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RUBRIK REIFENTEST R Praxistauglich? Die Vereinsfahrer des RVC Altenkunstadt sahen sich unsere Testreifen nicht nur genau an, sondern spulten auch Tausende Kilometer mit ihnen ab 38 TOUR 10/ O Der ideale Rennradreifen sollte pannensicher sein, lange halten, leicht rollen und in kritischen Situationen gut haften. Gibt es das? 18 Modelle von 10 Herstellern stellten sich dem größten Labor- und Praxistest der TOURGeschichte LL GUT 39 REIFENTEST TEXT UND FOTOS: MATTHIAS BORCHERS MITARBEIT: TOBIAS KRUG UND ROBERT KÜHNEN E in Reifen muss mindestens 5.000 Kilometer halten, besser noch eine ganze Saison!“, fordert Ralf Bornschlegel. Gerd Linke nickt und fügt hinzu: „Und am besten ohne Platten.“ Bornschlegel und Linke gehören zum Radsportverein RVC Altenkunstadt. Zusammen mit 30 weiteren Vereinsfahrern haben sie für TOUR insgesamt 80.000 Testkilometer auf die Reifenmodelle gespult und damit unsere Labortests mit dem größten Praxistest ergänzt, den TOUR je gemacht hat. Was die beiden Kilometersammler nach dem Test so lauthals gefordert haben, steht bei Rennradfahrern in der Wunschliste ganz oben, wenn es um den richtigen Reifen geht: Denn je län- KURZ & KNAPP Bei der Reifenentwicklung müssen die Hersteller immer Kompromisse eingehen. Generell rollen pannensichere Reifen weniger gut als pannenanfällige, und Langläufer mit harter Gummimischung haften in der Regel weniger gut. Am besten abgeschnitten in drei Kategorien hat Michelins „Pro2 Race“. Angebliche Spezialisten wie Hutchinsons „Top Speed“ oder Vittorias „Pro Rain“ halten dagegen nicht, was ihre Namen versprechen. Insgesamt ist das Angebot an guten, pannensicheren Allroundern breit gefächert. ger ein Reifen hält, desto geringer sind die Betriebskosten des Rennrades. Doch es ist nicht nur eine Kostenfrage: Pannen reduzieren die sowieso schon knappe Trainingszeit und stören besonders, wenn man mit einer Gruppe unterwegs ist. Neben Pannensicherheit und Laufleistung sind Kurvenhaftung und Rollwiderstand zwei weitere wichtige Eigenschaften, die einen guten von einem schlechten Reifen unterscheiden. Wie leicht oder schwer ein Reifen rollt, kann im Wettkampf schließlich über Sieg oder Niederlage entscheiden – und wie gut ein Reifen in der Kurve oder auf nasser Straße haftet, manchmal sogar über Leben oder Tod. Um es gleich vorweg zu nehmen: Den Reifen, der in allen Kategorien Bestnoten erreicht, gibt es nicht. Her40 TOUR 10/ 2005 steller müssen bei der Entwicklung immer Kompromisse eingehen. Wolf vorm Walde, Produktmanager bei Continental, spricht von so genannten Zielkonflikten: „Für einen verschleißfesten Reifen braucht man eine harte Gummi mischung, die abriebfest ist. Harter Gummi haftet jedoch nicht gut“. Der zweite Zielkonflikt besteht für die Hersteller darin, einen Reifen zu entwickeln, der sowohl einen geringen Rollwiderstand hat als auch pannensicher ist. „Pannenschutzlagen versteifen die Lauffläche, der Reifen ist weniger geschmeidig, der Rollwiderstand verschlechtert sich“, erklärt vorm Walde. Daher bieten Hersteller sowohl Allroundreifen an, die in sich ausgewogene Eigenschaften vereinen, als auch Spezialisten wie Trainingsreifen mit besonders hoher Laufleistung oder haftungsoptimierte Regenreifen. Der Grand Prix 3000 von Continental im Querschnitt nach 3.500 Kilometern: Deutlich zu erkennen ist die Reifenkonstruktion mit „Breaker“ und Lauffläche. Typisch ist die flach abgefahrene Lauffläche, die viele Fahrer kritisieren ROLLWIDERSTAND Es geht noch schneller Möglichst geringer Rollwiderstand ist wichtig im Wettkampf, wenn jedes Watt zählt. Zusammen mit dem Luftwiderstand bilden diese beiden Größen den Gesamtwiderstand von Mensch und Maschine. Dabei nimmt der Einfluss des Rollwiderstands am Gesamtwiderstand mit wachsender Geschwindigkeit ab, die Gewichtung verschiebt sich: Bei 10 km/h macht der Rollwiderstand 80 Prozent aus, der Luftwiderstand 20 Prozent. Bei 40 km/h ist das Verhältnis umgekehrt. Den Rollwiderstand aller 18 Reifenmodelle haben wir mit eigenem MessEquipment auf dem Rollenprüfstand bei Continental im hessischen Korbach ge- Von der Rolle: Auf dem Prüfstand offenbarten die Kandidaten ihren Rollwiderstand testet. Alle Reifen wurden mit identischem Schlauch und sieben Bar Druck auf das Prüf-Laufrad montiert. Dabei erzielten die drei Testreifen von Conti übrigens nicht die besten Ergebnisse. Leicht rollen Reifen mit Baumwollkarkasse, weil diese beim Walken des Reifens wenig Widerstand erzeugen. Auch eine harte Gummimischung mit hohem Rußanteil lässt den Reifen auf der Straße schneller rollen. Eine fehlende Pannenschutzlage verhindert, dass sich die Lauffläche versteift – auch das lässt Reifen leichter laufen. Gewonnen hat in dieser Disziplin Deda Tres „Giro d‘Italia“ mit klassischer Baumwollkarkasse und schneller Gummimischung – aber quasi ohne Pannenschutz, was dann im Sticheltest zum letzten Platz führte (siehe Grafik Seite 42). Was der unterschiedliche Rollwiderstand tatsächlich bringen kann, zeigt ein Rechenbeispiel: In einem flachen 40 Kilometer langen Zeitfahren in Aeroposition mit durchschnittlich 300 Watt Leistung ist der Fahrer mit Deda-Reifen 138 Sekunden früher im Ziel als mit dem am schlechtesten rollenden Hutchinson „Top Speed“. Der TOUR-Test, in dem alle Reifen auf diese entscheidenden Eigenschaften hin untersucht wurden, zeigt einen Querschnitt durch das Marktangebot. Die Auswahl der Reifen richtete sich nach Angebotsvielfalt und Marktpräsenz. Von Anbietern wie Continental, Hutchinson, Michelin, Schwalbe oder Vittoria sind zwei bis drei Modelle im Test. Andere Anbieter, wie Deda Tre, Panaracer, Pariba, Ritchey und Specialized, sind mit jeweils einem Modell vertreten. Unter den Kandidaten sind Klassiker wie Contis „Grand Prix 3000“ oder Schwalbes Modell „Stelvio“, aber auch völlige Neukonstruktionen wie der „Giro d‘Italia“ von Deda Tre und Spezialreifen wie der Regenreifen „Pro Rain“ von Vittoria. STICHELN, ROLLEN, RUTSCHEN Als erste Härteprüfung hatten die Reifen den TOUR-Sticheltest zu überstehen. Besonders gut schneiden dabei Reifen mit spezieller Pannenschutzlage ab, die sich meist aus einer oder mehreren Lagen Nylongewebe zusammensetzt, das unterhalb der Lauffläche mit einer Breite zwischen 10 und 20 Millimetern liegt. Reifen ohne diesen so genannten „Breaker“ bieten deutlich weniger Pannenschutz. Nimmt so ein Reifen während der Fahrt einen Fremdkörper auf, bohrt sich dieser normalerweise bis zum Schlauch durch, das Resultat ist ein Platten. Im Vergleich zu früheren Tests war das Ergebnis beim Sticheltest sehr positiv. Sieben Kandidaten hielten bis zum Testende stand. Zwei weitere Reifen verfehlten die Bestnote nur knapp. Lediglich dem „Giro d‘ Italia“ von Deda Tre ging bereits nach acht Sekunden die Luft aus. Auf dem Diagramm (Seite 42) ist gut zu erkennen, dass Reifen, die im Sticheltest versagen, auch bei den Testfahrten Pannen hatten. Die Rolleigenschaften haben wir mit TOUR-eigener Mess-Ausrüstung auf dem Rollenprüfstand von Continental überprüft – wobei die hauseigenen Produkte überraschend schlecht abschnitten. Offensichtlich optimiert Conti seine Reifen hauptsächlich in Richtung Pannensicherheit, jedoch nicht in punkto Rollwiderstand. Andreas Teichgräber von Michelin erklärt, dass es auch vom Aufbau der Karkasse abhängt, wie leicht oder Rutschpartie Bei maximaler Schräglage auf kurvenreicher Abfahrt oder auf nassem Asphalt kommt der Reifen an seine Haftungsgrenze. Je später diese erreicht wird, desto schneller kann der Radfahrer in eine Kurve fahren und desto länger dauert es, bis der Reifen wegrutscht. Will man die Kontrolle über das Rad behalten, ist vor allem die Haftung des Vorderreifens wichtig. Ein rutschendes Hinterrad lässt sich meist leichter wieder in die Spur dirigieren. Da so ein Test in der Praxis kaum ohne Schäden an Mensch und Material durchzuführen ist, kam der TOUR-Schleppmesswagen zum Einsatz: Dieser kann das Rad in Schräglage auf schwer ein Reifen rollt: „Unser Modell Pro2 Race hat eine Karkasse mit 127 Aramid-Fäden pro Zoll. Die sehr dünnen Fäden erzeugen in der Karkasse weniger Reibung im Vergleich zu einer geringeren Anzahl von dickeren Fäden“. Als einziger Hersteller im Test verwendet Deda Tre Baumwollfäden in der Karkasse. Eine Technik, die heute kaum noch Verwendung findet, weil die Reifenflanke dadurch anfällig für Schnittverletzungen ist, dafür aber leicht rollen soll. Beim Test auf dem Rollenprüfstand kristallisierten sich fünf Leistungsklassen heraus: Die breite Masse der Reifen rollt auf mittlerem Niveau, das heißt, rund 40 Watt Leistung muss der Fahrer bei Tempo 30 aufbringen, um allein den Rollwiderstand zu überwinden. Schlecht schnitten die Conti-Mo- nasser Fahrbahn in Intervallen bis zum Blockieren abbremsen. Bremskraft und Schlupf des Reifens werden elektronisch erfasst und aufbereitet zur Gleitreibungszahl. Je höher diese Zahl ist, desto mehr Grip entwickelt der Reifen auf der Straße. Im Ergebnis liegen die 18 Testkandidaten eng beieinander, zu den Siegern zählt erneut Schwalbes „Stelvio Evolution Front“ (siehe TOUR 3/2003). Der Spezialreifen erreicht die höchsten Werte – ebenso übrigens wie die Nichtspezialisten Panaracer „Stradius Pro“ und Continental „Ultra Gator Skin“. Sie alle bieten, zumindest theoretisch, die größten Reserven bei Kurvenfahrt und Regen. delle „Grand Prix 3000“ und „Grand Prix Attack/Force“ ab. Auch Hutchinsons Modell „Top Speed“ könnte man getrost in „Low Speed“ umtaufen. Leichtläufer für den Wettkampf sind allen voran der „Giro d‘Italia“ von Deda Tre, Vittorias „Open Corsa Evo CX“ und Michelins Top-Modell „Pro2 Race“. Im Extremfällen wie in schnellen Kurven und bei regennasser Fahrbahn sind aber nicht leichtläufige Reifen gefragt, sondern Sicherheitsreserven. Der Fahrer muss sich darauf verlassen können, dass der Reifen ausreichend Haftung bietet. Da bei Schräglage die Bürde der Haftung auf der Reifenschulter lastet, haben sich manche Hersteller einen besonderen Kniff überlegt: Anders als die Lauffläche in der Mitte statten viele ihren Reifen an TOUR 10/ 2005 41 REIFENTEST der Flanke mit einer weicheren Gummimischung aus, die den Grip erhöht. Einen Spezialisten für den kritischen Einsatzbereich hat Schwalbe im Sortiment: Der Hersteller verwendet beim Modell „Stelvio Evolution“ nicht nur besonders haftungsfähige Gummimischungen, sondern baut Vorder- und Hinterreifen auch unterschiedlich auf. Denn die Haftung des Vorderreifens ist noch ein Stück wichtiger als die des Hinterreifens (siehe Seite 41). Dass Schwalbe in diesem Punkt sein Klassenziel erreicht hat, zeigten unsere Messfahrten: Der „Stelvio Evolution Front“ bot in Kurven mit die meisten Sicherheitsreserven. Sehr gute Haftungswerte erreichten übrigens auch zwei Nicht-Spezialisten in dieser Disziplin: der „Stradius Pro“ von Panaracer und Contis „Ultra Gator Skin“. Bemerkenswert, dass letzterer besser se über die Montage, die Pannen und den Verschleiß der Reifen. Und ihre Erfahrungswerte boten eine wertvolle Ergänzung unserer eigenen Fahrund Testergebnisse. Zunächst einmal bestätigten sich die Ergebnisse des Sticheltests: Der im Vergleich zu früher insgesamt bessere Pannenschutz zeigte sich auch auf den über 80.000 Testkilometern: Es gab es nur sechs Platten. Bis auf eine Ausnahme versagten genau die Modelle, die schon im Sticheltest schlecht abgeschnitten hatten. Bei der Montage der Reifen wiederum hatten unsere Testfahrer kaum Probleme. Lediglich das Modell „Carbon“ von Michelin wurde bemängelt, weil es sich selbst mit Werkzeug kaum aufziehen ließ. Was den Verschleiß betrifft, so deckten sich die Erkenntnisse der Vereinskollegen mit unseren: Zwar wur- dabei abschnitt als der eigentlich von Conti für diesen Zweck gebaute „GP Attack/Force“. Ebenfalls enttäuschte der spezielle Regenreifen „Pro Rain“ von Vittoria gerade auf regennasser Fahrbahn. Abgesehen von diesen genannten Ausschlägen nach oben und unten, unterscheiden sich die Haftungseigenschaften aller untersuchten Reifen recht wenig. STRASSENLAGE Doch wie rollt es sich nun wirklich mit den Reifen? Wie bewähren sie sich im richtigen Leben? Um das herauszufinden, legten die Mitglieder des RSC Altenkunstadt für TOUR 80.000 Kilometer mit den Reifen zurück. Die Testkandidaten rollten über die Straßen Mallorcas, im heimatlichen Trainingrevier und in den Rennen. Die Vereinsfahrer sammelten Erkenntnis- Reifen-Ranking 2005 PANNENSCHUTZ – LABOR UND PRAXIS 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 0* 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 2 1 1 180 180 180 180 180 180 180 172 170 152 134 77 46 42 33 31 31 8 r e n n 0 2 in io ro ce ed talia on do CX ain Plus WCS Rea 00 sio arbo orc r Sk Ra Stelv pe on ius P oluti vo ium ro R ‘I o k t/ P3 n Fu /F 2 i o M C c m k n t v i o G d v P a E Top S iro d l l e s r a c n a o l a e s i e o r S k g b a P a r l a r t l G i r t s R F t t e r e t e o G S n a o . n n a S i n a l c i o h A C l r M e e w t o c t a o e P -W h er ne Tr rib in tch en Ul Vit walb ey R o Ev Mi ins ch Sc ed S arac lG nti Pa chel al i Hu Op utch Deda Mi Co i n nta ent ch tch telv oria liz a e i S M H a n P n i R i e S Vitt ec nt nti Sp Co Co alb hw c S Der Sticheltest gibt die Zeit wieder, die ein Reifen einem eindringenden Fremdkörper widersteht. Hält ein Reifen im Labor drei Minuten stand, wird der Test abgebrochen. Solche Reifen haben in der Praxis bei richtigem Luftdruck äußerst selten Defekt. Die meisten Reifen, die im Sticheltest innerhalb der ersten Minute kaputt gingen, hatten auch bei unseren Fahrtests je einmal einen Platten (der Vittoria Open Corsa Evo CX sogar zweimal), worauf das gelbe Symbol in der Grafik verweist. ROLLEISTUNG IN WATT 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 26,4 27,1 29,2 30,6 32,7 33,4 34,7 35,4 36,1 39,3 39,6 40,3 40,3 41,0 42,4 44,5 46,6 47,9 0 r e 2 X ia in ro on on lus Rea ion Skin Slick elvio ondo orce 3000 peed ac oC tal Ra um uti Carb ius P io P us t r S P /F e Ev ro2 R Pro d‘I mi evol nt/ on F v d l e S rks M tack a n ato Rac o lG a op ri o orsa i e r g P r l t ia R t G alb o nta on T o F hins ltra G CS he er St be S A C lin ittor n Me iba i e w e c W r e v i s P n h n T r W e V M in ch al tel Hutc tal U Sc ed S tal G onti eli Pa rac ey da Op Mi tch ch C n na Schw lbe S ch n iz De ia Mi Hu ne Pa ne ial a Rit or i i t c t t w t e n n h Vi Sp Co Co Sc 1* 42 Anzahl der Pannen im Praxistest auf 4.000 Kilometer TOUR 10/ 2005 Der Rollwiderstandsbeiwert eines Reifens ist für viele Radsportler eine schwer fassbare Größe. TOUR rechnet daher den Rollwiderstand in durch die Reifen verbrauchte Leistung um. Die Berechnung bezieht sich auf einen Radler, der mit einem Reifendruck von 7 Bar 30 km/h fährt und inklusive Rad 85 Kilo wiegt. Bei Reifensets wird dabei eine Gewichtsverteilung von 44 Prozent auf dem Vorderrad und 56 Prozent am Hinterrad angenommen. den die Reifen nicht bis zum völligen Verschleiß gefahren, doch ließen sich aus den jeweiligen Verschleißbildern drei Klassen ableiten, in die die Reifen einzuteilen sind. Besonders hohe Laufleistungen sind demnach von vier Modellen zu erwarten: Hutchinsons „Fusion“ und von allen drei MichelinReifen. Gute Nachrichten auch beim Thema Witterungsbeständigkeit: Um einen Eindruck zu bekommen, was vor allem UV-Strahlen den Reifen anhaben können, haben wir alle Testkandidaten mehr als vier Monate Wind und Wetter ausgesetzt. Das Ergebnis war erfreulich: Erstaunlich wenige Reifen zeigten Auflösungserscheinungen (siehe Kasten rechts). Am Ende bleibt dem Kunden die Qual der Wahl: Jeder der getesteten Reifen überzeugt mindestens in einer Kategorie, manche haben dagegen nur in einer Disziplin Schwächen. Daher ist man für Spezialeinsätze auch mit einigen der Spezialreifen gut bedient: Für den Wettkampf etwa mit dem „Giro d‘Italia“ von Deda Tre und dem „Open Corsa Evo CX“ von Vittoria, für regennasse Kurven mit dem Reifenpärchen „Stelvio Evolution“ von Schwalbe. Die Zielkonflikte bei der Reifenentwicklung gibt es zwar noch, doch einigen Herstellern sind richtig gute Kompromisse zwischen scheinbar unvereinbaren Eigenschaften gelungen: Wem etwa der Sicherheitsaspekt etwas wichtiger als der Leichtlauf ist, der trifft eine gute Wahl mit dem „Stradius Pro“ von Panaracer (Bestnote bei Haftung, gut in allen anderen Kategorien) oder dem „Ultra Gator Skin“ von Continental (Bestnoten bei Haftung und Pannensicherheit, gut bei Gewicht und Verschleiß, befriedigend beim Leichtlauf). Für alle, die leicht rollen und dennoch mittlere Sicherheit in Kurven wollen, ist der Testsieger wohl der Michelin „Pro2 Race“: Bestnoten in drei Kategorien (Verschleiß, Leichtlauf, Pannensicherheit) und befriedigend bei Gewicht und Haftung. Nur die Geräusche des Reifens waren für manchen gewöhnungsbedürftig. Das „Schmatzen“ und „Quietschen“, das der „Pro2 Race“ laut unserer Testfahrer in Kurven von sich gibt, sagt aber nichts über seine Qualität aus. Und die geringe Lautstärke eines Reifens stand auf der Wunschliste der Radsportler sowieso nicht ganz oben. Reifentest – Labor & Praxis 80.000 Kilometer – so viel Praxiserfahrung wie nie zuvor bei einem Reifentest sammelten für TOUR die Mitglieder des RSC Altenkunstadt. Ihre Erkenntnisse ergänzen die Resultate aus dem TOUR-Labor- und Fahrtests Bei Wind und Wetter: Alle Modelle verbrachten vier Monate auf dem Redaktionsdach Pannensicherheit: Beim bewährten TOUR-Sticheltest greift eine angespitzte Schraubendreherklinge mit definiertem Druck und 20 Schwingungen pro Sekunde die Lauffläche des Reifens an. Bleibt der Reifen unverletzt, wird der Test nach spätestens 180 Sekunden abgebrochen. Positiv: 7 von 18 Reifen hielten dem Meißel über die volle Zeit von drei Minuten stand, zwei erreichten 172 bzw. 170 Sekunden. Beim Test in TOUR 9/98 bestanden lediglich 3 von 14 Reifen, beim Test im Februar 2001 immerhin 4 von 9 getesteten Modellen. Die Praxiserfahrungen bestätigen die Tests plausibel: Reifen, die im Labortest unter dem Meißel am schnellsten kapitulierten, hatten auch auf der Straße am ehesten einen Platten. Montage: Ein „leicht“ zu montierender Reifen lässt sich ohne Werkzeug, ein Reifen mit der Note „mittel“ von erfahrenen Monteuren noch ohne Montierhebel, und ein „schwer“ zu montierender Reifen lediglich mit Werkzeug montieren. Die Reifen von Conti und Schwalbe bestätigten ihren Ruf als montagefreundliche Pneus, während man sich am Modell „Carbon“ von Michelin schon mal die Finger verbiegen kann. Deutlich verbessert zeigte sich das Modell „Pro2 Race“ aus gleichem Hause in dieser Disziplin. Verschleiß: Die Laufleistung des jeweiligen Reifenmodells haben wir in drei Klassen unterteilt. Als Bezugspunkt diente der von Rennradlern viel gefahrene Reifen, Contis Grand Prix 3000, der als Hinterreifen durchschnittlich 3.500 Kilometern erreicht – was einer guten Bewertung entspricht. Ausgehend davon haben wir Reifen mit höherer Laufleistung aufgewertet. Mit in die Bewertung eingeflossen sind auch die Ergebnisse unseres viermonatigen UV-Tests (siehe Bilder oben und unten), der bei einigen Reifen deutliche Spuren hinterließ. Zwei Reifen nach vier Monaten Aufenthalt im Freien: Bei Schwalbes Stelvio Plus (links) bildeten sich tiefe Risse in Lauffläche und Flanke. Contis GP Attack/Force (rechts) blichen aus, während schwarze Reifen durch die UV-Strahlung nicht heller wurden TOUR 10/ 2005 43 BEWERTUNG MESSWERTE BEWERTUNG MESSWERTE REIFENTEST HERSTELLER Typ Preis Vertrieb Telefon www. gemittelte Breite gemitteltes Gewicht1) Stechzeit Reibwert2) Rollwiderstandsbeiwert Rollleistung3) Gewicht Verschleiß Leichtlauf Haftung Pannensicherheit Montage HERSTELLER Typ Preis Vertrieb Telefon www. gemittelte Breite gemitteltes Gewicht1) Stechzeit Reibwert2) Rollwiderstandsbeiwert Rollleistung3) Gewicht Verschleiß Leichtlauf Haftung Pannensicherheit Montage CONTINENTAL CONTINENTAL CONTINENTAL DEDA TRE Grand Prix Attack/Force Set 70 Euro Continental 0 56 31/58 11 79 conti.de 23,0 Millimeter 200/212 Gramm 180 Sekunden 0,47/0,43 0,0073/0,0057* 44,5/59,3/74,1 Watt* Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel Grand Prix 3000 31 Euro Continental 0 56 31/58 11 79 conti.de 22,5 Millimeter 220 Gramm 180 Sekunden 0,45 0,0067 46,6/62,1/77,6 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q einfach Ultra Gator Skin 32 Euro Continental 0 56 31/58 11 79 conti.de 22,5 Millimeter 215 Gramm 180 Sekunden 0,50 0,0058 40,3/53,7/67,2 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q einfach Giro d‘Italia 40 Euro Stier GmbH 07 11/61 88 01 dedatre.com 24,0 Millimeter 236 Gramm 8 Sekunden 0,44 0,0038 26,4/35,2/44,0 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel PANARACER PARIBA RITCHEY SCHWALBE Stradius Pro 32 Euro Wiener Bike Parts 0 97 21/6 50 10 bike-parts.de 22,5 Millimeter 214 Gramm 170 Sekunden 0,50 0,0051 35,4/47,3/59,1 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel Revolution 30 Euro Grofa 0 64 34/20 08-0 grofa.com 21,5 Millimeter 211 Gramm 152 Sekunden 0,46 0,0048 33,4/44,5/55,6 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q einfach Pro Race Slick WCS 32 Euro Cosmic Sports 09 11/31 07 55-0 cosmicsports.de 22,0 Millimeter 252 Gramm 42 Sekunden 0,46 0,0058 40,3/53,7/67,2 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel Stelvio Ev. Front/Rear Set 70 Euro Bohle GmbH 0 22 65/1 09-0 schwalbe.com 23,0/23,0 Millimeter 241 Gramm 33 Sekunden 0,50/0,49 0,0056/0,0057* 39,3/52,4/65,5 Watt* Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q einfach 1) Durchschnittsgewicht von je vier Reifen eines Modells *Mittelwert aus Vorder- und Hinterreifen 44 TOUR 10/ 2005 2) Gleitreibung; je höher die Zahl, desto besser 3) bezogen auf 7 Bar Reifendruck und ein Systemgewicht von 85 Kilo bei 30/40/50 km/h HUTCHINSON HUTCHINSON MICHELIN MICHELIN MICHELIN Fusion 36 Euro Raco GmbH 03 62 03/6 14 44 hutchinson.fr/tires 22,5 Millimeter 217 Gramm 180 Sekunden 0,45 0,0057 39,6/52,8/66,0 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q einfach Top Speed 22 Euro Raco GmbH 03 62 03/6 14 44 hutchinson.fr/tires 22,5 Millimeter 208 Gramm 31 Sekunden 0,45 0,0069 47,9/63,9/79,9 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel Carbon 32 Euro Paul Lange Group 07 11/25 88-02 michelin-fahrrad.de 23,0 Millimeter 241 Gramm 180 Sekunden 0,46 0,0050 34,7/46,3/57,9 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q schwer Megamium 2 25 Euro Paul Lange Group 07 11/25 88-02 michelin-fahrrad.de 23,0 Millimeter 257 Gramm 134 Sekunden 0,45 0,0047 32,7/43,5/54,4 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel Pro 2 Race 38 Euro Paul Lange Group 07 11/25 88-02 michelin-fahrrad.de 23,0 Millimeter 223 Gramm 180 Sekunden 0,45 0,0042 29,2/38,9/48,6 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel SCHWALBE SCHWALBE SPECIALIZED VITTORIA VITTORIA Stelvio 30 Euro Bohle GmbH 0 22 65/1 09-0 schwalbe.com 22,5 Millimeter 223 Gramm 180 Sekunden 0,43 0,0059 41,0/54,7/68,3 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q einfach Stelvio Plus 34 Euro Bohle GmbH 0 22 65/1 09-0 schwalbe.com 22,5 Millimeter 332 Gramm 46 Sekunden 0,48 0,0052 36,1/48,2/60,2 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel S-Works Mondo 35 Euro Specialized Europe 00 31/3 14 67 66 00 specialized.com 22,5 Millimeter 227 Gramm 172 Sekunden 0,44 0,0061 42,4/56,5/70,6 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel Open Corsa Evo CX 42 Euro Hanrahan-Industrievertret. 08 21/52 25 71 vittoria.com 23,5 Millimeter 229 Gramm 31 Sekunden 0,45 0,0039 27,1/36,1/45,2 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q einfach Diamante Pro Rain 36 Euro Hanrahan-Industrievertret. 08 21/52 25 71 vittoria.com 22,5Millimeter 201 Gramm 77 Sekunden 0,43 0,0044 30,6/40,8/51,0 Watt Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q mittel Q Q Q Q Q sehr gut Q Q Q Q Q gut Q Q Q Q Q befriedigend Q Q Q Q Q ausreichend Q Q Q Q Q nicht zeitgemäß TOUR 10/ 2005 45