Der ausführliche Bericht zum - Hanns-Seidel

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Der ausführliche Bericht zum - Hanns-Seidel
POLITISCHER SONDERBERICHT
Projektland:
Tschechische Republik
Datum:
28.01.2013
Miloš Zeman wurde zum Präsidenten der Tschechischen Republik gewählt
Der dritte Staatspräsident der Tschechischen Republik heißt Miloš Zeman. In der
historisch ersten direkten Wahl (bisher wurden Tschechiens Präsidenten indirekt
gewählt) gewann Zeman 2.717.405 Wählerstimmen, während für seinen Gegner, den
tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg 476.234 Stimmen weniger abgegeben
wurden. Das bedeutet, dass für Zeman 54,80 % und für Karel Schwarzenberg 45,19 % der
Wähler votierten. Die Wahlbeteiligung lag bei 59,11 %.
Miloš Zeman ist nach Václav Klaus der dritte tschechische Politiker, der die drei
wichtigsten politischen Ämter des Landes besetzte. Er war Parlamentsvorsitzender,
Ministerpräsident und jetzt wurde er zum Staatspräsidenten gewählt. Für den
Wahlausgang waren vor allem folgende Gründe ausschlaggebend:
1. Miloš Zeman gelang es, die Tatsache zu nutzen, dass die jetzige Regierung, in der Karel
Schwarzenberg als Außenminister wirkt, wegen ihres konsequenten Sparprogramms
allgemein sehr unpopulär ist.
2. Zeman führte seine Wahlkampagne mit oft sehr unlauteren Mitteln, indem er u.a.
nationalistische und xenophobe Tendenzen bei den Wählern anzusprechen wusste.
Dies zeigte sich vor allem bei der von ihm herbeigeführten Diskussion über die
Benesch-Dekrete.
3. Das Wahlteam vom Karel Schwarzenberg hätte professioneller handeln müssen. So hat
man die Gefahr des Missbrauches der die Vergangenheit betreffenden Themen
verkannt und keine effektive Gegenreaktion vorbereitet, geschweige denn in die Wege
geleitet. Es zeigte sich, dass allein Begeisterung und gute Absichten in solchen
Situationen nicht ausreichen.
Am 08.03.2013 wird Miloš Zeman sein Amt offiziell übernehmen. Was kann man von ihm
erwarten?
Er wird höchstwahrscheinlich ein sehr aktivistischer Präsident sein. Mit anderen Worten,
er wird alle ihm durch die Verfassung des Landes gegebenen Kompetenzen wahrnehmen,
um die politische Entwicklung im Lande aktiv zu beeinflussen. Sein erstes Ziel wird es
sein, die jetzige konservativ-liberale Regierung zu stürzen. Dies kann jedoch unter den
jetzigen Mehrheitsverhältnissen nur dann gelingen, wenn sich die Probleme in der
Regierungskoalition vertiefen und einige Abgeordnete von ODS, TOP 09 oder der Partei
LIDEM nicht mehr bereit sein werden, die Regierung zu unterstützen. Diese Gefahr droht –
so scheint es – im Moment nicht. Von entscheidender Bedeutung ist hier die Tatsache,
dass fast alle wichtigen Reformgesetze, die dieses Kabinett durchsetzen wollte,
Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Sonderbericht_Tschechien, 28.01.2013
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angenommen worden sind und dass der neue Präsident hier sein Vetorecht nicht
anwenden kann. Eine kompliziertere Situation wird sich jedoch bei der Ernennung neuer
Verfassungsrichter bzw. der Mitglieder des Zentralbankrates ergeben. Die aktuelle
personelle Besetzung des letztgenannten Organs zeichnet sich durch eine – gelinde
gesagt – zurückhaltende Einstellung zu einigen erwogenen Maßnahmen zur Rettung bzw.
Stärkung des Euro (z.B. die zentrale Bankenaufsicht) aus. Diese Haltung entsprach in
mancher Hinsicht den Ansichten des Präsidenten Václav Klaus. Da Miloš Zeman mehr proeuropäisch orientiert ist, kann man annehmen, dass er andere Vorstellungen von der
personellen Besetzung des Bankenrates haben wird. Seine Position ist außerdem umso
stärker, als der Senat des Parlaments von den Sozialdemokraten dominiert wird und die
Sozialdemokraten, deren Repräsentanten für die Vertiefung der europäischen Integration
sind, die oben erwähnten Schritte unterstützen würden.
Zum Schluss soll noch ein wichtiges Phänomen erwähnt werden, das mit dieser
Präsidentschaftswahl zusammenhängt und ein nicht geringes Entwicklungspotential
aufweist. Diese Präsidentschaftswahl war erstmals in der Geschichte des Landes eine
Direktwahl, d.h. der Präsident wurde nicht von den gewählten Volksvertretern
(Abgeordneten und Senatoren), sondern im Gegenteil von den Bürgern direkt gewählt.
Diese Veränderung wurde eingeführt als eine Reaktion auf die aktuelle Stimmung in der
Gesellschaft,
die
gekennzeichnet
ist
durch
allgemeine
Unzufriedenheit,
Politikverdrossenheit und eine immer intensivere Suche nach neuen Wegen, nach
Patentrezepten, die die Situation schnell verbessern sollen. Immer mehr werden „die
Politik“ und „die Politiker“ als die allein Verantwortlichen für die bestehenden Probleme
verantwortlich gemacht. Als die beste Lösung werden Maßnahmen betrachtet, die den
Einfluss der Politiker auf wichtige Entscheidungen beschränken und dagegen „die
Kompetenzen des Volkes“ stärken sollen. Mit anderen Worten, man soll die plebiszitäre
Demokratie auf Kosten der repräsentativen Demokratie spürbar stärken. Man verlangt
mehr Volksabstimmungen und mehr Direktwahlen. Es ist damit zu rechnen, dass in
absehbarer Zeit ein neues Thema auf die Tagesordnung kommt und zwar, dass man den
Senat des Parlaments (81 Senatoren, die in 81 Wahlbezirken für je sechs Jahre gewählt
werden, wobei alle zwei Jahre 27 Senatoren neu gewählt werden) auflösen und
stattdessen eine Kammer der Regionen schaffen solle, der Vertreter der 14 sog.
territorialen Selbstverwaltungseinheiten – also Regierungsbezirke – angehören sollen.
Obwohl man derlei Ansichten und Pläne verstehen kann, ist es mehr als fragwürdig, ob
deren Umsetzung zu einer Lösung der Probleme führen könne, die die von der Regierung
in die Wege geleiteten Sparmaßnahmen und andere Reformen bringen könnten.
Jindrich Mallota
Der Autor ist Leiter der Vertretung der Hanns-Seidel-Stiftung in der Tschechischen
Republik
IMPRESSUM
Erstellt: 28.01.2013
Herausgeber: Hanns-Seidel-Stiftung e.V., Copyright 2011
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Vorsitzender: Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, Staatsminister a.D., Senator E.h.
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