ChroNISChe erkrANkuNGeN UND MIND-BODy

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ChroNISChe erkrANkuNGeN UND MIND-BODy
salü
salus klinik Hürth
Jahrgang 3, Dezember 2012
EDITORIAL
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Liest man den „Reha-Bericht 2012“ der
Deutschen Rentenversicherung, sind die
Ergebnisse eindeutig:
Bei allen betrachteten Diagnosegruppen steigt die Inanspruchnahme der
Rehabilitation mit dem Alter. Besonders
ausgeprägt ist der Anstieg bei den psychischen Erkrankungen. Ursachen dieser
Entwicklung sind u.a. der sogenannte
„demographische Wandel“ und der medizinische Fortschritt, der die Mortalität
bei chronischen organmedizinischen
Erkrankungen erfreulicherweise sinken
lässt. Dabei muss allerdings bedacht
werden, dass solche Erkrankungen die
Patienten in tiefe Krisen stürzen können. Es ist also nicht ungewöhnlich,
dass in der psychosomatischen Rehabilitation Patienten mit „psychischen“
Störungen antreten, die an einer
chronischen Erkrankung (z.B. Diabetes
mellitus, Krebs, terminale Niereninsuffizienz) leiden und sich daraufhin
eine psychische (Begleit-)Symptomatik
eingestellt hat. Diese Klientele angemessen zu behandeln, ist eine der
Aufgaben der psychosomatischen Rehabilitation. In diesem Kontext stellen wir
Ihnen die Mind-Body-Medicine vor, eine
ganzheitliche Behandlungsphilosophie,
der die Patienten zu einer nachhaltigen, gesundheitsfördernden Lebensstilmodifikation motivieren möchte.
In dieser Ausgabe möchten wir Sie
zudem mit einem Phänomen bekannt
machen, dass aufgrund der oft verheerenden Konsequenzen Beachtung finden
sollte. Inzwischen gelten in Deutschland rund 560 000 Menschen zwischen
14 und 64 Jahren als "internetsüchtig". Unter ihnen sind 250.000, also
fast die Hälfte, im Alter von 14 bis 24
Jahren. Besonders diese Altersgruppe
würde von einer (Wieder-) eingliederung ins gesellschaftliche und berufliche Leben sehr profitieren.
Wir wünschen Ihnen eine spannende
Lektüre mit unserer neuen Ausgabe der
salü, ein frohes Weihnachtsfest mit
mäßigen „online-Begegnungen“ und
einen guten Rutsch in ein gesundes
Jahr 2013.
Ihre
Gabriele Angenendt
Ltd. Psychologin
Stellv. Direktorin
Chronische
Erkrankungen
und
Mind-BodyMedizin
Thomas Primke
In den vergangenen Jahrzehnten hat
es eine deutliche Verschiebung in der
Art und der Zahl der Erkrankungen
gegeben. Dabei haben akute Infektionskrankheiten, welche früher nicht
selten zum Tode führten, auf Grund
des medizinischen Fortschrittes an
Bedeutung verloren. Hingegen hat die
Zahl der chronischen Erkrankungen,
wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Stoffwechselerkrankungen, degenerative Erkrankungen des Skelettsystems
oder auch psychische Störungen in den
westlichen Industrieländern enorm an
Bedeutung gewonnen. So ist die überwiegende Mehrzahl der über 65-jährigen chronisch krank. Dies führt zu
einerseits zu einer Explosion der Kosten
im Gesundheitswesen (80% der Ausgaben im Gesundheitssystem werden für
chronisch Kranke ausgegeben), andererseits stellen diese Erkrankungen eine
therapeutische Herausforderung dar, da
eine leitliniengerechte Therapie häufig
in einer medikamentösen Therapie mit
den entsprechenden Nebenwirkungen
besteht. Davon abgesehen, dass es sich
hierbei meistens um eine rein symptomatische Therapie handelt, nimmt auch
mit zunehmendem Nebenwirkungsprofil
die Compliance der Patienten ab, was
vor dem Hintergrund der Berichte über
tödlich verlaufende, arzneimittelinduzierte Zwischenfälle nicht verwunderlich ist.
Wie kommt es aber zu einer Zunahme
chronischer Erkrankungen? Hier ist
unter anderem die sich verändernde Alterspyramide durch einen Rückgang der
Geburtenzahlen bei gleichzeitigem raschen Anstieg der älteren Bevölkerung
zu nennen. Aber auch der medizinische
Fortschritt, der durch verbesserte Therapiemethoden die Überlebensraten
früher tödlich verlaufender Erkrankungen verbessert, führt zu einer Zunahme
chronischer Erkrankungen, ohne dass
es zu einer dauerhaften Heilung kommt
und die Erkrankten weiterhin ärztlicher
Behandlung bedürfen. Auch führt der
medizinische Fortschritt dazu, dass
Erkrankungen früher diagnostiziert
werden, so dass die Betroffenen früher
und länger zu Erkrankten werden. Aber
nicht nur die oben genannten Faktoren, sondern insbesondere der sich
in den letzten hundert Jahren stark
veränderte Lebensstil mit einer vermehrten Aufnahme von Lebensmitteln
bei gleichzeitig immobiler werdender
Alltagsgestaltung zeigt seine Wirkung:
die epidemisch ansteigende Zahl übergewichtiger und adipöser Kinder und
Jugendlicher legt die Vermutung nahe,
dass in Zukunft bei immer jüngeren
Menschen Erkrankungen wie Diabetes
mellitus, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und degenerative Erkrankungen diagnostiziert werden. Und
auch die Auswirkungen der modernen
Industriegesellschaft mit Computern,
Internet und Handys mit einer dramatischen Zunahme des Informationsflusses
sind zum Teil schon absehbar. Immer
mehr Menschen geben an, sich durch
ihren Alltag überfordert zu fühlen.
In der Entstehung chronischer Erkrankungen scheint der Faktor Stress eine
immer größere Rolle zu spielen. Insbesondere in unserer psychosomatischen
Abteilung geben immer mehr Menschen
an, dass sie auf Grund von Stress erkrankt seien und sich „ausgebrannt“
fühlten. Zunächst einmal ist Stress
weder gut noch schlecht, er ist Kennzeichen der Auseinandersetzung des Individuums mit der Umwelt. Entwicklungsgeschichtlich hat uns die Stressreaktion
das Überleben gesichert, da sie dazu
führte, dass wir uns bedrohlichen Situationen gestellt und gekämpft haben
oder dass wir vor ihnen geflüchtet sind
(Kampf- bzw. Fluchtreaktion). Während
akuter Stress kurzfristig eine Leistungssteigerung bewirkt und in der Regel
das Immunsystem aktiviert, so führt
mittel- und langfristiger Stress zu einer
Supprimierung des Immunsystems. Während es normalerweise nach einer akuten Stressreaktion zu einem Rückgang
des Stresshormonspiegels kommt, so ist
zu beobachten, dass es vor dem Hintergrund zunehmender Stressoren, zu einer
zunehmend schlechteren Stressregulation kommt und der Stresshormonspiegel
dauerhaft erhöht bleibt.
Wie wirkt sich der Stress nun konkret
auf die Entstehung chronischer Erkrankungen aus? Durch Stress (und auch
durch Depression) kommt es zu einer
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Zunahme der Stresshormonausschüttung, zu einer sympathovagalen Dysbalance, also zu einem Ungleichgewicht
des autonomen Nervensystems zwischen Anspannung und Entspannung,
und zu einer negativen Veränderung des
Gesundheitsverhaltens. Diese Faktoren
können in der Folge zu einem Anstieg
des Blutdruckes, zu einer Gewichtszunahme, zu einer Veränderung im Blutzuckerstoffwechsel, zu einer Veränderung
der Fließeigenschaften des Blutes, zu
einer Erhöhung der Herzfrequenz, zu
einer ungesunden Ernährungsweise und
beispielsweise einem Nikotinmissbrauch
und damit in der Folge zu einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikoprofilsführen.
Die konventionell bewährte Medizin
hat bei vielen Erkrankungen wirksame,
insbesondere medikamentöse Therapien
oben abgebildeten „Tempel der Gesundheit“ zu entnehmen, aus verschiedenen
Elementen. Hier sind zum einen die Lebensbereiche „Familie und soziale Kontakte“, „Beruf und Leistung“ sowie „Lebensziele und Lebenssinn“ zu nennen.
Diese stellen das Dach des Tempels dar.
Die Säulen des Tempels werden durch
die Elemente „Bewegung, Atmung, Entspannung, Ernährung und Selbsthilfe“
gebildet, sie stellen sozusagen die Basis dar und bilden somit das Fundament
für die Gesundheit. Es handelt sich um
einen ordnungstherapeutischen Ansatz
hin zu einer die Gesundheit erhaltenden Lebensführung.
Während wir nicht immer Einfluss auf
unsere Beziehungen oder auch auf unsere Arbeit haben und uns manchmal
auch ein Lebensziel oder der Lebenssinn fehlt, so können wir die Säulen
Metabolisches
Syndrom
• Viszerale
Adipositas
• Insulinresistenz
Sympathovagale
Dysbalance
Hämostase:
• Thrombozytenaggregabilität
• Endothelfunktion
Verändertes
Gesundheitsverhalten
Autonome
Funktionen:
• Neigung zu
Arrhythmien
• Niedrige Herzfrequenzvariabilität
• Erhöhte Herzfrequenz
• Vasokonstriktion
• Blutdruckregulation
• Non-Compliance
• Nikotinmissbrauch
• Geringe Aktivität
• Ungesunde
Ernährung
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Abb.1: nach Deutschle et al.
entwickelt, die akut schnell helfen und
die Symptomatik reduzieren. Zu einer
ursächlichen Besserung bzw. Heilung
kommt es jedoch in der Regel nicht, solange die Betroffenen ihren Lebensstil
nicht ändern. Doch dies ist einfacher
gesagt als getan und meistens führt der
wohlgemeinte ärztliche Rat, dass z.B.
das Rauchen eingestellt werden sollte,
zu keiner nachhaltigen Lebensstilveränderung.
Die Mind-Body-Medizin (MBM) stellt
hier einen sinnvollen Ansatz dar, da sie
Menschen zu einer gesundheitsfördernden Lebensstilmodifikation motivieren
kann. Dieses Programm beruht auf ähnlichen Prinzipien wie die Naturheilkunde, denn beiden geht es darum, eine
Lebensstilmodifikation zu erreichen.
Das MBM-Programm besteht, wie dem
1.Vollwertige Getreideprodukte: Voll kornbrot, Vollkornnudeln, Naturreis
2.Frisches Obst und Gemüse
(„5-a-day“), öfter Hülsenfrüchte
Depression / Chronischer Stress
Hypercortisolämie
Abb.2: aus Dobos, G., Paul, A.: Mind-Body-Medizin
des Gesundheitstempels aktiv beeinflussen und gestalten.
Der WHO zu Folge ist in der Bevölkerung kein gesundheitlicher Risikofaktor so verbreitet wie die körperliche
Inaktivität. Körperliche Bewegung hat
auf viele physiologische Parameter einen positiven Einfluss, entsprechend
kommt es bei Mangelbeanspruchung zu
Funktions- und Leistungseinbußen und
Inaktivitätsatrophien. So werden in der
MBM täglich ca. 30 Minuten körperliche
Aktivität mittlerer Intensität empfohlen.
Auch die Ernährung stellt in der MBM
eine Säule dar, hier wird auf Grund der
Studienlage eine mediterrane Vollwertkost empfohlen, welche aus folgenden
Grundsätzen besteht:
3.Hochwertige Öle und Fette: Oliven-,
Raps-, Walnuss-, Leinöl
4.Öfter mal Fisch statt Fleisch
5.Fleisch, Wurst und Eier nur
gelegentlich
6.Reichlich trinken (2 l/ Tag), am
besten jede Stunde ein Glas
7.Weniger Zucker, Süßwaren, Fertig produkte und Salz
8.Schonende Zubereitung
9.3 – 5 Mahlzeiten am Tag, zum Abend
hin weniger essen
Die Säule Atmung steht, ausgehend
vom Atemrhythmus, für die natürlichen, menschlichen Rhythmen, welche
sich kurzfristig im Atemrhythmus,
mittelfristig im Tages- und Wochenrhythmus und langfristig im Jahreszeiten- bzw. Jahresrhythmus wiederspiegelt. Dabei soll die Sinnhaftigkeit der
natürlichen Rhythmen hervorgehoben
werden, so z.B. mit dem Sonnenuntergang das Ende der Wachphase einzuleiten und mit dem Sonnenaufgang
die Schlafphase zu beenden. Die Missachtung dieser Rhythmen führt nicht
selten zu Störungen des Schlaf-WachRhythmus mit den entsprechenden
gesundheitlichen Folgen. Gleichzeitig
ist die Atmung auch ein Indikator für
unsere momentane Verfassung: bei Anspannung ist die Atmung eher schnell
und flach, bei Entspannung eher langsam und tief. Die Atmung ist zwar
eine autonome Körperfunktion, welche
wir jedoch sehr gut willentlich beeinflussen können. So können wir lernen,
die Atmung verlangsamen und tiefer
zu atmen. Die Atmung ist das zentrale
Element nahezu aller Entspannungsverfahren.
Die Entspannung stellt eine weitere
Säule der MBM dar. Vor dem Hintergrund, dass sich immer mehr Menschen
durch ihren Alltag gestresst fühlen,
ist es eine logisch Konsequenz, Entspannungsverfahren wie Progressive
Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation, QiGong oder Yoga
zu vermitteln. So erhalten Menschen
die Kompetenz, in ihrem Körper, im
Gegensatz zur Stressreaktion, aktiv
eine Entspannungsreaktion auslösen zu
können.
Bei der Selbsthilfe geht es darum,
Strategien zu vermitteln, was jeder
selbst gehen Alltagsbeschwerden wie
z.B. Kopf- und Rückenschmerzen oder
Schlafstörungen tun kann. Zum einen
handelt es sich um nebenwirkungsarme
Alternativen zu einer klassischen medikamentösen Behandlung, zum anderen
wird die Selbstwirksamkeit der Klienten
gestärkt, welche gerade bei chronischen Erkrankungen häufig im Laufe
der Zeit verloren geht. Ebenfalls Bestandteile der Mind-Body-Medizin sind
die Elemente „Achtsamkeit, Kommunikation, kognitive Umstrukturierung,
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Emotionen, Sinnsuche und Spiritualität“. Hier gibt Gemeinsamkeiten mit der
psychosomatischen Medizin, wobei sich
die MBM explizit von der Psychothera-
holt wird, wo er sich gerade befindet.
Dabei wird unterschieden, ob sich
Menschen im Stadium der Absichtslosigkeit, der Absichtsbildung, der
Was ist der Unterschied zwischen
psychosomatischer Medizin und Mind-Body-Medizin?
Wenn man den Begriff Mind-Body-Medizin hört, so könnte man denken, dass
es das englische Wort für psychosomatische Medizin ist. Dem ist jedoch nicht
so.
Unter psychosomatischer Medizin versteht man die Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen Faktoren in der Entstehung, der Aufrechterhaltung und der Behandlung von Erkrankungen. Typische psychosomatische
Erkrankungen sind Depression, Angststörungen und somatoforme Störungen,
also Erkrankungen, die sich durch organische Befunde nicht bzw. nicht ausreichend erklären lassen. In der psychosomatischen Medizin stellt die Psychotherapie den Schwerpunkt der Behandlung dar, andere Behandlungsformen
wie Entspannungsverfahren, Bewegungstherapie und Ernährungstherapie
werden ergänzend eingesetzt.
Die Mind-Body-Medizin wird bei organischen Erkrankungen wie z.B. Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung und Diabetes mellitus ergänzend zur
klassisch-schulmedizinischen Behandlung eingesetzt. Durch Bewegungstherapie, Ernährungstherapie, Entspannungsverfahren und naturheilkundlichen
Selbsthilfestrategien sollen Menschen zu einem gesundheitsfördernden
Lebensstil motiviert werden. Dabei werden auch psychotherapeutische Techniken wie die kognitive Umstrukturierung vermittelt, jedoch ausschließlich,
damit sie später von Klienten als Selbsthilfestrategie angewendet werden
können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar viele Gemeinsamkeiten
zwischen der psychosomatischen Medizin und Mind-Body-Medizin gibt, dass
es sich jedoch um unterschiedliche Ansätze handelt und es daher eine klare
Trennung beider Verfahren gibt.
pie abgrenzt und z.B. die kognitive Umstrukturierung als Selbsthilfe-Strategie
vermittelt.
Das Besondere an dem Programm ist,
dass der Patient mit den Empfehlungen
zu einer gesünderen Lebensstilgestaltung nicht „allein“ gelassen wird,
sondern dass der Patient, entsprechend
dem transtheoretischen Modell von
Prochaska und Di Clemente, dort abge-
Vorbereitung, der Handlung bzw. der
Aufrechterhaltung befindet. Denn je
nach dem, wo sie sich gerade befinden, sind ganz unterschiedliche Interventionen notwendig. Dabei geht es
aber immer darum, die Ressourcen zu
aktivieren und nicht „Defizite“ aufzuzeigen. Es handelt sich also um einen
ressourcenorientierten Ansatz, welcher
die Selbstheilungskräfte des Patienten
aktivieren soll und damit dem Selbst-
management-Ansatz der salus kliniken
entspricht.
Warum schreibe ich diesen Beitrag?
Zunehmend begeben sich Patienten in
unsere Behandlung, die neben ihrer
psychosomatischen oder ihrer Suchterkrankung auch unter chronischen
Erkrankungen leiden. Und natürlich
sind psychosomatische und Suchterkrankungen auch chronische Erkrankungen, für die sich das Konzept der
MBM eignet bzw. für die es bereits
ähnliche Programme gibt. Hier sind vor
allem das MBSR-Programm zur Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress
Reduction von Jon Kabat-Zinn), das
achtsamkeitsbasierte MBCT-Programm
zur Rückfallprävention bei Depression
(Mindfulness-Based Cognitive Therapy
von Zindel V. Segal, J. Mark G. Williams
und John D. Teasdale) bzw. das MBRPProgramm zur Rückfallprävention bei
Suchterkrankung (Mindfulness-Based
Relapse Prevention von G. Alan Marlatt) zu nennen.
Zusammenfassend kann man sagen,
dass sich das MBM-Programm sehr gut
zur Behandlung chronischen Erkrankungen eignet, wegen derer sich Klienten
(u.a.) in unsere Behandlung begeben.
Gleichzeitig hat es auch eine präventive Funktion, da durch eine Lebensstilmodifikation die Entstehung chronischer Erkrankungen verhindert werden
kann. Es stellt damit einen sinnvollen
Beitrag zur Sicherung der Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit dar, von der auch unsere Patienten nachhaltig profitieren
könnten.
Quelle:
Chronische Erkrankungen integrativ: Konventionelle und komplementäre Therapie, Gustav Dobos,
Andreas Michalsen, Ulrich Deuse
Mind-Body-Medizin: Die moderne Ordnungstherapie in Theorie und Praxis, Gustav Dobos und Anna
Paul (siehe Buchtipp)
Ausblick:
Selbsthilfe-Gruppentag
Die salus klinik Hürth lädt am 14.
März 2013 zum erneuten Selbsthilfegruppen-Tag (in die Klinik) ein. Als
moderne Rehabilitationsklinik zur
Behandlung von psychosomatischen
Erkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen, werden Angebote
von Selbsthilfegruppen in das Therapieprogramm der Suchtabteilung
integriert. In Form von regelmäßigen
Vorstellungsrunden für Patienten ist
ein überregionales Netzwerk aufgebaut worden, in welchem Abläufe und
Prozesse stetig optimiert/verbessert
werden sollen.
Eine wichtige Maßnahme auf diesem
Weg ist der Selbsthilfegruppen-Tag.
Hier bietet sich für jede Gruppe die
Möglichkeit, über im Vorfeld gewünschte Themen und Angebote zu referieren,
beraten und diskutieren. Der Tag soll
Raum für Information, Begegnung
untereinander und Begeisterung für die
Selbsthilfe bieten und wird maßgeblich
von den Gruppen mitgestaltet.
Wir freuen uns auf einen regen, interaktiven Austausch und eine weiterhin
fruchtbare Zusammenarbeit im kommenden Jahr 2013.
Um rechtzeitige Anmeldung wird gebeten, unter: [email protected]
Vorstellung
frauke wulf,
sozialdienst
Frau Wulf ist in Mecklenburg-Vorpommern unweit der Ostseeküste und der
Insel Usedom aufgewachsen. Die Nähe
zum Wasser brachte sie früh zum
Wassersport, insbesondere den Kanurennsport, welchen sie auch einige
Jahre als Leistungssportlerin betrieb.
Ihre ersten beruflichen Erfahrungen
konnte Frau Wulf als Einzelhandelskauffrau sammeln. 1992 entschloss
sie sich den militärischen Dienst in
der Bundeswehr anzutreten, welchen
sie im Bataillon der Gebirgsjäger in
Berchtesgaden ableistete. Als Sanitätssoldat wurde sie zum Krankenpfleger und Rettungssanitäter ausgebildet
und nahm auch im Auftrag der NATO
an zwei Auslandseinsätzen im ehemaligen Jugoslawien teil. Nach der
Bundeswehr entschied sie sich für
ein Fachschulstudium zum Erzieher in
Köln. Nach ihrem Abschluss begleitete sie zunächst Jugendliche und junge
Erwachsene in der Behin-dertenarbeit
und der beruflichen Rehabilitation,
bevor sie 2003 das Sportinternat in
Köln mit aufbaute. Von 2004 bis 2008
studierte Frau Wulf an der Katholischen Hochschule in Köln berufsbegleitend Soziale Arbeit auf Diplom.
Schwerpunkte in ihrem Studium
waren die Bereiche Beratung, Erlebnispädagogik und Recht. Seit November 2011 qualifiziert sie sich am
Rheinischen Institut in Bergisch Gladbach zum systemischen Berater und
Familientherapeuten. Nach langjähriger Arbeit in der Jugendhilfe suchte
Frau Wulf eine Herausforderung in
einem neuen Arbeitsbereich. Sie ist
sehr froh, diese in der salus klinik
Hürth, im Bereich des Sozialdienstes,
gefunden zu haben und arbeitet dort
hauptsächlich mit jungen Patienten
zusammen. Hier möchte sie ihre vielseitigen Erfahrungen einbringen und
Neues erfahren. Besonders schätzt sie
die umfangreiche und gute Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche, das gegenseitige Verständnis
für deren unterschiedliche Aufgaben
und die freundliche, wertschätzende
Klinikatmosphäre.
salus klinik Hürth
„Ich
habe
Rücken“
Inés Frege
Letztes Wochenende traf ich unsere
Nachbarin und wir kamen ins plaudern.
Dabei erzählte sie mir, dass die Ärzte
immer sehr erschrocken seien, wenn
sie die Röntgenaufnahmen ihres Knies
sähen, weil das Knie so kaputt sei. Ein
Arzt habe ihr gesagt: „Wir behandeln
keine Röntgenbilder, wir behandeln
Menschen“ – und da sie keine Schmerzen habe, brauche man sie auch nicht
zu operieren.
An diese kleine Begebenheit musste
ich denken, als ich diesen Artikel hier
schrieb. Es soll ein Artikel über den
chronischen Rückenschmerz werden,
oder wie es hier im Rheinland heißt,
über: Ich habe Rücken.
Bei unseren derzeitigen Patienten
haben 65% bei Aufnahme Rückenschmerzen beklagt. Da wir eine psychosomatische Rehabilitation sind, kommen die Menschen nicht primär wegen
Rückenschmerzen zu uns, sondern die
Diagnose des chronischen Rückenschmerzes ist eine der Nebendiagnosen
und auch der Begriff des chronischen
Rückenschmerzes ist nicht einheitlich
definiert. Eine Definition, die allgemein
anerkannt wird, ist die, dass an mehr
als der Hälfte der Tage des letzten
Jahres Beschwerden vorlagen.
Häufig werden die Beschwerden begleitet von Verhaltensänderungen,
häufigen Arztwechseln, Vermeidung von
Bewegung und Medikamenten.
Nur bei 10% der Menschen erklären die
Untersuchungsergebnisse und bildgebenden Verfahren die Beschwerden
ausreichend.
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Somit sind Rückenschmerzen in der
Überzahl Ausdruck eines Symptomenkomplexes in dem auch psychische
Störungen eine Rolle spielen können?
Diagnostik:
Wenn man den Rückenschmerz als
Ausdruck eines Symptomenkomplexes
versteht, in dem auch psychische
Störungen eine Rolle spielen, liegt es
auf der Hand, dass bei der Aufnahme in
unserer Psychosomatischen Abteilung
der salus klinik Hürth etwa 2/3 unserer
Patienten über solche Beschwerden
klagen. Da die Patienten nicht mit Rückenschmerzen zur Aufnahme kommen,
ist die Diagnose „Chronischer Rückenschmerz“ eine „Nebendiagnose“ und
eine die Schmerzen erklärende organische Ursache ist sehr selten. Eine
sehr sorgfältige körperliche Untersuchen und die Sichtung vorliegender
orthopädischer Gutachten bestätigen
dies regelmäßig.
Natürlich findet sich im Verlauf des
Lebens ein zunehmender Verschleiß
des Skeletts. Deutlich wird aber schon
früh, dass die Schmerzen psychiatrische
Befunde (z.B. depressive Störungen),
aber auch psychosozialen Belastungsfaktoren wiederspiegeln.
Diese können sein:
• Geringe Arbeitszufriedenheit
• Niedriger sozialer Status
• Stress
• Alter
• Weibliches Geschlecht
• Möglichkeit des Krankheitsgewinns
• Passiver Lebensstil
• Nikotin-, Alkohol-, Drogenabusus
• Übergewicht, Adipositas
• Mangelnde Selbstregulation (Katas trophisierende Gedanken, Vermeidungsverhalten)
• Niedrige körperliche und psychische
Ressourcen (nicht unterstützte Kind heit, belastende Lebenserfahrungen)
Lern - und Konditionierungsvorgängen.
Natürlich muß jeder Schmerz erst
einmal gründlich untersucht werden
und organische Grunderkrankungen
ausgeschlossen werden. Dabei spielt
die bildgebende Diagnostik nach wie
vor eine zentrale Rolle. So hat sich die
Anzahl der vom Krankenhaus abgerechneten MRT-Bilder des Unterrückens von
2004 bis 2007 fast verdoppelt. Diese
Aufnahmen brachten jedoch keinen
zusätzlichen Informationsgewinn bei
den Patienten, wenn eine schwere
körperliche Grunderkrankung im Vorfeld
ausgeschlossen werden konnte. D.h. die
bildgebenden Verfahren sind wichtig
um die Untersuchungsergebnisse zu
bestätigen und auszuschließen, dass
etwas „Schlimmeres“(z.b. Metastasen)
die Ursache sind. Die bildgebenden
Verfahren geben aber keine Auskunft
darüber wie stark die Schmerzen sind.
So habe ich schon CTs gesehen wo ein
Bandscheibenvorfall sehr deutlich zu
erkennen war, doch der Patient kaum
Beschwerden. Andere wiederum sind
schmerzgequält, obwohl im CT nichts
sichtbar ist.
Aber deshalb behandeln wir ja auch den
Menschen und nicht das Röntgenbild.
Nur in wenigen Fällen (<10 %) kann ein
körperlicher Befund die Beschwerden
ausreichend erklären. Das bedeutet, die
Ursachen chronischer Rückenschmerzen
sind sehr uneinheitlich, und wir verstehen sie heute als Ausdruck körperlicher
Stresssymptome, die den Patienten in
der Regel nicht bewusst sind.
Daraus folgt weiterhin, dass Rückenschmerzen lediglich ein Symptom sind
und keine eigene Krankheitseinheit
darstellen. Es gibt Untersucher, die sie
einem Gesamtsymptomenkomplex mit
weiteren (z.B. Ohrensausen, Herzstiche,
Verdauungsstörungen, Einschlafen der
Hände und Füße, Schlafstörungen) und
seelischen Störungen wie Depression
Einige Zahlen im Überblick:
• Mehr als die Hälfte der Bevölkerung leidet einmal im Leben über einen
längeren Zeitraum unter Rückenschmerzen.
• In einer Gruppe von 100 Männern leiden 8 unter Rückenschmerzen und
in einer Gruppe von 100 Frauen leiden 14 unter Rückenschmerzen.
• 6% aller direkten Krankheitskosten, 15% aller Arbeitsunfähigkeitszeiten
und 18% aller Frühberentungen können auf Rückenerkrankungen zurückge führt werden.
• 27- 40 % der deutschen Bevölkerung klagen regelmäßig über Rückenschmerzen.
• Sehr wahrscheinlich enden mehr als 90% dieser Beschwerden ohne eine
ärztliche Konsultation
• Ca. 75% der Betroffenen sind nach 2 Monaten beschwerdefrei, entwi-
ckeln dannaber mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Rezidiv.
Während einerseits eine bewegungsarme Lebensweise in Arbeit und Freizeit
bei der Chronifizierung eine wichtige
Rolle spielen, nehmen die Faktoren des
passiven Vermeidungsverhaltens und
zunehmend eingeschränkter Motilität
zu. Der Chronifizierungsprozess beruht
hierbei überwiegend auf unbewußte
und Angst zuordnen und chronische
Rückenschmerzen als Ausdruck von
Disstress (negativer Stress) verstehen.
Wichtigste Vorhersagefaktoren für eine
Chronifizierung von Rückenschmerzen
sind eine depressive Stimmungsstörung zusammen mit den o.g. “anderen
Krankheitszeichen“ sowie psychosoziale Belastungsfaktoren.
Therapie:
Leider verfügen noch nicht sehr viele
Ärzte über ein entsprechendes Krankheitsmodell.
Wenn Rückenschmerzen nicht nur
aus knöchernen Anomalien bestehen,
sondern viele Ursachen haben, dann
müssen diese vielen Ursachen auch
wahrgenommen und entsprechend
behandelt werden.
Das bedeutet aber auch, den Schmerz
als „komplex“ zu betrachten.
Sehe ich Schmerz nur als einen Aspekt,
der mit einem Arzneimittel (Antischmerzmittel) langfristig behandelt
wird (monomodale Therapie), werde
ich nur einen begrenzten Erfolg haben
können.
In einer australischen Studie von 2007
(Hancock, Lancet 370:1638-1643)
zeigte sich in allen drei Studienarmen
kein Gewinn bei der Kombination von
Paracetamol mit weiteren Medikamenten oder Chirotherapie oder Placebo bei
der Behandlung von akuten Rückenschmerzen.
Weitere Auswertungen im Rahmen der
S3 Leitlinie zur Langzeitanwendung
von Opioiden bei nicht tumorbedingten
Schmerzen (LONTS, 2010) zeigt langfristig kein Wirkunterschied der Medikamente der Stufe 1 (einfache Schmerzmittel, z.B. Ibuprofen, Diclofenac) zu
den Opioiden (Stufe 2: z.B. Tilidin,
Tramadol und Stufe 3: z.B. Fentanyl,
Morphin) bezogen auf den chronischen
In der salus klinik in Hürth behandeln wir die „Nebendiagnose“ chronischer Rückenschmerz mit einem
Multimodalen Therapieprogramm.
Rückenschmerz, wie oben definiert.
Und auch Operationen bei Patienten
mit chronischem Rückenschmerz (ohne
Ausstrahlung in die Beine) führten nur
bei unter 50% zu einer Verbesserung
der Schmerzen.
Egal, ob Tabletten, Spritzen oder Operationen: Es stellt sich nur zu 50% ein
Behandlungserfolg ein.
(Hier soll aber ausdrücklich darauf
hingewiesen werden, dass Operationen
bei gewissen organischen Ursachen der
Beschwerden hervorragende Ergebnisse
bringen).
Eine intensive komplexe Therapie mit
100 Stunden (das sind z.B. 5 Wochen
medizinische Rehabilitation) zeigt eine
gute Effektstärke und eine anhaltende
Verbesserung der Funktionssteigerung.
Sie ist mindestens so effektiv wie eine
Operation, dabei ist sie für die Patienten risikoärmer und für die Kostenträger kostengünstiger.
Bei der multimodalen Therapie handelt es sich um eine Kombination aus
ärztlichen, bewegungstherapeutischen
und psychotherapeutischen Maßnahmen, die zu eigenverantwortlichem
salus klinik Hürth
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Handeln beim Schmerzpatienten führt,
denn grundsätzlich raten wir zu einem
aktiven Lebensstil.
So erhalten die Patienten eine Psychoedukation mit einem Vortrag über
Bewegung, sie nehmen an der Rückenschule zur Kräftigung und Dehnung der
Rumpfmuskulatur teil. In der Medizinischen Trainingstherapie können die
Patienten die Kraft- und Ausdauerleistung und somit das körperliche Wohlbefinden stärken. Sie lernen rückengerechtes Verhalten und bekommen
Wärme und Massagen.
Bei anhaltenden Schmerzen nehmen
die Patienten an der Schmerzgruppe
teil, wo ihnen nach ausführlicher,
individueller Schmerzdiagnostik anatomische-pathophysiologische Zusammenhänge der Schmerzverarbeitung
vermittelt werden, sowie Trigger und
Modulatoren des Schmerzgeschehens
bewusst gemacht werden soll. Kognitionen, Erwartungen, Ängste und
Anspannung sollen identifiziert und
akzeptiert werden, damit dann entsprechende Bewältigungskompetenzen
entwickelt werden können.
All das zusammen genommen führt bei
90% der betroffenen Patienten zu einer
deutlichen Verbesserung der Symptomatik. Viele verlassen die Klinik ohne
Schmerzen, wohl wissend, dass sie das
Gelernte im Alltag umsetzen müssen,
wenn sie weiter beschwerdefrei, bzw.
beschwerdearm leben wollen und dazu
gehört nicht nur der regelmäßige Sport,
sondern ein ausgeglichener Lebensstil, was immer dies für den Einzelnen
bedeutet.
Wenn wir den Rückenschmerz als etwas
Komplexes begreifen, können wir ihn
auch nur komplex behandeln und
dies bedeutet nicht nur Behandlung,
sondern der Mensch selbst muss auch
handeln.
Generell ist bei einem chronischen
Schmerz schonen ineffektiv, da es
zu einer eingeschränkten Motilität
führt.
Quelle: „Auszüge und in Anlehnung an Werber, A
und Schiltenwolf, M: Chronische Rückenschmerzen, Der Nervenarzt 2/2012: Seite 243-258“
Kostas Chatzirafailidis
So gut die Entwöhnungsbehandlung auch sein mag, es ist nicht einfach
für einen Suchtkranken, sich selbst zu zugestehen, abhängig zu sein und
sich auf eine Entwöhnungsbehandlung einzulassen. Wer könnte diese
Ambivalenz und Schwierigkeit besser in Worte (und Musik) fassen als Amy
Winehouse (14.09.1983 – 23.07.2011) in ihrem Song
„Rehab"
Ins Deutsche übersetzt:
Sie haben versucht, mich in die Reha zu stecken,
aber ich hab gesagt: Nee, nee, nee!
Ja, es stimmt, ich war ziemlich am Ende,
aber dass ich auch nur noch einmal hier aufkreuze,
das kannst du dir wirklich abschminken.
Für sowas hab ich keine Zeit.
Jedesmal wenn mein Daddy meint,
dass es mir etwas besser geht,
will er mich überreden, doch in die Reha zu gehen,
aber ich werde den Teufel tun.
Ich verbringe meine Zeit lieber zuhause mit Ray,
70 Tage sind einfach viel zu viel,
(10 Wochen dauert eine Entwöhnungsbehandlung in den USA)
und außerdem gibt es nichts,
was du mir hier beibringen könntest,
das Mr. Hathaway nicht viel besser wüßte.
Ich hab zwar in der Schule nicht besonders viel gelernt,
aber ich weiß, dass wir nicht in einem Schnapsglas
auf die Welt kommen.
Der Typ meinte noch, ob ich wüßte, warum ich hier bin.
Keine Ahnung, hab ich ihm geantwortet.
Wenn das so weitergeht, verlässt mein Kerl mich vielleicht noch,
deshalb habe ich immer eine Flasche in meiner Nähe.
Er sagte, ich glaube, du bist einfach depressiv.
Ich sagte, küss mich, Baby, und dann mach erst mal ne Pause.
Ich werde nie mehr was trinken,
alles was ich brauche, ist ein Freund.
Und ich werde hier nicht 10 Wochen verbringen,
und denen weismachen, dass ich auf dem Weg der Besserung bin.
Es ist nicht nur mein Stolz,
es dauert nur einen kurzen Moment,
bis meine Tränen wieder getrocknet sind.
Sie haben versucht, mich in die Reha zu stecken,
aber ich hab gesagt: Nee, nee, nee!
Ja, es stimmt, ich war ziemlich am Ende,
aber dass ich auch nur noch einmal hier aufkreuze,
das kannst du dir wirklich abschminken.
Für sowas hab ich keine Zeit.
Jedesmal wenn mein Daddy meint, dass es mir etwas besser geht,
will er mich überreden, doch in die Reha zu gehen,
aber ich werde den Teufel tun.
Vorstellung
vera wasserburger,
sozialdienst
Frau Wasserburger wuchs in einem
kleinen Ort im Landkreis Roth am
Rande der Fränkischen Seenplatte
auf. Nach ihrem Abitur besann sie
sich ihrer rheinischen Wurzeln und
zog in die ursprüngliche Heimat
ihrer Eltern, Köln, zurück. Sie machte
zunächst ein Freiwilliges Soziales
Jahr in einem Wohnheim für geistig
behinderte Menschen. Dabei lebte sie
sich in der Domstadt so gut ein, dass
sie Diplom-Pädagogik an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der
Universität Köln studierte. Schwerpunkte waren die Sozialpädagogik
sowie die Bereiche Psychologie und
Beratung. Parallel zu ihrem Studium
hat sie unterschiedlichste Arbeitsfelder kennengelernt – sowohl während ihrer Praktika, als auch in (diversen) Nebenjobs. Aus der Tätigkeit
mit geistig behinderten Menschen,
arbeitete sie sich zunehmend in den
Bereich der Versorgung von Menschen
mit psychischen Erkrankungen ein.
Besonders prägten sie ihre praktischen Erfahrungen, die sie in einem
HIV/Aids-Projekt in Kenia sammelte
und nachher in ihrer Diplomarbeit
vertiefte. Nach dem erfolgreichen
Abschluss des Studiums landete sie
in der Kontakt- und Beratungsstelle
eines Sozialpsychiatrischen Zentrums,
wo sie bereits die letzten Jahre ihres
Studiums als studentische Hilfskraft
gearbeitet hatte, und konnte ihre
erworbenen Kenntnisse weiter vertiefen. Parallel dazu absolvierte sie von
2009 bis 2011 eine Weiterbildung
in psychoanalytisch-systemischer
Beratung. Für die salus klinik hat sie
sich entschieden, da sie das stationäre Setting in Verbindung mit dem
Bereich der Rehabilitation reizt. Sie
ist im Moment für den Sozialdienst
in der Psychosomatik zuständig und
möchte hier gerne ihre systemische
Sichtweise einbringen. Dazu gehört
ein ganzheitlicher Blick, der die Patienten in ihrem individuellen sozialen
Gefüge wahrnimmt. Sie freut sich
hier auf weitere Herausforderungen in
ihrer täglichen Arbeit.
salus klinik Hürth
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(MUD1), den Vorfahren der Onlinerollenspielen. (Zakon 2006)
1979 – Usenet: ein Vorläufer der
Internetforen entstand. Hier konnten
Nachrichten von Benutzern hinterlassen werden, die von anderen gelesen
werden konnten. (Zakon 2006)
1982 -  : der Informatiker Scott
Fahlmann erfand mit dem „e-Smiley“
{ :-) } das erste Emoticon. (Zakon
2006, Fahlmann, o. J.)
Game over
Internet, Computerspiele und die Sucht die bleibt
M. Abu Khatir
M. Krämer
2011 wurde von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung eine erste
repräsentative Studie zur Prävalenz der
Internetabhängigkeit (PINTA) bei 14bis 64-jährigen in Deutschland vorgestellt. Demnach werden etwa 1 Prozent
dieser Altersklasse als internetabhängig eingestuft. Das entspricht rund
560.000 Menschen. 4,6 % der 14- bis
64-Jährigen (rund 2,5 Mio. Menschen)
werden als problematische Internetnutzer angesehen. In der Altersgruppe der
14- bis 24-Jährigen ist die Verbreitung
am größten: 2,4 Prozent abhängige
und 13,6 Prozent problematische Internetnutzer.
Die auffälligen Mädchen und Frauen
(14-24 Jahre) nutzen vorwiegend
Soziale Netzwerke im Internet (77,1%
der Abhängigen) und eher selten Onlinespiele (7,2%). Die jungen Männer
nutzen ebenfalls, aber in geringerer
Ausprägung Soziale Netzwerke (64,8%),
aber häufiger Onlinespiele (33,6%).
(PINTA, Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit, Förderkennzeichen: Kapitel 15 02 Titel 684 69)
Die in der PINTA-Studie erhobenen
Daten spiegeln sich, nicht erst seit Veröffentlichung der Studie, zunehmend
in unserem klinischen Alltag wieder.
Durch Zunahme des Klientel, das einen
Mischkonsum mit vorwiegend Cannabis
sowie Amphetaminen aufweist und
im Vergleich zum Alkoholabhängigen
deutlich jünger ist, diagnostizieren wir
immer häufiger eine Internetsucht. Um
dieser Realität Rechung zu tragen, ist
es notwendig geworden die Exploration
der Suchtanamnese um diesen Bereich
standardmäßig zu erweitern und bei
positiven Befunden entsprechende
Diagnosen zu stellen. Auch wenn eine
Anerkennung der Internetsucht als
Suchterkrankung noch nicht in Sicht
ist, haben wir bereits mit der Erarbeitung eines störungsspezifischen Gruppenangebots für dieses Klientel begonnen und wollen einen Schwerpunkt auf
die Vermittlung einer der modernen Zeit
angepassten Medienkompetenz legen.
Die praktische Umsetzung streben wir
zu Beginn des kommenden Jahres an.
Ein aktuelles Computerspiel erreichte
in den ersten 24 Verkaufsstunden in
Nordamerika und Großbritannien eine
Absatzzahl von 5,5 Millionen Stück,
dies entspricht einem Umsatz von rund
400 Millionen Dollar. Facebook hat
mehr als eine Milliarde Nutzer, damit
meilensteine des internet
1962 – Arpanet: die „Advanced
Research Projects Agency“ beginnt
mit der Entwicklung des Vorläufers
des Internet, das „Arpanet“. (Leiner
et al., 1997)
29.10.1969 – LOGIN: erste Kommunikation über das Arpanet zwischen
der UCLA und dem Stanford Research
Institute. Die Buchstaben „LOGIN“
war die erste übermittelte Nachricht.
(Glaser, 2001, Computer History Museum, 2006)
1972 - @: der Computertechniker
Ray Tomlinson entwickelte und testete das erste E-Mail-Programm und gab
dem dem Symbol “@“ seine heutige
Bedeutung. Ende der 80er Jahre
wurde es zum weltweiten Standard.
(Computer History Museum, 2006
Leiner et al., 1997)
1979 - MUD 1: Richard Bartle und
Roy Trubshaw schrieben das Computerprogramm „Multi User Dungeon 1“
1984 – Cyberspace: William Gibson
veröffentlichte den Roman „Neuromancer“ und erfand den Begriff
„Caberspace“. (Computer History
Museum, 2006)
1988 – IRC: der finnische Student
Jarrko Oikarinen entwickelte den
„Internet Relay Chat“ (IRC). Dies
ermöglichte die Kommunikation zwischen Personen über das Internet in
Echtzeit. (Zakon 2006)
1991 – net-surfing: Brendan Kahoe
benutzte im Usenet erstmals den
Begriff „net-surfing“. (Zakon 2006)
30.04.1993 – WWW: das Europäische Labor für Teilchenphysik (CERN)
gab den von Berners-Lee entwickelten
WWW-browser zum kostenlosen download frei. Dieser Tag wurde später
vom IT-Branchenverband „Bitcom“
zum Geburtstag des „WWW“ deklariert. (Borchers 2008)
befindet sich derzeit jeder siebte Erdenbürger in diesem sozialen Netzwerk. Der
erfolgreichste Twitter Account (englTwitter = zwitschern; bezeichnet eine
Kommunikationsplattform, auf der Kurznachrichten in Form einer Art online
Tagebuch Nutzern zugänglich gemacht
werden) zählt gegenwärtig 28 Millionen
follower (Leser). In Deutschland gelten
in der Gruppe der 14- bis 64-jährigen
ca. 560.000 Menschen als internetabhängig. Zahlen, welche aufhorchen
lassen. Das Medium PC ist im Alltag der
Gesellschaft angekommen (Der Einfachheit halber wird folgend vom PC als
Sammelbegriff gesprochen; er beinhaltet ebenso Konsolen, das Internet,
Computerspiele, Foren, etc.). So finden
sich bspw. Computerspiele nicht länger
nur in Kinderzimmern und verschwinden
dort mit Beendigung der Pubertät, auch
die Benutzung von sozialen Netzwerken und Internetforen sind alters- und
geschlechtsübergreifend. Der PC ist Teil
der Gesellschaft, der Kultur. So lässt
sich diese Aussage u.a. an der Tatsache
bemessen, dass sich in seinem Umfeld
eine eigene Sprache entwickelt hat,
welche sich vor allem durch Anglizismen und durch eine starke Verkürzung
auszeichnet. Vor allem letztere Sprachcharakteristik ist Konzentrations- und
Aufmerksamkeitsa- spekten geschuldet.
Beispielhaft sind in diesem Kontext
Computerspieler zu nennen. Da die
Verständigung zumeist über eine Chatfunktion stattfindet, d.h. Nachrichten
werden textbasiert über den Gebrauch
der Tastatur kommuniziert, wird die
Aufmerksamkeit vom eigentlichen Spiel
fortgelenkt. Kommunikation muss ergo
schnell und funktional erfolgen.
Doch worin liegt der Reiz des Mediums?
Und die noch wichtigere Frage: Wie
kann eine Sucht daraus erwachsen?
Die Virtualität macht dem Nutzer, dem
User, der sich in ihr bewegt, viele
verschiedene Angebote. Sie bietet ihm
Möglichkeiten sich selbst auszuprobie-
Sprache
bashen
vom engl. „to bash“ – schlagen.
Ein Gegner wird besiegt oder mit
ständigen Angriffen im Spielaufbau
behindert.
Camper
Als Camper wird ein Spieler in Egoshootern bezeichnet, welcher passiv
seinen Gegnern auflauert. Camper
gelten als spielflusshemmend; dieses
Verhalten wird verschmäht.
dps
vom engl. „damage per second“ –
Schaden pro Sekunde. Gemeint ist
ein Schadenswert, welcher sich u.a.
aus der verwendeten Waffen und den
Fähigkeiten der Spielerfigur zusammensetzt.
Noob
Der Begriff Noob bezeichnet nicht
ganz wohlgemeint einen Neuling.
Ebenso wird ein erfahrener Spieler als
Noob bezeichnet, der seiner erfahrenen Position in seinem Spielverhalten nicht gerecht wird.
Slave
Vom engl. „slave“ – Sklave. Ein
schwächerer Spieler wird von einem
erfahreneren unterstützt. Für seine
Hilfe wird der starke Spieler zumeist
mit virtuellem Entgeld bezahlt.
ren. Die Virtualität als soziales Labor,
in welchem die Ingredienzien Beziehungsaufbau, Identitätsentwicklung
und Unterhaltung zusammengemischt
werden können, ohne negative Konsequenzen wie Ablehnung, Enttäuschung
oder Langeweile erwarten und erfahren
zu müssen. Stellt man sich vor, dass
bspw. einer sozial ängstliche Person,
welche in ihrem bisherigen Leben noch
keine positiven Beziehungserfahrungen
gemacht hat, besagte Möglichkeiten
geboten werden, wird der Reiz schnell
deutlich. Die computervermittelte
Kommunikation erlaubt in ihrer Besonderheit die Aushebelung der sozialen
Angst. Sie bedarf keiner körperlichen
Kopräsenz, verläuft zumeist asynchron
und ist räumlich distanziert. Der user
salus klinik Hürth
7
erlebt ferner einen hohen Grad an
Intimität, wobei er vor allem durch
die Anonymität vor sozialer Verletzung geschützt ist. Dabei können
negative Aspekte der eigenen Person
geschickt negiert und positive hervorgehoben werden. Faktoren wie diese
bilden bspw. den Nährboden für jede
Online-Partnervermittlung. Weitere
Vorzüge des virtuellen Erlebens werden
in der Nutzung eines sog. MMORPGs
ersichtlich (siehe Kasten). Ein World
of Warcraft Spieler erreicht innerhalb
seiner Spielergruppe in kürzester Zeit
Erfolge; er erlebt sich dabei als fähig
und befindet sich in einer Interessensgruppe, in welcher er angenommen
und sozial verstärkt wird. Warum also
sollte er sich in der realen Welt, in der
ich zuhauf gegenteilige Erfahrungen
macht, noch aufhalten wollen? Die
Bewegung innerhalb der virtuellen Welt
dient der Realitätsbewältigung durch
die Kompensation unerfüllter Wünsche und beinhaltet die Gelegenheit
zur projektiven Selbstverwirklichung.
Ein Angebot, welches man sicherlich
nur schwer ablehnen kann. In diesem
Zusammenspiel, zwischen den Rahmenbedingung des users, seiner Vulnerabilität und den verstärkenden Faktoren,
kann sich über Missbrauch und Gewöhnung ein Verhaltensmuster entwickeln,
welches in einer Sucht münden kann.
Vor allem, wenn zusätzlich eine inadäquate Medienkompetenz vorliegt.
Ein suchtähnliches Verhalten? Kann
von einer Sucht gesprochen werden? In
Ermangelung gegebener Diagnosekriterien und eines damit einhergehenden
Diagnoseschlüssels werden derzeit
verschiedene Einordnungen des Krankheitsbildes herangezogen. Meist wird
der krankhafte PC-Gebrauch den Süchten zugeschrieben; jedoch auch den
Impulsstörungen oder den sonstigen,
nicht näher bezeichneten Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. Die
salus klinik fasst den dysfunktionalen
und pathologischen PC-Gebrauch als
Verhaltenssucht auf. Betrachtet man
die Kriterien der Sucht (siehe Kasten),
wird deutlich, dass die zugrundeliegenden Verhaltens- und Erlebensmuster
im Groß dort wiedergefunden werden
können. Insbesondere in einem unwiderstehlichen Verlangen das Verhalten
zu zeigen, im Kontrollverlust, in der
Vernachlässigung von Pflichten und
Interessen, sowie dem fortdauernden
Gebrauch obgleich vorliegender Selbstschädigung. Lediglich die Kriterien
einer Toleranzentwicklung und das
Aufkommen von Entzugserscheinungen
lassen sich nicht eins zu eins übernehmen, sind jedoch assimilierbar.
Wo beginnt der riskante, der dysfunktionale Gebrauch? Welche Kriterien
müssen erfüllt sein, damit von einem
pathologischen Gebrauch gesprochen
werden kann? Derzeit gibt es keine
einheitlichen Standards. Zumeist gilt
ein zeitliches Kriterium von mehr als
30 berufsfremden Nutzungsstunden
Computerspiele
MMORPG – massive multiplayer online roleplaying game
In einem Rollenspiel (rpg – role playing game) übernimmt der Spieler die Steuerung eines Charakters, der sich durch die Bewältigung von Missionen (Quests)
entwickelt. Neben Erfahrung können bspw. auch Waffen, Rüstungen oder Geld
erlangt werden, welche ebenfalls einer Stärkung der eigenen Figur dienen und
dadurch die Möglichkeit bieten der Geschichte weiter zu folgen und komplexere und schwierigere Anforderungen zu bewältigen. In einem Onlinerollenspiel
wird dieses Ziel mit anderen Spielern verfolgt. Dabei agieren unterschiedliche
Charaktere miteinander, deren unterschiedlichen Fähigkeiten sich ergänzen und
so zum Erfolg führen. Zumeist organisieren sich die Spieler halbprofessionell in
sog. Gilden, deren Zusammensetzung darauf ausgelegt sind, im Spiel möglichst
schnell und große Fortschritte zu machen.
Vertreter: World of Warcraft (WoW), Age of Conan, Eve Online, Star Wars Knights of the old republic, Warhammer
Egoshooter
Auch: First-Person-Shooter (FPS) oder auch abwertig als Killerspiele bezeichnet. In dieser Spielgattung wird aus der Sicht der Spielfigur mit einer Waffe
gegen computer- oder von anderen Personen gesteuerten Figuren gekämpft.
Im single player setting (meist ohne online-Anbindung) liegt das Ziel zumeist
in der Verfolgung einer story-line. Das multiplayersetting definiert sich in den
meisten Fällen über einen Wettkampfcharakter, in dem sich verschiedene Spieler
miteinander „jeder gegen jeden“ messen oder in Gruppen ein definiertes Ziel
verfolgen.
Vertreter: Counter Strike, Call of Duty, Battlefield, Crysis
Real-time-strategy
Echtzeitstrategiespiele folgen dem Ziel mit vorhandenen Ressourcen, welche
im Spiel erwirtschaftet werden können (bspw. Holz oder Geld), zumeist einen
Stützpunkt und ein Heer aufzubauen. Dabei werden die Truppen so gestaltet,
dass sich deren Fähigkeiten ergänzen und möglichst effektiv gegen die Strategie des Gegners einsetzbar sind. Gespielt werden kann gegen computergesteuerte Gegner, als auch gegen
Vertreter: Star Craft, Command & Conquer, Total War
als dysfunktional. Von einem pathologischen Krankheitsbild spricht man
bei Hinzukommen eines sehr ausgeprägten Immersionserlebens (Rücktritt
der realen Welt hinter die virtuelle),
sowie dem Erleben einer Dichotomie,
u.a. in Bezug auf die Selbstwirksamkeit
der eigenen Person; das Selbst in der
realen Welt ist deutlich negativ konnotiert, während das virtuelle Selbst
SuchTkriterien
1. starkes, oft unüberwindbares Ver langen, die Substanz einzunehmen
2. Schwierigkeiten, die Einnahme
zu kontrollieren (was den Beginn,
die Beendigung und die Menge
des Konsums betrifft)
3. körperliche Entzugssymptome
4. Benötigen immer größerer Men gen, damit die gewünschte Wir kung eintritt
5. fortschreitende Vernachlässigung
anderer Verpflichtungen, Aktivi täten, Vergnügen oder Interessen
(das Verlangen nach der Droge
wird zum Lebensmittelpunkt)
6. fortdauernder Gebrauch der
Substanz(en) wider besseres
Wissen und trotz eintretender
schädlicher Folgen
übersteigert positiv bewertet wird.
Unser Selbstverständnis des Themas
wendet sich bewusst ab von der Verteufelung der Computernutzung; z.B.
von Etikettierungen wie „Killerspiele“.
Eine Indikation ergäbe sich, wenn die
Funktion der Nutzung nicht mehr dem
des beschriebenen sozialen Labors, bzw.
dem alleinigen Unterhaltungszweck
entspricht, sondern sie die Alltagsgestaltung einschränkt. In einem Maße,
dass dieser auf verschiedenen Ebenen
nicht mehr bewältigt werden kann,
bspw. auf der Beziehungsebene oder
in der Vernachlässigung der Arbeit.
Entsprechend beinhaltet die Indikation
nicht nur pathologische Nutzer mit voll
ausgeprägtem Störungsbild, sondern
auch riskante User, deren Vulnerabilität
auf eine Weise ausgeprägt ist, dass es
zur Volldiagnose kommen kann.
In der Behandlung bezieht sich unsere indikative Gruppe „Game Over“ in
ihrem Ansatz auf eine Dreischrittigkeit.
Sie möchte die Ansprechbarkeit des Patienten hin auf die Angebote des PC Gebrauchs ermitteln. Was macht ihn vulnerabel? Sie möchte zugleich erfassen,
wie sich das aktuelle dysfunktionale
Verhalten darstellt und wie die zugrundeliegende Bedürftigkeit in Zukunft bei
Wegfall des Verhaltens zu befriedigen
ist. Die Schwerpunkte werden in diesem
Zusammenhang auf den Umgang mit
Langeweile, die Entwicklung der eigenen Identität, die Beziehungsgestaltung
und auf die Entwicklung von Verhal-
tensalternativen gelegt. Dabei geht es
nicht darum, eine völlige PC Abstinenz
zu erreichen, was in der heutigen medialen Gesellschaft auch sehr realitätsfremd erschiene, sondern den Patienten
für das eigene Problemverhalten zu
sensibilisieren und ihm Verhaltensalternativen aufzuzeigen, welche seiner
Bedürftigkeit entsprechen.
Vorstellung
Michael Krämer,
bezugstherapeuT
Herr Krämer wurde 1982 in Siegburg
geboren und ist Diplom-Psychologe.
Er wuchs als jüngerer von zwei
Söhnen im Rheinland auf. Zunächst
als Industriekaufmann tätig begann
Herr Krämer im Alter von 24 Jahren
mit seinem Psychologiestudium an
der Universität Bonn. Bereits während des Studiums arbeitete er in
der neuropsychologischen Abteilung
der Klinik für Epileptologie in Bonn.
Mit Erhalt des Diploms begann er
die Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten in Köln und wurde sowohl in
der Psychiatrie, als auch der Neuropsychologie im Universitätsklinikum
Bonn tätig. Dort lagen seine Schwerpunkte in der Erforschung neurodegenerativer Krankheiten und in der verhaltenstherapeutischen Behandlung
Opiatabhängiger. Seit dem 01. April
2012 ist Herr Krämer als Bezugstherapeut bei uns angestellt und arbeitet
hauptsächlich mit jungen Patienten
zwischen 18 und 30 Jahren („generation adventure“). Sein besonderes
Interesse gilt dem Themenbereich
dysfunktionaler und pathologischer
PC Gebrauch. Für ihn ist es von
besonderer Wichtigkeit den Patienten
auf Augenhöhe zu begegnen. Wie
er selbst sagt, ist dafür eine gute
Balance zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit unabdingbar, schließlich sei
ein Patient nicht als Dauergast einer
Beerdigung gebucht, sondern er solle
im Gegenteil eine lebensbejahende
Einstellung zurück erlangen. Frei nach
Joachim Ringelnatz: Humor ist der
Knopf, der verhindert, dass uns der
Kragen platzt.
salus klinik Hürth
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BUCHTIPP
Filmtipp
Gabriele Farke
Gustav Dobos und Anna Paul
Gefangen im Netz?
Onlinesucht: Chats, Onlinespiele, Cybersex
Mind-Body-Medizin:
Die moderne Ordnungstherapie in Theorie und Praxis
Verlag: Huber, Bern; Auflage: 1., Aufl.
(7. Juni 2011)
ISBN-10: 3456849435
Verlag: Urban & Fischer Verlag/Elsevier
GmbH (15. Februar 2011)
ISBN-10: 9783437579301
Das Internet hat neue Formen von
Suchtverhalten hervorgebracht, die sich
schnell ausbreiten. Erstmals werden
in diesem Buch Onlinechat-, Onlinespiel- und Onlinesex-Sucht und deren
Facetten beleuchtet. Was ist das?
Bin ich süchtig? Was genau sind die
Symptome? Was können Betroffene,
Angehörige, Eltern, Lehrer und anderes
Fachpersonal dagegen tun?
„Nicht die Umstände bestimmen des
Menschen Glück, sondern seine Fähigkeit zur Bewältigung der Umstände“
(Aaron Antonovsky)
Nicht jeder, der lange Zeit am PC verbringt, muss gleich onlinesüchtig sein.
Dennoch lohnt sich ein zweiter Blick,
denn oft wird die Onlinesucht zunächst
von Angehörigen, Freunden und Kollegen erkannt. Aber noch immer ist die
Onlinesucht nicht als Krankheit anerkannt. Hier berichten die Betroffenen
selbst über ihr Leid, und Fachleute
bieten konkreten Rat und Hilfe an.
Ein Buch für alle, die denken, dass sie
zu lange im Netz sind: zur Selbstbeurteilung der Bedrohung "Onlinesucht",
mit praktischen Lösungsansätzen.
IMPRESSUM
Herausgeber:
salus klinik Hürth
Willy-Brandt-Platz 1, 50354 Hürth
Redaktion:
Christian Ofori, Julia Domma-Reichart
Mitarbeiter dieser Ausgabe:
M. Abu Khatir, Gabriele Angenendt, Kostas
Chatzirafailidis, Inès Frege, Michael Krämer, Christian Ofori, Thomas Primke, Vera
Wasserburger, Frauke Wulf
Herstellungsleitung:
Sandra Fisch, salus klinik GmbH
Druck & Versand:
Druckhaus Süd GmbH, 50968 Köln
www.druckhaus-sued.de
Die Mind-Body-Medizin berücksichtigt
körperliche, psychische, soziale und
spirituelle Aspekte des Menschseins
und stellt Ihnen die einzelnen Module und Techniken der Behandlung im
Detail vor. Berücksichtigt werden u.a.
die chronischen, vor allem durch Stress
induzierten, Erkrankungen – bei denen
eine Lebensstilveränderung häufig zum
gewünschten Erfolg führt. Das Buch
bietet Ihnen praktische Anleitungen
zum schnellen und erfolgreichen Umsetzen im Klinik-und Praxisalltag und
bezieht Aspekte gesundheitsfördernder
Lebensführung und Lebensstiländerung
in das therapeutische Gesamtkonzept
mit ein.
Ein hochprozentiger Film.
Schrille Drogenfilme nach dem
Strickmuster von
„Hang Over“ und
US-Serien wie
„Breaking Bad“
und „Weeds“
sind populär und
sprechen vor allem junge Menschen an.
Realitätsbezug oder gar aufklärende
Elemente findet man hier kaum. Dass es
auch anders geht, zeigt unsere Filmempfehlung aus dem letzten Jahrtausend. „Das verlorene Wochenende“ wurde vor 66 Jahren in Hollywood gedreht,
war seiner Zeit für die Produktionsfirma
ein großes Risiko und wurde für die
eindringliche Darstellung der Alkoholsucht schließlich mit 4 Oscars ausgezeichnet. Es lohnt sich durchaus, längst
vergessene Filme aus einer scheinbar
antiquierten Zeit anzuschauen um die
Gegenwart wiederzuerkennen.
Handlung: Don Birnam lebt als erfolgloser Schriftsteller und LangzeitAlkoholiker in New York. Nur seinem
Bruder Wick, der ihn auch finanziell
unterstützt, und seiner Freundin Helen
gelingt es von Zeit zu Zeit, ihn „trockenzulegen“. Wick hat Don, quasi zur
Erholung nach dessen letztem Absturz,
zu einem gemeinsamen Wochenende
auf dem Land überredet. Doch kurz vor
der Abreise gelingt es Don, Wick und
Helen unter einem Vorwand aus seiner Wohnung zu schicken. Anstatt mit
seinem Bruder auf dem Land verbringt
Don das Wochenende alleine in New
York.
Eindringlich zeigt der Film die verschiedenen Stufen der Erniedrigung eines
Alkoholikers auf seiner verzweifelten
Suche nach dem nächsten Drink. Don
hintergeht seinen Bruder und seine
Freundin, die ihn trotz vieler Enttäuschungen nicht aufgeben will. Er
verwüstet seine Wohnung, weil er sich
nicht erinnern kann, wo er in der Nacht
zuvor eine Whiskyflasche deponiert hat.
Schließlich versucht er, seine Schreibmaschine zu versetzen, und gesteht
damit sein Scheitern als Schriftsteller
ein. Er droht, er stiehlt und er bettelt.
Schließlich landet Don in der Alkoholiker-Abteilung eines Krankenhauses.
Erschüttert von den nächtlichen Qualen
eines anderen Patienten flieht er zurück
in seine Wohnung, nur um dort selbst
die durch den Entzug verursachten
Horrorvisionen des Delirium tremens
zu erleiden. In diesem Zustand findet
Helen ihren Geliebten und kann ihn am
nächsten Morgen gerade noch davon
abhalten, sich umzubringen. Es gelingt ihr, Don wieder zum Schreiben zu
ermutigen. Ob er seine Sucht endgültig
überwinden kann, bleibt offen. (Wikipedia)
Hintergrund zum Film: Nachdem der
Film bei einer Probevorführung glatt
durchgefallen war, zögerte die Produktionsfirma Paramount mit der Veröffentlichung. Man befürchtete, der Film
sei für ein breites Publikum zu düster
und das Thema zu ernst. Regisseur Billy
Wilder behauptete später, die Alkoholindustrie habe Paramount fünf Millionen
Dollar dafür geboten, dass der Film
nicht herauskommt. Gleichzeitig wurde
Paramount aber auch von Vertretern der
Abstinenzbewegungg bedrängt, "Das
verlorene Wochenende" nicht auf den
Markt zu bringen, weil sie befürchteten,
der Film würde zum Trinken verleiten.
(Internet Movie Database)
Tipps und Termine in 2013
Wie in den vergangenen Jahren möchten wir uns in 2013…
…bei der Selbsthilfe bedanken - im März
Wie schon in den vergangenen Jahren möchten wir einen Tag FÜR die Selbsthilfe veranstalten und laden alle Gruppenleiter ein, an unserer spannenden Tagung teilzunehmen. Für das leibliche Wohl ist gesorgt.
…mit einem neuen Arbeitskreis beschäftigen - im April
Die bisherigen Ausbildungskandidaten sind herzlich eingeladen, am „Arbeitskreis betrieblicher Suchthelfer“ teilzunehmen.
Er tagt 3x jährlich und endet mit einem gemeinsamen Mittagessen in unserer Klinik.
…zum Tag der offenen Tür einladen - im Mai
Auch in diesem Jahr möchten wir mit unseren Kooperationspartnern, Freunden, Nachbarn und allen interessierten Bürgern
einen Tag des Kennenlernens gestalten und ihnen unsere Klinik vorstellen.
…kollegial vernetzen - im Juni
Haus- und Fachärzte aus der Region sind herzlich eingeladen, uns und unsere Klinik kennen zu lernen, interessante und
kurzweilige Vorträge zu hören und bei Fingerfood und (alkoholfreien) Cocktails ihr Fortbildungskonto aufzubessern.
… über arbeitsrechtliche Bedingungen austauschen, die für Suchthelfer in Betrieben relevant sind - im September
Mit dieser Fachtagung möchten wir betrieblichen Vertretern unterschiedlicher Berufsgruppen einen umfassenden und fundierten Einblick in die Thematik geben und konkrete betriebliche Handlungsstrategien vorstellen.
…der betrieblichen Suchthelferausbildung widmen - im November
Auch in diesem Jahr starten wir wieder in Kooperation mit unserer Schwesterklinik in Friedrichsdorf und dem Friedrichsdorfer Institut für Therapieforschung e.V (FIT) mit unserer Suchthelferausbildung. Anmeldungen werden ab sofort entgegen genommen.
Die genauen Termine entnehmen Sie bitte ab Januar unserer Homepage www.salus-huerth.de