036 Report Design Hotels HO 10_2010
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036 Report Design Hotels HO 10_2010
Viele Hoteliers fragen sicH: Was ist eigentlich ein DesIgn- Claus Sendlinger gilt weltweit als Pionier und Experte, wenn es um Design-Hotels geht. 1993 hat er die Gruppe «Design Hotels» gegründet. Heute umfasst sein Imperium mehr als 190 sogenannte Design-Hotels in 40 Ländern. Doch viele Hoteliers fragen sich: Was ist eigentlich ein typisches Design-Hotel? Sind Design-Hotels mehr als nur ein kurzfristiger Trend? 36 10I2010 RepoRt Design-Hotels Interview: Hans R. Amrein Claus Sendlinger, Gründer und CEO Design Hotels. c laus Sendlinger, fast alles heutzutage ist Design. Sagen Sie mir: Was ist ein Design-Hotel? Gibt es eine klare Definition? Design-Hotels sind mehr als nur ein Platz zum Schlafen! Wir versprechen «Hotelerlebnisse». Jedes unserer Hotels ist ein Unikat. Genauso einzigartig sind auch die Menschen, die hinter den Hotels stehen: Alles leidenschaftliche, kreative und multidisziplinäre Persönlichkeiten, die ihre Visionen zum Leben erweckt haben. Die Gäste, die in unsere Häuser kommen, sind eine gleichgesinnte, Design-affine Community, die Wert legt auf Einzigartigkeit und Authentizität. Entscheidend ist das richtige Konzept für die richtigen Gäste in der richtigen Umgebung. Und mindestens ebenso wichtig: Die richtige Betreuung – vor, während und nach der Reise. Sie haben «Design Hotels» 1993 gegründet. Warum? Was war damals der Grund, eine solche Hotel-Vereinigung ins Leben zu rufen? Ich habe mit Anfang 20 meine eigene Reise- und Eventagentur gegründet und mit Musikern, DJs, Künstlern und anderen Kreativen Events auf der ganzen Welt organisiert. Diese Leute waren auf der Suche nach einem Hotel, wo sie gleichgesinnte Leute treffen konnten. Glauben Sie mir, es war damals eine echte Herausforderung, ein solches Hotel zu finden! An diesem Punkt beschloss ich, solche Lifestyle-orientierten Hotels unter ein Dach zu bringen und Design-Hotels zu nennen. Lobby im Augarten Design-Hotel in Graz (Österreich). Hotel? 10I2010 Heute repräsentieren Sie mehr als 190 privat geführte Hotels in 40 Ländern. Wer kann denn Mitglied von «Design Hotels» werden? Wie lauten die Aufnahmekriterien? Wir betrachten gezielt die Menschen hinter dem Projekt und ob ihre Vorstellungen den unseren entsprechen. Ein Designerstuhl in der Lobby macht aus einem Hotel noch lange kein Mitglied von «Design Hotels»! Vielmehr muss ein Hotel ein klares, ganzheitliches Konzept vorweisen. Architektur, Design, Service, Gastronomie und viele sogenannte «weiche» Faktoren müssen sich wie Puzzleteile ineinanderfügen und ein stimmiges Bild ergeben. Die Mitarbeiter und die Gäste spielen dabei natürlich eine grosse Rolle, da sie einem Hotel erst seine Seele geben. All unsere Mitgliederhotels zeichnen sich auch durch einen starken persönlichen Bezug zu ihrer Umgebung aus. Weniger wichtig sind uns die Klassifizierung nach Sternen und die Hotelstandards. Wir leben von der Individualität und Originalität unserer Hotels und deren Besitzer. Worin liegt der Profit für Ihre Mitglieder, also die Design-Hotels? Was bieten Sie ihnen konkret? Als Mitglied von «Design Hotels» erhält ein Hotel Zugang zu unserem weltweiten Netzwerk. Ob ein 20- oder 200-Zimmer-Hotel, wir bieten stets massgeschneiderte Lösungen für jedes Haus. Man braucht sich nur ein kleines Villenressort auf Bali vorzustellen. Dort hat man nicht die nötige › 37 Stillleben im Augarten Hotel, Graz (Österreich). 38 10I2010 RepoRt Design-Hotels Pool im Augarten Hotel, Graz (Österreich). « eIn DesIgneRstuHl In DeR lobby mAcHt Aus eInem Hotel nocH lAnge keIn DesIgn-Hotel. » Skulptur im Treppenhaus des Augengarten Hotel, Graz (Österreich). 10I2010 39 « AutHentIzItät bIs Ins kleInste DetAIl steHt HIeR An eRsteR stelle, DAs fängt An beI Den HAnDgemAcHten seIfen bIs HIn zuR köcHIn, DIe nAcH Den Alten Rezepten kocHt. HIeR weRDen tRADItIonen wIeDeR zum leben eRweckt. » Claus sendlinger über das Hotel santo stefano di sessanio (italien) Santo Stefano di Sessanio (Italien): Zimmer mit Badewanne und Kamin. 40 10I2010 RepoRt Design-Hotels Santo Stefano di Sessanio: Ristorante. Santo Stefano di Sessanio: Köchin mit Pasta. 10I2010 Santo Stefano di Sessanio: Zimmereingang mit Lavabo. 41 Badezimmer im Ocean Drive Hotel, Ibiza. « JeDes DesIgn-Hotel Ist eIn unIkAt. » Zimmer im Ocean Drive Hotel, Ibiza. 42 10I2010 RepoRt Design-Hotels Infrastruktur für globale Sales-, PR- und Marketingaktivitäten. «Design Hotels» bietet seinen Hotels eine Plattform, um sich weltweit zu präsentieren. Die Hotels sind zudem buchbar über unsere kostenfreie Reservierungsnummer und unsere Website www.designhotels.com. Als Mitglied von «Design Hotels» sind die Hotels auch in unsere Social-Media-Kampagnen auf Facebook und Twitter integriert. len. Authentische Erlebnisse, die in Erinnerung bleiben. Die Einbindung eines Hotels in seine kulturelle Umgebung. Hotels als Treffpunkt und Türöffner in die lokale Szene. Reine Gastfreundschaft statt abgehobenen Service. Kurz: Die Rückkehr zur schlichten Wertigkeit und der kulturellen Verwurzelung. Daran werden wir uns messen müssen – als Hotelier ebenso wie als Gastronom oder Servicekraft. Design umfasst ja nicht nur die Hotellerie, sondern auch die Gastronomie. Wie sieht denn ein richtiges Design-Restaurant aus? Gibt es sogar Design-Food? Viel wichtiger ist doch die Frage: Was macht gutes Essen in einem Design-Hotel aus? Für mich sind das ein stimmiges Gesamtkonzept, regionale Zutaten und die individuelle Handschrift des Kochs. Das «Boundary» ist ein perfektes Beispiel dafür. Im Albion Café wird das Brot selbst gebacken und auf jedem Ei steht der Name der Henne, die es gelegt hat – natürlich symbolisch gemeint. Ein weiteres Beispiel für ein gelungenes Hotelrestaurant ist das Restaurant im Cosmo Hotel Berlin Mitte. Der Küchenchef, Ottmar Pohl, setzt auf Aromaküche und kennt seinen Kräutergärtner persönlich. In welche Richtung werden sich die Design-Hotels in den nächsten fünf bis zehn Jahren denn entwickeln? Für uns steht qualitatives Wachstum an erster Stelle. Unser Portfolio soll in den nächsten sechs bis acht Monaten auf über 200 Hotels anwachsen, bei gleich bleibend hohen Qualitätskriterien. Einige Hoteliers sind der Meinung, das Thema Design sei bloss ein kurzfristiger Trend. Was sagen Sie dazu? Wir verstehen unter Design nie Trends! Viele Hoteliers haben erst in den letzten zehn Jahren das Potenzial gut designter Hotels erkannt. Bei unseren Mitgliederhotels zählt hingegen nicht nur das Design. Sie werden von Hoteliers betrieben, deren Ziel es ist, ihren Gästen Erlebnisse zu bereiten. Dies steht im Gegensatz zu den grossen Kettenhotels, die möglichst viele Übernachtungen verkaufen wollen. Deshalb sehen wir in unserer Nische langfristig ein grosses Wachstum. Mir fällt auf, dass einige Design-Hotels sich kühl, eher unpersönlich und nicht gerade gemütlich präsentieren. Design wirkt oft abstrakt, undefinierbar, modisch, eben trendig. Aber als Gast fühlt man sich nicht sehr wohl … Wir betrachten immer das Gesamtkonzept eines Hotels – und da ist die Einrichtung nur ein Teil davon. Natürlich gibt es Hotels, deren Design von manchen als abstrakt angesehen wird, wie zum Beispiel das Hillside Su in der Türkei. Es gibt in unserem Portfolio aber auch andere Hotels, wie das Crosby Street Hotel in New York, dessen Design alles andere als kühl oder abstrakt ist. Anfang Juni fand in Berlin das «Design Hotels Future Forum 2010» mit Experten, Architekten, Trendforschern und Designern statt. Das Fazit des Forums? Die interessanteste Erkenntnis des Forums war für mich die These von den «Turbulent Teens» vom Future Laboratory in London – über den Umgang mit den ökologischen und sozio-demografischen Herausforderungen in der kommenden Dekade. In Zeiten wie diesen, in denen alles im Fluss ist, sind neue Denkansätze und innovative Konzepte gefragt. Für die Hotellerie bedeutet das eine Besinnung auf die Details: Handgefertigte Stücke, die eine eigene Geschichte erzäh10I2010 Können Sie so etwas wie einen Trend für die Hotellerie generell ausmachen? Ich denke, dass einzigartige Erlebnisse immer wichtiger werden. Es gibt viele schwache Konzepte in der Hotellerie und zu viele Hoteliers, die einen Designer oder einen Architekten beauftragen, ohne zu fragen, welches Hotelkonzept in die jeweilige Umgebung passt. Das Hotel im Jahr 2020. Wie sieht es aus? Was erwartet der Gast? Was wird relevant sein? Hotels müssen Geschichten erzählen! Sie müssen ihre Gäste mit einbinden! Ein Hotel wird nicht mehr nur ein Ort zum Essen und Schlafen sein, sondern muss seinen Gästen authentische Erlebnisse bieten. Ihr Lieblings-Design-Hotel? Ich habe kein Lieblingshotel, sondern bevorzuge unterschiedliche Hotels für unterschiedliche Anlässe. Für kleine kreative Meetings empfehle ich das umgestaltete Puro Oasis Urbano in Palma de Mallorca mit seinen drei neuen Meeting- und Eventräumen. Privat liebe ich das neue Hotel Sezz Saint-Tropez an der Côte d’Azur. Ausserhalb von Saint-Tropez und nur wenige Gehminuten vom Strand entfernt, erinnert das Resort an ein kleines provenzalisches Dorf. Oder auch das bereits erwähnte Sextantio Albergo Diffuso. Es befindet sich in einem mittelalterlichen Bergdorf in den Abruzzen, in Santo Stefano di Sessanio. Das Hotel ist ausschliesslich von unberührter Natur umgeben. Die Einrichtung ist auf ein Minimum reduziert und nur mit dem Nötigsten an moderner Technik ausgestattet. Authentizität bis ins kleinste Detail steht hier an erster Stelle, das fängt an bei den handgemachten Seifen bis hin zur Köchin, die nach den alten Rezepten kocht. Hier werden Traditionen wieder zum Leben erweckt. Es ist ein absolut einmaliges Erlebnis! Wo steht denn die Schweizer Hotellerie, wenn es um Design und Architektur geht? Gibt es in der Schweiz so etwas wie Musterbetriebe, die Vorbildcharakter haben? Oh ja! Es gibt viele positive Beispiele. Von The Hotel in Luzern bis zum The Dolder Grand in Zürich. Dem französischen Stararchitekten Jean Nouvel gelang mit The Hotel ein faszinierender Bau – von der dezenten Sandsteinfassade bis zu den überwältigenden Deckenbildern aus 25 verschiedenen Filmsequenzen. Grossartig! H «Design Hotels» in KüRze «Design Hotels» wurde 1993 von Claus Sendlinger (heute CEO der Gruppe) mit zehn Mitgliederhotels gegründet. Heute repräsentiert und vermarktet die Gruppe mehr als 190 privat geführte Hotels in 40 Ländern. «Design Hotels» ist allerdings mehr als eine Hotelrepräsentanz. Jedes einzelne Hotel wird ganz genau geprüft, bevor es in die Gruppe aufgenommen wird. «Die Philosophie von ‹Design Hotels› beruht auf einem ganzheitlichen Ansatz: Architektur, Design, Service und Gastronomie müssen sich wie Puzzleteile zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen», sagt Claus Sendlinger im «Hotelier»-Interview (vgl. Haupttext). «Design Hotels» bietet seinen Mitgliedern Services an, die von konzeptioneller Markenbildung bis hin zum internationalen Vertrieb reichen. Hauptsitz der Gesellschaft ist Berlin. Weitere Büros befinden sich in London, Barcelona, New York, Singapur, Bali und Perth (Australien). www.designhotels.com 43