Betriebs-Berater für Medien Telekommunikation
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Betriebs-Berater für Medien Telekommunikation
Kommunikation &Recht Betriebs-Berater für Medien Telekommunikation Multimedia 3 K&R Editorial: Edward Snowden poses difficult questions for lawyers as well as politicians · Gillian Phillips 149 Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 Dr. Flemming Moos 156 Datenschutz in der Werbung nach Düsseldorfer Art Dr. Dennis Voigt 161 § 203 StGB als Hemmschuh der elektronischen Kommunikation? Dr. Anika D. Luch und Dr. Christian Hoffmann 166 Die Entwicklung des EDV-Rechts 2012 - 2013 (Teil 1) Prof. Dr. Andreas Wiebe 172 Die neue Kinomitteilung ist da · Dr. Christian Lewke 177 Der Auskunftsanspruch der Presse gegen Bundesbehörden Martin W. Huff 178 Länderreport USA · Clemens Kochinke 180 EuGH: Rechtsschutz-Umfang bei Umgehung eines Kopierschutzsystems für Videospiel-Konsolen mit Kommentar von Alexander Schultz 189 BGH: UsedSoft II: Voraussetzungen für rechtmäßigen SoftwareWeiterverkauf mit Kommentar von Dr. Thomas Stögmüller 196 BGH: Runes of Magic: Unzulässige Kaufaufforderung an Kinder mit Kommentar von Dr. Stefan Krüger und Dr. Simon Apel 211 LG Köln: Anspruch auf Urheberbenennung am Bild in allen Website-Darstellungsvarianten mit Kommentar von Thomas Stadler 217 BVerwG: Bundesligamanagerspiel im Internet kein verbotenes Glücksspiel mit Kommentar von Prof. Dr. Markus Ruttig 17. Jahrgang März 2014 Seiten 149 – 220 Deutscher Fachverlag GmbH · Frankfurt am Main Kommunikation & Recht K &R 3/2014 149 RA Dr. Flemming Moos, Hamburg* Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 Dieser Beitrag gibt im Anschluss an den Aufsatz in K&R 2013, 150 ff. einen berblick ber bedeutsame Entwicklungen im Bereich des Datenschutzrechts whrend des Jahres 2013. Die Darstellung beschrnkt sich auf besonders praxisrelevante Entwicklungen auf legislatorischer und regulatorischer Ebene sowie auf einschlgige Judikatur. gen von Einwilligungserklrungen stichprobenhaft berprfen. Liegen der Meldebehçrde bezglich der Einwilligungserklrung konkrete Anhaltspunkte fr die Unrichtigkeit der Behauptung der Auskunft verlangenden Stelle vor, hat sie von Amts wegen zu ermitteln und darf bis zum Abschluss der Ermittlungen keine Ausknfte erteilen. Die Neuregelung tritt zum 1. 5. 2015 in Kraft. I. Das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens 3. Bewertung der Neuregelung Auf legislatorischer Ebene ist die Neufassung des Bundesmeldegesetzes berichtenswert. Mit der Verkndung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) am 8. 5. 20131 ist die gesetzgeberische Posse um die Erteilung von Melderegisterausknften zu Werbezwecken beendet. 1. Gesetzgebungshistorie Legendr sind die Berichte ber den ersten Anlauf des Gesetzgebers zur Neuregelung, wie personenbezogene Daten von Brgern fr Zwecke der Werbung und des Adresshandels von den Einwohnermeldemtern an Unternehmen bermittelt werden drfen: Am 28. 6. 2012 hatte der Bundestag den Entwurf des „Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens“ (MeldFortG) angenommen; und zwar innerhalb von 57 Sekunden bei einer Anwesenheit von knapp ber 20 Abgeordneten whrend des Fußball-EM-Halbfinals zwischen Deutschland und Italien. Aufgrund umstrittener Ausnahmeregelungen zu den Widerspruchsmçglichkeiten der Betroffenen scheiterte der Entwurf dann am Veto des Bundesrates. 2. Werbenutzung von Melderegisterdaten Am 8. 3. 2013 ist nun schließlich der vom Bundesrat akzeptierte Kompromiss des MeldFortG vom 3. 5. 2013 im Bundesgesetzblatt verkndet worden. In dem neu gefassten § 44 Abs. 3 Bundesmeldegesetz (BMG) ist vorgesehen, dass die die Melderegisterauskunft verlangende Person oder Stelle erklren muss, die Daten nicht fr Zwecke der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, es sei denn, die betroffene Person hat in die bermittlung fr jeweils diesen Zweck ausdrcklich eingewilligt. Die Einwilligung kann sowohl gegenber der Meldebehçrde als auch jeweils gegenber dem anfragenden Unternehmen erfolgen. § 44 Abs. 3 BMG verlangt dabei, dass die Einwilligung gesondert erklrt werden und sich ausdrcklich auf die Einholung einer Melderegisterauskunft fr jeweils diesen Zweck beziehen muss. Auf Verlangen sind der Meldebehçrde von der Auskunft verlangenden Stelle Nachweise ber die Einwilligungserklrung vorzulegen. Die Meldebehçrde muss das Vorlie- Die Regelung zur Werbenutzung der Melderegisterdaten ist nun sehr streng ausgefallen. Angesichts des begrenzten Datenkranzes (Name, Doktorgrad, Anschrift und ggf. Umstand des Verstorbenseins), der noch deutlich hinter den Listendaten nach § 28 Abs. 3 BDSG zurckbleibt, wre sicherlich auch eine Widerspruchslçsung sachgerecht gewesen. Außerdem scheint der Gesetzgeber mit der Forderung einer „gesonderten“ Erklrung der Einwilligung auf die Rechtsprechung des BGH zu den formalen Anforderungen an eine Einwilligung in Telefon- und E-Mail-Werbung nach § 7 Abs. 2 UWG zu rekurrieren, wonach sich diese ausschließlich auf die Erhebung und Verwendung der Daten aus dem Melderegister beziehen darf. Nach vier Jahren soll gemß § 58 BMG eine Evaluierung der Regelung zur Werbenutzung der Daten durch die Bundesregierung erfolgen. II. Gerichtsentscheidungen zu Datenverwendungen und deren Zulssigkeit Im Jahr 2013 hat es mehrere sehr beachtenswerte Gerichtsentscheidungen gegeben, die nachhaltige Auswirkungen auf die Zulssigkeit praxisblicher Erhebungen und Verwendungen personenbezogener Daten haben. 1. Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit fr Facebook-Seiten Lange Zeit haben deutsche Unternehmen Facebook-Seiten angesichts der in Schleswig-Holstein von der dortigen Aufsichtsbehçrde angestrengten Musterverfahren unter dem Damoklesschwert der mçglichen Datenschutzwidrigkeit betrieben. Nun ist eine Gerichtsentscheidung ergangen, die Unternehmen vorerst grçßere Rechtssicherheit verschafft. a) Die Entscheidung des VG Schleswig Das VG Schleswig hat am 9. 10. 2013 eine lang ersehnte Entscheidung zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit deutscher Unternehmen fr den Betrieb von Face* Der Aufsatz beruht auf einem Beitrag des Autors zur DSRI-Herbstakademie 2013, abgedruckt in Taeger (Hrsg.), Law as a Service (LaaS) – Recht im Internet und Cloud-Zeitalter, 2013, S. 235. Mehr ber den Autor erfahren Sie auf S. VIII. 1 BGBl. 2013 Teil I Nr. 22 vom 8. 5. 2013, S. 1084. 150 Moos, Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 book-Fanpages gefllt:2 Danach verstoße ein Unternehmen nicht schon durch den reinen Betrieb einer Facebook-Fanpage gegen deutsches Datenschutzrecht, weil es als Betreiber der Fanpage nicht fr den Umgang mit den von den Nutzern dort eingestellten Daten verantwortlich sei. Das Unabhngige Landeszentrum fr Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) war Ende 2011 zu der Einschtzung gelangt, dass die Facebook-Datenverarbeitung nicht mit deutschem Datenschutzrecht vereinbar wre, weil die Nutzung von Fanpages personenbezogen przise erfasst und gegen die Profilbildung keine Widerspruchsmçglichkeit eingerumt werde, beim Setzen von Cookies keine wirksamen Einwilligungen eingeholt wrden und weil fr die Betroffenen nicht die geforderte Transparenz hergestellt sei. Das ULD hatte daraufhin mehreren Unternehmen per Verfgung auferlegt, ihre Fanseiten zu deaktivieren. Diese Bescheide wurden vom VG Schleswig nun mangels einer hinreichenden Rechtsgrundlage aufgehoben. Begrndet hat das Gericht diese Entscheidung damit, dass ein Unternehmen nicht fr einen Datenumgang verantwortlich sei, den es weder tatschlich noch rechtlich beeinflussen kçnne. Im Fall der Facebook-Fanpage kçnne der Fanpage-Betreiber nur die Informationen beeinflussen, die er selbst dort einstelle. Die von den Nutzern bei dem sozialen Netzwerk eingestellten Inhalte kçnne der FanpageBetreiber hingegen nicht beeinflussen, zumal die technische Plattform von dem Betreiber bereitgestellt werde. Deshalb treffe den Fanpage-Betreiber diesbezglich keine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit, sodass auch keine Datenschutzverletzung durch den Fanpage-Betreiber vorliege, weil dieser vermeintlich nicht ausreichend ber den Datenumgang durch Facebook informiere und der betroffene Nutzer nicht wirksam in den Umgang mit seinen Daten durch Facebook eingewilligt habe. Das ULD hat Berufung gegen die Entscheidung eingelegt. b) Bewertung der Entscheidung Der Entscheidung des VG Schleswig ist zuzustimmen; insbesondere steht sie im Einklang mit den sich aus der EGDatenschutzrichtlinie ergebenden Anforderungen fr die Qualifikation als datenschutzrechtlich Verantwortlicher. Dieser muss ber Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheiden kçnnen. Entsprechende Entscheidungskompetenzen fehlen den Unternehmen im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Nutzerdaten auf Fanpages aber. Die Entscheidung des VG Schleswig lsst sich grundstzlich auch auf den Datenumgang in anderen sozialen Netzwerken bertragen, weil auch hier die Herrschaft ber den Umgang mit den Nutzerdaten regelmßig bei den Betreibern liegt. Angesichts des Urteils des VG Schleswig erscheint es unwahrscheinlich, dass Datenschutzaufsichtsbehçrden in nchster Zeit gegen Unternehmen erneut wegen ihrer Auftritte in sozialen Netzwerken vorgehen. Unternehmen kçnnen Fanpages deshalb vorerst weiter betreiben, ohne derzeit wegen der Datenverarbeitung von Facebook datenschutzrechtliche Konsequenzen frchten zu mssen. Kontrollieren sollten die Unternehmen aber die von ihnen selbst eingestellten Inhalte. Abzuwarten bleibt, ob das OVG das Urteil in der Berufung aufrechterhlt. c) Keine Prjudizwirkung fr andere Verarbeitungsszenarien, z. B. durch Social Plugins Keine Prjudizwirkung hat das Urteil aber fr die datenschutzrechtliche Beurteilung von Social Plugins wie z. B. 3/2014 K &R dem Facebook Like-Button. Es bleibt unklar, ob ein Unternehmen auch nicht fr den Umgang mit Nutzerdaten durch den Betreiber eines sozialen Netzwerks verantwortlich ist, der durch die Verwendung von Social Plugins, wie z. B. den Facebook Like-Button, auf seiner Website ausgelçst wird. Die Entscheidung des VG Schleswig lsst sich nicht zwangslufig auf einen solchen Datenumgang bertragen, weil die Einbindung auf der eigenen Webseite erfolgt, sodass das Unternehmen hier jedenfalls einen gewissen Einfluss auf die Verarbeitungsmittel hat. Zwar strkt die Entscheidung des VG Schleswig die Argumentation gegen eine Verantwortung der Webseitenbetreiber fr Datenverarbeitungen, die durch Social Plugins beim Netzwerkbetreiber initiiert werden. Da eine Rechtsunsicherheit verbleibt, ist es Unternehmen aber nach wie vor angeraten, fr solche Plugins die sogenannte 2-Klick-Lçsung zu verwenden, bei der der Nutzer die Plugins vorher aktivieren muss. 2. Strafbarer Datenschutzverstoß durch GPS-Ortung Der BGH hat Mitarbeiter einer Detektei mit Urteil vom 4. 6. 20133 wegen eines Verstoßes gegen §§ 43, 44 BDSG durch Erstellung von Bewegungsprofilen mittels GPS-Ortung eines PKWs zu Freiheitsstrafen verurteilt. a) Die Entscheidung des Gerichts (1) Personenbezug der GPS-Daten Der BGH qualifiziert die durch GPS-Empfnger gewonnenen „Bewegungsdaten“ als personenbezogen im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG. Werden geografische Standort- oder Positionsdaten (hier GPS-Positionsdaten) erhoben, verarbeitet oder genutzt, vermittelten diese, weil sie sich in erster Linie auf Gegenstnde – wie vorliegend den GPSEmpfnger bzw. das Fahrzeug, an dem der GPS-Empfnger angebracht ist – beziehen, zwar unmittelbar keine Aussage ber die persçnlichen oder sachlichen Verhltnisse einer natrlichen Person; die hier verwendeten GPSEmpfnger unterlgen aber einem Einfluss durch Personen, so dass etwa aufgrund der physischen oder rumlichen Nhe des GPS-Empfngers zu einer Person oder zu anderen Gegenstnden, etwa dem von einer bestimmten oder bestimmbaren Person genutzten Fahrzeug, an dem der GPS-Empfnger angebracht ist, eine indirekte Beziehung zu einer Person hergestellt werden kann. Auch soweit eine Nutzung der berwachten Fahrzeuge durch eine oder zwei weitere Personen aus dem Umfeld der Zielpersonen erfolgte, handelte es sich nach Auffassung des Gerichts bei den Standortdaten um personenbezogene Daten, weil die Angeklagten in diesen Fllen personenbezogene Informationen selbst herstellten, indem sie die GPS-Positionsdaten einer bestimmten Person zuordneten und damit Aussagen ber deren Aufenthaltsort trafen. (2) Allgemeine Zugnglichkeit der GPS-Daten Der BGH qualifiziert diese GPS-Positionsdaten als nicht allgemein zugnglich. Zur Begrndung fhrt er aus, die Erhebung und die Verarbeitung der hier konkret mit Hilfe technischer Mittel erhobenen personenbezogenen Daten waren lediglich unter berwindung rechtlicher Zugangshindernisse mçglich, was einer allgemeinen Zugnglichkeit entgegenstehe. Solche sieht das Gericht in den zivilrechtlichen Abwehransprchen des Fahrzeugbesitzers 2 Im Internet abrufbar unter: https://www.datenschutzzentrum.de/facebook/ 20131009-vg-urteil-fanpages.pdf. 3 BGH, 4. 6. 2013 – 1 StR 32/13, NJW 2013, 2530. K &R 3/2014 Moos, Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 bzw. -eigentmers nach §§ 1004, 859, 862 BGB, die der Anbringung des GPS-Empfngers als notwendige technische Voraussetzung fr die Gewinnung der Personenbezug aufweisenden Geodaten an einem fremden Fahrzeug entgegenstehen. (3) Unzulssigkeit der Datenerhebung Das Gericht kommt zu der Einschtzung, dass die Datenerhebung nicht mehr aufgrund einer Interessenabwgung nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG gerechtfertigt war. Beweisfhrungsinteressen zur Klrung des Vorliegens von zivilrechtlichen Ansprchen oder zu deren Durchsetzung (Vollstreckung) kçnnten zwar unter bestimmten Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung begrnden. Dies gilt aber nur dann, wenn gerade das Bewegungsprofil zur Durchsetzung des Beweisfhrungsinteresses bençtigt wird, was das Gericht vorliegend verneint hat. b) Folgerungen fr die Unternehmenspraxis Datenerhebungen zu Beweisfhrungszwecken erfolgen im unternehmerischen Kontext gegenber Beschftigten oft im Rahmen so genannter Compliance-Untersuchungen oder Internal Investigations. Das Urteil zieht einer zu weitgehenden Eigenermittlung der Unternehmen klare Grenzen. Grundstzlich sollten solche Ermittlungsmaßnahmen nur erfolgen, wenn ein konkreter Verdacht gegen die observierte Person besteht, die Datenerhebung zur Klrung der Beweisfrage erforderlich ist und nicht andere, mildere Maßnahmen ausreichend erscheinen. Fr den konkreten Fall der Erstellung von Bewegungsprofilen ist auch die Art und Weise der Datenerhebung und -verarbeitung zu bercksichtigen. So sollte grundstzlich vermieden werden, dass von den berwachungsmaßnahmen auch unbeteiligte Dritte betroffen sind und in das befriedete Besitztum des Beschftigten eingedrungen wird. 3. Abmahnung mangelhafter Datenschutzerklrungen Die Frage der Ahndung von Datenschutzverletzungen durch Wettbewerber und Verbraucherschutzorganisationen gewinnt an Bedeutung. In einer interessanten Entscheidung des LG Berlin vom 30. 4. 20134 hat sich das Gericht mit der Frage befasst, ob es sich auch bei einer Datenschutzerklrung um dem UKlaG unterfallende Allgemeine Geschftsbedingungen handelt – und dies mit einer kritikwrdigen Begrndung bejaht. Das OLG Hamburg hat kurze Zeit spter die Verpflichtung zur Vorhaltung einer Datenschutzerklrung nach § 13 TMG als marktverhaltensregelnde Norm im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG eingeordnet. Die Qualifizierung von Datenschutzerklrungen als AGB und die Verpflichtung zur Vorhaltung einer Datenschutzerklrung als marktverhaltensregelnde Vorschrift ist vor allem wegen der dadurch begrndeten Abmahnfhigkeit bedeutsam. Die Entscheidungen des LG Berlin und des OLG Hamburg fhren die bereits im Vorjahresbeitrag dargestellte gegenlufige Judikatur zur wettbewerbsrechtlichen Einordnung der Regelungen ber Datenverwendungen zu Werbezwecken gemß § 28 BDSG des OLG Karlsruhe und des OLG Mnchen fort.5 a) Das Urteil des LG Berlin Das LG Berlin hat mit Urteil vom 30. 4. 20136 insgesamt 8 Klauseln der Datenschutzbestimmungen von Apple fr unzulssig erklrt und einer Klage des Verbraucherzentra- 151 le Bundesverbandes e. V. stattgegeben. Das Gericht hat die in der „Apple Datenschutzrichtlinie“ enthaltenen Bestimmungen zum Datenumgang als „Allgemeine Geschftsbedingungen“ im Sinne von § 305 BGB eingestuft und sie wegen Verstoßes gegen § 307 BGB i.V. m. datenschutzrechtlichen Bestimmungen des BDSG und des TMG fr rechtswidrig gehalten. Den mit Hkchen-Voreinstellung im Rahmen einer Produktbestellung versehenen Hinweis auf die „Datenschutz-Vereinbarung“ von Apple hat das Gericht im Sinne der „verbraucherfeindlichsten Auslegung“ als Einbeziehung vorformulierter Vertragsbestimmungen eingestuft und deshalb die strengen AGB-Regelungen angewendet. Im Folgenden hat es die Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie am Maßstab fr datenschutzrechtliche Einwilligungserklrungen (§§ 4, 4 a BDSG) gemessen, denen sie nach Auffassung der Richter nicht standhielten. b) Bewertung der Entscheidung Nach der Judikatur des BGH ist die AGB-Kontrolle im Bereich des Datenschutzrechts bisher auf den Bereich der vorformulierten Einwilligungen in bestimmte Datenerhebungen und -verwendungen begrenzt.7 Eine Ausdehnung der AGB-Kontrolle auch auf reine Datenschutzerklrungen erscheint verfehlt. Insoweit ist maßgeblich zu bercksichtigen, dass es sich bei solchen Datenschutzerklrungen nach dem gesetzlichen Verstndnis und Leitbild um rein informatorische Klauseln handelt.8 Im Gegensatz zu einer Einwilligungserklrung kommt ihr also gar kein regelnder Charakter zu. In der datenschutzrechtlichen Literatur wird deshalb – soweit ersichtlich – bisher auch einhellig vertreten, dass AGB-rechtliche Regelungen auf solche Datenschutzerklrungen keine Anwendung finden.9 Auch nach der Rechtsprechung des BGH10 sind Regelungen in AGB, die die bereits vom BDSG oder anderen Datenschutzgesetzen zugelassenen Datenverwendungen nur erwhnen, der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB entzogen, gerade weil die Ermchtigung zum Umgang mit den Kundendaten in diesem Fall aus dem Gesetz folgt und die AGB diese Rechtslage lediglich abbilden.11 Die vom Gericht beanstandeten Regelungen der Apple-Datenschutzrichtlinie wren richtigerweise als solche Datenschutzinformationen (zu denen das Unternehmen nach § 4 a Abs. 2, § 13 Abs. 1 TMG ja gesetzlich sogar verpflichtet ist), und nicht als Einwilligungserklrungen einzustufen gewesen. Weder enthielten die Klauseln selbst noch der Text, mit dem die Datenschutzrichtlinie in den Bestellvorgang per Hkchensetzung einbezogen wurde, Formulierungen, die auf eine Einwilligung schließen lassen konnten. c) Das Urteil des OLG Hamburg Das OLG Hamburg hat in seinem Urteil vom 27. 6. 201312 entschieden, dass § 13 TMG, wonach der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs u. a. ber Art, 4 5 6 7 8 9 10 11 12 LG Berlin, 30. 4. 2013 – 15 O 92/12, K&R 2013, 411 ff. Moos, K&R 2013, 150 f. LG Berlin, 30. 4. 2013 – 15 O 92/12, K&R 2013, 411 ff. Zuletzt etwa BGH, 16. 7. 2008 – VIII ZR 348/06, K&R 2008, 678 ff. = NJW 2008, 3055 f. Moos, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl. 2013, § 13 TMG, Rn. 5. Zutreffend: Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl. 2012, § 4 a Rn. 23; von Lewinski, DuD 2002, 395, 399. So der BGH in der „Payback“-Entscheidung, BGH, 16. 7. 2008 – VIII ZR 348/06, K&R 2008, 678 ff. = NJW 2008, 3055 bzgl. einer Klausel zur Speicherung des Geburtsdatums der Kunden, die von § 28 BDSG gedeckt war. Nord/Manzel, NJW 2010, 3756. OLG Hamburg, 27. 6. 2013 – 3 U 26/12, K&R 2013, 601 ff. 152 Moos, Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 3/2014 K &R Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verstndlicher Form zu unterrichten hat, eine im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG das Marktverhalten regelnde Norm darstelle. Zur Begrndung fhrt das Gericht an, dass nach den Erwgungsgrnden der dieser Norm zugrunde liegenden Datenschutzrichtlinie 95/ 46/EG durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers geschtzt werden solle. Den Erwgungsgrnden zur Richtlinie sei darber hinaus zu entnehmen, dass die in § 13 TMG geregelten Aufklrungspflichten auch dem Schutz der Verbraucherinteressen bei der Marktteilnahme dienen, weil sie den Verbraucher ber die Datenverwendung aufklren und dadurch seine Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit beeinflussen. In der Praxis werden diese Entscheidungen weiter dazu beitragen, dass wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wegen Datenschutzverstçßen zunehmen. Sollte sich die Ansicht des OLG Hamburg durchsetzen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Abmahnungen wegen unrichtiger Internet Privacy Policies bundesweit die Gerichte beschftigen. d) Bewertung der Entscheidung a) Das Urteil des VG Karlsruhe Die Frage, ob einzelnen Datenschutzbestimmungen der Charakter einer Marktverhaltensregel zukommt, war und ist umstritten.13 Auch wenn sich in jngeren Entscheidungen14 und Stellungnahmen in der Literatur15 die Ansicht durchzusetzen scheint, dass datenschutzrechtliche Vorschriften grundstzlich marktverhaltensregelnden Charakter aufweisen, so ist doch jeweils eine Beurteilung der konkreten datenschutzrechtlichen Norm vorzunehmen.16 Die Hamburger Richter beziehen mit ihrer Entscheidung gegen das KG Berlin Position, dass die Verwendung des Facebook-Like-Buttons ohne ausdrcklichen Hinweis nach § 13 TMG nicht als Wettbewerbsverstoß qualifiziert hat.17 Das OLG begrndet dies damit, dass die Vorschrift auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene und deshalb als eine Regelung i. S. des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen sei, die dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln.18 Die Begrndung unter Einbeziehung der Erwgungsgrnde der RL 95/ 46/EG erscheint zwar grundstzlich tragfhig; im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung von § 4 Nr. 11 UWG notwendig erscheint sie freilich nicht. Im brigen verstrkt sie das Dilemma einer Parallelitt der Sanktionierung von Datenschutzverletzungen durch Wettbewerber und deren Verbnde einerseits und durch die Datenschutzaufsichtsbehçrden andererseits.19 Als bei dem seinerzeit noch im Amt befindlichen Ministerprsident Mappus im Herbst 2010 technische Probleme mit dem elektronischen Terminkalender auftraten, erstellte ein mit Administratorrechten ausgestatteter Mitarbeiter des IT-Bereichs eine Kopie des auf dem Server des Staatsministeriums liegenden Original-Postfachs. Nachdem die berprfung abgeschlossen war, blieben die kopierten Daten weiter gespeichert, um im Falle des erneuten Auftretens des Fehlers bei der Fehleranalyse verwendet werden zu kçnnen. Die beiden Original-E-Mail-Accounts wurden dann spter nach dem Regierungswechsel auf dem Server des Staatsministeriums gelçscht, nicht aber die seinerzeit angefertigte Sicherungskopie, deren Lçschung Herr Mappus nun klagweise verlangt hat. Das Ministerium rechtfertigte die weitere Speicherung der E-Mails damit, dass deren Speicherung und Nutzung zur Erfllung der dem Staatsministerium obliegenden Aufgaben erforderlich sei, vor allem bedrfe es einer Auswertung des E-Mail-Postfachs im Zusammenhang mit dem vor der Internationalen Handelskammer in Paris anhngigen Schiedsverfahren gegen die EdF, in dem das Land geltend mache, im Dezember 2010 einen Betrag von 834 Mio. EUR zu viel fr die Anteile an der EnBW AG bezahlt zu haben. Da der Verlauf der Vertragsverhandlungen im Zusammenhang mit dem Ankauf der Anteile nach wie vor in weiten Teilen nicht geklrt sei, kçnnten die Sicherungskopien mçglicherweise wichtige Hinweise liefern und die Position des Landes in diesem Verfahren entscheidend verbessern, zumal der Klger seine dienstliche E-MailKorrespondenz nicht vollstndig zu den Sachakten genommen habe. Im Ergebnis hat das Gericht einen Lçschungsanspruch des ehemaligen Ministerprsidenten aus § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG BW bejaht. Die Voraussetzungen der Vorschrift haben die Richter als erfllt angesehen, weil die Kenntnis der Daten, deren Lçschung der Klger begehrt, fr die e) Praxisfolgen und Empfehlungen Das LG Berlin hat den Begriff Allgemeiner Geschftsbedingungen sehr weit – hier zu weit – ausgelegt. Sofern diese Entscheidung nicht in der Berufungsinstanz korrigiert wird, ist in der Praxis grçßte Vorsicht bei der Differenzierung zwischen Vertragsregelungen, Einwilligungserklrungen und schlichten Datenschutzinformationen geboten. Sowohl bei der Bezeichnung der Regelwerke und der Formulierung der einzelnen Klauseln als auch der Art und Weise ihrer Einbindung in den Bestellvorgang ist Genauigkeit gefragt, damit schlicht informatorische Datenschutzerklrungen (wie sie auf jeder Website abrufbar und nach § 13 TMG vorgeschrieben sind) nicht zum Bumerang in Gestalt abmahnfhiger AGB/Einwilligungen werden. Dasselbe gilt im brigen erst recht fr unachtsam formulierte „Einwilligungsklauseln“ in Allgemeinen Geschftsbedingungen. Jngst hat zum Beispiel das LG Frankfurt a. M.20 die in den AGB des Samsung App-Store enthaltene Formulierung: „Im Gegenzug willigen Sie ein, dass Samsung in den Services Werbung schalten dar.“ fr rechtswidrig und damit unwirksam erklrt. 3. VG Karlsruhe: Mappus E-Mails Am 27. 5. 2013 hat das VG Karlsruhe eine interessante Entscheidung gefllt, die auch mediales Interesse erzeugt hat, weil sie den ehemaligen baden-wrttembergischen Ministerprsidenten Stefan Mappus betraf. Das Urteil ist aber nicht nur wegen seiner politischen Wirkung sondern auch wegen der rechtlichen Implikationen bemerkenswert.21 13 Hierzu Huppertz/Ohrmann, CR 2011, 449, 451. 14 OLG Stuttgart, 22. 2. 2007 – 2 U 132/06, MMR 2007, 437, 438; OLG Kçln, 19. 11. 2010 – 6 U 73/10, CR 2011, 680. 15 Schrçder, ZD 2011, 59, 63. 16 Kçhler, in: Kçhler/Bornkamm, Kommentar zum UWG, 29. Aufl. 2011, § 4 Rn. 11. 17 KG Berlin, 26. 7. 2011 – 29 W 1268/11, K&R 2011, 661 ff. = GRUR-RR 2012, 19. 18 Vgl. Kçhler, in: Kçhler/Bornkamm (Fn. 16), Rn. 11.35 c zu § 4 UWG. 19 Kritisch deshalb auch zum Verbandsklagerecht: Hanloser, MMR 2009, 594, 597. 20 LG Frankfurt a. M., 6. 6. 2013 – 2-24 O 246/12, K&R 2013, 503 ff. 21 VG Karlsruhe, 27. 5. 2013 – 2 K 3249/12. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskrftig, die Berufung zum OVG Mannheim wird unter dem Az. 1 S 1352/13 gefhrt. K &R 3/2014 Moos, Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 speichernde Stelle zur Erfllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich sei, da die Daten ausschließlich zum Zweck der Datensicherung beziehungsweise zur Sicherstellung eines ordnungsgemßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden und der konkrete Sicherungszweck mittlerweile entfallen sei (§ 15 Abs. 4 LDSG). Die Begrndung des Gerichts enthlt einige interessante Ausfhrungen, die auch fr die Verwendung von E-Mail-Backups durch Unternehmen ußerst relevant sein kçnnen: (1) Zweckbindung von Sicherungskopien Eine weitere Speicherung und Verwendung des E-MailAccounts hat das VG maßgeblich wegen der strengen Zweckbindungsregelung des § 15 Abs. 4 LDSG BW fr unzulssig erachtet, wonach personenbezogene Daten, die ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, nur fr diesen Zweck und hiermit in Zusammenhang stehende(n) Maßnahmen gegenber Bediensteten genutzt werden drfen. Das Gericht meint, die E-MailPostfach-Daten stellen – in der im Herbst 2010 kopierten Form – personenbezogene Daten dar, die ausschließlich zum Zweck der Datensicherung beziehungsweise zur Sicherstellung eines ordnungsgemßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert worden sind. Die E-MailPostfach-Daten wurden zu dem Zweck kopiert, die Kopie vorzuhalten, um einen mçglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Bro des Klgers gemeldeten Probleme zu vermeiden und außerdem um technischen Problemen der vom Bro des Klgers gemeldeten Art mit dem Outlook-Kalendersystem wirksam entgegentreten zu kçnnen. Es handele sich deshalb um eine Kopie, die ausschließlich zum Zweck der Datensicherung beziehungsweise zur Sicherstellung eines ordnungsgemßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage angefertigt worden ist. Daher scheide eine weitere Speicherung fr den von dem Beklagten nunmehr genannten Zweck aus, weshalb auch der Lçschungsanspruch des Klgers durchgreifen msse. Auch eine Verwendung der Sicherungskopie zur Wiedergewinnung eines gesicherten Datenbestandes, um ihn fr die nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Zwecken zu nutzen, hat das VG nicht gestattet. Dies kçnne nmlich nur dann rechtmßiger Weise erfolgen, wenn es gerade zu dem konkreten Datenverlustereignis gekommen ist, fr dessen Eintritt die Sicherungskopie erstellt wurde. Im vorliegenden Fall wurden die E-Mail-Postfach-Daten allein zu dem Zweck kopiert, die Kopie vorzuhalten, um einen mçglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Bro des Klgers gemeldeten Probleme zu vermeiden und außerdem um technischen Problemen der vom Bro des Klgers gemeldeten Art mit dem Outlook-Kalendersystem wirksam entgegentreten zu kçnnen. Darum gehe es bei der „Wiedergewinnung“ der in der Kopie enthaltenen Daten aber nicht mehr. Ausgehend davon, dass der Tatbestand des § 15 Abs. 4 LDSG erfllt ist, sei es ausgeschlossen, die Daten nun im Hinblick auf die Aufdeckung mçglicher Rechtsverstçße des Betroffenen auszuwerten. (2) Geltung des Fernmeldegeheimnisses im Beschftigungsverhltnis Das VG hat sich auch mit der Frage beschftigt, ob sich ein Lçschungsanspruch aus dem TKG ergibt, weil die weitere 153 Speicherung und Verwendung der Daten einen unzulssigen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis darstellen kçnnten. Das Gericht lehnt dies ab und macht zur Geltung des Fernmeldegeheimnisses im Dienst- bzw. Beschftigungsverhltnis einige interessante Ausfhrungen: Das Gericht schließt sich der Auffassung des VGH Hessen22 an, wonach der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses hier hinsichtlich der streitgegenstndlichen E-Mail-Postfachdaten schon deshalb nicht betroffen sei, weil es sich bei den E-Mails nicht um Kommunikationsinhalte handelt, die der Beklagte whrend des Kommunikations- oder bertragungsvorgangs ohne Wissen und Wollen der Kommunikationsteilnehmer datenmßig erfasst und gespeichert hat, sondern die erst nach dem Abschluss der bertragung ber den Empfnger der E-Mail in die Speichermedien des Beklagten gelangt sind. Das Gericht meint aber, der Schutzbereich des Rechts auf Gewhrleistung der Vertraulichkeit und Integritt informationstechnischer Systeme sei betroffen. Selbst bei unterstellter Erçffnung des Schutzbereichs des Fernmeldegeheimnisses sei der Beklagte gegenber dem Klger kein Diensteanbieter im Sinne des § 88 TKG. Dem stehe der in § 1 TMG normierte Gesetzeszweck des TKG entgegen, wonach es sich um ein Gesetz zur Fçrderung des privaten Wettbewerbs im Bereich der Telekommunikation handelt, das also auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und den Telekommunikationsanbietern sowie diejenigen zwischen den Telekommunikationsanbietern untereinander abzielt. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es hingegen nicht, die unternehmens- beziehungsweise behçrdeninternen Rechtsbeziehungen – etwa zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – zu regeln Zwischen dem Klger und dem Beklagten fehle es somit an einer Beziehung, die eine Qualifizierung als „Diensteanbieter“ und „Dritter“ erlaube. Schließlich sei hier auch nicht davon auszugehen, dass eine Privatnutzung des E-Mail-Accounts gestattet gewesen sei. Das Gericht meint, eine private E-Mail-Nutzung htte ausdrcklich gestattet werden mssen. Durch bloß passives Verhalten der das E-Mail-Postfach stellenden Behçrde, also allein durch die Duldung privater Nutzung, kçnne eine Erlaubnis zur Privatnutzung nicht entstehen. b) Folgerungen fr die Unternehmenspraxis Auch wenn die Entscheidung des VG Karlsruhe den çffentlichen Bereich und vor allem die Vorschriften des baden-wrttembergischen Landesdatenschutzgesetzes betrifft, enthlt es auch fr Unternehmen sehr relevante Lehren. Zunchst ist die strenge Anwendung des Zweckbindungsprinzips bei Daten fr Sicherungszwecke bemerkenswert. Aufgrund des Umstandes, dass § 31 BDSG mit der vom VG Karlsruhe angewendeten Regelung des § 15 Abs. 4 LDSG BW identisch ist, erscheint die Auslegung der Vorschrift bertragbar. Daraus folgt, dass Unternehmen die Zwecksetzungen ihrer Datenverarbeitungen – und vor allem ihrer Backup- und Archivdatenspeicherung – sehr umsichtig definieren sollten. Bei zu eng gefassten Beschrnkungen auf Datensicherungen fr Flle konkret benannter Stçrungen besteht die Gefahr, dass § 31 BDSG greift und weitere Verwendungen unzulssig sind; etwa eine Verwendung der Archiv- oder Backup-Datenbestnde fr Compliance-Zwecke oder auch nur die Fortfhrung der 22 Hess. VGH, 19. 5. 2009 – 6 A 2672/08.Z, K&R 2009, 748 ff. 154 Moos, Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 Geschfte, wenn die Ursprungsdatenstze von einem Mitarbeiter gelçscht worden sind. Eine berprfung und ggf. Neuformulierung der festgelegten Zwecke ist jedem Unternehmen angeraten. Nicht tragfhig – jedenfalls aber nicht bertragbar auf den privatwirtschaftlichen Bereich – erscheint die Entscheidung, soweit die Richter eine Unanwendbarkeit des TKG aus den Gesetzeszwecken herleiten wollen. Gemß § 1 TKG ist von dem Gesetzzweck ja gerade eine „technologieneutrale Regulierung“ gedeckt, deren Ziel gemß § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG ausdrcklich auch „die Wahrung der Nutzer-, insbesondere der Verbraucherinteressen auf dem Gebiet der Telekommunikation und die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses“ ist. Aus Grnden der Vorsicht sollten Unternehmen deshalb nach wie vor davon ausgehen, dass zulssige private E-Mail-Kommunikation am Arbeitsplatz den Regelungen des TKG unterfallen kann. Zuzustimmen ist dem VG freilich, was die Aussagen zur Zulassung der Privatnutzung angeht. Ohne nhere Begrndung wird hier in der Literatur oftmals vorschnell einer angeblichen „betrieblichen bung“ das Wort geredet, die zur Zulssigkeit der Privatnutzung durch schlichte Duldung fhre. Dem erteilt das Gericht erfrischend klar eine Absage. 4. Nochmals: Datenspeicherung durch AccessProvider auf Zuruf In der Vergangenheit haben sich schon zahlreiche Gerichte mit der Frage befasst, ob aus § 101 Abs. 2 UrhG eine Verpflichtung der Access-Provider zur Datenspeicherung folgt, weil ein spteres Auskunftsbegehren nach § 101 Abs. 2 UrhG bzw. schon die gerichtliche Anordnung zur weiteren Vorhaltung der Verbindungsdaten ansonsten in Leere laufen.23 In insgesamt 8 Beschlssen vom 7. 3. 2013 hat sich zu dieser Frage nun auch das OLG Dsseldorf positioniert.24 a) Die bisherige Judikatur In der Rechtsprechung ist die Frage, ob Rechteinhabern gegen Access-Provider ein Anspruch auf Datenspeicherung „auf Zuruf “ zusteht, nach wie vor umstritten, auch wenn sich die große Mehrheit der Gerichte mittlerweile dagegen ausgesprochen hat. Das LG Hamburg25 und auch das OLG Hamburg26 haben eine rein fremdntzige Speicherpflicht „auf Zuruf “, d. h. ohne vorherige richterliche Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG, in mehreren Entscheidungen bejaht. Das OLG Kçln, 27 das OLG Nrnberg28 und das OLG Karlsruhe29 gehen nicht so weit, eine gesetzliche Verpflichtung zur Datenspeicherung anzunehmen sondern meinen, dass sich aus § 101 Abs. 9 UrhG jedenfalls eine Berechtigung ergebe, die Speicherung der fraglichen Daten (insbesondere der IP-Adressen) im Rahmen des Anordnungsverfahrens einstweilen richterlich anzuordnen. Das OLG Frankfurt30 und große Teile der Literatur31 lehnen hingegen einen Anspruch auf Datenspeicherung auf Zuruf insgesamt ab. Dieser Ansicht hat sich nun auch das OLG Dsseldorf angeschlossen. b) Die Entscheidungen des OLG Dsseldorf Das OLG lehnt den Anspruch auf Speicherung der IPAdresse unter anderem mit dem Argument ab, dass die Speicherung einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG darstellt, fr den es keine gesetzliche 3/2014 K &R Ermchtigung gibt. Auf § 96 TKG kçnne der Eingriff nicht gesttzt werden, da die Vorschrift die Telekommunikationsdiensteanbieter nur zur Speicherung von Daten zu den in diesem Abschnitt des TKG genannten Zwecken ermchtige, wozu eine Speicherung zur Erteilung der Auskunft nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG aber nicht gehçre. c) Bewertung der Entscheidungen Der Ansicht des OLG ist zuzustimmen. § 101 Abs. 2 i.V. m. Abs. 9 UrhG normiert ausschließlich einen Auskunftsanspruch, verpflichtet aber nicht zu einer diese Auskunft erst ermçglichende Speicherung. Die Hamburger Gerichte hatten eine Speicherpflicht der Access-Provider aus den §§ 101 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 9 i.V. m. 96 Abs. 2 S. 1 TKG und § 242 BGB hergeleitet. Insbesondere sei nach Ansicht dieser Gerichte aufgrund der Auskunftsverpflichtung nach § 101 Abs. 2 UrhG, die bereits durch die (vermeintliche) Rechtsverletzung entstehe, ein gesetzliches Schuldverhltnis begrndet worden, das den Provider zu einer Datenspeicherung auf Zuruf verpflichte. Diese Rechtsprechung setzt die Anforderungen an das Vorliegen einer gesetzlichen Ermchtigungsgrundlage zu stark herab. Die Voraussetzungen des § 96 TKG sind nicht erfllt, solange keine rechtskrftige richterliche Anordnung vorliegt. Insoweit stellt § 101 Abs. 9 S. 8 UrhG klar, dass das entsprechende Anordnungsverfahren nach den Stzen 1 bis 7 ja gerade auch die datenschutzrechtliche Grundlage fr die Datenverwendungen zur Auskunftserteilung bilden soll. Nach wie vor wre angesichts der divergierenden Judikatur, der das OLG Dsseldorf nun eine berzeugende Entscheidung hinzugefgt hat, eine Klrung durch den BGH wnschenswert. III. Aufsichtsbehçrdliche Stellungnahmen und Empfehlungen 1. Anwendungshinweise zur Werbenutzung von Daten Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Werbung und Adresshandel“ des Dsseldorfer Kreises hat „Anwendungshinweise zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten zu werblichen Zwecken“ erarbeitet, die in aktualisierter Fassung im Dezember 2013 verçffentlicht worden sind.32 Diese Anwendungshinweise enthalten unter anderem die folgenden hilfreichen Klarstellungen zu den werberelevanten Datenschutzvorschriften: • Die Verwendung von Daten zu Werbezwecken kann im Anwendungsbereich des BDSG auch dann auf § 28 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BDSG gesttzt werden, wenn die Daten fr Preisausschreiben, Gewinnspiele sowie Katalog- und Prospektanforderungen verwendet werden sollen. 23 Moos, K&R 2010, 166, 170. 24 OLG Dsseldorf, 7. 3. 2013 – I-20 W 118/12, I-20 W 121/12, K&R 2013, 344 ff., I-20 W 123/12, I-20 W 124/12, I-20 W 126/12, I-20 W 128/12, I-20 W 142/12, I-20 W 143/12, I-20 W 162/12. 25 LG Hamburg, 11. 3. 2009 – 308 O 75/09, MMR 2009, 570; LG Hamburg, 19. 12. 2008 – 308 O 541/08, LG Hamburg, 21. 1. 2009 – 308 O 603/08. 26 OLG Hamburg, 17. 2. 2010 – 5 U 60/09, NJOZ 2010, 1122; OLG Hamburg, 17. 2. 2010 – 5 U 60/09, BeckRS 2010, 08656. 27 OLG Kçln, 21. 10. 2008 – 6 Wx 2/08, K&R 2008, 751. 28 OLG Nrnberg, 3. 6. 2009 – 3 W 471/09, BeckRS 2009, 26651. 29 OLG Karlsruhe, 1. 9. 2009 – 6 W 47/09, K&R 2009, 731. 30 OLG Frankfurt a. M., 12. 11. 2009 – 11 W 41/09, K&R 2010, 199 ff. und OLG Frankfurt a. M., 17. 11. 2009 – 11 W 54/09, MMR 2010, 62. 31 Moos, K&R 2010, 166, 172; Moos/Gosche, CR 2010, 499, 505; Maaßen, MMR 2009, 511, 513; Hoffmann, NJW 2009, 2649, 2653. 32 Im Internet abrufbar unter: http://www.lda.bayern.de/lda/datenschutzauf sicht/lda_daten/Anwendungshinweise_Werbung.pdf. K &R 3/2014 Moos, Die Entwicklung des Datenschutzrechts im Jahr 2013 • Als erster Anhaltspunkt fr die Bemessung der zulssi- • • • • gen Nutzungsdauer von Listendaten nach dem letzten aktiven Geschftskontakt soll unter Bercksichtigung der Regelung in § 34 Abs. 1 a BDSG ein Zeitraum von 2 Jahren gelten, wobei im Einzelfall auch krzere (z. B. bei reinen Interessentenanfragen) oder lngere Fristen rechtmßig sein kçnnen. § 28 Abs. 3 S. 3 BDSG erlaubt bei Bestandskunden auch das Hinzuspeichern der E-Mail-Adresse und – unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG – auch die werbliche Ansprache per E-Mail. Weil § 7 Abs. 2 UWG fr telefonische Werbeansprache jedoch keine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis vorsieht, kçnne ein Hinzuspeichern der Telefonnummer fr werbliche Zwecke nicht auf § 28 Abs. 3 S. 3 BDSG gesttzt werden. Die Aufsichtsbehçrden sehen in § 28 Abs. 1 - 3 BDSG keine Rechtsgrundlage fr Werbung anhand von Dritten erlangten Adressdaten (sog. Freundschaftswerbung), weil die Daten eben nicht direkt beim Betroffenen erhoben werden, wie es die Vorschrift verlangt. Im Falle einer nicht schriftlich erteilten Werbeeinwilligung kann die nach § 28 Abs. 3 a BDSG erforderliche schriftliche Besttigung auch in Textform, insbesondere per E-Mail, erfolgen. Zudem sei keine separate Besttigung erforderlich, sie kçnne auch in das Werbeschreiben selbst aufgenommen werden, solange dies in ausreichendem zeitlichen Zusammenhang zur Erteilung der Einwilligung erfolgt (d. h. maximal 3 Monate danach). Entgegen dem OLG Mnchen hlt der Dsseldorfer Kreis das Double-Opt-In-Verfahren zur Einholung elektronischer Einwilligungen in Werbemaßnahmen fr datenschutzrechtlich zulssig und geboten. 2. Der Code of Conduct fr die Versicherungswirtschaft Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat gemeinsam mit den Datenschutzaufsichtsbehçrden und dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Verhaltensregeln fr die Datenverarbeitung in der Versicherungsbranche entwickelt, die vom Berliner Beauftragten fr Datenschutz und Informationsfreiheit genehmigt und im Mrz 2013 verçffentlicht wurden. Der GDV ist damit der erste Verband in Deutschland, der fr eine freiwillige Selbstverpflichtung zum Datenschutz die Zustimmung der Datenschutzbehçrden erhalten hat. Bis zum Januar 2014 sind bereits ca. 200 Versicherungsunternehmen dem Code of Conduct beigetreten. Der Code of Conduct stellt eine branchenspezifische Verhaltensregel im Sinne von § 38 a BDSG dar, die bereichsspezifische Besonderheiten der Versicherungswirtschaft bercksichtigt. Zu diesem Zweck konkretisiert der Code of Conduct die datenschutzrechtlichen Bestimmungen fr die Versicherungswirtschaft, indem er die Datenverarbeitungsprozesse in den einzelnen Versicherungsunternehmen, in einer Unternehmensgruppe und mit weiteren Unternehmen beschreibt, Fallgruppen festlegt und den gesetzlichen Datenschutzregelungen zuordnet. Darber hinaus enthlt er einige Bestimmungen, die ein ber das Bundesdatenschutzgesetz hinausgehendes Schutzniveau fr die Betroffenen schaffen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um erweiterte Dokumentations- und Informationspflichten. Datenschutzverbesserungen sollen u. a. 155 durch folgende Verpflichtungen erfolgen, die die Versicherungsunternehmen aufgrund eines Beitritts umsetzen mssen: • Prferenz fr eine Anonymisierung von Daten gegenber der Pseudonymisierung (Art. 3 Abs. 2 S. 3); • Erstellung eines umfassenden Datenschutz- und Datensicherheitskonzepts unter Einbeziehung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten (Art. 4 Abs. 2) sowie eines Konzepts fr den Umgang mit Datenpannen (Art. 29 Abs. 4); • Datenschutzrechtliche Einwilligung Minderjhriger erst ab 16 Jahre (Art. 5 Abs. 2); • Konkretisierung der Regelung, wann Einwilligungen mndlich, z. B. per Telefon mçglich sind (Art. 5 Abs. 5); • Erweiterte Dokumentationspflichten, z. B. bezglich Information zu Einwilligung (Art. 5 Abs. 4), Verwendung automatisierter Entscheidungshilfen (Art. 13 Abs. 3), Datenaustausch mit anderen Versicherern (Art. 16 Abs. 3); • Erweiterte Hinweis- und Informationspflichten, z. B. ber Zwecknderung (Art. 2 Abs. 2), mndliche, z. B. telefonische Einwilligung (Art. 5 Abs. 5), gemeinsame Datenverarbeitung im Konzern (Art. 9 Abs. 4), das Hinweis- und Informationssystem – HIS (Art. 14 Abs. 4); erstmalige Datenbermittlung an Vermittler und Vermittlerwechsel (Art. 19 Abs. 2), Liste der auf Dauer ttigen Auftragsdatenverarbeiter und Dienstleister (Art. 21 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 6); • Aufklrung ber Rechte des Betroffenen, z. B. Auskunfts- und Korrekturrechte (Art. 7 Abs. 3), • Widerspruchsmçglichkeit bei Funktionsausgliederung (Art. 22 Abs. 3). Praxisrelevant sind auch die Konkretisierungen der Datenverarbeitungen in Abschnitt V des Codes of Conduct. Dieser Abschnitt regelt die Datenflsse und Datenverwendungsvorgnge in den Versicherungsunternehmen. Es finden sich hier Sonderregelungen zu gemeinsamen Datenverarbeitungen innerhalb von Unternehmensgruppen (Art. 9), zur Tarifkalkulation und Prmienberechnung in Abgrenzung zum Scoring (Art. 10, 11). Ferner werden Regelungen zum Hinweis- und Informationssystem (HIS) in der Versicherungswirtschaft (Art. 14), zum Datenaustausch mit anderen Versicherern (Art. 16) und Rckversicherern (Art. 17) getroffen. Ein Kernstck des Codes of Conduct ist Teil VII, in dem nicht nur die Datenverarbeitung im Auftrag, sondern auch die Funktionsbertragung an Dienstleister explizit geregelt und auf Basis einer Interessenabwgung zugelassen wird. In Art. 22 Abs. 4 und 5 werden die Versicherungsunternehmen jedoch verpflichtet, mit den Dienstleistern auch im Fall einer Funktionsbertragung vertragliche Vereinbarungen zu schließen, die bestimmte datenschutzrechtliche Mindestanforderungen erfllen mssen. Hier wird es sicherlich bei vielen Versicherern Anpassungsbedarf geben. Dasselbe gilt fr die Vertrge mit Rckversicherungen: nach Art. 17 Abs. 3 sind auch mit diesen besondere vertragliche Regelungen zu vereinbaren. Art. 30 Abs. 2 gewhrt den Versicherern im Hinblick auf etwa notwendige technische Anpassungen ihrer Datenverarbeitungen einen bergangszeitraum von 2 Jahren ab Beitritt zum Code of Conduct, wobei der zustndigen Aufsichtsbehçrde innerhalb eines Jahres ein Zeitplan fr die Umsetzung vorzulegen ist.