viewpoint - Institutional Money

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George Dallas, Director, Corporate Governance
Mai 2011
„Schleichende Übernahmen“ in Deutschland: Verdientes Ende einer
inakzeptablen Praxis
Hintergrund
Im Oktober 2008 überraschte die Volkswagen-Aktie die Märkte mit einem
Kurssprung von fast 150% in nur zwei Tagen. Damit war VW – zumindest
vorübergehend – das teuerste Unternehmen der Welt. Allerdings hatte der
schlagartige Anstieg des Börsenwerts nichts mit dem tatsächlichen
Unternehmenswert von Volkswagen zu tun. Er war ausschließlich die Folge von
schweren Marktverzerrungen, ausgelöst durch umfangreiche nicht offengelegte
Derivatekäufe. Mit dieser auch als „schleichende Übernahme“ bekannten Praxis
hat die Porsche AG einen 74-prozentigen Anteil an VW erworben.
Bereits wenige Monate zuvor hatte diese wenig bekannte und sehr
technische Praxis Anleger verärgert, als das kleine Familienunternehmen
Schaeffler mit einem ähnlichen Modell die Übernahme des Reifenherstellers
Continental wagte. Derart listige Praktiken galten außerhalb Deutschlands
als Marktmissbrauch und wiesen nur zu deutlich auf eine in Deutschland
tolerierte Gesetzeslücke hin. Durch die heimlichen Derivatekäufe hatten
Porsche und Schaeffler hinter dem Rücken der Minderheitsaktionäre
enorme Anteile an ihren Wettbewerbern erworben und diese damit um ihr
Recht gebracht, ihre Aktien mit einem Kursaufschlag zu verkaufen.
F&C protestierte vehement und wandte sich unter anderem direkt an die
BaFin – leider ohne Erfolg. Allerdings siegte nach unermüdlichem
Engagement (auch gemeinsam mit anderen Investoren) am Ende die
Vernunft: Im April 2011 wurden schleichende Übernahmen vom Bundestag
untersagt – ein, wenn auch verspätetes, gutes Ende nach
zweieinhalbjährigen Bemühungen um eine Gesetzesänderung.
Was ist eine schleichende Übernahme?
Bei einer schleichenden Übernahme kann ein Investor, der eine feindliche
Übernahme plant, mit einer bestimmten Art von Derivatekontrakt (Option
mit Barausgleich) einen beachtlichen Teil eines Unternehmens erwerben,
ohne dies offenlegen zu müssen. Eigentlich muss ein Investor nach
deutschem Recht offenlegen, wenn er 3% oder mehr der
stimmberechtigten Aktien eines Unternehmens besitzt. Über die Hintertür
der Optionen mit Barausgleich ließ sich jedoch ein beachtlicher Einfluss
auf ein Unternehmen gewinnen, ohne dass die Offenlegungspflichten
griffen.1 So bediente sich Mitte 2008 die Schaeffler-Gruppe dieser
Technik, um einen 36-prozentigen Anteil an der Continental AG zu
erwerben – auch wenn der Deal am Ende scheiterte und das
Unternehmen innerhalb eines Jahres an den Rand des Abgrunds brachte.
Bereits kurz nach dem Übernahmeangebot von Schaeffler für Continental
und noch bevor ein Scheitern drohte, folgte Porsche mit seinem Erwerb
von 74% von Volkswagen. Anders als Schaeffler gelang es Porsche, die
Kontrolle über VW zu übernehmen und eine Fusion durchzusetzen. Sie
zwang Porsche später allerdings, unhaltbare Schulden zu machen, um
die Transaktion zu finanzieren. Am Ende wendete sich das Blatt und
Volkswagen übernahm die Kontrolle über Porsche.
Warum ist das schlecht für Investoren?
Die Information über den Erwerb eines größeren Anteils an einem
Unternehmen gilt als ein Grundrecht der Aktionäre, insbesondere wenn
der Bieter eine Mehrheitsbeteiligung anstrebt. Dann steigt üblicherweise
der Aktienkurs − häufig sogar sehr stark. Dies spiegelt den Mehrwert
wider, den ein Unternehmen für die übernehmende Partei hat.
Wenn aber wie bei einer schleichenden Übernahme der schrittweise
Aufbau einer Mehrheitsbeteiligung nicht offengelegt wird, verlieren
Minderheitsaktionäre ihren Anteil am Unternehmen, ohne von einem
höheren Aktienkurs zu profitieren. Genau genommen ist dies nichts
anderes als die Übertragung von Vermögen der Minderheitsaktionäre an
das übernehmende Unternehmen. Da dies ohne Wissen und
Zustimmung der Minderheitsaktionäre geschieht, kann ein solches
Verfahren als unrechtmäßig betrachtet werden. Hinzu kommt, dass diese
Praxis dem heimlichen Bieter die Möglichkeit gibt, die Kontrolle über ein
Unternehmen zu übernehmen, ohne den Minderheitsaktionären
ausführlich erklärt zu haben, welche Ziele es mit der Übernahme verfolgt
und wie es sie finanziert. Und tatsächlich hatten die beiden nach diesem
Muster geplanten Übernahmen böse Folgen für die beiden Käufer
Schaeffler und Porsche.
1 Wie Eduardo Gallardo von der Kanzlei Gibson, Dunn & Crutcher LLP erläuterte, berechtigen Optionen mit Barausgleich ihren Besitzer nicht zum Kauf von Aktien,
sondern verbriefen lediglich das Recht auf einen Barausgleich. Aus wirtschaftlicher Sicht entspricht das Recht auf einen Barausgleich aber der Übernahme der
wirtschaftlichen Kontrolle. Vgl. hierzu Harvard Law School Forum on Corporate Governance and Financial Regulation, 1. März 2011:
http://blogs.law.harvard.edu/corpgov/2011/03/01/germany-to-ban-stealth-takeover-strategies/
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Intervention auf höchster Ebene: F&C
kontaktiert die Finanzmarktaufsicht
Die Antwort der BaFin: Niemals
aufgeben …
Wenn der Umgang eines Unternehmens mit den Minderheitsaktionären
zwar inakzeptabel ist, aber nicht gegen geltendes Recht verstößt, können
Investoren nur wenig tun. Es wird ihnen kaum gelingen, das Unternehmen
davon zu überzeugen, freiwillig Abstand von seinen Plänen zu nehmen –
insbesondere wenn es um so viel geht. Nach den Übernahmeangeboten
von Schaeffler und Porsche für Continental bzw. Volkswagen wandte sich
F&C mit seinem Protest direkt an die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und schickte Kopien ihrer Schreiben
an die Aufsichtsratsvorsitzenden der Bieterunternehmen sowie an Gerhard
Cromme, seinerzeit Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher
Corporate Governance Kodex.2 In unseren Briefen betonten wir, dass wir die
Rechtsmanipulation verurteilen; das Gesetz sei zwar den Buchstaben nach
befolgt, sein Geist aber verletzt worden. Wir warnten die Aufsichtsbehörde
vor den verheerenden Folgen, die ein solches Verhalten für die
Glaubwürdigkeit sowohl der deutschen Corporate Governance als auch
ihres Regelwerks haben würde.
Auf unser Schreiben an die BaFin vom August 2008 bekamen wir eine
halbherzige, aber klare Antwort: Die einzige Möglichkeit, schleichende
Übernahmen zu verhindern, sei eine Gesetzesänderung. Dabei machte uns
die BaFin wenig Hoffnung, dass der Gesetzgeber willens sein, auf die
Forderungen von F&C einzugehen. Nach dieser enttäuschenden Antwort
verstärkten wir unsere Bemühungen und schlossen uns 2008 mit anderen
Investoren zusammen. Wir wandten uns an den Bundesfinanzminister und
den Vorsitzenden des Finanzausschusses des Bundestags und forderten
gewählte Volksvertreter direkt zu einer Reform auf.
Außerdem wiesen wir die BaFin darauf hin, dass die Gesetzeslücke, die
schleichende Übernahmen ermöglicht, den Übernahmegesetzen und
Transparenzvorschriften anderer Industrieländer widerspräche, und
betonten, dass die Offenlegung direkten und indirekten Eigentums von
großer Bedeutung für die Minderheitsaktionäre sei. Insbesondere bat F&C
die BaFin, die Offenlegungspflichten in Deutschland kritisch zu prüfen und
sicherzustellen, dass sie sowohl für direkte Finanzbeteiligungen als auch für
indirekte Beteiligungen über Aktienoptionen oder andere Arten von
Derivaten gelten.
Erfreulicherweise zeigte sich der Bundestag im Februar 2011 von unseren
Argumenten überzeugt und brachte ein neues Gesetz auf den Weg, dass
die Gesetzeslücke schloss, die schleichende Übernahmen ermöglicht hatte.3
Am 18. März, fast drei Jahre nach dem unrühmlichen Fall Conti-Schaeffler
und der anschließenden Welle der Entrüstung, wurde das Gesetz auch vom
Bundesrat verabschiedet und trat durch die Unterschrift des
Bundespräsidenten im April 2011 in Kraft.4
Durch die Änderung entsprechen die deutschen Übernahmegesetze jetzt
den rechtlichen Vorschriften anderer Länder – ein Sieg für die
Minderheitsaktionäre nicht nur in Deutschland und ein Schritt nach vorn für
die deutsche Corporate Governance. Vor allem aber zeigt der Fall, dass es
Investoren gelingen kann, inakzeptable Praktiken durch konstruktives
Handeln zu beenden.
Gleichzeitig nutzte F&C sein Stimmrecht, um Unternehmen, die
schleichende Übernahmen durchführen, unseren Standpunkt klarzumachen.
Wir waren zwar weder an der Schaeffler-Gruppe noch an Porsche beteiligt,
hatten aber Aktien von Continental und Volkswagen. So haben wir also in
den entsprechenden Hauptversammlungen gegen die Entlastung der
Aufsichtsräte von Continental und Volkswagen gestimmt, wohl wissend,
dass in ihnen auch Vertreter von Schaeffler bzw. Porsche vertreten waren.
Nach der Stimmabgabe schickten wir Briefe an die Vorstandsvorsitzenden
von Continental und VW, in denen wir unsere Bedenken formulierten und
unser Abstimmungsverhalten ausführlicher begründeten.
2 Vgl. das Schreiben von F&C an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Thema Continental AG/Schaeffler-Gruppe aus dem August 2008:
http://www.fandc.com/FundNets_FileLibrary/File/Conti%20Schaeffer_FINAL.pdf
und den Brief von F&C an die BaFin zum Fall VW AG/Porsche AG aus dem Oktober 2008:
http://www.fundnets.net/fn_filelibrary//file/Letter%20to%20BaFin%20about%20German%20disclosure%20requirements%20relating%20to%20Porsche%20
AG’s%20stake%20in%20Volkswagen%20AG.pdf
3 Und zwar im Rahmen des „Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz”.
4 Insbesondere müssen jetzt auch Investoren in Finanzinstrumenten wie Optionen mit Barausgleich der BaFin melden, wenn ihr Anteil 3% des Aktienkapitals eines
Unternehmens erreicht. Im Falle eines Verstoßes können Bußgelder von bis zu 1 Mio. Euro erhoben werden.
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Sie haben gesagt:
Wir haben gesagt:
„Bitte beachten Sie, dass der Gesetzgeber darüber
entscheidet, ob ein Gesetz geändert werden muss,
insbesondere wenn es dabei um die deutschen
Offenlegungspflichten geht. (…) Es ist aber sehr
wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber dabei die
aktuellen und geplanten Vorschriften in Großbritannien
und Ihren freundlichen und konstruktiven Beitrag
berücksichtigt.“
„Wir möchten noch einmal unsere starken Vorbehalte
gegenüber der Art und Weise betonen, wie mit Hilfe von
Finanzinstrumenten erhebliche Anteile an deutschen
Unternehmen erworben werden können. Dies mag zwar
den Buchstaben der deutschen Gesetze entsprechen,
läuft unserer Ansicht nach aber dem Geist einer guten
Corporate Governance zuwider. Transparenz und
Offenlegung direkter und indirekter Beteiligungen sind
für die meisten Minderheitsaktionäre von
entscheidender Bedeutung.“
Brief der BAFin an F&C vom 16. September 2008 als Antwort auf
unseren Brief zur Schaeffler/Continental-Transaktion.
Brief von F&C an die BaFin vom 29. Oktober 2008 als Reaktion auf
die Porsche/Volkswagen-Transaktion.
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