Workers of the World – Unite!

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Workers of the World – Unite!
Fan-Szene
Alle Fotos: Ultras Hapoel
Derby gegen Erzrivalen Maccabi Tel Aviv (2004/05): „Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch!“
Workers of the World – Unite!
Auch in Israel findet durchaus europäisch geprägte Fankultur statt. Eine der größten
und aktivsten Gruppen sind die „Ultras Hapoel“ von Hapoel Tel Aviv. Neben dem Fußball-Support haben sie sich politische Aktivitäten auf die Fahnen geschrieben.
D
er Verein wurde 1923 vom Gewerkschaftsverband „Histadrut“
gegründet, „Hapoel“ bedeutet im
Hebräischen dann auch schlicht Arbeiter.
Diesem historischen linkspolitischen Hintergrund fühlen sich die Fans heutzutage
noch immer verpichtet. Hapoel zählt zu
den erfolgreichsten Vereinen des Landes,
hat bislang 13 Meisterschaften und zehn
Pokalsiege errungen, zudem 1969 die asiatische Clubmeisterschaft.
Nun gehört Israel aber zur UEFA, und
die bewegendste Saison im Europapokal
erlebten Fans und Verein in der Saison
2001/02, als Hapoel bis ins Viertelnale
des UEFA-Cups gelangte. Auf dem Weg
dorthin wurden unter anderem Gaziantepspor, FC Chelsea, Lok Moskau und der AC
Parma besiegt. Dann kam der AC Mailand,
den Hapoel im „Heimspiel“ auf Zypern,
wohin die UEFA die Partie aufgrund der
unruhigen Lage in Israel unter Protest verlegt hatte, mit 1:0 besiegte. Im Meazza-Sta92
dion folgte dann jedoch mit einem 2:0 für
Milan das Aus.
Aber diese Begegnung mit den italienischen Fangruppen bedeutete den endgültigen Beginn der Ultra-Kultur bei Hapoel.
Ein Meilenstein war schon das Erstrundenspiel in Gaziantep gewesen, denn von
der Reise in die Türkei brachten die Auswärtsfahrer sechs große Trommeln mit,
die seitdem den Sound der Kurve prägen.
Bereits zuvor waren im Stadion Instrumente erklungen, da bei hatte es sich allerdings zumeist um eine arabische Darbuka
gehandelt.
Das Gründungsjahr der „Ultras Hapoel“ ist ofziell 1999, denn da begann das
Ganze – unter dem Namen Hayezurim
(„The Creatures“). Damals aus Protest
gegen die Zustände in der Führung der
Hapoel-Basketballabteilung, die 1935 gegründet wurde und ebenfalls zu den Titelsammlern im Lande gehört. Die optische
und akustische Unterstützung des Basket-
ballteams ist auch heute noch ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten. Nach
kurzer Unterbrechung wurde die Gruppe
2001 wiederbelebt, damals unter dem Namen „Red Militia“, dies in Anlehnung an
die italienischen „Roten Brigaden“, bevor
sich dann in der besagten Europacup-Saison der Name „Ultras Hapoel“ durchsetzte. Ihr Logo bildet in Anlehnung an das
Vereinsemblem ein roter Teufel mit Hammer und Sichel, der als Tattoo die Haut
vieler Mitglieder ziert.
Die weiteren nennenswerten UltraGruppen in Israel sind „12 player 2000“
von Maccabi Tel Aviv und die „Green
Apes 02“ von Maccabi Haifa. Größter
Gegner von Hapoel ist der Stadtrivale
Maccabi, einerseits wegen der rechten
politischen Einstellung der Fans (die sich
zu allererst gegen Araber richtet), aber
auch aufgrund dessen Status als Verein
der Oberschicht und Liebling des ganzen
Landes. Die politische Ausrichtung der
Stadionwelt April/Mai 2006
Fan-Szene
Zeigen im Spiel gegen Beitar Jerusalem Flagge: die Ultras Hapoel
Saison 2004/2005: Im Abstiegsendspiel gegen Hapoel Beer-Sheva gelingt durch einen 3:0-Sieg gerade noch der
Klassenerhalt. Die Choreo forderte: „Kämpfe, Hapoel! – dies ist die Zeit, dies ist die Stunde!“
Fans von Beitar Jerusalem ist den Anhängern von Hapoel ebenfalls alles andere
als genehm. Bei den Duellen gegen diese
Rivalen kann es dann auch schon mal zu
Gewalttätigkeiten kommen, eine Hooligan-Szene im engeren Sinne gibt es hier
jedoch nicht.
Nicht umsonst haben die „Ultras Hapoel“ ihre bisher größte Aktion gegen
Rassismus im Stadion bei einer Begegnung mit Beitar Jerusalem gestartet. Sie
spannten zehn „Nein zu Rassismus“Transparente in zehn verschiedenen
Sprachen auf. Diese Aktionen haben auch
dazu geführt, das eine Gruppe HapoelFans der „Red Workers“ im vergangenen
Jahr zum antirassistischen Fanturnier des
„Fanladen St. Pauli“ eingeladen wurden
– wie auch in diesem Jahr wieder, und
sie wollen nach den überaus positiven
Erfahrungen des Vorjahres nun mit einer
größeren Ultra-Gruppe anreisen.
Weitere Verbindungen zu anderen
Fangruppen in Europa gibt es zu Fortuna
Düsseldorf, ebenfalls geknüpft beim Turnier auf St. Pauli, sowie zu Panathinaikos
Athen. Innerhalb Israels ist keine Rede
von Freundschaften, mit den „Green
Apes 02“ von Maccabi Haifa lief allerdings schon eine gemeinsame Protestaktion gegen Polizeigewalt.
Denn auch dieses hierzulande wohlbekannte Problem haben die HapoelUltras. Auslöser war der regelmäßige
Einsatz von auch in Israels Stadien streng
verbotener Pyrotechnik. Seit der Saison
2002/03 griff die Polizei dagegen durch,
installierte als erste Maßnahme Kameras in allen Stadien des Landes. Später
wurden dann Fans auf brutale Weise
festgenommen, meist sogar völlig Unschuldige, die mit dem Abbrennen der
bengalischen Feuer gar nichts zu tun
hatten. In den vergangenen zwei Jahren
wurde dann aufgrund dieser Vorfälle auf
Pyros verzichtet, der Protest gegen die
Polizeimaßnahmen ist allerdings noch
immer lebendig.
Neben der Website www.ultrashapoel.com gibt es auch ein Fanzine. Nach
dem Vorbild der Ultras von Maccabi Netanya, die hier die Vorreiter waren, geben
die „Ultras Hapoel“ das Magazin „Basa“
heraus. Das ist nicht nur das hebräische
Wort für Enttäuschung (alleine das Basketballteam kommt auf 20 Vize-Meisterschaften bei nur fünf Titeln), auch ist dies
der Name des ursprünglichen Stadions
des Clubs, in diesem Fall dann unter der
Bezeichnung „Bassa“, dem arabischen
Namen für Sumpf.
In einem solchen wird die Fanszene
von Hapoel sicher nicht stecken bleiben.
Dafür sind die hiesigen Ultras einfach zu
aktiv. ��
Thomas Glöy
Saisonauftakt 2005/2006 gegen Bney Yehuda
Stadionwelt April/Mai 2006
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