr dem klassischen Normalarbeitsverhältnis in Form einer
abhängigen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung
entsprechen und als atypisch bezeichnet werden. Dazu zählen
beispielsweise neue Formen wie Mini-Job und Ein-Euro-Job, Leihoder Zeitarbeit, aber auch Teilzeitarbeit und befristete Beschäftigung.
Der Bedeutungsverlust des traditionellen Normalarbeitsverhältnisses
wird zusätzlich durch das stetige Anwachsen des Dienstleistungssektors und soziokulturelle Veränderungen, insbesondere durch
das spezifische Erwerbsverhalten der Frauen, begünstigt.
In diesem Beitrag soll die Entwicklung der Erwerbsformen auf der
Grundlage von Zahlen des Arbeitskreises „Erwerbstätigenrechnung
des Bundes und der Länder“ betrachtet werden. Zusätzlich werden
Auswertungen der Bundesagentur für Arbeit, wie die Beschäftigungsstatistik, die eine Grundlage der Erwerbstätigenrechnung
bildet, herangezogen. Eine weitere Quelle zur Berechnung der
Erwerbstätigen, speziell der Selbstständigen und mithelfenden
Familienangehörigen, ist der Mikrozensus. Auswertungen, die aus
dem Mikrozensus nach den verschiedenen Erwerbsformen möglich
sind und beispielsweise Aussagen zu befristeter Beschäftigung
enthalten, sind jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrages.
Zu den Erwerbstätigen zählen alle Personen, die eine auf Erwerb
gerichtete Tätigkeit ausüben, unabhängig von der Dauer der
tatsächlich oder vertragsmäßig zu leistenden Arbeitszeit. Dabei ist
es für die Zuordnung der Erwerbstätigen unerheblich, ob aus der
Tätigkeit der überwiegende Lebensunterhalt bestritten wird. Im Falle
mehrerer Tätigkeiten wird der Erwerbstätige nur einmal mit seiner
zeitlich überwiegenden Tätigkeit gezählt. Zu den Erwerbstätigen
zählen die Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen
sowie die Arbeitnehmer.
Als Selbstständiger zählt, wer unternehmerisch oder freiberuflich
selbstständig tätig ist. Hierzu gehören tätige Eigentümer in Einzel-
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unternehmen und Personengesellschaften, Freiberufler wie Ärzte,
Anwälte, Steuerberater, Architekten, aber auch alle selbstständigen
Handwerker, Handels- bzw. Versicherungsvertreter, Lehrer, Musiker,
Artisten, Hebammen, Kranken- sowie Altenpfleger. Zu den
mithelfenden Familienangehörigen werden alle Personen
gerechnet, die regelmäßig unentgeltlich in einem Betrieb mitarbeiten, der
von einem Familienmitglied als Selbstständiger geleitet wird.
Als Arbeitnehmer zählt, wer als Arbeiter, Angestellter, Beamter,
Richter, Berufssoldat, Soldat auf Zeit, Wehr- oder Zivildienstleistender, Auszubildender, Praktikant oder Volontär in einem Arbeitsbzw. Dienstverhältnis steht. Eingeschlossen sind auch die Heimarbeiter und die marginal Beschäftigten.
Die marginal Beschäftigten sind erwerbstätige Personen, die
keine voll sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Hierzu
zählen ausschließlich geringfügige Beschäftigte (geringfügig
entlohnte Beschäftigte, kurzfristig geringfügig Beschäftigte) und
Beschäftigte in Arbeitsgelegenheiten (so genannte „Ein-Euro-Jobs“).
Zeitarbeitnehmer und Teilzeitbeschäftigte unterliegen der vollen
Sozialversicherungspflicht und werden bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und nicht bei den marginal
Beschäftigten erfasst.
Als atypisch Beschäftigte werden Personen bezeichnet, die kein
klassisches sozialversicherungspflichtiges Vollzeitarbeitsverhältnis
haben. Dazu zählen neben den Selbstständigen und mithelfenden
Familienangehörigen Personen mit marginaler Beschäftigung,
befristeter Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung und Zeitarbeitnehmer.
Die hier vorgestellten Erwerbstätigen- und Beschäftigtenzahlen
beziehen sich auf das Inlandskonzept, also auf Personen, die in
Sachsen-Anhalt ihren Arbeitsplatz haben. Hierbei werden die
Einpendler aus anderen Bundesländern und dem Ausland
berücksichtigt.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit sind in den nachfolgenden
Erläuterungen nur die maskulinen Formen der Bezeichnungen von
Personen aufgeführt. Sie betreffen insofern immer beide
Geschlechter.
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Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in Sachsen-Anhalt
Entwicklung der Erwerbstätigen nach der Stellung im Beruf
Um den Wandel der Erwerbsformen aufzuzeigen, wird zunächst
die Entwicklung der Erwerbstätigen nach der Stellung im Beruf
betrachtet. Im Jahr 1991 betrug der Arbeitnehmeranteil an allen
Erwerbstätigen 95,2 %. Im Jahr 2009 waren es nur noch 90,9 %.
Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen nahm im genannten Zeitraum
um 271 200 Personen oder 21,2 % ab. Dabei sank die Zahl der
Arbeitnehmer um 300 900 Personen oder 24,7 %. Die Zahl der
Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen stieg
dagegen um 29 800 Personen oder 48,2 %.
Tabelle 1: Erwerbstätige am Arbeitsort Sachsen-Anhalt nach der Stellung im Beruf
– Jahresdurchschnitt in 1 000 Personen -
Stellung im Beruf
1991
2003
2004
Erwerbstätige insgesamt
Davon:
Selbstständige/mithelfende
Familienangehörige
Arbeitnehmer
Davon:
Arbeitnehmer ohne
marginal Beschäftigte
Marginal Beschäftigte
1 281,3
1 007,8
1 004,7
990,2
61,7
1 219,6
89,1
918,6
93,8
910,9
.
.
810,2
108,5
791,6
119,3
Die Entwicklung in den letzten Jahren ab 2006 ist dabei differenzierter
zu betrachten. Nach jahrelangem Rückgang erfolgte von 2006 bis
2008 ein Anstieg der Erwerbstätigen. Im Jahr 2009 gab es nach
vorläufigen Berechnungen infolge der Wirtschaftskrise wieder einen
Rückgang. Dabei entwickelten sich die Erwerbstätigen nach den
einzelnen Stellungen im Beruf unterschiedlich. Die Zahl der
Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen nahm nach
jahrelangem Anstieg seit 2007 ab und erreichte zuletzt fast das
Niveau von 2003.
Größeren Anteil an der Gesamtentwicklung der Erwerbstätigen hat
jedoch die Gruppe der Arbeitnehmer. Ihre Zahl verringerte sich
jahrelang. Von 2006 bis 2008 nahm sie zu und im Jahr 2009 war sie
wieder rückläufig. Der Zuwachs an Arbeitnehmern von 2006 bis
2008 basierte auf der Zunahme der sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung (insbesondere der Teilzeitbeschäftigung) und in den
Jahren 2006 und 2007 auch auf dem Anstieg der marginalen
Beschäftigung. Letztere verzeichnete schon seit Jahren eine
2005
2006
2007
2008
2009
995,5
1 008,0
1 014,9
1 010,1
97,9
892,2
98,6
896,8
97,6
910,3
93,7
921,2
91,5
918,6
765,4
126,9
763,9
132,9
777,2
133,2
789,5
131,7
.
.
kräftige Zunahme und hat inzwischen einen weitaus größeren Anteil
an den Erwerbstätigen als die Selbstständigen und mithelfenden
Familienangehörigen. Auch hier werden der Wandel der Erwerbsformen und die zunehmende Bedeutung der marginalen Beschäftigung sichtbar. Um die Entwicklung aufzuzeigen, werden nachfolgend die marginal Beschäftigten und die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten näher untersucht.
Zunächst soll jedoch die wirtschaftsstrukturelle Entwicklung
betrachtet werden, um den Anstieg der Erwerbstätigenzahl im
Dienstleistungssektor zu verdeutlichen.
Statistisches Monatsheft 09/2010 Statistisches Landesamt Sachsen -Anhalt
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Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in Sachsen-Anhalt
Zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors
Die Wirtschaftszweigstruktur der Erwerbstätigen hat sich im
Zeitraum von 1991 bis 2009 zugunsten des Dienstleistungssektors
verschoben. Gehörten 1991 etwas mehr als die Hälfte (52,2 %)
aller Erwerbstätigen hierzu, waren es 2009 mit 73,0 % schon fast
drei Viertel. Insbesondere die Wirtschaftszweige Finanzierung,
Vermietung und Unternehmensdienstleister (Anstieg von 5,6 % auf
14,8 %) sowie Öffentliche und private Dienstleister (Anstieg von
26,7•% auf 34,6 %) hatten anteilmäßig einen starken Zuwachs zu
verzeichnen. Der Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
verringerte sich dagegen anteilmäßig von 7,3 % auf 3,0•%. Im
Produzierenden Gewerbe waren 1991 etwa 40,5•% der
Erwerbstätigen beschäftigt. Im Jahr 2009 war es nur noch jeder
Vierte (24,0 %). Die stärksten Verluste hatte hier anteilmäßig das
Verarbeitende Gewerbe (Rückgang von 25,7 % auf 15,2 %).
Grafik 1: Wirtschaftszweigstruktur (WZ 2003) der Erwerbstätigen 1991 und 2009
(Jahresdurchschnitt)
1991
2009
3,0%
7,3%
24,0%
52,2%
40,5%
73,0%
Dienstleistungsbereiche
Produzierendes Gewerbe
Land- und Forstwirschaft, Fischerei
Dieser wirtschaftliche Strukturwandel mit dem stetigen Anwachsen
des Dienstleistungssektors hat den Arbeitsmarkt ebenfalls verändert
Statistisches Monatsheft 09/2010, Statistisches Landesamt Sachsen -Anhalt
und führte zu neuen Beschäftigungsformen mit flexiblen Organisations- und Zeitstrukturen.
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Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in Sachsen-Anhalt
Jeder Achte ist marginal beschäftigt
Betrachtet man die Entwicklung der marginal Beschäftigten seit 2003
(Veröffentlichungen hierzu liegen erst ab 2003 vor), dann wird ein
kräftiger Anstieg bis 2006 sichtbar. Der Anteil der marginal
Beschäftigten an allen Erwerbstätigen stieg von 10,8 % im Jahr
2003 auf 13,4 % im Jahr 2006. Im Jahr 2007 stieg die marginale
Beschäftigung nur noch leicht und nahm im Jahr 2008 erstmalig ab.
Der Anteil der marginal Beschäftigten sank 2008 auf 13,0 %.
Gleichzeitig nahm 2007 und 2008 die Zahl der Arbeitnehmer ohne
marginal Beschäftigte kräftig zu, bedingt durch den Anstieg der
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, insbesondere der
Teilzeitarbeit.
Grafik 2: Entwicklung der Erwerbstätigen, der Arbeitnehmer ohne marginal Beschäftigte und der marginal Beschäftigten
(Jahresdurchschnitt, Jahr 2003 = 100 %)
130
Prozent
120
110
100
90
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Erwerbstätige
Arbeitnehmer
ohne marginal Beschäftigte
Marginal Beschäftigte
Die größte Gruppe der marginal Beschäftigten sind die ausschließlich
geringfügig entlohnten Beschäftigten. Hierbei handelt es sich um
Personen, die ausschließlich einen Minijob mit einer monatlichen
Verdienstgrenze bis 400 Euro ausüben. Auswertungen der
Bundesagentur für Arbeit liegen hierzu ab 1999 vor. Die Zahl dieser
Beschäftigten hat sich seit 1999 fast verdoppelt. Am 30.06.1999
gab es 57 400 ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte,
am 30.06.2003 waren es bereits 86 000 Beschäftigte und am
30.06.2008 insgesamt 90 700 Personen. Das entspricht einem
Anstieg von 1999 bis 2008 um 58,1 %, darunter von 2003 bis 2008
um 5,5 %. Am 30.06.2009 betrug die Zahl 90•500 Personen. Mehr
als 60 % waren davon Frauen. Über 35 % aller ausschließlich
geringfügig Entlohnten zählte zu den älteren Beschäftigten (55 Jahre
und älter) und knapp 15 % war unter 25 Jahre. Nach Berufen
betrachtet dominierten die Dienstleistungsberufe mit mehr als 75 %.
Haupteinsatzgebiet war der Wirtschaftsbereich (lt. WZ 2008) Handel;
Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen, wo rund 21 %
aller ausschließlich geringfügig Entlohnten arbeitete, gefolgt vom
Bereich Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen
mit 12,4 %, Gastgewerbe mit 10,9•%, Verkehr, Lagerei mit 9,4 %
sowie Gesundheits- und Sozialwesen mit 7,9 %.
Auch die Einführung der so genannten Ein-Euro-Jobs zum Ende
des Jahres 2004 bewirkte einen weiteren Anstieg der marginalen
Beschäftigung. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit stieg
die Zahl der geförderten Personen in Arbeitsgelegenheiten
(Mehraufwandsvariante) bis 2006 stark an. Im Jahresdurchschnitt
2006 gab es hier 26 800 Personen. Danach nahmen die Ein-EuroJobs wieder langsam ab. Im Jahr 2009 waren es noch 22 700
Personen.
Außerdem befanden sich nach Angaben der Bundesagentur für
Arbeit am 30.06.2009 rund 9 200 Personen in kurzfristiger
Beschäftigung, der größte Teil davon war ausschließlich kurzfristig
tätig und übte die kurzfristige Beschäftigung damit als Hauptjob
aus. Diese Beschäftigten, die beispielsweise als Saisonkräfte
arbeiten und höchstens 50 Tage im Jahr tätig sind, haben jedoch
nur einen geringen Anteil an den marginal Beschäftigten.
Statistisches Monatsheft 09/2010 Statistisches Landesamt Sachsen -Anhalt
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Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in Sachsen-Anhalt
Stetige Zunahme der Teilzeitjobs
Mehr als 73 % aller Erwerbstätigen hatte im Jahr 2009 ein
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Betrachtet man die Jahre ab 1999 (detaillierte Auswertungen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus der Ergebnisdatenbank der
Bundesagentur für Arbeit sind ab 1999 möglich), dann sank die Zahl
der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 124 700 Personen
oder 14,4 %. Der Anteil der Frauen nahm in diesem Zeitraum dagegen
von 47,9 % auf 50,0 % zu.
Die Abnahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
betraf ausschließlich die Vollzeitbeschäftigten. Ihre Zahl sank um
172 900 Personen oder 22,3 %. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten
ist dagegen stetig angestiegen und erhöhte sich seit 1999 um
48 000 Personen oder 52,2 %. Während der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
am 30.06.1999 noch 10,6•% betrug, waren es am 30.06.2009 bereits
18,8 % und damit fast ein Fünftel aller Beschäftigten. Dabei stieg
der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit einer Wochenarbeitszeit von
unter 18 Stunden an allen Teilzeitbeschäftigten von 5,0 % auf 7,8 %.
Grafik 3: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung
(Stichtag 30.06., Jahr 1999 = 100 %)
160
Prozent
150
140
130
120
110
100
90
1999
2000
2001
80
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
70
60
Insgesamt
Vollzeitbeschäftigte
Teilzeitbeschäftigte
Besonders auffällig ist die Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung
seit 2005. Allein in den Jahren 2005 bis 2009 stieg die Zahl der
Teilzeitbeschäftigten um 34,1 % oder 35 500 Personen. Das wirkte
sich auch auf die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten insgesamt sowie der Erwerbstätigen und Arbeitnehmer positiv aus. Seit 2006 ist hier ein Aufwärtstrend sichtbar,
der zuletzt im Jahr 2009 durch die Wirtschaftskrise unterbrochen
wurde. Trotzdem zeigte sich auch im Jahr 2009 ein starker Anstieg
der Teilzeitbeschäftigung. Gegenüber dem Vorjahr nahm sie um
7 800 Personen oder 5,9 % zu, während die Vollzeitbeschäftigten
um 9 700 Personen oder 1,6 % abnahmen.
Statistisches Monatsheft 09/2010, Statistisches Landesamt Sachsen -Anhalt
Teilzeitarbeit wird am stärksten von Frauen genutzt. Ihr Anteil an
allen Teilzeitbeschäftigten betrug Ende Juni 2009 insgesamt 83,8 %.
Doch auch Männer nutzen immer mehr die Teilzeitarbeit. Das wird
am Anstieg ihres Anteils von 12,4•% im Jahr 1999 auf 16,2 % im
Jahr 2009 deutlich. Zwei Drittel aller Teilzeitbeschäftigten war älter
als 40 Jahre.
Der Hauptteil der Teilzeitbeschäftigten war in Dienstleistungsberufen
tätig. Der Anteil nahm im Zeitraum 1999 bis 2009 von 81,3 % auf
88,2 % zu. Dabei waren die Teilzeitbeschäftigten insbesondere in
Büroberufen, als Warenkaufleute, in sozialpflegerischen Berufen,
in Gesundheitsdienstberufen oder in allgemeinen Dienstleistungsberufen tätig.
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Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in Sachsen-Anhalt
Zeitarbeit hat sich verdreifacht
dem kann jetzt die Zeitarbeit als Summe der Wirtschaftszweige
78.2 und 78.3 auch ohne Vermittlung ausgewiesen werden.
Neben dem Anstieg der Teilzeitbeschäftigung und der marginalen
Beschäftigung ist in den letzten Jahren auch eine starke Zunahme
der Zeitarbeiter sichtbar. Hierbei gibt es verschiedene Datenquellen
für die Erfassung der Zeitarbeit.1) Nach den Angaben der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit betrug
die Zahl der Leiharbeitnehmer im ersten Halbjahr 2009 in SachsenAnhalt 20 600 Personen. Bedingt durch die Wirtschaftskrise nahm
der Bestand gegenüber dem ersten Halbjahr 2008 um 7 300 Personen oder 26,2 % ab.
Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit erfasst
die Zeitarbeiter im Dienstleistungsbereich. Vor 2008 wurden sie im
Wirtschaftszweig 74.5 der WZ 1993 bzw. der WZ 2003 nachgewiesen. Darin waren alle Arbeitnehmer erfasst, die in Betrieben
arbeiten, deren wirtschaftlicher Schwerpunkt in der Überlassung
von Arbeitskräften (einschließlich Personal- und Stellenvermittlung)
liegt. Mit der Umstellung der „Klassifikation der Wirtschaftszweige“
zum 1. Januar 2008 auf die neue WZ 2008 änderte sich auch die
Nummer des Wirtschaftszweiges. Die Zeitarbeit wird jetzt im Wirtschaftszweig 78 (Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften)
nachgewiesen und ist weitestgehend mit den nach der WZ 1993
bzw. 2003 im Wirtschaftszweig 74.5 erfassten Beschäftigten
vergleichbar. Die hier verwendeten Zahlen ab 30.06.2008 beinhalten
aufgrund der besseren Vergleichbarkeit mit den Vorjahren den
gesamten Wirtschaftszweig 78 einschließlich Vermittlung. Außer-
Seit 1999 ist die Zeitarbeit mit Ausnahme des Jahres 2002 stets
gestiegen, insbesondere in den Jahren 2006 und 2007. Die Zahl der
Gesamtbeschäftigten nahm von 2006 bis 2008 ebenfalls zu. Der
kräftige Anstieg in der Zeitarbeitsbranche hatte damit auch Einfluss
auf die allgemeine Beschäftigungsentwicklung im Land. Von 2002
bis 2008 hat sich die Zeitarbeiterzahl fast verdreifacht. Es waren
16 100 Personen oder 183,0 % mehr. Der Anteil der Zeitarbeiter an
den Gesamtbeschäftigten nahm im genannten Zeitraum von 1,1 %
auf 3,3 % zu. Im Jahr 2008 hat sich die positive Entwicklung
verlangsamt. Am 30.06.2008 waren 24 900 Personen im
Wirtschaftszweig Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften
tätig. Gegenüber dem Vorjahr waren das 2 700 Personen oder 12,2 %
mehr.
Am Stichtag 30.06.2009 gab es im Wirtschaftszweig 78 insgesamt
20 300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, darunter im
Wirtschaftszweig 78.2 und 78.3 „Überlassung von Arbeitskräften“
18 200 Personen. Krisenbedingt sank die Zahl gegenüber dem Vorjahr
um 4 600 Personen (- 18,4 %) im WZ 78 bzw. 4 400 Personen
(- 19,5 %) im WZ 78.2 und 78.3. Die Zahl der Gesamtbeschäftigten
nahm um 1 900 Personen oder 0,3 % ab. Der Anteil der Zeitarbeiter
im Wirtschaftszweig 78 an den Gesamtbeschäftigten sank am
30.06.2009 auf 2,7 %.
Grafik 4: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt und in der Zeitarbeitsbranche
(Stichtag 30.06., Jahr 2002 = 100 %)
300
Prozent
250
200
150
100
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
50
Gesamtwirtschaft
Zeitarbeitsbranche
1) siehe hierzu: Statistisches Monatsheft 06/2009, Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt „Entwicklung der Zeitarbeitsbranche in Sachsen-Anhalt“
Statistisches Monatsheft 09/2010 Statistisches Landesamt Sachsen -Anhalt
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Wandel der Erwerbsformen – atypische Beschäftigung in Sachsen-Anhalt
Der Hauptteil (70,0 %) der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Wirtschaftszweig Vermittlung und Überlassung von
Arbeitskräften war am 30.06.2009 in Fertigungsberufen tätig. Am
stärksten waren hier die Hilfsarbeiter vertreten, gefolgt von
traditionellen Handwerksberufen wie Schlosser, Mechaniker und
Elektriker. Fast 54 % der Zeitarbeiter in Fertigungsberufen waren
Hilfsarbeiter, an allen Zeitarbeitern betrug der Hilfsarbeiteranteil rund
38 %. Im Vergleich zu 2002 hat sich dieser Anteil verdoppelt. Bei
den Dienstleistungsberufen, in denen rund 26 % der Zeitarbeiter
arbeiteten, waren besonders die Organisations-, Verwaltungs- und
Büroberufe und die Verkehrsberufe vertreten.
Bedingt durch die vorwiegenden Einsatzfelder der Zeitarbeit sind
mehr als drei Viertel der Leiharbeiter Männer. Doch auch bei den
Frauen gewinnt Zeitarbeit zunehmend an Bedeutung. Am 30.06.2002
lag der Frauenanteil noch bei 15,0 % (1 315 Frauen), am 30.06.2009
betrug er schon 27,0 % (5•469 Frauen). Bei den Frauen stehen
Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe sowie Hilfsarbeiten
im Vordergrund.
Zusammenfassende Betrachtung mittels Indikatoren
Insgesamt wird deutlich, dass der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren
heterogener und eine differenzierte Betrachtung einzelner
Erwerbsformen notwendig geworden ist. Deshalb ist es sinnvoll,
über eine reine Personenbetrachtung hinaus auch den Arbeitsumfang einzubeziehen. Dazu wurden vom Arbeitskreis „Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder“ neue Indikatoren
entwickelt, die unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, wie Teilzeitarbeit
oder Minijobs, adäquat abbilden können.
So ermöglicht der Indikator „Vollzeitäquivalente“ 2) ab 1999 Vergleiche
nach der Intensität des Erwerbsbeitrages. Dabei handelt es sich um
„Erwerbstätige in Vollzeitbeschäftigten-Einheiten“, bei denen die
verschiedenen Erwerbstätigengruppen nach dem Maß ihrer
Beteiligung am Erwerbsprozess gewichtet werden. Die VollzeitBeschäftigten erhalten das Norm-Gewicht 1,0 — und zwar unabhängig von tariflich unterschiedlich festgelegten Arbeitszeiten der
Arbeitnehmergruppen bzw. abweichenden tatsächlichen Wochenarbeitszeiten von Selbstständigen. Auf diese Norm bezogen erhalten
beispielsweise Halbtags-Beschäftigte das Gewicht 0,5. Den marginal
Beschäftigten werden noch geringere Gewichte zugeordnet. Diese
Gewichte (sogenannte Arbeitszeitfaktoren) unterscheiden sich nach
der Stellung im Beruf, Wirtschaftszweigen sowie nach West-/OstGroßraumregionen und Jahren. Dabei zeigt sich beim Indikator
Vollzeitäquivalente ein deutlicher Rückgang. Bezogen auf 100
Erwerbstätige nahmen die Vollzeitäquivalente nach vorläufigen
Berechnungen um 7,0 % von 1999 bis 2008 ab. Kamen im Jahr
1999 auf 100 Erwerbstätige noch 91,3 Vollzeitäquivalente, betrug
2008 die Zahl nur noch 84,9.
Auch der Indikator Arbeitsvolumen verdeutlicht die Entwicklung.
Dabei wird die tatsächlich geleistete Arbeitszeit aller Erwerbstätigen
ausgewiesen, wodurch der Umfang der erbrachten Arbeit berücksichtigt wird. Zur Berechnung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit
werden kalendermäßige Vorgaben (gesetzliche Feiertage), tarifliche
Regelungen (tarifliche Arbeitszeit, tarifliche Urlaubstage), konjunkturelle Einflüsse (Kurzarbeit, bezahlte Überstunden), Krankenstand,
Ausfälle durch Schlechtwetter und Arbeitskampf, Mehrfachbeschäftigungen, Teilzeitbeschäftigung (einschließlich geringfügige
Beschäftigung) sowie Elternzeit und Altersteilzeit berücksichtigt.
Ergebnisse liegen hierzu ab 1998 vor. Insgesamt sank das
Arbeitsvolumen der Erwerbstätigen von 1998 bis 2009 um 328,8
Millionen auf 1 444,3 Millionen Stunden, das entspricht einem
Rückgang um 18,5 %. Je Erwerbstätigen sank die durchschnittliche
jährliche Arbeitzeit von 1998 bis 2009 von 1 617 Sunden auf 1•430
Stunden, das entspricht einem Rückgang um 187 Stunden oder 11,6 %.
Bei den Arbeitnehmern fiel der Rückgang noch kräftiger aus. Hier
sank die Zahl um 20,4 % oder 321,2 Millionen auf 1•256,2 Millionen
Stunden. Je Arbeitnehmer nahm sie damit von 1 559 auf 1•368
Stunden ab, das sind 192 Stunden oder 12,3 % weniger. Auch hier
zeigen sich die Auswirkungen des Wandels der Erwerbsformen
deutlich, da die marginal Beschäftigten und die Teilzeitbeschäftigten
weniger Arbeitsstunden leisten und ihr Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumen damit geringer ausfällt.
Wie dieser Aufsatz gezeigt hat, hat der Wandel der Erwerbsformen
nicht nur Konsequenzen für die Beurteilung der zahlenmäßigen und
strukturellen Arbeitmarktentwicklung. Er hat auch erhebliche
Auswirkungen auf andere Indikatoren der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen, wie beispielsweise auf die Produktivitätskennziffern. Damit ist eine detaillierte Beobachtung und Analyse
des Arbeitsmarktes unverzichtbar geworden.
2) siehe hierzu: Aufsatz „Zur Methode und Interpretation der Indikatoren der Erwerbstätigkeit“ in der Gemeinschaftsveröffentlichung des Arbeitskreises
„Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder“ im Auftrag der Statistischen Ämter der Länder „Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten in den kreisfreien
Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1999 bis 2008“ Reihe 2, Band 3
Statistisches Monatsheft 09/2010, Statistisches Landesamt Sachsen -Anhalt
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Notizen
Statistisches Monatsheft 09/2010 Statistisches Landesamt Sachsen -Anhalt