Handelbare Zertifikate oder Emissionssteuer?
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Handelbare Zertifikate oder Emissionssteuer?
UNIVERSITÄT HAMBURG FACHBEREICH WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN ARBEITSBEREICH INTERNATIONALE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN PROF. DR. THOMAS STRAUBHAAR Seminar „Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik“ im Wintersemester 2009/10 Betreuer: Dipl.-Vw., Dipl.-Kfm. Sebastian Schröer Panel E: Energie und Klimapolitik Thema E4: Handelbare Zertifikate oder Emissionssteuer? Eine ökonomische Analyse eingereicht von: Schmidt, Constanze Saja, Katarzyna Abgabedatum 26.10.2009 Saja, Katarzyna Schmidt, Constanze Betreuer: Betreuer: Dipl.-Vw., Dipl.-Kfm. Sebastian Schröer Hiermit erklären wir, dass wir diese Seminararbeit selbständig und nur mit Hilfe der genannten Literaturangaben verfasst haben. Hamburg, den 26.10.2009 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung......................................................................................................................................... 1 2. Ursachen und Bedeutung des Klimawandels: Historische und empirische Darstellung................. 1 3. 4. 5. 2.1 Geschichte des Klimawandels durch Industrialisierung.......................................................... 1 2.2 Empirische Fakten ................................................................................................................... 2 2.3 Kyoto Protokoll........................................................................................................................ 4 Theoretische Einbettung: Regulierung externer Effekte................................................................. 5 3.1 Pigou-Steuer ............................................................................................................................ 5 3.2 Handelbare Emissionszertifikate nach Coase.......................................................................... 6 Instrumente zur Treibhausgasregulierung ...................................................................................... 8 4.1 Steuerlösungen........................................................................................................................ 8 4.2 Zertifikatsysteme................................................................................................................... 10 4.3 Kritische Gegenüberstellung beider Alternativen ................................................................. 13 4.3.1. Instrumentenanalyse anhand umweltökonomischer Beurteilungskriterien ................ 13 4.3.2. Politische Durchsetzbarkeit........................................................................................... 14 4.3.3. Zwischenfazit ................................................................................................................. 15 Schlussbetrachtung ....................................................................................................................... 16 I Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Atmosphärische Konzentration des Kohlendioxids (ppm)................................................. 3 Abbildung 2: Funktionsweise der Pigou-Steuer ...................................................................................... 8 Abbildung 3: Funktionsweise der Zertifikatslösung .............................................................................. 12 Tabellenverzeichnis: Tabelle 1: Vergleich der Instrumente Steuer und Zertifikate anhand der OECD-Kriterien................... 13 Abkürzungsverzeichnis: eK – Externe Kosten GDP – Gross domestic product GSVK-Grenzschadenvermeidungskosten IAM- Integrated Assessment Models IPCC- Intergovernmental Panel on Climate Change II 1. Einleitung Die wirtschaftspolitische Relevanz des Klimaschutzes in der nationalen und internationalen Politik hat in letzter Zeit stark zugenommen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Länder das auftretende Klimaproblem möglichst effizient lösen können und ihre Klimapolitik sinnvoll aufeinander abstimmen. In diesem Zusammenhang muss geklärt werden, wie der Klimawandel aus ökonomischer Sicht gebremst werden kann. Hinsichtlich dieser Problemstellung gibt es zahlreiche Instrumente, welche das Problem der Klimaverschmutzung und einer damit einhergehenden langfristigen Umweltschädigung beseitigen sollen. Die vorliegende Arbeit stellt eine ökonomische Analyse zweier wirtschaftspolitischer Instrumente dar, mit deren Hilfe einer Umweltschädigung entgegen gewirkt werden kann. Dazu werden die Preisund Mengenlösungen Steuer und Zertifikate analysiert.1 Kern dieser Untersuchung ist eine vergleichende Instrumentenanalyse anhand umweltökonomischer Beurteilungskriterien. Zu diesem Zweck wird in Abschnitt 2 ein kurzer Überblick über die Empirie zum Thema gegeben. In Abschnitt 3 wird vertieft auf die theoretische Grundlegung eingegangen, um in Abschnitt 4 die Instrumente abschließend ökonomisch zu analysieren. Am Ende der Arbeit soll dann eine Aussage darüber getroffen werden, welche der beiden wirtschaftspolitischen Maßnahmen am besten geeignet ist, um aktuellen Problemen des Klimaschutzes mit politischen Eingriffen entgegen zu wirken. 2. Ursachen und Bedeutung des Klimawandels: Historische und empirische Darstellung 2.1 Geschichte des Klimawandels durch Industrialisierung In den vergangenen Jahrzehnten ließ sich ein allmählicher Anstieg der Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre und der Meere beobachten. Heutzutage können wir sagen, dass der Klimawandel, der heute und in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten stattfinden wird, sich nicht mehr aufhalten lässt.2 Diese Annahme resultiert aus der stetigen Zunahme der CO2-Konzentration, welche die natürliche Regenerationsfähigkeit der Atmosphäre erschöpft, so dass der sog. Treibhausgaseffekt auftritt.3 1 Die Instrumente “Moral Suasion”, also die Förderung des Umweltbewusstseins in der Bevölkerung und das Instrument der ordnungsrechtlichen Auflagen werden in dieser Arbeit nicht näher betrachtet. Zu einem weiterführenden Vergleich, welche auch diese Instrumente berücksichtigt, siehe bspw. TROJA, MARKUS (1998) und HAENSGEN, TINEKE (2002). 2 Vgl. STERN, NICOLAS (2007), S. 2. 3 Vgl. HAENSGEN, TINEKE (2002), S. 5. 1 Zunächst lässt sich festhalten, dass der Mensch mit seinem Handeln die Konzentration von Treibhausgasen deutlich beeinflusst (laut IPCC mit 90% bis 99% Wahrscheinlichkeit).4 CO2 ist ein rund 100 Jahre lang mit hohem Wirkungsgrad aktives Treibhausgas, d.h. die Verantwortung für den heute bereits sichtbaren globalen Klimawandel ergibt sich aus den kumulierten Emissionen des letzten Jahrhunderts. Diejenigen Länder, die in der Vergangenheit aufgrund ihres hohen Wachstums besonders viel Energie nutzten – genannt seien hier vor allem die fossilen Energieträger wie Kohle, Öl und Gas – setzten die größten Treibhausgasemissionen der Neuzeit in die Atmosphäre frei. Sie haben von diesem Verhalten profitiert, indem sie durch Umwandlung der fossilen Energieträger in Geldwerte Infrastruktur, Produktionsanlagen und einen Kapitalstock aufbauen konnten. Industrieländer wie z.B. die USA, Europa, Russland und Japan sind die Hauptverursacher des anthropogenen Treibhauseffektes, gefolgt von den Schwellenländern wie China und Indien, in denen es in den letzten Jahren zu einem rasanten Anstieg der CO2 Emissionen gekommen ist.5 Obwohl sich das heutige Wirtschaftswachstum in den meisten Ländern wegen der Finanzkrise verlangsamt hat und die Rohstoffpreise gesunken sind, prognostiziert die International Energy Agency eine weitere Steigerung der Weltnachfrage nach Energie. Somit werden auch die Treibhausgasemissionen weiter steigen.6 2.2 Empirische Fakten Klimaschwankungen sind, betrachtet man die Erdgeschichte, eine normale Angelegenheit. Heutzutage erleben wir allerdings eine rasantere Entwicklung. Die globale Durchschnittstemperatur ist im Laufe des 20. Jahrhunderts um ca. 0,74 °C angestiegen, allerdings weder zeitlich noch regional gleichmäßig. Besonders in den Zeiträumen von 1910 bis 1945 und seit 1976 ist es zu einer deutlichen Erwärmung gekommen. Elf der vergangenen zwölf Jahre (1995-2006) fallen unter die zwölf wärmsten Jahre seit Beginn der der Temperaturaufzeichnungen im Jahre 1850.7 Wie aus den Daten des IPCC hervorgeht, ist gerade beim wichtigsten von Menschen emittierten Treibhausgas, dem Kohlendioxid, der Wachstumstrend auf globaler Ebene ungebrochen. Zwischen 1990 und 2004 ist es zu einem Anstieg der CO2 Emissionen von 28% gekommen, der Trend hat sich in den letzten Jahren beschleunigt (siehe Abbildung 1).8 4 Vgl. IPCC (2007), S. 2-12. Vgl. GERMANWATCH (2008), S. 11. 6 Vgl. WORLD ENERGY OUTLOOK (2008), S. 25. 7 Vgl. IPCC (2007), S. 5. 8 Vgl. GERMANWATCH (2008), S. 15. 5 2 Abbildung 1: Atmosphärische Konzentration des Kohlendioxids (ppm) 9 Es gibt eine Menge von wahrscheinlichen Szenarien für die zukünftige Entwicklung des Klimaproblems. Anders sieht es bei der Untersuchung von Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft aus. Man muss sich die Frage stellen, ob der Klimawandel sich wirklich negativ auf den Wohlstand in einem Land auswirkt, und wenn ja, in welchem Ausmaß. Eines steht dabei fest: es besteht in der Wissenschaft noch immer eine große Unsicherheit bezüglich der relevanten Wirkungszusammenhänge. Dies ist das Thema der heutigen Wirtschaftsforschung, welche sich mit dem Klimawandel beschäftigt. Eine weitere Analyse des Klimawandels im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen wurde von Nicholas Stern durchgeführt. Er hat die wirtschaftlichen Kosten geschätzt und die Risiken mit unterschiedlichen Techniken bewertet. Laut den von ihm gesammelten Argumenten kommt man zu dem Ergebnis, dass die Vorteile eines frühen Handelns gegen die CO2-Konzentration bei weitem die wirtschaftlichen Kosten des Nichthandelns überwiegen. Der Aufsatz schätzt die Gesamtkosten des Klimawandels auf mindestens 5% des globalen GDP pro Jahr. Im Gegensatz dazu ist es möglich, die Kosten zur Reduktion der CO2-Emissionen auf etwa 1% des globalen GDP zu begrenzen. Die gravierenden Auswirkungen der Emissionen können also durch eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre begrenzt werden. Dies bedeutet, dass die Emissionen bis 2050 um wenigstens 25% unter das derzeitige Niveau gebracht werden müssen. Die Bekämpfung des Klimawandels ist langfristig gesehen eine Pro-Wachstum-Strategie und kann auf eine Weise erfolgen, die die Wachstumsambitionen reicher oder armer Länder nicht behindert.10 Stern’s Analyse wurde durch viele Wissenschaftler als sehr pessimistisch und selektiv eingestuft. Ihm wird vorgeworfen, die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse bezüglich der Klimapolitik verzehrt 9 IPCC (2007), S. 3. Vgl. STERN, NICOLAS (2007), S. 3. 10 3 zu haben; vor allem bei den Diskontierungssätzen, auf deren Basis die Kosten des Klimawandels errechnet wurden. Sein Werk sollte nicht als ein wissenschaftliches Dokument gelesen werden, sondern nur als ein politischer Bericht, der Entscheider zum Handeln auf der internationalen Ebene bewegen soll.11 2.3 Kyoto Protokoll Umweltschäden entstehen aus ökonomischer Sicht durch die Tatsache, dass die Umwelt oft als freies Gut behandelt wird – und das, obwohl die unberührte Natur längst zu einem knappen Gut geworden ist. Wenn jedes einzelne Gut der Umwelt einen individuellen Eigentümer hätte, dann müsste für ihre Nutzung ein Preis gezahlt werden, der ihre jeweilige Knappheit zum Ausdruck bringt.12 Da die Nutzer der Umwelt derzeit jedoch keinen Preis dafür bezahlen, kommt es zu Fehlallokationen bei der Nutzung von Ressourcen unserer Umwelt. Die Wirkungen sind mit einer Subventionierung der Produktion und des Konsums durch die Umwelt als Subventionsträger vergleichbar.13 Die damit einhergehenden umweltschädigenden Belastungen kennzeichnet der Ökonom als sog. externe Effekte oder besser: als volkswirtschaftliche Kosten. Das Klimaschutzprogramm stellt somit im ökonomischen Sinne ein Allokationsproblem dar.14 Da der Klimawandel ein globales Problem ist, muss die Antwort darauf ebenfalls global sein. Mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 wurde ein großer Schritt in Richtung Klimaschutz anvisiert. Die Vereinbarung sieht vor, dass die unterzeichnenden Vertragsparteien, die meisten von ihnen Industrieländer, im Zeitraum von 2008 bis 2012 ihre Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahre 1990 um durchschnittlich 5,2% reduzieren müssen. Das Protokoll wurde bisher von 175 Staaten ratifiziert. Wichtige Länder wie China und Indien haben den Vertrag zwar unterschrieben und ratifiziert, sind aber von den Beschränkungen des Kyoto Protokolls gar nicht betroffen. Die USA haben die Ratifikation des Vertrags durch das Repräsentantenhaus ausgesetzt. Zur Erfüllung der Verpflichtungen sieht das Protokoll den Einsatz der sog. flexiblen Mechanismen vor: Emissionshandel, Joint Implementation und Clean Development Mechanism.15 11 Vgl. NORDHAUS, WILLIAM D. (2007a), S. 686-702 und TOL, RICHARD S.J., (2006), S. 4. Vgl. DICKERTMANN, DIETRICH (1993), S. 35-36. 13 Eine Kommerzialisierung der Umwelt findet demnach – ohne einen Berechtigungsschein – seit jeher und in einem zunehmenden Maß statt. 14 Vgl. HAENSGEN, TINEKE (2002), S. 6-7. 15 Der Emissionshandel wird Gegenstand der weiteren Analyse sein. 12 4 3. Theoretische Einbettung: Regulierung externer Effekte Im vorigen Kapitel wurde gezeigt, dass das Klimaproblem aus ökologischer und ökonomischer Sicht ein großes Problem für die Menschheit darstellt. In den nächsten Kapiteln werden zwei wichtige theoretische Konzepte – Pigou-Steuer und das Coase-Theorem – dargestellt. Anschließend werden sie anhand der wesentlichen ökonomischen und ökologischen Kriterien im Hinblick auf ihre Eignung für den internationalen Klimaschutz bewertet. 3.1 Pigou-Steuer Bereits in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts entwickelte Arthur C. Pigou ein Modell, bei dem erstmals auch die Umwelt einer ökonomischen Betrachtung unterzogen wurde. Ziel seiner Theorie war die Internalisierung externer Effekte betriebswirtschaftlicher Aktivitäten auf die Volkswirtschaft. Unter Internalisierung versteht man die Einbeziehung von Zusatzkosten, die durch externe Effekte verursacht werden, in das Wirtschaftskalkül des Verursachers von externen Effekten. Das Ziel der Internalisierung wird erreicht, indem die externen Kosten auf den Verursacher über eine Steuerlast zugewiesen werden. Die externen Kosten bezeichnet man auch als soziale Zusatzkosten, da sie sich aus der Differenz von privaten und sozialen Kosten ergeben, wobei im Falle einer Umweltschädigung die sozialen Kosten gleichzusetzen sind mit den Umweltschadenskosten.16 Pigou ging es zunächst um externe Effekte, bei denen kein Ausschlussprinzip vorlag und die eindeutigen Kosten und Nutzen den öffentlichen Gütern nicht zugewiesen werden konnten. Mit dem Modell zur Internalisierung externer Effekte entstand erstmals eine ökonomische Bewertung der Umwelt als normaler Produktionsfaktor.17 Bei positiven Externalitäten sollen nach Pigou Subventionen für Leistungen gezahlt werden, deren Kosten ein einzelner trägt, von denen aber die Allgemeinheit profitiert. Umweltökonomisch relevanter ist jedoch der umgekehrte Fall: negative externe Effekte sollen über die so genannte Pigou-Steuer internalisiert werden. Die Pigou-Steuer bildet die theoretische Grundlage für Umweltabgaben, die versuchen, das Verhalten von Produzenten und Konsumenten zu beeinflussen, um angestrebte umweltpolitische Ziele zu verwirklichen. Im Vordergrund steht die Internalisierungs- und Lenkungsfunktion, d.h. die Umweltsteuer funktioniert als Anreiz zur Verminderung oder Vermeidung von Umweltgefährdungen. Der Steuersatz stellt dabei im Endeffekt einen Festpreis für externe Effekte dar. 16 17 Vgl. LACHMANN, WERNER (2004), S. 529. Vgl. BUTTGEREIT , REINHOLD (1991), S. 36. 5 Die Steuer baut auf dem Verursacherprinzip auf. Dieses Prinzip will demjenigen Produzenten, der einen Schaden durch externe Effekte verursacht, hierfür auch die Kosten für diesen Schaden zurechnen. Die Höhe der Steuer muss den sozialen Zusatzkosten entsprechen, die sich aus den volkswirtschaftlichen Kosten (soziale Grenzkosten) abzüglich der einzelwirtschaftlichen Kosten (private Grenzkosten) berechnen.18 Durch die Berücksichtigung der sozialen Zusatzkosten in das wirtschaftliche Kalkül des Unternehmers ist dieser dazu gezwungen, die veränderte Kostensituation in seiner Produktion zu berücksichtigen. Letztendlich wird der Verursacher externer Kosten so besteuert, dass die sozialen und privaten Grenzkosten bei der gesamtwirtschaftlich optimalen Menge identisch sind.19 Die Reaktion der Unternehmen auf die Umweltabgabe ist durch das Ziel bestimmt, die Steuerschuld zu senken. Ist der Steuersatz höher als die zusätzlichen Vermeidungskosten pro Emissionseinheit, so reduzieren die Unternehmen den Schadstoffausstoß so lange, bis die zusätzlichen Vermeidungskosten gleich dem Steuersatz sind.20 Das Festsetzen des konstanten Steuersatzes ist die entscheidende Maßnahme des Staates, um alle externen Kosten zu internalisieren. Die Pigou-Steuer ist für den Staat somit ein ökonomisches Instrument, welches den Unternehmer anreizen soll, den verursachten (Umwelt-)Schaden zu reduzieren. 3.2 Handelbare Emissionszertifikate nach Coase Bei dem Konzept der Pigou-Steuer spielen staatliche Eingriffe eine große Rolle. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit eines alternativen Internalisierungsmodells, welches auf Verhandlungslösungen setzt und bei dem der Marktmechanismus stärker zur Lösung von Problemen in Verbindung mit Externalitäten herangezogen wird. Dieses Modell wurde von Ronald H. Coase 1960 entwickelt und nach ihm als Coase-Theorem benannt. Es ist als Reaktion auf die viel diskutierte Pigou-Steuer zu verstehen.21 Coase zeigt in seinem Theorem, dass Wirtschaftssubjekte selbst über einen Markt eine effiziente (d.h. pareto-optimale) Lösung zur Internalisierung externerer Effekte22 finden können. Er stellt die Vorgehensweise in Frage, üblicherweise den Verursacher eines Schadens zu bestrafen.23 Damit kritisiert er die Interpretation des Verursacherprinzips, auf dem das Modell der Pigou-Steuer beruht. 18 Vgl. BUTTGEREIT , REINHOLD (1991), S. 37. Vgl. FRITSCH, MICHAEL , WEIN THOMAS, EWERS, H ANS-JÜRGEN (2005), S. 119. 20 Vgl. RAHMEYER, FRITZ (1999), S. 20. 21 Vgl. COASE, RONALD H. (1960), S. 1. 22 Da es Coase um die Internalisierung negativer externer Effekte geht, wird im Folgenden der Begriff „externer Effekt“ als bedeutungsgleiches Wort für „negativer externer Effekt“ verwendet. Es wird in diesem Zusammenhang von Schädiger und Geschädigten gesprochen. 23 Vgl. COASE, RONALD H. (1960), S. 1. 19 6 Coase verweist darauf, dass es sich bei externen Effekten vielmehr um ein Problem reziproker Natur handelt. Wenn beispielsweise ein Schaden bei einem Individuum A verhindert werden soll, verursacht dieses andererseits Schaden bei einem zweiten Individuum B. In seinem Aufsatz „The Problem of Social Costs“ stellt er dies beispielhaft anhand eines Viehzüchters und eines Bauern dar. Die umherlaufenden Rinder zerstören beim Grasen das Ackerland des Bauern und Coase betitelt das hier auftretende Problem schlicht: „The nature of the choise is clear: meat or crops“.24 Also muss entschieden werden, welcher Konsum – und zwar auf dem Markt über Preise – höher bewertet wird. Diese Entscheidung wird den beiden Verhandlungspartnern, Verursacher und Schädiger, überlassen. Würde man in diesem Falle vermeiden wollen, dass die Rinder die Ernte des Bauern fressen, müsste als Vermeidungsmaßnahme ein Zaun aufgestellt werden, sodass die Ernte sicher vor dem grasenden Vieh geschützt ist. Coase geht es bei seiner Theorie einer Verhandlungslösung jedoch nicht um eine Vermeidung des Schadens um jeden Preis, sondern vielmehr um den Vergleich der Nutzenverluste seitens des Schädigers und des Geschädigten. Es soll auf dem Markt über Preise entschieden werden, welcher Konsum, im Beispiel also das Fleisch der Rinder oder das Korn des Bauern, höher bewertet wird. Coase macht die Wirtschaftssubjekte zu Verhandlungspartnern, die selbst eine Übereinkunft über ihre Ressourcenallokation erzielen können. Er geht davon aus, dass die Wirtschaftssubjekte Probleme, die durch externe Effekte entstehen, selbst lösen können, wenn sie nur über die Allokation von Ressourcen verhandeln und diese ohne Kosten tauschen können.25 Dem Staat kommt dabei die Aufgabe zu, Eigentumsrechte zu definieren, durch die es den Verhandlungspartnern möglich ist, über die Schädigung bzw. Nutzung zu entscheiden.26 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl der Pigou-Ansatz als auch das Coase-Theorem auf sehr strikten und wenig realistischen Annahmen beruhen. Diese Konzepte sind jedoch ein wichtiger Baustein der heutigen marktwirtschaftlichen Instrumente die zur Bekämpfung des Klimaproblems angewendet werden. 24 Vgl. COASE, RONALD H . (1960), S. 2. Für das Coase-Theorem ist vorausgesetzt, dass die Verhandlungspartner leicht eine Übereinkunft über die Ressourcenallokation erzielen können. Es wird davon ausgegangen, dass beim Tausch zwischen den Akteuren keine Transaktionskosten entstehen. 26 Vgl. TROJA, MARKUS (1998), S. 41. 25 7 4. Instrumente zur Treibhausgasregulierung 4.1 Steuerlösungen Bei Steuerlösungen wird das oben beschriebene Allokationsproblem (Klimaproblem) durch einen Eingriff in das Preissystem beeinflusst. In der Literatur wird oftmals behauptet, im Idealfall vollständiger Informationen könne eine pareto-optimale Lösung durch die Anwendung einer PigouSteuer erreicht werden. Die folgende Grafik verdeutlicht die Wirkungsweise der Pigou-Steuer anhand einer Emissionssteuer: Abbildung 2: Funktionsweise der Pigou-Steuer 27 Die Angebotskurve A1 stellt die privaten Grenzkosten eines Produzenten dar. Dabei sind die Grenzkosten diejenigen Kosten, welche Produzenten bei der Produktion einer weiteren Einheit eines Gutes X entstehen. Im Schnittpunkt mit der Nachfragekurve N ergibt sich die produzierte Menge M1 des Gutes X. Entstehen bei der Produktion des Gutes X negative Externalitäten, wie z.B. Umweltschäden, so werden diese zunächst bewertet, um sie anschließend durch das Erheben einer Steuer zu internalisieren. Die Höhe des Steuersatzes bemisst sich aus dem Differenzbetrag zwischen privaten und sozialen Grenzkosten. Sie hängt außerdem von der Preiselastizität von Angebot und 27 BEAT HOTZ-HART, SCHMUKI, D., DÜMMLER, P. (2006), S. 263. 8 Nachfrage ab, denn je unelastischer die Nachfrage bzw. der Konsum nach dem Gut X ist, umso höher muss die Steuer sein. Wird eine Steuer erhoben, so verschiebt sich die Angebotskurve nach links oben auf die Angebotskurve A2. Der neue Schnittpunkt zwischen Angebot und Nachfrage in M2 beschreibt das neue volkswirtschaftliche Optimum: die produzierte Menge des Gutes X hat sich aufgrund der Internalisierung des externen Effektes verringert. Durch eine geringere Gesamtproduktion entstehen weniger Umweltschäden. Der Ansatz einer Emissionssteuer kann in der realen Politik aufgrund des hohen Informationsbedarfs nur scheitern. Die Komplexität des Klimaproblems, zeitlich verzögerte und lokal unterschiedliche Auswirkungen sowie die Unsicherheiten bezüglich der verursachten Schäden machen es unmöglich, die Kostenverläufe zu schätzen. Ökologisch sinnvolle Emissionshöchstgrenzen werden dabei höchstens zufällig eingehalten.28 Im Mittelpunkt der Klimapolitik kann daher nur eine Steuer gemäß dem Preis-Standard-Ansatz zur Anwendung kommen, die nicht den Anspruch auf vollständige Internalisierung erhebt, sondern ein Internalisierungsniveau mit minimalen Kosten zu erreichen versucht. Bei diesem Ansatz obliegt es dem Staat oder der internationalen Gemeinschaft den Steuersatz so zu wählen, dass nur noch die Treibhausgasmenge emittiert wird, die dem zuvor festgelegten Standard entspricht.29 Der Abgabensatz muss relativ hoch sein und zudem im Zeitablauf steigen. Die Anpassung der Haushalte und Unternehmen wird somit langsam stattfinden, da z.B. die Energienachfrage eine geringe Preiselastizität aufweist.30 Außer einer Lenkungswirkung als Hauptzweck kann die Erzielung von Einnahmen in Betracht gezogen werden, wobei das Aufkommen aus Emissionssteuern wegen großen Unsicherheiten schwer zu prognostizieren ist. Bei einer Umweltsteuer sind unterschiedliche Bemessungsgrundlagen denkbar. Bei einer Produktmengenabgabe wird die Steuer auf jede produzierte Gütereinheit erhoben. Dies hat zur Folge, dass durch die Steuer der Preis des Gutes steigt, wodurch Angebot und Nachfrage auf einem niedrigeren mengenbezogenen Niveau der Produktion übereinstimmen. Als alternatives Konzept bietet sich die Inputabgabe an, z.B. auf den Wert des Energieinputs. Sie ist sinnvoll, wenn die Nutzung knapper und umweltschädlicher Produktionsfaktoren begrenzt werden soll. Die in der Praxis bedeutsamste Bemessungsgrundlage ist jedoch die Emission. Eine große Schwierigkeit besteht jedoch in der Ermittlung der Emissionsmenge und in den hohe Kosten der Emissionsmessung. 31 28 Vgl. HAENSGEN, TINEKE (2002), S. 29. Vgl. HEILMANN, SVEN (2005), S. 7, weiterführende Literatur BAUMOL, W./OATES, W. (1988). 30 Vgl. RAHMEYER, FRITZ (1999), S. 28. 31 Vgl. TROJA, MARKUS (1998), S. 36. 29 9 Eine Umweltabgabe kann unterschiedliche Formen annehmen: eine inländische Steuer zur Erreichung eines nationalen Reduktionszieles, eine internationale Steuer oder eine international harmonisierte inländische Steuer. Im Folgenden werden diese Ansätze näher erläutert.32 Aus Sicht nur eines Landes ist eine solche Maßnahme zur Emissionsvermeidung von einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis gekennzeichnet, da bei Einführung einer inländischen Steuer die einheimischen Produkte verteuert werden und somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes verringert wird. Im Falle einer internationalen Steuer muss das gesamte Steueraufkommen nach einem bestimmten Schlüssel auf alle beteiligten Länder verteilt werden. Dadurch werden finanzielle Anreize zur Beteiligung an der Emissionsreduktion ausgelöst. Hindernis für eine internationale Steuer mit einheitlichem Steuersatz sind die Unterschiede in den nationalen Steuersystemen. Bei den international harmonisierten inländischen Steuern verbleibt das Steueraufkommen bei den beteiligten Ländern. Als Anreiz zur Teilnahme an einer internationalen Kooperation können feste Transferzahlungen zwischen den Ländern vereinbart werden. Bei einer gemeinsamen Besteuerung innerhalb von Staatengruppen, wie z.B. der EU, können die Wettbewerbsnachteile gegenüber nicht kooperativen Drittstatten verringert werden.33 Für eine ausreichende Wirksamkeit der Umweltsteuer darf es nur möglichst wenige Ausnahmen von der Besteuerung geben. Energieintensive Wirtschaftszweige könnten z.B. von einer Umweltsteuer befreit werden.34 4.2 Zertifikatsysteme Im Gegensatz zu einer preisbasierten Abgabenlösung stellt der Emissionsrechtehandel ein mengenbasiertes Instrument dar.35 Dabei wird kein Preis für Umweltnutzung gesetzt, sondern das Ausmaß der Umweltnutzung selbst wird begrenzt. Die Zertifikatlösung basiert auf der oben beschriebenen Idee des Coase-Theorems. Dies ist in der ursprünglichen Fassung als Verhandlungslösung wegen seiner restriktiven und wenig realistischen Annahmen (z.B. keine Transaktionskosten), nicht direkt auf das Klimaschutzproblem anwendbar.36 Das Theorem bildet jedoch die Grundlage für das Konzept des Zertifikathandels, das 1968 von John H. Dales weiterentwickelt wurde.37 Laut seiner Aussagen kommt die Übernutzung der Umwelt nicht 32 Vgl. RAHMEYER, FRITZ (1999), S. 26. Vgl. RAHMEYER, FRITZ (1999), S. 26-27. 34 Vgl. RAHMEYER, FRITZ (1999), S. 29. 35 Vgl. HEILMANN, SVEN (2005), S. 9. 36 Vgl. HAENSGEN, TINEKE (2002), S. 34. 37 Für den gesamten Entwurf siehe DALES, JOHN H. (1968): Pollution, property & prices: an essay in policymaking and economics, University of Toronto Press. 33 10 dadurch zustande, dass keine Nutzungsrechte definiert sind, sondern dass zu viele Nutzungsrechte definiert sind. Wenn diese Rechte auf eine bestimmte Menge begrenzt werden, werden sie zu einem Knappheitsgut. Durch einen freien Handel bildet sich Angebot und Nachfrage ein Knappheitspreis heraus. Die Zuweisung der knappen Umweltressourcen wird über den Marktmechanismus abgewickelt.38 Sobald die Verfügungsrechte z.B. durch den Staat oder eine internationale Behörde definiert sind, wird entsprechend dem Coase-Theorem durch Handeln der Marktteilnehmer ein effizientes Ergebnis erzielt.39 Mit der Einführung des Emissionshandels wird eine Obergrenze für die gesamte Schadstoffmenge vorgegeben. Diese optimale Menge ist gegeben, wenn die Gesamtkosten aus Schadensvermeidungskosten und externen Kosten minimiert werden. Das wiederum ist bei jener Umweltbelastung der Fall, bei der die Grenzkosten der Schadensvermeidung gleich den externen Kosten sind. Jene optimale Umweltbelastung und was aus ihr folgt, die optimale Emissionsmenge, ist in der Praxis wegen den hohen Unsicherheiten bezüglich der Kostenverläufe sehr schwer zu schätzen. Die optimale Schadstoffmenge kann nur durch den „trial and error“ Prozess bestimmt werden, dabei muss unbedingt beachtet werden, dass ein Handel nur dann zustande kommt, wenn eine strikte Emissionsbegrenzung vorgenommen wird.40 Diese zulässige Menge wird im nächsten Schritt zwischen den Emittenten nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Solch eine Primärverteilung ist sehr umstritten, da sie einen großen Einfluss auf die politische Durchsetzbarkeit der Einführung des internationalen Zertifikatsystems hat. Die Anfangsverteilung verursacht große Verteilungseffekte zwischen den Ländern, denn sie bestimmt, wie viele Rechte ein Land zukaufen muss oder verkaufen kann. Somit muss die Erstvergabe international gerecht sein, was sich auch auf die Anreize für die Teilnahme am System auswirkt. Bei der Ausgestaltung der Primärvergabe kommt am ehesten eine Gratisvergabe in Betracht, das sog. „Grandfathering“. Eine mögliche Verteilung könnte auf Basis der gegenwärtigen und der kumulierten Emissionen, Größe des Sozialproduktes, oder proportional zur Größe der Bevölkerung erfolgen.41 Der Verteilungsschlüssel darf sich nicht nur an die vergangenen Emissionen orientieren, sondern es muss auch eine bestimmte Menge an Zertifikaten für Newcomer bereit gestellt werden.42 Die Emissionsrechte können auf einem Markt gehandelt werden. Optimalerweise sind Marktteilnehmer in ausreichender Anzahl vorhanden, damit der Handel mit möglichst wenig 38 Vgl. BONUS, HOLGER (1994), S.15 ff. Vgl.HAENSGEN, TINEKE (2002) S. 38. 40 Vgl. FRITSCH, MICHAEL , WEIN THOMAS, EWERS, H ANS-JÜRGEN (2005), S. 142 ff. 41 Vgl. RAHMEYER, FRITZ (1999), S. 39. 42 Vgl. HANSJÜRGENS, BERND (1998a), S. 4. 39 11 Aufwand abgewickelt werden kann.43 Die Marktnachfrage nach Zertifikaten entspricht der Summe der Grenzschadenvermeidungskosten aller Wirtschaftsubjekte bzw. Länder, das Angebot dagegen ist wegen der festgelegten ökologisch optimalen Menge vollkommen preisunelastisch. Werden die Rechte gehandelt, so bildet sich ein Gleichgewichtspreis für die Zertifikate, der als Maßstab für die Knappheit des Gutes Umwelt dient (siehe Abbildung 3). Wenn die Kosten der Emissionsvermeidung größer als der Preis der Zertifikate sind, wird ein Land die Zertifikate kaufen oder halten. Umgekehrt besteht ein Anreiz zur Emissionsreduktion wenn der Weltmarktpreis P über den nationalen Grenzkosten der Schadensvermeidung (GSVK) liegt.44 Abbildung 3: Funktionsweise der Zertifikatslösung 45 Wenn man die Primärverteilung außer Acht lässt, führt der Handelsprozess immer zu der gleichen effizienten Sekundärverteilung der Zertifikate. Emissionsrechte werden folglich in den Ländern mit niedrigen GSVK vorgenommen, die Zertifikate dagegen gelangen in die Länder mit den höchsten GSVK.46 Zuletzt soll noch erwähnt werden, dass der Kontrollaufwand eines Zertifikatsystems nicht unterschätzt werden darf. Eine exakte Abgleichung der gehaltenen Emissionszertifikate mit den emittierten Schadstoffen muss ermöglicht werden. 43 Vgl. HANSJÜRGENS, BERND (1998a), S. 4. Vgl. FRITSCH, MICHAEL , WEIN THOMAS, EWERS, H ANS-JÜRGEN (2005), S. 138. 45 Modifiziert entnommen aus: Fritsch, Michael, Wein Thomas, Ewers, Hans-Jürgen (2005), S.138. 46 Vgl. HAENSGEN, TINEKE (2002), S. 40. 44 12 4.3 Kritische Gegenüberstellung beider Alternativen 4.3.1. Instrumentenanalyse anhand umweltökonomischer Beurteilungskriterien Im Folgenden wird die Eignung wirtschaftspolitischer Maßnahmen im Falle auftretender externer Effekte untersucht. In der Literatur ist eine Vielzahl unterschiedlicher Beurteilungskriterien zu finden. Nach einer Klassifikation der OECD von 1994 lassen sich diese in zwei Oberbegriffe einteilen: die ökologische Effizienz und die ökonomische Effizienz. Die ökologische Effizienz wird in die Beurteilungskriterien ökologische Treffsicherheit und Wirkungsgeschwindigkeit unterteilt. Die ökonomische Effizienz wird in die Kriterien statische und dynamische Effizienz gegliedert. Abbildung 4 zeigt die Steuer- und Zertifikatelösung im direkten Vergleich unter den Kriterien. Statische Effizienz Dynamische Effizienz Ökologische Treffsicherheit Gesamteinschätzung Steuer bzw. Abgabe Gut Gut Eingeschränkt Gut geeignet, Problem der adäquaten Bezugsgröße Handelbare Zertifikate Sehr gut (relativ geringe Transaktionskosten) Gut (bei entsprechender Kurspflege) Gut Konzeptionell gut geeignetes Verfahren, Probleme der praktischen Anwendung Tabelle 1: Vergleich der Instrumente Steuer und Zertifikate anhand der OECD-Kriterien 47 Die ökologische Treffsicherheit beschreibt die Fähigkeit einer Maßnahme, ein umweltbezogenes Zielniveau in einer bestimmten Zeit genau zu erreichen.48 Bei einer Steuer wird die Emissionstätigkeit nicht direkt begrenzt, sondern für den Emittenten verteuert. Dies geschieht durch eine administrative Festlegung eines festen Preises für die Umweltnutzung. Durch die indirekte Begrenzung der Emissionstätigkeit ist eine Steuer nur eingeschränkt ökologisch treffsicher. Eine Verringerung der Gesamtemissionsmenge ergibt sich erst im Zuge unternehmerischer Anpassungen. Die Wirkungsgeschwindigkeit, welche die Frage nach der Schnelligkeit des zu erreichenden Emissionsziels stellt49, ist bei einer Steuer als eher langsam einzustufen. Dies basiert auf der Annahme, dass ein optimaler Steuersatz nur durch ständige Korrekturen mit dem trial-and-errorVerfahren gefunden werden kann und nicht von Anfang an der Richtige ist. Auch die Wahl der richtigen Bezugsgröße bzw. Bemessungsgrundlage für die Steuer ist nur schwer realisierbar. Da durch die Zertifikatmenge eine festgelegte Höchstbelastung nicht überschritten werden kann, lässt sich festhalten, dass Zertifikate im direkten Vergleich zu Steuern eher geeignet sind, ein 47 Vgl. Fritsch, Michael, Wein Thomas, Ewers, Hans-Jürgen (2005): S. 147. Vgl. MICHAELIS, PETER (1996): S. 36. 49 Vgl. MICHAELIS, PETER (1996): S. 36. 48 13 vorgegebenes umweltbezogenes Ziel zu erreichen.50 Es gilt jedoch zu bedenken, dass das festgelegte maximale Umweltbelastung im Normalfall nicht der global optimalen Emissionsmenge entspricht und insofern falsch sein kann. Auch die Wirkungsgeschwindigkeit ist bei der Einführung eines Zertifikatehandels schnell. Nach der Implementierung regelt der Markt die Zertifikateaufteilung eigenständig und schnell. Die statische Effizienz beschreibt die Kosteneffizienz eines Instruments. Man versteht unter ihr die Fähigkeit einer Maßnahme, den vorgegebenen Emissionszielwert mit minimalen Kosten zu erreichen.51 Betrachtet man die statische Effizienz bei einer Steuerlösung, so ist diese gegeben, da die Schädigung dort vermieden wird, wo sie am kostengünstigsten ist. Ist der optimale Steuersatz ermittelt, so werden Emissionen bis zur Höhe der Grenzvermeidungskosten vermieden. Darüber hinaus werden die restlichen Emissionen durch die Zahlung der Abgabe gedeckt. Bei handelbaren Zertifikaten ist statische Effizienz ebenfalls gegeben. Emissionen werden bis zur Höhe der Grenzvermeidungskosten vermieden und ferner werden Emissionszertifikate für die restlichen Emissionen gekauft. Bei einer Steuerlösung ist auch dynamische Effizienz gegeben. Dynamische Effizienz beschreibt die Innovationswirkung einer Maßnahme. Unter Innovationswirkung versteht man die Fähigkeit eines Instruments, umwelttechnischen Fortschritt zu induzieren.52 Die Steuerlösung induziert dynamische Anpassungsprozesse bei Forschung und Entwicklung, da die Vermeidung von Emissionen die Zahlung von Abgaben erspart. Bei den handelbaren Zertifikaten ist eine Analogie zur Steuern vorhanden. Emissionvermeidungen ersparen den Kauf von Zertifikaten und dies erhöht den Gewinn. Werden unternehmerische Innovationen zur Vermeidung von Emissionen eingeführt, hat die zu Folge, dass nicht mehr gebrauchte Zertifikate liquidiert werden können und Gewinn generiert wird. 4.3.2. Politische Durchsetzbarkeit Bei der politischen Umsetzung einer Steuerlösung stellt sich vor allem der rechtliche Steuereinführungsprozess als schwierig und langwierig53 heraus. Daneben muss der Staat bei einer Steuerlösung auf die direkte Festsetzung eines Umweltqualitätsziels nach den ökologischen Notwendigkeiten verzichten.54 Zieht man dagegen die Möglichkeit einer staatenübergreifenden, harmonisierten Steuerlösung in Betracht, so müssten die einzelnen Länder einen Teil ihrer Souveränität zugunsten einer internationalen Steuerbehörde abgeben. Die Realisierung einer solchen 50 51 Vgl. FRITSCH, MICHAEL , WEIN THOMAS, EWERS, H ANS-JÜRGEN (2005), S. 139. Vgl. PETRICK, KIM (2003), S. 55. 52 Vgl. PETRICK, KIM (2003), S. 63. Vgl. HANSJÜRGENS, BERND (1998b), S. 379. 54 Vgl. TROJA, MARKUS (1998), S. 63. 53 14 supranationalen Steuerlösung scheint jedoch problematisch, obwohl diese Option im Rahmen des Kyoto Protokolls durchaus in der Diskussion war.55 Auf der anderen Seite hat der Staat (oder eine internationale Behörde) die Möglichkeit das Steueraufkommen zurück an die Wirtschaftsubjekte zu transferieren, z.B. durch Senkung der Einkommenssteuer oder als zusätzlicher Anreiz zur Vermeidung von Emissionen. Doch auch Zertifikate sind in dieser Hinsicht nicht frei von Kritik. Ihnen wird insoweit mangelnde Praktikabilität vorgeworfen, als das die Abgrenzung eines räumlichen Bereiches für den Zertifikatemarkt aufgrund von Emissions- und Immissionszusammenhängen schwierig ist. Als Lösung dieses Problems wird häufig der Aufbau eines globalen Emissionszertifikatehandels gesehen. Ein solcher globaler Zertifikatemarkt würde eine zeitliche und räumliche Differenzierung überflüssig machen und somit die räumliche Problematik beseitigen.56 Besonders problematisch ist hierbei jedoch die mangelnde Bereitschaft der Entwicklungsländer an einem Internationalen Programm teilzunehmen. 4.3.3. Zwischenfazit Egal welche der beiden Alternativen gewählt wird, das Oberziel der Klimapolitik ist dem Verursacher des Treibhausgaseffekts die Kosten anzulasten. Das wiederum sollte die Verursacher dazu bewegen in alternative, umweltfreundliche Technologien zu investieren. Die Konsumenten sollen daraufhin ihre Gewohnheiten bei besonders „Treibhausgas-intensiven“ Produkten auf die Preisänderungen anpassen (und umweltfreundliche Produkte konsumieren).57 Am Beispiel des Kyoto-Protokolls lässt sich feststellen, dass in der Praxis nicht alle Staaten auf wirksame Weise zur Begrenzung von Treibhausgas-Emissionen verpflichtet werden können. Das hat zur Folge, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Standorten ohne Klimarestriktionen erhöht wird und dort die Energienachfrage steigen kann. Dies kann gefährlich werden, denn diejenigen Staaten, die nach Kyoto nicht zu Emissionsminderungen verpflichtet sind, wie z.B. China und Indien, sie gewinnen ihre Energie zu 80% aus Kohle.58 Nach den bisherigen Erfahrungen innerhalb der EU erscheint die Abstimmung auf eine international einheitliche Steuer, in diesem Fall konkret eine CO2- oder Energiesteuer, aufgrund der 55 Vgl. GRUBB, MICHAEL, VROLIJK CH., BRACK D. (1999), S. 67. Vgl. HAENSGEN, TINEKE (2002), S. 49. 57 Vgl. STERN NICHOLAS (2007), S. 353. 58 Vgl. STRÖBELE , WOLFGANG (2005), S. 328. 56 15 unterschiedlichen nationalen Steuer- und Energiesysteme wenig realistisch zu sein. Eine Einigung kann am ehesten über einheitliche Mindeststeuersätze erfolgen.59 In aktuellen politischen und wirtschaftlichen Diskussionen gibt es weiterhin Anhänger beider Seiten, die die jeweiligen Vorteile ihres bevorzugten Instruments glaubwürdig darstellen. Befürworter einer Steuerlösung, wie William Schlesinger und Paul Anderson60, behaupten, dass diese Lösung simpler sei, transparenter und besser verständlich. Diejenigen, die eine Zertifikatelösung bevorzugen, kontern damit, dass der Zertifikatehandel nicht weniger verständlich ist: Eileen Claussen und James Rogers61 geben zu bedenken, dass beide Instrumente darüber hinaus eine gewisse Einschränkung, einen Kontrollmechanismus zur Überwachung der Einhaltung und Sanktionsmaßnahmen für eine Nichteinhaltung benötigen.62 Ein entscheidendes Argument pro Zertifikatehandel liefert Jonathan Lash63: “With a carbon tax, there is little evidence that we could get the price right to begin with, and even less to suggest that Congress would be willing to raise the tax regularly in order to keep emission levels falling.”64 Hiermit hebt er die Unberechenbarkeit einer Steuer hervor: damit auch zukünftig eine Emissionsreduzierung stattfindet, muss die Steuer regelmäßig angehoben werden. Der Zertifikatehandel ermöglicht dagegen den marktbasierten Abkauf von Zertifikaten seitens des Staates oder der Geschädigten, um auch in Zukunft das Niveau der Emissionen stetig zu verringern. 5. Schlussbetrachtung Die Vorliegende Arbeit hatte die Aufgabe, zwei Wirtschaftspolitische Instrumente - Steuern und Zertifikate - zu analysieren und unter Berücksichtigung der Theorie eine Handlungsempfehlung aufzuzeigen. Durch eine ausführliche Analyse des Pigou-Konzepts und des Coase-Theorems, sowie deren Erweiterungen konnte gezeigt werden, dass ein Zertifikatensystem einer Steuerlösung überlegen ist. Theoretisch können beide Instrumente als ökonomisch Effizient eingestuft werden. Aber aus der klimapolitischen Perspektive ist die tatsächliche ökologische Treffsicherheit von großer Bedeutung, die bei den Zertifikaten aufgrund der festgelegten maximalen Umweltbelastung gegeben ist. 59 Vgl. RAHMEYER, FRITZ (1999), S. 27 ff. W. Schlesinger ist Mitglied der US National Academy of Sciences und Professor der Biochemie an der Nicholas School of Environmental and Earth Sciences in Durham, North Carolina. P. Anderson ist Vorstandsvorsitzender der Spectra Energy Corporation. 61 Eileen Claussen ist Präsidentin des Pew Center on Global Climate Change. James Rogers ist Vorstandsvorsitzender und CEO von Duke Energy. 62 Vgl. BUSINESS & THE ENVIRONMENT (2007) S. 13. 63 Jonathan Lash ist Präsident des World Resources Institute in Wahington, DC. 64 JONATHAN LASH (2009), S. 1. 60 16 Gleichwohl sollte eine Steuerlösung immer als konkrete Handlungsalternative im Hinterkopf behalten werden. Auch in den aktuellen politischen Diskussionen wird eher zu einer Zertifikatenlösung tendiert. Das in der EU im Hahre 2003 beschlossene CO2-Handelssystem gilt als Vorstufe eines weltweiten Systems. Die Primärverteilung erfolgte kostenlos und es gilt zurzeit nur für die größten Emittenten innerhalb der EU, wie z.B. Kraftwerke.65 Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Entscheidungen diesbezüglich das Nachfolgeabkommen von Kyoto, das in diesem Jahr in Kopenhagen abgeschlossen werden soll, bringen wird. In den USA, die momentan kurz vor einer Einführung eines der beiden Instrumente stehen, wird der Kongress zusammen mit Präsident Obama die Entscheidung fällen, welche Lösung die Förderung von erneuerbaren Energien beschleunigen wird.66 Es ist zu beobachten, dass momentan auch hier eine Zertifikatenlösung bevorzugt wird. Politik-Experten und Ökonomen werden weiterhin ihre Argumente vortragen – aber sie sind nicht diejenigen, die Entscheidungen treffen. Es ist jedoch wichtig, dass die Klimaziele möglichst straff und effizient eingehalten werden. Das Zertifikatensystem ist nicht ganz ausgereift, konzeptionell jedoch zur Erreichung eines Umweltziels gut geeignet. Voraussetzung dafür ist, dass möglichst viele Länder in ein solches Programm involviert werden. Dies stellt nach wie vor eine große Herausforderung für die Politik dar. 65 STRÖBELE, WOLFGANG (2005), S. 332 Eine weiterführende Diskussion zu diesem Thema findet sich in dem Artikel „Cap and Trade or Cap and Tax?“ von Susan A. Chang im IEEE Spectrum, April 2009. 66 17 Literaturverzeichnis BEAT, HOTZ-HART/ SCHMUKI , DANIEL/ DÜMMLER, PATRICK (2006): Volkswirtschaft der Schweiz: Aufbruch ins 21. Jahrhundert. 4. Auflage, Zürich 2006. BONUS, HOLGER (1994): Political aspects of environmental policy In: Annals of Operations Research, Volume 54, Number 1 / Dezember 1994 http://emedien.sub.unihamburg.de/han/SpringerLinkOnlineJournalArchives/springerlink.com/content/j6764325k003 1778/fulltext.pdf. BUSINESS & THE ENVIRONMENT (2007): September 2007, Vol. 18, Issue 9, Seite 13. BUTTGEREIT, REINHOLD (1991): Ökologische und ökonomische Funktionsbedingungen umweltökonomischer Instrumente. Beiträge zur Umweltgestaltung, Berlin 1991. 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