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Transcription

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Victor Klemperer / Rita Schober
Briefe 1948 – 1959
Am 16. November 1945 erreichte Victor Klemperer die Mitteilung, daß er zum 1. September
1945 wieder in das Ordinariat für Romanische Philologie an der Technischen Hochschule Dresden eingesetzt worden sei, aus dem er am 1. Mai 1935 vertrieben worden
war. Im Oktober 1947 erhielt er die Genehmigung, aus dem Lehrkörper der TH auszuscheiden, im Januar 1948 dann einen Ruf nach Greifswald. Im Juli desselben Jahres
wurde er nach Halle berufen, wo er bis zu seinem Tode tätig war. Seit dem Sommersemester 1950 hielt er zudem als Gast Vorlesungen an der Humboldt-Universität
Berlin, an die er im August 1951 als Professor mit Lehrstuhl für das Fach Romanistik
(Literatur) berufen wurde. Von dem Berliner Lehrstuhl wurde er zum 1. September
1955 entpflichtet, hielt dort jedoch bis ins Frühjahr 1959 weiter eine Vorlesung.i
Rita Schober arbeitete bereits seit 1946 am Romanischen Seminar in Halle, als
Klemperer am 19. Mai 1948 zu Berufungsverhandlungen erstmals dorthin kam. Sie
empfing ihn und seine Frau mit einem ersten Tee.ii Seinerseits hat Klemperer schon
die ersten, offensichtlich für ihn sofort wichtigen, Begegnungen mit der jungen marxistischen Doktorin (wie dann auch spätere) in seinem Tagebuch beschrieben.iii Rita
Schober wurde seine wichtigste Schülerin, habilitierte sich im März 1954 bei ihm, war
seit dem 1. Mai 1954 Professor mit vollem Lehrauftrag sowie Fachrichtungsleiter am
Institut für Romanistik der Humboldt-Universität und am 1. September desselben
Jahres seine Nachfolgerin als geschäftsführender Direktor des Instituts (damals
selbstverständlich mit der männlichen Form in den Ernennungsurkunden und im Umgang).
Die zwischen Klemperer und Schober vom Beginn ihrer Bekanntschaft bis kurz vor
Klemperers Tod im Februar 1960 gewechselten Briefe bringen nur den kleineren Teil
ihrer Beziehungen zur Anschauung: wer am selben Ort zusammenarbeitet, spricht
direkt und schreibt sich nur ausnahmsweise. Durch Klemperers Wohnsitz in Dresden
und seine Tätigkeit auch an anderen Orten als Berlin waren die Kontakte aber doch
häufig genug unterbrochen, um eine in mehreren Hinsichten aussagekräftige Korrespondenz entstehen zu lassen. Soweit sie erhalten ist,iv wird sie im folgenden ersti
ii
iii
iv
214
Vgl. genauer Rita Schober, Victor Klemperers Wirken nach 1945, in: Schober, Auf dem
Prüfstand. Zola – Houellebecq – Klemperer, Berlin: edition tranvía – Verlag Walter Frey,
2003, S. 325-336.
Vgl. ebenda, S. 325.
Victor Klemperer, So sitze ich denn zwischen allen Stühlen, Bd. 1: Tagebücher 19451949; Bd. 2: Tagebücher 1950-1959, hg. von Walter Nowojski, Berlin: Aufbau-Verlag,
1999 [Band 2 im folgenden: Tagebücher].
Den vorhandenen Briefen sind etliche Lücken in der Überlieferung der Korrespondenz,
vor allem bei Briefen von Rita Schober, zu entnehmen. Alle nicht anders bezeichneten
Briefe Victor Klemperers sind handschriftlich verfaßt und befinden sich im Archiv Rita
mals veröffentlicht – ohne jede Änderung auch dort, wo Schreibversehen zu korrigieren gewesen wären. Nur zwei Namen wurden anonymisiert. Wo es für das Verständnis erforderlich schien, sind erläuternde Anmerkungen hinzugefügt worden; nicht alle
Anspielungen konnten allerdings aufgeschlüsselt werden.
Die Briefe sind von Interesse zum einen als Zeugnisse zur Wissenschaftsgeschichte der frühen DDR. Wie Institute, Fakultäten und Universitäten intern kommunizierten und wie das zuständige Staatssekretariat Einfluß nahm, läßt sich ihnen ebenso
ablesen wie der Gang des wissenschaftlichen Produzierens und das Verhältnis zwischen Ordinarius und wissenschaftlichem Nachwuchs. Auch der Blick nach außen
findet sich, ins westliche Deutschland wie nach Frankreich. Die Ebene, auf der darüber geschrieben wird, ist eine mittlere: Es geht immer um Konkreta, nicht um das
System, und noch, wo Prinzipielles zur Sprache kommt, ist es gebunden an Erfahrungen im Wissenschaftsalltag – aber die Akteure sind doch auch solche, die ihre Verhältnisse selbst zu gestalten bemüht sind und also allgemeinere Ansprüche formulieren
und Kontexte beurteilen, statt in ihnen nur zu funktionieren. Dabei schätzen die beiden
Briefpartner sich nicht nur fachlich, sie vertrauen sich persönlich, ja sie vertrauen sich
sogar einander an, bis in ihre gelegentlich temperamentvoll ausgetragenen Differenzen hinein. Ihre Briefe vermitteln subjektiv authentische Nachrichten aus dem wissenschaftlichen Leben. Zumindest einige der umlaufenden Urteile über das, was es hieß,
Romanist in der frühen DDR zu sein, erhalten in ihnen daher Erweiterungsmöglichkeiten.
Das zweite Interesse richtet sich auf die Persönlichkeit Victor Klemperers, dem
nicht nur, aber auch diese Zeitschriftv seit der Veröffentlichung seiner Tagebücher aus
den Jahren 1933-1945 erneuerte Aufmerksamkeit gewidmet hat. In seinen Tagebüchern hat er über sein Leben in der DDR ebenfalls ein Zeugnis vorgelegt, das an persönlicher Genauigkeit und Ausführlichkeit kaum zu übertreffen ist. Auch viele der in
der Korrespondenz mit Rita Schober erörterten Fragen gestattet es erweiternd zu begreifen. Die Briefe sind aber nicht nur Wiederholung des dort Notierten. Man schreibt
Briefe aus bestimmten Anlässen, und man hebt sie zumeist erst auf, wenn sie in besonderen Hinsichten wichtig sind: sie pointieren also den gewöhnlichen Gang durch
doppelte Auswahl. Hervorgehoben seien vier Aspekte (anderen Lesern werden andere
oder weitere auffallen). Für Klemperer war Herzlichkeit von Bedeutung – die Grußformel unter seinen Briefen ist nie Floskel, immer aus dem davor Gesagten genährt
(manchmal so sehr, daß auf sie verzichtet werden kann), und wo sie einmal samt sogar der Anrede verweigert wird, ist die persönliche Erregtheit tief. Diese Erregtheit, so
ein zweiter Eindruck, schießt ab und an über die Grenzen des Vernünftigen hinaus –
Klemperer war schnell verletzt und aufbrausend, reagierte auch, bevor alles abgewogen war, und ist vielleicht nicht zuletzt durch diese Sensibilität der für die Späteren
v
Schobers. Klemperers Nachlaß in der Landesbibliothek Dresden enthält dagegen nur einen Brief von ihr sowie den Durchschlag eines seiner Briefe an sie, der wiederum bei ihr
nicht erhalten ist.
Vgl. das von Michael Nerlich herausgegebene Doppelheft 1996/82-83 von lendemains.
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bedeutende Genosse seiner Zeiten geworden, der er war. Des weiteren trug der Ort,
den er nach 1945 gewählt hatte, die Kommunistische Partei, dann die SED in
Deutschlands Osten und ihr besonderer, beschränkter Marxismus, zu seinem „Kummer, Ärger, Zwiespalt des Gemüts, des Intellektes, des Gewissens“ (so am
14. Januar 1959 als eine Frage an Rita Schober formuliert, die eigenes Erleben
einschloß) nicht wenig bei, erfüllte neben Wichtigerem seinen durchaus auch auf
äußere Zeichen gerichteten Ehrgeiz nicht – aber die Alternativen, im Judentum, im
Westen, hat Klemperer für sich dennoch nicht akzeptieren können. So beeindruckt als
Letztes und vielleicht vor allem, wie dieser Romanist seine Ansprüche nie aufgegeben
hat – an eine Literaturwissenschaft, die ihren Bezug auf das „spezifisch Menschliche“
immer an die erste Stelle setzen solle (am 17. Februar 1954 in der Polemik gegen ein
„engherziges“ Verkennen des Marxismus ausführlich dargelegt), und an sich selbst,
der schwer krank und keine zwei Monate vor seinem Tod ein neues Auto kauft und
„noch zu einer wirklich aktiven neuen Tätigkeit für ein paar Jahre zu kommen“ strebt.
Wolfgang Klein
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Victor Klemperer an Rita Schober
Romanisches Seminar
der Universität Halle
Halle, den 23.12.1948
Liebe Genossin Rita –
1) telefonierte man vom Ministerium an, Ludwig Einicke1 lasse Dir sagen, falls
noch ein Referat für unsere Hochschulabende von ihm gebraucht wird, so müßte das
vor dem 12. Januar steigen, danach sei er nicht mehr frei. Er bittet um Antwort.
2) Kannst Du, oder könnt Ihr uns mit etwas Schreibmaschinenpapier (für Manuskript u.
für Durchschläge) aushelfen? Es braucht nur leihweise zu sein, da wir bestimmt
von unseren Verlegern beliefert werden u. nur im Augenblick auf dem Trockenen
sitzen.
3) Könnt Ihr uns eine Kuriersendung (Manuscript) an den Verlag (Volk und Welt)
möglichst gleich nach dem Fest vermitteln?
4) Ist es Euch recht, an einem dieser Ferientage eine Tasse Tee bei uns zu trinken? Bitte bestimmt selber den Nachmittag (15 h), der Euch genehm ist. T 29368
Mit den besten Festwünschen und Grüßen v. H. z. H.
Dein
Victor Klemperer
und Eva2
Victor Klemperer an Rita Schober
[Undatierter Zettel, vermutlich Ende 1950; Aufdruck auf der Vorderseite:
Romanisches Seminar der Universität Halle (Saale) / Halle;
am linken Rand unten handschriftlich: Dresden Sonntags vorm.]
Liebste Rita ich werde bestimmt das SS. 51 im Amte bleiben,3 ich lasse Dich bestimmt nicht im
Stich.
1
2
3
Ludwig Einicke (1904-1975), früherer Häftling in den Konzentrationslagern Buchenwald,
Auschwitz und Mauthausen, 1946-1950 im Sekretariat des Landesvorstandes der SED
und zudem 1948-1950 Ministerialdirektor im Ministerium für Volksbildung in der Landesregierung Sachsen-Anhalt, im Sommer 1949 für einige Monate Minister für Volksbildung.
Eva Schlemmer (1882-1951) und Victor Klemperer hatten im Jahre 1906 geheiratet.
Mehrere Tagebucheintragungen zeigen Klemperer Ende 1950 voll der vergeblichen
„leere[n] törichte[n] Hoffnung“, Rektor der Hallenser Universität zu werden (Tagebücher,
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Wir waren gestern beide ein bißchen abgekämpft.
Mein Rat: habilitiere Dich erst u. bekomme erst Dein Kindchen. Du hast dann
alle Wege offen. Man muß Dir irgendwo ein Ordinariat geben. Keineswegs lasse
ich Dir Storost4 vor die Nase setze.
Ich bin Freitag wieder in Halle. Mittwoch die Kammer.5
Herzlich!
VKl
Victor Klemperer an Rita Schober
Prof. Dr. Dr. Victor Klemperer
Dresden A 34
Am Kirschberg 19
Telefon 83391 46825
Dresden 12. 4. 52
Meine liebe Rita noch einmal möchte ich Dir die herzlichsten Ostergrüße und Wünsche für rasche
und völlige Wiederherstellung sagen. Ich schreibe Dir, weil ich Dir etwas ausdrükken möchte, was sich unter nüchternen und Pathos-feindlichen Menschen schriftlich besser als mündlich erledigen läßt.
Du sollst meiner dauernden herzlichen Zuneigung, Freundschaft und Dankbarkeit ganz gewiß sein. Wie sehr ich Dich vom ersten Tage unserer Bekanntschaft an
geschätzt habe, und wie diese Schätzung immerfort gewachsen ist, mußt Du wissen. Aber es ist wirklich nicht nur Schätzung beruflicher und intellektueller Art, sondern tiefe Verbundenheit.
Jetzt hast Du in meine intimsten Dinge helfend und verständnisvoll eingegriffen.
Du könntest mich mit zwei Worten lächerlich und unmöglich machen; stattdessen
stehst Du mir bei. Es ist keine senile flüchtige Verliebtheit, die mich treibt; mir ist
4
5
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S. 102), „bitterlich“ leidend wegen des Einflusses von Werner Krauss in der Wissenschaft
und Nachwuchsausbildung (ebd., S. 111) sowie „sehr, sehr desillusioniert“ von seiner politischen Rolle in der Volkskammer („leerstes Repraesentationsspiel“; ebd., S. 100). Unter
dem 27. Januar 1951 hielt er dennoch in seinem Tagebuch fest: „Ich versprach treue Mitarbeit für ‘ein paar Semester’, bis Rita meine Nachfolge antreten könne“ (ebd., S. 128).
Joachim Storost (1905-1981), Romanist, Professuren: 1941 Halle, 1944 Innsbruck, 1948
Halle, 1949 Greifswald, 1953 Bamberg, 1958 Würzburg; Storost war für Klemperer nicht
zuletzt als früheres Mitglied der NSDAP problematisch.
Seit den ersten Volkskammerwahlen am 15. Oktober 1950 war Victor Klemperer in der
Fraktion des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands Abgeordneter
der Volkskammer der DDR.
bei allem Glücksgefühl sehr, sehr schwer ums Herz, ich komme mir immer wieder
wie ein Verräter an Eva vor, die ich beinahe fünfzig Jahre lang so sehr geliebt
habe. Aber ich war so tödlich einsam, und ich finde bei Hadwig, die mir immer so
sehr sympathisch war, eine neue Lebenswärme.6 Ich weiß in jedem Augenblick,
daß sie gewissermaßen mein Enkelkind ist. Aber Du selber hast mir gesagt, wie
vieles mich mit ihr verbindet. Du hast Dich in dieser ganzen beinahe komischen,
beinahe tragischen und doch wirklich sehr tiefgehenden und sehr glücklichen
Angelegenheit mit Deiner ganzen Einsicht als unsere Freundin erwiesen, Du wirst
das gewiß auch weiter so halten. Und wenn mir einmal etwas zustößt – Margarete7 spricht immer von meinem „biblischen Alter“ –, dann sollst Du beide Hände
über meine geliebte Hadwig halten. Sie hat zwar im Himmel ihren lieben Gott, aber
auf Erden möchte ich sie doch gern in Deinem Schutz sehen.
Liebe Rita, das ist ein sehr komischer Brief von Deinem alten Ordinarius – Ich
habe das feste Vertrauen, daß Du ihn – den Ordinarius und den Brief – nicht komisch nimmst.
Nochmals: alles, alles Gute für Dich und die Deinen.
In lebenslänglicher Verbundenheit
Dein
Victor Klemperer
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
[Kopfbogen]
Congresul NaĠional Pentru Apӽrarea Pӽcii Bucureúti 5-7 Decembrie 19528
Dresden 28.12.52
Liebste Rita zunächst herzlichsten Dank für all Deine schönen Weihnachtsgaben und noch einmal alles, alles Gute Dir und den Deinen für 1953!
(Das Pfefferkuchenkästchen mit der rumänischen Bluse ist hoffentlich als Weihnachtsgruß schon in Deinen Händen.)
Sodann meinen Glückwunsch zur wohlgelungenen Maupassant-Studie.9
6
7
8
Victor Klemperer und Hadwig Kirchner (geb. 1926) heirateten am 23. Mai 1952.
Margarete Steinhoff war Italienisch-Dozentin in Berlin; verheiratet mit Karl Steinhoff
(1892-1981), 1946 Ministerpräsident des Landes Brandenburg, von 1949 bis zu seiner
fristlosen Entlassung 1952 Innenminister der DDR sowie 1949-1953 Professor für Verwaltungsrecht an der Berliner Humboldt-Universität.
Klemperer war vom 6.-14. Dezember 1952 zur Teilnahme an der Schlußsitzung des Friedenskongresses und zu Vorlesungen an der Universität in Bukarest.
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Und nun eine Bitte in Punkto der sehr herzlichen „Laudatio“.10 Laß doch bitte
den „Rabbiner“ sowie jede besondere Betonung meines Judentums fort. Ich will
Dir sagen, aus wievielen Gründen mir sehr, sehr viel daran gelegen ist.
1) in Bezug auf meine Person ist mir jede philosemitische Extrawurst genau so
zuwider wie jede antisemitische Anpöbelung. Ich lehne es für meine Person aufs
allerentschiedenste ab zum „Volk der Juden“ oder zur jüdischen Religionsgemeinschaft gerechnet zur werden. Und ich lehne jede blutmäßige Bestimmtheit ab. Ich
bin vor mir selber, so lange ich denken kann, Deutscher, ich bin in jungen Jahren
zum Protestantismus übergetreten,11 weil ich in ihm, den ich mit Lessingschem
Denken identifiziert, das spezifisch Deutsche sah. In Wahrheit habe ich mit eigentlichem Gottglauben seit etwa 60 Jahren nichts mehr zu tun, und seit mindestens 30 Jahren sehe ich consequentes Christentum nur im Katholizismus, während mir Protestantismus nicht Fisch u. nicht Fleisch zu sein scheint. Ich bin
1945 aus der Kirche ausgetreten. Ich bin meiner Geistigkeit u. Bildung nach von
Anfang an Deutscher u. nur Deutscher gewesen; ich bin in langsamer Entwicklung Kommunist geworden.12 Etwas Drittes bin ich nicht. Ich habe sehr geringe
Sympathie für eine große Reihe von Leuten, die ihr Judentum betonen, die
sich zionistisch gebärden und es mit dem Westen halten.
2) Es ist mir jüdischerseits – cf. das Cap. „Zion“ in der Erstauflage meiner LTI13
– „Antisemitismus“ vorgeworfen worden. Wenn Du jetzt den „Sohn des Rabbiners“
betonst wird man mir erneut meine Sünden vorwerfen, oder aber man wird erklären, jetzt ginge ich mit dem früher verleugneten Judentum angeln. (Denn was Du
an Privatem über mich schreibst, wird natürlich auf meine Initiative zurückgeführt.)
3) Ohne Bezug auf meine Person. Es gibt überall, u. auch in der DDR, neuen
blühenden Antisemitismus. Er wird durch jede philosemitische Bemerkung nur
verstärkt. Das Beste u. einzig Gute u. einzig Vernünftige, was sich für die Juden
tun läßt: sie nur noch als ein Gebilde der Vergangenheit, als ein historisches Faktum dunkler Zeiten betrachten. Im Gegenwärtigen sollen sie sich auflösen, sich
9
10
11
12
13
220
Gemeint ist Rita Schobers Nachwort zu der 1952 bei Rütten & Loening, Berlin, erschienenen Ausgabe von Maupassants Ein Leben, S. 297-320.
Zum 7. Oktober 1952, dem Gründungstag der DDR, war Klemperer der Nationalpreis der
DDR III. Klasse für Wissenschaft und Forschung verliehen worden. Rita Schober hatte für
das Buch, in dem die Nationalpreisträger vorgestellt wurden, die Laudatio über Klemperer
geschrieben (Prof. Dr. Dr.h.c. Victor Klemperer, in: Nationalpreisträger 1952, Berlin 1953,
S. 194-198).
Das geschah 1912, mit 21 Jahren.
Klemperer trat der KPD am 23. November 1945 bei.
Klemperer hatte dort zu „Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten Hitlers und Herzls“ in längeren Passagen über den Zionismus ausgeführt: „Herzl geht nirgends auf Unterdrückung
und nun gar Ausrottung fremder Völker aus [...]. Sobald er sich aber zum Gottgesandten
steigert und sich verpflichtet fühlt, seiner Mission gewachsen zu sein, nimmt die gedankliche, sittliche, sprachliche Ähnlichkeit des Messias der Juden mit dem der Deutschen einen bald grotesken, bald erschreckenden Charakter an.“ (Victor Klemperer, LTI. Notizbuch eines Philologen, Berlin, 1947, S. 219f.)
einschmelzen in allgemeinere Menschengruppen, in die jeweilige Nation, der sie
angehören.
4) Für mich selbst noch einmal: „Ins Allgemeine möcht’ ich gerne tauchen u. mit
dem großen Strom des Lebens gehn.“14 Für mich besteht dies Allgemeine, dieser
große Strom aus Deutschtum u. Kommunismus.
Also, l. Rita, erspare mir bitte die besonderen Judenlichter auf meinem Bilde!
Herzlichst
Dein
Vkl
Liebe Rita!
Ich benutze die Gelegenheit, Dir nochmals die herzlichsten Grüße zu senden. Was
Victors letzten Satz betrifft: „besondere Lichter“ sind wirklich nicht nötig, Photographie sagt genug!
Nach dieser gehässigen Bemerkung bin ich auf immer
Deine Hadwig.
Rita Schober an Victor Klemperer15
Berlin, den 30.12.52
Lieber Victor!
Auf alles war ich gefaßt, nur nicht auf diese Ausstellungen! Es ist mir unbegreiflich,
völlig unbegreiflich, wie Du auf die Idee kommen kannst, daß ich besondere
„Judenlichter“ auf Dein Bild setzen wollte! Und noch schlimmer ist, daß Du glaubst,
meine „antisemitische“ Einstellung auf zwei Seiten bekämpfen und entkräften zu
müssen! Und das nach vier Jahren Zusammenarbeit, in denen Du, glaube ich, von
meiner Seite noch nichts anderes als Hochachtung, Eintreten für all Deine Ziele
und Wünsche und eine wirkliche ehrliche Zuneigung zu Dir erfahren hast!
Versteh mich bitte recht: es geht nicht darum, daß ich das Wort Rabbiner weglasse und den Satz über das Judenhaus; selbstverständlich, wenn Du es so für
14 Zitat aus Karl Gutzkows Drama Uriel Acosta (1846). Klemperer hatte 1913 über Die
Zeitromane Friedrich Spielhagens und ihre Wurzeln promoviert.
15 Dieser Brief ist der einzige von Rita Schober, der sich in Klemperers Nachlaß findet (Landesbibliothek Dresden, Mscr.Dresd.App.2003, 440). In einer Tagebuch-Notiz vom
2. Januar 1953, vermutlich nach Erhalt des Briefes, bekräftigte Klemperer kurz und rein
sachlich seine am 28. Dezember 1952 entwickelten Positionen (vgl. Tagebücher, S. 351).
Im Archiv Rita Schobers findet sich der Durchschlag einer früheren Fassung, die in etlichen Formulierungen, nicht allerdings inhaltlich, von dem abgesandten Brief abwich.
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besser hältst.16 Du weißt, daß ich Dich nach dem Beruf Deines Vaters17 erst fragen mußte! Ich habe ihn ebenso hingeschrieben, wie ich bei meinem Mann18 geschrieben hätte: in der Familie des Schlossers usw. Wenn Du damals, als ich Dich
fragte, gesagt hättest, daß ich das lieber weglassen sollte, so hätte ich es eben
weggelassen. Aber wie konnte ich auf den Gedanken kommen, daß Dich das kränken könnte, denn es ist doch üblich, den Beruf des Vaters anzugeben!! So also ist
das Wort zu verstehen und niemand außer Dir hat bisher etwas anderes herausgelesen, obwohl ich die laudatio Frl. Limberg19 und diesen ersten Teil auch Prof. Baldinger20 gezeigt habe! Was das Judenhaus anbelangt, so war diese Feststellung
für mich eine Vervollständigung all der Drangsalierungen, denen Du ausgesetzt
warst. Hast Du die laudatio von Eugen Lerch im 4. Bd. des Hamburger Jahrbuches21 nicht gelesen? Der Satz findet sich dort wortwörtlich! Ich bin überhaupt erst
durch Lerch darauf gekommen, daß man das erwähnen muß, um ganz ermessen
zu können, was Du in diesen Jahren hast durchmachen müssen. Lerch spricht dort
16 Klemperer war am 24. Mai 1940 aus seinem Dresdner Haus vertrieben und mit seiner
Frau Eva in ein „Judenhaus“ eingewiesen worden; nach dem Luftangriff auf Dresden am
13. Februar 1945 konnten sie fliehen und überlebten bis zum Kriegsende in der Illegalität.
In der veröffentlichten Fassung der Laudatio (vgl. Anmerkung 15) fand sich kein Hinweis
auf Klemperers Elternhaus, und der kurze Absatz über die Jahre 1933-1945 benannte
nur die Entfernung vom Lehrstuhl, den Raub des Hauses und das Verbot der Bibliotheksbenutzung. In Schobers Gedenkansprache nach Klemperers Tod hieß es später
dagegen: „Er verlor nicht nur seine Stellung und sein Heim, mußte in einem Judenhaus
kampieren und schwere körperliche Zwangsarbeit leisten, auch sonst blieb ihm an Demütigungen, Not und Leid nichts erspart.“ (Rita Schober, Vom Ertrag eines Gelehrtenlebens, in: Victor Klemperer zum Gedenken, Rudolstadt: Greifenverlag, 1961, S. 21)
17 Dr. Wilhelm Klemperer (1839-1912) war Rabbiner in Landsberg und Bromberg und seit
1890 zweiter Prediger an der jüdischen Reformgemeinde in Berlin (vgl. Victor Klemperer,
Curriculum vitae. Erinnerungen eines Philologen 1881-1918, Berlin: Rütten & Loening,
1989, Bd. 1, S. 42f.).
18 Robert Schober (1911-1994) war der Sohn eines Eisengießers. Rita Schober und er hatten am 23. Juni 1950 geheiratet; Victor Klemperer war ihr Trauzeuge.
19 Lieselotte Limberg (1915 - ca. 1985) war von 1951 bis 1981 als Sekretärin der Institutsdirektoren Klemperer und Schober, dann als Schobers Sekretärin im Dekanat der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät, schließlich als Sachbearbeiterin für die Beiträge zur
Romanischen Philologie am Institut für Romanistik der Humboldt-Universität tätig.
20 Der Schweizer Linguist und Wartburg-Schüler Kurt Baldinger (1919-2007) war seit 1948
Professor mit Lehrauftrag, später Lehrstuhlinhaber an der Humboldt-Universität und leitete von 1949-1962 das Institut für Romanische Sprachwissenschaft an der Deutschen
Akademie der Wissenschaften. 1957 folgte er einem Ruf nach Heidelberg.
21 Eugen Lerch, Victor Klemperer zum 70. Geburtstag, in: Romanistisches Jahrbuch
4/1951, S. 25-29; dort S. 27: „Die Nationalsozialisten [...] zwangen ihn, im Judenhaus zu
wohnen und mißachtet, mit dem Judenstern angetan, in einer Fabrik zu schuften.“ Lerch
und Klemperer hatten 1921 gemeinsam eine Festschrift für ihren Lehrer Karl Vossler herausgegeben; zu späteren Differenzen vgl. die Artikel über Klemperer und über Lerch in:
Utz Maas, Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945,
Bd. 2: Biobibliographische Daten G-P, Osnabrück: Secolo-Verlag, 2004, S. 176, 248. Zu
Lerchs Geburtstagsartikel notierte Klemperer: „rührender u. in vielem verständnisloser
Artikel“ (Tagebücher, S. 349).
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auch davon, daß es Dir als Sternträger besonders schwer erging. Zweifelsohne hat
dann Lerch auch „Judenlichter“ aufsetzen wollen! Und Deine eigene LTI! Victor, die
Schande liegt doch bei uns, nicht bei Dir, daß man Dich so behandelt hat! Für Dich
aber ist diese erlittene und überstandene Not heute eine Ehre!!
Wie kannst Du meine Worte so falsch verstehen? Wie kannst Du mir so einen
Brief schreiben? Hast Du vergessen, daß ich von der „wahrhaft nationalen Bedeutung“ Deiner LTI in der laudatio der Fakultät gesprochen habe? Daß in dieser laudatio steht, daß die LTI für die Erneuerung und Erhaltung einer reinen deutschen
Sprache die größte Bedeutung hat?22 Daß ich Dich wegen Deiner echt deutschen
Begeisterung für die Hochseeflotte auf dem Parteitag23 immer wieder ein bißchen
geärgert habe?
Ich kann mir Deinen Brief nur so erklären, daß Du die ganze laudatio überhaupt
nicht richtig gelesen hast, sondern nur das, was Du herauslesen wolltest! Eine Erscheinung, die in der letzten Zeit immer öfter auftritt. Du hörst etwas und bist sofort
sehr aufgebracht, ohne zu Ende gehört zu haben! Wie sollen wir zusammenarbeiten, wenn kein rechtes Vertrauen mehr da ist und eine übergroße Empfindlichkeit,
die in allem irgendwie einen versteckten Angriff sieht? Es ist ja leider auch nicht
das erste Mißverständnis in diesem Jahr. Du scheinst auch gar nicht zu wissen,
wie schwer mich jedes getroffen hat. Du müßtest doch wahrhaftig nach all den
Jahren überzeugt sein, daß ich Dich aufrichtig schätze, nicht nur menschlich, sondern auch wissenschaftlich. Ich kann Dir sagen, daß ich z. B. Deine Literaturgeschichte des 19. Jh.24 erst jetzt, da ich selbst intensiver darüber gearbeitet habe,
wirklich zu würdigen weiß und außerordentlich hoch schätze, was ich in der Vorlesung immer wieder betont habe, nicht als höfliche Geste. Daß ich manchmal anderer Meinung bin, weißt Du auch, ich habe damit nie hinter dem Berge gehalten.
Das ist auch kein Unglück. Du warst auch manchmal anderer Meinung als Voßler25 und hast ihn stets verehrt, das ist das ewige Verhältnis von Lehrer und Schüler. Aber in dieser Beziehung habe ich mir wirklich den Kopf zerbrochen, ob Du die
22 In Nationalpreisträger 1952, S. 198, ist von „großer Bedeutung“ die Rede; Details der
Würdigung im Rahmen der Fakultät waren nicht mehr zu ermitteln.
23 Klemperer und Schober hatten als Delegierte vom 20.-24. Juli 1950 am III. Parteitag der
SED teilgenommen. In seinen ausführlichen Tagebuchnotizen erwähnte Klemperer die
dortigen Beschlüsse zum Aufbau einer eigenen Handelsflotte der DDR nicht.
24 Victor Klemperer, Die französische Literatur von Napoleon bis zur Gegenwart, T. 1: Die
Romantik, T. 2: Der Positivismus, T. 3: Der Ausgleich (Die Gegenwart), Hälfte 1: Bergson. Die gewahrte Form, Hälfte 2: Die Entgrenzung. Der Ausgleich, Leipzig/Berlin: Teubner, 1925-1931. In ihrer Laudatio zum Nationalpreis nannte Rita Schober diese Arbeit
„Klemperers bedeutendste wissenschaftliche Leistung. Mit einem unglaublichen Fleiß
und einem seltenen Einfühlungsvermögen gelingt es ihm, den behandelten Stoff in
großen zusammenfassenden Entwicklungslinien zu zeichnen.“ (Nationalpreisträger 1952,
S. 196) Eine überarbeitete Neuausgabe in zwei Bänden brachte Klemperer 1956 u.d.T.
Geschichte der französischen Literatur im 19. und 20. Jahrhundert. 1800-1925 (Berlin:
Deutscher Verlag der Wissenschaften) heraus.
25 Bei Karl Vossler (1872-1949) hatte Klemperer sich 1914 habilitiert.
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Bemerkung wegen der Prosa,26 daß man heute vielleicht manches Stück davon
weglassen würde, nicht übel nehmen könntest, und bereits diesen Satz im Kulturbundexemplar27 zur Streichung vorgeschlagen. Andererseits glaubte ich Dir wirklich einen Bärendienst zu erweisen, wenn ich in meiner laudatio nicht eine gewisse
Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Urteils zum Ausdruck brächte, damit die
positiven Seiten auch voll wirksam würden – und ich glaube, der positiven Seiten
sind genügend in diesem Aufsatz!28
Die Bluse habe ich mit gleicher Post zurückgesandt. Es dürfte beim Einpacken
eine Verwechslung vorgekommen sein, denn dies ist, wenn ich mich recht erinnere, Hadwigs Sommerbluse. Sie ist an den Ärmeln ganz verschwitzt und verfärbt,
muß also schon getragen sein und Hadwig würde sie sicher suchen. – Welchen
Brief hättest du mir als Antwort auf eine solche Blusensendung geschrieben?
Mit nochmaligen besten Wünschen für ein frohes Neues Jahr und einen schönen Silvester verbleibe ich
Deine Rita
26 Victor Klemperer, Die moderne französische Prosa 1870-1920. Studie und erläuterte
Texte, Leipzig: Teubner, 1923, 3. erneuerte Aufl. im selben Verlag, 1948.
27 Das Buch über die Nationalpreisträger erschien im Aufbau-Verlag, dem Verlag des Kulturbundes. In ihm ist Klemperers Prosa-Buch tatsächlich nicht erwähnt.
28 In Schobers Entwurf folgte hier ein handschriftlich bereits gestrichener Absatz: „Zum
Schluß muß ich Dir noch etwas sagen, was ich Dir gern als Ärger erspart hätte. Ich habe
diese laudatio geschrieben im gleichen Augenblick, da von Krauß im Staatssekretariat
ein wissenschaftlich deprezierendes Gutachten eingegangen ist.“ Klemperer hatte am
21. März 1952 zu dem seit 1950 von Werner Krauss (1900-1976) verfolgten Plan, an der
Deutschen Akademie der Wissenschaften ein Institut für romanische Philologie einzurichten, ergänzende Vorschläge gemacht. In einer ausführlichen, auf den 2. Dezember
1952 datierten „Charakteristik der wissenschaftlichen Befähigung von Prof. Dr. Victor
Klemperer“ sprach Krauss diesem danach zwar die Fähigkeit zu, „ein durchdachtes und
meist mit größter Wirksamkeit formuliertes Bild“ literarischer Tatbestände zu entwerfen,
nannte dies aber eine „reproduktive und interpretierende Orientierung“, die zur Mitwirkung in einem Akademie-Institut unzureichend sei. Vgl. hierzu genauer Rita Schober,
Victor Klemperers Wirken nach 1945 (wie Anmerkung 1, Zitate S. 334), sowie zu den Beziehungen zwischen Klemperer und Krauss generell Manfred Naumann, PLN und LTI.
Gespräche zwischen Krauss und Klemperer, in: Geschichte und Text in der Literatur
Frankreichs, der Romania und der Literaturwissenschaft. Rita Schober zum 80. Geburtstag, hg. von Hans-Otto Dill, Berlin: trafo verlag, 2000, S. 173-178.
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Victor Klemperer an Rita Schober29
Prof. Dr. Dr. h.c. Victor Klemperer
Dresden, den 17. Februar 1954
Am Kirschberg 19
Liebe Rita,
ich benutze Fräulein Limbergs Anwesenheit, um über einige Punkte, die uns und
das Institut und Deine Nachfolge angehen, an Dich zu schreiben.
Zuerst Deine Habilitationsschrift: Du weißt wie sehr ich mit Deiner Auffassung
der Marie de France übereinstimme. Ich glaube, es war das erste Thema, an dem
wir uns in Halle wissenschaftlich kennenlernten. Ich bin also ganz überzeugt, dass
Du einen sehr schönen Vortrag darüber halten wirst. Da ich annehmen darf, dass
Du ihn später veröffentlichst, am besten wohl in unserem Jahrbuch,30 so macht es
Dir vielleicht keine sonderliche Mühe, ihn mir fixiert beizeiten einzusenden (selbst
wenn es sich auch noch nicht um die ausgeführte endgültige Form handeln sollte).
Dann könnte ich der Fakultät von hier aus ein Gutachten schreiben. Wir sind uns
gewiss auch darüber einig, dass Du gut tust, im Hinblick auf Baldinger ein bisschen mit dem altfranzösischen Handwerk zu klappern. Das macht umso besseren
Eindruck, je weniger das Gros der Fakultät davon versteht.
Zweitens liegt mir nun am Herzen der unselige Fall W[.] M[.]. M[.] hat mir einen
sehr herzlichen Brief geschrieben und mich gebeten, bis zur nächsten Fakultätssitzung seine Doktorarbeit zu begutachten.31 Wobei er natürlich annimmt, dass es
sich um ein zustimmendes Gutachten handeln würde. Er hat aber niemals, aber
wirklich niemals über seine Arbeit ernstlich mit mir gesprochen. Er hat neulich im
Aspirantenkurs ein Referat über Vercors gehalten, das in seinem zweiten, skizzenhaften Abschnitt mir recht unklar und anfechtbar vorkam. Ich glaubte, es handele
sich um einen ersten embryonalen Zustand seiner Arbeit. Jetzt legt er mir eine von
ihm aus fertige Doktorarbeit vor, von der ich annehmen muss, dass er sich an Dich
als an seine eigentliche Betreuerin gehalten und wesentliche Deiner Belehrungen
falsch verstanden hat, denn Du selber in Deiner Habilitationsschrift32 bist vorbildlich sorgsam in der Anwendung und Definition des ins Schwanken geratenen ästhetischen Begriffs, und Du selber hältst Dich bei aller Betonung Deiner Parteizu29 Maschinenschriftlicher Durchschlag im Nachlaß Victor Klemperers in der Landesbibliothek Dresden, Mscr.Dresd.App.2003, 236; das Original befindet sich nicht in Rita Schobers Archiv.
30 Rita Schober veröffentlichte „Kompositionsfragen in den lais der Marie de France“ in:
Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und
sprachwissenschaftliche Reihe, 1954-1955/1, S. 45-59, sowie bearbeitet in ihrer Sammlung Von der wirklichen Welt in der Dichtung. Aufsätze zur Theorie und Praxis des Realismus in der französischen Literatur, Berlin/Weimar: Aufbau-Verlag, 1970, S. 112-136.
31 Die im folgenden erörterte Arbeit hat nicht zu einer Promotion geführt.
32 Rita Schober, Emile Zolas Theorie des naturalistischen Romans und das Problem des
Realismus, Typoskript, Berlin, 1953, 295 S.
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gehörigkeit von aller ästhetischen Sturheit fern. Ich bin aber noch nie einer Arbeit
begegnet, die derart engherzig, stur, dumm und gehässig ihr Thema anfasst, derart entfernt von aller Wissenschaftlichkeit des Literarhistorikers und derart unsinnig
umgehend mit unsicheren Schlagwörtern wie M[.]s Doktorarbeit. Ich will nur hoffen,
dass diese Arbeit mir noch nicht offiziell, sondern nur zur vorläufigen Einsicht vorgelegt ist. Denn andernfalls müsste ich der Fakultät in schroffer Form die Ablehnung vorschlagen. Es ist mir unfassbar wie jemand, der semesterlang bei mir studiert hat, solch eine Arbeit schreiben kann. Entweder habe ich als Lehrer völlig versagt, oder der Mann passt zum Literarhistoriker wie der Igel zum Lautenschlagen.
Soweit, liebe Rita, schütte ich Dir freundschaftlich mein Herz aus und nehme an,
dass der Inhalt des Briefes ein privater ist.
Ich will nun im einzelnen auseinandersetzen, was mich an M[.]s Arbeit aufs äusserste empört und was ich für eine vollkommen verfehlte und unmarxistische Anwendung marxistischer Theorien halte. (Psychologische Erklärung: soviel mir bekannt, bewirbt sich M[.], der von der LDP33 herkommt, ehrlichen Herzens um Aufnahme in die SED, dies mag ihn in die Blindheit der 250%igen hineintreiben.) Nun
also:
Gleich die erste Seite der Einleitung enthält einen theoretisch absolut falschen
und doppelt falschen Satz: es ist nicht wahr, dass ein Schriftsteller „nur die Interessen und Ansichten“ seiner Klasse künstlerisch gestalten kann. Die wirklich grossen
Dichter von Homer über Goethe bis zu Feuchtwanger und Arnold Zweig sind deshalb gross, weil sie über die Grenzen ihrer Klasse hinaus Menschliches gestalten
können. Und ebenso ist es nicht wahr, dass der Ideengehalt eines Werkes „letzten
Endes“ auch dessen künstlerischen Wert bestimmt. Ohne Ideengehalt ist man gewiss kein Künstler, aber die Idee allein tut es nun einmal auch nicht. M[.] ist mit
dem Schlagwort Formalismus34 bei der Hand, sobald ihm die ausgeführte Idee
nicht passt. Vercors ist in all seinen Arbeiten tiefer Ethiker. Deswegen ist der Vorwurf des Formalismus völlig unzutreffend und geradezu gehässig. M[.] selbst – Du
findest die betreffenden Stellen in der Dissertation von mir angestrichen – wirft
dem Vercors wiederholt vor, Didaktiker und Moralist zu sein: wie passt das zum
Vorwurf des Formalismus und seit wann ist didaktischer Gehalt von seiten unserer
Theorie aus ein Vorwurf?
33 Die 1945 gegründete Liberaldemokratische Partei Deutschlands, eine der in der Nationalen Front organisierten Blockparteien, suchte „vor allem Handwerker, Einzelhändler, Unternehmer und andere Gewerbetreibende sowie Teile der Intelligenz und [...] den Mittelstand sowie [...] das nationalgesinnte Bürgertum in Westdeutschland“ (Meyers Neues
Lexikon, Bd. 5, Leipzig: Bibliographisches Institut, 1963, S. 387) für den Aufbau des Sozialismus in der DDR zu mobilisieren.
34 Der Formalismus-Begriff diente in der Sowjetunion seit Mitte der 1930er Jahre zur Stigmatisierung und Verfolgung jener Literatur und Kunst, die es bei den autorisierten Inhalten und Stilmitteln des sozialistischen Realismus nicht belassen wollte; ihr wurde vorgeworfen, die Form überzubetonen. Im beginnenden Kalten Krieg wurde der Begriff um
1950 in den Ländern unter sowjetischem Einfluß zentral eingesetzt, um „Ästhetizismus
und Gruppen bourgeoiser Kosmopoliten“ zu bekämpfen.
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Um nun der Reihe nach zu gehen: Auf die fragwürdige Einleitung läßt M[.] eine
kurze orientierende Darstellung der französischen Résistance folgen. Diese Abschnitte seiner Arbeit sind durchaus gut, aber sie waren nach den vorliegenden
von ihm benutzten Werken leicht herzustellen. Es folgen dann die Ausführungen
über Vercors’ Résistancenovellen, woran mir nichts auszusetzen scheint. Das Kapitel Auffassung und Darstellung des Feindes mußte einsichtsvoller und historischer behandelt werden. Es ist eine allgemeine Erscheinung, daß man den Feind
im Hinblick der höchsten Bedrängnis als den Unmenschen schlechthin betrachtet.
Im 70iger Krieg hat Maupassant nicht überall stich gehalten, im ersten Weltkrieg
haben sich Franzosen und Deutsche (Anatole France, Thomas Mann etc. etc.)
gleicherweise verrannt. Ich habe M[.] ganz besonders auf Rivieres „Deutschen“35
hingewiesen. Warum tut er das mit einer halben Zeile ab, statt die Möglichkeit zu
ergreifen, den mageren Spatzen, seine Arbeit, ein bißchen historisch aufzufüttern?
Und warum bemüht er sich nicht darum, die Erzählungskunst überhaupt in Verbindung zu bringen? Christiansen, der ein ebenso modernes und so an sich noch
dünneres Thema behandelt,36 untersucht bei Stil wie und wieweit der politische
Artikelschreiber oder Journalist zum Novellisten wird und wieweit sich der Novellist
zum Romanautor entwickelt. Statt einer ähnlichen Untersuchung finde ich bei M[.]
die törichte Behauptung, dass sich der komplexe Stoff der Résistance zur Form
der klassischen Novelle nicht eigne. (Sieh Dir einmal von Hay: „Der Wellenjäger
von Schewtschenko“ an!!)37 Vercors schreibt Erzählungen, weil diese Form seinem Wesen am besten entspricht. Romane wiederum werden meist erst später
geschrieben: cf. Aragon, Wurmser usw. Immerhin durchbricht das Genie jede Regel. Barbusse hat „Das Feuer“ beinahe im Schützengraben komponiert.
Mein Haupteinwand gegen M[.] ist aber dieser:
er setzt dessen ästhetisch philosophische Theorie auseinander. Es ergibt sich,
daß Vercors neben zeitgebundenen und wechselnden Moralvorschriften einige
Grundregeln, die für die Menschen aller Zeiten schlechthin gelten, anerkennt, hierbei in enger Gedankeverbindung mit Kant. Dies bedeutet für M[.] eine Versündigung gegen den Geist des Materialismus und einen zu verdammenden bürgerlichen Unfug schlechthin. Für M[.] ist der Mensch durchweg nach seiner Klassenlage zu beurteilen. Es ist aber doch so, daß jeder Mensch zuerst einmal eine Kopfoder Steiß- oder sonstige Lage im Mutterleib hat. Und das Zweite: jeder Mensch
35 Jacques Rivière, L’Allemand. Souvenirs et réflexions d’un prisonnier de guerre, Paris:
Gallimard, 1918. Zu dem Buch schrieb Franz Arens im März 1920 im Neuen Merkur (S.
667, 657), den „mutigen Wahrheitsernst“ eines „redlichen Feindes“ würdigend, hier spreche „die Unversöhnlichkeit des Instinkthasses“. Zu den Veränderungen in Rivières Positionen in der Folgezeit vgl. Volker Steinkamp, Die Nouvelle Revue Française unter
Jacques Rivière (1919-1925), in: lendemains 2001/101-102, S. 187-198.
36 Vgl. Anmerkung 63.
37 Gyula (Julius) Hay (1900-1975), nach Teilnahme an der Ungarischen Räterepublik 1919
nach Berlin, 1933 in die Sowjetunion emigriert, war vor allem als Dramatiker hervorgetreten. 1957-1960 in Ungarn in Haft, emigrierte er 1965 in die Schweiz.
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zuletzt eine Sarglage hat, die auch wieder mit der Klassenlage nichts zu tun hat,
sofern man in diesem zweiten Fall nicht das Begräbnis erster, zweiter oder sonstiger Klasse und die daraus folgende Beschaffenheit des Sarges für wesentlich erklären will. Und es ist einfach nicht abzuleugnen und wird von keinem vernünftigen
Menschen, welcher Partei, Konfession und Weltanschauung auch immer, abgeleugnet, daß diese allgemein gültigen Anfangs- und Schlußtatsachen bestimmend
auf alle Menschen einwirken. Vercors leugnet durchaus nicht, daß soziale, also
Klasseneinflüsse auf den Menschen vorhanden sind, aber dies Allgemeingültige
bedeutet doch etwas dauernd Menschliches und Verbindendes. Weiter. Vercors
läßt den lieben Gott und alles Transzendente durchaus aus dem Spiel. Er sagt,
das Gehirn entwickle sich bis zu einem gewissen Grade gleichartig bei Mensch
und Tier. Es tritt aber der Punkt ein, wo sich das Gehirn des Menschen weiterentwickelt, wo es ein Selbstbewußtsein erhält, das dem Tier nicht gegeben ist und wo
es nun von diesem Bewußtsein aus und eben durch dieses Selbstbewußtsein sich
gegen die Natur auflehnt und sich zum Herrn über diese Natur (die physische) zu
machen sucht. In dieser Fähigkeit der Rebellion, wie Vercors sie nennt, sieht er
das spezifisch Menschliche, sieht er die Entwicklung der Menschheit begründet.
Inwiefern unterscheidet sich diese Lehre von dem herrlichen sowjetischen Satz:
„wir werden die Erbsen zwingen, auf Bäumen zu wachsen“.38 M[.] nennt das unmaterialistisch, idealistisch und kantisch gedacht. Ich für meinen Teil glaube, dass
es ohne diesen „Idealismus“ weder einen Marx, noch einen Lenin, noch eine marxistische Lehre gäbe.
M[.] doziert: als Marxist habe man der Lehre Engels zu folgen, wonach sich der
Mensch durch die Arbeit entwickelt habe. Wo liegt der Unterschied? Die Entwicklung durch die Arbeit beginnt damit, dass der Mensch Werkzeuge gebraucht. Ist
nicht die Grundbedingung für diese Erfindung die besondere Weiterentwicklung
des menschlichen Gehirns? M[.] stößt sich daran, dass bei Vercors das Auftreten
dieser menschlichen Eigenschaften als etwas Persönliches und damit Geheimnisvolles gegeben sei. Soweit mir bekannt, rechnet der Marxismus durchweg mit dem
Umschlagen der Quantität in die Qualität. Das alles hat mit irgendwelcher Mystik
nichts zu schaffen. Hier setzt die Entwicklung der Menschheit und der menschlichen Gesellschaft ein. Die Frage nach dem Vorher oder dem Weshalb wird von
Vercors nicht gestellt.
Ich kann also nicht einsehen, weswegen Vercors als Idealist und Kantianer beschimpft werden muß und weiter kann ich erst recht nicht einsehen, weswegen er
ein geringerer Dichter sein müßte oder umgekehrt ein größerer Dichter sein würde,
wenn er nur, je nachdem, religiöse oder antireligiöse Gründe für seine Theorie heranzöge. Um den Dichter Vercors zu beurteilen, kommt es darauf an, wie er seine
Ideen in Fleisch und Blut umsetzt und ob er seine Dichtung menschenfreundlichen
38 Die Behauptung des sowjetischen Agrarbiologen Trofim Lyssenko (1898-1976), Erbanlagen ließen sich gezielt verändern, war tragender Teil der damaligen Ideologie eines
Mensch wie Gesellschaft radikal umwälzenden, siegreichen Kommunismus.
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oder -feindlichen Dingen dienen läßt. M[.] selbst bestreitet keinen Augenblick, und
das ist das einzig Richtige an seiner Arbeit, dass Vercors überall rein human denkt.
Aber er wirft ihm in jedem Augenblick vor, ein bürgerlicher Idealist zu sein und damit wirklichkeitsfremd. Es gibt aber heute noch Millionen bürgerlicher Idealisten,
und wer sie zeichnet, ist nicht wirklichkeitsfremd. M[.] wirft dem späteren Vercors
außerdem vor, dass er sich in Gewissenskonflikte einbohre. Welch eine unerhörte
Enge, von Psychologismus zu sprechen und im Zusammenhang damit, das Schlagwort untypisch zu gebrauchen! Der Begriff des Typischen ist sehr ins Wackeln
gekommen, man pflegt bei uns die vorletzte Moskauer Aussage für bindend zu erklären, wenn man in Moskau bereits einen Schritt weiter ist. Es ist absolut notwendig, und Du selber hast das mustergültig getan, heute aufs genaueste zu erklären,
was man jeweils unter typisch versteht. M[.] benutzt die Ausdrücke typisch, psychologisch, dekadent und formalistisch ohne alles ernste Nachdenken in willkürlicher und oberflächlicher Weise. Bisweilen geht seine Oberflächlichkeit in Gehässigkeit über. Hat Vercors mit einem Werk geringeren Erfolg, dann ist das ein Zeichen für seine Ungenießbarkeit, setzt er in einem anderen Werk seine Idee in stark
bewegte Handlung um, dann ist das „ein krampfhaftes Bemühen“ um Erfolg.
Für ebenso ungerecht halte ich das Urteil über Vercors Stil. Warum soll er keine
komplizierteren Sätze gebrauchen, wenn er kompliziertere Gewissensvorgänge
darstellt? Die Beispiele, die M. anführt, sind jedenfalls in wesentlich besserem und
durchdachterem Französisch geschrieben, als man von M[.]s deutschem Stil
aussagen kann. Er gebraucht, wie gesagt, ständig definierte und bequeme Schlagworte. Er gebraucht auch Modeworte, die morgen die Mode von gestern sein werden. Zähle einmal nach, wie oft er auf einer Seite von „Rückblendung“ und „rückblenden“ spricht.
Ich habe alles das in seiner Arbeit mit Bleistiftzeichen versehen. Nur manchmal,
wenn es mir gar zu hoch kam, habe ich ein paar Ausrufezeichen oder Bemerkungen an den Rand gesetzt.
Wirklich, liebe Rita, ich habe mich dieser Arbeit geschämt und ich kann mir nicht
denken, dass Du sie mit freundlicheren Empfindungen angesehen hast. Solange
das Institut unter meinem Namen läuft, lasse ich sie weder als Literarhistoriker
noch als Marxist passieren. Sie ist das Engherzigste und Törichste, was mir auf
diesem Gebiet bisher vor Augen gekommen ist.
Ich habe noch eine Einzelheit vergessen. M. stösst sich daran, dass Vercors ein
paar Mal biblische Bilder gebraucht. Er stösst sich daran, dass Vercors eines seiner Werke Mystère nennt. Er stösst sich daran, dass diesem „Mystère“ ausdrücklich die Erklärung vorangestellt wird, hier handle es sich um die vielfältige Verkörperung oder Gestaltung der Grundidee. M. sieht rot, sobald von Idee die Rede ist.
Er sieht rot, sobald biblische Bilder ins Spiel kommen, die blosse Bezeichnung
„Mystère“ – dass es auch ein Mysterium von der Geschichte Trojas gibt – hat er
wahrscheinlich nicht „gehabt“. Ich meine: er kennt nicht die technische Weite des
Begriffs Mysterium. Er kommt mir immer wieder vor wie die Leute in „Dantons
Tod“: „er hat ein Taschentuch, er ist ein Aristokrat, hängt ihn an die Laterne.“
229
Ich habe Dir, liebe Rita, dies alles privat geschrieben, um einmal ganz ungeschminkt meine Meinung auszusprechen. Ich bitte Dich, von Dir aus mit M[.] deutlich aber unkränkend zu reden. Ich selber werde ihm für seinen sehr herzlichen
Brief ebenso herzlich danken und ihm nur mitteilen, dass ich ihn für mein ablehnendes Urteil an Dich verweise. Ich hoffe, dass ich im Frühjahr wieder nach Berlin
kommen kann. Dann werde ich gern gründlich mit ihm sprechen. Wenn der Vercors eine Doktorarbeit bei mir werden soll, dann muss er nach der literarhistorischen Seite gründlich, wie man so schön sagt, „untermauert“ werden. (Aber wehe
ihm, wenn er das Verbum untermauern in der Arbeit gebraucht. Es sei denn, dass
er seine Theorie von der Klassenlage untermauern will.) Und zum zweiten und eigentlich zum allerersten muss er seine Urteile menschlicher und scheuklappenloser fassen.
Es ist sehr schade, dass ich Dir das alles schreiben muss. Vielleicht ist es ein
Stückchen Schwanengesang, denn in diesem Semester komme ich nicht mehr
aufs Katheder, und wieweit ich im nächsten Semester verwendungsfähig sein
werde, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Da ich in Halle unter allen Umständen aufgeben soll, wird es wahrscheinlich das beste sein, wenn ich von mir aus meine
Emeritierung beantrage.
Sei herzlich gegrüsst von
Deinem
gez. Victor Klemperer
Hadwig und Victor Klemperer an Rita Schober
[Ansichtskarte: Elbsandsteingebirge. Kletterei an der Amselspitze; Schrift von Hadwig K.]
Dresden, 26.6.54
Liebe Rita! Hab’ herzlichen Dank für Deine lieben Feriengrüße. Daß Hansel39 so
krank ist, tut uns aufrichtig leid, hoffentlich geht es ihm schon bisl besser. –
Umseitiges Bild erinnert mich an Deine Erzählung Deiner hallenser Kletterpartie,
ich glaube nach Krippelmoos.40 In Ahlbeck bist Du nun wenigstens nicht in der
Versuchung derart gefährlicher Exkursionen! – Mit herzlichen Grüßen, Deine Hadwig u. Victorklemperer
39 Rita Schobers Sohn Hans-Robert war am 1. März 1951 geboren worden.
40 Moos für die Weihnachtskrippe, das bei einem Urlaub im Harz gesucht worden war.
230
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
Dresden 19.7.54
L. Rita –
von Frl. Limberg hören wir, daß Du frisch vom Sommerurlaub zurückgekehrt bist;
möge die Erholung recht gut und lange vorhalten!
Inzwischen kam Dein Sand-Band mit der hübschen Widmung. Recht herzlichen
Dank dafür. Den Essai41 finde ich sehr wohl gelungen. In der Gesamtauffassung
gehen wir völlig zusammen; das Politische hast Du weiter ausgeführt als ich, und
ich benutze das für die Neuausgabe meines 19ième, petite Fadette etc. hätte ich
gern schon um unserer „Dorfgeschichten“ (Auerbach)42 willen ein klein wenig ausführlicher behandelt gesehen, aber natürlich mußte in einem Nachwort zum Compagnon das Politische central stehen.
Da bin ich nun bei dem, was mir momentan besonders am Herzen liegt. Ich arbeite ständig am 19ième.43 Du weißt, es soll in 2 Teilen erscheinen, den ersten bilden die jetzigen Bände 1 u. 2. Davon habe ich Teil 1 eben fertig; das einleitende
Napoleoncapitel habe ich ernstlich umgearbeitet. Wenn aus der Frankreichreise,
die ja am 1. Aug. beginnen soll, aber bisher rührt sich nichts und ich bin sehr skeptisch – – wenn aus ihr nichts wird, liefere ich am 1. Sept. vertragsgemäß den ganzen ersten Band ab, u. er soll möglichst bald herauskommen. Was fehlt, ist Dein
Vorwort.44 Nun hast Du dafür auf alle Fälle Zeit, denn man könnte ja erst meinen
Text drucken, auch muß dazu eine Übersetzung der französ. Citate geliefert werden. Aber immerhin: der Verlag hofft auf Deine Einleitung, und irgendwann im
Spätherbst wäre sie vonnöten.
Bitte äußere Dich doch einmal dazu. In allernächster Zeit schicke ich Dir das
kurze Vorwort, in dem ich selber Rechenschaft darüber ablege, was ich, teils
streichend, teils hinzufugend, ändere. Ich habe nur eine Schwierigkeit, u. dabei
kannst du mir vielleicht raten. Wenn ich selber „selbstkritisch“ erkläre: dies und
dies muß ich nach 30 Jahren aus dem u. jenem Grund ändern; anderes muß ich
stehen lassen, weil sonst ein ganz neues Buch geschrieben werden müßte, und
weil ich an vielem von anno dazumal festhalte (Trägergestalt z.B.) – – womit motiviere ich dann die Neuveröffentlichung??
41 Rita Schober, Nachwort, in: George Sand, Gefährten von der Frankreichwanderschaft,
Berlin: Rütten & Loening, 1954, S. 419-462.
42 Die Dorfgeschichten von Berthold Auerbach (1812-1882) dürften Klemperer in der Arbeit
an seiner Dissertation über Friedrich Spielhagen zum Begriff geworden sein; die konkrete
Anspielung konnte nicht geklärt werden.
43 Vgl. Anmerkung 29.
44 Am 1. August 1954 las Klemperer bei Rita Schober sein eigenes Vorwort zu dem Buch
vor. „Es fand so große Billigung, daß Rita nun auf ihr Vorwort verzichten u. den Verzicht
vor Verlag u. Censur begründen will.“ (Tagebücher, S. 445)
231
Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir darauf antwortetest. Vielleicht auch
können wir mündlich darüber sprechen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind wir am
Mittwoch 28.7. in Berlin. Die abscheuliche Ungewißheit über den Termin der Frankreichreise hindert mich am Festlegen des Datums. Ich lasse über Frl. Limberg zum
x. Mal das Staatssekretariat anfragen.
Noch eines: wem von unseren Leuten könnte man Citatübersetzungen u. Register übertragen? Und könnte das als Teil des Forschungsauftrages angesetzt werden? –
Gestern erledigte ich die Correktur meiner Studie über Rollands Kriegstagebuch
für das Universitätsheft.45 Merkwürdigerweise fragt das Prorektorat an, ob die Arbeit zu einem „Forschungsauftrag“ gehört. Ich schrieb zurück: nein – private Studie. Weßwegen diese Anfrage?
Soviel von mir aus. Auf der anderen Seite will Dir H. noch danken.
Herzlich
Dein VictorKlemperer
Liebe Rita!
Wie Victor umseitig ankündigt, möchte auch ich Dir für den George-Sand-Band
und besonders für die Widmung recht herzlich danken.
Es tut mir leid, daß Du mit Deinem Urlaubswetter solches Pech hattest. Du solltest Dich vielleicht von dem nun anscheinend beginnenden besseren Wetter dazu
verführen lassen, noch einen kleinen Nachurlaub anzuhängen? Wie geht es dem
Hansel? Hat er seine Krankheit gut überstanden, und haben ihm seine Eltern als
Trostpreis etwas Schönes aus dem Urlaub mitgebracht?
Viele herzliche Grüße
Deine Hadwig.
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
[Ansichtskarte: Elbsandsteingebirge, Bad Schandau a. Elbe und die Schrammsteine;
Absender: Klemperer / Dresden A 34 / Am Kirschberg 19]
27.8.54
L. R. wir gratulierten schon nach Berlin und tun es gern an Deine Ferienadresse di nuovo. Über die Institutssachen reden wir in Berlin – („auf in den Kampf!“ der Gegner
ist wirklich ein Hornvieh!)46 – in Liebenstein erhole Dich. – Hast Du gesehen, daß
45 Klemperer Studie „Romain Rollands Kriegstagebuch 1914-1919“ erschien in: Neue Deutsche Literatur, 1955/9, S. 98-106.
46 Bezug auf Rita Schobers Ernennungen zum Professor und zum Institutsdirektor; vgl. die
Einführung zu diesem Briefwechsel.
232
der „Sonntag“ Deinen Nationalpreisartikel über mich47 wörtlich abgedruckt hat?
Vor einem viertel Jahr ist mein dickes 18ième erschienen,48 seit Wochen bist Du
Professor – aber Frau Doctor Sch. schreibt, daß ich nur kleine Sachen seit 45 herausgebracht habe! Jetzt „Sonntag“!
Sei von uns beiden sehr herzlich gegrüßt.
Deine H. u. V. Kl.
Rita Schober an Victor Klemperer
[Maschinenschrift, Durchschlag]
Prof. Dr. Rita Schober
Berlin NW 7, den 1. September 1955
Clara-Zetkin-Straße 1
Lieber Victor,
vielen Dank für Deine lieben Zeilen vom 29. August d.J. Ich bin frisch und munter
aus Varna zurückgekehrt, obwohl ich es dort wohl nicht ganz so erfreulich hatte
wie Du,49 vor allem haben wir weniger zu essen bekommen als Du. Nun zu Deinen speziellen Anfragen:
Dein Lehrauftrag, den ich, wie Du ja weisst, rechtzeitig gestellt habe, ist
selbstverständlich vom Rektor bestätigt worden, und wir haben Deine Vorlesung
„Einflüsse der Romania auf die deutsche Literatur“ auf Donnerstag um 12.00 (bis
14.00) Uhr, Hörsaal 1064 gelegt. Was das zusätzliche Seminar mit den Germanisten anbelangt, so waren wir, wie Du Dich erinnern wirst, übereingekommen, dass
dies gelegentlich Deiner ersten Vorlesung gemeinsam mit den Germanisten geregelt werden sollte. In dieser Angelegenheit habe ich also nichts weiter veranlasst,
weil ich mich dazu wirklich nicht befugt fühle. Lilo hat allerdings die Germanisten
von Deiner Bereitschaft, ein Seminar über Lessing und Frankreich für Germanisten
und Romanisten gemeinsam50 zu halten, in Kenntnis gesetzt. Ich würde Dich also
herzlich bitten, am Donnerstag noch einmal mit den Germanisten Kontakt
aufzunehmen. Sonst ist jetzt, glaube ich, alles soweit in Ordnung.
47 Vgl. Anmerkung 15.
48 Victor Klemperer, Geschichte der französischen Literatur im 18. Jahrhundert, Bd. 1: Das
Jahrhundert Voltaires, Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften 1954; der Band 2,
Das Jahrhundert Rousseaus, erschien postum 1966 bei Niemeyer, Halle.
49 Klemperer hatte im Juni/Juli 1955 seinen Urlaub in Bulgarien verbracht.
50 Das Vorhaben gemeinsamer Lehrveranstaltungen für Romanisten und Germanisten in
Berlin ging auf ein Gespräch über Klemperers weitere Tätigkeit im Staatssekretariat für
das Hoch- und Fachschulwesen der DDR Ende Juli 1955 zurück (vgl. Tagebücher, S.
500). Klemperer hielt monatlich eine Vorlesung und notierte über die erste: „Ich hatte das
vollste Haus meines Lebens. Der Saal mußte gewechselt werden. Über 200 Leute, die
ausgepowerten Germanisten, dazu 10 französische Studenten als Gastgruppe.“ (Ebd., S.
511)
233
Wie geht es Dir, was macht Hadwigs Arbeit?51 Ich freue mich, Euch das nächste Mal in Berlin wiederzusehen und verbleibe bis dahin mit herzlichsten Grüßen
Eure alte Rita
Victor Klemperer an Rita Schober
Prof. Dr. phil. Dr. paed. h. c.
Victor Klemperer
Dresden A 34
Am Kirschberg 19 Telefon 833 91
17.9.55
Liebe Rita –
Gestern in zwei Hallenser Sitzungen, a) Partei, b) Fakultät, beidemal mit Rektor
und Staatssekretariat (Kortum und Frau Krause)52 wurde, einigermaßen dramatisch, beschlossen, daß das Dutzend Romanisten in Halle bleibt, daß ich als Emeritus meine volle Tätigkeit mit wöchentlichen Vorlesungen in Halle ausübe und in
Berlin ganz aufhöre. Vorangegangen war diesem Umschwung eine große Aktivität
der Studenten. Sodann in der Parteisitzung meinerseits eine sehr unzweideutige
Meinungsäußerung über den verehrungswürdigen Dekan,53 eine sehr ausführliche
Satisfaktion durch den Rektor. Schließlich war auch Kortum der Ansicht, daß man
den billigen Rest meiner Kräfte besser in Halle verwerten könne als in dem
reichlicher versehenen und jugendlich geleiteten Berlin.
Ich möchte diesen und den nächsten Donnerstag in Berlin lesen, dann ist ein
Abschnitt meines Themas beendet u. das Aufhören kein abruptes.
Nun noch etwas Persönliches. Wir sind sieben Jahre lang (reichliche sieben!) in
unserer Tätigkeit eng verbunden gewesen, haben ein gutes Stück Entwicklung
miteinander erlebt, haben auf unserem Sektor auch ein klein bißchen selber dazu
beigetragen, immer in guter Freundschaft. In einem der von Dir bevorworteten
51 Hadwig Kirchner-Klemperer promovierte 1957 an der Humboldt-Universität Berlin über
Heinrich Manns Roman „Die Jugend und die Vollendung des Königs Henri Quatre“ im
Verhältnis zu seinen Quellen und Vorlagen. Die Arbeit war von Alfred Kantorowicz angeregt und betreut worden.
52 Der Romanist Hans Kortum (1923-1997) und die Slawistin und Bibliothekswissenschaftlerin Friedhilde Krause (geb. 1928) arbeiteten im Staatssekretariat für das Hoch- und
Fachschulwesen der DDR, Kortum leitete dort die Abteilung Philosophische Fakultäten;
er hatte zuvor bis 1952 als Assistent bei Werner Krauss gearbeitet, bei dem er nach seinem Ausscheiden aus dem Staatssekretariat (1957) mit der Arbeit Charles Perrault und
Nicolas Boileau. Der Antike-Streit im Zeitalter der klassischen französischen Literatur
(Berlin: Rütten & Loening, 1966; Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft, 22) auch promovierte.
53 Zu Eugen Häusler (1895-1977), von 1945 bis 1962 Direktor des Slawistischen Instituts in
Halle, hat Klemperer sich in seinen Tagebüchern mehrfach deutlich distanziert geäußert.
234
Bände schreibst Du mir als Widmung: „Meinem väterlichen Freund“. Wenn es im
letzten Jahr bisweilen zu Verstimmungen zwischen uns kam, so hattest Du mit
Deinem Satz vom alten Bauern, der ungern aufs Altenteil geht, gewiß in hohem
Maße recht. Man wird nicht ungestraft alt, und es ist bei aller Selbsterkenntnis
nun einmal nicht leicht, zum sechsten Rad am Wagen zu werden – (das fünfte als
Reserve ist für den Fahrer von großer Wichtigkeit) –, wo man früher den ganzen
Wagen gesteuert hat. Lieber Caesar auf dem Dorfe... Ich bin überzeugt, daß
meine Hallenser retraite unserer Freundschaft gut tun wird. Es soll übrigens keine
vollkommene Trennung sein. Du weißt, ich habe immer wieder durch Kammer,
Akademie,54 Kulturbund in Berlin zu tun. Es wäre nun sehr erfreulich, wenn Du
mir ein Arbeitsplätzchen in Deinem Institut zu gelegentlicher Benutzung freistellen
würdest; ich würde auch gern, wenn die Gelegenheit sich ergibt, ein- oder zweimal im anno scolare zu einem Gastvortrag vor Deinen Romanisten eingeladen
werden. In den allernächsten Monaten ergibt sich ja auch noch eine Zusammenarbeit in etlichen Prüfungen u. Promotionen.
Es wäre sehr angenehm, wenn wir uns darüber am nächsten oder übernächsten
Donnerstag noch unterhalten könnten.
Inzwischen recht herzliche Grüße, auch von Hadwig.
Dein alter
Victor Kl.
Victor Klemperer „an die Direction des
Romanischen Instituts der Humboldt-Universität“
Prof. Dr. phil. Dr. paed. h. c.
Victor Klemperer
Dresden A 34
Am Kirschberg 19 Telefon 833 91
12.X.55
Für die guten Geburtstagswünsche, die mir liebenswürdiger Weise vom Institut in
corpore und von einzelnen seiner Mitglieder übersandt wurden, danke ich hiermit
aufs beste und bitte die Einzelnen, es freundlich zu entschuldigen, daß ich es bei
diesem allgemeinen Dank belasse. –
Mein Aspirant B[.] teilt mir mit, daß er sich dem eindringlichen Wunsch des Prorektors für die Aspirantur-Angelegenheiten fügen und mich bitten müsse, von seiner weiteren Betreuung in Berlin abzusehen. Dieser durchaus befremdliche Schritt
54 Seit Februar 1953 war Klemperer Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin; der Antrag auf Zuwahl trug u. a. die Unterschrift von Werner Krauss (vgl. Schober, wie Anmerkung 1, S. 334).
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des Prorektors kann nicht ohne Befragung der Institutsleitung erfolgt sein55 und ist
erfolgt, ohne daß man mich befragt hat.
Ich sehe mich infolgedessen veranlaßt, meine seit dem 1. IX. freiwillige Tätigkeit
am Berliner romanischen Institut nunmehr gänzlich aufzugeben. Die für den 14. X.
angekündigte Vorlesung ist mein letztes Berliner Colleg. Ebenso trete ich von jeder
Mitwirkung an irgendwelchen Examen zurück. Dies betrifft im Punkt des Doctorats
die Fälle Papenbrock56 und Nöckler.57 Mein Gutachten zur Dissertation Christiansen58 habe ich bereits zurückgezogen. Keineswegs soll mir etwas hiervon nach
Halle übertragen werden. Dies würde nur zu völlig inopportunen Erörterungen fuhren; auch liegt ja in Berlin alles in bewährten Händen. Im Punkte der Staatsexamina liegt mir nur die Reutersche Arbeit vor. Ich gebe sie unbeurteilt zurück.
Ich darf betonen, daß ich von weiterer Correspondenz in dieser Angelegenheit
mir nichts verspreche; von meiner Seite ist sie jedenfalls endgültig beendet.59
In vorzüglicher Hochachtung
VKlemperer
Das Sekretariat bitte ich, bei der Kasse dafür zu sorgen, daß mir das Honorar für
drei zweistündige Vorlesungen im September u. am 14. October und die Fahrtauslagen (3x Dresden-Berlin, hin und zurück zweiter Klasse) überwiesen werden.
55 Ein Brief Rita Schobers an den Prorektor der Humboldt-Universität für Aspirantur Georg
Klaus (1912-1974, seit 1953 Professor für Logik und Erkenntnistheorie) vom 17. Oktober 1955 enthielt die entgegengesetzte Feststellung, daß sie den Aspiranten in einem
Gespräch am 30. September auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, in Klemperers
Betreuung zu verbleiben.
56 Jürgen Papenbrock (1923-1995) verteidigte seine von Klemperer und Schober
begutachtete Dissertation über François Coppée im Februar 1956.
57 Horst-Werner Nöckler (geb. 1926) legte zur Verteidigung im August 1957 Studien zu
Robert Challes unter besonderer Berücksichtigung der Eheauffassung vor; Gutachter
waren auch hier Klemperer und Schober.
58 Holger Christiansen (1926-2001) zog seine Promotionsmeldung zu André Stil und die
proletarische Kampfliteratur. Ein Beitrag zur gegenwärtigen französischen Literatursituation im Februar 1956 zurück.
59 Zwischen Rita Schober, Georg Klaus und Hans Kortum vom Staatssekretariat für Hochschulwesen wurden die durch den Aspiranten ausgelösten Mißverständnisse, die Klemperers aufbrausende Verärgerung ausgelöst hatten, in den folgenden Tagen geklärt.
Klemperer setzte seine Tätigkeit in Berlin in dem im September 1955 vereinbarten Maße
fort, auch als Promotionsgutachter und Prüfer. Sein Aspirant verließ Anfang 1956 die
Universität.
236
Victor Klemperer an Rita Schober
[Postkarte]
29. XII. [1955]
Liebe Rita –
aufrichtigen Dank für rasche Antwort! Ich habe R. entsprechend geschrieben, daß
von persönlicher Ehrenkränkung keine Rede sein könne, daß die traurige Gesamtspannung Schuld trage... etc.60
Mein Gutachten über Papenbr. liegt längst vor. Eine sehr anständige Arbeit. Ich
censurierte: „III obere Grenze“. Wenn Du ein bißchen höher oder tiefer greifst, bin
ich nicht entsetzt; ich schwankte zwischen cum laude u. magna cum laude – – rite
wäre m.E. zu wenig.
Deine Wünsche aus Berlin erhielten wir dankend ebenso wie auch Du wohl die
unseren bekamst; auf den polnischen Gruß die Hoffnung aufzugeben, wäre nach
postalischen Erfahrungen verfrüht.
Noch einmal alles Gute v. H. z. H.
Dein
Victor Klemperer
Rita Schober an Victor Klemperer
[Maschinenschrift, Durchschlag]
Berlin den 17.1.56
Lieber Victor,
Vielen Dank für Deinen lieben und Gott sei Dank nicht grollenden Brief. Ich bin
auch wirklich nur halb schuldig, indem ich vergessen hatte, daß die Bücher auf
Institutskarte aus der UB Halle geliehen worden waren und sie daher direkt zurück
sandte. Es handelte sich um zwei Bändchen, die ich seinerzeit in Halle selbst, mit
60 Hans Rheinfelder (1898-1971), der den Privatdozenten Klemperer 1919 in seinem ersten
Semester an der Universität München erlebt hatte, war seit 1946 (nachdem die Nationalsozialisten das seit 1933 verhindert hatten) Professor in München, 1950-1971 Vorsitzender der Dante-Gesellschaft und 1955 Gründungsvorsitzender des Deutschen Romanistenverbandes, wo er sich engagiert für den gesamtdeutschen Zusammenhalt der Romanistik einsetzte. Er hatte an Klemperer und einen weiteren Dresdner Bekannten Büchersendungen geschickt, die vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs der DDR
beschlagnahmt wurden. Rheinfelder hatte Rita Schober darüber in einem langen, betroffenen Brief vom 12. Dezember 1955 informiert, in dem es hieß, daß er die Beschlagnahme „als so volksfeindlich empfinde, daß dort [bei dem genannten Amt] nach dem
Rechten gesehen werden sollte. Nochmals: nicht um meinetwillen, auch nicht zuerst um
der Adressaten willen, sondern um meines bisherigen Eintretens für die DDR willen ist
mir die ganze Sache so schwer.“ Nach schriftlicher und persönlicher Intervention Rita
Schobers wurde die Beschlagnahme „ausnahmsweise aufgehoben“; am 31. Januar 1956
bat die Abteilung Paketkontrolle der Hauptabteilung Zoll in einem Brief an Rita Schober,
„unser Versehen vielmals zu entschuldigen“. Vgl. auch die Anmerkungen 70 und 71.
237
Silzers61 Hilfe, auslieh, als ich dort war, um meinen Habil-Vortrag vorzubereiten.
Damals ging es um Stunden. Erstens hatte ich ja nur wenige Tage in Halle zur Verfügung, zweitens drängte die Zeit wegen meines Termins in Berlin. Ich bat also
Erwin, diese Bände mir zu besorgen, sonst hätte ich gar nicht weiter arbeiten können. Jeder, der nur eine Ahnung von wissenschaftlicher Arbeit hat, wird das verstehen. Herr Selbmann62 müßte es eigentlich auch begreifen, wenn er wollte. Nun
könnte er Dir mit Recht Vorwürfe machen, wenn die Bücher auf diesem Wege verloren gegangen wären, aber da sie zurückkommen, einen solchen Krach zu schlagen, noch dazu in diesem Ton, ist zumindest wenig zivilisierten Gebräuchen angepaßt. Man hat immer das Gefühl, die Bibliotheksleute betrachten die Bücher als
Museumsschätze, ohne zu begreifen, daß sie in erster Linie zum Arbeiten da sind.
In Berlin gibt es ähnlich schöne Dinge. Die UB wollte uns jetzt die Ausleihe sperren, weil seit Jahren!! (z.T. noch von Christa Naeter!)63 Bücher entliehen sind auf
die Institutskarte, ohne daß im Institut auch nur verzeichnet wurde, an wen die Bücher gegangen sind. Von Bator sind es ganze Schwünge und er weiß selbst nicht,
für wen er sie besorgt hat. Nun stell Dir einmal vor, wie wir die Bücher wieder herzaubern sollen. Keßler64 ist ebenso verzweifelt wie ich.
Natürlich hätte man gleich bei Übergabe der Assistenten diesen Dingen auf die
Spur gehen müssen, aber ehrlich gesagt, auf so eine Idee, daß da eine derartige
Mißwirtschaft herrscht, bin ich überhaupt nicht gekommen. Gott sei Dank ist Keßler
sehr ordentlich und bringt langsam Licht in das Dunkel. – –
Zurück zu Halle. Ich werde Selbmann auch noch selbst schreiben und die Angelegenheit erklären und bitte Dich nochmals, mir nicht böse zu sein. Damit Du aber
für alle Fälle in Zukunft orientiert bist, was ich in Halle persönlich ausgeliehen
habe, schicke ich Dir eine Bücherliste mit. Nicht verzeichnet ist darauf der Zola,
den ich habe. Ich schicke Silzer mit gleicher Post ebenfalls nochmals die Liste zu
und bitte ihn festzustellen, ob alles in Ordnung ist. –
Was macht Hadwig und Heinrich Mann? Wann sieht man Euch wieder einmal in
Berlin? Ist die Karte aus Polen angekommen? Rheinfelder hat den Erhalt der seinen schon bestätigt. Übrigens ist die leidige Beschlagnahmegeschichte auch geklärt. Die Pakete sind frei gegeben und Rheinfelder zürnt uns nicht mehr, so daß
die Hallenser Feier in Ruhe und Frieden vor sich gehen kann.65 Ich würde dort üb61 Erwin Silzer (geb. 1924) Rumänist in Halle, gab gemeinsam mit Horst Heintze die Festschrift zu Klemperers 75. Geburtstag Im Dienste der Sprache, Halle: Niemeyer, 1958,
heraus.
62 Der damalige Direktor der Hallenser Universitätsbibliothek.
63 Bibliotheksassistentin am Institut für Romanistik der Humboldt-Universität.
64 Helmut Keßler (1933-1969) promovierte 1960 bei Rita Schober; er verließ noch im selben
Jahr die DDR und arbeitete dann in Bonn und Bochum. Seine Dissertation veröffentlichte
er bearbeitet 1966: Maupassants Novellen. Typen und Themen, Braunschweig: Westermann.
65 In seinem Brief an Rita Schober vom 12. Dezember 1955 hatte Hans Rheinfelder seine in
Aussicht gestellte Teilnahme an der Feier zum 80-jährigen Jubiläum des Romanischen
238
rigens gern, wenn es Dir Freude macht, einen Vortrag halten. Für Florenz66 aber
habe ich abgesagt, denn nach allem scheinen da doch in erster Linie eng mit dem
Thema verbundene Vorträge gewünscht zu werden. Hast Du übrigens das zweite
Rundschreiben erhalten?
Viele herzliche Grüße an Dich und Hadwig und alles Gute!
Deine
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
[Postkarte aus Paris, Cité Universitaire, Maison internationale]
25.4.56
L. Rita –
Du bist hoffentlich gut und zufrieden zurückgekommen, Du hast wohl unseren Kartengruß erhalten und sollst bald einmal einen langen Brief haben.
Für heute eine wichtige Bitte. Ich soll hier am 27.5. in eben dem im wesentlichen germanistischen „Heine-Cirkel“ sprechen,67 in dem vor ein paar Wochen H.
Mayer68 sprach. Bitte laß mir doch – wenn irgend möglich in mehreren Exemplaren – die Liste unserer Übersetzungen etc. durch Luftpost überweisen. Ich glaube, sie wird allerbeste Wirkungen tun. Mein Thema soll ganz frei heißen: Französ.
Lit. in Deutschland, natürlich mit dem Nachdruck auf unser Heute und auf die
DDR.
Wie gesagt, sobald ich besser im Bilde bin, hörst Du Genaueres von mir. Aber
Deine Bücherliste ist auf alle Fälle von centraler Wichtigkeit.
In alter stürmisch-herzlicher Verbundenheit
Dein
Singe malin
nebst Hadwig
Wir sind hier pracht- und ehrenvoll (nur leider ziemlich kostspielig) untergebracht.
Seminars Halle „nach dieser Kränkung“ durch die Beschlagnahme seiner Buchsendungen abgesagt.
66 In Florenz fand vom 3.-8. April 1956 der Internationale Romanistenkongreß statt; Klemperer nahm ebenso wie Rita Schober an ihm teil. Sie trafen dort auch mehrfach mit
Rheinfelder zusammen, für Klemperer war er „unser Freund“ (Tagebücher, S. 542).
67 Klemperer sprach am 26. Mai 1956 über den „Einfluß der französischen Kultur auf
Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert“, seiner ausführlich beschreibenden Tagebuchnotiz zufolge war es, einschließlich des Vortrages, „ein Pechtag“ (Tagebücher, S. 561).
Der Cercle Heine versammelte zu Vorträgen und Diskussionen linke, vor allem kommunistische, Deutschlandinteressenten; an der seinem Vortrag vorausgehenden Veranstaltung am 12. Mai nahm Klemperer teil (vgl. Tagebücher, S. 558).
68 Hans Mayer (1907-2001) war von 1948 bis 1963 Professor für Kultursoziologie und Geschichte der Nationalliteraturen in Leipzig.
239
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
26.7.57
Liebe Rita –
wir hören von Lilo, daß Du wieder im Lande und in der Arbeit bist.69 Gewiß hat L.
Dir auch die für Dich bestimmten Zeilen übergeben. Aus Greifswald telefonierte
mir Nöckler, daß der (seiner Meinung nach fest mit Lehnert70 verabredete) Termin
seiner Doctorprüfung, 30. Juli, hinfällig geworden sei, und daß Du, poveretta,
überhäuft seiest mit Staatsprüfungen.
Nun kommt heute eine gedruckte Vorankündigung, daß die Volkskammer „voraussichtlich“ in den nächsten Tagen auf den 8. August, 10 h einberufen werde,
wozu Erscheinen „unbedingt“ (unterstrichen!) erforderlich sei.
Könntest Du, rebus sic stantibus, vielleicht darauf hinwirken, daß die NöcklerPrüfung auf den 7. oder 8. oder 9. August angesetzt werde? Deine Anwesenheit
beim Mündlichen ist ja wohl gar nicht nötig, nur Dein Gutachten zur Dissertation.
(Ich schwanke zwischen III+ und II)
Uns beiden ist auch daran gelegen, wieder einmal ernstlich Gott und die Welt
mit Dir zu besprechen – ich bin mit beiden wenig zufrieden. Hadwig möchte Dich
vor der Drucklegung ihrer Arbeit konsultieren, ich meinerseits habe eine sehr unerfreuliche Sache mit dem Kulturbund auf dem Herzen.
Hoffentlich hast Du Freude an Deinem Frankreich-Aufenthalt gehabt, u. vor allem hoffentlich bist Du mit der Gesundheit in Ordnung.71
Alles andere mündlich. Wir wollen 2 Tage in Berlin sein, da muß sich doch Gelegenheit zu allseitiger Aussprache finden.
Sehr herzlich!
Deine
H. u. V.
Hast du schon Deine Privatexemplare von meinem 19e Bd II und meiner Mod. frz.
Lyrik?72 Und schon das Greifenbuch Louise Labé-Zech?73 (Ich weiß nicht, ob ich
die Verse oder die unbekleidete Dame der Ausgabe unlabélicher finde.)
69 Von Ende April bis Mitte Juli 1957 arbeitete Rita Schober in Paris an der Vorbereitung
einer kommentierten Ausgabe von Boileaus Art poétique (erschienen bei Niemeyer,
Halle, 1968).
70 Martin Lehnert (1910-1992), seit 1951 Professor für Anglistik an der Humboldt-Unversität,
war von 1957 bis 1961 Dekan der Philosophischen Fakultät.
71 Rita Schober hatte von Februar bis April 1957 wegen eines schweren Ischiasanfalls mehrere Wochen in der Charité zugebracht.
72 Victor Klemperer, Moderne französische Lyrik. (Dekadenz - Symbolismus - Neuromantik).
Studie und kommentierte Texte. Neuausgabe mit einem Anhang: Vom Surrealismus zur
Résistance, Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1957; bearbeitete Neuausgabe von: Die moderne französische Lyrik von 1870 bis zur Gegenwart. Studie, erläuterte
240
Was Dir von diesen Angeboten fehlt, bringe ich mit. U. A. w. g.
– Hast Du Deine Ernennung zum Ordinarius74 erhalten?
Viele herzliche Grüße,
Deine Hadwig.
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
Prof. Dr. phil. Dr. paed. h. c.
Victor Klemperer
Dresden A 34
Am Kirschberg 19 Telefon 833 91
14.I.59
Liebe Rita –
Weil ich nun doch runde 40 Jahre älter bin als Du, auch in mindestens einer Deiner schriftlichen Buchwidmungen an mich den Titel „VÄTERLICHER Freund“
trage, weil.... na usw.: ein bisschen zürne ich Dir zu 50 % und bin zu den anderen
50% ein bisschen um Dich besorgt.
Wir schreiben Dir ausführlich und herzlich zu den Festtagen, ich richtete in diesem Brief zwei Fragen an Dich, und bis heute liegt keine Antwort vor, Du gibst nur
kurze Auskünfte durch die verschiedenen Kräfte Deines Instituts.
Was hat es auf sich mit Dir?75 Kummer, Ärger, Zwiespalt des Gemüts, des Intellektes, des Gewissens? Es ist zu alledem so sehr viel Anlaß und Möglichkeit vorhanden! –
Die Geschichte mit der Sitzung am 9. Januar ist mir dunkel. Hadwig erinnert
sich, daß Lilo Limberg hier bei uns an der Copie des betr. Sitzungsberichtes arbeitete. Aber daß wir dann ein Exemplar erhielten, ist weder ihr noch mir erinnerlich.
Hadwig kontrolliert u. ordnet meine Posteingänge immer sehr genau. Ich selber
war in der Zeit vom 22.12.-10.I. unter grausamem Arbeitsdruck und hatte gar
nichts von den Festtagen. Am Morgen des 23.XII. rief mich nämlich die N.D.L. an,
Feuchtwanger sei gestorben, u. bat um einen termingebundenen Aufsatz; gleich
darauf kam auch aus Rudolstadt die Bitte des Verlages, bei einer Trauerfeier zu
Texte, Leipzig/Berlin: Teubner, 1929; zu Klemperers Literaturgeschichte des
19. Jahrhunderts vgl. Anmerkung 29.
73 Die Liebesgedichte einer schönen Lyoneser Seilerin namens Louize Labé, Nachdichtung
Paul Zech, Nachwort Victor Klemperer, Rudolstadt: Greifen-Verlag, 1956.
74 Auf Antrag Klemperers wurde Rita Schober mit Wirkung zum 1. September 1957 zum
Professor mit Lehrstuhl ernannt.
75 Rita Schober hatte in den Jahren 1958 bis 1960 sowohl privat wie durch politische Angriffe in der Parteigruppe der SED, der sie angehörte, eine Reihe von Schwierigkeiten,
die auch zu Unterbrechungen in der Korrespondenz mit Klemperer beitrugen.
241
sprechen.76 Ich habe Feuchtwanger ungemein geschätzt, habe sehr hübsche
Briefe von ihm,77 wollte bestimmt zu seinem 75. Geburtstag (im Sommer 59),
wollte nach Beendigung meines 18ième eine Monographie über ihn schreiben.
Nun kam mir das über den Hals. Ich habe buchstäblich Tag für Tag wie ein Sklave
gearbeitet, um etwas Rechtes zustande zu bringen, Provisorisches natürlich. Zum
9.I. also hätte ich auch dann leider absagen müssen, wenn mir das Datum der Sitzung vorher gegenwärtig gewesen wäre.
Noch eines frappiert mich an dem Protokoll. Mir war gesagt worden, nur Berlin
erhielte neue Romanisten zugewiesen. Erst aus dem Protokoll, das Du mir jetzt
durch Kollegin Anders78 „mit vorzüglicher Hochachtung“ übersenden ließest
(oder vielleicht zum zweitenmal übersenden ließest), ersehe ich, daß nur Halle
kein neues Kontingent erhalten hat. Alle anderen, auch Greifswald, sind bedacht
worden. Warum das?? Will man mich auch mundtot machen, nachdem man meine
Publikationen längst mehr und mehr totgeschwiegen hat u. abwürgte. Es ist
manchmal sehr ehrenvoll in Ungnade zu sein, aber angenehm ist es natürlich
nicht. – –
[Randbemerkung:] Absatz! Einrücken!
Nun also die zwei Fragen, die ich Dir im Weihnachtsbrief stellte („... und ein Narr
wartete auf Antwort“)
1.) soll ich in Berlin meine monatlichen Vorträge weiterhalten oder aufgeben?
Mit meinem letzten Programm: Corneille – Racine – Molière war ich vor Weihnachten nicht weit gekommen. Ich weiß nicht, ob Interessenten für Fortsetzung vorhanden.79
76 Lion Feuchtwanger war am 21. Dezember 1958 gestorben. Der Greifen-Verlag Rudolstadt war Feuchtwangers wichtigster Verlag in der DDR (insgesamt 24 Titel von 1948 bis
1962). Klemperer sprach auf der Gedenkfeier des Verlages am 4. Januar 1959 über „Der
zentrale Roman Lion Feuchtwangers“ (gemeint war Erfolg; publiziert in dem Band Lion
Feuchtwanger zum Gedenken. Von seinen Freunden auf der Heidecksburg, Rudolstadt:
Greifen-Verlag 1959, S. 37-73); die Neue Deutsche Literatur (1959/2, S. 5-17) veröffentlichte den Text leicht gekürzt u.d.T. „Der gläubige Skeptiker. Lion Feuchtwangers zentraler Roman“. Nach der Romaninterpretation hieß es in beiden Fassungen in einer Schlußpassage (S. 72 bzw. 17): „Alles in allem, seiner ganzen Natur und seinem ganzen Werk
nach steht er doch dem milderen Voltaire näher als dem Rebellen Rousseau. Robespierre ist ihm ein wenig unheimlich, steht ihm ein wenig ferner. (Es ist anzunehmen, daß
auch Jean-Jacques, der vor der Revolution starb, nur halb und nur widerstrebend einverstanden gewesen wäre mit seinem blutig konsequenten Schüler Robespierre.)“
77 In Klemperers Nachlaß befinden sich drei Briefe Feuchtwangers an Hadwig Klemperer
(9.11.1954–30.1.1956) sowie neun Briefe an Victor Klemperer (22.10.1956–1.11.1958).
78 Hildegard Anders (geb. 1926) war von 1954 bis 1960 Sekretärin am Romanischen Institut
der Humboldt-Universität.
79 Das „erste Kolleg nach den Ferien“ hielt Klemperer am 17. Februar 1959 über Béranger,
„vor einem zusammengeschmolzenen Häufchen“ (Tagebücher, S. 738). Am 21. Mai 1959
erhielt er ein ärztliches „Vorlesungsverbot für den ganzen Semesterrest. Ich habe es
nicht anders erwartet u bin doch sehr, sehr erschüttert.“ (Ebd., S. 747).
242
Und 2.) Was ist es mit Lissabon?80 Ihr habt mich vorgeschlagen, ich erhielt Einladung aus L., man will bis Ende Januar wegen des Hôtels aber bestimmte Zusage.
Ich schrieb Dir, daß ich – ärztliche Vorschrift! – nur in Begleitung meiner Frau reisen darf, übrigens allgemein üblich u. selbstverständlich, wo es sich um „namhafte
Gelehrte“, bzw. gelehrte Greise über 70 handelt. Wie ist es mit der Devisenbewilligung des Ministeriums? Ich richte die gleiche Frage an die Akademie. –
Es ist möglich, daß wir am 21. od. 23. Januar zu einer Sitzung des KB-Praesidialrates81 nach Berlin kommen; dann müssten wir natürlich auch mit Dir zusammentreffen. Aber beim KB werden immer im letzten Augenblick andere Daten
angesetzt, u. die Antwort an Lissabon muß bald gegeben werden.
Also noch einmal: gib bitte Antwort
Deinem alten
Victor Kl
Liebe Rita!
Hoffentlich hast Du mit den Deinen recht schöne, friedvolle Festtage und einen
guten Jahresanfang gehabt! Bei uns war es inzwischen schön und anstrengend:
Victor saß festgenagelt über seiner Feuchtwangerstudie, meine Eltern waren da,
dann mein Bruder mit Gattin, alle Tische liegen voller unerledigter Korrespondenz, die Zimmer gleichen Schlachtfeldern, Zeitungen liegen ungelesen umher.
Allmählich jedoch verlaufen sich die Wasser.
Liebe Rita, laß es Dir recht gut gehen, und sei herzlichst gegrüßt
von Deiner Hadwig.
Victor Klemperer an Rita Schober
[Handschrift Hadwig Klemperer]
Prof. Dr. phil. Dr. paed. h. c.
Victor Klemperer
Dresden A 34, 1.7.59
Am Kirschberg 19 Telefon 833 91
z.Zt. Dresden N 23
Industriestr. 40
Krankenhaus
A I / 13
(Diktat)
Liebe Rita!
Ich vermute Dich jetzt bald von der Reise zurück, hoffentlich recht erholt. Und ich
hoffe, daß wir uns bald über alles aussprechen können. Ich danke Dir erstens für
80 In Lissabon fand Anfang April 1959 nach Florenz 1956 der nächste Internationale Romanistenkongreß statt. Auf der Reise dorthin erlitt Klemperer in Brüssel in der Nacht vom 28.
zum 29. März 1959 einen schweren Herzanfall, der ihn zur Rückreise zwang und von
dem er sich nicht mehr erholen sollte.
81 Dem Präsidialrat des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands gehörte Klemperer von Mai 1947 bis zu seinem Tode an.
243
die schönen Blumen, die ich „Exoticum Ritensis“ getauft habe und die durch ihre
dauerhafte Schönheit – sie hielten vier Wochen in voller Frische – ständig meine
Freude und die Bewunderung des Krankenhauspersonals waren. Ich danke Dir
wesentlich mehr noch für alle Liebe und Treue, deren Du Hadwig und mich versicherst. Es sind mir in den vollen fünf Wochen, die ich nun hier in strenger Strophantinkur verbracht habe,82 viele Gedanken durch den Kopf gegangen. Wir beide
haben doch durch volle elf Jahre unsern Weg gemeinsam gemacht und, von gelegentlichen Reibungen abgesehen, an denen mal der eine mal der andere schuldig
war, in treuer und guter Kameradschaft. Daß ich Dir jetzt als ein besonderes Vermächtnis die Hadwig empfohlen habe, die ich als Ehefrau im letzten Dir verdanke,
das werte als einen besonderen Ausdruck meiner Gefühle. Es steht leider schlecht
um unseren Akademieplan,83 denn es ist fraglich, wieweit ich noch reise- und vorlesungsfähig bleibe. Sehr gern möchte ich mit Dir mündlich unsere politischen
Standpunkte besprechen. Du weißt, wie sehr und wie erfolglos wir beide uns um
die geistigen Interessen der Universität bemüht haben. Die letzten anderthalb
Jahre haben meinen Glauben tief erschüttert, und ich habe mich von allem zurückgezogen. Aber wie gesagt, dies ist ein Thema zu mündlicher Aussprache. Also laß
Dich recht bald hier sehen. Du bist uns jederzeit herzlich willkommen.
Dein alter Victor Kl.
P. S. Ich schicke Dir einen Sonderdruck aus gesunden Tagen84 mit und mache
Dich aufmerksam auf einige Randbemerkungen, die von mir in der Augustnummer
der NDL über das Buch aus dem Warschauer Ghetto „Im Feuer vergangen“ und
über die Verkehrtheit des üblichen Vergleiches zwischen dem Inferno Dantes und
der Nazis angestellt werden.85
Liebe Rita!
Nun danke ich Dir selber für Deine lieben Extra-Zeilen an mich; mit nur ganz wenig
verändertem Vorzeichen könnte ich Dir Deinen frommen Wunsch zurückgeben,
soll ich? Viele herzliche Grüße,
Deine Hadwig.
82 Dem Tagebuch zufolge war Klemperer fünf Tage zuvor, am 26. Juni 1959, ins Krankenhaus eingeliefert worden (Tagebücher, S. 751).
83 Vgl. auch im folgenden Brief die Bemerkung zu Beginn des zweiten Absatzes; worauf
sich die Anspielung bezog, war nicht aufzuklären.
84 Gemeint sein könnten „Stendhal in doppelter Beleuchtung“ (in: Wissenschaftliche Annalen 11/1954, S. 641-697) oder Delilles „Gärten“, ein Mosaikbild des 18. Jahrhunderts,
Berlin 1954 (Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst, 1953/2).
85 Der Artikel erschien erst im September/Oktober: Victor Klemperer, Inferno und Nazihölle.
Bemerkungen zu den „Tagebüchern aus dem Ghetto“, in: Neue Deutsche Literatur
1959/9-10, S. 245-252. Das Buch Im Feuer vergangen. Tagebücher aus dem Ghetto, das
Zeugenberichte aus dem Warschauer Ghetto sammelte, war mit einem Vorwort von Arnold Zweig 1958 im Verlag Rütten & Loening, Berlin, veröffentlicht worden.
244
Hadwig und Victor Klemperer an Rita Schober
[undatierte Karte, ca. Mitte Juli 1959, Maschinenschrift, als Beigabe zu einem Blumengruß]
Herzliche Grüsse von Krankenhaus zu Krankenhaus und gute Besserung
Hadwig und Victor
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
[Handschrift Hadwig Klemperer]
Prof. Dr. phil. Dr. paed. h. c.
Victor Klemperer
Dresden A 34, 15.7.59
Am Kirschberg 19 Telefon 833 91
z.Zt. Dresden N 23
Industriestr. 40
Krankenhaus
A I / 13
(Diktat)
Liebe Rita!
Herzlichen Dank für das Telegramm und alles Gute für Dein Schmerzenslager.86
Dies ist der erste Brief, den ich selber diktiere. Dieser zweite Anfall mit allem Zubehör und plötzlich aufgetretenen Altersleiden hat mir einigermaßen den Rest gegeben. Da ich andauernd unter Strophantin gehalten werde und ein sehr widerstandsfähiges Herz habe, so komme ich nach menschlichem Ermessen nochmal
davon, und die Prozedur wiederholt sich mehrfach. Daß das ein Vergnügen ist,
kann niemand behaupten, und Eva hat es leichter gehabt.
Wenn irgend möglich, möchte ich Dir noch den Posten an der Akademie
zuschanzen, und gleichzeitig möchte ich Dir Hadwig ans Herz legen. Ihre Dr.-Arbeit, die Niemeyer drucken will, hat im Manuskript in Tübingen Eindruck geschunden. Und nun will Niemeyer auch gleich ihre zweite größere Arbeit drucken.87
Kurzum, ich sehe ihre Anfänge, aber leider nicht, ob man sie bei uns habilitieren
wird. Am liebsten sähe ich sie als Deine Mitarbeiterin an der Akademie. Es hängt
86 Im Juni/Juli 1959 war Rita Schober wegen schwerer Ischiasanfälle erneut in stationärer
Behandlung in der Berliner Charité.
87 Hadwig Kirchner-Klemperers Dissertation (vgl. Anmerkung 56) blieb ungedruckt. In der
Wissenschaftlichen Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und
sprachwissenschaftliche Reihe, 1962/2, S. 241-280, erschien – Ausweis der auf die Dissertation folgenden Forschung – ihr Aufsatz „Der deutsche soziale Roman der vierziger
Jahre des vorigen Jahrhunderts, repräsentiert durch Ernst Willkomm und Robert Prutz einerseits und Alexander Sternberg andererseits, unter besonderer Berücksichtigung seiner Beziehungen zum französischen Roman“.
245
alles davon ab, ob ich nochmal hinüber kann. Im Ganzen wird allenfalls noch ein
halb Lebendiger aus mir. Hadwig bewährt sich als Krankenschwester wie in allem.
Und was Ihr ihr tut, das tut Ihr mir. Vorderhand, wie gesagt, liege ich sehr hilflos
hier, aber bei dem vielen Strophil und den vielen Schlafspritzen läßt es sich leben
oder was man so nennt.
In alter Gesinnung
Dein Victor
Liebe Rita!
Auch von mir die besten Genesungswünsche! Was Victor eben von „vielen“ Spritzen schreibt, ist natürlich sanft übertrieben. Er bekommt pro Tag 1 Strophilspritze
(= 1/8) und abends 1/4 Luminalspritze. Dazu kam allerdings eine Woche lang eine
größere Penicillin-Kur, da er leichtes Fieber hatte, zum Teil gewiß wegen der starken Hitze, die ihm überhaupt zu schaffen machte. Seit es wieder kühler ist, geht es
ihm wieder etwas besser, vor allem nimmt er nun wieder etwas mehr Nahrung zu
sich.
Liebe Rita, hoffentlich gestattet es Dir Deine Gesundheit bald, uns hier zu besuchen! Herzlichste Grüße Dir und Deinen Lieben,
Deine Hadwig.
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
[undatierte Briefkarte, Herbst 1959]
L. Rita –
recht herzl. Dank für Deinen guten Brief; daß er inzwischen durch unser Telefongespräch überholt wurde, nimmt ihm nichts von seinem Freundschaftswert. Dir wünsche ich baldige und endlich einmal völlige Befreiung von dem Ischiaselend, mir –
ich weiß, es ist sehr unbescheiden u. ein wenig gegen die Natur – noch einmal
gebrauchsfähig zu werden. Ich bin noch immer sehr klapprig u. darf mich in diesem Semester gar nicht mehr produzieren. Besonders schwer ist mir eine notgedrungene Absage an die Akademie der Künste gefallen. Dort sollte ich zum 75. Geburtstag Lion Feuchtwangers sprechen – Rezitatorin Helene Weigel!88 Vanitas vanitatum. Feuchtwanger war längst mein hobby, ich habe mehrere Teilstudien über ihn teils
publiziert, teils gesprochen,89 es schwebt mir immer eine Monographie über ihn vor, u.
er schrieb mir einmal – weiß Gott, wie viel anderen Leuten er dasselbe geschrieben
88 Feuchtwanger wäre am 7. Juli 75 Jahre alt geworden. Helene Weigel (1900-1971) war
die Witwe Bertolt Brechts und Intendantin sowie wichtigste Schauspielerin des Berliner
Ensembles.
89 Vgl. Anmerkung 81; 1957 war bereits ein Artikel über Feuchtwangers Stück „Die Witwe
Capet“ im Almanach des Greifenverlags Rudolstadt erschienen, den der Verlag 1961
auch in den Band Victor Klemperer zum Gedenken aufnahm.
246
hat! – ich verstünde ihn besonders gut. Mit unserer gemeinsamen SU-Vortragsreise90
ist es nun auch nichts. So schwimmen die Felle eins nach dem anderen weg. Helf er
sich! Wer hat mit beinahe 78 Jahren noch Anspruch auf Wirken können?
Du siehst, ich bin arg deprimiert, aber da ich von altbewährt zäher Rasse bin, u.
die Hadwig mich andauernd pflegt und tröstet und zur Geduld ermahnt, so komme ich
vielleicht doch noch einmal auf die Beine.
Laß Dich recht bald bei uns sehen, es wäre wirklich über mancherlei zu sprechen.
Alles Gute, sehr herzlich Dein
Victor Klemperer
Liebe Rita! Victors Einladung und gute Wünsche unterstreiche ich auf das
Nachdrücklichste! Herzlichst!
Deine Hadwig
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
Prof. Dr. phil. Dr. paed. h. c.
Victor Klemperer
Dresden A 34
Am Kirschberg 19 Telefon 833 91
23. Okt. 59
Liebste Rita –
Tausend Dank für alle gehäuften Herzlichkeiten. Die Miserabligkeit dieses handschriftlichen Dankes liegt nicht an physischer Schwäche, sondern an technischen
Schwierigkeiten (Mangel eines Schreibtisches und geeigneten Stuhles, Höhe
usw.). Aber ich bin immerhin so weit, daß ich außerhalb des wackligen Bettes
eine Stunde aufrecht sitze und nicht bloß auf Diktieren angewiesen bin. Und mein
Kopf nimmt Lektüre einigermaßen wieder auf und in guten Stunden (denen noch
viele depressive, zumal während der Nacht, folgen) fange ich wirklich an, den
Versicherungen der Ärzte und der Tag und Nacht unermüdlich um mich bemühten Hadwig Glauben zu schenken. Man schwört, mein zähes [gestrichen] gutes
Herz91 habe die attaque überwunden und könne noch eine Weile aushalten. Anfang Dez. will man mich nach Haus entlassen.. jeden Falls sollst Du aus diesem
„Handschreiben“ ersehen, daß ich ernstlich an Dich denke und Dir dankbar bin.
Ob es für H. ein so besonderes Glück ist, daß ich mich noch einmal zu raffen
scheine, ist eine Frage für sich.
Soviel für heute; ich muß ins Bett, u. H. muß ergänzen. Es geht mir manchmal
durch den Kopf, daß ich an dem ganz unverdienten Glück dieses Lebensabends
zu nicht geringem Teil Dir verpflichtet bin.
Dein Victor
90 Die Vortragsreise hat Rita Schober Ende 1959 allein nach Moskau und Rumänien geführt.
91 Korrigiert aus: zähes.
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Es sind heute am 23. X. auf den Tag 7 Jahre und 7 Monate, seit Du unsere Trauzeugin warst.92
Liebe Rita!
Victor geht es nun wirklich besser, ich hoffe, entscheidend. Er geht seit zwei Tagen
ohne Stütze freihändig, und kleine Autofahrten erweitern seinen Gesichtskreis,
was ja bei so langem Krankenhausaufenthalt sehr wichtig ist.
Wie geht es nun Dir und Deinen Lieben? Waren Deine diversen Auslandstourneen93 erfreulich und erfolgreich?
Alles Gute! Herzliche Grüße!
Deine Hadwig.
Victor und Hadwig Klemperer an Rita Schober
[Weihnachtskarte mit einer Krippen-Darstellung]
20.12.59
Liebe Rita!
herzl. Dank von uns beiden für Deine Grüße von unterwegs und ebensolche guten
Wünsche für 1960. Zum erstenmal schreibe ich von zu Hause, und von Februar an
soll ich auch wieder einigermaßen aktiv werden. Ich danke dies nicht mehr Erhoffte
nach ärztlicher Meinung vor allem neben meiner guten Natur und der ärztlichen
Behandlung Hadwigs täglicher und nächtlicher Sonderpflege, die die ganzen sechs
Monate das Krankenhaus mit mir geteilt hat. Daß wir wieder Hoffnung haben, geht
aus der Anschaffung eines großen Wolga-Fünfsitzers94 hervor. Ich hoffe mit Hadwigs Hilfe die Herausgabe meiner früheren Opera beenden zu können und vielleicht sogar noch zu einer wirklich aktiven neuen Tätigkeit für ein paar Jahre zu
kommen.95
Herzlichst in alter Verbundenheit
Dein
Victor Klemperer
Liebe Rita! Dir und allen Deinen Lieben wünsche ich ein recht gutes Weihnachtsfest und friedliches Neues Jahr! Herzlichst
Deine Hadwig
92 Die Trauung fand am 23. Mai, nicht am 23. März 1952 statt.
93 Im September 1959 hatte Rita Schober gemeinsam mit Werner Krauss an einem unter
Schirmherrschaft der UNESCO veranstalteten Colloque international de civilisations, littératures et langues romanes in Bukarest teilgenommen (vgl. den Bericht von Zygmunt
Czerny in: Beiträge zur romanischen Philologie 1963/1, S. 182-191).
94 Auto aus sowjetischer Produktion.
95 Victor Klemperer starb am 11. Februar 1960 in seinem Dresdner Haus. Auf seinen
Wunsch hielt Rita Schober die Grabrede.
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