Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen
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Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen
Schule für Geistigbehinderte Umsetzungsbeispiel zum Bildungsplan 2009 Unterricht und Schulleben Bildungsbereich: Mensch in der Gesellschaft Landesinstitut für Schulentwicklung Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen (Demokratie und Diktatur) Prof. Dr. Theo Klauß, Dr. Karin Terfloth, und Kathrin Rittberg Pädagogische Hochschule Heidelberg Qualitätsentwicklung und Evaluation Schulentwicklung und empirische Bildungsforschung Bildungspläne Stuttgart 2011 Inhalt: Intention und Zusammenfassung des Umsetzungsbeispiels 3 Woraus ergibt sich die Bedeutsamkeit des Themas für die Schülerinnen und Schüler? 4 Wie ist das Thema in den Bildungsbereichen und Themenfeldern des Bildungsplans zu verorten? 5 Welche fachwissenschaftlichen Grundlagen sind erforderlich, um die Erarbeitung des Themas zu ermöglichen? 5 Welche möglichen elementaren und fundamentalen Bedeutungen des Bildungsinhaltes sind anzunehmen? 7 Welche methodische Umsetzung bietet sich an? 8 Welche Zugänge zum Bildungsinhalt sind über verschiedene Aneignungsmöglichkeiten möglich? 10 Welche Kompetenzen können Schülerinnen und Schüler bei der Beschäftigung mit diesem Thema anwenden und ausbilden? 13 Impulse: Welche Rahmenbedingungen sind erforderlich und sinnvoll? 14 Literaturverzeichnis 15 Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 2 Intention und Zusammenfassung des Umsetzungsbeispiels Politik bedeutet Zusammenleben in der Polis, der Kommune. Von politischen Entscheidungen ist jeder Mensch betroffen, sie haben mittelbare und unmittelbare Auswirkungen auf sein Leben. In der Demokratie sollen sich politische Entscheidungen an den Interessen und der freien Meinungsäußerung aller Bürgerinnen und Bürger orientieren, das unterscheidet sie von anderen Regierungsformen wie beispielsweise der Diktatur. Die Schule hat selbst als öffentliche Einrichtung die Aufgabe, demokratische Strukturen aufzubauen und zu sichern, um auf dieses Weise Demokratie für die Schülerinnen und Schüler auch der Schülervertretung erlebbar werden zu lassen. In diesem Umsetzungsbeispiel des Bildungsplans zum Thema „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“ soll gezeigt werden, wie sich Schülerinnen und Schüler mit diesem Phänomen auseinandersetzen und dabei nicht nur theoretische Kenntnisse aneignen, sondern auch unterschiedliche praktische Kompetenzen nutzen und entwickeln können. Der Schwerpunkt dieser Ausführungen liegt auf den angesprochenen Inhalten, die sich in verschiedenen Bildungsbereichen und deren Themenfelder verorten lassen und auf der Darstellung des Ablaufes eines unterrichtlichen Vorhabens zu diesem Thema. Dabei wird verdeutlicht, welche Fragen sich stellen, wenn ein solcher Inhalt Gegenstand des Unterrichts ist und welche Antworten möglich erscheinen. Dies kann zur Anregung und Reflexion in Bezug auf die eigene Unterrichtspraxis genutzt werden. Zunächst geht es um die fachwissenschaftliche Seite der oben genannten Regierungsformen, indem die Teilaspekte (demokratische und diktatorische Lebensformen) des vorliegenden Inhaltes aufgezeigt werden. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem didaktischen Suchprozess der Elementarisierung. Es werden die fünf Elementarisierungsrichtungen vorgestellt und die elementare und fundamentale Bedeutung des Inhalts für eine Schülergruppe herausgearbeitet. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit dem Kompetenzspektrum (Sach-, Methoden-, Personal- und Sozialkompetenz), welches am ausgewählten Bildungsinhalt erarbeitet werden kann. Danach wird herausarbeitet, wie sich der Bildungsinhalt auf der Basis verschiedener Aneignungsmöglichkeiten methodisch umsetzen lässt. Das vorliegende Beispiel wird für eine Klasse der Hauptstufe der Schule für Geistigbehinderte konzipiert. Die Schülerinnen und Schüler haben bis zu dieser Zeit sicherlich Erfahrungen mit demokratischen Entscheidungsstrukturen gemacht, sei es in der Schule (z.B. Wahl von Material oder Nahrungsmitteln oder von Vertretern wie einem Klassensprecher etc.) oder in der Familie (z.B. bei der Freizeitgestaltung). Schülerinnen und Schüler mit einer geistigen Behinderung machen jedoch oft auch die Erfahrung, dass andere Personen (Lehrer, Familie) für sie und über sie hinweg bestimmen, sie ihre Meinung nicht äußern können oder nicht gehört werden. Dies lässt sich zwar nicht mit einer Diktatur gleichsetzen, widerspricht jedoch demokratischen Prinzipien wie Mitbestimmung, Selbstbestimmung und der freien Wahl. Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 3 Woraus ergibt sich die Bedeutsamkeit des Themas für die Schülerinnen und Schüler? Um sich in der Schule an der Gemeinschaft und deren Strukturen sowie außerhalb am öffentlichen Leben als Bürgerin und Bürger zu beteiligen ist es notwendig, gesellschaftliche Strukturen des Zusammenlebens zu kennen und im Hinblick darauf Partizipationsmöglichkeiten zu erproben. Dazu gehört vor allem die Auseinandersetzung mit politischen Strukturen wie Staatsformen, Wahl- und Beteiligungsmöglichkeiten sowie politischen Institutionen und Ämtern. Um sich in der Kultur zurechtzufinden, sind Kenntnisse über verschiedene historisch und gesellschaftlich gewachsene Regierungsformen nötig. Die Schülerinnen und Schüler bekommen einen Eindruck vom gegenwärtigen Regierungssystem der BRD und erfahren, was das Zusammenleben von Menschen in einer demokratischen Staatsform ausmacht. Zudem lassen sich im alltäglichen Leben jedes Menschen demokratische Prinzipien erkennen, sei es in der Familie, in der Schule oder im beruflichen Leben. Ebenso lernen die Schülerinnen und Schüler Kennzeichen einer diktatorischen Regierung kennen, die in der deutschen Geschichte eine wesentliche Rolle gespielt hat und kritisch betrachtet werden soll. Anhand des Bildungsinhalts können die Schülerinnen und Schüler elementare bzw. persönlich bedeutsame Erfahrungen machen. Für die Schüler sind beispielsweise demokratische Umgangsformen alltäglich (Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten, Möglichkeiten der freien Meinungsäußerungen). Schülerinnen und Schüler mit einer geistigen Behinderung erleben im Alltag im Umgang mit anderen oft auch Fremdbestimmung, indem sie nicht die Gelegenheit bekommen, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen. Sie können die Erfahrung machen, dass andere eigene Interessen rücksichtslos durchsetzen und ihre Rechte dabei nicht achten. Die Schüler können ebenso erfahren, was demokratische Strukturen im Zusammenleben von Menschen bedeuten und können daran fundamentale Einsichten über die Welt, in der sie leben, gewinnen. Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 4 Wie ist das Thema in den Bildungsbereichen und Themenfeldern des Bildungsplans zu verorten? Das nachfolgende Umsetzungsbeispiel zum Bildungsinhalt „Verschiedene Regierungsformen im Vergleich (Demokratie und Diktatur)“ des Bildungsplans der Schule für Geistigbehinderte 2009 bezieht sich auf den Bildungsbereich „Mensch in der Gesellschaft“ (vgl. Ministerium für Kultus und Unterricht 2009, S. 187). Bildungsbereich Dimension „Leben in der Gesellschaft“ Mensch in der Gesell- Themenfeld Politische Strukturen (vgl. ebd. S. 187) Grundhaltungen entwickeln und danach leben (vgl. ebd. S. 185) Verantwortung übernehmen in Schule und Gesellschaft (vgl. ebd. S. 186) Leben mit Rechten und Pflichten schaft „Identität und Selbstbild“ Geschichte Wie gehe ich mit Autonomie und Selbstbestimmung um Wie gehe ich mit Begabungen und Begrenzungen um (vgl. ebd., S. 182) Zeitepochen (vgl. ebd., S. 193) Bei der Erarbeitung des Themas „Regierungsformen“ lässt sich teilweise auf Themenfeldern wie Autonomie und Selbstbestimmung oder Grundhaltungen aufbauen. Inhaltliche Verknüpfungen sind möglich, beispielsweise im Hinblick auf die historische Entwicklung der Staatsform der BRD oder anhand des Vergleichs zwischen Mitwirkungsmöglichkeiten und -strukturen in der Schule und im demokratischen Staat. Welche fachwissenschaftlichen Grundlagen sind erforderlich, um eine Erarbeitung des Themas zu ermöglichen? Eine differenzierte Erarbeitung der fachwissenschaftlichen Grundlage ist als Ausgangspunkt für die Auswahl und Fokussierung einzelner Teilaspekte und deren Aufbereitung für verschiedene Lernzugänge notwendig. Demokratie ist ein Sammelbegriff für moderne Lebensformen und eine an gleichen Menschenrechten aller orientierten politischen Ordnung. Wichtige Grundlagen sind die Menschenwürde, die Freiheit individueller Entscheidungen und Handlungen, die Gleichheit vor dem Gesetz, sowie ein Schutz für Minderheiten. Ein weiteres wichtiges Kriterium von Demokratie ist die Volkssouveränität und die Beschränkung politischer Herrschaft. In repräsentativen Demokratien ist das Volk die oberste Legitimation politischen Handelns, jedoch übt das Volk nicht unmitUmsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 5 telbar die Herrschaft aus. Vielmehr ist die Demokratie durch gesellschaftliche Einrichtungen wie Parlamente und Parteien geprägt, die ihre Legitimation aufgrund der Willensäußerungen der Bevölkerung erlangen. Die Ausübung politischer Herrschaft wird durch das Rechtsstaatsprinzip beschränkt, indem die Grund- und Menschenrechte sowie die politische Organisation und die Verteilung der politischen Zuständigkeiten in Verfassungen garantiert werden. Diese Rechte und Regelungen sind darüber hinaus einklagbar und gelten insbesondere gegenüber den staatlichen Gewalten. In Demokratien herrscht eine Gewaltenteilung, die eine gegenseitige Kontrolle staatlicher Organe ermöglicht. Daraus folgert eine mittelbare Beschränkung politischer Macht (vgl. SCHUBERT/ KLEIN 2006). Eine demokratische Gesellschaft gilt als normatives Ideal. Dieses lässt sich nur durch eine konsequente Arbeit an den gesellschaftlichen Strukturen realisieren. Eine Diktatur bezeichnet eine Herrschaftsform, bei der die demokratischen Rechte wesentlich eingeschränkt sind und die Macht über Volk und Staat von einer Einzelperson oder einer Gruppe ausgeübt wird. Gebräuchliche andere Bezeichnungen sind Gewaltherrschaft oder Willkürherrschaft. Meist berufen sich Diktatoren bzw. diktatorische Regime auf einen äußeren oder inneren Staatsnotstand, der die Etablierung nichtlegitimer Herrschaft rechtfertigen soll. Diese dienen jedoch meist nur der Durchsetzung der Interessen und Überzeugungen weniger zu Lasten und zum Schaden der Mehrheit der Bevölkerung (vgl. SCHUBERT/ KLEIN 2006). In der fachwissenschaftlichen Beschreibung wird deutlich, dass die genannten Regierungsformen eines Staates abstrakte Gebilde darstellen. Der Staat und seine Verfassungsform sind nicht durch reale Gegenstände abbildbar. Staatsgrenzen, Ämter, Wahlen, Parteien, Gesetze und Staatgewalten sind Strukturen und Prozesse, die sich kaum oder nur sehr bedingt in ihrer Komplexität in Form von Erfahrungen und konkreten Repräsentanten in den Klassenraum bringen lassen. Um die Komplexität der Zusammenhänge verstehen zu können, sind umfangreiche Vorkenntnisse notwendig. Es ist allerdings möglich demokratische oder diktatorische Lebensformen in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf kleinere soziale Institutionen wie eine Klasse, eine Schule, eine Kommune erfahrbar zu machen. Beide genannten Staats- und Regierungsformen (Demokratie und Diktatur) wirken sich auf die Lebensumstände und die Entfaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger aus. Es kann von demokratisch oder diktatorisch geprägten Lebensformen gesprochen werden. Diese wiederum sind für die Schülerinnen und Schüler erfahrbar und darüber kann ein grundlegender Zugang zur abstrakten Thematik ermöglicht werden, der dann aufbauend, je nach den sich entwickelnden Abstraktionsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler, im Hinblick auf den Staat erweitert werden kann. In erster Linie stellt sich die Frage: In welchen Bereichen des Alltags kommen die Schülerinnen und Schüler mit demokratischen Strukturen und Lebensformen in Berührung? Diese Frage führt zum didaktischen Prozess der Elementarisierung. Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 6 Welche möglichen elementaren und fundamentalen Bedeutungen des Bildungsinhaltes sind anzunehmen? Die Elementarisierung versteht sich als ein didaktisches Konzept und dient als Wegweiser für die Unterrichtsplanung (vgl. LAMERS/ HEINEN 2006, S. 159). Die fünf Elementarisierungsrichtungen elementare Strukturen (fachwissenschaftliche Bezüge des Themas), elementare lebensleitende Annahmen (gesellschaftlich- kulturell bedeutsame Lerninhalte), elementare Erfahrungen (lebensbedeutsame Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler), elementare Zugänge (entwicklungsbezogene Lernmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler), elementare Aneignungswege lassen sich als Suchprozess für die Verdichtung des Bildungsinhaltes sehen. Ziel ist es den Unterrichtsinhalt zu konkretisieren (vgl. LAMERS/ HEINEN 2006, S.160). Bei den elementaren Strukturen steht der fachwissenschaftliche Blickwinkel im Vordergrund, es sollen die elementaren Sach-, Bedeutungs- und Sprachstrukturen herausgearbeitet werden. Hierbei geht es nicht um eine Vereinfachung des Inhaltes, sondern um das „Herauslösen“ der elementaren Grundlagen des Inhaltes, einer Verdichtung des Kerngehaltes eines Themas (vgl. ebd., S.161f). Parallel zur Erarbeitung des inhaltlichen Kerns geht es um das Herausarbeiten der fundamentalen Bedeutung des Themas für die Schülerinnen und Schüler. Welche Erfahrungen haben sie mit dem Thema gemacht, welche Erfahrungen brauchen sie, um sich in sozialen Institutionen wie Klasse, Schule, Staat zu Recht zu finden? Im vorliegenden Unterrichtsbeispiel lassen sich für die beiden Regierungsformen bzw. gesellschaftliche Lebensformen elementare und fundamentale Grundlagen herausarbeiten (siehe auch Kapitel 1): Demokratische Lebensform E L E M E N T A R o Diktatorische Lebensform Orientierung des (staatlichen) Handelns o Eingeschränkte Menschenrechte an den gleichen Rechten aller Menschen o Unterdrückung der Rechte einzelner zum (Schutz des Einzelnen vor staatlicher Gewalt) o Wohle des Staates o Fremdbestimmung (nur eine Partei, kon- Mitbestimmungsmöglichkeiten des Ein- trollierte und beeinflusste Wahlen, Ein- zelnen (Allgemeine, freie, gleiche und schüchterung von Gegnern) geheime Wahlen, Auswahl aus ver- o Keine freie Meinungsäußerung schiedenen Parteien) o Justiz ohne Rechtsstaat o Gewaltenteilung o Konzentration der Macht o Freie Wahl der Lebensform und der o Terror und Furcht Meinungsäußerung o Eingeschränktes Leben o Kulturelle Vielfalt Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 7 F U N D A M E N T A L o als Mitglied einer sozialen Institution o (Klasse, Schule, Bürger eines Staates) le, Staat) der Willkür einzelner Machthaber berücksichtigt werden ausgesetzt sein o Rechte und Mitbestimmungsmög- o lichkeiten haben und diese einfor- o in einer sozialen Institution (Klasse, Schu- fehlende Wertschätzung der eigenen Person oder anderer erleben dern und nutzen o ungleiche und ungerechte Behandlung o die Rechte der anderen wahren o ausgenutzt werden zum Wohl der anderen o Pflichten haben an Regeln und Mehrheitsbeschlüsse der sozialen Institution gebunden sein Viele der in der Tabelle genannten elementaren Aspekte sind im Hinblick auf die Staatsform kaum konkret von den Schülerinnen und Schüler erfahrbar. Die Aufgabe ist es daher, einen Bezug dieser elementaren Strukturen zur Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler, zu den fundamentalen Bedeutungen, herzustellen. Was bedeutet es, gleiche Rechte wie andere zu haben? In welchen Kontexten ist beispielsweise die freie Meinungsäußerung im Leben der Kinder und Jugendlichen von Bedeutung? Und welche Bedeutung hat es für, jemanden bestimmen und wählen zu können, der sie dann vertritt? Hierbei spielt das Zusammenleben als Schul- oder Klassengemeinschaft eine bedeutsame Rolle. Ausgehend von dem eigenen Erleben und Betroffensein können Zugänge zur an sich abstrakten Thematik erschlossen werden. Welche methodische Umsetzung bietet sich an? Gleiche Rechte, freie Meinungsäußerungen und Mitbestimmung als Kultur auch in der Klasse zu leben ist eine Form der Auseinandersetzung mit der Thematik „Demokratische Staats- und Lebensformen. Im Hinblick auf die methodische Umsetzung des Themas „demokratische Strukturen“ erscheint es jedoch zentral, dass dieses nicht nur in Form einer einmaligen geplanten Unterrichtsreihe bearbeitet wird, sondern als Grundmuster des Klassenund Schullebens praktiziert wird. Die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit und Klassenführung sollte nicht nur darauf basieren, sondern die Schülerinnen und Schüler sollten angeregt werden, diese selbst zu praktizieren und zu reflektieren. Im Hinblick auf das Erleben der Regierungsform der Diktatur ist dieses direkte Erleben im Schulalltag jedoch ethisch nicht vertretbar. Es stellt sich daher die Frage, wie diese Strukturen erfahrbar und kritisch hinterfragbar werden können? Im Folgenden werden exemplarisch drei der möglichen Zugänge zur Thematik vorgestellt, die parallel zueinander umgesetzt werden können. Die Variante 1 bezieht sich auf das Erleben, Praktizieren und Bewusstmachen von Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 8 demokratischen Strukturen im (Schul)alltag der Schülerinnen und Schüler. Die Varianten 2 und 3 fokussieren die Erarbeitung von Erfahrungen und Kenntnissen über diktatorischer Strukturen. Dabei werden einerseits eine historische Annäherung (Variante 2) und andererseits eine szenische Darstellung in Form eines basalen Theaters (Variante 3) vorgeschlagen: Variante 1 „alltagsbezogener Zugang zu demokratischen Strukturen“ Demokratische Strukturen des Zusammenlebens in Form von Mitbestimmungsmöglichkeiten, Wahlmöglichkeiten, Respekt vor dem Leben und der Unterschiedlichkeit von Menschen und ihren Rechten sollte in aller erster Linie eine Grundlage der Schulkultur sein und für die Schülerinnen und Schüler im Schulalltag erlebbar und thematisiert werden. Es ist abzuwägen, wie das Lernziel Demokratie täglich in vielerlei Situationen, z. B. durch demokratische Einigungsprozesse oder Interessenvertretung in der Klassengemeinschaft, gezielt Berücksichtigung findet und wie auf deren Bedeutung konkret hingewiesen wird. Ebenso können Orte aufgesucht werden, an denen außerhalb der Schule demokratische Prozesse wie Wahlen, Bürgerbüro, etc. realisiert werden. Variante 2 „Historischer Zugang zu diktatorischen Strukturen“ In den Medien, aber auch durch die Lebensgeschichten von Kindern aus anderen Ländern in der Schulgemeinschaft werden Erfahrungen mit diktatorischen Staatsführungen für die Schülerinnen und Schüler zugänglich und bedeutsam. Darüber hinaus bietet es sich mit Blick auf die historische Entwicklung unseres Staates an, Orte und Personen aufzusuchen, die Einblick in die Struktur der Diktatur der Nationalsozialistischen Herrschaft geben können. Dies können Zeitzeugen von Krieg, Zerstörung und Völkermord und beispielsweise Gedenkstätten der Schoa wie Hadamar vermitteln. Ziel ist es bei dieser Form des Unterrichts, außerschulische Lernorte aufzusuchen, an denen die damalige Zeit deutlich wird, oder Menschen zu begegnen, die aus ihrer persönlichen Lebensgeschichte heraus von den Ereignissen berichten können. Variante 3 „Szenisches Spiel/ Basales Theater zu diktatorischen Strukturen“ Eine dritte Möglichkeit der Auseinandersetzung mit den Regierungsformen kann darin liegen, diese den Schülerinnen und Schüler in Form einer Inszenierung nahe zu bringen, um diese im „szenischen Spiel“ oder in Form des Basalen Theaters erlebbar zu machen. Basales Theater ist kein herkömmliches Theater, denn auf die Trennung zwischen Schauspielern und Zuschauern, Bühne und Zuschauerraum wird verzichtet. Basales Erlebnistheater spricht die Beteiligten primär nonverbal und über verschiedene Sinne an und eröffnet auch für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen Erlebnis- und Aktivitätsmöglichkeiten (vgl. Lamers 1993, 79). Die Herangehensweisen 2 und 3 können in einer Unterrichtsreihe kombiniert werden. Die Unterrichtsreihe könnte mit einem Besuch an einem Ort, an dem Spuren des 2. Weltkrieges bzw. des Nationalsozialismus exemplarisch für eine Diktatur für die Schüler erkennbar sind (Zerstörung, Gedenkstätten, etc,) beginnen. Daran anschließend kann in den Anfangsphasen in weiteren Stunden eine Inszenierung zur Diktatur anhand einer Geschichte mit der Methode des Storytellings stattfinden, an der alle Schüler teilnehmen. Nach dem gemeinsamen Stundeneinstieg Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 9 kann sich eine Differenzierungsphase anschließen, in der Elemente aus dem szenischen Spiel individuell wiederholt werden oder weiterführende Angebote je nach den Aneignungsmöglichkeiten der Schüler eröffnet werden. Um jeder Stunde einen Rahmen zu geben, endet sie mit der Inszenierung aus der Einstiegsphase der Stunde. Dadurch wird die Arbeit an einem gemeinsamen Bildungsinhalt für alle Schüler ermöglicht, die sich in der exemplarischen Stunde mit einem gemeinsamen Bildungsinhalt beschäftigen und sich diesen individuell aneignen. Welche Zugänge zum Bildungsinhalt sind über verschiedene Aneignungsmöglichkeiten möglich? „Die Aneignungsmöglichkeiten beschreiben die Art und Weise, in der sich die Schüler mit einem Bildungsgegenstand auseinandersetzen und sich diesen zu Eigen macht.“ (Ministerium für Kultus und Unterricht BW 2009, S.14). Die Schülerinnen und Schüler arbeiten am gemeinsamen Lerngegenstand auf der Basis ihrer entwicklungsbezogenen Lernmöglichkeiten. Vorab sei angemerkt, dass es uns aufgrund der Abstraktion des Ausgangsthemas nicht zu allen drei oben beschriebenen Umsetzungsvarianten gelungen ist, sinnvolle Angebote für alle vier Aneignungsmöglichkeiten zu finden. Besonders im Hinblick auf den historischen Zugang erscheint es schwierig, ein basal-perzeptives oder konkret-gegenständliches Angebot zu finden. Zwar ist es möglich Gegenstände der Zeitzeugen „von früher“ in die Hand des Schülers zu geben, dennoch repräsentieren diese nur bedingt konkret die Regierungsform der Diktatur bzw. Lebensumstände in dieser Staatsform. Dennoch wird in der Zusammenschau sichtbar, dass ein erster alltagsbezogener Zugang zum Thema mit verschiedenen Lernvoraussetzungen und -möglichkeiten erarbeitbar ist. Basal-perzeptiv Die Aneignungsmöglichkeit des basal-perzeptiven konzentriert sich darauf, dass der Schüler/die Schülerin die Welt und deren Form, Beschaffenheit und Gestalt erlebt, erkundet, kennen lernt,, indem er fühlt, schmeckt, sieht, riecht, hört und spürt (vgl. ebd., S.14). Dies lässt sich für das vorliegende Beispiel wie folgt umsetzen: Zu V. 1: Die Schülerinnen und Schüler erleben im Schulalltag (im Unterricht, in der Pflege und in der gemeinsamen gestalteten Freizeit) in der sozialen Gemeinschaft der Klasse und Schule die Berücksichtigung ihrer individuellen Interessen und Rechte. Ihnen werden echte Wahlmöglichkeiten angeboten und die Konsequenzen einer Wahl spürbar gemacht. Mit ihnen werden Wege gesucht, eigene Interessen zu entwickeln sowie diese und eigene Wahlentscheidungen mit den eigenen kommunikativen Möglichkeiten auszudrücken. Ebenso erleben die Schülerinnen und Schüler die Abstimmung ihrer Interessen mit den Bedürfnissen, Interessen und Rechten anderer. Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 10 Zu V. 3: Die Grundlagen und Kennzeichen einer diktatorisch geprägten Lebensform soll erlebbar und am eigenen Körper spürbar gemacht werden, indem die Schülerinnen und Schüler eine Geschichte z.B. eines Jugendlichen mit Behinderung zur Zeit des Nationalsozialismus mit theaterpädagogischen Elementen erfahren (Beispiel: „Wenn der Bus kommt“- Jugendliche mit Behinderung spielen in der Theatergruppe Gallus Situationen nach, die sich zur Zeit des Nationalsozialismus und der Euthanasie in ihrer Einrichtung auf der Alb ereignet haben). Die Atmosphäre dieser Geschichte und die Auswirkungen der diktatorischen Grundhaltung auf die Lebenssituation der Hauptfigur lassen sich durch Inszenierung und das Nachspielen zum Leben erwecken. Einschränkung der Bewegungsfreiheit, grelles Licht für den Terror, monotone Musik, eventuell Kälte und einheitliche graue Farben für Gleichmachung können als gestalterische Aspekte das gemeinsame Spielen der Geschichte unterstützen. Auch Mimik und Gestik des Lehrers lassen sich hier gut einsetzen, um beispielsweise ein beklemmendes Gefühl zu verdeutlichen. Die Schülerinnen und Schüler, die sich die Inhalte basal-perzeptiv aneignen, müssen im basalen Theater keine „Rolle“ spielen, sondern erleben die Geschichte durch das Einbezogen werden in das Spiel und das Handeln der Akteure hautnah. Konkret-gegenständlich Die konkret-gegenständliche Aneignungsmöglichkeit beschreibt die Auseinandersetzung mit der Welt mittels äußerlich erkennbarer Aktivität im Umgang mit Dingen und Personen (ebd., S. 14). Es geht dabei um die Entdeckung von Wirkung und Effekten, die Wiederholung von Aktivitäten und das forschende Erkunden von Gegenständen, Situationen und Menschen. Ebenso sollen die Schülerinnen und Schüler Gegenstände adäquat verwenden und sich dabei an sozialen Regeln orientieren (vgl. ebd., S. 14). Zu V 1: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit den Auswirkungen einer demokratischen Grundhaltung auf ihren eigenen Schulalltag auseinandersetzen. Dies soll in Form von wiederholenden Aktivitäten geschehen. Die Schülerinnen und Schüler könnten im Schulalltag, je nach Interesse aus verschiedenen Angeboten wählen (z.B. Spiele etc.) und so die Erfahrung von Wahlmöglichkeiten machen. Die Schülerinnen und Schüler praktizieren verschiedene Formen der Machtausübung bzw. von Abstimmungsprozessen z.B. bei der Entscheidung über gemeinsame Aktivitäten der Klasse ist (a) jeder mal der „Machthaber“ und darf eine Klassenaktivität bestimmen, die dann alle machen müssen; oder (b) es wird mit dem Ampelspiel abgestimmt (Heben der grünen Karte = Zustimmung, gelb= Enthaltung, rot= Ablehnung) und die Klassenaktivität richtet sich nach dem Mehrheitsbeschluss, etc.. Die Schülerinnen und Schüler führen Wahlen für Klassenämter und Klassensprecher etc. durch: Vorschläge sammeln, Wahlliste erstellen, Präsentation der Kandidaten/verschiedener Optionen, Wählen, Stimmen auszählen. Sie setzen dabei die demokratischen Grundsätze von Wahlen (geheim, frei, Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 11 gleich) um. Der Klassensprecher erfragt die Meinungen der Klasse zu schulinternen Themen und gibt das Meinungsbild der Klasse an die Schülervertretung oder das Rektorat weiter. . Zu V 3:Im Rahmen des oben beschriebenen szenischen Spiels ist es möglich, Handlungen der Hauptfiguren der Geschichte selbst durchzuführen bzw. die Auswirkungen der Handlungen anderer zu erleben. Anschaulich: Die anschauliche Aneignungsmöglichkeit eröffnet dem Schüler/der Schülerin die Möglichkeit sich von der Welt, von Ereignissen, Personen, Gegenständen, Zusammenhängen und von seinem eigenen Handeln ein Bild zu machen, indem er/sie anschauliche Modelle nutzt und versteht. Dies kann beispielsweise in Form von Rollenspielen stattfinden oder mit Hilfe von Anschauungsmaterial (vgl. ebd., S. 14). Für das vorliegende Unterrichtsbeispiel ist es daher möglich, dem Schüler/der Schülerin demokratische Prinzipien und diktatorische Formen auf anschauliche Art und Weise zugänglich zu machen. Zu V 1: Die Schülerinnen und Schüler überlegen, wie sie am besten miteinander lernen können und wollen und stellen gemeinsam Regeln für das gemeinsame Lernen und Spielen in der Klasse oder in der Schule auf. Die Schülerinnen und Schüler überlegen sich: Welche Aufgaben haben Klassensprecher? Wie sollte ein guter Klassensprecher sein? Die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit Modellen (Figuren oder Schaubilder), wer in der Schule etwas zu sagen hat (alle, Klassensprecher, Schülersprecher, Lehrer, Elternbeirat, Schulleitung, etc.). Das aus der Klasse/Schule bekannte Vertreter-Prinzip wird auf den Staat übertragen, Amtsträger werden gewählt, um das Volk zu vertreten. Wie wäre das Leben in der Schule, wenn diese diktatorisch gestaltet wäre (Bezug zu den methodischen Varianten 2 und 3)? Konkret ließen sich bei der anschaulichen Aneignungsmöglichkeit Bilder zu den beiden Regierungsbzw. Lebensformen einsetzen, die dann jeweils zugeordnet werden müssen. Die Bilder sollen die grundlegenden Prinzipien jeder Regierungsform gegenüberstellen. Sinnvoll sind hier verschiedene Bilder und Fotos zum Thema Meinungsfreiheit, Wahlfreiheit, kulturelle Vielfalt und Mitbestimmung und als Kontrast dazu Bilder zum Thema Terror, Furcht, eingeschränkte Meinungsfreiheit, eingeengte Lebensform. Zu V 2: Die Schülerinnen und Schüler können an historischen Orten (z.B. Gedenkstätten, Mahnmale des Nationalsozialismus) anhand von Relikten aus der diktatorisch geprägten Zeit anschaulich die damalige Lebenssituation erfassen. Die Schülerinnen und Schüler können Fotos von den Orten in der Stadt machen, die an den Nationalsozialismus erinnern (Denkmäler, Stolpersteine, etc.) Die besuchten Orte bzw. kennengelernten Ge- Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 12 genstände oder Personen werden fotografiert. Interviews mit Zeitzeugen können geplant und mit Hilfe Tonaufnahmen durchgeführt werden (Was wollen wir wissen, wie das Leben zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland früher war?). Aus den gesammelten Bildern und Informationen kann eine Wandzeitung mit Zeitstrahl, Lebensbeschreibungen, etc. entstehen. Zu V 3: Innerhalb des Storytellings können Rollen übernommen und ausgefüllt werden, z. B. wie verhält sich jemand, der einen anderen Menschen unterdrückt, etc. Begrifflich- abstrakt: Schülerinnen und Schüler, die sich den Inhalt auf abstrakt-begriffliche Weise aneignen, erfassen Objekte, Informationen und Zusammenhänge auf abstrakte und begriffliche Weise, indem sie Symbole und Zeichen benennen und verstehen. Erkenntnisse über den Inhalt werden hierbei auf gedankliche Weise gewonnen (vgl. ebd., S. 14). Für das vorliegende Unterrichtsbeispiel bedeutet dies, dass die Grundprinzipien von Demokratie und Diktatur auf gedankliche Weise gewonnen werden. Zu 1: Die Schülerinnen und Schüler reflektieren darüber, was es bedeutet, in einer sozialen Institution (Klasse, Schule, Staat) „Macht zu haben“. Die Schülerinnen und Schüler formulieren Rechte, die sie in der Klasse, Schule und als Bürgerin und Bürger eines Staates haben. Zu 2: Die Schülerinnen und Schüler können die historischen Erfahrungen der Diktatur in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus mit den aktuellen Erfahrungen in einer demokratischen Republik vergleichen. Anhand von verschiedenen Fallbeispielen (früher= Zeitzeugen und heute= sie selbst) können die Unterschiede herausgearbeitet werden. Zu 3: Im Hinblick auf das Storytelling könnten verschiedene Verhaltensweisen der Akteure im szenischen Spiel reflektiert und Alternativen überlegt werden bzw. die Situation von damals mit der heutigen Situation der Schülerinnen und Schüler verglichen werden. Durch diese verschiedenen Aneignungsmöglichkeiten lässt sich der Inhalt in einer heterogenen Lerngruppe in Form strukturierter Unterrichtsreihen, aber auch grundlegend durch die Art der Gestaltung des sozialen Zusammenlebens in der Klasse und Schule, erarbeiten. Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 13 Welche Kompetenzen können Schülerinnen und Schüler bei der Beschäftigung mit diesem Thema anwenden und ausbilden? Im Bildungsplan werden „personale Kompetenzen, soziale Kompetenzen, Sachkompetenzen und Methodenkompetenzen berücksichtigt“ (Ministerium für Kultus und Unterricht BW 2009, S. 13). Inwiefern können Schülerinnen und Schüler sich solche Kompetenzen bei der Beschäftigung mit dem Thema „Verschiedene Regierungsformen Demokratie und Diktatur“ aneignen, sie nutzen und weiterentwickeln? Am vorliegenden Bildungsinhalt können die Schülerinnen und Schüler solche Kompetenzen erarbeiten und anwenden. Personalkompetenz: - bewerten von politischen Strukturen, besonders den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie - persönliche Meinung ausbilden und den Wert demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten schätzen lernen - sich mit Menschen- und Grundrechten auseinandersetzen Sachkompetenz: - eigene Mitwirkungsrechte kennen - grundlegende Strukturen demokratischer und diktatorischer Regierungsformen erfahren - verschiedene Regierungsformen benennen und die jeweiligen Merkmale kennen Methodenkompetenz: - Mitwirkungsrechte ausüben können, z.B. Meinung äußern, wählen Sozialkompetenz: - Eigene Interessen vertreten oder sich von anderen vertreten lassen - Verantwortung für sich und andere übernehmen Impulse: Welche Rahmenbedingungen sind erforderlich und sinnvoll? Der Bildungsinhalt „Demokratie“ gilt nicht nur als Lernziel für die Schülerinnen und Schüler, sondern stellt gleichzeitig auch eine Lernform dar: Wissen über demokratische Abläufe kann besonders eindrücklich im eigenen Erleben und Erproben von Wahl- und Mitbestimmungsmöglichkeiten erworben werden. Daher stellt sich die Frage, inwiefern innerhalb der Schule demokratische Strukturen, beispielsweise eine Schülervertretung auf Klassen-, Stufen- und Schulebene aufgebaut, praktiziert und reflektiert werden. Ebenso gilt es zu fragen, welche Kontakte die Schule zu politischen Institutionen in der Region unterhält (z.B. Kommunalregierung, Parteien, etc.), die aufgesucht werden können, um von den politischen EntscheidungsträUmsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 14 gern vor Ort Einblick in die demokratischen Strukturen zu erhalten. Besonders die Vorbereitung auf die Beteiligung an politischen Wahlen ist in diesem Kontext bedeutsam. In diesem Zusammenhang ist Schule auch dafür verantwortlich, politisch Verantwortliche dafür zu sensibilisieren, Inhalte in leichter Sprache zu kommunizieren, z.B. Wahlprogramme in leichter Sprache zu verfassen. Um den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie herauszuarbeiten ist es auch hilfreich, Kontakt zu Menschen zu suchen, die in unserem Land beide Staatsformen selbst erlebt haben. Die Einbindung historischer Zeitzeugen und deren Erfahrungen können der Veranschaulichung der abstrakten Zusammenhänge dienen. Literatur Gallus (1995-1997): Wenn der Bus kommt. Euthanasie im dritten Reich. Theaterprojekt mit Menschen mit geistiger Behinderung/ Film. Internetquelle: http://www.gallus-projekte.de/archiv/bus.html Lamers, W. (1993): Magic Dust. Über die Arbeit der Magical Experiences Arts Company. In: Lamers, W./ Lenz, W./Tarneden, R. (Hrsg.): Spielräume – Raum für Spiel. Spiel- und Erlebnismöglichkeiten für Menschen mit schweren Behinderungen. Düsseldorf, S. 79-86. Lamers, W./ Heinen, N. (2006): ‚Bildung mit ForMat’ – Impulse für eine veränderte Unterrichtspraxis mit Schülerinnen und Schülern mit (schwerer) Behinderung. In: Laubenstein, D.; Lamers, W.; Heinen, N. (Hrsg.): Basale Stimulation kritisch – konstruktiv. Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Düsseldorf, S. 141-205. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport: Bildungsplan – Schule für Geistigbehinderte, 2009. Schubert, Klaus/ Martina Klein: Das Politiklexikon. 4., aktual. Auflage. Dietz-Verlag Bonn, 2006. Umsetzungsbeispiel „Verschiedene Regierungs- und gesellschaftliche Lebensformen“, Theo Klauß, Karin Terfloth, Kathrin Rittberg, Stuttgar 2011 15