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Frankfurter Allgemeine Zeitung - de
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Tageszeitung
21.06.2016
13
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Neue Akzente: Ina Hartwig soll Kulturdezernentin in Frankfurt werden – S. 16
KULTUR
MONTAG, 20. JUNI 2016 / NR. 22 793
WWW.TAGESSPIEGEL.DE/KULTUR
SEITE 15
Und ewig lockt
der Ludwig
Zauberin
und
Liebende
Frederik Hanssen weiß, wen die
Philharmoniker am liebsten spielen
I
Foto: dpa/picture-alliance
n der aktuellen Ausgabe von „128“,
dem Magazin der Berliner Philharmoniker, findet sich eine interessante
Statistik. Eine Grafik zeigt jene Werke,
die das Orchester seit seiner Gründung
vor 134 Jahren am häufigsten gespielt
hat. Dominiert werden diese Top 20 dabei von zwei Namen: Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms.
Mit 373 Aufführungen liegt Beethovens siebte Sinfonie ander Spitze, dicht gefolgt von seiner Fünften, die 366 Mal auf
den Pulten der Musiker lag. Dann folgen
Brahms’ Zweite (364), die Erioca (325),
Brahms’ Erste (308), die Pastorale (265)
sowie Brahms Vierte (259). Erst dahinter
kommen Richard Strauss (mit „Till Eulenspiegel“ und „Don Juan“) sowie Franz
Schubert mit der „Unvollendeten“.
Der erste nicht deutsche Komponist ist
Pjotr Tschaikowsky auf Position 13. 176
Mal stand seine Pathétique auf dem Programm. Das einzige Werk aus dem 20.
Jahrhundert, das es in die Spitzengruppe
geschafft hat, stammt von Claude Debussy. Sein Tonpoem „La Mer“ (Platz 18)
wurde allerdings auch schon 1905 uraufgeführt. Dvobáks „Aus der neuen Welt“
und die siebte Sinfonie von Bruckner belegen Platz 19 und 20.
Die all time favorites der Berliner Philharmoniker sind also zwei Meister, deren
stilistisches Hauptcharakteristikum die
sogenannte „motivisch-thematische Arbeit“ ist. Eine typisch deutsche Form des
Umgangs mit den Tönen. Beethoven hat
die Methode entwickelt, Brahms dann auf
die Spitze getrieben. Die Idee dabei ist,
große Formen aus kleinsten Sinneinheiten zu entwickeln. Das „ta-ta-ta-taa“ der
Schicksalssinfonie ist das prägnanteste
Beispiel dafür. Nur vier Noten, die auf
scheinbar simpelste Weise zusammengefügt sind, braucht Beethoven in seiner Fünften,
um einen Kopfsatz von
genialer Komplexität zu
schaffen. Der dabei auch
noch unmittelbar emotional berührt.
Beethoven, Brahms –
und auf seine Weise
L. v. Beethoven selbstverständlich auch
der dritte der großen B,
Johann Sebastian Bach – setzen auf solides Handwerk, auf streng strukturierte
Geistesarbeit und elaborierte Regelwerke, kurz auf Tugenden, wie sie in Richard Wagners „Meistersingern“ beschworen werden. Wobei auch der Bayreuther Musiktheatertitan wusste: „Der
Regel Güte daraus man erwägt, dass sie
auch mal ’ne Ausnahm’ verträgt.“
In einem Bereich künstlerischer Kreativität, der auf steter Neubefragung eines
Kernrepertoires basiert, macht es Orchesterprofis wie auch bei Dirigenten eben besonders viel Spaß, im detailreichen Tonsatz von Beethoven und Brahms nach
übersehenen oder lange vernachlässigten
Aspekten zu forschen. Weil sich tatsächlich immer wieder andere Zugänge zu diesen hochkomplexen Werken entdecken
lassen. Denn dass sich Simon Rattles Interpretation der Sinfonien von jener Daniel Barenboims oder Christian Thielemanns unterscheidet, vermag schließlich
auch der Laie intuitiv zu erspüren.
Ein Name fehlt übrigens unter den Top
20 der Berliner Philharmoniker: Mozart.
Was schlicht daran liegt, dass der so viele
großartige Werke geschrieben hat. Bei
ihm kann sich die Aufmerksamkeit gar
nicht auf eine handvoll Partituren fokussieren. Überblickt man alle bei den Philharmonikern aufgeführten Stücke, belegt
das Wolferl darum Platz zwei, hinter dem
auch hier unschlagbaren Ludwig van.
Und eine Zusatzinformation zur Statistik beruhigt: Ganz so verengt, wie es die
Hitparade suggeriert, ist der Blick der
Berliner Spitzenmusiker auf die Musikgeschichte nicht. Gemessen am Gesamtrepertoire des Orchesters machen die 20
beliebtesten Werke nur ein Achtel aus –
die anderen 87,5 Prozent künden vom
Spaß an der klingenden Vielfalt.
E
NACHRICHT
F
Henriette Gödde und André Baleiro
gewinnen Schumann-Wettbewerb
Der 17. Internationale Robert-SchumannWettbewerb ist am Sonntag in Zwickau
mit Ehrungen für Sänger aus Portugal
und Deutschland zu Ende gegangen. Mit
Goldmedaillen ausgezeichnet wurden
die 30-jährige deutsche Mezzosopranistin Henriette Gödde und der 27-jährige
portugiesische Bariton André Baleiro. An
dem Wettbewerb hatten 74 Pianisten, 47
Sängerinnen und 42 Sängern aus 30 Ländern teilgenommen. Nach zwei Auswahlrunden hatten sich sechs Pianisten und
zwölf Sänger aus 13 Ländern für das Finale qualifiziert.
epd
Musikfestspiele Potsdam:
Opernpremiere „Armide“
Fit und motiviert. Die Red Hot Chili Peppers sind Michael Balzary alias Flea, Anthony Kiedis, Josh Klinghoffer und Chad Smith.
Foto: Steve Keros/Warner
California screaming
Funkelnder Funkrock: Die Red Hot Chili Peppers und ihr Album „The Getaway“
Von Nadine Lange
Anthony Kiedis hat der Pop-Welt kürzlich einen ganz schönen Schreck eingejagt. Mitte Mai hieß es, er sei als Notfall
in ein Krankenhaus eingeliefert worden,
seine Band musste einen Auftritt absagen.
Das ließ sofort an die jüngste Todesserie
von Rockstars (Lemmy, Bowie, Prince)
denken. Da sollte der Sänger der Red Hot
Chili Peppers sich doch hoffentlich nicht
einreihen? Bang dachte man an die Drogenvergangenheit des 53-Jährigen und
schaute im Netz nach Neuigkeiten aus
der medizinischen Abteilung. Zum Glück
kam bald Entwarnung: Anthony Kiedis
habe eine schwere Magenentzündung
überstanden, die Tournee konnte weitergehen.
Umso größer ist nun die Freude, den
Sänger zur Veröffentlichung des elften
Red-Hot-Chili-Peppers-Albums „The Getaway“ wohlauf zu sehen. Gerade war er
mit seinen Bandkollegen in James Cordens „Carpool Karaoke“-Sendung zu
Gast und super aufgelegt. Singend saß er
auf dem Beifahrersitz, erzählte Schwänke
aus seinem Leben und gewann sogar ein
kleines Wrestlingmatch gegen den ungefähr doppelt so schweren Gastgeber.
Auch im Video zur ersten Single des
Albums „Dark Necesseties“ kann man
sich von der Fitness des Sängers überzeugen, der genau wie sein alter Kumpel Flea
am Bass am liebsten ohne T-Shirt auftritt.
Ihre tätowierten Oberkörper sind noch
immer beeindruckend drahtig, was es beiden erlaubt, zu der knackigen Funkrock-Nummer angemessen wild durch
die Gegend zu springen. Das Lied ist sofort als eines der Red Hot Chili Peppers
zu identifizieren, mit einem geslappten
Bass, wie ihn wirklich nur Flea spielen
kann, ohne dass es übel altbacken klingt.
Ein bisschen Klavier dazu, Anthony Kiedis’ Mischung aus seltsamen Sprechgesang und sehnsüchtig-melancholischen
Refrainzeilen – funktioniert wieder mal
bestens.
„Dark Necesseties“ ist das stärkste
Stück auf dem neuen Album, das die
Band aus Los Angeles fünf Jahre nach
„I’m With You“ veröffentlicht. Es ist das
zweite Mal, dass Josh Klinghoffer als Gitarrist dabei ist. Er ersetzt den 2008 zum
zweiten Mal – und diesmal endgültig –
ausgestiegenen John Frusciante. Ein
schweres Erbe, hatte der Saitengroßmeister doch bei allen stilprägenden Alben
des Quartetts die Finger im Spiel. Dementprechend zurückhaltend ging der
1979 geborene Klinghoffer bei seinem
Chili-Peppers-Debüt zu Werke. Er überließ meist Flea die Führung, Synthesizer
und eine Backgroundsängerin reicherten
das Klangbild an.
C
RADIOTERMIN
D
Red Hot Chili Peppers The Getaway
(Warner) am Freitag in der Sendung
Soundcheck auf Radio eins (21-23 Uhr).
Diesmal traut er sich deutlich mehr zu
und macht seine Sache gut. In „Feasting
On Flowers“ darf er zu Beginn eine kratzig-steigende Linie vorgeben, der sich ein
Synthesizer anschließt, bei der Garagenrocknummer „Ticonderoga“ unterstützt
Flea sein verzerrtes Zwei-Akkord-Feuer.
Auch den einen oder anderen Frusciante-Gedächtnismoment erlaubt sich der
mit seinem Vorgänger befreundete Klinghoffer, etwa im Intro der Ballade „The
Longest Wave“, das wie eine kleine Ver-
beugung in Richtung des Hits „Under
The Bridge“ wirkt.
Die Chemie stimmt offensichtlich in
der Band. Man hört, dass sie voll motiviert
zur Sache gegangen ist bei den Aufnahmen der 13 Stücke. Einen besonderen Inspirationsschub dürfte dabei der Produzentenwechsel von Rick Rubin zu Brian
Burton alias Danger Mouse ausgelöst haben. Erstmals seit „Blood Sugar Sex Magic“, das die Red Hot Chili Peppers 1991
mit dem legendären Rauschebartträger
aufnahmen und damit den Mainstreamdurchbruch schafften, haben sie eine neue
Herangehensweise ausprobiert.
Statt mit komplett durchkomponierten, fertig geprobten Songs ins Aufnahmestudio zu gehen, haben die Musiker diesmal erst dort angefangen, kollektiv herumzuprobieren. Nahmen sie früher im
Wesentlichen live auf und fügten anschließend einige Overdubs hinzu, war
es bei „The Getaway“ eher ein von Burton angeleiteter Schichtentortenprozess.
Ohne dass am Markenkern der Band gerüttelt würde, schlägt sich das vor allem
in Details nieder: Hier mal ein Wobbel-Effekt, dort mal ein Discopop-Intermezzo
oder eine Trompetenmelodie. Auch die
Keyboards und der weibliche Backgroundgesang vom letzten Album kommen wieder zum Einsatz.
Das ist abwechslungsreich, ohne beliebig zu wirken. Vor allem aber merkt man,
dass diese Gruppe, die seit 1983 existiert, über 60 Millionen Platten verkauft
und unzählige Krisen überstanden hat,
weiterhin neugierig ist und ihre nervöse
Getriebenheit in überzeugende Songs umsetzen kann. Wie nebenbei gelingt es ihr
auf „The Getaway“, das totgesagte Format der Rockband noch einmal mit Sinn
zu erfüllen. Dieses Quartett hat immer
noch etwas zu sagen, wobei Anthony Kiedis die Dringlichkeit seiner Texte diesmal
aus einer schweren Trennung bezieht.
Düstere Zeilen über Verderben und Verlust durchziehen das Album. Auch seine
geliebte Heimat ist darin nie nur der sonnendurchflutete Sehnsuchtsort, sondern
von Melancholie erfüllt und von Zerfall
bedroht. Am besten bringt dieses California-noir-Gefühl interessanterweise der
In fast jeder Generation hat sich ein Komponist des Armide-Stoffes nach Torquato
Tasso angenommen. Damit ist die Tragödie um den amourös verzauberten Kreuzritter, den am Ende doch der Ruhm in die
Schlacht zieht und die Liebe verschmähen lässt, eines der wenigen Opernsujets,
die quer durch die Jahrhunderte Künstler
wie Publikum angeregt haben.
Jean-Baptiste Lully, Komponist am
Hofe Ludwigs XIV., legte in seinem letzten Werk für den französischen Königshof in verknappter Form und mit ungeahnter Sinnlichkeit sein Vermächtnis für
die Nachwelt nieder. Die eigentliche
Größe des Stücks besteht darin, die bis
dahin eher stilisiert wirkenden Handlungsstränge der Oper zu einem echten
Seelendrama der verlassenen Zauberin
Armide zu formen – allein durch die
Kraft der Musik, beeindruckende dramatische Wendungen und dissonante Affektschilderungen.
Im Möchtegern-Versailles des preußischen Königs hat das Stück in der Orangerie von Sanssouci bei den Musikfestspielen Premiere – und überzeugt. Stilsicher
inszeniert Deda Cristina Colonna, selbst
Choreografin, das Stück als Tanzabend:
Dämonen, Ritter, Unterwelt – diese ein
wenig naiv anmutenden Figuren werden
von den Nordic Baroque Dancers zu Allegorien ausformuliert und verleihen der
Zauberoper auf diese Weise eine auch
dramaturgische Würde.
Bis auf Schaufensterpuppen, die mal
Diener in Livree, mal Projektionsfläche
für Armides Leidenschaften sind, bleibt
die Bühne leer und wird vor allem von der
Opulenz der aus Versailles verschickten
Kostüme ausgefüllt. Colonna verlässt sich
aber nicht darauf, sondern lotet jede Figur
mit einer für Barockopern sehr differenzierten Personenregie aus. Patrick Cohën-Akenine als Primarius am Pult macht
ihr die Arbeit leicht: Seine „Folies Françoises“lassen aufKopiender höfischenOriginalinstrumente eine äußerst farbenfrohe
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THE 12 TENORS
Greatest Hits
Bis 10. 07.
Text eines Gastautors zum Ausdruck:
„Say goodbye to Oz and everything you
own/ California dreaming is a pettibone/
L.A.screaming ismyhome“, heißt es zur Eröffnung der groovenden Ballade „Sick
Love“. Geschrieben hat diese Lyrics Bernie Taupin, der Texter von Elton John, der
an dem Song mitgeschrieben hat und auch
am Klavier zu hören ist. Das passt alles erstaunlich gut zusammen und bringt die
poppige Seite der Red Hot Chili Peppers
schön zum Strahlen. Ein bisschen
West-Coast-Wärme muss schon sein.
Partitur erstrahlen, die frei von Pathos die
Seelenzustände auf der Bühne illustrieren. Insbesondere agogisch ist immer alles in Bewegung, es gibt keine Längen
oder eingefahrene Muster, in jedem wohlbedachten Takt gebietet die Aussagekraft
über stilistische Moden. Ein großer Gewinn auch für die Solisten, aus denen Emilie Renard in der Titelpartie besonders herausragt: Ihre Armide wird mit jeder Faser
von der Zauberin zur Liebenden, von der
Statuetteder Machtzum Menschen. Großartig.
Christian Schmidt
— „The Getaway“ erscheint bei Warner.
— Wieder am 21. und 22. Juni
Zur Not halt mit Visum
Verlieren wir ein Vorbild, wenn Großbritannien aus der EU austreten sollte? Eine Liebeserklärung aus gegebenem Anlass
Auch diese Situation braucht Comic Relief, eine Auflösung durch Humor: „Pass
auf, dass du dann nicht schon ein Visum
beantragen musst“, sagt ein britischer
Freund, als ich ihm erzähle, dass ich Ende
Juli wieder auf die Insel fahre. Und wirklich „fahre“, mit dem Zug von Berlin nach
London. Das hat mit Flugangst weniger zu
tun als mit einer Romantik des grenzenlosen, aber geerdeten Reisens, wie sie sich
auf Kraftwerks Album „Trans Europa Express“ ausdrückte, imTitelstück, einer europäischen Heimatmelodie, damals begrenzt auf Paris, Wien und Düsseldorf.
London und Berlin gehören inzwischen
zum transeuropäischen Bahnnetz, durch
Tunnelarbeiten und Mauerabriss. Den
TEE gibt es nicht mehr, dafür den Eurostar. Ausgedehnt werden soll er bald, von
London nach Amsterdam, Köln, Frankfurt... Berlin! Alles schien sich Richtung
„Europa Endlos“ zu bewegen, wie ein anderes Stück bei Kraftwerk heißt.
Die Briten mögen Kraftwerk. Aber sie
mögen Europa anscheinend nicht mehr.
Donnerstag entscheiden sie über ihren
Austritt aus der EU, mit guten Chancen
für die Brexit-Befürworter. Dadurch, dass
es so weit kommen konnte, ist der Kontinent schon jetzt isoliert, zumindest gefühlt. Ich weiß, das ist anmaßend, liebe
Briten, my dear friends. Aber ich nehme
das persönlich, weil ich glaube, meine
Liebe in Meilen bewiesen zu haben, mit
Planes, Trains und Automobiles, per
Schiff und Hovercraft, von Calais nach Dover, von Hoek van Holland nach Harwich,
sogar einmal von Hamburgdie Elbe hinunter und über eine stürmische Nordsee.
Meine Begeisterung begann mit Town
Twinning als 13-Jähriger, ging über eine
Auszeit zwischen Zivildienst und Studiumsowie später alsVisitingStudent weiter und mündete 2008 in zwei Jahren als
Tagesspiegel-Korrespondent in London.
Doch nicht erst seitdem sind meine
Freunde und Kollegen Briten. Ich fiebere
mit den UK-Teams bei Fußballturnieren
und bekomme Fernheimweh, wenn ich
mehrere Monate nicht da bin. Von der
Mutterlandfolklore um Fußball, Humor
und Pop will ich nicht wieder anfangen.
Vorbildlich
und
nachahmenswert an
den Briten ist ihre
Was Briten
pragmatische, auf
auszeichnet: Wettbewerb, Austausch und AusCommon
gleich
angelegte
Sense
Grundhaltung. Das
und Fairness widerspricht sich
nicht, sondern findet zusammen in
Common Sense und Fairness, weicheren,
Spielraum lassenden Tugenden, mit denen wir nach Konsequenz und Gerechtigkeit strebenden Deutschen leider wenig
anfangen können. In Britannien stellen
die Schiedsrichter nicht fuchtelnd oder
schnarrend ihre Autorität unter Beweis,
sondern reden mit den Fußballern und legen alles darauf an, dass das Spiel weitergeht, das schöne Spiel, das auch für sie
mehr ist als seine Regeln und deren Befolgung. Es ist ein Land, in dem sich Politiker im Parlament gegenübersitzen und
sich inhaltlich Spannendes sagen, deutlich, aber fair und mit Witz. Ein Land, in
dem die Polizisten nahbar und freundlich
sind und in ihrer zivilen Präsenz stärker
als Teil der Community wahrgenommen
werden als bei uns. Und ein Land, in dem
die Digitalisierung stärker als anderswo
als Chance auf Austausch und Teilhabe
betrachtet wird, selbst bei Behörden.
Verlieren wir dieser Tage ein Vorbild?
Reduziert aufs In oder Out scheint sich
Großbritannien verhärtet und polarisiert
zu haben. Jenseits der üblichen, ebenfalls
oft spielerischen Übertreibungen wurde
es ernst im öffentlichen Diskurs. Ernst
bis hin zur tödlichen Gewalt, der die eng-
lische Europäerin Jo Cox zum Opfer fiel.
Ein Land mit so einer langen demokratischen Tradition wird weder dadurch
noch durch einen Brexit in seiner zivilgesellschaftlichen Verfasstheit gefährdet.
Die Bürger des Vereinigten Königreichs,
die einst im eigenen Land die Faschisten
gar nicht erst hochkommen ließen und
die von außen heranrückenden Nazis erfolgreich bekämpften, haben jedes Recht,
ihre Zukunft selbstständig zu bestimmen.
Ihre Skepsis gegenüber Europa ist aus
dieser Geschichte heraus und auf Basis
ihrer über Jahrhunderte gewachsenen Institutionen auch verständlich. Aber bitte,
liebe Briten, gefährdet nicht das, was
euch so auszeichnet: Common Sense und
Fairness, die sich nicht mit Demagogie,
Hassdiskursen und Extremismus vertragen, ob in der EU oder draußen.
Ich werde jedenfalls nach Britannien
fahren. Zur Not auch mit Visum.
Markus Hesselmann
KULTUR IN POTSDAM
Kaum ein
Hauch
von Staub
MUSIKFESTSPIELE POTSDAM SANSSOUCI Opernpremiere,
— Alle kommenden Vorstellungen sind bereits ausverkauft. Eventuelle Restkarten
gibt es an der Abendkasse.
E KULTURNOTIZEN F
Filmtour zum Handwerk startet
Der Auftakt der Filmtour durch Brandenburg über das Handwerk im Land findet
am Sonntag, dem 26. Juni, ab 11 Uhr im
Filmmuseum, Breite Straße 1 a, statt. Der
Förderverein des Filmmuseums hat sieben Orte bereist und bringt Kurzfilme
über die dortigen Handwerkstraditionen
an ihren Entstehungsort zurück.
Potsdamer Wohnzimmerkultur
Der zweite PoWoKu findet am Freitag,
den 24. Juni, statt – unter der Überschrift
„Mit Mukke und mit Dosenbier, ’nem
Weinglas und dem Textpapier, träum’
dich fort, drei Stunden nur, bei Potsdams
wohnlichster Kultur“. Der Veranstaltungsort ist geheim und wird nur denen
mitgeteilt, die sich anmelden. Zu Gast
sind der Autor Oliver Rieche und der Singer-Songwriter David Krebs. Der Eintritt
ist frei. Anmeldung per E-Mail an [email protected] PNN
Flötenkonzert und Jazz
Umjubelte Premiere von Jean-Baptiste Lullys Barockoper „Armide“ im Orangerieschloss Sanssouci
Von Peter Buske
Augenwonniglicher und musikalisch authentischer als bei dieser Produktion von
Jean-Baptiste Lullys Tragédie lyrique „Armide“ geht es wahrlich nimmer. Diese Koproduktion der Innsbrucker Festwochen
der Alten Musik mit den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci in Zusammenarbeit mit dem Centre de musique baroque
de Versailles, die am Samstag im Orangerieschloss Sanssouci ihre umjubelte Premiere erlebte, geht so akribisch und spannend zu Werke,
dass es einem fast
THEMA
den Atem verschlägt.
Aufgeführt
wird eine gekürzte Fassung
der Innsbrucker
Festwochen, die
erfreulicherweise den ProMusikfestspiele 2016 log-Lobpreis auf
Lullys
königlichen Dienstherren Ludwig XIV. gestrichen hat. Das Ensemble „Les Folies françoises“ unter dem
Violinisten und musikalischen Leiter Patrick Cohën-Akenine musiziert auf Kopien historischer Streichinstrumente,
wie sie einst am Hofe von Versailles in
Gebrauch waren. Diese fünfstimmige
Streicherbesetzung mit fünf unterschiedlich groß gebauten Geigen sorgt im perfekten Zusammenspiel mit Cembalo,
Theorbe, Gambe und Blockflöten für einen faszinierenden Klang, der rauer, nasaler, prägnanter und intensiver als gewohnt timbriert ist. Und wesentlich von
der französischen Sprache inspiriert ist.
Wie denn auch die italienischen Vertonungen des Sujets einer bekannten Episode aus Torquato Tassos Kreuzzugs-Epos „Das befreite Jerusalem“ beispielsweise durch Gluck oder Rossini
nach entsprechend anderen Instrumenten verlangen. Hier also das Französische
in Reinkultur. Es basiert auf der Kunst
der Deklamation – sowohl instrumental
als auch vokal. Und da ist ebenfalls alles
zum Besten bestellt, denn die Sänger beherrschen die nahtlose Einheit von Rezitativ zu Arie mühelos. Es ist wie ein unaufhörliches Fließen eines Melodienstromes, der, mit Trillern, Vorschlägen,
Schleifer und Doppelschlag reich versehen, verzierungsreich durch die musikalische Landschaft mäandert. Hat man sich
auf die Besonderheiten à la française erst
einmal eingestellt, ist des Vergnügens
kein Ende.
Es beginnt bei den überraschend straff
artikulierten und tempozügigen Ouvertürenklängen, währenddessen der Blick auf
die karge Podestszenerie mit gefällig drapierten Pappkameraden fällt, die wohl
symbolisch einige von Armides Zauberkünsten besiegten Kreuzritter darstellen
sollen. Mit dem Gesang dreier Damen
von der Seitengalerie herab beginnt die
nächste Verzauberung. Sie tragen farbenprächtige barocke Roben nebst federreichem Kopfputz wie aus dem Bilderbuch,
will heißen: aus dem Kostümfundus des
C
D
Oper vom Feinsten. Emilie Renard (Armide), Rubert Charlesworth und die Nordic Baroque Dancers.
Versailler Barockmusikzentrums und
nach den Originalentwürfen für die „Armida“-Uraufführung geschneidert. Diese
Opulenz steigert sich, als die Herren mit
überdimensionierten Allongeperücken,
Helmbüschen im XXL-Format und in verschnörkelten und bänderverzierten Gewändern der buntesten Art in Erscheinung treten. Doch Blick zurück auf die
Galerie. Die in Rot schleppkleidgewandete, mit Brustpanzer und einer Haube
mit üppigem Federputz ausgestattete
Dame entpuppt sich als Titelheldin (Emilie Renard), die ihren beiden sopranlieblichen Vertrauten Phénice (Daniela
PNN-VERLOSUNG
Skorka) und Sidonie (Miriam Albano) sowie dem andächtig lauschenden Publikum mit leidenschaftlicher Sopranintensität und ausgeprägter Mittellage erzählt,
dass sie über Renaud, den tapfersten der
Kreuzritter, nicht triumphieren konnte.
Was ihr allerdings zuvor die Unterwelt
schon prophezeit hat. Armides Onkel Hidraot alias Pietro di Bianco feiert nebst
Gefolge mit bassbaritonaler Präsenz ihren Triumph, hofft auf eine baldige Hochzeit. Sie hat da so ihre Zweifel: „Das Herz
wird unglücklich, wenn es die Freiheit
verliert.“ Vorm Eingehen einer gefühlsmäßigen Bindung fürchtet sich auch Re-
D
Generalprobe für „Pygmalion“ erleben
Leser der Potsdamer Neueste Nachrichten können
bei der Generalprobe für
die zweite Operninszenierung der Musikfestspiele
Potsdam Sanssouci 2016
dabei sein. Wir verlosen
10 mal 2 Freikarten für
die ansonsten nicht-öffent-
liche Generalprobe für die
Premiere, die am Freitag,
dem 24. Juni, ab 20 Uhr im
Hans Otto Theater an der
Schiffbauergasse stattfindet. In Jean-Philippe Rameaus Ballettoper „Pygmalion“ verschmelzen Musik
und Tanz auf neue Art. Er
erzählt die Geschichte vom
Künstler, der sich in sein
eigenes Kunstwerk verliebt. Wer gewinnen
möchte, ruft am morgigen
Dienstag, dem 21. Juni,
ab 15 Uhr unter Tel.:
(0331) 23 76 116 an. Wir
wünschen viel Glück!
Foto: Stefan Gloede
naud. Ein ideales Paar also? Dass es mit
der Liebe so ein eigen Ding ist, erfahren
beide alsbald. Aus Feind wird Freund
wird Liebhaber. Lust und Hass, Zu- und
Abneigung, Binden und Nicht-loslassen-Können liegen da dicht beieinander.
Der Zwiespalt der Gefühle ist vorprogrammiert und führt schließlich zum tragischen Ende von Armide, die nach dem
Renaudschen Valet (salopp: war schön
mit dir, aber nun muss ich mich wieder
um den Kriegsruhm kümmern) den Einsturz ihres (Video-)Palastes zaubert, der
sie unter sich begräbt.
Doch was wäre eine französische Barockoper ohne Ballettzutaten? Ein Ei ohne
Dotter. Dafür sind die schwedischen
Nordic Baroque Dancers zuständig, die
aufdieFinessendes Barocktanzes spezialisiert sind: rasante und raffinierte Schrittkombinationen,kleine Hüpfsprünge,zeremonielles Schreiten, rhythmisch stampfende Kriegstänze, pantomimischerGanzkörpereinsatz. Sehr beeindruckend – genauso wie die einfallsreiche Inszenierung
(Regie & Choreografie: Deda Cristina Colonna) und das ungemein lebendige, farbenschillernde Singen und Musizieren.
Die beiden restlichen Vorstellungen
(21./22. Juni, jeweils 20 Uhr) sollte man
sich nicht entgehen lassen.
Flötentöne, Alte Musik – und Jazz
Französische Barockmusik und Werke, die an Friedrichs Hof entstanden, erklangen im Nikolaisaal.
Im Ehrenhof von Sanssouci gab es Jazz, Historisches und eine Referenz ans Moulin Rouge
Michel Blavet sollte es zunächst sein.
Doch schließlich wurde Johann Joachim
Quantz der engste Musikberater und Flötenlehrer des preußischen Königs Friedrich der Große. Blavet, der einen Ruf als
erster Flötistder PariserOperund derHofkapelle in Versailles zur Zeit Ludwig XV.
hatte, lehnte das Angebot Friedrichs ab.
Nun kamen beide Musiker während des
„Flötenkonzerts in Sanssouci“ zu Wort.
Ein Blavet-Konzert gab es zum Auftakt, eines von Quantz zum Finale.
Das ursprünglich als stimmungsvolle
Freiluft-Veranstaltung im Ehrenhof des
Schlosses Sanssouci gedachte Konzert
musste wegen des launischen Wetters in
den Nikolaisaal verlegt werden. Die unmittelbare Nähe zum Musikzimmer, in
dem Friedrich und seine Kapellmitglieder sich zu musikalischen Soiréen trafen,
wäre von größerer atmosphärischer
Dichte gewesen, doch die eingeblendete
Fotografie vom Schloss an der Rückwand
des Nikolaisaals war schließlich ein Trostpflaster. Das französische Ensemble Les
Musiciens de Saint-Julien unter der Leitung des Flötisten François Lazarevitch,
das als Ensemble in Residence 2016 fungiert, stellte ein kammermusikalisches
Programm mit französischer Barockmusik und Werken, die an Preußens Hof
Friedrichs des Großen entstanden sind,
zusammen. Die Interpreten machten die
Musik mit ihrem feinsinnigen und klangvollen Spiel zu einer Entdeckung und zu
einem Erlebnis. Die Besucher konnten im
Nikolaisaal einen Eindruck gewinnen,
wie die Musik damals in Potsdam und Pa-
ris geklungen haben mag.
Der 1700 geborene Michel Blavet war
bei seinen Zeitgenossen als der Flötenvirtuose schlechthin berühmt. Er hinterließ
mehrere Bände mit seinen komponierten
Werken für die Traversflöte, aus denen
Lazarevitch und das siebenköpfige Ensemble das Konzert in a-Moll, das unter
dem Einfluss des Italieners Antonio Vivaldi steht, noch zurückhaltend und
spröde musizierte. Bei dem galanten Konzert Pierre-Gabriel Buffardins, dem Soloflötisten des sächsischen königlich-kurfürstlichen Orchesters in Dresden, sowie
dem Konzert in G-Dur von Johann Joachim Quantz wurde das Spiel François Lazarevitchs dann sanfter und delikater.
Wie perfekt beide Komponisten das ihnen so vertraute Soloinstrument zu inszenieren verstanden, wurde im Nikolaisaal
hörbar. Mit einem sonnigen Flötenton,
souveräner Agogik und lustvoller Durchgestaltung gab der französische Flötist
der charmanten Melodik beider Werke ihren Stellenwert. Besonders der zweite
Satz des Buffardin-Konzerts, ein Andante, gelang ihm mit verführerischem
Musizieren. Lazarevitchs Ensemble-Kollegen waren sensible Begleiter und bei
den solistischen Piécen von Antoine Forqueray (Sarabande aus der 4. Suite für
Viola dagamba und Basso continuo) und
Louis Marchand (Chaconne in d-Moll für
Cembalo) markant gestaltende Solisten.
Zum Höhepunkt des „Flötenkonzerts“
wurde die Violinsonate in h-Moll von
Franz Benda, einem gebürtigen Böhmen,
der aus einer Musikerdynastie stammte
und erster Geiger der Hofkapelle Friedrichs des Großen war. Das lyrische und
vor allem expressive Stück ist von erster
Güte und hörbar von einem Violinvirtuosen geschrieben. In dem Geiger David
Greenberg fand die Sonate einen kompetenten Sachwalter. Die feingliedrige Musik verlangt nach einem Höchstmaß an
rhythmischer und agogischer Differenzie-
Die Besucher konnten einen
Eindruck gewinnen, wie die
Musik damals geklungen hat
rung. Greenberg leistete dabei Beachtliches. Die vielfältigen virtuosen Passagen
vollzog der Geiger in einem atemberaubenden Tempo, immer souverän und unangestrengt. Das Publikum jubelte und
spendete langanhaltenden Applaus.
Jazz im Ehrenhof von Sanssouci
Eine rot illuminierte Mühle. Was fällt einem bei deren Anblick ein? Natürlich das
Moulin Rouge, das historische Pariser Varietétheater. Auch die Historische Mühle
in Sanssouci war rot angestrahlt. Ein wenigsollte siean das Cabaret inder französischen Hauptstadt erinnern. Doch Samstagnacht ging es um die Sommerresidenz
Friedrichs des Großen – am Restaurant
Mövenpick, im Nordischen Garten und an
der Bildergalerie – braver zu als im Moulin
Rouge. Dennoch: Die Stimmung reichte
von melancholisch, fröhlich bis ver-
17
Diese WOCHE
Die Kulturredaktion
der PNN empfiehlt
Zauberische Vergnüglichkeiten
„Ein Sommernachtstraum“
begeistert im HOT
Sie kam und fegte den Staub aus der
Schiffbauergasse. Regisseurin Kerstin
Kusch brachte am Freitagabend eine
durch und durch beschwingte Inszenierung von William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ auf die Freilichtbühne
im Gasometer des Hans Otto Theaters.
Angefangen bei dem durchweg auf den
Punkt spielenden Ensemble, das die Geschichte rund um vier junge Leute aus
Athen, die mitten in den Streit des Elfenkönigspaares und dadurch in ein Liebeschaos geraten, ernst genug nimmt, um sie
ohne zu viel Kitsch rüberzubringen.
René Schwittay gibt dabei nicht nur einen hünenhaften eifersüchtigen Oberon,
sondern glänzt auch als überaus komischer Laien-Wand-Darsteller in der
Stück-im-Stück-Aufführung
„Pyramus
und Thisbe“. Marianna Linden schwebt
als Feenkönigin Titania zwischen ätherisch selbstbewusster Herrscherin und
rollig gelangweilter
Es kommt
Ehefrau, die sich unWehmut auf, ter dem Liebeszaufast selbst verweil drei der ber
gisst. Raphael RuDarsteller
bino strahlt als
Handwerker Zettel
das HOT
und Grand Dame
verlassen
Rita Feldmeier versteht es als Elfe Bohnenblüte, gleichzeitig verschmitzt-komisch und geheimnisvoll-anmutig zu sein und überzeugt wieder einmal gesanglich. Und Nina Gummich ist der eigentliche Star dieser Inszenierung. Als anfänglich unglücklich verliebte Helena spielt sie naiv, romantisch
und dabei dennoch rotzfrech. Sie wirbelt
über die Bühne und bewegt sich dabei so
souverän zwischen lächerlicher Verliebtheit und tieftreuer Romantik, dass man
sich kaum daran sattsehen mag.
Neuzugang Frédéric Brossier als ihr
Objekt der Begierde Demetrius bleibt hingegen etwas blass, was sicherlich auch an
seiner eher uninteressanteren Rolle liegt.
Patrizia Carlucci hingegen ist eine ausdrucksstarke Hermia voller körperlicher
Energie. Bei Axel Sichrovsky als lässiger
Athener Herzog sowie tänzelnde Feengestalt, Alexander Finkenwirth als hoch verliebter wollüstiger Lysander und Holger
Bülow als Feengeist Puck kommt beim Zusehen dann leise Wehmut hoch, dass
diese drei Ensemblemitglieder in der
neuen Spielzeit am Hans Otto Theater
nicht mehr zu sehen sein werden (PNN
berichteten).
Finkenwirth gibt seinen Lysander herrlich doof verliebt, er lässt sich von den
Hormonen steuern, um kurz darauf die
tief poetischen Gefühle, die Shakespeare
ihm in den Mund gelegt hat, voller Ernst
zu verkörpern. Bülow hingegen übertrifft
sich als Feennarr selbst. Als bissiger Kommentator der Geschehnisse, die ihm nach
all den Jahren im Hofstaat von König
Oberon schon fast zu langweilen scheinen, schleicht er hier tänzelnd um seinen
König herum, um dort gleich wieder wie
ein Rockstar die Liebesfäden in der Hand
zu halten und über Glück oder Leid zu
entscheiden. Die als Theater-Schnürboden aufgezogene Bühne von Matthias
Müller, die als verwunschener Feenwald
so einige versteckte Ecken, Falltüren
oder Treppen birgt, ist dabei Bülows perfekter Spielplatz. Farbige Lichtarrangements ergänzen die mal schaurige, mal
verträumte Stimmung. Auch das Soundkonzept von Marcel Schmidt, das nicht
nur Hall und Echo, sondern auch einige
Gesangsstücke beinhaltet, fügt sich nahtlos ein in diesen rundum gelungenen Bühnentaumel. Und so bleibt am Ende ein erfüllendes Theaterglücksgefühl, das noch
lange bleibt – garantiert staubfrei.
Sarah Kugler
POTSDAMER NEUESTE NACHRICHTEN
rückt-virtuos. Die Musikfestspiele luden
zur Sanssouci Jazznacht ein, bei der sich
Alte Musik und Jazz trafen. Kein effektheischendes Crossover, sondern eine harmonische Melange wurde geboten. Unterschiedliche Stil- und Spielarten gab es zu
hören.
So reiste man wie mit einer Zeitmaschine mit den französischen Musikerinnen und Musiker der Alte-Musik-Szene
in die Renaissance und den Barock. Dabei gab es fließende Übergänge zum weiten Feld des Jazz. Michel Godard zeigte
an der Bildergalerie, dass ein historisches
Instrument wie der Serpent, ein Urahn
der Tuba, mächtig „grooven“ kann. Der
Countertenor Dominique Visse brachte
gemeinsam mit Bruno Helstroffer,
E-Theorbe und Jean-Louis Matinier (Akkordeon) im Nordischen Garten in die Gesänge der Renaissance- und Barockmeister Guillaume de Machaut, Tarquinio Merula, John Dowland oder Johann Sebastian Bach etliche jazzige Elemente ein.
Auf der kuschligen Terrasse der Historischen Mühle erzählte Carole Martiné in
in ihren Jazzchansons und Folkballaden
Geschichten von der Liebe und aus dem
Alltag. Begleitet wurde ihre warm-verführerische Stimme von den sensiblen Klängen Paul Audoynauds und Romain Vicentes auf der Gitarre und dem Schlagzeug.
Ganz so still war es im Mövenpick nicht,
denn die Gruppe Papanosh bevorzugte
expressive Jazzklänge, bei denen vor allem Raphael Quenehen, Saxofon, und
Quentin Ghomari, Trompete, virtuose
Klangerlebnisse boten. Klaus Büstrin
D
er österreichische Filmemacher und
Künstler Martin Arnold ist dadurch
bekannt geworden, dass er vorhandene
Filmszenen bearbeitet und daraus neu interpretierte
Kurzfilme,
sogenannte
Found-Footage-Dekonstruktionen,
schafft. Diesen Dienstag ist er im Filmmuseum Potsdam (Breite Straße 1 a) zu Gast
und präsentiert ab 17 Uhr neun seiner
Filme aus den Jahren 1989 bis 2015. In
seinen frühen Filmen wie „Pièce touchée“ (1989) oder „Passage à l'acte“
(1993) bilden Szenen aus klassischen
Hollywoodfilmen das Ausgangsmaterial.
In jüngerer Zeit verwendet er, wie in
„Whistle Stop“ (2014) oder „Black Holes“ (2015), US-amerikanische Trickfilme für seine Kompositionen.
Klassischer geht es bei den Salonkonzerten der Potsdamer Musikfestspiele im
Palais Lichtenau (Behlertstraße 31) weiter.
Die stehen am Mittwoch ganz im Zeichen
von Komponist Niccoló Paganini, der im
19. Jahrhundert einer der führenden Geigervirtuosen war. Seine Werke werden
um 20 Uhr von László Paulik und István
Györi auf Violine und Gitarre interpretiert. Dazu gibt es Weinproben aus der
der Region Bordeaux.
Tragisch wird es, wenn das Ensemble
des „Neuen Globe Theaters“ William
Shakespeares „König Lear“ am Donnerstag
auf die Bühne des T-Werks (Schiffbauergasse 4 e) bringt. Die Tragödie rund um
den alternden König Lear, der sein Reich
an seine älteren Töchter verliert und daraufhin dem Wahnsinn verfällt, feiert um
20 Uhr Premiere. Ganz in der Tradition
Shakespeares sind alle Rollen mit männlichen Darstellern besetzt.
PNN
Der exzellente
Kantor
und Organist
Wer innerlich für eine Sache brennt, der
kann auch andere begeistern. Diese Feststellung bewahrheitet sich immer wieder
neu. Sie trifft auch auf Kirchenmusikdirektor Friedrich Meinel in vollem Maße
zu. Er ist Musiker mit Leib und Seele und
sieht die Musik als eine Möglichkeit, den
persönlichen Glauben auszudrücken und
mit anderen zu teilen. Heute feiert er seinen 85. Geburtstag.
Geboren wurde Friedrich Meinel in
Schneeberg, einer Region im Erzgebirge
mit jahrhundertealter Kantorentradition.
Kirchenmusik studierte
er in Halle. Nach dem
Diplom ging er für
kurze Zeit nach Mühlhausen und kam mit
26 Jahren nach Potsdam. Die Erlöserkirche
wurde 57 Jahre lang
sein kirchenmusikalisches Domizil, als Kan- F. Meinel
tor und nach der Pensionierung im Jahre 1996 ehrenamtlicher
Organist. Vor eineinhalb Jahren hat sich
Friedrich Meinel von seiner geliebten
Schuke-Orgel verabschiedet. Auf sein engagiertes Betreiben hin erhielt das neugotische Gotteshaus in der Nansenstraße
eine neue „Königin der Instrumente“, die
gleichermaßen für Gottesdienste und
Konzerte eine klingende Institution in
Potsdam und darüber hinaus geworden
ist. Der Internationale Orgelsommer, der
von Meinel und seinem Kantor-Kollegen
Matthias Jacob an der Friedenskirche
Sanssouci vor 26 Jahren etabliert wurde,
holt immer wieder renommierte Organisten aus aller Welt auf die Orgelbank in
der Erlöserkirche. Bis heute.
Friedrich Meinels Ruf als exzellenter
Organist blieb natürlich auch der Leitung
der Universität der Künste in Berlin nicht
verborgen. 1991 erhielt er einen Lehrauftrag für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation, vier Jahre später wurde er
zum Honorarprofessor ernannt.
Friedrich Meinel war in seinem Kantorenamt immer bemüht, ein lebendiges Gegenüber, eine aufeinander bezogene Korrespondenz von Wort und Musik zu schaffen, so in der liturgisch-gottesdienstlichen Bindung oder im Konzert. Dafür hat
er eine Vielfalt chorischen Lebens an der
Erlöserkirche mit seiner Frau Annemarie, die ebenfalls Kirchenmusikerin ist,
ins Leben gerufen.
Die Potsdamer Kantorei, die sich vor
allem der Aufführung von chorsinfonischen Werken verpflichtet fühlt, der Motettenchor, der den A-cappella-Gesang
pflegt, oder der Kinderchor, in dem der
Nachwuchs gefördert wird – sie alle haben ein eindrucksvolles Renommee unter der künstlerischen Leitung Friedrich
Meinels erreicht –, vor allem in den
schweren Zeiten der DDR, wo die
SED-Oberen in der Stadt am liebsten Einfluss auf den Inhalt der Programme genommen hätten. Friedrich Meinel – ein
Kantor par excellence – hat aber immer
wieder deutlich gemacht, dass die Kirchenkonzerte an der „Stätte, da Gottes
Ehre wohnt“ stattfinden. Klaus Büstrin
Foto: Andreas Klaer
MONTAG, 20. JUNI 2016
MAZ
Montag,
20. Juni 2016
KULTUR
15
IN KÜRZE
Brakoniecki und Wagner
erhalten Literaturpreis
Göttingen. Der polnische Dichter
und Literaturkritiker Kazimierz
Brakoniecki und der in Berlin lebende Lyriker und Schriftsteller
Jan Wagner sind mit dem deutschpolnischen Linde-Literaturpreis
ausgezeichnet worden. Beide nahmen die mit jeweils 5000 Euro dotierte Auszeichnung am Sonntag
in Göttingen entgegen. Göttingen
und seine polnische Partnerstadt
Torun vergeben den Preis gemeinsam seit 21 Jahren. Der Preis ist
nach dem polnischen Sprachforscher Samuel Bogumil Linde
(1771-1847) benannt.
Musical „Der Medicus“
in Fulda uraufgeführt
Fulda. Über drei Millionen Menschen sahen den Kino- und sieben
Millionen den Fernsehfilm. Nun
haben auch die ersten Zuschauer
das Musical „Der Medicus“ erlebt.
Als weltweit erste Bühnenfassung
wurde der Bestseller am Freitagabend in Fulda uraufgeführt. Die
Produktionsfirma Spotlight hat
sich in den Vorjahren bereits mit
„Die Päpstin“ (rund 250 000 Zuschauer) einen Namen gemacht.
Auf der Bühne des Gasometers am Potsdamer Theater kommt der alltägliche Beziehungswahn zur Aufführung.
FOTO: HLBOEHME
Shakespeare im Discokeller
Romantik? Fehlanzeige. Der „Sommernachtstraum“ wird im Potsdamer Gasometer zum rasanten Gesellschaftsstück
Von Gerald Felber
Potsdam. Der Mond war schon mal
da, kaum zu erwarten nach dem vorangegangenen Dauerregen; und
wenn’s dann zur nächsten Vorstellungsserie auch noch wärmer wird,
ist das perfekte Open-Air-Vergnügen im Potsdamer Gasometer garantiert: Frischluft und unangestrengte Kurzweil.
Kein Bildungs-Shakespeare ist
dieser „Sommernachtstraum“ in
Kerstin Kuschs Regie, auch kein poetischer Elfenzauber; eher schon
eine Sitcom mit ernsterem Hintergrund, bei der ein Drittel der abgefeuerten Gags voraussehbar (und
oft trotzdem amüsant), ein weiteres
grobklötzig, aber das verbleibende
dann wirklich köstlich ist. Etwa,
wenn Hermia als Übersprunghandlung zu Zahnbürste und
Mundspülung greift, nachdem sie
sich im nächtlichen Wald mit letzter
Widerstandskraft der doch eigentlich tief ersehnten sexuellen Vereinigung entzogen hat; oder wenn
das Wild, welches Theseus (Axel
Sichrovsky mit smarter Leutseligkeit) und Egeus (Peter Pagel) am
„Morgen danach“ jagen, mal grad
ein paar ploppende Golfbälle sind,
von denen einer im Schlund Lysanders landet und die Erweckung der
Liebespaare einleitet.
Atmosphäre, Romantik: eher
Nebensache. Worum es wirklich
geht, ist der alltägliche Beziehungswahnsinn, vorgeführt unter
zugespitzten Laborbedingungen.
Schauspieler
Dieter Mann
wird 75
Berlin. Dieter Mann
hat das deutschsprachige Theater
in den vergangenen fünf Jahrzehnten entscheidend
mitgeprägt. Von
1964 bis 2006 gehörte er als Schauspieler zum Ensemble des Deutschen Theaters Berlin. Er brillierte
auf vielen Bühnen zwischen Berlin,
Düsseldorf und Wien. Viele seiner
von der Kritik hochgelobten Hörbücher wurden Bestseller. Zu seinem heutigen 75. Geburtstag ist im
Aufbau Verlag das Buch „Schöne
Vorstellung“ erschienen, eine
Autobiografie in Gesprächen mit
dem Journalisten Hans-Dieter
Schütt. In seinen Erinnerungen
bringt Mann seine Arbeitshaltung
pointiert auf den Punkt: „denken,
mitfühlen, mitteilen“. Dabei verbiegt er das Werk eines Dichters mit
seiner hohen Sprechkultur nie, sondern feiert es.
Ein Klassiker
Der „Sommernachtstraum“ gehört in
Shakespeares produktivstes Schaffensjahrzehnt nach 1590. Das Stück spielt
im antiken Athen und in einem an die
Stadt angrenzenden verzauberten
Wald. Es umfasst die Erzählzeit von drei
Tagen und Nächten und handelt von
den Umständen der Hochzeit eines
Herrscherpaares.
1600
erschien die erste Druckausgabe
des Stücks, dessen Verquickung zwischen Menschenund Geisterwelt dann im englischen
Sprachraum bis zur Fantasy-Literatur
und zum „Harry Potter“-Zyklus weiterwirkt.
Extravagant: Rita Feldmeier als Bohnenblüte.
Kein grünes Zweiglein also auf
Matthias Müllers Bühne, sondern
ein Parcours aus sperrigen Gerüsten, herabbaumelnden Strippen,
Punchingsäckchen und Punktleuchten, mehr Discokeller (nebst
passend eingestreuten Gesangsnummern und Instrumentalriffs)
denn Wald; der Zaubersaft kommt
Filmemacher, bildende Künstler und
vor allem Musiker wurden durch den
„Sommernachtstraum“ inspiriert: Henry Purcell, Ambroise Thomas und Benjamin Britten schrieben einschlägige
Opern – am bekanntesten wurde und
blieb jedoch Felix Mendelssohn Bartholdys Bühnenmusik.
FOTO: HL BOEHME
aus dem Feuerlöscher. Auch die
verwendete Übersetzung befördert
mit ihrer fröhlichen Mixtur aus lyrischer Poetik und vorsätzlich kruden Schusterreimen die sportlichlärmige Aktion mehr als besinnliche Innerlichkeit.
Was manchmal, weil es kaum
Rhythmuswechsel gibt, ein wenig
viel wird. Doch insgesamt stimmt
die Balance dann trotzdem, vor allem da, wo sich hinter dem aktionistischen Feuerwerk tiefe Verletzungen zeigen. So bei Nina Gummichs
Helena, die sich ihrer Liebesverblendung bewusst ist und ihr dennoch mit einer ruhigen Konsequenz
und Würde folgt. Dass sie nebenbei
noch einige glänzende Fitnessstudio-Slapsticks drauf hat, widerspricht dem keineswegs. Zumindest auf dieser Ebene virtuoser Körperbeherrschung kann auch ihre
Rivalin Hermia in Gestalt Patrizia
Carluccis mitziehen, die ansonsten
vor allem frisch-naiv und leidenschaftlich-sinnlich sein darf. Beim
Männerpaar hat Frédéric Brossiers
Demetrius gegenüber dem einfach
nur liebesschäumenden Lysander
(Alexander Finckenwirth) den interessanteren Part.
Oberon, bei René Schwittay eine
Art dröge-saturierter Rockerkönig
mit cholerischen Attacken, scheint
seine vorwiegend repräsentative
Königin (Marianna Linden) weniger zu brauchen als seinen guten
Kumpel Puck (Holger Bülow). Dessen weibliches Pendant unter den
dienstbaren Chargen ist Rita Feldmeier als Bohnenblüte (die Hippolyta spielt sie auch), die nebenbei
unter Regina Fraas’ schrill-extravaganten Kostümen ein besonders erlesenes abbekommen hat.
Im fröhlichen Spiel von Pyramus
und Thisbe am Ende des Abends
feiert der höhere Blödsinn noch einmal letzte Urständ, vor allem dank
Meike Fincks schüchtern-hektischem Squenz. Nebenbei: wie da
die Laienspieler mit ihrer armen
Pro-forma-Chefin
umspringen,
lässt, einige Tage vor der BrexitEntscheidung, tief in die Malaisen
der direkten Demokratie schauen.
Was Shakespeare nicht alles schon
gewusst hat...
Platz für Klee: Anbau von
Museum Berggruen offen
Berlin. Der Erweiterungsbau des
Museums Berggruen in Berlin ist
nach seiner Sanierung wieder geöffnet. Er ist die Heimat für Dutzende Werke von Paul Klee. Zur
Eröffnung des Anbaus am Sonntag
gab es einen Tag der Offenen Tür,
es bildete sich eine Warteschlange. Der Neubau war 2013 kurz
nach der Eröffnung wegen Schimmels wieder geschlossen worden.
Der historische Bau des Museums
nahe dem Schloss Charlottenburg
blieb in der Zeit jedoch geöffnet.
11000 Besucher bei
70.Greifswalder Bachwoche
Greifswald. Mit einem Rekordbesuch ist am Sonntag die 70. Greifswalder Bachwoche „baltisch“ zu
Ende gegangen. Knapp 11 000 Zuhörer besuchten die 44 Veranstaltungen, wie der Künstlerische Leiter Jochen A. Modeß am Sonntag
in Greifswald mitteilte. Erstmals
gab es in diesem Jahr auch einen
kompletten Programmtag im polnischen Stettin. Trägerin ist die
evangelische Nordkirche.
Ticketverkauf für
Elbphilharmonie beginnt
Hamburg. Dirigenten wie Simon
Rattle, Daniel Barenboim und
Gustavo Dudamel, Sängerstars
wie Anja Harteros, Jonas Kaufmann und Bryn Terfel: Klassikstars
aus aller Welt werden zur Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie am 11. Januar 2017 erwartet. Ab heute kann sich jeder Tickets für die Konzerte sichern –
dann beginnt der Einzelkartenverkauf für die erste Spielzeit.
● Tickethotline: 040/5766666
oder online: www.elbphilharmonie.de
Liebe wider Willen
Kostümfest und Tanzspektakel: Lullys „Armide“ mit Mini-Orchester bei den Potsdamer Musikfestspielen
Von Antja Rößler
Potsdam. „Sonnenkönig“ Ludwig
XIV. feierte in Versailles ausschweifende Feste mit glanzvollen
Ballettaufführungen. Die Musik
bestellte er bei seinem Hofkomponisten Jean-Baptiste Lully. Der erfand für Versailles eigens ein neues
Genre, die „Musiktragödie“. Eine
solche Musiktragödie ist auch
„Armide“, Lullys großer Wurf aus
seinem letzten Lebensjahr. In der
Inszenierung von Deda Christina
Colonna hatte das Stück am Samstag seine Potsdamer Premiere. Die
auf kurzweilige zwei Stunden beschnittene Fassung lief bereits 2015
bei den Innbrucker Festwochen.
Es geht um die Königin Armide.
Sie hält den Kreuzritter Renaud auf
ihrer einsamen Insel gefangen, da
sie ihn durch Zauberkräfte verliebt
gemacht hat. Doch dann verliebt sie
sich selbst in ihren Erzfeind. Gefühle unterliegen nicht dem eigenen
Willen – das war zu Zeiten der Aufklärung ein so brisantes Thema,
dass zahlreiche Komponisten eine
„Armide“-Oper schrieben.
Die Zerrissenheit zwischen
Sehnsucht und Verzweiflung wurde von der Hauptdarstellerin Emilie Renard mit großer Intensität verkörpert. Die Mezzosopranistin
singt als große Tragödin, ohne ihren
dunkel-geschmeidigen Wohlklang
zu vernachlässigen.
Den Spannungshöhepunkt erlebt man vor der Pause: Armide – als
Nervenbündel zwischen Stolz,
Hass und Zuneigung – versucht,
den schlafenden Renaud zu erstechen. Doch sie bringt es nicht übers
Herz. Begleitet wird der pathetische Monolog nur vom Generalbass, den aber der musikalische
Leiter Patrick Cohën-Akenine mit
heftigen Akzenten ausstattet. Dazu
schien der Mond durch die Fensterfront der Orangerie. Auch sonst
ging Cohën-Akenine mit seinem
Barock-Ensemble „Les Folies françoises“ schlicht, aber effektvoll vor.
Zum Einsatz kommt nicht das üppig ausgestattete Orchester des
Sonnenkönigs. Die Mini-Besetzung beschränkt sich auf Flöte,
Mit Pathos: Emilie Renard als Armide.
Oboe und Fagott, die nicht immer
ganz sauber intonieren. Die beherzt und angeraut klingenden
Streicher spielen zu fünft, aber
trotzdem fünfstimmig. So gerät Lullys Musik ins Leuchten; das Klang-
FOTO: STEFAN GLOEDE
bild wirkt lebendig und klar konturiert.
Rupert Charlesworth meistert die
hohe Tenorpartie des Renaud ohne
Anstrengung. Indem er die verschiedenen Gefühlszustände deutlich zeichnet, macht er als Liebhaber und als Krieger eine überzeugende Figur. In den Nebenrollen
glänzen Pietro di Bianco und Tomislav Lavoie mit kraftvollen Bässen.
Regisseurin Deda Cristina Colonna stellt den Sängern sechs Mitglieder der „Nordic Baroque Dancers“ zur Seite, deren Drehungen
und Trippelschritte alte höfische
Tänze aufgreifen. Die barocken
Originalen
nachempfundenen
Kostüme (Francesco Vitali) wirken
dabei zuweilen unfreiwillig komisch. Riesige knallbunte Federbüsche, wallende Mäntel und Römer-Tunikas lassen an einen Kostümverleih denken – zumal in Brokat eingekleidete Schaufensterpuppen als Requisiten dienen.
Bonjour Frankreich! | Inforadio - Besser informiert.
1 von 2
http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/kultur/201606/...
20.06.2016 12:15
kulturradio vom rbb | "Armide"
1 von 2
https://www.kulturradio.de/rezensionen/buehne/2016/06/Musikfestspie...
Mo 20.06.2016
Musikfestspiele Potsdam
"Armide"
Ein neuer Lully: trockener, tänzerisch leichter, weniger höfisch aufgebrezelt. Der Lully-Bann ist gebrochen!
Bewertung:
Dass seit Generationen keine Lully-Opernaufführung mehr in unserer Region zu verzeichnen war, ist erstaunlich, fast
skandalös angesichts diverser subventionierter Opernhäuser. Der Grund ist überregional. Der Hofkomponist des
Sonnenkönigs Louis XIV. gilt als personifizierte Monumentalperücke. Locken über Locken. Kreppschleifchen über
Kreppschleifchen. Triller über Triller, und das nach Möglichkeit in C-Dur. Das Loch, in das Lully fiel, dokumentiert sich darin,
dass man in aller Welt Aufführungen seiner Opern suchen muss wie die Nadel im Heuhaufen. Er ist das ausgetriebene Ancien
régime selbst. Entsprechend taufrisch steht er hier vor uns. Man maunzt wohlig unter den endlosen Trillermassagen.
Der Kürzeste und Knackigste
"Armide" ist Lullys letztes vollendetes Werk. Uraufgeführt 1686 in Paris, nachdem er am Hof von Versailles bereits in
Ungnade gefallen war; nur wenige Monate, bevor er sich mit dem Taktstock, mit dem man damals noch auf den Boden
schlug, so unglücklich am Fuß verletzte, dass er am Wundbrand starb. Es handelt sich um eine vergleichsweise kurze Oper.
Nach gut zwei Stunden sind wir wieder draußen. (Die abewandelte Innsbrucker Fassung, die verwendet wird, hat den Prolog
und einige Handlungsschlaufen gekappt.) Übrigens basiert das Werk auf demselben Libretto, das noch Gluck 90 Jahre später
in seiner "Armide" vertonte. Er brauchte deutlich länger – genau wie Händel im "Rinaldo". Lully ist, Überraschung!: der
Kürzeste und Knackigste von den dreien.
© Musikfestspiele Potsdam Sanssouci / Stefan Gloede
Abendsonne und Kunst-Spots
Im rechten Flügel der Orangerie hat die Choreographin Deda Cristina Colonna ihr Personal in Herrenhängerchen, unter
monströse Federbüsche und Obstkorb-Hüte gesteckt – und liefert einen historisch betanzten Lully. Die zeitgenössischen
Vorlagen sind auch hier, wie immer, Ausrede für einen Vorstoß eigener Kreativität, warum auch nicht? Freilich: Gilt ein freier
Oberkörper noch als historisches Kostüm?! Die Nordic Baroque Dancers umschmeicheln die Protagonisten Arme schmeißend,
als seien sie ein barocker Vorbote des wunderbaren MDR-Fernsehballetts. Regie übernimmt eigentlich der Raum. Die Spatzen
hat man aus der Pflanzenhalle vorübergehend vertrieben; sie fliegen immer noch raus und rein. Auftritte erfolgen aus dem
Garten. Wenn das Zwielicht aus Abendsonne und Kunst-Spots über den Sängern aufscheint, dann kann mit diesem Ambiente
kein Opernhaus der Welt mithalten.
© Musikfestspiele Potsdam Sanssouci / Stefan Gloede
Ein super Festival
21.06.2016 10:08
kulturradio vom rbb | "Armide"
2 von 2
https://www.kulturradio.de/rezensionen/buehne/2016/06/Musikfestspie...
Die Produktion lief letztes Jahr in Innsbruck, und auch die Sänger kommen vom dortigen Cesti-Gesangswettbewerb. Die
Farbe auf den Ornamenten wirkt noch feucht, die Deklamation angelernt. Umso frischer macht das die Sache. Gecoacht
wurden Emilie Renard in der Titelrolle und Rupert Charlesworth (Renard) von niemand geringerem als Jeffrey Francis, einem
alten Bekannten aus Grauns "Cleopatra e Cesare" (vor vielen Jahren an der Berliner Staatsoper); er tritt hier höchstselbst als
"La Haine" auf. Auch das hochmögende Centre de musique baroque de Versailles (CmbV) hat beratend mitgewirkt; dies sind
Details, an dem Sie ein super Festival wie dasjenige von Potsdam-Sanssouci unschwer erkennen können.
Ein neuer Lully
Patrick Cohën-Akenine mit seinem Ensemble Les Folies Francoises mit 12 Musikern verfügt über ein heiseres, strähniges
Klangbild, weniger pompös als üblich. Das zeigt uns hier einen neuen Lully: trockener, tänzerisch leichter, weniger höfisch
aufgebrezelt als sonst. Der Lully-Bann ist gebrochen! Dies ist eine der wichtigsten Aufführungen der letzten Jahre – so
dekorativ unauffällig sie sich gibt.
Kai Luehrs-Kaiser, kulturradio
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Was ist das?
Mehr Infos zum Thema
Musikfestspiele Potsdam
"Armide" [http://www.kulturradio.dehttp://www.musikfestspiele-potsdam.de/]
Mit Emilie Renard (Armide), Rupert Charlesworth (Renaud), Daniela Skorka (Phénice), Miriam Albano (Sidonie),
Pietro di Bianco (Hidraot), Jeffrey Francis (La Haine), Tomislav Lavoie (Aronte/Ubalde) und Enguerrand de Hys
(Artémidor/Chevalier Danois)
Musikalische Leitung: Patrick Cohën-Akenine
Regie: Deda Cristina Colonna
Bühne: Francesco Vitali
Premiere: 18. Juni 2016
© Rundfunk Berlin-Brandenburg
http://www.kulturradio.de/rezensionen/buehne/2016/06/Musikfestspiele-Potsdam-Armide.html
21.06.2016 10:08
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(.1*0(*
'&+8%!!"&
unbeschreiblichen
Zauber – seien es
Tänze von
ausgelassener
Fröhlichkeit,
Galanterien,
bukolische Szenen
oder die furiosen
Auftritte von
Dämonen der
Unterwelt. Das ist
schwebend leicht,
elegant und auch
rasant, wenn die
Tänzer martialisch im
Lullys “Armide” bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci 2916/ Szene/ Foto© Musikfestspiele
Rhythmus der Musik
Potsdam Sanssouci / Stefan Gloede
stampfen. Besonderen
Reiz hat eine Passacaille im letzten Akt mit ganz eigenem choreografischem Vokabular.
Die auf dieses Genre spezialisierten Nordic Baroque Dancers aus Schweden hatten
großen Anteil am enthusiastischen Erfolg der Aufführung.
Handverlesen war die Sängerauswahl mit in diesem Idiom versierten Interpreten,
angeführt von Emilie Renard in der Titelrolle, deren flammender Mezzo die Partie mit
großer Autorität und fulminanter Wirkung bewältigte. In prachtvoller rot/goldener
Robe und Federputz war sie auch optisch ein attraktiver Blickfang, und ihre expressiven
Klagen, die rasende Anrufung des Hasses („Venez, venez, Haine implacable“) oder der
letzte Auftritt im Ausnahmezustand („Traitre, attends“), bei dem sie sich die Perücke
vom Kopf reißt und hinten ihr Zauberschloss zusammenstürzt, waren dazu adäquate
vokale Höhepunkte. Pompös gewandet in silberner Rüstung und Federbusch erschien
Rupert Charlesworth mit jugendlich strahlendem Tenor als Renaud. Der Tenorveteran
Jeffrey Francis überraschte als La Haine – gesanglich mit ungebrochen präsenter,
expressiver Stimme und optisch als Parodie auf einen Starkastraten mit Klumpfuß und
ausladendem Kostüm. Exzellente Leistungen auch von Daniela Skorka und Miriam
Albano als Armides Vertraute Phénice und Sidonie, Pietro di Bianco als Armides Onkel
Hidraot sowie Tomislav Lavoie und Enguerrand de Hys in mehreren Rollen.
Eigens für diese
Produktion wurden
Kopien historischer
Streich-Instrumente
nachgebaut, wie sie
am Hof von Versailles
von den legendären
Vingt-quatre Violons
du Roy gespielt
wurden. Das
Ensemble Les Folies
francoises ließ unter
seinem Gründer
Patrick CohënAkenine diesen Lullys “Armide” bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci 2916/ Szene/ Foto© Musikfestspiele
spezifisch
Potsdam Sanssouci / Stefan Gloede
aufgerauten,
reizvollen Klang vernehmen, den diese Instrumente erzeugen, und begeisterte darüber
hinaus mit farbigem und akzentuiertem Spiel.
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„Im Zeichen der Toleranz“ stand das EErrööffffnnuunnggsskkoonnzzeerrtt der Festspiele am 12. Juni
2016 in der Potsdamer Friedenskirche, in dem sich mit Les Ambassadeurs ein
hierzulande noch wenig bekannter Klangkörper vorstellte. Unter seinem Gründer Alexis
Kossenko begeisterte das Ensemble mit musikantischer Spielfreude, hoher
Klangqualität und ganz eigener Note in einem geschickt konzipierten Potpourri, das
Kompositionen von Rameau, Marais, Leclair, de Mondonville und Campra vereinte.
Gleich der furiose Einstieg mit der Ouvertüre zu Rameaus Zoroastre zündete – der 1683
geborene Tonsetzer dominierte ohnehin das Programm mit etwa 15 Titeln. Da gab es
Stücke von reizvollem tänzerischem Schwung, wie das „Tambourin“ aus Castor et Pollux
oder das „Ballet figuré“ aus Zoroastre, solche von pompöser Festlichkeit oder
kriegerischer Gewalt, wie die „Chaconne“ aus Les Indes galantes und der
„Schlachtenlärm“ aus Dardanus, aber auch mehrere Vokalbeiträge. Kompetente
Interpreten warteten stimmlich mit einem reichen Farbspektrum auf: Die britische
Sopranistin Katherine Watson ließ in der exponierten Lage einige steife Töne hören,
wirkte in der Mittellage weitaus vorteilhafter, so in der Anrufung der Scylla aus Leclairs
Scylla et Glaucus oder der klagenden Arie der Venus aus de Mondonvilles Les Fetes de
Paphos. Fulminant geschleuderte Koloraturketten bei grellem Klang in der Höhe, der
hier als Ausdrucksmittel diente, vernahm man in der Arie einer Grazie, „Vents furieux“
aus La Princesse de Navarre. In einem zweiten Solo, „De rochers entassés“, ruft die
Grazie zur Versöhnung der Völker auf, was ebenso dem Motto des Konzertes entsprach
wie das Duett eines Franzosen und eines Spaniers, „À jamais de la France“ aus dieser
Oper. Hier hörte man den schwedischen Tenor Anders J. Dahlin und den französischen
Bariton Aimery Lefèvre – Ersterer ein international renommierter Vertreter der seltenen
Gattung Haute-contre, der schon im Vogelgesang des Trajan aus Rameaus Le Temple de
la gloire mit schwebender Höhe und schmeichelnden Koloraturen entzückt und die Arie
des Dardanus, „Lieux funestes“, als schmerzliches Lamento mit bohrender Intensität,
aber auch somnambuler Entrücktheit vorgetragen hatte. Der Bariton ließ in der
expressiven Arie des Neides, „Profonds abimes“ aus Le Temple de la gloire bis auf die
mattere Tiefe eine Stimme von enormer Pracht hören und trumpfte auch im Duett mit
Apoll aus dieser Oper, „Arretez, monstres furieux!“ mit viriler Energie auf, so dass dieses
erregte Kräftemessen zwischen der Furie des Neides und dem Gott des Lichts einen
Höhepunkt des Programms markierte. Der Abend endete mit einem strahlenden
Orchesternachspiel, das jener Arie des Apoll folgt, in welcher er die Musen aufruft, die
Welt zum Guten zu verwandeln („Pénétrez les humains“). Das Orchester konnte hier
noch einmal glänzen und sich als ein Ensemble der Alte-Musik-Szene von hohem Rang
behaupten.
Alljährlich ein Ereignis
im FestspielProgramm ist das
traditionelle
O
Oppeenn--aaiirr--KKoonnzzeerrtt mit
abschließendem
Feuerwerk auf den
illuminierten
Terrassen des
Orangerie-Schlosses.
Am 11. Juni 2016
waren unter dem
Motto „Eine Nacht in
Versailles“ königliche
Festmusiken zu
erleben – in der für
Eröffnungskonzert in der Potsdamer Friedenskirche bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci
2916/ Szene/ Foto© Musikfestspiele Potsdam Sanssouci / Stefan Gloede
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hochkarätigsten Interpretation durch Le Concert des Nations unter seinem Gründer
Jordi Savall. Auch hier war die Programmkonzeption (Die Nacht der drei Könige)
bestechend, bot sie doch in drei Blöcken Fetes Royales zur Zeit Louis XIII., Louis XIV. und
Louis XV.
Pompöser Bläserglanz eröffnete den ersten Teil mit Musik der großen Hofballette am
Hofe von Ludwig XIII. Galante Tänze, liebliche Pastorales, mitreißende Rhythmen und
auch fremdartige Klänge fügten sich hier zu einem Pasticcio von faszinierender Vielfalt.
Im Mittelpunkt des zweiten Teils, der die Ära des Sonnenkönigs mit deren reicher
Festkultur beleuchtete, standen Tänze und Orchesterstücke aus Lullys Alceste und
Marais’ Alcione. Festliche Märsche, reizvolle Echo-Wirkungen und farbige Klänge von
Dämonen und Fabelwesen sorgten auch hier für spannende Kontraste – interpretiert
von dem katalanischen Ensemble mit hinreißend vitaler Spielfreude. Der dritte Teil
behandelte Rameaus große Zeit in der Epoche Ludwig XV. mit Ausschnitten aus seinen
Opern Les Indes galantes und Naïs sowie als musikalische Untermalung zum Feuerwerk
Gewitter- und Donner-Szenen aus Les Indes galantes, Hippolyte et Aricie und Les
Boréades. Savall und seine Musiker überwältigten mit scharf artikulierten Affekten und
spannenden dynamischen Kontrasten. Die optische Pracht am Himmel und die
akustische auf dem Podium vereinten sich zu einem strahlenden Fest von königlicher
Manier (Foto oben: Feuerwerk über Sanssouci/ Pressestelle MPS). Bernd Hoppe
Die Festspiele des Jahres 22001177 finden vom 9. bis 25. Juni unter dem Motto W
Waasssseerr //
FFeeuueerr // EErrddee// LLuufftt statt.
MUSIKFESTSPIELE POTSDAM SANSOUCI
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