Vom Hilfsarbeiter zur Fachkraft

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Vom Hilfsarbeiter zur Fachkraft
INFORMATION
zur Pressekonferenz
mit
Wirtschafts-Landesrat KommR Viktor Sigl,
Dr. Rudolf Trauner
Präsident Wirtschaftskammer OÖ
und
Dr. Johann Kalliauer
Präsident Arbeiterkammer OÖ
am 21. Juni 2010
zum Thema
"Vom Hilfsarbeiter zur Fachkraft:
Du kannst was! – und das zählt am oö. Arbeitsmarkt"
www.favooe.at
SIGL / TRAUNER / KALLIAUER
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Kurzfassung
Erfolg für oö. Pilotprojekt "Du kannst was!"
Vom Hilfsarbeiter zur Fachkraft:
Lehrabschluss statt Leerabschluss!
Die Pflichtschule als höchster Abschluss: Das gilt für fast 100.000 Menschen in
Oberösterreich
-
zum
Beispiel
die
klassischen
Hilfsarbeiterinnen
und
Hilfsarbeiter. Dabei verfügen sie über sehr gute berufliche Kenntnisse und
Fähigkeiten. Um diese zu nützen und diese Personen zu dringend benötigten
Fachkräften zu machen, haben Wirtschafts-Landesrat Viktor Sigl und die
Sozialpartner Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer vor zweieinhalb Jahren
das oö. Pilotprojekt "Du kannst was!" gestartet. Das Projekt wurde ein Erfolg: 72
Personen haben bereits einen Lehrabschluss geschafft. Die Erfolgsquote liegt bei
83 Prozent. Jetzt wurde "Du kannst was!" auch fix in den Pakt für Arbeit und
Qualifizierung aufgenommen, mit 200.000 Euro dotiert und wird im Herbst
wieder "durchgestartet". Zur Zielgruppe zählen in besonderem Maß auch
Menschen mit Migrationshintergrund.
"Wer besser qualifiziert ist, wer mehr kann, ist krisensicherer – und damit nicht so
rasch von Arbeitslosigkeit bedroht", betont Wirtschafts-Landesrat Viktor Sigl. Das
Projekt "Du kannst was!" gibt Menschen ohne beruflichen Abschluss, aber mit
wertvollen Kompetenzen und Fähigkeiten eine neue Perspektive. Um eine Konkurrenz
zur üblichen Lehrzeit zu vermeiden, wurde das Mindestalter für Teilnehmer/innen
des Projekts mit 22 Jahren festgelegt.
Ziel war und ist es, Qualifizierungsmaßnahmen für gemeinsam mit dem AMS OÖ
ausgewählte Berufe zu schaffen und die Betroffenen zu einem Lehrabschluss zu
führen.
Die
ausgewählten
Berufe
(Berufe
mit
überdurchschnittlich
vielen
„angelernten“ Kräften) sind: Koch, Maurer, Universalschweißer, Garten- und
Grünflächengestaltung, Metallbearbeitung, Tischlerei, EDV- Techniker, Einzelhandel,
Restaurantfachmann/frau.
Mit Umsetzung und Abwicklung des Projektes wurde der Firmenausbildungsverbund
(FAV) – eine Initiative von Land Oberösterreich, AK OÖ und WKO ÖÖ – betraut.
Pressekonferenz am 21. Juni 2010
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Wirtschafts-Landesrat Viktor Sigl
Vom Hilfsarbeiter zur Fachkraft:
Fähigkeiten nützen, Abschluss ermöglichen
Durch die weltweit wirtschaftlich schwierige Situation in den
vergangenen zwei Jahren ist für einige Zeit ein Problem aus dem
Blickfeld gerückt, das noch kurz zuvor den Wirtschaftsstandort OÖ
besonders beschäftigt hat – und auch wieder beschäftigen wird: Der
Fachkräftemangel. Sinkende Geburtenzahlen werden diese Situation –
sobald auch die Konjunktur wieder anzieht – erneut verschärfen.
2007 haben das Wirtschaftsressort des Landes OÖ und die Sozialpartner
Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer das Projekt "Du kannst was!"
gestartet. Das klare Ziel: Menschen, die über sehr gute Fähigkeiten,
aber über keinen über den Pflichtschulabschluss hinausgehenden
Abschluss verfügen, wie beispielsweise der klassische Hilfsarbeiter,
sollen zu einem Lehrabschluss kommen.
72 Personen haben in der Zwischenzeit mit dem Pilotprojekt "Du kannst
was!" bereits einen Lehrabschluss gemacht – und den Sprung vom
Hilfsarbeiter und Ungelernten zur Fachkraft geschafft. Die Erfolgsquote
von mehr als 83 % hat dazu beigetragen, dass das Projekt auch in den
Pakt für Arbeit und Qualifizierung aufgenommen wurde – und mit
200.000 Euro dotiert ist. Im Herbst wird wieder "durchgestartet".
Geburtenentwicklung in OÖ
Grafik: WK OÖ
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Fähigkeiten von Hilfsarbeiter/innen in das
"anerkannte" Können von Fachkräften ummünzen
Ein entscheidender Erfolgsfaktor, um genügend qualifizierte Fachkräfte
zu haben, war in der Vergangenheit die duale Ausbildung. Sie wird es
auch in Zukunft sein. Bei Betrachtung der aktuellen demografischen
Entwicklung erkennt man aber, dass Oberösterreich den Höchststand
an Lehrlingen bereits erreicht hat. Das Potenzial für die duale
Ausbildung und daraus folgend für Fachkräfte, wird kleiner.
Ein
Reservoir
sind
nach
einer
aktuellen
Studie
(Mörth.
Niedrigqualifizierte in OÖ— Der Weg in die Weiterbildung.) rund
100.000 Personen im Alter zwischen 18 und 50 in der Gruppe (formell)
Niedrigqualifizierter oder Bildungsferner. Es gab und gibt in OÖ immer
noch zahlreiche Menschen, die keine über den Pflichtschulabschluss
hinaus führende Ausbildung verfügen – z.B. der klassische Hilfsarbeiter.
Diese Personen verfügen aber fast immer über ein hohes Ausmaß an
beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten. Diese Fähigkeiten, oft
verbunden mit kurzen Ausbildungen ohne staatlich anerkannten
Abschluss, bedeuten eine große Chance, über geeignete Maßnahmen
einen Lehrabschluss nachzuholen. Zur Zielgruppe gehören übrigens
neben den nicht formal qualifizierten Oberösterreicher/innen auch
erwachsene Frauen und Männer mit Migrationshintergrund.
Projekt "Du kannst was"! wurde
zu einem oberösterreichischen Erfolgsmodell
Eine
Arbeitsgruppe
-
gebildet
aus
Vertreter/innen
des
Erwachsenenbildungsforum OÖ und der Sozialpartner - entwickelte
nach dem Start 2007 Ideen und daraus folgend das Projekt "Du kannst
was!" Ziel war und ist es, Qualifizierungsmaßnahmen für gemeinsam
mit dem AMS OÖ ausgewählte Berufe zu schaffen und die Betroffenen
zu einem Lehrabschluss zu führen. Die ausgewählten Berufe (Berufe
mit überdurchschnittlich vielen „angelernten“ Kräften) sind: Koch,
Maurer,
Universalschweißer,
Garten-
und
Grünflächengestaltung,
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Metallbearbeitung,
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Tischlerei,
Restaurantfachmann/frau.
Mit
EDV-
Techniker,
Umsetzung
und
Einzelhandel,
Abwicklung
des
Projektes wurde der Firmenausbildungsverbund (FAV) – eine Initiative
von Land Oberösterreich, AK OÖ und WKO ÖÖ – betraut.
Diese Qualifizierungsschritte stellen sich nunmehr wie folgt dar:
Einstiegsberatung
Erste Kompetenz-Feststellung
Weiterbildungsberatung
Ergänzende Weiterbildung/„Aufschulung“
eventuell abschlussbezogene Beratung
Zweite Performance-Feststellung/(ähnlich Lehrabschlussprüfung)
Validierung der gesamten Verfahrens-Ergebnisse/Berufsabschluss/
Ausstellung eines Lehrabschlusszeugnisses
Der Stellenwert der Lehre bzw. eines Lehrabschlusses als Einstieg in
das Berufsleben wird durch dieses Modellprojekt übrigens besonders
betont. Um eine Konkurrenz zur üblichen Lehrzeit zu vermeiden,
wurde das Mindestalter für Teilnehmer/innen des Modellprojektes mit
22 Jahren festgelegt.
Zahlen, Daten und Fakten
Bilanz des Projektes "Du kannst was!"
Es gab (obwohl vorerst kaum Werbung gemacht wurde) 197 Anfragen.
Davon haben sich 155 Interessenten zu einer Beratung angemeldet.
Den Portfolioprozess = erste Evaluierung des vorhandenen Wissens und
der Fähigkeiten, haben 99 Personen begonnen.
86 Personen starteten in die erste Performanzfeststellung – auf Anhieb
und ohne jede Schulung haben sechs Klienten den Lehrabschluss
geschafft.
Nach entsprechender Aufschulung und Ergänzung des
Wissensstandes haben 66 Klienten Lehrabschluss geschafft. Bei 72
positiven Abschlüssen beträgt die Erfolgsquote mehr als 83 %.
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Altersverteilung
Grafik: WK OÖ
Aufteilung nach Geschlecht
Grafik: WK OÖ
Staatsbürgerschaft
Grafik: WK OÖ
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Dr. Rudolf Trauner, Präsident Wirtschaftskammer OÖ
Zusätzliches Fachkräftepotenzial
zum Wohle der oö. Volkswirtschaft aktivieren
„Du kannst was!“ ist der Beweis, dass besonders jene Mitbürger/innen
noch Potentiale ausschöpfen könnten, denen in der Vergangenheit
entweder keine Chance auf eine Berufsausbildung geboten wurde oder die
in ihrer Jugend die gebotenen Chancen (noch) nicht nutzen konnten.
Nicht
zu
vergessen
der
Wissens-
und
Erfahrungsschatz
unserer
Mitbürger/innen mit Migrationshintergrund.
Eine
Erfahrung
aus
dem
Projekt
ist,
dass
die
meisten
Projektteilnehmer/innen ihr Wissen und Können eher unterschätzt als
überschätzt haben. Ein Zusatznutzen: bisher eher nicht so bildungsnahe
Menschen konnten davon überzeugt werden, dass Lernen auch Freude
machen kann. Der Schritt zum Lehrabschluss war für die meisten „neuen“
Fachkräfte generell der Schritt in eine neue Karriere. Es bereiten sich
einige schon auf die nächsten, weiteren Qualifikationen vor. Allerdings
wurde im Rahmen des Projektes auch wieder einmal festgestellt, dass
ohne entsprechende Sprachkenntnisse und Willen zum Lernen die
Chancen auf eine berufliche Weiterentwicklung stark eingeschränkt sind,
und damit leider auch die Gefahr von Arbeitslosigkeit einfach höher ist.
Immerhin sind drei Teilnehmer mangels entsprechender Sprachkenntnisse
nicht zum gewünschten Abschluss gekommen.
Besondere Freude macht es zu sehen, wie auch das Selbstwertgefühl
dieser neu qualifizierten Menschen gestiegen ist. Daher kann man sowohl
den sozialen als auch integrativen Aspekt dieser Aktion nicht hoch genug
einschätzen. Eine erfreuliche Nebenwirkung in Zeiten klammer Kassen
der öffentlichen Hand: für die Weiterführung dieses Projektes vom
Pilotprojekt zum Regelbetrieb sind keine zusätzlichen großen Aufwände
und Strukturen erforderlich. „Du kannst was!“ ist eine weitere
Erfolgsstory in der oö. Weiterbildungslandschaft und eine wertvolle
Ergänzung der bereits länger bestehenden Möglichkeiten zur verkürzten
Erreichung eines Lehrabschlusses, wie z.B. die ausnahmsweise Zulassung
zu einer Lehrabschlussprüfung.
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Dr. Johann Kalliauer, Präsident Arbeiterkammer OÖ
Das erfolgreiche Projekt "Du kannst was!"
auf mehr Berufe und Teilnehmer ausweiten
15 bis 17 Prozent eines Jahrganges verfügen über keinen Berufsabschluss.
Arbeitnehmer/innen ohne abgeschlossene Berufsausbildung haben ein höheres
Risiko, arbeitslos zu werden. Und sie haben es auch schwerer, wieder einen
neuen Job zu finden. Deshalb muss gezielt daran gearbeitet werden, dass das
(Berufs-) Bildungssystem bessere Ergebnisse bringt und der Anteil der
Jugendlichen
ohne
Berufsausbildung
gesenkt
wird.
Auch
den
Arbeitnehmern/innen, die ohne Berufsabschluss bereits in Arbeit stehen,
müssen wir geeignete Ausbildungsangebote machen. Das Projekt „Du kannst
was“,
das
von
der
oberösterreichischen
Erwachsenenbildung
und
den
Sozialpartnern in intensiver Vorarbeit entwickelt wurde, zielt genau auf diese
Gruppe und geht einen neuen, innovativen Weg.
Viele der Arbeitnehmer/innen ohne formale Berufsabschlüsse haben sich in
ihrer Arbeit weitreichende berufliche Kompetenzen angeeignet, die weder
ihnen selbst noch den Arbeitgebern/innen immer bewusst sind. Diese
Kompetenzen sichtbar zu machen und als Basis für einen Berufsabschluss
anzuerkennen, ist ein wichtiges Anliegen für Arbeitnehmer/innen und
Arbeitgeber/innen.
Mit
einer
darauf
aufbauenden,
maßgeschneiderten
Weiterbildung sollte es möglich sein, einen Berufsabschluss zu erreichen. Das
hilft
den
betroffenen
Arbeitnehmern/innen
und
der
Abdeckung
des
Fachkräftebedarfs.
Ziele hervorragend erreicht
Das Projekt „Du kannst was“ hat seine Ziele hervorragend erreicht: Es wurde
ein geeignetes und mittlerweile in Österreich viel beachtetes Verfahren
entwickelt
und
in
einem
ersten
Durchlauf
erfolgreich
erprobt.
72
Arbeitnehmer/innen haben über das Projekt einen gültigen Lehrabschluss
erhalten.
Mein Dank gilt an dieser Stelle allen, die an der erfolgreichen
Umsetzung des Projekts mitgewirkt haben, insbesondere den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Erwachsenenbildung (Volkshochschule Linz, BFI, WIFI und
LFI),
der
Lehrlingsstelle,
dem
Firmenausbildungsverbund
(FAV),
der
Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer, aber auch jenen, die an der
Pressekonferenz am 21. Juni 2010
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Vorbereitung
des
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Projekts
Erwachsenenbildungsforum,
dem
beteiligt
ÖGB,
waren,
wie
dem
und der Industriellenvereinigung.
Persönlich danke ich Dr. Heinz Wenidoppler, der das Projekt koordiniert hat
und dem Leiter unserer Abteilung Bildung und Kultur, Dr. Fritz Bauer, der das
Projekt im FAV verantwortlich geleitet hat.
Vom erfolgreichen Probelauf zum Standardangebot
Aus Sicht der Arbeiterkammer soll nach dem erfolgreichen Probelauf jetzt rasch
ein
Übergang
vom
(Pilot-)Projekt
zum
Standardangebot
der
Fachkräftequalifizierung erfolgen. Der erfolgreiche Abschluss des Projekts
zeigt, dass sowohl eine Erweiterung auf zusätzliche Berufe (bisher zehn) als
auch eine Ausdehnung auf mehr Arbeitnehmer/innen (bisher auf 100
beschränkt) möglich ist und so den vielsprechenden Weg zum Nachholen von
Berufsabschlüssen verbreitern kann. Viele Anfragen aus anderen Bundesländern
zeigen, dass für diese oö. Innovation im gesamten Bundesgebiet Interesse
besteht. Einer Ausweitung dieses Qualifizierungsinstruments auf das gesamte
Bundesgebiet sollte nichts im Wege stehen.
Dazu ist es erforderlich, auf die Bundesstellen (BMUKK, BMWFJ, AMS, WKÖ,
BAK) mit dem Ziel zuzugehen, das oberösterreichische Modell allgemein
anzubieten und dieses Instrument auf gesicherter rechtlicher, finanzieller und
organisatorischer Basis in ganz Österreich einzurichten und allen betroffenen
Arbeitnehmern/innen
einen
freien
Zugang
zu
diesem
System
der
Fachkräftequalifizierung zu ermöglichen. Das wäre eine hervorragende und
notwendige Ergänzung zu den Bund-Länder-Vereinbarungen zur Grundbildung,
zum Nachholen des Hauptschulabschlusses und zur Berufsreifeprüfung.
Projekt in Oberösterreich weiterentwickeln
Bis Ergebnisse auf Bundesebene vorliegen, wollen wir in OÖ nicht untätig sein,
sondern
weiter
Erfahrungen
mit
dem
Verfahren
sammeln,
zusätzliche
Arbeitnehmer/innen zu Fachkräften qualifizieren und auf sozialpartnerschaftlicher Basis eine stabile organisatorische Grundlage entwickeln. Die
bisherigen Projektpartner sollen in die Weiterentwicklung voll eingebunden
bleiben, die Mitarbeit der vielen engagierten Expertinnen und Experten soll
unbedingt erhalten bleiben. Auch in dieser schwierigen budgetären Situation
muss für dieses Projekt eine ausreichende Finanzierung ermöglicht werden. Die
AK wird sich auch für eine Beteiligung des AMS OÖ einsetzen.
Pressekonferenz am 21. Juni 2010