Witz-Battle - Jan Weiler

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Witz-Battle - Jan Weiler
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Witz-Battle
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u den unverwüstlichen Vorurteilen zwischen den Geschlechtern gehört
die Behauptung, Frauen könnten keine Witze erzählen. Das stimmt
wahrscheinlich nicht, außer bei Lorella. Sie würde das wahrscheinlich
nicht einmal bestreiten. Lorella ist die Schwester meiner Frau Sara. Sie ist
verheiratet mit Jürgen, einem Ingenieur, Esoteriker und Weinkenner.
Humor bildet nicht unbedingt die Kernkompetenz dieser Menschen.
Beide lachen nur äußerst ungern. Über ulkige Dinge wie Homöopathie
darf man bei ihnen überhaupt keine Scherze machen. Und wenn doch,
müssen Pointen bis zu eine Million Mal verdünnt und zehn Mal umgerührt werden. Kein
Wunder, dass sie dann nicht mehr wirken.
Wenn Lorella spricht, rauschen immer ernste relevante, soziologische oder politische
Subtexte mit. Angenommen, sie ruft: „Das Essen ist fertig“, dann enthält dieser banale Text
folgende Botschaften: Erstens: Lorella hat sich dem Patriarchat gebeugt und gekocht, wofür
sie keinen Dank, aber Mitgefühl erwartet. Zweitens: Wir bekommen jetzt etwas zu essen, viele
andere Menschen nicht. Wir sollten darüber nachdenken. Drittens: Umwelt und Natur haben
Lebensmittel preisgegeben, was keine Selbstverständlichkeit mehr ist, wenn man einmal in
die Psyche eines Chicorées hineingehorcht hat. Und viertens: Das Essen ist fertig.
Bei diesem Essen – es gab veganen graubraunen Matsch mit einem grünen Kloß und VataTee – ging es zunächst schweigsam zu, weil Jürgen in sich und sein Essen atmen wollte, wobei
man nicht reden darf. Aber dann unterhielten wir uns doch und Lorella kündigte an, einen
Witz zu erzählen. Ich kenne sie zwanzig Jahre und sie hat noch nie auch nur etwas Ähnliches
wie einen Scherz gemacht. Ihre Ankündigung, einen Witz zu erzählen klang in etwa so
skurril wie jene Nachrichtenmeldung, der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un habe einen
missliebigen Minister mit einer Flugabwehrkanone hinrichten lassen. Und dennoch: Beides
war Realität und es folgte ein Witz, dessen Erzählung Lorella so vollständig vergeigte, dass ich
eher darüber als über die Pointe lachen musste.
Es handelte sich um einen jener Scherze, in denen man drei Personen unterschiedlicher
Nationalität auftreten lässt. In diesem Fall einen Amerikaner, einen Russen und einen
Deutschen. Anstatt gleich mal mit dieser nicht ganz unwichtigen Info zu beginnen, sagte
Lorella: „Drei Männer streiten sich. Der eine davon ist ein sowjetischer Astronaut.“ Jürgen
unterbrach sie und rief: „Der ist Kosmonaut.“ „Nein, Sowjet,“ sagte Lorella beleidigt und fuhr
fort: „Das ist aber gar nicht wichtig. Jedenfalls sagt er, dass er zuerst im Weltall war. Und der
Amerikaner sagt, das stimme gar nicht, denn er sei auf dem Mond gewesen. Und da sagt ein
Deutscher: Jaaa, aber wir fliegen nachts.“
Betretenes Schweigen. Ich habe den Witz später gegoogelt. Er geht so: Ein Russe, ein
Amerikaner und ein Deutscher streiten, welches die größte Weltraumnation sei. Der Russe
ruft: "Wir waren die Ersten im Weltall!" Der Amerikaner schreit: "Aber wir waren die erste
Nation, die Menschen auf den Mond brachte!" Da sagt der Deutsche: "Mag sein. Aber wir
Deutsche werden die Ersten sein, die zur Sonne fliegen." Darauf die Anderen: "Aber das geht
doch gar nicht! Die Sonne ist doch viel zu heiß!" Da sagt der Deutsche: "Das haben wir
selbstverständlich berücksichtigt. Wir fliegen nachts." Eigentlich nicht übel und für einen
Lacher gut, wenn man ihn denn richtig bringt.
Dann erzählte Sara einen Witz. Sie ist gut darin. Der Witz ging so: Treffen sich zwei
Spermien. Sagt das eine: "Wenn ich zuerst ankomme, werde ich ein Junge." Darauf antwortet
das andere: "Pah. Ich bin zuerst da. Und ich werde ein Mädchen!" Plötzlich schreit ein
Kuchenkrümel: "Ihr Deppen werdet gar nix, ihr seid in der Speiseröhre!" Ich musste lachen
und verschluckte mich beinahe an dem grünen Kloß. Jürgen und Lorella schwiegen. Dann
sagte Lorella: „Was soll denn daran lustig sein? Ich meine, wie sind denn diese Spermien in
die Speiseröhre gekommen? Das ist doch völlig unlogisch.“ Sara legte ihr eine Hand auf den
Arm und sagte. „Stimmt, darüber habe ich nicht nachgedacht.“ Wir sind dann sehr bald nach
Hause gegangen. Lorella und Jürgen haben bestimmt noch lange über Saras Witz diskutiert.•
25. MAI 2015