Kleine Anfrage Antwort LANDTAG RHEINLAND

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Kleine Anfrage Antwort LANDTAG RHEINLAND
LANDTAG RHEINLAND-PFALZ
14. Wahlperiode
Drucksache 14/
4319
07. 07. 2005
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friederike Ebli (SPD)
und
Antwort
des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit
Saisonarbeit in der Landwirtschaft im europäischen Vergleich
Die Kleine Anfrage 2552 vom 15. Juni 2005 hat folgenden Wortlaut:
Medienberichten zufolge sind Arbeitsuchende aus dem deutschen Arbeitsmarkt zunehmend auch als Erntehelfer in den Niederlanden, beispielsweise bei der Tomatenernte oder beim Blumenanbau, beschäftigt. Zweitens hatte sich die Bundesagentur für Arbeit im April 2005 mit dem Deutschen Bauernverband darauf verständigt, den Anteil deutscher Erntehelfer in der Landwirtschaft
zu steigern. Drittens wurde auch in den Medien für das Nachbarland Frankreich vor einiger Zeit von einem Unmut französischer
Landwirte über die deutschen Berufskollegen berichtet, dass diese die französische Landwirtschaft mit niedrigen Löhnen, hohen
Arbeitszeiten und „billigem Salat“ in die Krise stürzen würden.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Wie hoch sind nach Kenntnis der Landesregierung die aktuellen Tariflöhne für Aushilfskräfte/Erntehelfer in Landwirtschaft
und Weinbau in Rheinland-Pfalz auch im Vergleich zu Frankreich und den Niederlanden?
2. Liegen der Landesregierung Kenntnisse darüber vor, in welchem Umfang deutsche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen als
Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft in den Niederlanden arbeiten?
3. Liegen der Landesregierung aktuelle Zahlen über den Einsatz von Arbeitsuchenden aus dem deutschen Arbeitsmarkt in Landwirtschaft und Weinbau in Deutschland und Rheinland-Pfalz vor und welche weiteren Schritte wird die Bundesagentur für Arbeit nach Kenntnis der Landesregierung hierbei weiter unternehmen?
4. Wird vor dem Hintergrund der EU-Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nach Kenntnis der Landesregierung der Anteil der polnischen Studenten und Studentinnen an dem Anteil polnischer Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft in Deutschland steigen?
5. Wie beurteilen nach Kenntnis der Landesregierung die berufsständischen Organisationen in Deutschland und Rheinland-Pfalz
den Unmut landwirtschaftlicher Vertreter aus Frankreich über die im Vergleich niedrigeren Tariflöhne und längeren Arbeitszeiten bei der Saisonarbeit in Deutschland sowie billigere deutsche Gemüsepreise und die hierbei aus Frankreich vorgetragene
Kritik bzw. Äußerungen, deutsche Landwirte würden hierdurch die französischen Berufskollegen in die Krise stürzen?
6. Wie schätzt die Landesregierung die französische Kritik der Bauernvertreter ein?
Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben
vom 6. Juli 2005 wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Die Tariflöhne für Aushilfskräfte beziehungsweise Erntehelfer in Landwirtschaft und Weinbau werden in Rheinland-Pfalz in nach
Regionen aufgeteilten Lohntarifverträgen ausgewiesen. Die Tarifverträge gelten für die Tarifgebiete Pfalz, Rheinhessen und Rheinland-Nassau. In allen drei Lohntarifverträgen werden Aushilfskräfte beziehungsweise Erntehelfer nach Auskunft der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in die Lohngruppen „Hilfsarbeiter für leichte Arbeiten“ und „Landarbeiter für leichte Arbeiten“ eingeordnet. Innerhalb dieser Lohngruppen unterscheiden die Tarifverträge für die Gebiete Pfalz und Rheinhessen zwischen
Zone II und Zone I beziehungsweise Ortsklasse A und B. Die genannten Tarifverträge sind jedoch zum 31. August 2004 durch Kündigung außer Kraft getreten. Neue Lohntarifverträge wurden von den Tarifvertragsparteien bisher noch nicht abgeschlossen. Die nachfolgenden Angaben erfolgen auf der Grundlage der außer Kraft getretenen Lohntarifverträge.
Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Juli 2005
Drucksache 14/
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Landtag Rheinland-Pfalz – 14. Wahlperiode
Bei der Frage nach der Höhe der Tariflöhne bedeutet das im Detail für Aushilfskräfte beziehungsweise Erntehelfer in der Pfalz in
der Lohngruppe „Hilfsarbeiter für leichte Arbeiten“ in Zone II einen Stundenlohn von 4,74 Euro und in Zone I einen Stundenlohn
von 4,71 Euro (je für Arbeitskräfte über 18 Jahre). In der Lohngruppe „Landarbeiter für leichte Arbeiten“ beträgt der Stundenlohn
in Zone II 5,60 Euro und in Zone I 5,56 Euro (je für Arbeitskräfte über 18 Jahre).
Im Lohntarifvertrag für das Tarifgebiet Rheinland-Nassau ist für die Landwirtschaft in der Lohngruppe „Hilfsarbeiter für leichte
Arbeiten“ ein Stundenlohn von 4,68 Euro (Arbeitskräfte über 18 Jahre) und in der Lohngruppe „Landarbeiter für leichte Arbeiten“
ein Stundenlohn von 5,53 Euro vereinbart. Im selben Lohntarifvertrag ist für den Bereich Weinbau in der Lohngruppe „Hilfsarbeiter für leichte Arbeiten“ ein Stundenlohn von 4,75 Euro (Arbeitskräfte über 18 Jahre) und in der Lohngruppe „Landarbeiter für
leichte Arbeiten“ ein Stundenlohn von 5,61 Euro festgesetzt.
Der Lohntarifvertrag für Landwirtschaft und Weinbau im Tarifgebiet Rheinhessen legt für „Mischbetriebe“ in der Lohngruppe
„Hilfsarbeiter für leichte Arbeiten“ einen Stundenlohn für die Ortsklasse A in Höhe von 4,78 Euro und für die Ortsklasse B von
4,76 Euro fest. Für die Lohngruppe „Landarbeiter für leichte Arbeiten“ ist in der Ortsklasse A ein Stundenlohn von 5,65 Euro und
in der Ortsklasse B von 5,63 Euro vereinbart.
Darüber hinaus sind in diesem Lohntarifvertrag Lohnstaffeln für reine Weinbaubetriebe und reine landwirtschaftliche Betriebe zur
Akkordlohnberechnung (Geldfaktor) enthalten. Für reine Weinbaubetriebe beträgt der Geldfaktor für die Lohngruppe „Hilfsarbeiter für leichte Arbeiten“ in Ortsklasse A 5,50 Euro und in Ortsklasse B 5,47 Euro (Arbeitskräfte über 18 Jahre). In der Lohngruppe
„Landarbeiter für leichte Arbeiten“ ist ein Geldfaktor von 6,50 Euro in der Ortsklasse A und von 6,47 Euro in der Ortsklasse B festgeschrieben.
Für die reinen landwirtschaftlichen Betriebe liegt der Geldfaktor der Lohngruppe „Hilfsarbeiter für leichte Arbeiten“ in der Ortsklasse A bei 4,70 Euro und in der Ortsklasse B bei 4,68 Euro (Arbeitskräfte über 18 Jahre). Für die Lohngruppe „Landarbeiter für
leichte Arbeiten“ wurde ein Geldfaktor in Ortsklasse A von 5,57 Euro und in Ortsklasse B von 5,55 Euro vereinbart.
Nach Aussage der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt hat diese im Rahmen einer Studie die Tariflöhne in Frankreich und
den Niederlanden ermittelt. Der Grundlohn in Frankreich beträgt demnach 6,67 Euro und in den Niederlanden 7 Euro. Die Frage der
Vergleichbarkeit der Tariflöhne kann nicht abschießend beurteilt werden, da nicht bekannt ist, wie sich die Löhne in Frankreich
und den Niederlanden zusammensetzen beziehungsweise welche Faktoren die Lohnhöhe beeinflussen.
Insoweit muss bei der Betrachtung der Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, dass in den jeweiligen Ländern unterschiedliche rechtliche Regelungen vorhanden sind, die sich auf die zu erzielenden Erlöse für die landwirtschaftlichen Produkte auswirken.
So müssen zum Beispiel in Deutschland neben dem zu zahlenden Tariflohn noch Unterkunftskosten, Vermittlungsgebühr und gegebenenfalls Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt werden.
Zu 2.:
Der Landesregierung liegen zu dieser Fragestellung keine Informationen vor.
Zu 3.:
Zahlen über den Einsatz von Arbeitsuchenden aus dem deutschen Arbeitsmarkt in Landwirtschaft und Weinbau in Deutschland
und Rheinland-Pfalz konnten seitens der Arbeitsverwaltung nicht zur Verfügung gestellt werden, da zwar die Abgänge Arbeitsloser
in Beschäftigung statistisch erfasst werden, nicht aber die Abgänge nach Branchen.
Über die vorhandenen statistischen Daten der Arbeitsverwaltung lässt sich allerdings ermitteln, dass nur wenige Arbeitslose für diese
Einsatzfelder gemeldet sind. So gaben im Mai 2005 nur 379 von 178 173 Arbeitslosen insgesamt in Rheinland-Pfalz als Zielberuf
Landwirt/Weinbauer/Landarbeitskraft (darunter Weinbergsarbeiter) an. Die Arbeitsverwaltung versucht nach wie vor, vorrangig
geeignete Arbeitslose in diese Einsatzfelder zu vermitteln.
Über die statistischen Daten zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Rheinland-Pfalz lässt sich ermitteln, dass zum Stichtag 30. September 2004 5 241 Beschäftigte im Bereich Pflanzenbau sowie 2 607 Beschäftigte im Bereich Gartenbau tätig waren. Im
Vergleich zu den 1181 292 Beschäftigten insgesamt in Rheinland-Pfalz zu diesem Stichtag stellt dies nur einen geringen Anteil dar.
Ein etwas höherer Anteil zeigt sich bei den geringfügig entlohnten Beschäftigten in Rheinland-Pfalz. Von den 231 428 zum Stichtag 30. September 2004 geringfügig Beschäftigten waren 2 750 im Pflanzenbau und 1773 im Weinbau tätig.
Zu 4.:
Die Heranziehung von polnischen Studentinnen und Studenten in der Landwirtschaft in Deutschland spielt eine untergeordnete
Rolle, da für die Studentinnen und Studenten nur während der Semesterferien, und zwar in den Monaten Juni, Juli und August eine
Arbeitsaufnahme möglich ist. Nachdem es in der Vergangenheit relativ viele Schwierigkeiten mit der Beschäftigung von Studentinnen und Studenten gegeben hat, wurde dieser Personenkreis nur im geringen Umfang für eine Anstellung in der deutschen Landwirtschaft angefordert.
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Zudem muss berücksichtigt werden, dass es in diesem Bereich eine feste Kontingentierung gibt, die besagt, dass insgesamt nur 10 000
ausländische Studentinnen und Studenten einer Ferienbeschäftigung in Deutschland nachgehen können.
Insoweit wird nicht erwartet, dass der Anteil an polnischen Studentinnen und Studenten in der Saisontätigkeit ansteigen wird.
Zu 5.:
Die vereinzelt vorgetragene Kritik landwirtschaftlicher Vertreter aus Frankreich wird seitens der berufsständischen Organisationen
als unberechtigt betrachtet.
Bezüglich der Vergleichbarkeit der gezahlten Löhne und der zu erzielenden Erlöse vom Handel und dem Verbraucher in den jeweiligen Ländern wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
Zu 6.:
Im September 2004 wurde infolge eines Presseberichts die Kritik französischer Bauern an den unterschiedlichen Erzeugerkosten in
Deutschland und Frankreich bekannt. Dabei handelte es sich nach Auffassung der Landesregierung um eine regionale Betrachtung
aus der Region Elsass, die nicht verallgemeinert werden sollte.
Sowohl die französischen als auch die deutschen Bauern stehen in einem europäischen Wettbewerb untereinander, innerhalb dessen in den einzelnen Ländern unterschiedliche Rahmenbedingungen gegeben sind. Französische, belgische sowie auch holländische
Bauern liefern ihre Produkte auf den deutschen Markt, genauso wie deutsche Bauern ihre Produkte auf andere Märkte liefern. Dabei
sind von den jeweiligen Produzenten die im Land vorgegebenen Regelungen zu berücksichtigen.
Nach Ansicht der Landesregierung ist nicht davon auszugehen, dass deutsche Bauern ihre französischen Kollegen durch günstigere
Produkte in die Krise stürzen.
Malu Dreyer
Staatsministerin
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