Jude Law: `I was a great champion of the human spirit

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Jude Law: `I was a great champion of the human spirit
Jude Law: 'Ich war ein großer Meister der menschlichen Stimmung. Das hatte
ich eine zeitlang verloren.'
Jude Law gehörte zur ersten Garde englischer Schauspieler. Aber mit dem Ruhm
entstand immenses Presseinteresse an seinem Privatleben. Jetzt, mit 38 Jahren, sagt er,
er freue sich auf 'seine produktivste Dekade' – die mit einer Aufführung im Westend
beginnt.
Carole Cadwalladr
guardian.co.uk, Samstag 30 Juli 2011 22.00 BST
Jude Law: ‘Ich werde mit Leuten in einen Topf geworfen, die Realityshows gewonnen haben und Köchen und
Prominenten, und ich sehe mich einfach nicht so’. Bild: Suki Dhanda für den Observer
Jude Law kan nicht über Telefon-Abhören sprechen. Sagt mir sein Pressemann vor dem
Interview. Und als ich in unserem Gespräch darauf komme – an dem Tag nach dem die
Murdochs und Rebekah Brooks ihre Zeugenaussagen vor dem Parlamentsausschuss
gemacht haben – grinst Law und hält die Finger über seine Lippen. "Ich kann nicht weil
ich einen Strafprozess laufen habe und der befindet sich in verschiedenen Phasen mit
verschiedenen Leuten, und ein Teil davon ist unter Verschluss, und sie haben
versprochen darüber zu schweigen wenn ich schweige, deshalb muss ich wirklich
vorsichtig sein. Aber glauben sie mir, ich habe trotzdem eine schreckliche Menge zu
sagen. Eine schreckliche Menge."
Aber dann kann er auch nicht nicht darüber sprechen, weil er genau im Mittelpunkt steht.
Der Höhepunkt der Abhöraffäre überlappte sich mit dem Höhepunkt des Jude LawPresserummels und er hat nicht einen Fall gegen News International laufen, sondern drei.
Es geht um eine Menge, nicht nur für ihn – seine Beziehungen zur Presse, speziell zu
News International, haben sein Leben in den vergangenen zehn Jahren zu einem großen
Teil sowohl bestimmt als auch beschränkt – es geht aber ebenfalls um eine Menge
hinsichtlich dessen, was mit Rupert Murdochs Medienimperium passiert. Die Verfahren
sind die Krux an der Sache.
Wir befinden uns in einem leeren Konferenzraum im Jerwood Space in Süd-London, wo
Law mitten in den Proben für sein neues Stück steckt, eine Wiederaufführung von Eugene
O'Neills Anna Christie. Es läuft in dieser Woche im Donmar Warehouse an, und sein Kopf
raucht davon: Es geht um eine haarige Liebesgeschichte, die im Jahr 1920 spielt,
zwischen einer Prostituierten und einem Schiffsheizer. "Ich stecke wirklich in der Welt
des Stücks," sagt er. "Im Wesentlichen stehe ich auf, gehe zur Probe, gehe nach Hause,
lerne Text, gehe ins Bett." Und schaut Nachrichten. Er ist das Zentrum des Dramas – er
spielt den Schiffsheizer, Mat Burke – aber, natürlich kann er gar nichts dagegen machen,
von dem anderen, spannenden Spektakel gebannt zu sein, das sich in den
Fernsehnachrichten abspielt. "Ich meine, natürlich schau ich es mir an, " sagt er, "Wer
tut das nicht?"
Ist doch ganz schön spannend, sage ich, oder?
"Es ist ein Film. Eine Szene aus einem Film."
Und ich sage, du hast deine Rolle schon gefunden, und meine natürlich, wenn es wirklich
ein Film wäre, könnt er sich ja einfach selbst spielen. Aber er geht nicht darauf ein.
"Meinst du James?" Aber dann bemerkt er seinen Fehler. "Oh! Du meinst mich? Oh Gott.
Ich kann gar nicht glauben was ich sage." Aber er wäre natürlich auch als James Murdoch
brillant. Ich bin nicht sicher warum ich nicht schon darauf gekommen bin. Er ist auf
Charaktere spezialisiert, die Kanten haben, eine etwas unsichere Undurchschaubarkeit,
und es gibt offensichtliche Obertöne seiner, selbstverständlich, immer noch bekannteste
Rolle – die Rolle, die ihn in das öffentliche Gedächtnis gebrannt hat in Anthony
Minghellas Der talentierte Mr. Ripley im Jahr 1999: der Erbe eines Werftvermögens,
Dickie Greenleaf. Es besteht mehr als eine entfernte Ähnlichkeit zwischen Dickie
Greenleaf und James Murdoch, nicht wahr, sage ich.
"Oh Gott," sagt er. "Ich muss wirklich aufpassen was ich hier sage."
Offensichtlich kribbelt es ihn darüber zu sprechen. Telefonabhören, Privatleben,
Eindringen der Presse – das sind Themen über die er lange und schwer nachgedacht hat,
weil er aber nicht ins Detail gehen kann, liefert er schließlich leicht kryptische Einzeiler.
"Es ist so," sagt er, "wir sind alle mit drin." Was meinst du? "Wir sind alle mit drin. Alle.
Das ist das Naheliegendste was ich sagen kann. Wir sind alle mit drin. Alle sind alle
beteiligt. Auf einem gewissen Grad denkst du darüber nach was passiert ist, und das wird
am Ende herauskommen. Ich glaube es ist einfach zu denken, dass Dinge besser werden
wenn wir denken 'Ah, jetzt ist es vorbei.' Oder: 'Es ist ihr Fehler.' Aber wir sind alle
beteiligt."
Ich frage, denkst du das ist erst der Anfang. "Ich hoffe es ist erst der Anfang." Und
wieder macht er diese Bewegung über seine Lippen. "Ich möchte mich nicht selbst
zitieren, darum zitiere ich einen anderen. Gestern gab es einen interessanten Gedanken
des Tages auf Radio 4. Ich hab mittendrin reingeschaltet, darum weiß ich nicht wer es
war, aber er sprach von Murdoch, dem es leidtut. Nein, nicht leidtut, er sagte dass er um
Sühne bat. Er fragte nach Vergebung. Und der Typ sagte, er ist noch nicht verurteilt. Er
hat bisher kein Recht darum zu bitten, denn wir müssen ihn noch verurteilen. Und um
Urteil geht es in der ganzen Sache. Sie verurteilen Leute. Diese Unterlagen haben Leute
verurteilt. Ich wurde verurteilt. Sie müssen alle noch verurteilt werden, und ich hoffe sie
sind darauf gefasst."
Er bezieht sich natürlich auf die Zeit, als er eine zeitlang die eine Hälfte des
glamourösesten Pärchens der Welt war, das Paar Jude Law-Sienna Miller, ein Geschenk
an Zeitungsmacher und Klatschmagazine überall. Er war der Oskar-nominierte,
gaunergesichtige Schauspieler (er war in der engeren Auswahl für seine Rollen in Der
talentierte Mr. Ripley und Mingellas nächsten Film, Cold Mountain), und Miller, deren
Gesicht eine Millionen Boho Kleider verkauft hat, war seine goldlockige Begleitung. Sie
schienen Schönheit und Talent zu verkörpern und einen leicht anrüchigen London-LA
Lifestyle aus dem Herzen von Primrose Hill-neben den Hollywood Hills, so lange bis News
of the World eine Story abdruckte, die detailliert berichtete, wie Law eine Affäre mit dem
Kindermädchen hatte und die Zeitungshölle brach aus. Miller verließ ihn. Law
entschuldigte sich öffentlich. Seifenoper folgte. Und gerade als es wieder abebbte, 2009,
berichtete eine andere Story in News of the World minutiös, er habe etwas mit einem
amerikanischen Model, Samantha Burke, die danach von ihm schwanger war.
Das sind offensichtlich keine Ereignisse auf die Law stolz ist, aber auch keine die etwas
mit seinem täglich Brot zu tun haben – Schauspielerei – und was das Telefonabhören
gemacht hat, sage ich, es hat das Konzept des Privaten in Frage gestellt. Wer genau ein
Recht auf Privatleben hat und was das heißt. "Nun, ich gebrauche noch einmal das Wort
Urteil. Es geht um jemanden der denkt, dass sie das Recht auf ein moralisches Urteil
haben, wenn a) es folgenlos bleibt. Ich werde nicht moralisch zurückurteilen und sagen:
'Gut, lass mich mal dein Leben anschauen.' Und b) ist das gesund? Für jeden der das
liest ... was ist mit jemandem der das liest und was Ähnliches gemacht hat. Denn das
gehört zum Leben dazu. Fäll keine moralischen Urteile. Gib mir einfach ein paar
Informationen. Und lass mich ihn Ruhe."
Jude Law aufgenommen am Jerwood Space in London. Bild: Suki Dhanda für den Observer
Das neue Stück, Anna Christie, ist Teil der letzten Saison des Regisseurs des Donmars,
Michael Grandage, der 2009 Law in Hamlet dirigierte, eine Rolle für die er in den Kritiken
gefeiert wurde und eine Olivier-Nominierung einbrachte. Er hat im Theater angefangen
und war lange bevor er ein internationaler Filmstar wurde ein erfolgreicher
Bühnenschauspieler: für seinen ersten Oliver wurde er (Bester Newcomer) für sein ersten
Westend-Stück nominiert, Les Parents Terribles (Die schrecklichen Eltern).
Ich frage mich ob er dieser Phase seines Lebens nachtrauert: Als er Erfolg ohne
weltweite Berühmtheit hatte. "Ich schau nicht wirklich zurück, wenn ich ehrlich bin. Ich
war immer jemand der im Hier und Jetzt lebt. Vielleicht weil mein Gedächtnis nicht so gut
ist, aber es scheint, dass ich dieses Leben, mein aktuelles Kapitel, schon wirklich lange
lebe, und ich erinnere mich nicht wirklich wie es vorher war. Das sitzt bei mir sehr tief.
Das womit ich jeden Tag zu tun habe."
Dieses Jahr kommt noch ein Haufen neuer Filme mit heraus, aber er wollte auch wieder
zum Theater zurück.
"Ich fand es immer noch toll wie ich den Hamlet gespielt habe und war darauf aus, den
Draht zum Theater zu behalten. Ich war wirklich aus dem Takt gekommen und hatte eine
Lücke von sieben Jahren und wollte das sollte nicht noch mal passieren."
Darum ist er zurück und obwohl Hamlet ein großer Triumph war, warf er durch die
Samantha Burke-Geschichte ihren Schatten darüber. ("Jude weiß, er war ein BardenJunge" war eine der Schlagzeilen 1), und dieses Mal ist es unvermeidbar, dass das
Abhören ein gewisses Licht wirft. Aber in dem Stück, sagt er, und speziell bei seiner
Rolle, geht es um Jugend und Erfahrung, Verlust der Unschuld und den Erwerb von
Wissen, Themen die ihm auch am Herzen liegen und ihn in den letzten Jahren viel
beschäftigt haben.
Seine 30-er (er ist jetzt 38) waren, in den guten Jahren, durchwachsen. "Ich glaube,
jeder geht in seinem Leben durch Kapitel und es gab eine Zeit, da ging es mir nicht
schrecklich gut mit dem was ich zum Film beitrug, oder dachte nicht, dass ich in die
Richtung gehe in die ich wollte und bewertete neu was ich tat. Ich war noch nie ein Fan
von bloßem Tun. Ich mag es, Dinge aus einem Grund zu tun."
Als junger Mann beschrieb er sich selbst als Idealist. "Ich war ein Optimist, ein großer
Meister der menschlichen Stimmung. Und das habe ich eine zeitlang verloren. Ich denke
ich habe in den letzten Jahren ein wenig davon wieder gewonnen aber es gab eine Phase
in meinem Leben, da hatte ich von den Leuten im Allgemeinen eine sehr schlechte
Meinung.
1
http://www.thesun.co.uk/sol/homepage/showbiz/bizarre/2564833/Jude-Law-knows-hes-been-a-Bard-boy.html
Was, sage ich? Jeder? Die ganze menschliche Rasse?
"Oh ja. Es hat mich einfach ein bisschen fertig gemacht was Leute so zu interessieren
scheint. Und auch was für die öffentliche Meinung für interessant hält. Das hatte mit
dem, was ich interessant finde und mich an Leuten fasziniert, nichts zu tun. Mir ging es
wie diesem Güllefass."
Und mitten in diesem Güllefass wartete die Klatschpresse. Es ist schwer zu übersehen
wie stark diese Erfahrung mit der Presse sein Leben verändert hat. Und wie stark,
potentiell, sein Leben jetzt die Presse beeinflussen könnte. Weil die drei Klagen, die er
gegen News International führt, zu den wichtigsten und schädlichsten gehören. Die Erste
klagt News of the World an, sein und das Telefon seiner Assistenz in New York 2003
angezapft zu haben: Der erste Fall des Vorwurfs der vorgetragen wird, auf
amerikanischem Boden begangen worden zu sein, was den Weg für eine Strafverfolgung
in den USA ebnen würde und gegebenenfalls Murdochs gesamtes NachrichtenUnternehmen in Amerika gefährdet. Ein anderer richtet sich gegen die Sun wegen
Abhören seines Telefons in den Jahren 2005 und 2006– als Rebekah Brooks
Herausgeberin war – und was darauf hindeutet, dass das Problem viel mehr umfasst als
nur die News of the World. Und der dritte gegen News of the World, was als Testfall für
das Zivilverfahren ausgewählt wurde und 30 öffentlichen Persönlichkeiten geführt wird.
Sein Fall wurde ausgewählt um herauszufinden wie hoch die Entscheidung in der
Befehlskette ging: Der Anwalt der Krone klagt an, es sei ein "leitender News of the World
- Angestellter" gewesen, der das Abhören von Laws Telefon autorisierte.
Aber es geht noch viel weiter. Beim Hören alter Mitschnitte finde ich ein Interview, dass
Jude Law dem Observer im Jahr 2003 gegeben hat, bevor irgendetwas ans Tageslicht
kam, in dem er erzählt wie er zwei Mal die Polizei zu dem Haus rief, in dem er mit seiner
Frau, Sadie Frost, und den Kindern lebte, was schließlich in der Zeitung landete. Und von
einer anderen Sache, als sein vorläufiges Urteil direkt vom Gericht zu einer britischen
Zeitung geschickt wurde "bevor es mir zugeschickt wurde". Es war, behauptete er, "das
Gericht und dann die Polizei, die die Stories verkauft haben, also wie soll man in so
einem Land leben und sich sicher fühlen?"
Ich lese ihm noch einmal vor was er gesagt hat und er nickt. "So ist es, ja. So ging es
mir. So ging es vielen Leuten in diesem Land jahrelang."
Du dachtest wirklich die Obrigkeit hat versagt? Das sie korrupt sei?
"Ja. Ehrlich. Das habe ich sicherlich gedacht. Mir wurde damals klar, dass gewisse Wege,
sogar die öffentlichsten, mit Sicherheit zu Medienberichten führen würden, also war man
allein in einer Situation, in der man nicht wusste wohin man gehen sollte. Ich habe
manchmal Szenen erlebt, da wurde ich verfolgt, ich wurde oft gestalkt, gegen meine
Persönlichkeitsrechte wurde verstoßen, und ich konnte nicht einmal zur Polizei gehen,
weil das in der Vergangenheit dazu geführt hatte, dass die Geschichten veröffentlicht
wurden.
"Nachdem ich das gesagt hatte, wurde ich auch richtig gut von der Polizei behandelt, wo
man wirklich respektvoll und hilfreich war, es handelt sich also ganz klar um Einzelfälle."
Aber das ist eine Grundsäule der Demokratie, sage ich, eine Polizei zu haben, der man
vertrauen kann...
"Scheint so, ja. Lustig, nicht wahr? Es geht bis an die Fundamente. Ich glaube immer
noch an die Demokratie unseres Parlaments. Auch wenn offensichtlich nichts davon
funktioniert hat. Aber ich glaube noch daran, ich muss. Ebenso würde ich, zum ersten
Mal seit langer Zeit, nirgendwo sonst leben wollen, auch wenn die Säulen unserer
Institutionen zu bröckeln scheinen. Ich habe mich lange Zeit unwohl in diesem Land
gefühlt, besonders in dieser Stadt, fühlte mich wirklich schikaniert und gejagt, und
hasste das wirklich.
"Und ich konnte nicht weg, weil meine Kinder hier aufwachsen und ihre Mutter hier lebt
und wir eine echt gute Vereinbarung haben, die besagt, dass das Sorgerecht vernünftig
fifty-fifty aufgeteilt ist, und wir leben nah beieinander, darum war ins Ausland ziehen
einfach unmöglich. Aber 2009 kam ich aus New York wieder – ich hatte dort drei Monate
mit den Kindern verbracht – und habe mich wieder total in London verliebt."
Was er getan hat, sagt er, war "einen Weg um das System herum zu finden". Es gab
einen Prozess der Neuverhandlung, einen Weg in der Stadt mit seinen Kindern zu sein –
Rafferty, 14, Iris, 10, und Rudy, 8 (er unterstützt auch Sophia, 22 Monate alt, seine
Tochter mit Samantha Burke in den USA). "Ich habe einen Hafen geschaffen, der für
mich und meine Familie funktioniert und Regeln ggf. missachtet. So gehe ich halt mit den
Dingen um. Indem ich das sage, ist es nicht mehr als wäre ich ein Gefangener im
eigenen Haus. Ich will auch keine rührselige Geschichte. Ich führe immer noch ein sehr
normales Leben mit meinen Kindern. Wir fahren Zug und Bus und das ist meistens der
beste Weg. Baust du eine Art psychologischer Blase um dich herum, denkt man du
suchst Ärger."
Es hört sich schon irgendwie so an, als hätte Law seine Midlife-Krise früh bewältigt. Aber
er war halt schon immer früh dran. Aufgewachsen in Blackheath, Süd-Ost-London, mit
seinen Lehrer-Eltern und einer älteren Schwester, ging er mit 12 an das erste Theater –
das National Youth Music Theatre2 – verließ die Schule mit 17 um seine ersten
Fernsehserien zu drehen, Families, und wurde mit 23 zum ersten Mal Vater.
"Leute sagen mir das oft [dass er früh dabei war]. Besonders Vater zu werden, aber so
habe ich’s eben gemacht. Das hat mich zu der Zeit nicht groß interessiert … Aber ich
denke wirklich, dass die Jahre zwischen vierzig und fünfzig die produktivsten zehn Jahre
meines Lebens werden. Es ist für einen Schauspieler einfach ein tolles Alter. Mit zwanzig
ist es ein bisschen wie ein Minenfeld, weil man all diese Ansprüche und Ideale hat. Nun,
hatte ich. Ich hatte alle diese Ansprüche und künstlerischen Ideen die ich erfüllen wollte.
Und dann wirst du zynisch. Und für mich waren meine dreißiger eine Bestandsaufnahme
darüber, was ich tue. Und meine vierziger und fünfziger, denke ich, werden eine
interessante Zeit. Ich möchte zurück in die Produktion, was ich schon ein wenig gemacht
habe, denn ich wollte schon immer Regie führen und meine Kinder sind alle in einem
Alter das mich nicht mehr unbedingt an London bindet."
Er war sich eine Zeit lang nicht einmal sicher ob er mit der Schauspielerei weitermachen
wollte. "Aber ich bin Vater und muss versorgen denn das ist mein Job." Er wurde nach
Jude the Obscure/dt. Im Dunkeln benannt ("meine Mutter liebte das Buch") und was er
mehr als alles andere wollte, war, von der Welt anerkannt werden "aber ich weiß nicht ob
das noch immer so ist. Bei mir war es so und ich denke jeder Darsteller, der sagt, dass
es bei ihm an bestimmten Punkten seiner Karriere nicht so wahr, flunkert wahrscheinlich.
Aber manchmal ist man, oder zumindest ich bin manchmal so, wo du denkst 'Oh Gott.
Was werden die Leute damit anfangen?' Das hat aber nichts damit zu tun warum du es
machst. Zumindest hatte es das sicherlich nicht als ich den Hamlet gab.
"Das es war das Tun worin die Leistung bestand. Es war eine sehr immense Erfahrung."
Als jüngerer Mann kämpfte Law dagegen durch sein Aussehen beurteilt zu werden. Mit
38, auch mit dem Muffelbart, den er sich für Anna Christie wachsen ließ, ist er
unwiderlegbar ein gutaussehender Kerl. Aber es steht ihm nun eine größere Auswahl an
Angeboten zur Verfügung: Er konnte aussehen wie der Hauptdarsteller einer Romanze,
aber sehnte sich immer nach den Charakterrollen. "Ich glaube einfach dass ich ein wenig
enttäuscht war, dass es das war was die Leute von mir wollten, wohingegen ich dachte
2
http://www.nymt.org.uk/
ich hätte eine ganze Menge anzubieten, also wollte ich Rollen aussuchen, die sich
dagegen richteten."
Mit dem Älterwerden kam so etwas wie Erleichterung. Seine neuen Filme die noch später
dieses Jahr erscheinen, inklusive Anna Karenina, mit einem neuen Skript von Tom
Stoppard, in dem er nicht den eleganten Vronsky gibt, sondern den gehörnten Karenin
neben Keira Knightley. Er ist auch wiedervereinigt mit Zweien aus der Besetzung von Der
talentierte Mr. Ripley – Matt Damon und Gwyneth Paltrow – in einem heiß erwarteten
Thriller von Steven Soderbergh um einen Killervirus, Contagion.
Und seine Rolle in Anna Christie ließ ihn auch über das Älterwerden nachdenken. "Ich
vermute es ist ein Teil davon schlauer zu werden. Zu wachsen. Es gibt eine interessante
Szene in dem Stück, in der meine Figur ihren Vater kritisiert, Chris, weil er das Meer
anklagt verantwortlich für sein elendes Leben zu sein, wohingegen Mat das Meer liebt,
das Meer ist alles. Du schweifst auf der Welt umher, sagt er, scherst dich nicht um
Landratten, und was du eigentlich zu hören bekommt, ist die Unschuldigkeit der Jugend.
Und was Chris passierte, ist dass ihm das Leben zustieß. Er hat seine Frau verloren, er
hat seine Brüder verloren, er hat seinen Vater verloren … das Leben wirkt sich auf uns
alle aus. Darum sehen wir nicht jünger aus wenn wir älter werden."
In Laws Fall wurde das Älterwerden durch eine eher erzwungene Aneignung von Wissen
begleitet. Es war ein langer, harter, öffentlicher Prozess, obwohl ich ein Interview gelesen
habe, in dem er das Waschen seiner Dreckwäsche in der Öffentlichkeit als irgendwie
"befreiend" beschrieb. "Also, was wirst du noch machen? Ich meine entweder zwingt man
dich in ein Loch oder du wirst ein Eremit, dann kannst du dich schämen. Oder du wirst
gehen, na dann, also gut, in Ordnung. Also was? Gut, Entschuldigung. Sage ich
Entschuldigung? Ich weiß es nicht. Mann sieht die Dinge in einem größeren Maß. Erzähl
mir nicht es gibt keinen, der etwas getan hat, was er nicht bereut, oder Dinge getan, die
er nicht hätte tun sollen. Oder verrückte Dinge. Oder verrückte Sachen gesagt. Das ist
das Leben, oder? Das ist es, was am Leben toll ist. Wir alle machen die Sachen die wir
nicht tun sollten. Und dann sagen wir, Ich tue es nie wieder. Ich meine, sei’s drum."
Der andere Effekt war der, dass er nicht nur vor der Presse und Interviews auf der Hut
war, sondern davor, über irgendetwas zu reden; sein Leben, seine Arbeit. "Ich möchte,
dass man mich nach meiner Arbeit beurteilt und bin ein wenig müde, dass man darüber
redet was ich trage oder nicht trage, wie meine Haare liegen oder mit wem ich gesehen
werde. Alles das. Jesus. Ich will das alles nicht. Ich will noch nicht einmal dass über mein
Spiel gesprochen wird, denn es sollte wohl für sich selbst sprechen." Er will noch nicht
einmal wirklich über die Fälle, die er unterstützt, sprechen.
Ich habe Law bei zwei Gelegenheiten schon früher getroffen, als er öffentlich machte,
dass er die Arbeit des Freien Theaters in Weißrussland 3 und seiner begabten Direktorin,
unserer gemeinsamen Freundin, der rasanten Natalia Kaladia 4 zu unterstützen. Beide
Male war er bemerkbar locker, war aufmerksam wenn er gefragt wurde und tat sein
Bestes um hilfreich zu sein, auf eine lobenswerte, zurückhaltende Art. Er wirkt einfach
nicht wie die erste Klasse-Prominenz, denn er "hasst das Wort Prominenz ... was heißt,
dass ich irgendeine Art Chaot bin, verrührt mit der Klasse Leute, die Realityshows
gewonnen haben und Köchen und Prominenten, denn ich sehe mich einfach nicht so. Ich
lade keine Leute in mein Haus ein und ich habe die Presse noch nie hofiert, außer wenn
ich über eine meiner Arbeiten erzähle. Und das tue ich oft. Ich habe gewöhnlich mit der
Presse über solche Dinge gesprochen und das finde ich inzwischen ganz schön schwer,
denn es gab sehr viel Zynismus. Warum rührst du deine Trommel über dies? Oder warum
verfolgst du das?"
3
4
http://dramaturg.org/?lang=en
http://chicagotheaterbeat.com/tag/natalia-kaladia/
Sein anderes großes Anliegen Peace One Day 5, eine Organisation die versucht den 21.
September zu einem weltweit anerkannten Friedenstag zu machen. So oder so ist es eine
ausgefallene, ambitionierte Idee, die sich ein Engländer Jeremy Gilley erträumt hat. Law
war einverstanden einen Video-Aufruf für Gilley zu machen, das war 2007, und fand sich
wieder auf der Reise mit ihm nach Afghanistan um auszuprobieren ob man einen
Waffenstillstand wirklich hinbekommt. Was für mich daran interessant ist, ist dass Law
bei all seiner Welt-Traurigkeit, seinem Gerede vom "Güllefass" und dem selbst
beschriebenen "Zynismus" der seine dreißiger markiert hat, dies nicht die Handlung eines
Zynikers ist. Zwei Wochen vorher, auf der TEDGlobal Konferenz in Edinburgh, hörte ich
Gilley darüber sprechen, wie er auf den Peace One Day gekommen war – eine groteske
Geschichte davon, wie er die Idee hatte "weil er sich hauptsächlich wirklich Gedanken
über die Menschlichkeit machte " und versucht hatte, die ganze Sache aus einem
Schlafzimmer im Haus seiner Mutter zu organisieren. Und wie er ein Jahrzehnt darum
gekämpft hat irgendjemanden dazu zu bringen, es überhaupt zu registrieren, bis er, will
sagen, es schaffte, dass Law sich engagierte.
Gilley ist ein Idealist. Ein Träumer durch und durch. Und um sich in seine Welt ziehen zu
lassen, sage ich, scheint es mir recht evident, dass man selbst auch etwas von einem
Träumer haben muss. Und in einem gewissen Sinn scheint der Trip Laws Rückkehr zu
sich selbst markiert zu haben. "Es ist interessant. Weil ich habe diese Stücke noch nie so
zusammen gesetzt," sagt er. "Aber ja." Und er ist geradezu stolz auf die Reise: 2007 hat
es Peace One Day geschafft einen eintägigen Waffenstillstand zwischen den Taliban und
UN-Kräften auszuhandeln und für 1,4 Millionen Kinder an diesem Tag die Impfung gegen
Polio in die Wege geleitet. Ein ähnliches Ergebnis erreichte man auch 2009.
Doch dann ist wieder vorsichtig. "Ich muss aufpassen. Ich will nicht zu hochtrabend s ein.
Es war auch so, dass die Zusammenarbeit mit Leuten in meinem Bereich die
Möglichkeiten, was du in der Schauspielerei machen kannst, ausgeleuchtet hat. Ich habe
gerade diese fantastische Erfahrung in Cannes gemacht, unglaubliche Filme aus der
ganzen Welt zu beurteilen. Da gab es große Kunstwerke und das hat mein Vertrauen in
das Medium komplett wiederhergestellt."
Sollte Afghanistan ein Wendepunkt in seinem Leben gewesen sein, ist die
Abhörgeschichte mit Sicherheit ein weiterer. "Ich glaube Leute werden von der
Öffentlichkeit gern als verhätschelt und verwöhnt beargwöhnt. Der Gedanke ist, was hast
du dich zu beschweren. Aber wenn man das mal hinterfragt, geht es um zentrale
Grundrechte und zentrale Belange des Datenschutzes. Das Argument dass 'Wir über dich
schreiben, also verdienst du mit uns Geld' ist einfach nicht wahr. Und was das Ganze
aufgewirbelt hat, war der öffentliche Aufschrei über den entsetzlichen Missbrauch von
Leuten durch verschärfte Mittel von Verzweiflung. Bisher ist es auf gewisse Art immer das
gleiche Problem, wenn in die Privatsphäre von Menschen eingedrungen wird. Und wenn
man den Spieß umdrehte und sagte 'Wie fändest du das, wenn man das mit dir machen
würde? würdest du in Wirklichkeit nichts tun. Denn am Ende ist es dein Leben in das man
eindringt, gebraucht um Artikel zu machen, nicht zu berichten, sondern zu machen."
Also, verursacht es eine Revolution, frage ich ihn, wie einige Leute vermuten? "Wir
müssen das abwarten und sehen, oder? Du weisst nie wann du mittendrin bist. Man kann
es nur später sagen." Und das gleiche gilt vielleicht auch für ihn. Man weiß nicht was die
Bilanz für sein Leben ist. Aber er könnte Recht haben – seine 40-er dürften seine besten
Jahre werden.
Anna Christie wird im Donmar Warehouse, London WC2 vom 4.August bis zum 8.Oktober
gespielt. Tickets: 0844 871 7624; www.donmarwarehouse.com
5
http://www.peaceoneday.org/en/welcome