Wenig Zeit, um Vermögen zu schaffen

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Wenig Zeit, um Vermögen zu schaffen
Montagsinterview
Montag, 9. Januar 2012 | az
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Die Degen-Zwillinge Die Nationalspieler über ihr Geschäftsleben neben und nach dem Fussball
«Wenig Zeit, um Vermögen zu schaffen»
Investitionen in Start-ups sind mit hohem Risiko verbunden, wir sind uns
dessen sehr wohl bewusst. Deshalb
achten wir genau darauf, dass wir gut
diversifizieren und ein grosser Teil unseres Geldes konservativ, werterhaltend angelegt ist. Ebenfalls ist es für
uns wichtig, dass wir auf qualifizierte,
erfahrene, unabhängige Experten zurückgreifen. Wir delegieren keine Entscheide, aber wir ziehen Fachleute
bei, um uns eine Meinung zu bilden.
VON CHRISTIAN DORER
UND SEBASTIAN WENDEL
David Degen sitzt bereits in der
Lounge des «Mövenpicks» Egerkingen
und trinkt einen Latte macchiato. Er
entschuldigt sich für seinen Bruder
Philipp: «Er kommt gleich, hatte
noch was zu erledigen.» Als dann der
eine halbe Stunde jüngere Zwillingsbruder Platz nimmt, wird er von der
Bedienung nach seinem Getränkewunsch gefragt. Philipp blickt zu David und bestellt dann mit Überzeugung: einen Latte macchiato.
Wenn man viel Geld hat wie ihr, ist
das einfacher.
David: Nein, wieso? Als Sportler haben wir einen sehr kurzen Zeithorizont, um Vermögen zu schaffen.
Wenn wir aufhören, Fussball zu spielen, beginnt für viele unserer Freun-
Egerkingen liegt in der Mitte zwischen Bern und Basel, wo ihr Fussball spielt. Wann kann man euch
beide wieder in Basel treffen?
David (lacht): Ist das eine Anspielung? Basel ist meine Heimat, meine
Familie, meine Kollegen wohnen
dort. Seit Philipp wieder beim FC Basel spielt, ist Basel natürlich noch
wichtiger geworden für mich …
«Viele Fussballer
machen sich
zu wenig Gedanken
über das Nachher.»
Philipp, machen Sie sich beim FC
Basel für David stark?
Philipp: Ich mache mich immer für
David stark, egal wo.
David: Ich fühle mich in Bern wohl,
sehne mich aber nach mehr Erfolgen. Und ja: Philipp und ich wollen
vor unserem Karriereende unbedingt
nochmals zusammen spielen.
de in der Wirtschaft diejenige Zeit, in
der sie die höchsten Einkommen ihrer Karriere erzielen. Das ist bei uns
anders. Wir müssen schauen, dass
wir nach Abschluss der Karriere über
Reserven verfügen.
Wie sind im Geschäftsleben eure
Rollen verteilt?
Philipp: David ist von uns beiden
eher der Macher, er packt an und ist
akribisch. Das schätze ich so an ihm,
er geht nah ran.
David: Philipp hat enorme Menschenkenntnisse. Er ist der Netzwerker, der Kontakte herstellt.
Gibt es überhaupt einen Trainer,
der euch im Doppelpack aushält?
David: Was heisst da aushält? Wir
sind ehrlich und sagen immer unsere
Meinung. Das macht uns tatsächlich
nicht gerade pflegeleicht. Aber wir
«Euphorisch und ein
wenig extrovertiert zu
sein heisst nicht,
dass man naiv ist.»
haben mittlerweile die Welt gesehen,
Leute kennen gelernt und Erfahrungen gesammelt. Wir sind reifer geworden: Wir wissen genau, was unser Job ist und wie wir uns verhalten
müssen. Wir überlegen jetzt zweimal, bevor wir etwas sagen, haben
aber immer den Erfolg im Fokus.
Philipp: Euphorisch und ein wenig
extrovertiert zu sein heisst nicht, dass
man naiv ist. Wir sind uns unserer
Verantwortung heute mehr bewusst.
Wohnt ihr seit Philipps Rückkehr
in die Schweiz wieder zusammen?
Beide: Ja.
Ihr habt mal gesagt: «Wir leben seit
28 Jahren wie in einer Ehe.» Wie hat
diese Ehe die räumliche Distanz
überstanden?
Philipp: Wir haben sie nur noch am
Telefon geführt, aber gedanklich sind
wir immer sehr nahe beieinander.
Also eine Fernbeziehung?
David: Man kann es so nennen. Aber
gelitten hat unser Verhältnis nicht.
Dass wir ins Ausland gegangen sind,
war das Beste, was uns passieren
konnte, und das hat uns sehr viel
weitergebracht.
Philipp: Ich sage jedem jungen Spieler: Geh ins Ausland, wenn du die
Chance hast. Das ist eine Lebensschule. Zurück kann man immer.
Ist die Bindung zwischen Zwillingen die engste, die zwischen zwei
Menschen bestehen kann?
Philipp: Absolut. Ich kann seine Gedanken lesen, er meine. Wir sind mit
zwei anderen Zwillingsbrüdern befreundet, die ticken genau gleich wie
wir. Wir müssen immer lachen, wenn
ihnen das Gleiche passiert wie uns.
Philipp der Verwaltungsratspräsiden, David der CEO?
David: Ja, so könnte das aussehen.
Ich möchte jedenfalls irgendwann
noch ein MBA machen.
Alles identisch: David und Philipp Degen, die eineiigen Zwillinge und Fussball-Profis.
David: Oft kommt es vor, dass Philipp zum Beispiel einen Kollegen anruft. Und ich rufe fünf Minuten später denselben Kollegen an, obwohl
ich nichts davon wusste. Wir funktionieren intuitiv gleich. Oder wenn
Philipp Bauchweh hat, habe ich kurze Zeit später oft auch Bauchweh.
Was besprecht ihr nicht zusammen?
David (überlegt): Wenn überhaupt,
dann reden wir eher selten über
Frauen. Wir haben zwar den genau
gleichen Geschmack. Uns ist aber
wichtig, dass wir von einer Frau als
Individuum und nicht als Doppelpack wahrgenommen werden. Ich
habe zum Teil auch andere Kollegen
als Philipp. Wir sind zwar sehr eng
verbunden, aber trotzdem zwei eigenständige Persönlichkeiten.
Ihr seid auch gemeinsam geschäftlich aktiv. Bereitet ihr euch auf das
Leben nach dem Fussball vor?
David: Ich bin seit je interessiert daran, was es braucht, um eine Firma erfolgreich zu führen, und wie man Geschäftsmodelle
entwickelt.
Wie
agiert ein Unternehmer, was macht
er? Mittlerweile habe ich ein gutes
Netzwerk und will jeden Tag von diesen Leuten lernen.
Philipp: Als Fussballer verdienen wir
gutes Geld. Unser Beruf ist ein Privileg. Aber jeder Fussballer ist selber
verantwortlich dafür, was nach sei-
Die Degen-Zwillinge
Philipp und David Degen kommen
am 15. Februar 1983 in Liestal zur
Welt. Bis 2000 spielen sie in der Jugend des FC Basel, ehe David zum
FC Aarau wechselt. 2003 kehrt er zurück nach Basel, worauf zwei gemeinsame Saisons mit dem Gewinn
des Schweizer-Meister-Titels folgen.
2005 wechselt Philipp nach Dortmund, 2006 folgt David nach Mönchengladbach. Während Davids Auslandkarriere nur eine Saison dauert,
zieht es Philipp 2008 nach Liverpool,
später nach Stuttgart. Seit November
steht er wieder beim FC Basel unter
Vertrag. David steht in seiner vierten
Saison bei den Berner Young Boys.
Beide sind Nationalspieler (Philipp 32
Spiele, David 16 Spiele) und wohnen
seit kurzem in der Region Zürich.
ner Karriere kommt. Viele machen
sich zu wenig Gedanken über das
Nachher, und dann stehen sie eines
Tages plötzlich vor dem Nichts. Uns
wird das nicht passieren.
David: In unserer Jugend zählte nur
Fussball, wir haben auf vieles verzichtet, um Profis zu werden. Jetzt
sind wir 28 und müssen uns über
den nächsten Abschnitt im Leben Gedanken machen und diesen zweiten
Berufsabschnitt sauber planen.
CHRIS ISELI
Was für Geschäfte macht ihr?
David: Wir sind im Immobilien- und
Internet-Bereich tätig. Das neuste
Projekt heisst Cresqo. Im Moment
herrscht im Internet ein Schnäppchen-Hype. Unser Projekt zielt genau
auf das Gegenteil ab – Nachhaltigkeit. Das funktioniert so: Der Kunde
kauft bei Cresqo ein Produkt, bucht
ein Hotel oder Restaurant. Im Gegenzug erhält er Cresqo-Punkte, eine Art
eigene Währung. Damit kann er
dann wiederum Produkte kaufen
oder sie bei den Partnern einlösen.
Ein Cresqo ist ein Franken wert.
Rabattsysteme gibt es schon viele . . .
David: Es ist eben kein Rabattsystem,
weil wir die Preise nicht kaputtmachen. In dieser Form ist das absolut
neu. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dieses Projekt mittelfristig
eine grössere Sache wird. Der Kunde
bekommt etwas, das er sonst nicht bekommt, und erst noch kostenlos.
Philipp: Ob es wirklich hinhaut, wissen wir jetzt noch nicht – da muss
man ehrlich sein. Aber man muss
doch an das glauben, was man tut.
Wer, wenn nicht wir Initianten? Das
ist Unternehmerspirit!
Als Fussball-Profis verdient ihr viel
Geld. Das Risiko ist hoch, dass ihr
es wieder in den Sand setzt.
David: Wenn man etwas aufbaut, ist
immer ein Risiko dabei. Insbesondere
Hat man als Fussballprofi eigentlich genug Zeit für solche Geschäfte nebenher?
David: Momentan ist unser Mittelpunkt der Fussball, ohne Wenn und
Aber. Doch warum sollten wir uns in
der trainingsfreien Zeit nicht mit der
Wirtschaft auseinandersetzen?
Philipp: Andere spielen Playstation
oder düsen mit dem Auto herum.
Wir haben halt andere Interessen.
Warum wollt ihr später nicht im
Fussballbusiness bleiben?
David: Also Trainer werde ich vermutlich nicht. Aber sag niemals nie.
Wir sind sehr ehrlich. Vielleicht
nicht die optimale Tugend für das
Fussballgeschäft. Abgesehen davon
wollen schon genug andere Trainer
werden. Oft, weil sie denken, das sei
der einfachste Weg.
Philipp: Der Fussball hat uns zu dem
gemacht, was wir sind. Spass am Fussball ist das oberste Gebot. Aber auch
in anderen Bereichen ist Spass das
Wichtigste. Ohne Spass kein Erfolg.
Ihr plant ein Internet-Portal, auf
dem sich Zwillinge daten sollen . . .
David: Wir sind überzeugt, dass das
ein grosses Bedürfnis ist. Wir selber
kennen interessanterweise nur sehr
wenige andere Zwillinge. Aber das
Hauptaugenmerk gilt nicht dem Daten. Die Zwillinge werden einen grossen Mehrwert erhalten.
Und dann hofft ihr, dass ihr zwei
Zwillingsschwestern kennen lernt,
die zu euch passen?
Philipp: Das wärs, ja! Andere Zwillinge verstehen nun mal am besten, wie
ich und Philipp ticken. Um eine Auswahl zu haben, müssen wir erst mal
dieses Portal starten (lacht).