Bestandsaufnahme

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Bestandsaufnahme
oekom
Corporate Responsibility
Review 2010
Nachhaltigkeit in Unternehmensführung und
Kapitalanlagen – eine Bestandsaufnahme
Inhaltsverzeichnis
Editorial. ..................................................................................................................................................................................................................... 2
Robert Haßler, CEO oekom research AG
Auf den Punkt gebracht: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse................................................................................. 3
Schön und gut – nachhaltiges Investment bei Stiftungen. ................................................................................................................5
Dr. Hermann Falk, Bundesverband Deutscher Stiftungen
1. Entwicklung des nachhaltigen Investments – Zahlen und Fakten............................................................................................ 8
1.1 Deutschsprachiger Raum....................................................................................................................................................................... 8
1.2 Europa........................................................................................................................................................................................................... 10
1.3 Emerging Markets.................................................................................................................................................................................... 11
1.4 Nachhaltige Investments weltweit.................................................................................................................................................. 12
1.5 Performance von nachhaltigen Kapitalanlagen........................................................................................................................ 12
1.6 Mikrofinanz................................................................................................................................................................................................ 13
1.7 Aktives Aktionärstum............................................................................................................................................................................. 14
1.8 Ausblick........................................................................................................................................................................................................ 15
ESG Reporting in Emerging Markets.......................................................................................................................................................... 16
Geoffrey Mazullo, School of American Law (SAL), Poland
2. Corporate Responsibility im Unternehmensmanagement – Stand und Trends............................................................... 18
2.1 Basis der Analysen: das oekom Universum............................................................................................................................... 18
2.2 Corporate Responsibility: Gesamtperformance. .................................................................................................................... 20
2.2.1 Unternehmen mit oekom Prime-Status........................................................................................................................... 20
2.2.2 Die Branchensieger...................................................................................................................................................................22
2.2.3 Corporate Responsibility in ausgewählten Branchen............................................................................................... 23
2.3 Corporate Responsibility in ausgewählten Themenbereichen.........................................................................................24
2.3.1 Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung.............................................................................................................24
2.3.2 Korruption, Bilanzfälschung und andere Wirtschaftsdelikte............................................................................... 26
2.3.3 Menschen- und Arbeitsrechte...............................................................................................................................................29
2.3.4 Management von Klimarisiken.............................................................................................................................................32
2.3.5 Energie.............................................................................................................................................................................................. 35
2.3.6 Wasser............................................................................................................................................................................................. 40
2.3.7 Biodiversität. ................................................................................................................................................................................. 43
2.4 Ausblick....................................................................................................................................................................................................... 47
Biodiversität – die nächste Herausforderung für die Finanzwirtschaft. ...................................................................................49
Stefan Hörmann, Global Nature Fund
oekom Inside.......................................................................................................................................................................................................... 51
Anhang: Methodik, Glossar, Quellen und Publikationen................................................................................................................. 52
Impressum. ............................................................................................................................................................................................................. 56
oekom research AG
Seite oekom CR Review 2010
Editorial
Robert Haßler, CEO oekom research AG
Wie würden Unternehmen in der Wirtschafts- und
Finanzkrise mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen? Im oekom Corporate Responsibility Review
2009 haben wir zwei mögliche Szenarien skizziert:
Zum einen die Reduzierung der entsprechenden
Maßnahmen unter dem Motto „Umweltschutz und
Nachhaltigkeit können wir uns in der Krise nicht leisten“, zum anderen eine Strategie, die Nachhaltigkeit
als Beitrag zur Lösung der Krise ansieht.
In den vergangenen Monaten gab es zahlreiche
prominente Beispiele dafür, dass letzteres Szenario
in vielen Fällen der Realität durchaus nahe kommt.
So hat beispielsweise BMW unter Hinweis auf seine
Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategie seinen Ausstieg
aus der Formel 1 verkündet, das Handelsunternehmen
Metro hat Nachhaltigkeit zum neuen Eckpfeiler seiner Unternehmensstrategie erklärt, und der USHandelskonzern Wal-Mart will zukünftig den KlimaFußabdruck aller Produkte deutlich machen.
Was steckt dahinter – Greenwashing oder ein echter Strategiewechsel? Vereinzelt erkennt man in den
entsprechenden Aktivitäten von Unternehmen den
Wunsch, endlich wieder einmal positive Nachrichten
zu produzieren, und in einigen Fällen eilt dabei die
Kommunikation der tatsächlichen sozialen und
umweltbezogenen Leistung ein gutes Stück voraus.
In vielen Fällen ist das gesteigerte Engagement aber
Ausdruck der von der Wirtschaftkrise beförderten
Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit einen zentralen
Beitrag für die Stabilisierung und Sicherung der
Zukunftsfähigkeit der Unternehmen leisten kann.
Auch in Politik und Gesellschaft wurde dem
Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung im abgelaufenen Jahr hohes Gewicht eingeräumt. So hat
Bundespräsident Horst Köhler in seiner Berliner
Rede 2009 als Antwort auf die weltweite Wirtschaftsund Finanzkrise eine „industrielle ökologische
Revolution“ gefordert. Papst Benedikt XVI. kritisierte
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in seiner Weihnachtsansprache die Ausbeutung der
natürlichen Ressourcen, die oftmals durch „kurzfristige wirtschaftliche Interessen“ geleitet sei und
auf Kosten sowohl der Entwicklungsländer als auch
der zukünftigen Generationen ginge. Er sieht in der
aktuellen Krise eine „historische Gelegenheit“, die
Bekämpfung der Umweltschäden zu forcieren und
parallel eine nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung zu fördern.
Dies sind zahlreiche Signale dafür, dass die
Kompassnadel in Richtung Nachhaltigkeit zeigt. Ob
sich dies in der unternehmerischen Realität konkret niedergeschlagen hat und wenn ja, in welchem
Umfang die Unternehmen sich an diesem Kompass
orientieren, dokumentiert der vorliegende Corporate
Responsibility Review 2010. Neben vielen Zahlen,
Daten und Fakten zur Entwicklung des nachhaltigen
Investments und des unternehmerischen Corporate
Responsibility (CR-) Managements weltweit präsentiert dieser zweite Review auch wieder drei hoch interessante Gastbeiträge. Bei allen drei Autoren möchten
wir uns für ihr Engagement herzlich bedanken.
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Seite Ihr
oekom CR Review 2010
Auf den Punkt gebracht:
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Entwicklung des nachhaltigen Investments
• Nachhaltige Kapitalanlagen haben bei vielen Investorengruppen weiter an Bedeutung ➔ S. 8ff.
gewonnen. Nie war – bezogen auf nachhaltige Publikumsfonds – das Angebot in Europa
größer, nie das Volumen höher. Auch bei Stiftungen, Pensionskassen und vermögenden
Privatanlegern ist das Interesse an nachhaltigen Kapitalanlagen nachweisbar gestiegen.
• Im deutschsprachigen Raum waren per Ende 2009 313 nachhaltige Publikumsfonds mit ➔ S. 8ff.
einem Gesamtvolumen von rund 30 Milliarden Euro zum Vertrieb zugelassen. In Europa lagen
die entsprechenden Zahlen bei 683 Fonds mit einem Volumen von 53,3 Milliarden Euro.
• Die deutschsprachigen Länder liegen in Sachen nachhaltiges Investment deutlich hin- ➔ S. 8
ter anderen europäischen Ländern zurück. So werden nach Schätzungen des Forums
Nachhaltige Geldanlagen (FNG) in Deutschland und Österreich nur 0,7 Prozent des gesamten
Anlagevolumens unter Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien getätigt. In der Schweiz liegt
der Prozentsatz immerhin bei 2,8 Prozent. Zum Vergleich: In Belgien erreichen nachhaltige
Anlagen einen Marktanteil von 20 Prozent, in den Niederlanden sogar von 40 Prozent.
• Der Marktanteil nachhaltiger Kapitalanlagen in Europa liegt bei ca. 17,6 Prozent. Weltweit ➔ S. 10ff.
werden rund 5.000 Milliarden Euro unter Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien verwaltet,
gut die Hälfte davon in Europa.
• Anlagen in Emerging Markets sind einer der neuen Anlagetrends im nachhaltigen Investment. ➔ S. 11
Noch gibt es für dieses Engagement aber hohe Hürden. Hierzu zählt insbesondere die mangelnde Transparenz hinsichtlich der Corporate Responsibility von Unternehmen.
• Das Vorurteil, dass nachhaltige Kapitalanlagen gegenüber konventionellen Anlagen einen ➔ S. 12
systematischen Performancenachteil aufweisen, hält sich hartnäckig. Zahlreiche empirische
Studien haben auch 2009 belegt, dass diese Annahme falsch ist.
• Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien gehört zur treuhänderischen Pflicht von ➔ S. 13
Vermögensverwaltern. Darauf weist die Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten
Nationen (UNEP FI) in einer Studie hin. Die Studie räumt damit mit dem Vorurteil auf, aus
Gründen der treuhänderischen Verantwortung dürfe man als Vermögensverwalter keine
Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen.
• Auch Mikrofinanz-Anlagen erfreuen sich steigender Beliebtheit. Derzeit gibt es mehr als 100 ➔ S. 13
Mikrofinanz-Investmentvehikel, d. h. Investmentfonds und strukturierte Produkte, mit einem
Gesamtvolumen von knapp sechs Milliarden Euro.
• Neben dem Best-in-Class-Ansatz und der Nutzung von Ausschlusskriterien gewinnt das so ➔ S. 14
genannte „Engagement“, d. h. der aktive Dialog zwischen Unternehmen und Aktionären
bzw. die Nutzung der Stimmrechte für soziale und umweltbezogene Ziele, als dritte Säule
des nachhaltigen Investments an Bedeutung.
• Nach einer Umfrage im Auftrag der DZ Bank aus dem Herbst 2009 interessieren sich 55 ➔ S. 15
Prozent der befragten Privatanleger für Anlageprodukte mit Umweltbezug, im Frühjahr 2008
waren es noch 48 Prozent gewesen.
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Corporate Responsibility im Unternehmensmanagement
Gesamtperformance
• Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat von wenigen Einzelfällen abgesehen bisher keine Bremsspuren im
CR-Management der Unternehmen hinterlassen. Ein systematisches Abbröckeln der entsprechenden
Aktivitäten oder eine Zunahme von Verstößen etwa bei Arbeits- und Menschenrechten oder Korruption
sind nicht erkennbar.
• Im Gegenteil: Nachhaltigkeit wird in den Unternehmen vermehrt als Beitrag zur Stabilisierung und
Sicherung der Zukunftsfähigkeit angesehen. Aber: Manche Initiative ist klar als Greenwashing einzustufen.
• Im Durchschnitt sind die Unternehmen von einer nachhaltigen Unternehmensführung weiterhin weit
entfernt. Der Wettbewerb um die beste Nachhaltigkeitsleistung – Grundidee des Best-in-Class-Ansatzes
im nachhaltigen Investment – funktioniert (nur) in einer Spitzengruppe. Defizite bestehen weiterhin bei
der Verankerung des Themas in der Breite.
Einzelergebnisse
• Insgesamt haben 504 der ca. 3.000 betrachteten Unternehmen derzeit den oekom Prime- ➔ S. 18ff.
Status und erfüllen damit die von oekom research definierten branchenspezifischen ökologischen und sozialen Mindeststandards. Die empirische Basis dieses CR Reviews bildet
das oekom Screening Universe mit ca. 3.000 internationalen Unternehmen, von denen rund
1.100 einem detaillierten oekom Corporate Rating unterzogen wurden.
• Die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen hat sich tendenziell ver- ➔ S. 24
bessert. Ausschlaggebend hierfür ist u. a. die steigende Zahl der Unternehmen, die sich an
den Vorgaben der Global Reporting Initiative (GRI) orientieren. Spitzenreiter sind spanische
Unternehmen, während US-Unternehmen weiter deutliche Defizite in der Berichterstattung
zeigen. Aufgeholt haben die Unternehmen aus Emerging Markets.
• Mehr als jedes sechste Unternehmen ist in Kartellverstöße bzw. Wettbewerbsvergehen ➔ S. 26
involviert. Auch Korruption ist in einigen Branchen nach wie vor weit verbreitet, insbesondere in der Baustoff-, der Rüstungs- und der Unterhaltungselektronikbranche.
• Eine Zunahme von Verstößen bei den Arbeits- und Menschenrechten im Zuge der Wirtschafts- ➔ S. 29
und Finanzkrise ist derzeit nicht zu beobachten, sie stellen aber in einigen Branchen ein
ernsthaftes Problem dar. Mehr als jedes zweite Unternehmen der Computer- wie auch der
Textilindustrie verstößt selbst oder in der Zulieferkette gegen anerkannte Arbeitsstandards.
In Menschenrechtsverletzungen sind vor allem die Bergbaubranche sowie die Unternehmen
der Öl- und Gasbranche involviert.
• Noch längst nicht alle Branchen nehmen die Risiken des Klimawandels ernst. Insbesondere ➔ S. 32
die Immobilien- und die Bauwirtschaft zeigen trotz ihrer vergleichsweise hohen Exponiertheit
gegenüber Klimarisiken bisher wenig Bereitschaft, sich mit diesen zu beschäftigen. Andere
Branchen, etwa die Energieversorger und die Öl- und Gasbranche, haben zumindest begonnen, sich systematisch damit auseinander zu setzen, indem sie Strukturen im Unternehmen
aufbauen und ihre Treibhausgasemissionen erfassen. Deutliche Defizite zeigen sich in der
mittelständischen Wirtschaft.
• Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist auf dem Weg, ein Topthema in der (Finanz-) Wirtschaft ➔ S. 43
zu werden. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass ihre wirtschaftliche Tätigkeit von einer
intakten Flora und Fauna und von funktionsfähigen Ökosystemen abhängig ist. Besonders
exponiert sind hier u. a. die Land- und Forstwirtschaft, die Tourismusindustrie und die
Nahrungsmittelbranche. Um die unternehmerische Berichterstattung zu diesen Risiken zu
forcieren, regt oekom research ein Biodiversity Disclosure Project an.
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Schön und gut – nachhaltiges Investment bei Stiftungen
Dr. Hermann Falk, Bundesverband Deutscher Stiftungen
Stiftungen in Deutschland: Sie sind reich und tun
Gutes, schmücken den Stifter und die Gesellschaft,
denken und arbeiten über den Tag hinaus. So zumindest lautet die landläufige Meinung. Mit anderen
Worten: Sie sind schön und gut. Allerdings wird dieser stehende Ausdruck häufig auch in einem anderen
Kontext gebraucht, nämlich „schön und gut, aber wie
geht’s denn jetzt weiter?“ Zwischen diesen beiden
Eckpunkten soll der folgende Beitrag über den Status
Quo und Trends im Anlageverhalten von Stiftungen
im Nachhaltigkeitsmarkt informieren.
Gewinne im Garten des Guten
Hat das Jahr 2009 dem Markt für nachhaltige
Investments genützt? Aus subjektiver Sicht: ja.
Im Jahr zwei der Finanzkrise hat dieses Segment
weiter an Bedeutung gewonnen. Die Gruppe von
Nachhaltigkeits-Anlegern und -Produktanbietern
in Deutschland hat Zulauf auch von Stiftungen1
erhalten. Als Kundenmotive sind im gesamten
Markt erkennbar: verstärkte Skepsis gegenüber der
Wachstumshörigkeit der konventionellen Wirtschaft,
Suche nach (relativer) Sicherheit und Enttäuschung
über die klassische Bankenberatung2. Ein spezieller
Grund im Stiftungssegment: Die Finanzanlage wird
ganzheitlich als Teil des gesellschaftlich relevanten,
gemeinnützigen Stiftungshandelns verstanden und
genutzt. Insgesamt handelt es sich um einen starken,
ungebrochenen Trend, der neben höchst glaubwürdigen, renommierten Anbietern solche mit hellgrünen
und sogar nicht ganz farbechten Produkten anzieht.
Um im Bild zu bleiben: Die Anbaufläche des einstmals
kleinen SRI3 -Gartens wird ständig erweitert, auf vielen Beeten kann geerntet werden; nicht alle Bäume
aber wachsen in den Himmel, in manchen Ecken
herrscht Wildwuchs und sogar Wühlmäuse wurden
gesichtet.
Studien und Meinungen
Gefördert wird diese Entwicklung durch die stets lebhafte Produktion von allgemeinen Marktstudien und
Umfragen, die teilweise auch einen Rückschluss auf
spezielle Stiftungsmeinungen und -handeln ermöglichen. Voraus zu schicken ist, dass sich viele kleine Stiftungen (bis eine Million Euro Vermögen) und
manche mittelgroße Stiftung (bis 20 Millionen Euro
Vermögen) wohl eher wie Privatanleger verhalten,
während die großen Stiftungen in der Regel dem
Segment der institutionellen Anleger zuzuordnen
sind.
Zu den Vor- und Nachteilen der nachhaltigen
Vermögensanlage äußerten sich im letzten Jahr 560
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Privatinvestoren gegenüber der FERI Eurorating und
prognostizierten zu 62 Prozent eine schlechtere
Performance gegenüber konventionellen Produkten.
Indes betrachten 51 Prozent die Höhe der Performance
als Vorteil von SRI oder sehen die Performance
zumindest ebenbürtig im Vergleich zu konventionellen Produkten. Ein Widerspruch, der zu denken gibt.
Allerdings kein Widerspruch zu der Umfrage des
Bundesverbandes Deutscher Stiftungen aus dem Jahr
2008, wonach mindestens 80 Prozent der Stiftungen
nach wie vor klassisch investiert sind, auch wenn das
Interesse und das tatsächliche Engagement steigen4.
Hierzu sogleich mehr.
Das Verhalten der großen Stiftungen, das sicherlich eher mit dem anderer institutioneller Anleger vergleichbar ist, lässt sich empirisch bislang noch nicht
abschätzen. Ob die Aussage der Union Investment
aufgrund einer Studie aus dem Jahr 2009, wonach
zwei Drittel der institutionellen Investoren SRIKriterien beachten, tatsächlich auch für diesen recht
kleinen und im Verhalten heterogenen Kreis von
Stiftungen gilt, konnte bislang nicht geklärt werden,
erscheint jedoch zweifelhaft.
In finanzwissenschaftlicher Hinsicht bringt eine
von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU)
in Auftrag gegebene und 2008 vorgestellte Studie5
Licht ins Dunkle. Zunächst wird dort der bisherige
Forschungsstand beschrieben und zitiert, wonach
seit Anfang der 1970er Jahre intensive Forschung zu
SRI stattfindet und seit Mitte der 1990er Jahre auch
konkrete Anlageprodukte untersucht werden konnten. Hierbei habe sich gezeigt, dass keine signifikanten Unterschiede zu konventionellen Anlagen feststellbar seien. Die eigenen Analysen des von der DBU
für die Studie beauftragten Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung in Mannheim kommen nun zu
einem ähnlichen Ergebnis. Wörtlich heißt es: „Die
Studie zeigt, dass nachhaltige Kapitalanlagen aus
Sicht von Stiftungen nicht nur eine zulässige, sondern auch eine sinnvolle Klasse von Anlageprodukten
darstellt.“6 Die DBU-Studie wird übrigens derzeit
aktualisiert und im Sommer mit neuen Zahlen unter
Berücksichtigung der Finanzkrise 2008/2009 veröffentlicht.
Die schon erwähnte Umfrage des Bundesverbandes
Deutscher Stiftungen vom März 2008 hat ergeben,
dass Stiftungen die Möglichkeiten zur nachhaltigen
Geldanlage weit stärker genutzt haben und zukünftig nutzen werden, als bislang gedacht. Ungefähr
zehn Prozent der Stiftungen dürften entsprechend
investiert haben und bis zu einem Drittel würden neu
oder zusätzlich investieren wollen7. Rechtsgründe
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stehen dem keinesfalls entgegen. Nachhaltiges
Investment ist also in den gut geführten Stiftungen
angekommen. Rein rechnerisch ergibt sich damit ein
Nachfragepotenzial von (vorsichtig geschätzt) mindestens zwei Milliarden Euro im Stiftungssegment.
Stiftungen könnten also nicht nur mit ihren gemeinnützigen Förderungen, sondern auch mit diesen
Mitteln die Welt positiv verändern.
Trends über den Tag hinaus
Die Frage nach den Werten, die einem Handeln zugrunde liegen, erlebt gerade in dieser Zeit eine – hoffentlich längerfristige – Renaissance. Wie nahe liegend
sie schon immer war, aber häufig nicht gestellt wurde,
zeigen in unterschiedlicher Ausprägung die Beispiele
Siemens für den Aktienbereich und Griechenland
für den Staatsanleihenmarkt. Abgesehen von dem
strafwürdigen Verhalten Einzelner hat Siemens als
Unternehmen nach den derzeitigen Erkenntnissen
die systematische Bestechung geduldet, sich also mit
unlauteren Mitteln geschäftliche Vorteile verschafft.
Eine solche Unternehmenskultur ermöglicht zwar
kurzfristige Gewinne, aber verursacht mittelfristig
enorm hohe Kosten. Auch Griechenland hat nicht nur
ein massives Schuldenproblem, sondern auch ein
mindestens ebenso großes Glaubwürdigkeitsproblem
durch seine falschen Wirtschaftsdaten. Damit
erlebt es eine ebenso klare „Abstrafung“ an den
Finanzmärkten wie ein Unternehmen mit Bilanzbetrug. Siemens hat diese Erkenntnis im Zuge der
Korruptionsaufarbeitung gemacht und kommentiert und nutzt den Nachhaltigkeitsgedanken als
Gegengift: „Eine allgemeine Lehre aus der Krise ist,
dass Nachhaltigkeit des Handelns durch kein kurzfristiges Kalkül verdrängt werden darf. Was wie eine
Binsenweisheit klingt, war an zu vielen Stellen und
bei vielen Akteuren abhanden gekommen. Heute ist
offensichtlich: Wo Nachhaltigkeit verloren geht, da
fehlt es auch an Verantwortungssinn, da wird Vertrauen zerstört, entsteht wirtschaftlicher Schaden und
kommen Menschen in Nöte und in Bedrängnis.“8
Private und Stiftungsanleger fordern mit Recht
auch von ihren Banken, Sparkassen und anderen Vermögensverwaltern ein verbessertes Wertefundament,
auch hier wieder im doppelten Sinn mit höherem
Eigenkapital und klaren Governance-Richtlinien zur
Vermeidung von zu hohen Boni, Rückvergütungen,
Gebühren und Provisionen sowie zum Ausschluss von
Interessenkollisionen.
Schön und gut, aber wie geht’s jetzt weiter?
Gemeinsam mit vielen Stiftungen und zahlreichen
anderen Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft
geht der Bundesverband Deutscher Stiftungen davon
aus, dass die Stiftungen mit SRI einen Hebel in der
Hand halten, der das gemeinnützige Wirken von
Stiftungen verbessern kann. Nicht nur weil es ethisch
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opportun ist und damit Ausdruck eines ganzheitlichen, zukunftsfähigen Denkens ist, sondern auch
weil es finanzwissenschaftlich solide ist.
Die Rolle des Bundesverbandes Deutscher
Stiftungen besteht deshalb darin, die Stiftungen unabhängig zu informieren, aber auch im Mitgliederkreis
und in der interessierten Öffentlichkeit aktiv für
eine weitere Entwicklung zu werben. Dies geschieht
in Publikationen9, persönlicher Beratung und in
Veranstaltungen wie dem Deutschen StiftungsTag und
dem Forum Stiftungsvermögen. Konkrete Hilfestellung
wird auch durch die Wissensvermittlung in Seminaren
der Deutschen StiftungsAkademie geleistet. Ebenfalls
finden sich Links, Vorträge und anderes Material auf
der Homepage. Gleichzeitig ermöglicht der Verband
den wesentlichen Akteuren aus dem Finanzsektor,
sich den Stiftungen vorzustellen und ihre Angebote
bekannt zu machen, vor allem durch Vorträge,
Anzeigen und Sponsoringbeiträge. Wo es passt, werden auch konkrete Dienstleistungsangebote „unter
Vertrag genommen“, d.h. der Verband vereinbart in
einem Rahmenvertrag mit dem Anbieter bestimmte
exklusive Sonderkonditionen, auf die die Mitglieder
dann in freier Entscheidung zurück greifen können.
Ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit in
diesem Dreieck zwischen Verband, Stiftungen und
Unternehmen ist das Angebot eines Nachhaltigkeitsscreenings von oekom research. Mitgliedsstiftungen
können ihr Anlageportfolio daraufhin überprüfen lassen, ob und in welchem Maße Nachhaltigkeitsüberlegungen verwirklicht sind. Die Analyse
ermöglicht es den Stiftungsgremien, ihren eigenen
Nachhaltigkeitsweg zu beginnen oder einen schon
laufenden Anlageprozess effizienter zu gestalten.
Bei diesem Angebot sparen Verbandsmitglieder in
der Regel nicht nur viel Zeit, sondern auch Kosten,
die ansonsten für einen solchen Beratungsprozess
aufgebracht werden müssten.
Gerade bei der Entwicklung einer nachhaltigen Anlagestrategie kommt es darauf an, in einem
stiftungsinternen Diskurs alle Beteiligten mit ihren
Interessen und Erfahrungen einzubinden. Nur auf
diese Weise können die wesentlichen Eckpunkte der
Anlagepolitik geklärt werden und langfristig Bestand
haben. Niedergelegt werden sollten diese Eckpunkte
in einer möglichst klaren Anlagerichtlinie, die konkret
Anlageziele und Risikokennzahlen ebenso nennt wie
abstrakte Abläufe und Zuständigkeiten festhält.
Tipps für Stiftungen, die sich dem Thema gerade
öffnen wollen: Einen relativ einfachen Zugang bieten nachhaltig gemanagte Publikumsfonds, insbesondere als ETF-Produkt. Ebenfalls erscheint vielen
Stiftungen, die an sich eher skeptisch sind, eine
Anlage in Microfinance-Produkten nahe liegend, da
man dort eine angemessene Rendite und geringe
Ausfallrisiken mit dem stets angestrebten gesellschaftlichen Mehrwert verknüpfen kann. Überhaupt
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dürfte die Klärung der Frage, wo die Stiftung ihren
strategischen Kern sieht und wie sie aus diesem Kern
ihr Förderhandeln im gemeinnützigen Zweckbereich
ebenso entwickelt wie eine diesem Kern entsprechende Finanzanlage, für die Stiftung eine Bündelung der
Stiftungsziele und für die handelnden Personen ein
persönlich äußerst befriedigender Prozess bedeuten.
Also „schön und gut“ und sehr sinnvoll!
Fazit
Wissenschaftlich fundiert und mehrheitsfähig ist
derzeit folgende Aussage: Die systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bringt jeder
Stiftung in der Finanzanlage eine mindestens ebenso gute Ertrags- und Gewinnentwicklung wie die so
genannte konventionelle Anlage. Keinesfalls führt die
Verringerung des theoretischen Anlageuniversums
durch Ausschluss von bestimmten Ländern, Unternehmen, Anlageklassen und Produkten dazu, dass
die Ertragsaussichten geschmälert werden oder
sich das Risiko-/Gewinn-Verhältnis negativ entwickelt. Zugleich lässt sich eine positive Wirkung in
den gemeinsamen gesellschaftlichen Zielen, also bei
der Bekämpfung von sozialen Missständen, bei der
Erhaltung der Schöpfung und bei der Entwicklung
eines ethisch basierten Handelns in Wirtschaft und
Politik, erzielen. Der Begriff der „doppelten Rendite“
bringt diese verschiedenen Argumente recht gut auf
den Punkt.
Quellen:
(1) vgl. auch das Schwerpunktthema „Gutes Geld“ im Magazin StiftungsWelt
2-2009 des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen
(2) vgl. Stiftung Warentest „Anlageberatung der Banken im Test“, Dezember
2009, und Deutsches Institut für Service-Qualität (DSIQ) im Auftrag von n-tv
zitiert in DIE WELT vom 11.06.2009, S. 15
(3) Socially Responsible Investment
(4) Bundesverband Deutscher Stiftungen, StiftungsReport 2008/09, S. 30
(5) Schäfer/Schröder, Nachhaltige Kapitalanlagen für Stiftungen, 2009
(6) a. a. O., S. 149
(7) s. Fußnote 4. Bei diesen Angaben handelt es sich um Trendaussagen, da
die Antwortquote zu gering war, als dass sich daraus nach wissenschaftlichen Kriterien belastbare statistische Aussagen ableiten lassen.
(8) Siemens AG, Geschäftsbericht 2009, S. 13
(9) s. Fußnoten 1 und 4
Dr. Hermann Falk ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Bereich Administration & Corporate Sector beim Bundesverband Deutscher Stiftungen. Einige Eckpunkte aus dem beruflichen Werdegang:
Studium und Referendariat in Saarbrücken, Tübingen, Berlin und New York; zunächst als wirtschaftsberatender Rechtsanwalt in Düsseldorf tätig; Leitung des Rechtsbereichs in der Münchner Zentrale des
Goethe-Instituts. Weitere nebenberufliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten: Mitglied in diversen Anlageausschüssen im Bereich ethisch-ökologische Vermögensanlage; Vorsitzender des Aufsichtsrates der
Naturstrom AG, Düsseldorf; Mitglied im Beirat „Goethe-Institute in Deutschland“, München.
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1. Entwicklung des nachhaltigen Investments –
Zahlen und Fakten
Der Markt für nachhaltige Investments ist
nicht nur vergleichsweise gut durch die
Finanzkrise gekommen, sein Wachstum hat
sich – wohl auch als Folge der Krise – weiter fortgesetzt. Nie war, wenn man sich den europäischen
Markt für nachhaltige Publikumsfonds anschaut, das
Angebot von entsprechenden Anlageprodukten so
groß wie heute, nie das Volumen höher. Und auch
bei institutionellen Investoren wächst das Interesse
an diesem Thema weiter.
Dafür gab es 2009 eine Reihe von Belegen. So
ist beispielsweise die Zahl der Unterzeichner sowohl
der UN Principles for Resonsible Investment (UN PRI)
als auch des Carbon Disclosure Projects (CDP) weiter
gestiegen. Auch das Aufkommen neuer, investoren-
➔
spezifischer Begriffe für den Investmentansatz – hier
ist beispielsweise vom „Impact Investment“, vom
„Mission Related Investment“ oder vom „Program
Related Investing“ die Rede – ist ein Indiz dafür, dass
sich bestimmte Zielgruppen, insbesondere Stiftungen
und Pensionsfonds, stärker mit dem Thema auseinandersetzen. Daneben gibt es auch Belege für ein stärkeres Interesse von vermögenden Privatanlegern, so
genannten High Net Worth Individuals (HNWI).
Auf den folgenden Seiten sind ausgewählte
Ergebnisse der aktuellsten verfügbaren Marktstudien
dargestellt. Sie geben einen umfassenden Überblick
über die Entwicklung nachhaltiger Kapitalanlagen in
Deutschland und dem deutschsprachigen Raum, in
Europa und weltweit.
1.1 Deutschsprachiger Raum
Nachhaltige Publikumsfonds in Deutschland
279 Fonds aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Ethik und
erneuerbare Energien waren nach Berechnungen von
ECOreporter.de am Jahresende 2009 in Deutschland
zugelassen, 83 Fonds mehr als Ende 2008 und 168
mehr als noch Ende 2006. Das Gesamtvolumen dieser Fonds lag in Deutschland zum Jahresabschluss
2009 bei 30,08 Milliarden Euro (Ende 2008: 18,26
Milliarden Euro, Ende 2007: 28,2 Milliarden Euro). Im
Durchschnitt legten die in Deutschland zugelassenen
nachhaltigen Aktienfonds 2009 um 29,2 Prozent, der
Welt-Aktienindex MSCI World um 25,9 Prozent zu.
Mehr als eine halbe Milliarde Euro haben deutsche Anleger nach Angaben von ECOreporter.de 2009
in nachhaltige geschlossene Fonds, insbesondere in
Solarfonds, investiert. 40 geschlossene Fonds aus
den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige
Waldwirtschaft und Umwelttechnik starteten 2009
den Vertrieb.
Nachhaltige Publikumsfonds im
deutschsprachigen Raum
Insgesamt 313 nachhaltige Publikumsfonds waren
nach Informationen des Sustainable Business Institute
(SBI) zum 31.12.2009 in Deutschland, Österreich und
der Schweiz zum Vertrieb zugelassen, 39 Fonds mehr
als Ende 2008. Ihr Volumen lag bei insgesamt rund 30
Milliarden Euro.
31 Fonds mit einem Volumen von ca. 790 Millionen
Euro sind nach Recherchen des SBI im Jahr 2009 neu
aufgelegt worden: 19 Aktien-, fünf Misch-, vier Renten-,
zwei Dachfonds und ein Exchange Traded Fund (ETF).
Darüber hinaus sind gegenüber Ende 2008 29 Fonds
hinzugekommen, die entweder bereits in anderen
Ländern zugelassen waren oder neuerdings Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. 13 Aktien-, sechs
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Renten- und zwei Mischfonds wurden 2009 mit anderen Fonds zusammengelegt oder geschlossen.
Insgesamt liegen die deutschsprachigen Länder
beim nachhaltigen Investment aber noch weit hinter anderen europäischen Ländern zurück. So werden nach Schätzungen des Forums Nachhaltige
Geldanlagen (FNG) in Deutschland nur 0,7 Prozent
des gesamten Anlagevolumens unter Einbezug von
Nachhaltigkeitskriterien getätigt. In Österreich liegt
der Prozentsatz ebenfalls bei 0,7 Prozent, in der
Schweiz immerhin bei 2,8 Prozent. Zum Vergleich:
In Belgien erreichen nachhaltige Anlagen einen
Marktanteil von 20 Prozent, in den Niederlanden
sogar von 40 Prozent.
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Nachhaltige Zertifikate und ETFs in Deutschland
Nachdem die Insolvenz der US-amerikanischen
Investmentbank Lehman Brothers zu einem deutlichen Einbruch am gesamten Zertifikatemarkt geführt
hat, konnte sich der Markt im Jahr 2009 wieder leicht
erholen. Dies gilt auch für die in Deutschland zugelassenen nachhaltigen Zertifikate.
Führend sind weiterhin die Indexzertifikate,
die mit 95 Zertifikaten bzw. 37 Prozent die größte
Gruppe ausmachen. Garantiezertifikate bilden mit
75 Produkten (29 Prozent) die zweitgrößte Gruppe.
Thematisch bezogen sich 81 Zertifikate (31 Prozent)
auf das Thema erneuerbare Energien, 60 Zertifikate
(23 Prozent) auf das Thema Nachhaltigkeit allgemein
und 43 Zertifikate (17 Prozent) auf das Anlagethema
Klimaschutz
Die nachhaltigen Exchange Traded Funds (ETFs)
konnten 2009 ein starkes Wachstum verzeichnen.
Das gesamte Fondsvolumen stieg im Vergleich
zum Jahresende 2008 um 118 Prozent auf rund 495
Millionen Euro, obwohl nur ein neuer ETF auf den
Markt gebracht wurde.
Entwicklung der Anzahl nachhaltiger Zertifikate in Deutschland; Quelle:
Stefan Schneider / ecofin Verbund (2010)
Ihre Zahl lag per 31.12.2009 bei 258, ein Plus von
rund acht Prozent gegenüber dem Stand von Ende
2008. Das Emissionsvolumen konnte um 19 Prozent
auf 9,2 Milliarden Euro zulegen. Diese Steigerung ist
vor allem auf das veränderte Emissionsverhalten der
Anbieter zurückzuführen: Anstelle von Hebelzertifikaten mit vergleichsweise geringen Emissionsvolumina haben sich vor allem neu emittierte Anlagezertifikate auf die Volumenentwicklung ausgewirkt.
Entwicklung der Anzahl nachhaltiger ETFs in Deutschland; Quelle: Stefan
Schneider / ecofin Verbund (2010)
Superreiche investieren nachhaltig
Auch so genannte High Net Worth Individuals (HNWI), d. h. vermögende Privatpersonen und Familien, schenken nachhaltigen Investments zunehmend Beachtung. Das zeigen die Ergebnisse der Studie „Mythos Family
Office“ von J.P. Morgan und dem Bayerischen Finanz Zentrum. Befragt wurden Vermögensverwaltungen von
Millionären und Milliardären aus Deutschland und der Schweiz, die in der Regel das Vermögen mehrerer
Großanleger verwalten. Dabei legen 20 Prozent der Multi Family Offices Wert auf sozial verantwortliche
Investments. Vertritt ein Family Office nur eine Familie, liegt der Wert bei 33 Prozent. Große Unterschiede gibt
es auch unter den Entscheidungsträgern: Ist der Vermögensinhaber alleiniger Bevollmächtigter, dann verfolgt jeder Vierte einen Nachhaltigkeitsansatz. Bestimmt dagegen ein Familiengremium die Anlagestrategie,
entscheiden sich nur 17 Prozent der Investoren für nachhaltige Anlagen. Überlassen Familien die endgültige
Entscheidung einem Berater, finden nachhaltige Investments gar nicht statt.
oekom research AG
Seite oekom CR Review 2010
1.2 Europa
Auch in Europa hat sich die Zahl der nachhaltigen
Publikumsfonds nach einer Studie der französischen
Nachhaltigkeits-Ratingagentur vigeo in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Per 30.06.2009 waren
insgesamt 683 entsprechende Fonds zum Vertrieb
zugelassen, ihr Volumen lag bei insgesamt 53,3
Milliarden Euro.
vigeo im Jahresvergleich das stärkste Wachstum
(+56 Prozent), gefolgt von Frankreich (+43 Prozent),
Österreich (+38 Prozent) und Belgien (+36 Prozent).
Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ist im
Jahresvergleich 2008 zu 2009 insbesondere der
Anteil von Rentenfonds am Gesamtvolumen deutlich gestiegen. Rund jeder dritte in Europa in
Publikumsfonds nachhaltig angelegte Euro steckt in
einem Rentenfonds. Zurückgegangen ist dem gegenüber der Anteil der in Aktienfonds investierten Gelder.
Nach 62 Prozent in 2007 lag der entsprechende Anteil
im vergangenen Jahr nur noch bei 55 Prozent. Stabil
ist der Anteil des in nachhaltigkeitsorientierten
Mischfonds investierten Kapitals. Das durchschnittliche Fondsvolumen lag bei Aktienfonds bei 74
Millionen Euro und bei Mischfonds bei 57 Millionen
Euro. Das höchste durchschnittliche Volumen erreichten die Rentenfonds mit 157 Millionen Euro.
Quelle: vigeo (2009); Stand: 30.06.2009; Volumen in Mrd. Euro
Die Anzahl der Fonds ist damit binnen Jahresfrist
um 27 Prozent gestiegen, das Volumen um knapp
zehn Prozent. Sowohl bei der Anzahl nachhaltiger
Publikumsfonds als auch beim Volumen wurden
damit historische Höchststände erreicht.
Gemessen an der Zahl der im Land beheimateten Fonds liegen Frankreich (150 Fonds) und Belgien
(143) an der Spitze. Es folgen Großbritannien (98),
die Schweiz (65) sowie Deutschland und Schweden
(61). Deutschland zeigt dabei nach der Statistik von
Bezieht man neben den Publikumsfonds auch die
Kapitalanlagen institutioneller Investoren mit ein, so
ergibt sich folgendes Bild:
Aufteilung der in Europa zugelassenen SRI-Publikumsfonds nach
Assetklassen; Quelle: vigeo (2009); Stand: 30.06.2009; in %
Nach der aktuellsten verfügbaren Studie des europäischen Branchenverbandes Eurosif (➔ www.
eurosif.org) lag das Volumen der nachhaltigen
Kapitalanlagen per Ende 2007 bei
insgesamt knapp 2,7 Billionen
Euro, wobei der Löwenanteil dieser Anlagen durch institutionelle
Investoren erfolgte.
Der Anteil der nachhaltigen
Kapitalanlagen am Gesamtmarkt
erreichte rund 17,6 Prozent – mehr
als jeder sechste Euro wurde
also zu diesem Zeitpunkt unter
Berücksichtigung sozialer und/oder
ökologischer Kriterien angelegt.
Eurosif plant für 2010 eine Neuauflage der Studie, mit den Ergebnissen wird im Herbst gerechnet.
Volumen des unter Berücksichtigung von sozialen und/oder ökologischen Kriterien investierten Kapitals
in Europa; Quelle: Eurosif (2008); Stand jeweils 31.12. des Jahres; in Mrd. Euro
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
Mehr Transparenz bei der Nachhaltigkeitsqualität von Fonds
Die Berücksichtigung von sozialen, umweltbezogenen und insbesondere auch ethischen Aspekten bei der
Gestaltung von nachhaltigen Anlageprodukten betrifft unmittelbar die Wertvorstellungen der Anleger. Für sie
kommt es darauf an, prüfen zu können, ob das dem Anlageprodukt zugrunde liegende Nachhaltigkeitskonzept
mit Positiv- und Ausschlusskriterien mit den eigenen Vorstellungen von Nachhaltigkeit übereinstimmt.
In den vergangenen Jahren hat es vor diesem Hintergrund verschiedene Initiativen
gegeben, die Transparenz über die nachhaltigkeitsbezogene Qualität von Fonds
zu erhöhen. Wegweisend war hier das Transparenz-Logo, das vom europäischen Dachverband für nachhaltiges Investment, Eurosif, eingeführt wurde. Es
wird an Fonds vergeben, die bestimmte Anforderungen an die Transparenz des
Investmentprozesses und die dabei genutzten Kriterien erfüllen. Derzeit wird das
Logo europaweit von rund 60 Fondsmanagern für insgesamt 235 Fonds genutzt und damit für rund jeden
dritten in Europa zugelassenen Nachhaltigkeitsfonds.
Einen Schritt weiter geht das Label für Fonds, das die französische SRI-Organisation
Novethic in 2009 eingeführt hat. Die Fonds müssen vier Kriterien erfüllen, um ausgezeichnet zu werden: Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales,
Governance) im Anlageprozess, ein „Extra Financial Reporting”, Transparenz hinsichtlich der SRI-Anlagestrategie und die vollständige Publikation aller Positionen
in den Portfolios. Darüber hinaus gibt es zwei Sonderauszeichnungen: Zum einen
für aktives Aktionärswesen („Engagement“), also den Dialog mit Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit, zum
anderen für die gezielte Schaffung eines ökologischen oder sozialen Mehrwerts – etwa durch die bewusste
Auswahl von besonders CO2-effizienten Unternehmen. Per Ende 2009 waren 92 Fonds mit dem Label ausgezeichnet. Beworben hatten sich 121 Fonds.
1.3 Emerging Markets
Ein steigendes Interesse an der Berücksichtigung
von Nachhaltigkeitsaspekten bei Investments in
Emerging Markets belegt eine Studie der International
Finance Corporation (IFC) mit dem Titel „Gaining
Ground: Integrating Environmental, Social and
Governance Factors into Investment Processes in
Emerging Markets“, die im März 2009 veröffentlicht wurde. 82 Prozent der im Rahmen der Studie
befragten Fondsmanager und Vermögensverwalter
gehen davon aus, dass in den kommenden drei
Jahren bei Investments in Emerging Markets
Nachhaltigkeitsaspekte weiter an Bedeutung gewinnen werden. Motivation für die Berücksichtigung
entsprechender Kriterien bei der Kapitalanlage sei
dabei, dass sich bei nachhaltigen Unternehmen
langfristig ausgerichtete Investments mit höherer
Wahrscheinlichkeit rentieren. Nachhaltigkeitskriterien
erleichterten es, das wirtschaftliche Potenzial und die
Risiken von Investments in Emerging Markets einzuschätzen.
oekom research AG
Die Bereitschaft, in Unternehmen aus den Emerging Markets zu investieren, scheitert allerdings
häufig an deren mangelnder Transparenz im Bereich
Corporate Responsibility (CR). Das ist das Ergebnis
einer Umfrage aus 2009 des Emerging Markets
Disclosure (EMD) Projects unter nachhaltigkeitsorientierten Asset Managern und institutionellen
Investoren. Demnach wären 70 Prozent der Befragten
dazu bereit, größere Volumina in den Emerging
Markets zu investieren, wenn es dort bereits SRIStrukturen gäbe, an denen sie sich orientieren könnten – etwa Nachhaltigkeitsindizes. Außerdem würden
sich die Unternehmen nur selten zu international gültigen ethischen Standards verpflichten.
Brasilien ist unter den nachhaltigkeitsorientierten Investoren nach Aussage der Studie am beliebtesten. Das brasilianische Ölunternehmen Petrobras
war das Top Holding bei den befragten Investoren,
gefolgt von Samsung Electronics (Südkorea), China
Mobile (China), Taiwan Semiconductor (Taiwan),
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oekom CR Review 2010
Teva (Israel), Vale Do Rio Doce (Brazil), America Movil
(Mexiko), Gazprom (Russland), Posco (Südkorea) und
Ambev (Brasilien).
Auch in China zeigen sich erste Ansätze eines
nachhaltigen Investments, wie eine Studie der
Beratungsgesellschaft BSR zeigt, die diese im
Auftrag der IFC erstellt hat. Hier sind derzeit ein
Nachhaltigkeitsindex (SSE-SRI) sowie ein Publikumsfonds auf dem Markt. Darüber hinaus bezeichnet der
größte Pensionsfonds Chinas (NSSF) „Responsible
Investment“ als eines seiner vier zentralen Anlageprinzipien. Barrieren für die Entwicklung des Segments sind nach Einschätzung der Autoren der sehr
kurzfristige Anlagehorizont der Chinesen (zwei bis
drei Monate für Aktien), der für die Marktakteure ungeklärte „Business Case“ von nachhaltigem Investment
und die derzeit noch sehr vielfältigen und daher verwirrenden Bezeichnungen dieses Anlagesegments.
Mit der Frage der Transparenz über das CR-Management der Unternehmen in Emerging Markets beschäftigt sich auch der
Gastbeitrag von Geoffrey Mazullo.
1.4 Nachhaltige Investments weltweit
Wie Eurosif publizieren auch andere nationale bzw.
regionale Dachverbände für nachhaltiges Investment
regelmäßig Daten über die Entwicklung des Marktes.
Eine internationale Koordination im Hinblick auf die
Definition von nachhaltigen Investments und die
Erhebungszeitpunkte findet bisher aber leider nicht
statt, so dass sich die verfügbaren Informationen auf
verschiedene Zeitpunkte und Grundgesamtheiten
beziehen. Auf der Grundlage der vorliegenden Daten
schätzt oekom research das Gesamtvolumen der
nachhaltigen Kapitalanlagen global auf rund 5.000
Milliarden Euro.
Region
EU
Bezugsdatum
Volumen
2007
2.665 Mrd.
USA
2009
1.820 Mrd.
Kanada
2008
386 Mrd.
Asien
2007
44 Mrd.
Australien
2009
Global
37 Mrd.
ca. 5.000 Mrd.
Volumen des unter Berücksichtigung von sozialen und/oder ökologischen
Kriterien investierten Kapitals in verschiedenen Regionen; Quellen: ASrIA,
Eurosif, RIAA, Social Investment Forum, Social Investment Organisation; in Euro €
1.5 Performance von nachhaltigen
Kapitalanlagen
Mit verschiedenen Studien wurde auch im Jahr
2009 versucht, die bei Teilen der Investoren
nach wie vor bestehenden Zweifel im Hinblick
auf die Wettbewerbsfähigkeit von nachhaltigen
Kapitalanlagen gegenüber konventionellen Anlagen
auszuräumen.
Die Unternehmensberatung
Mercer (US) hat in einer Metastudie – d. h. einer zusammenfassenden Auswertung von
entsprechenden Performancestudien anderer Autoren – mit
dem Titel „Shedding Light
on Responsible Investment:
Approaches, Returns and
Impacts“ gezeigt, dass die
Berücksichtigung sozialer und
umweltbezogener Kriterien bei der Kapitalanlage
positiv mit der Rendite korreliert. Im Fazit der Studie
oekom research AG
heißt es, dass der Report die These untermauert,
dass Nachhaltigkeitsstrategien einen messbaren
Mehrwert für ein Portfolio schaffen können.
Der Bericht knüpft an die 2007 von Mercer veröffentlichte Publikation „Demystifying Responsible
Investment Performance“ an. Nimmt man die
Ergebnisse beider Erhebungen zusammen, zeigen
20 von insgesamt 36 begutachteten wissenschaftlichen Arbeiten eine positive Korrelation von nachhaltigen Geldanlagen und der Finanzperformance
der Portfolios, 13 weisen auf einen neutralen
Zusammenhang hin und nur drei Arbeiten geben
Anhaltspunkte für eine negative Korrelation.
Auch die Investmentboutique SAM (CH) hat in
ihrer Studie „Alpha durch Nachhaltigkeit“ gezeigt,
dass nachhaltige Unternehmen eine bessere
Aktienkursentwicklung aufweisen als weniger nachhaltige. Die Ergebnisse zeigen, dass die nachhaltigsten Unternehmen in den Jahren 2001 bis 2008 jähr-
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oekom CR Review 2010
lich um 1,48 Prozent besser rentierten.
Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien
bei der Kapitalanlage ist dabei kein Luxus, sondern
integraler Bestandteil der Verantwortung von Asset
Managern für das ihnen anvertraute Vermögen. Das ist
das Ergebnis des Berichts „Fiduciary Responsibility:
Legal and Practical Aspects of Integrating Environmental, Social and Governance Issues into Institutional Investment” der Asset Management Working
Group der UNEP FI, deren Mitglieder selbst rund zwei
Billionen US-Dollar verwalten.
Die Sorgfaltspflicht müsse Vermögensverwalter
veranlassen, auch Risiken im Portfolio zu prüfen,
die durch Umweltfaktoren hervorgerufen werden –
so das Fazit der Studie. Darüber hinaus sehen
die Autoren große institutionelle Investoren in der
Verantwortung, Impulse für
ein ressourceneffizientes und
emissionsarmes Wirtschaften
zu setzen. Der Bericht ist
Nachfolger der als „FreshfieldsStudie“ bekannt gewordenen
Publikation zu dem Thema aus
dem Jahr 2005.
Beispiel: Global Challenges Index
Der Global Challenges Index (GCX) wurde in Kooperation zwischen den Börsen Hamburg und Hannover und
oekom research entwickelt und im September 2007 am Markt eingeführt. Er umfasst 50 Unternehmen, die im
Rahmen ihres Kerngeschäfts einen Beitrag zum Umgang mit den großen globalen Herausforderungen, u. a.
dem Klimawandel, dem Artensterben und
der Wasserknappheit, leisten. Alle gelisteten Unternehmen müssen von oekom
research als Best-in-Class bewertet sein und
besonders strengen Ausschlusskriterien
genügen. Ein Beirat aus Vertretern des
Bundesverbandes Deutscher Stiftungen,
von ILO, Transparency International und
WWF sowie der evangelischen und katholischen Kirche berät die Indexprovider bei der
Auswahl geeigneter Unternehmen und der
Weiterentwicklung der Auswahlkriterien.
(➔ www.gc-index.com)
Performance des GCX (obere Linie) im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2009 im Vergleich zu MSCI
World (mittlere Linie) und DJ Euro Stoxx 50 (untere Linie); Quelle: www.comdirect.de
Der GCX hat im Jahr 2009 eine gute
Performance gezeigt und wichtige konventionelle Benchmarks wie den MSCI World
und den DJ Euro Stoxx 50, aber auch nachhaltige Benchmarks wie den Dow Jones
Sustainability Index hinter sich gelassen.
1.6 Mikrofinanz
In jüngerer Vergangenheit ist das Angebot an
Mikrofinanzfonds für institutionelle und private Anleger deutlich gestiegen. Diese Fonds können mit den Geldern, die sie bei institutionellen
und privaten Investoren einsammeln, Darlehen an
Mikrofinanzinstitute (MFI) vergeben. Das wachsende
Engagement gerade von institutionellen Investoren
wird durch öffentliche Institutionen unterstützt, die
dabei häufig eine so genannte „Geländerfunktion“
erfüllen, indem sie beispielsweise Garantien abgeben
oder eine „First-Loss-Tranche“ mit öffentlichen Mitteln
oekom research AG
ausstatten. Solche Tranchen werden im Ernstfall als
erstes herangezogen, um mögliche Verluste abzufedern. Die Bonität der MFI als Empfänger der Mittel aus
den Fonds wird durch spezialisierte Ratingagenturen
wie Microrate, Microfinanzas oder M-CRIL überprüft. Dabei werden u. a. die Strategie der MFI, die
Eigentümer- und Corporate Governance-Struktur, die
Qualität des Kreditportfolios und die Marktposition
bewertet.
Derzeit gibt es nach Aussage von Experten
mehr als 100 Mikrofinanz-Investmentvehikel, d. h.
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oekom CR Review 2010
Investmentfonds oder strukturierte Produkte, mit
einem Gesamtvolumen von knapp sechs Milliarden
Euro. Für 2015 rechnet die Weltbank mit einem privaten Aufkommen von 15 Milliarden Euro. Als Vorteil von
Mikrofinanz-Produkten wird die geringe Korrelation
zu anderen Assetklassen, d. h. die Unhängigkeit von
Marktschwankungen bei anderen Anlagen, angesehen. In Europa sind zahlreiche auf Privatanleger
ausgerichtete Mikrofinanzfonds in Luxemburg und
der Schweiz beheimatet. In Deutschland wurde
Ende 2007 das Investmentgesetz geändert, um die
Auflage und den Vertrieb dieser Fonds zu erleichtern. Allerdings gibt es aufgrund der im Gesetz
formulierten Mindestanforderungen bisher keinen Mikrofinanzfonds mit Vertriebszulassung in
Deutschland.
Anlagen im Bereich der Mikrofinanzierungen werden aufgrund der Verbindung von finanzieller Rendite
mit sozialen Zielen für nachhaltigkeitsorientierte
Investoren als interessant angesehen. Gerade bei
diesen gibt es ein Interesse daran, Nachweise für die
sozialen Wirkungen der Investition zu bekommen. Für
Fondsmanager gibt es dafür derzeit zwei Optionen:
• Luxflag Label: Das 2006 eingeführte Label ist
derzeit die einzige
Zertifizierung von
auf Mikrofinanzierungen spezialisierten Investmentfonds. Im Rahmen der Labelvergabe
wird überprüft, ob die zertifizierten Investmentfonds tatsächlich in MFI investieren.
Per Ende 2009 wurden acht MikrofinanzInvestmentvehikel mit einem Gesamtvolumen
von knapp 1,7 Milliarden Euro Assets under
Management mit dem Label ausgezeichnet.
• Social Performance Reports: Im Rahmen von
Social Performance Reports informieren die
Investmentfonds im Detail über die entwicklungspolitische Dimension ihrer Investitionen.
Einen entsprechenden Report veröffentlicht beispielsweise der European Fund for
Southeast Europe (EFSE).
1.7 Aktives Aktionärstum
Die aktive Nutzung der Stimmrechte für soziale und
umweltbezogene Ziele wird neben der Nutzung von
Ausschlusskriterien und der Anwendung des Bestin-Class-Ansatzes als dritte Säule des nachhaltigen
Investments angesehen. Während dieses aktive
Aktionärstum in den angelsächsischen Ländern –
hier spricht man von „Engagement“ – bereits vergleichsweise stark verbreitet ist, gewinnt es in
Kontinentaleuropa erst langsam an Bedeutung.
Das SÜDWIND-Institut für Ökonomie und
Ökumene hat Anfang 2009 in der von der Deutschen
Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in
Deutschland unterstützten Studie „Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für ein Aktives Aktionärstum
in Deutschland“ analyiert, wie groß das Interesse
kirchlicher Investoren ist, ihr Kapital für soziale und
umweltbezogene Aspekte einzusetzen. Hierzu wurden 30 Führungskräfte aus Banken, Landeskirchen,
Diözesen und Stiftungen nach ihrer Bereitschaft
befragt, sich kritisch mit Unternehmen auseinanderzusetzen, deren Aktien sie besitzen. Zahlreiche
Interviewpartner, so das Ergebnis der Studie, sahen
einen konkreten Handlungsbedarf und wollen
besonders zu sozialen Themen mit Unternehmen ins
Gespräch kommen. Neben den Kirchen waren es vor
allem Stiftungen mit sozialen oder entwicklungspolitischen Förderzielen, die sich nach eigenen Aussagen
mit ihren Investitionen mehr engagieren wollen.
oekom research AG
Auch die im deutschsprachigen Raum aktive
Investorengemeinschaft
CRIC (➔ www.cric-online.
org), in der sich mehr als
100 private und institutionelle Investoren wie Ordensgemeinschaften,
Diözesen, Landeskirchen, Hilfswerke und Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen haben,
hat seine Aktivitäten im Bereich des Engagements
verstärkt.
Im Jahr 2009 wurden drei konkrete Projekte durchgeführt, die beispielhaft die Bandbreite der möglichen Themen im Bereich des aktiven Aktionärstums
zeigen:
• Aktive Forderung an deutsche und österreichische Banken, mehr Transparenz bezüglich der
Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in
ihr Wirtschaften zu schaffen;
• Einflussnahme auf RWE, sich aus dem geplanten Bau eines Atomkraftwerkes im bulgarischen Belene zurückzuziehen;
• Veröffentlichung einer Presseerklärung zu
Menschen- und Arbeitsrechtsverstößen in der
IT-Branche anlässlich der Messe CeBIT.
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oekom CR Review 2010
1.8 Ausblick
Wird die Erfolgsgeschichte des nachhaltigen
Investments auch 2010 fortgeschrieben? oekom
research hält dies für sehr wahrscheinlich – immerhin gibt es eine Reihe positiver Signale und
Weichenstellungen. So ist beispielsweise das
Interesse privater Anleger an diesem Thema weiter
gewachsen. Nach einer Umfrage im Auftrag der DZ
Bank aus dem Herbst 2009 interessieren sich immerhin 55 Prozent der Befragten für Anlageprodukte mit
Umweltbezug, im Frühjahr 2008 waren es noch 48
Prozent gewesen. Diese steigende Nachfrage stößt,
wie oben dargestellt, auf ein wachsendes Angebot
entsprechender Anlagen.
Auch bei institutionellen Investoren gewinnt das
Thema spürbar an Bedeutung. Nach einer Umfrage
des europäischen Dachverbands für nachhaltige
Investments, Eurosif, erwarten beispielsweise 90
Prozent der befragten europäischen Consultants großer Investoren in den kommenden drei Jahren eine
steigende Nachfrage seitens öffentlicher und privater
Pensionsfonds nach nachhaltigen Anlagestrategien
und -produkten. Auch bei Stiftungen steigt das
Interesse an solchen Anlagen. Sie gehören zu den
derzeit besonders intensiv umworbenen Zielgruppen
der Anbieter nachhaltiger Anlageprodukte. Allerdings
ist die Strategie, auch mit der Kapitalanlage den
Stiftungszweck zu unterstützen, bisher noch nicht
sehr weit verbreitet.
oekom research AG
Gleichzeitig kann, darauf weist das Forum
Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hin, die Politik durch
eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sowie
der eigenen Anlagepolitik den Markt positiv befördern. Das FNG schlägt z. B. vor, dass die öffentliche
Hand sich nur an Unternehmen direkt beteiligen sollte, die eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen. Das
FNG fordert außerdem, dass öffentliche Vermögen
und das Vermögen von Unternehmen in öffentlicher Hand nur unter Berücksichtigung verbindlicher
Standards für Nachhaltigkeit angelegt werden, wie es
die Stadt München im Jahr 2008 zumindest für Teile
ihres Vermögens vorgemacht hat, und die staatliche
Förderung für Finanzanlagen, z. B. der Riester Rente,
an verbindliche Nachhaltigkeitsstandards gebunden
wird. Schließlich sollten Stiftungen des öffentlichen
Rechts nach Vorstellungen des FNG verpflichtet werden offenzulegen, wie sie ethische, soziale und ökologische Kriterien bei der Anlage des Stiftungskapitals
berücksichtigen.
Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung
finden sich keine Aussagen zu diesen Forderungen.
Und vielleicht ist das gar nicht so schlimm. Immerhin
lassen sich immer mehr private und institutionelle
Anleger vom Leistungsversprechen entsprechender
Anlagen überzeugen: Die Verbindung einer marktgerechten Rendite mit der Erreichung sozialer, umweltbezogener und gesellschaftlicher Ziele.
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oekom CR Review 2010
ESG Reporting in Emerging Markets
Geoffrey Mazullo, School of American Law (SAL), Poland
those which have reached a minimum level of gross
Ten years ago, the acronym ESG had not yet been
domestic product (GDP) and are in the growth phase
coined. A significant minority of large multinational
of the development cycle but whose economies are
companies issued corporate social responsibility
particularly vulnerable to internal or external forces.”3
(CSR) reports1. However, an acronym for the stanSince macroeconomic factors such as growth, sociodardized set of extra-financial data investors use to
political factors such as maturity and stability, and
analyze, assess, benchmark, evaluate, monitor and
financial market factors such as liquidity significantly
value portfolio companies did not exist. Indeed, the
impact emerging markets, best practice in disclosuvery concept of “extra-financial” was not in vogue.
re by listed companies in emerging markets should
Instead, the financial community distinguished betinclude provision of information on these factors,
ween financial and non-financial factors influencing
many of which relate, either directly or indirectly, to
corporate performance. In the absence of an internaESG reporting.
tionally recognized set of standards, many compaIn 2001, the Partners for Financial Stability (PFS)
nies decided not to invest resources in non-financial
Program (➔ www.pfsprogram.org) conducted its inaureporting.
gural survey “Investor Relations Online”. It analyzed
Several developments moved the process of
the websites of the ten largest listed companies in the
standardization of ESG reporting forward, e.g. the
then eight EU candidate countries. From 2002 to 2009
promulgation of corporate governance principles
the survey was conducted semi-annually. In 2003 an
by the Organization for Economic Cooperation and
inaugural “Survey of Reporting on CSR” by the same
Development (OECD); adoption of corporate goverpeer group was conducted; it too was thereafter connance codes in advanced industrial economies and
ducted semi-annually though 2009. In 2004 the peer
emerging markets; the launch of the Global Reporting
group was widened to include Bulgaria, Croatia and
Initiative (GRI) as a standard for extra-financial
Romania. In 2007, BRIC and Ukraine were added. The
reporting; the launch of SRI indices on several stock
surveys analyzed the annual reports and websites of
exchanges, including emerging markets such as
the ten largest listed companies in the above-menBrazil; the launch of the United Nations Principles for
tioned countries in order to document disclosure
Responsible Investment (UN PRI); and seismic devepractices, collect time-series data and identify best
lopments in national legislation on ESG issues, inclupractice among the emerging market peer groups.
ding mandated gender equality in boards (Norway)
The figure below charts the development of the
and mandated CSR reporting by listed companies,
publication of stand-alone ESG reports (in English)
state-owned companies and financial institutions
by the largest listed companies in the above-mentio(Denmark as of 2010).
ned eleven CEE countries. In mid-September 2009,
All of the above-noted developments spurring
increased ESG reporting impacted emerging markets. However,
given the heterogeneity
of emerging markets,
the impact of these
developments varied
from region to region,
and within regions,
from country to country. Most definitions
suggest categorizing a
country as an “emerging market” according
to indicators such as:
level of income, growth
rate, stage of development, maturity and stability.2 “Emerging marESG Reporting in Central and Eastern Europe; Source: PFS Program (2009)
kets therefore include
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
45 of the 110 CEE companies surveyed (41%) issued a
stand-alone English-language ESG report, compared
with 41 companies (37%) in April 2009 and 28 companies (25%) in September 2008. The percentage of
companies which publish the report in compliance
with internationally recognized standards, such as
GRI, has also grown, although not as incrementally
and sustainably. Only a small minority of the reports
published include an assurance statement.
19 of the 40 companies surveyed in BRIC (47.5%)
issued a stand-alone English-language ESG report in
September 2009. The number was unchanged since
April 2009, and represented a slight increase vis-àvis 18 companies in September 2008. As a group,
BRIC blue-chips generally outperform CEE peers in
ESG reporting; however, the gap continues to narrow and a few CEE countries approach the disclosure levels found in BRIC. One Ukrainian company
issued a stand-alone English-language ESG report in
September 2009.
In marked contrast to all twelve previous surveys, the September 2009 edition of the Survey of
Reporting on CSR documented increased disclosure
in almost all areas analyzed. In 27 of the 30 categories surveyed, disclosure increased. In some categories, the increase was significant. In three categories of social policy, disclosure in the annual report
decreased. Below are some specific examples of the
development of ESG disclosures in CEE over the past
few years:
• 79% of the 110 CEE companies surveyed disclosed employee development/benefits policies in the (2008 or 2007) annual report available online in September 2009. This was the
highest percentage recorded since the first
survey was conducted in August 2003 and the
first time that the 75% threshold was exceeded.
• 77 of the 110 CEE companies surveyed (70%)
disclosed implementation of a corporate governance code in the (2008 or 2007) annual report
available online in mid-September 2009, compared with 57 companies (52%) in April 2009
and 60 companies (54.5%) in September 2008.
This too was the first time since the survey was
first conducted that disclosure of information
regarding compliance with a corporate gover-
nance code in the annual report available online reached the 70% threshold.
• 53% of the 110 CEE companies surveyed reported on environmental performance in the
(2007 or 2008) annual report available online
in mid-September 2009. This was the highest
percentage recorded since the first survey was
conducted in August 2003 and the first time
that the 50% threshold was exceeded. The percentage was 34.5% in September 2008, 33%
in September 2007, 25% in September 2006
and 22% in September 2005.
One driver for the recent increase in ESG disclosures by CEE blue-chip listed companies might be the
impact of a broad range of pressures – consumer,
investor, media, public and regulatory – emanating
from EU accession. Another plausible explanation is
the impact of corporate governance codes. Over the
past nine years CEE listed companies have ingested
and digested corporate governance. Whereas initially
there was a certain amount of resistance to increased
disclosure required by corporate governance codes,
over time intelligent managers and board members
realized that the code provided an opportunity to
collect and analyze useful information. As this process has continued and evolved, a new generation of
managers and board members realizes the company
can also benefit from analyzing a wider range of environmental and social issues.
CEE listed companies have made significant
progress in ESG reporting during a relatively recent
period of time. Significant improvement in Englishlanguage competency, development of a cadre of
investor relations professionals, ongoing information
technology (IT) advances and the overall impact of the
above-mentioned “mainstreaming” of ESG reporting
promise to continue to propel this trend forward in
the near future.
Annotations:
(1) According to KPMG’s triennial survey, 45% of Fortune 250 companies
published a separate CSR report in 2002, compared with 52% in 2005 and
78% in 2008.
(2) “Emerging Markets Defined,” Pearson, http://www.pearsoned.co.uk/
Bookshop/article.asp?item=361
(3) ibid.
Geoffrey Mazullo is Adjunct Professor of the School of American Law (SAL) in Gdansk and in Wroclaw,
Poland. From 2001-2009 he directed the PFS Program, a regional financial sector development project
co-financed by USAID and East-West Management Institute. Previously he worked as a corporate governance analyst with IRRC and ISS. Since the mid-1990s he has worked on corporate governance issues in
CEE, for a number of institutions. Contact: [email protected].
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
2. Corporate Responsibility im Unternehmensmanagement –
Stand und Trends
Welchen Einfluss hat die Wirtschafts- und
Finanzkrise auf die Beachtung von sozi
alen, ökologischen und wirtschaftsethischen
Standards in den Unternehmen? Nimmt angesichts
der Wirtschaftskrise die Neigung zu, wirtschaftlichen
Erfolg auf Kosten der Umwelt zu erreichen, Arbeits- und
Menschenrechte nicht mehr ganz so genau zu nehmen und Aufträge durch Korruption und Bestechung
zu erhalten? Und schränken die Unternehmen ihre
Kommunikation ein, um sich „auf das Kerngeschäft
zu konzentrieren“?
Im Rahmen des oekom Corporate Responsibility
Reviews 2010 geben wir Antworten auf diese
und weitere Fragen. Dazu analysieren und dokumentieren wir auf der Basis unserer umfassenden Unternehmensdatenbank den Stand des
Corporate Responsibility (CR-) Managements in den
Unternehmen. Bei der Auswahl der Themen orientieren wir uns an Ereignissen und Entwicklungen,
die nach unserer Einschätzung im Jahr 2009 besondere Bedeutung hatten und uns mit sehr großer
Wahrscheinlichkeit auch 2010 beschäftigen werden.
Dabei unterscheiden wir folgende Themenblöcke:
Corporate Responsibility in ausgewählten Themenbereichen
Wie reagieren die Unternehmen im Einzelnen auf die
Wirtschafts- und Finanzkrise? Dieser Frage gehen wir
in Kapitel 2.3 auf den Grund und haben dafür sieben
Aspekte ausgewählt, u. a. die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung, Korruption, Bilanzfälschung
und andere Wirtschaftsdelikte, Menschen- und
Arbeitsrechte sowie Klimarisiken.
➔
Corporate Responsibility: Gesamtperformance
Wie hat sich das Nachhaltigkeitsmanagement in den
Branchen und Unternehmen insgesamt verändert?
Welche übergeordneten Entwicklungen sind hier zu
beobachten? Diesen und weiteren übergreifenden
Aspekten widmet sich das Kapitel 2.2.
Ausblick
Zukunftsforscher und Wirtschaftsforschungsinstitute
haben derzeit einen schweren Job: Die Prognosen, wie
es in 2010 und darüber hinaus mit der Wirtschaftsund Finanzkrise und deren Folgen weitergeht, sind
angesichts zahlreicher Unwägbarkeiten sehr schwer.
Manch einer hat sich daher entschieden, überhaupt
keine Prognose abzugeben. Wir wagen trotzdem
einen Ausblick.
2.1 Basis der Analysen: das oekom
Universum
oekom research ist als Nachhaltigkeits-Ratingagentur
auf die Analyse von Unternehmen und Staaten nach
sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien
spezialisiert. Seit mehr als 16 Jahren erheben und
bewerten die aktuell 24 Analysten entsprechende
Daten. Die Ratings werden von mehr als 60 Kunden
aus acht Staaten für ihre Kapitalanlagen bzw. für die
Gestaltung entsprechender Anlageprodukte genutzt.
Per Ende 2009 wurden mehr als 90 Milliarden Euro
unter Einbezug der oekom Ratings verwaltet.
oekom research bewertet regelmäßig rund 3.000
Unternehmen aus mehr als 45 Branchen und über 40
Staaten. Ziel ist es, die Unternehmen zu identifizieren, die den Anforderungen nachhaltigkeitsorientierter Anleger genügen, d.h. eine gute Nachhaltigkeitsperformance zeigen und/oder nicht gegen die von
den Anlegern definierten Ausschlusskriterien versto-
oekom research AG
ßen. oekom research nutzt hierzu einen zweistufigen
Ansatz: Im Rahmen des oekom Corporate Scoutings
werden zunächst die Unternehmen identifiziert, die
ein Mindestmaß an sozialen und umweltbezogenen
Maßnahmen bzw. Transparenz darüber erkennen
lassen. Das hierbei zugrunde liegende Screening
Universe umfasst ca. 3.000 Unternehmen und deckt
wichtige Aktienindizes wie den MSCI World, den
MSCI Emerging Markets und den DJ Stoxx 600 komplett ab.
Unternehmen, die keine ausreichenden Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit erkennen lassen,
werden von oekom research mit „F“ bewertet. Die
übrigen Unternehmen qualifizieren sich für den zweiten Schritt, das detaillierte oekom Corporate Rating.
Dies waren per Ende 2009 rund 1.100 Unternehmen,
die sich drei Bereichen zuordnen lassen:
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oekom CR Review 2010
1. Börsennotierte Großunternehmen aus konventionellen Branchen
Das Teiluniversum mit börsennotierten Großunternehmen umfasst über 800 Unternehmen
aus 38 Staaten und rund 40 Branchen. Besonders
stark vertreten sind Unternehmen aus den
USA, Deutschland, Japan, Großbritannien und
Frankreich.
2. Börsennotierte kleine und mittelständische
Unternehmen mit Nachhaltigkeitsfokus
Dieses Teiluniversum beinhaltet Unternehmen,
die in Branchen tätig sind, die durch ihre Produkte
und Leistungen einen bedeutenden Beitrag zu
einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Dazu
zählen beispielsweise Unternehmen aus den
Bereichen Bildung, erneuerbare Energien, Recycling und Wasseraufbereitung.
Es umfasst knapp 200 Unternehmen aus 22
Staaten, wobei deutsche und US-amerikanische
Unternehmen zusammen rund die Hälfte des
Universums ausmachen. In Deutschland sind
nach wie vor besonders viele Unternehmen aus
dem Bereich erneuerbare Energien börsennotiert.
Aus dieser Branche sind 2009 auch zahlreiche
chinesische Unternehmen in das Teiluniversum
aufgenommen worden.
3. Nicht-börsennotierte Anleihenemittenten
Nicht-börsennotierte, nicht-staatliche Emittenten
von Unternehmensanleihen und Pfandbriefen,
z. B. Landesbanken und supranationale Organisationen, bilden das dritte Teiluniversum. Mit
ca. 120 Emittenten verfügt oekom research über
eines der größten Universen dieser Klasse weltweit. Die Unternehmen stammen aus mehr als 15
Staaten, wobei hier Emittenten aus Deutschland,
Österreich und Frankreich besonders stark vertreten sind.
Quelle: oekom research AG (2010)
Bitte beachten Sie:
Die folgenden Analysen beziehen sich grundsätzlich auf das oekom Rating Universe und damit auf die Unternehmen, die
bereits ein Mindestmaß an sozialem und umweltbezogenem Engagement zeigen. Eine Berücksichtigung der im Rahmen des
oekom Corporate Scoutings „herausgefilterten“ Unternehmen würde insbesondere die im Folgenden dargestellten Durchschnittswerte deutlich nach unten drücken.
Die Begriffe „Corporate Responsibility (CR)“ und „Nachhaltigkeit“ bzw. „CR-Management“ und „Nachhaltigkeitsmanagement“ werden im Rahmen der Studie synonym verwendet.
oekom Corporate Rating
Im Rahmen des oekom Corporate Ratings werden
die sozialen und umweltbezogenen Leistungen der
Unternehmen umfassend bewertet. oekom research
verwendet dabei rund 100 Einzelindikatoren aus
sechs Kategorien, die branchenspezifisch zusammengestellt werden, um den jeweiligen sozialen und
umweltbezogenen Herausforderungen der Branchen
gerecht zu werden.
oekom research nutzt einen absoluten Bestin-Class-Ansatz. Dabei qualifizieren sich nur die
Unternehmen für ein Investment, die ein von oekom
research festgelegtes Mindestrating auf der von A+
(beste Note) bis D- reichenden Ratingskala erreichen.
oekom research spricht in diesem Zusammenhang
von der „Prime-Schwelle“, die branchenindividuell
festgelegt wird. Die Schwelle ist umso höher, je größer
die negativen Auswirkungen der Branche auf Umwelt,
Mitarbeiter und Gesellschaft sind. Unternehmen,
oekom research AG
deren Leistungen über der Schwelle liegen, erhalten
von oekom research den Status „Prime“.
Bewertungskategorien im oekom Corporate Rating; Quelle: oekom
research AG (2010)
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oekom CR Review 2010
Ausschlusskriterien
Neben dem Best-in-Class-Ansatz hat sich im nachhaltigen Investment die Nutzung von so genannten Ausschlusskriterien als zweiter Hebel für die
Gestaltung von nachhaltigen Kapitalanlagen etabliert.
Dabei werden Unternehmen vom Investment
ausgeschlossen, die entweder in kontroversen
Geschäftsfeldern – z. B. Alkohol, Pornografie,
Rüstung oder Tabak – tätig sind, oder durch ein kontroverses Geschäftsverhalten auffallen, etwa durch
Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten
im Unternehmen selbst oder bei den Zulieferern.
Die Abbildung zeigt die zehn von den Kunden von
oekom research am häufigsten ausgewählten Ausschlusskriterien.
Top 10 der von Kunden von oekom research genutzten Ausschlusskriterien; Quelle: oekom research AG (2010)
2.2 Corporate Responsibility:
Gesamtperformance
Wie hoch ist insgesamt der Anteil der aktiven
Unternehmen und welche sind dies? Welche
Unternehmen führen ihre Branche in Sachen CR an,
welche Branchen sind insgesamt schon recht weit
bei der Umsetzung von CR-Maßnahmen und welche
hinken hinterher? Antworten auf diese und weitere
Fragen gibt das folgende Kapitel.
2.2.1 Unternehmen mit oekom Prime-Status
Die schlechte Nachricht am Ende des Jahres 2009 lautete: Auch im abgelaufenen Jahr hat kein Unternehmen
aus konventionellen Branchen die Bestnote A+
bekommen. Aber: Zahlreiche Unternehmen haben
auch 2009 ein hohes Engagement bei der Integration
von Nachhaltigkeitsaspekten in ihr Kerngeschäft
gezeigt. Die folgenden drei Grafiken zeigen jeweils
die fünf Unternehmen mit der besten Umwelt- und
Sozialperformance aus ausgewählten Aktienindizes.
DAX 30
Top 5 Unternehmen mit dem besten oekom Corporate Rating aus dem
DAX 30; Quelle: oekom research AG (2010)
oekom research AG
Mögliche Verstöße gegen Ausschlusskriterien werden dabei nicht berücksichtigt.
Unter den DAX 30-Titeln erreicht Henkel die
höchste Bewertung. Das Unternehmen zeichnet sich
unter anderem durch umfangreiche Maßnahmen
zur Verwendung von Naturrohstoffen und zur
Produktinformation für Kunden aus. Auf Rang zwei
schafft es die Deutsche Telekom, die unter anderem
durch eine konzernweite Klimaschutzstrategie und
umfassende Maßnahmen zur Unterstützung wichtiger Zulieferer bei der Einführung von Standards in
den Bereichen Arbeitnehmerrechte, Arbeitssicherheit
und Gesundheit punktet.
Bei der Allianz auf Rang drei überzeugen
unter anderem die breite Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Versicherungs- und Vermögensverwaltungsgeschäft und eine detaillierte Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sich am international
anerkannten Standard der Global Reporting Initiative
(GRI) orientiert. Die Top 5 werden komplettiert durch
BMW und Volkswagen.
Im europäischen Vergleich auf Basis des DJ
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oekom CR Review 2010
EuroStoxx 50 erreicht das französische Pharmaunternehmen sanofi-aventis das beste Rating. Es
zeichnet sich unter anderem durch umfangreiche
Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu
Medikamenten in Entwicklungsländern sowie umfassende Leitlinien zu verantwortungsvollem Marketing
und Datenschutz aus. Mit dem Automobilhersteller
Renault wird auch der zweite Rang von einem französischen Unternehmen belegt. Das Unternehmen hat
in den vergangenen Jahren den Kraftstoffverbrauch
und damit die CO2-Emissionen seiner Flotte deutlich senken können. Die Deutsche Telekom und
die Allianz folgen auf den Rängen drei und vier vor
einem weiteren französischen Unternehmen, dem
Kosmetikhersteller L‘Oreal.
Anders als im DAX 30 und im DJ EuroStoxx 50 sind
im MSCI World auch Unternehmen aus dem Bereich
der erneuerbaren Energien gelistet. Unternehmen aus
solchen „Nachhaltigkeitsbranchen“ – dazu gehören
z. B. auch die Bereiche Recycling und Wasser – werden von oekom research in der Regel besonders positiv bewertet, da ihre Produkte und Leistungen einen
zentralen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung
leisten. Insofern werden die ersten fünf Ränge im
MSCI World von Unternehmen dieser Branche eingenommen.
Insgesamt werden rund 500 Unternehmen bzw.
Organisationen aus allen drei Teiluniversen aktuell
von oekom research mit „Prime“ bewertet: BesonGesamtzahl
der Titel
Anzahl
der Prime-Titel
Konventionelle
Großunternehmen
812
268
KMU mit Nachhaltigkeitsfokus
195
184
Nicht-notierte
Anleihenemittenten
125
52
1.132
504
Subuniversum
Summe
DJ EuroStoxx 50
Top 5 Unternehmen mit dem besten oekom Corporate Rating aus dem DJ
EuroStoxx 50; Quelle: oekom research AG (2010)
MSCI World
Top 5 Unternehmen mit dem besten oekom Corporate Rating aus dem
MSCI World; Quelle: oekom research AG (2010)
ders hoch ist der Anteil bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), was am besonderen
Auswahlverfahren in diesem Teiluniversum liegt.
Während insbesondere bei den konventionellen
Großunternehmen die Abdeckung relevanter Indizes
im Vordergrund steht, werden die KMU auf der Basis
ihrer Branchenzugehörigkeit gezielt ausgewählt. Im
Fokus steht dabei die Frage, ob sie in einer Branche
tätig sind, die einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leistet. Allerdings müssen natürlich auch diese Unternehmen den Anforderungen an
eine insgesamt nachhaltige Unternehmensführung
genügen.
Quelle: oekom research AG (2010); Stand: 31.12.2009
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
2.2.2 Die Branchensieger
Einen Überblick über die besten Unternehmen in
ausgewählten Branchen gibt die folgende Tabelle,
wobei Verstöße gegen Ausschlusskriterien auch hier
nicht berücksichtigt werden. In einigen Branchen,
z. B. Haushaltsprodukte und Versicherungen, belegen
deutsche Unternehmen einen Spitzenplatz, während
sie in anderen Branchen nur auf hintere Ränge kommen. So erreicht Südzucker im Nahrungsmittelsektor
ebenso wie Kontron im IT-Sektor den 20. Rang, bei
den Energieversorgern kommt E.ON als bestes deutsches Unternehmen auf Rang 15.
Bei den besten Unternehmen innerhalb der einzelnen Branchen gab es 2009 einige Änderungen. Im
Finanzbereich hat beispielsweise die Führung sowohl
bei den Geschäftsbanken – von der australischen
Westpac zur HypoVereinsbank – als auch bei den
Versicherungsunternehmen – von Storebrand aus
Norwegen zur deutschen Allianz – gewechselt. Im
Maschinenbau wurde die spanische Abengoa durch
Volvo abgelöst, bei den Energieversorgern hat EDP
aus Portugal die Spitzenposition von der britischen
Centrica übernommen. Schließlich hat auch bei den
Elektro- und Haushaltsgeräten und im Einzelhandel
die Führung gewechselt. Gleichzeitig konnten zahlreiche Unternehmen ihre Spitzenposition behaupten.
Die besten Unternehmen in ausgewählten Branchen per 31.12.2009; markiert sind die Branchen, in denen die Spitzenposition gewechselt hat; Quelle: oekom
research AG (2010)
Das Gesamtniveau des Nachhaltigkeitsmanagements
in den Großunternehmen bleibt trotz des erkennbar
steigenden Engagements in allen Branchen verbesserungsfähig. Zwar gibt es in vielen Branchen Vorreiter
in Sachen Nachhaltigkeit, aber eben auch eine
große Zahl von Unternehmen, bei denen die Nachhaltigkeitsleistungen wenig systematisch und die
Kommunikation darüber eher anekdotisch sind.
Insbesondere innerhalb der Spitzengruppe funktioniert der Best-in-Class-Ansatz aber offensichtlich
oekom research AG
recht gut. Der Ansatz wird von nachhaltigkeitsorientierten Investoren nach wie vor als wichtiges
Instrument angesehen, um in allen Branchen einen
Wettbewerb der Unternehmen um die beste Nachhaltigkeitsperformance zu initiieren und diese so auch in
der Breite der Unternehmen zu verbessern. Mit dem
wachsenden Volumen und Anteil der entsprechenden
Kapitalanlagen wird der Anreiz für die Unternehmen,
sich in diesem Wettbewerb zu engagieren, immer
stärker.
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oekom CR Review 2010
2.2.3 Corporate Responsibility in
ausgewählten Branchen
Im Durchschnitt erreichen die Unternehmen aus konventionellen Branchen im oekom Rating Universe mit
Ausnahme der Hersteller von Haushaltsprodukten
eine Bewertung, die unter dem von oekom research
festgelegten Mindeststandard von 50,0 Prozent liegt.
Das Gesamtniveau des Nachhaltigkeitsmanagements
ist in allen konventionellen Branchen deutlich verbesserungsfähig. Diese Einschätzung wird dadurch
unterstrichen, dass in dieser Auswertung nur die
Unternehmen aus den einzelnen Branchen berücksichtigt sind, die ein Mindestmaß an Engagement bei
sozialen und ökologischen Aspekten zeigen. Werden
zusätzlich die Unternehmen berücksichtigt, die
aufgrund mangelhafter Nachhaltigkeitsleistungen
bereits im Rahmen des oekom Corporate Scoutings
(vgl. S. 18) aussortiert wurden, so fällt die durchschnittliche Bewertung noch einmal deutlich schlechter aus.
Die Tatsache, dass Unternehmen aus als kritisch
angesehenen Branchen, z. B. die Automobilhersteller
und die Energieversorger, vergleichsweise hohe
Bewertungen erhalten, liegt darin begründet, dass
Unternehmen dieser Branchen – häufig als Reaktion
auf externen Druck durch Umweltverbände, Medien
und zunehmend auch Investoren – bereits vor vielen Jahren damit begonnen haben, ein umfassendes
Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement zu implementieren und über ihre Leistungen umfassend und
aktuell zu berichten. Sie erreichen daher insbesondere bei der Bewertung der formalen Strukturen eines
Nachhaltigkeitsmanagements regelmäßig höhere
Bewertungen als Unternehmen aus Branchen, die
erst in der jüngeren Vergangenheit mit einem systematischen Management begonnen haben.
Dennoch: Auch bei diesen Branchen liegt die
Durchschnittsbewertung unter der 50 ProzentSchwelle, das Nachhaltigkeitsmanagement hat damit
auch hier noch deutliches Verbesserungspotenzial.
Deutliche Defizite im CR-Management zeigen
nach wie vor unter anderem die Unternehmen der
Immobilien- und Versicherungsbranche sowie die
öffentlichen Banken.
Durchschnittliche Bewertung der Unternehmen einer Branche auf einer
Skala von 0 (sehr schlechte Nachhaltigkeitsperformance) bis 100 (sehr
gute Nachhaltigkeitsperformance); Quelle: oekom research AG (2010)
Auf den Punkt gebracht
• Auch 2009 hat kein Unternehmen aus konventionellen Branchen eine Bewertung im A-Bereich erhalten.
• Die vergleichsweise hohe Zahl der Wechsel bei den Branchenbesten ist ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb um die Spitzenposition in vollem Gange ist. Damit ist das Ziel nachhaltiger Investoren, innerhalb der Branchen einen Wettbewerb um mehr Nachhaltigkeit auszulösen, zumindest in einigen
Branchen tendenziell erreicht.
• Gleichwohl findet dieser Wettbewerb häufig innerhalb einer klar abzugrenzenden Spitzengruppe von
Unternehmen statt. In vielen Branchen fehlt es weiterhin an der Verankerung des Themas in der Breite.
• Unternehmen aus konventionellen Branchen sind daher insgesamt weit entfernt von einer durchgängig nachhaltigen Unternehmensführung. Mit der Branche „Haushaltsprodukte“ hat aber erstmals
eine konventionelle Branche im Durchschnitt den Wert von 50 Prozent überschritten, der die Grenze
zu den Prime-Unternehmen darstellt.
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
2.3 Corporate Responsibility in
ausgewählten Themenbereichen
In den folgenden Kapiteln wird es konkret: Anhand
von sieben Themenfeldern gehen wir der Frage
nach, wie die Unternehmen in der aktuellen Krise
mit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung umgehen. Wie im oekom Corporate Responsibility Review
2009 haben wir uns dabei die Qualität der Nach-
haltigkeitsberichterstattung, die Verbreitung von
Korruption und anderen Wirtschaftsdelikten sowie
von Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen und
das Klimaschutzmanagement angeschaut. Zusätzlich
analysieren wir Entwicklungen in den Bereichen
Energie, Wasser und Biodiversität.
2.3.1 Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Nachhaltigkeitsberichte in gedruckter Form oder als
Rubrik auf der Website der Unternehmen stellen eine
wichtige Quelle für die Unternehmensbewertungen
von oekom research dar. Die Kombination von
Printbericht mit vertiefenden Informationen im
Internet gewinnt dabei nach Beobachtung von oekom
research zunehmend an Bedeutung. Die Leitlinien der
Global Reporting Initiative (GRI) haben sich weiter
als Standard der Nachhaltigkeitsberichterstattung
etabliert, eine steigende Zahl von entsprechenden
Berichten haben den Status „GRI checked“, d. h. die
Übereinstimmung des Berichts mit den GRI-Vorgaben wurde vom GRI-Sekretariat überprüft (➔ www.
globalreporting.org). Gleichzeitig steigt auch die
Zahl der Berichte, die von unabhängiger Seite testiert
werden, z. B. nach dem Standard AA 1000 (➔ www.
accountability21.net).
Nach wie vor zeigen sich Unterschiede in der
Qualität der Berichte – sowohl zwischen den einzelnen Branchen als auch im Hinblick auf die
Unternehmensgröße. Bei letzterem Aspekt beweisen
aber KMU zunehmend, dass eine qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsberichterstattung auch bei
Unternehmen mit geringerer Finanz- und Personalstärke möglich ist.
Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung
nach Branchen
Der Branchenvergleich offenbart sehr deutliche
Unterschiede in der Qualität der Berichterstattung
zu sozialen und umweltbezogenen Themen.
Die Energieversorger erreichen hier mit 71 Prozent
die beste Bewertung im oekom Corporate Rating.
Auf den weiteren Plätzen folgen die Hersteller von
Haushaltsprodukten, die Bergbauunternehmen
sowie die Automobilindustrie.
Die Geschäftsbanken erreichen einen Platz im
Mittelfeld, nur für einen hinteren Rang reicht es
für die öffentlichen Banken, zu denen auch die
Landesbanken zählen. Unter den Geschäftsbanken
tun sich die italienische UniCredit und die australische Westpac mit vergleichsweise guter Nachhaltigkeitsberichterstattung hervor, bei den deutschen
Landesbanken ist es die LBBW.
Sehr schlecht schneiden wie im Vorjahr die
Unternehmen der Immobilienbranche ab, aber auch
im Maschinenbau und bei den Versicherungen gibt
es deutliche Steigerungsmöglichkeiten. Unter den
Versicherungsunternehmen zeigen die britische
Aviva und die deutsche Allianz Group die beste
Berichterstattung zu sozialen und umweltbezogenen
oekom research AG
Themen, während entsprechende Informationen z. B.
von der Hanover Re kaum zu bekommen sind.
Durchschnittliche Bewertung der Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf einer Skala von 0 (sehr gering) bis 100 (sehr hoch); Quelle:
oekom research AG (2010)
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oekom CR Review 2010
Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung
nach Ländern
Auch im Ländervergleich zeigen sich sehr deutliche
Unterschiede in der Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen. Wie im Vorjahr
bilden Spanien und die USA die Pole der Skala.
Spanische Unternehmen erreichen im Durchschnitt
die beste Bewertung für ihre Nachhaltigkeitsberichte.
Überdurchschnittlich viele spanische Unternehmen
orientieren sich dabei an den Leitlinien der Global
Reporting Initiative (GRI).
Deutsche und schweizer Unternehmen platzieren sich im Mittelfeld, Schlusslichter in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung sind die
Unternehmen aus den USA. Diese insgesamt
schlechte Berichtsqualität hat 2009 institutionelle
Investoren in den USA dazu bewogen, in einem offenen Brief an die US-Börsenaufsicht „Securities and
Exchange Commission“ (SEC) schärfere Regeln für
die Informationspflicht von Aktienunternehmen zu
fordern. Sie beklagten, dass viele an den US-Börsen
gelistete Unternehmen zu wenig über Klimarisiken
und mögliche ökologische oder soziale Risiken
ihres Geschäfts informieren. Die SEC müsse mehr
Transparenz erzwingen und so Anlegern die Chance
eröffnen, Risiken in ihren Portfolios zu erkennen und
darauf zu reagieren. Der offene Brief wurde unter
anderem von den Vertretern großer Pensionskassen
und Stiftungen unterzeichnet, die sich im Investor
Network on Climate Risk (INCR) zusammengeschlossen haben und nach eigenen Angaben zusammen
Vermögenswerte in Höhe von mehr als 1,4 Billionen
US-Dollar verwalten.
Auch in Deutschland ist im Hinblick auf Umfang
und Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung
noch Luft nach oben. Eine solche Verbesserung soll
nach Vorstellungen der Mehrheit der deutschen
Unternehmen aber auf freiwilliger Basis erfolgen und
Durchschnittliche Bewertung der Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf einer Skala von 0 (sehr gering) bis 100 (sehr hoch); Quelle:
oekom research AG (2010)
nicht durch eine gesetzliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie es sie beispielsweise
in Frankreich und Dänemark gibt. In einer Umfrage des
Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung
(IÖW) und der bundesweiten Unternehmensinitiative
future e.V. lehnte über die Hälfte der 60 befragten
Unternehmen eine solche Pflicht ab. Sie argumentieren, dass Corporate Responsibility ein freiwilliges
Engagement der Unternehmen meine und daher auch
die Berichterstattung freiwillig sein müsse. Der
deutsche Gesetzgeber verpflichtet derzeit nur große
Kapitalgesellschaften, in ihrem jährlichen Lagebericht
über so genannte „nicht-finanzielle Aspekte“ zu berichten, die für den Geschäftsverlauf relevant sind.
Auf den Punkt gebracht
• Die Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI) haben sich weiter als Standard der Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert, eine steigende Zahl von entsprechenden Berichten haben den Status „GRI
checked“. Gleichzeitig steigt auch die Zahl der Berichte, die von unabhängiger Seite testiert werden.
• Es bestehen nach wie vor große Unterschiede in der Qualität der Nachhaltigkeitsberichte – sowohl
zwischen Branchen als auch zwischen den Staaten. Die besten Bewertungen erreichen häufig Berichte aus Branchen, die wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Umwelt seit längerem im Fokus der
öffentlichen Kritik stehen, z. B. Energieversorger, Bergbau- und Automobilunternehmen.
• Im Ländervergleich erreichen spanische Unternehmen wie im Vorjahr im Durchschnitt die beste Bewertung für ihre Nachhaltigkeitsberichte. Deutsche und schweizer Unternehmen platzieren sich im
Mittelfeld, Schlusslichter in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung sind die Unternehmen aus den
USA.
oekom research AG
Seite 25
oekom CR Review 2010
• An der Frage, welche Rolle staatliche Vorgaben bei der Verbesserung der Berichtsqualität spielen
sollen, scheiden sich die Geister. So fordern beispielsweise US-Investoren in einem offenen Brief
an die US-Börsenaufsicht „Securities and Exchange Commission“ (SEC) schärfere Regeln für die
Informationspflicht von Aktienunternehmen. Deutsche Unternehmen sprechen sich dagegen mehrheitlich gegen eine gesetzliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aus.
2.3.2 Korruption, Bilanzfälschung und
andere Wirtschaftsdelikte
Korruption und Bilanzfälschung
Dem schleppenden Geschäft in der Krise mit
Bestechung auf die Sprünge helfen? Die Versuchung,
bei der Geschäftsanbahnung auf Zahlungen statt
auf Leistung zu setzen, mag in der Wirtschaftsund Finanzkrise besonders hoch sein. Dass viele
Unternehmen dieser Versuchung nachgegeben
haben, lässt sich aus den oekom research vorliegenden Daten aber derzeit nicht ablesen. Einiges spricht
dafür, dass die Sensibilität für den durch Korruption
entstehenden Schaden im Zuge der Aufdeckung
spektakulärer Bestechungsfälle gerade bei den börsennotierten Unternehmen gewachsen ist. Dies liegt
wohl auch daran, dass die verantwortlichen Manager
in den Unternehmen erkannt haben, dass Korruption
neben möglichen finanziellen Risiken auch ein persönliches Risiko für den Arbeitsplatz und die gesellschaftliche Stellung darstellt.
Gleichwohl ist Korruption in einigen Branchen nach
wie vor recht weit verbreitet. So ist in der Baubranche
sowie der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie jedes
siebte Unternehmen aus dem oekom Rating Universe
in Korruptionsfälle verwickelt, und auch unter den
Herstellern von Unterhaltungselektronik und Telekommunikationsausrüstung (u. a. Mobiltelefone) ist rund
jedes zehnte Unternehmen stark verdächtig bzw.
wegen entsprechender Vergehen rechtskräftig verurteilt. Dabei ist zu beachten, dass die Aufklärungsquote
von Korruptionsfällen nach Schätzungen von Experten
bei nur 5 bis 20 Prozent liegt.
oekom research AG
Auch die Fälschung der Bilanzen, die eine wichtige Grundlage der Anlageentscheidungen von
Investoren darstellen, ist in einigen Branchen vergleichsweise häufig zu verzeichnen. Auch hier sind
die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie und die Unterhaltungselektronik besonders betroffen, außerdem
die Medienbranche.
Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen in den
Bereichen Korruption (dunkelblau) und Bilanzfälschung (hellblau), in %;
Quelle: oekom research AG (2010)
Seite 26
oekom CR Review 2010
nem Bericht 2009. (➔ www.transparency.de)
Die – je nach Blickwinkel – Neigung oder Gefahr, in
Korruption involviert zu werden, variiert auch mit den
In einer gemeinsamen Initiative mit der
regionalen Schwerpunkten der Geschäftstätigkeit.
Internationalen Handelskammer, dem UN Global
Die Antikorruptionsorganisation Transparency
Compact und der Initiative „Partnering Against
International (TI) veröffentlicht dazu jährlich den
Corruption“ des Weltwirtschaftsforums hat TI im
Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption PerJahr 2009 die Unternehmen aufgerufen, die UN
ception Index). Er stellt Häufigkeit und Ausmaß von
Konvention gegen Korruption (UNCAC) zu unterstütKorruption in Politik und Verwaltung – also auf der
zen. Die UNCAC wurde inzwischen von 140 Staaten
ratifiziert. Von allen europäischen Staaten haben
„Nehmerseite“ – für 180 Länder dar. Neuseeland,
Dänemark und Singapur führen als „sauberste“
nur Deutschland, Estland, Irland, Island, Kosovo,
Nationen das Ranking 2009 an. Deutschland liegt
Liechtenstein, die Tschechische Republik und die
unverändert auf Platz 14. Diese Platzierungen zeugen
Ukraine die Konvention nicht ratifiziert.
nach Darstellung von TI von politischer Stabilität, einer langen
Tradition von Konfliktlösungsmechanismen und soliden politischen
Institutionen. Schlusslichter des
Index bilden hauptsächlich durch
Kriege und dauerhafte Konflikte
gebeutelte Länder. Dazu gehören Somalia, Afghanistan und
Myanmar. In den Ländern, deren
staatliche Strukturen durch dauerhafte Konflikte zerrüttet worden sind, gerate Korruption
außer Kontrolle und stärke die
Plünderung von öffentlichen
Ressourcen sowie Unsicherheit
und Rechtlosigkeit, so TI in sei- Ausgewählte Ergebnisse des Corruption Perception Index 2009 von Transparency International (2009)
Fallbeispiel: MAN
Im Dezember 2009 setzte die Münchner Staatsanwaltschaft Strafzahlungen in Höhe von insgesamt 150 Millionen Euro gegen
den Nutzfahrzeughersteller MAN fest. MAN zahlt außerdem 20 Millionen Euro an Steuern nach. Ausschlaggebend für die
Strafe war, dass in den Sparten Nutzfahrzeuge und Turbomaschinen Bestechungsgelder an Mitarbeiter von Kunden gezahlt
wurden, um den Verkauf anzukurbeln. Laut Staatsanwaltschaft waren vor allem mangelhafte Kontrollstrukturen innerhalb
des Konzerns ausschlaggebend dafür, dass es zu systematischen Zahlungen von Bestechungsgeldern kommen konnte. Im
Zuge der Ermittlungen waren mehrere Vorstände, unter ihnen Vorstandsvorsitzender Hakan Samuelsson, zurückgetreten.
Fallbeispiel: General Electric
Im August 2009 wurde ein mehrere Jahre dauerndes Verfahren der amerikanischen Börsenaufsicht SEC (Securities and
Exchange Commission) gegen General Electric (GE) beendet. Gegenstand der Ermittlungen waren geschönte Bilanzen des
Konzerns. Zwischen der Börsenaufsicht und dem Unternehmen wurde ein Vergleich geschlossen. GE akzeptierte dabei die
Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar, ohne jedoch die Vorwürfe einer Rechtsverletzung anzuerkennen. Dem Mischkonzern wurde vorgeworfen, im Zeitraum von 1995 bis 2004 die Bilanzen manipuliert zu haben, um den
Erwartungen von Finanzanalysten zu entsprechen.
oekom research AG
Seite 27
oekom CR Review 2010
Wettbewerbsbeschränkungen
Diese Meldung wird Manchem den Genuss des
Morgenkaffees verdorben haben: Wegen illegaler
Preisabsprachen hat das deutsche Bundeskartellamt
im Dezember 2009 ein Bußgeld in Höhe von rund 160
Millionen Euro gegen drei der größten deutschen
Kaffeeröster verhängt. Nach den Erkenntnissen des
Kartellamtes gab es seit mindestens Anfang 2000
bis zur Durchsuchung der Unternehmen im Juli 2008
Gespräche zwischen den Geschäftsführern und
Vertriebsleitern. Die Unternehmen hätten sich über
Höhe, Umfang und Zeitpunkt der Bekanntgabe sowie
das Inkrafttreten beabsichtigter Preiserhöhungen
untereinander abgesprochen. Nach Berechnung von
Verbraucherschützern haben Kaffeetrinker durch
diese Absprachen fast fünf Milliarden Euro zu viel
gezahlt.
Dieses Beispiel verdeutlicht die immensen volkswirtschaftlichen Schäden durch Kartellabsprachen.
Die Daten von oekom research zeigen, dass rund
jedes fünfte Unternehmen der Nahrungsmittel- und
Getränkeindustrie in entsprechende Verstöße involviert ist.
Im Vergleich zu anderen Branchen ist dies sogar
noch ein vergleichsweise niedriger Wert: So ist in
der Baustoffindustrie und der Chemiebranche mehr
als jedes zweite Unternehmen in Fälle von Kartellrechtsverstößen bzw. Wettbewerbsbeschränkungen
involviert. Auch in der Öl- und Gasindustrie sowie der
Haushaltsprodukte- und der Telekommunikationsbranche ist ein erheblicher Anteil der Unternehmen
an entsprechenden Absprachen oder Kartellen beteiligt. Insgesamt war jedes sechste Unternehmen aus
dem oekom Universum in Wettbewerbsbeschränkungen involviert.
Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen im Bereich
Wettbewerbsbeschränkungen/Kartellrecht, in %; Quelle: oekom research
AG (2010)
Fallbeispiel: E.ON und GDF SUEZ
Im Juli 2009 hat die Europäische Kommission Geldbußen in Höhe von insgesamt 1,106 Milliarden Euro gegen E.ON und
GDF SUEZ für die Aufteilung von Gasmärkten in Deutschland und Frankreich verhängt. Die Energieversorger wurden jeweils
zu Strafen von 553 Millionen Euro verurteilt. Die Kommission sah es als erwiesen an, dass Gaz de France (heute Teil von
GDF SUEZ) und die Ruhrgas AG (seit 2003 E.ON Ruhrgas) bereits im Jahr 1975 beim gemeinsamen Bau der MEGAL-Pipeline
vereinbart hatten, kein über diese Rohrleitung transportiertes Gas im Inlandsmarkt des jeweilig anderen Unternehmens
zu verkaufen. Über die MEGAL-Pipeline wird russisches Gas nach Deutschland und Frankreich importiert. Auch nach der
Öffnung der Gasmärkte im Jahr 2000 hielten beide Unternehmen an der Vereinbarung fest und rückten erst 2005 endgültig
von dieser Praktik ab. Die Europäische Kommission hat nach eigenen Angaben zum ersten Mal Geldbußen aufgrund eines
Kartellrechtsverstoßes im Energiesektor verhängt. In der Urteilsbegründung heißt es, die Marktaufteilungsvereinbarung
stelle einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags dar.
Auf den Punkt gebracht
• Korruption ist in einigen Branchen nach wie vor weit verbreitet, eine Zunahme in der Krise ist derzeit aber
nicht festzustellen. Besonders betroffen sind hier die Baubranche, die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie
sowie die Hersteller von Unterhaltungselektronik und Telekommunikationsausrüstung.
• Auch die Fälschung der Bilanzen, die eine wichtige Grundlage der Anlageentscheidungen von Investoren darstellen, ist in einigen Branchen vergleichsweise häufig zu verzeichnen. Auch hier sind die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie und die Unterhaltungselektronik besonders betroffen, außerdem die
Medienbranche.
• Mehr als jedes sechste Unternehmen aus dem oekom Universum ist in Wettbewerbsbeschränkungen involviert. Dies stellt eine massive Beeinträchtigung des Wettbewerbs mit negativen Folgen für die Verbraucher dar. Besonders hoch ist der Anteil der Unternehmen in der Baustoff- und Chemieindustrie.
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2.3.3 Menschen- und Arbeitsrechte
Auch 2009 waren zahlreiche Unternehmen selbst oder
in ihrer Zulieferkette in Verstöße gegen Arbeitsrechte
involviert. Grundlage der Bewertung bilden dabei
die von der International Labour Organization
(ILO) definierten Kernarbeitsnormen, die sich auf
die vier Bereiche Diskriminierung, Kinderarbeit,
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie
Zwangsarbeit beziehen. oekom research berücksichtigt im Corporate Rating darüber hinaus, ob
Mindeststandards z. B. in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheit, Bezahlung und Arbeitszeit
eingehalten werden, auch wenn diese sich nicht
direkt auf die ILO-Kernarbeitsnormen beziehen.
In einer gemeinsamen Studie haben oekom
research und PricewaterhouseCoopers 2009
gezeigt, dass mehr als die Hälfte (57,1 Prozent) der
Computerhersteller selbst oder in ihrer Zulieferkette
gegen Arbeitsrechte verstoßen. In der Textilbranche
traf dies auf jedes zweite Unternehmen zu, und
auch bei der Kommunikationstechnik lag der Anteil
der Unternehmen mit 40,0 Prozent vergleichsweise
hoch. Die IT-Industrie hat damit zur Textilbranche aufgeschlossen, die schon seit langem wegen der niedrigen Arbeitsstandards vor allem in den asiatischen
Zulieferbetrieben in der Kritik steht. Hintergrund ist
auch in der IT-Branche eine Verlagerung der Fertigung
in asiatische Niedriglohnländer, insbesondere nach
China.
In Menschenrechtsverletzungen sind vor allem
die Unternehmen der Bergbaubranche sowie der
Öl- und Gasbranche involviert. Hier war 2009 jedes
dritte bzw. jedes fünfte Unternehmen durch entsprechende Verstöße belastet, unter anderem BHP
Billiton (UK/AU), Norsk Hydro (NO) und Xstrata (CH)
im Bergbaubereich sowie BP (UK) und Chevron (US)
aus der Öl-und Gasbranche.
Eine Zunahme entsprechender Verstöße im Zuge
der Wirtschafts- und Finanzkrise ist derzeit nicht festzustellen. Dennoch ist zu vermuten, dass angesichts
des steigenden Kostendrucks in einigen Branchen
die Zahl der Unternehmen wächst, die es mit der
Einhaltung der Arbeits- und Menschenrechte nicht
so genau nimmt. oekom research wird dieser Frage
2010 besondere Aufmerksamkeit widmen.
Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen im Bereich
Arbeitsrechte, in %; Quelle: oekom research AG (2010)
Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen im Bereich
Menschenrechte, in %; Quelle: oekom research AG (2010)
Fallbeispiel: Nokia
Nokia und andere IT-Unternehmen beziehen laut einer Bloomberg-Reportage Kobalt, das ein wichtiger Bestandteil von wieder aufladbaren Batterien ist, u. a. aus der kongolesischen Region Katanga. Laut der Studie sind die Arbeitsbedingungen
der Bergleute in vielen Bergwerken dieser Region außerordentlich gefährlich und gesundheitsgefährdend. Die IT-Unternehmen erhalten den Rohstoff z. B. über einen chinesischen Zwischenhändler, dessen Zulieferer in erheblichem Umfang Kinder
in den Bergwerken einsetzen. Nach Aussage eines Vertreters der ILO finden sich in diesen Minen die schlimmsten Formen
von Kinderarbeit.
oekom research AG
Seite 29
oekom CR Review 2010
Fallbeispiel: Toshiba
Der Internationale Metallgewerkschaftsbund IMF hat massive Verletzungen der Gewerkschaftsfreiheit bei der Toshiba-Tochter Toshiba Consumer Products Indonesia aufgedeckt. Wie die Gewerkschaft berichtet, traten die Arbeiter in einen Streik,
nachdem die Firma sich geweigert hatte, den von beiden Seiten unterzeichneten Tarifvertrag anzuerkennen. Daraufhin habe
das Unternehmen 15 Gewerkschaftsführer entlassen und gedroht, auch allen Streikteilnehmern zu kündigen. Zudem unterbrach die Firma den Versicherungsschutz für alle Streikenden. Toshiba wird außerdem beschuldigt, Schläger angeheuert zu
haben, die vor den Toren der Fabrik gemeinsam mit der Polizei gewaltsam gegen die streikende Belegschaft vorgingen.
Fallbeispiel: Walt Disney
Walt Disney wurde 2009 vorgeworfen, Papierwaren aus einer chinesischen Fabrik zu beziehen, in der Arbeitsrechte massiv
missachtet werden. Aus einem entsprechenden Bericht der Nichtregierungsorganisation China Labour Watch (CLW) geht
hervor, dass der Zulieferer häufig Arbeiter unter 16 Jahren einstellt, bei hohem Arbeitsvolumen auch 13-jährige Kinder.
Dem Bericht zufolge würden neu eingestellte Arbeiter in der Fabrik üblicherweise ohne jedes Training an alten und teils
gefährlichen Maschinen beschäftigt, was in der Vergangenheit bereits zu schweren Unfällen geführt haben soll. Darüber
hinaus werden ernsthafte Missstände bezüglich Überstunden, Bezahlung und der Verweigerung von bezahltem Urlaub und
Mutterschutz beschrieben.
Auf den Punkt gebracht
• Die Computerindustrie hat der Textilindustrie den Rang abgelaufen, wenn es um schlechte
Arbeitsbedingungen bei Zulieferern geht. Mehr als jedes zweite Unternehmen der Branche (57,1 Prozent)
verstößt selbst oder in der Zulieferkette gegen anerkannte Arbeitsstandards. In der Textilbranche liegt
der Anteil bei 50 Prozent.
• In Menschenrechtsverletzungen sind vor allem die Unternehmen der Bergbaubranche sowie der Ölund Gasbranche involviert. Hier war 2009 jedes dritte bzw. jedes fünfte Unternehmen durch entsprechende Verstöße belastet.
• Eine Zunahme von Verstößen in den Bereichen Arbeits- und Menschenrechte im Zuge der Wirtschaftsund Finanzkrise ist derzeit nicht festzustellen.
oekom research AG
Seite 30
oekom CR Review 2010
Exkurs: Global Compact – ein Garant für nachhaltige Unternehmensführung?
Der Global Compact ist eine freiwillige Wirtschaftsinitiative der Vereinten Nationen. Im Mittelpunkt stehen
zehn Prinzipien zu Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung. Der Global
Compact ruft weltweit Unternehmen dazu auf, sich zu diesen Prinzipien öffentlich zu bekennen und aktiv für
ihre Umsetzung einzusetzen. Seit Gründung der Initiative im Juli 2000 haben mehr als 5.200 Unternehmen
aus 130 Staaten die Prinzipien anerkannt und sich dazu verpflichtet, regelmäßig im Rahmen der so genannten
„Communication on Progress (COP)“ über die Maßnahmen zur Einhaltung der Prinzipien zu berichten.
Nachdem es in den ersten Jahren der Initiative vor allem darum ging, diese auf eine möglichst breite Basis
zu stellen, wird in der jüngeren Vergangenheit stärker auf die Qualität des Engagements der Unterzeichner
geachtet. Im März 2009 wurden in diesem Zusammenhang knapp 1.000 Unternehmen von der Liste der
Unterzeichner gestrichen, weil sie keinen Fortschrittsbericht (COP) veröffentlicht hatten.
Bei der Kommunikation gibt es also offensichtlich Defizite – gilt dies auch für die
inhaltliche Umsetzung der zehn Prinzipien
durch die Unterzeichner? oekom research
hat dies am Beispiel der Unterzeichner des
Global Compacts aus dem DJ Stoxx 50 überprüft – mit folgendem Ergebnis:
Von den 50 Unternehmen haben 45 den
UN Global Compact unterzeichnet. Alle
Nicht-Unterzeichner stammen dabei aus
Großbritannien.
Von den 45 Unterzeichnern weisen 26 und
damit mehr als die Hälfte mindestens
einen Verstoß gegen die Prinzipien des
Global Compacts auf. Weit verbreitet sind
dabei Verstöße im Bereich Umweltschutz
(19 Unternehmen) und gegen anerkannte
Arbeitsrechte (9 Unternehmen).
Anzahl der Global Compact Unterzeichner aus dem DJ Stoxx 50 mit Verstößen in
Bereichen, die durch die Prinzipien des Global Compacts abgedeckt werden; einige
Unternehmen weisen Verstöße in mehreren Bereichen auf; Quelle: oekom research
AG (2010)
Besonders betroffene Branchen sind hier der Bankensektor und die extraktiven Sektoren. Bei den Banken stehen Umweltverstöße im Zusammenhang mit großen Projektfinanzierungen im Vordergrund, die Fälle von
Verletzungen der Menschenrechte konzentrieren sich auf die Bergbaubranche sowie die Öl- und Gasförderung.
Die Anerkennung der Prinzipien des Global Compacts ist – das zeigt dieses Beispiel – keine Garantie dafür,
dass die entsprechenden Standards bei Arbeits- und Menschenrechten, Umweltschutz und Korruption auch
tatsächlich eingehalten werden. Es ist Aufgabe des Global Compacts, die Kontrolle der Einhaltung weiter zu
verschärfen, um Verstöße zu identifizieren, konsequent zu ahnden und die Reputation des Global Compacts
zu schützen.
oekom research AG
Seite 31
oekom CR Review 2010
2.3.4 Management von Klimarisiken
Auch wenn die Hurrikansaison im Nordatlantik vergleichsweise glimpflich verlaufen ist und die Schäden
durch Naturkatastrophen 2009 deutlich niedriger
ausgefallen sind als im Vorjahr, gibt es nach Ansicht
von Experten keinen Anlass zur Entwarnung. Die
Munich Re weist in ihrer Naturkatastrophenbilanz für
2009 darauf hin, dass es mit 860 Naturkatastrophen
mehr schadenträchtige Ereignisse gab als im langjährigen Durchschnitt. Dabei entstand ein volkswirtschaftlicher Schaden von 50 Milliarden US-Dollar,
die Versicherungswirtschaft hatte 22 Milliarden USDollar zu tragen. Der Trend zu einer Zunahme von wetterbedingten Katastrophen, so das Fazit der Studie,
bleibt bestehen.
WWF und Allianz haben in einer gemeinsamen
Studie anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen
darauf hingewiesen, dass der Klimawandel nicht stetig
verläuft. Einzelne Phänomene könnten bereits vor dem
Jahr 2050 einen kritischen Punkt überschreiten, ab
dem sie unumkehrbar sind und als Rückkoppelungen
wirken können, also die Erderwärmung noch zusätzlich verstärken. Dazu zählen beispielsweise der
Kollaps des Grönland-Eisschildes, das Auftauen
des Permafrostbodens in Sibirien, der Stopp des
Golfstroms und die Veränderung des indischen
Sommermonsunregens.
Die Politik hat beim Klimagipfel in Kopenhagen
nach Einschätzung der überwiegenden Mehrheit
der Experten keine überzeugende Antwort auf diese
Herausforderungen gefunden. Zwar wurde das
von der Wissenschaft geforderte 2-Grad-Ziel in das
Abschlussdokument aufgenommen, dieses wurde
aber von der Versammlung nur zur Kenntnis genommen. Auch auf konkrete Emissionsminderungsziele
konnten sich die Teilnehmer der Konferenz nicht einigen. Die Verhandlungen über ein verbindliches, globales Klimaregime werden 2010 fortgesetzt und möglicherweise erst auf der kommenden Klimakonferenz
in Mexiko zum Abschluss gebracht werden können.
Weltkarte der Naturkatastrophen 2009; Quelle: Munich Re (2009);
die Zahlen verweisen auf eine separate Übersicht, die unter www.
munichre.com verfügbar ist.
Klimarisiken und ihr Management
In einem gemeinsamen Projekt mit der HypoVereinsbank hat oekom research die Klimarisiken für
35 Branchen analysiert und bewertet. Berücksichtigt
wurden nicht nur die unmittelbaren physischen
Risiken für Unternehmen, wie etwa Schäden an
Gebäuden oder Infrastruktureinrichtungen durch
extreme Wetterereignisse. Einkalkuliert wurden
auch regulatorische Risiken, Veränderungen bei
den Marktpreisen und beim Kundenverhalten
oekom research AG
sowie Reputationsrisiken. Diese Einzelrisiken fließen in die Bewertung der branchenspezifischen
Gesamtrisikosituation im oekom Industry Climate
Risk Index (ICRI®) ein. Den Risiken gegenüber gestellt
wurde die Bewertung des aktuellen Standes des
Klimarisiko-Managements in den Unternehmen.
Ergebnis: Insbesondere die Immobilien- und die
Bauwirtschaft zeigen trotz ihrer vergleichsweise
hohen Exponiertheit gegenüber Klimarisiken bisher
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oekom CR Review 2010
wenig Bereitschaft, sich mit diesen zu beschäftigen.
Anders reagieren die Energieversorger, die Öl- und
Gasbranche und die Automobilbranche. Sie sind noch
stärker von den Risiken betroffen, haben aber bereits
begonnen, sich systematisch damit auseinander zu
setzen, indem sie Strukturen im Unternehmen aufbauen und ihre Treibhausgasemissionen erfassen.
Die Detailanalyse des Klimarisiko-Managements
zeigt, dass die Umsetzung der Maßnahmen in den
zwei Bereichen
• unternehmenseigene Klimapolitik und
• Formulierung von Klimaschutzzielen und
-maßnahmen
von 2,72. Die MDAX-Unternehmen kommen nur auf
einen Wert von 1,62. Die Analyse zeigt, dass sich gerade kleine und mittelständische Unternehmen schwer
tun, die konkreten Auswirkungen des Klimawandels
auf ihr Geschäft zu analysieren und gegebenenfalls
entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Insgesamt, so das Fazit der Studie, lässt die
Qualität der konkreten Ziele und Programme zum
Klimaschutz zu wünschen übrig. Daran werden auch
die Ergebnisse der Klimakonferenz von Kopenhagen
nichts ändern. Insbesondere die Finanzwirtschaft,
aber auch andere Branchen hatten im Vorfeld der
Konferenz darauf gedrängt, in Kopenhagen verbindliche Regelungen für den Klimaschutz zu vereinbaren und so verlässliche Planungsgrundlagen für die
Unternehmen zu schaffen. Der von der Konferenz
nur zur Kenntnis genommene „Copenhagen Accord“
erfüllt diese Funktion nicht.
in den Branchen unterschiedlich weit fortgeschritten
ist. So haben beispielsweise die Automobilhersteller
vergleichsweise gute Klimapolitiken formuliert, in
denen sie sich u. a. zum Klimaschutz verpflichten,
während sich die Immobilienunternehmen hier bisher kaum engagieren.
Defizite zeigen sich bei der
Formulierung konkreter Klimaschutzziele und der Definition von Maßnahmen zu deren Erreichung. Vergleichsweise positiv bewertet oekom
research hier die entsprechenden
Aktivitäten der IT- und der PharmaIndustrie.
Deutliche Unterschiede bestehen
zwischen Großunternehmen und der
mittelständischen Wirtschaft. So erreichen die DAX 30-Unternehmen bei der
Bewertung des Klimarisiko-Managements durch oekom research auf einer
Skala von 1 (sehr schlecht) bis 4 (sehr Elemente des Klimaschutz-Managements in ausgewählten Branchen auf einer Skala von 1 (sehr
gut) eine durchschnittliche Bewertung schlecht) bis 4 (sehr gut); Quelle: oekom research AG (2010)
Klimaneutralität im Bankensektor
Eine steigende Zahl von Unternehmen geht dazu
über, einzelne Aktivitäten oder sogar den kompletten
Geschäftsbetrieb „klimaneutral“ zu stellen. Recht weit
verbreitet ist hier inzwischen die Klimaneutralisierung
von Dienstreisen, insbesondere von Flügen. Dabei werden die CO2-Emissionen einer Dienstreise berechnet,
z. B. über den Anbieter atmosfair (➔ www.atmosfair.
de), und eine Kompensationszahlung festgelegt.
Das Geld wird dann z. B. in Solar-, Wasserkraft-,
Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert, um
dort eine Menge Treibhausgase einzusparen, die eine
vergleichbare Klimawirkung hat wie die Emissionen
des Flugzeugs. Häufig werden dabei Projekte in
Entwicklungsländern finanziert. Das Konzept wird
auch auf andere Bereiche übertragen, etwa auf klimaneutrale Kongresse oder Publikationen, z. B. kli-
oekom research AG
maneutrale Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte.
Gerade im Bankenbereich mit seinen vergleichsweise geringen direkten CO2-Emissionen haben sich
in der jüngeren Vergangenheit einige Unternehmen
dazu verpflichtet, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren oder sogar komplett klimaneutral zu arbeiten. Von den 74 durch oekom research bewerteten
Geschäftsbanken waren nach eigenen Angaben sieben per Ende 2009 klimaneutral, weitere vier Banken
planen einen solchen Schritt. Zu den klimaneutralen
Banken gehören u. a. die ING Groep (NL) und die
HSBC Holdings (UK).
Bei den aktiven Banken wird in der Regel ein Paket
von Maßnahmen eingesetzt, um das Reduktionsziel
zu erreichen. Dazu zählen u. a. die Reduzierung des
Energieverbrauchs, insbesondere in der IT, und der
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oekom CR Review 2010
Bezug von Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Die auf diese Weise nicht vermeidbaren Emissionen
sollen dann über Emissionszertifikate, z. B. aus Clean
Development Mechanism (CDM)-Projekten, neutralisiert werden.
Kompensationsmaßnahmen werden häufig als
„moderner Ablasshandel“ kritisiert, da sie den
Verursachern von Klimagasemissionen ein gutes
Gewissen verschaffen sollen. Unterm Strich, so die
Kritik, könnten Unternehmen und Personen ihr klimaschädliches Verhalten mit dem vermeintlichen
Verweis auf die Klimaneutralität beibehalten oder gar
noch verstärken – etwa bei Flugreisen. Befürworter
betonen, dass Kompensationsmöglichkeiten die
Klimaschädlichkeit bestimmter Aktivitäten erst
transparent machen und so bei Unternehmen und
Privatpersonen das Bewusstsein dafür fördern.
Insgesamt gibt es weitreichende Einigkeit darin, dass
Kompensationsmaßnahmen sich auf unvermeidbare
Emissionen beschränken und nicht als Alibi für unterlassene emissionsmindernde Maßnahmen herangezogen werden sollten.
Klimaneutralitätsziele von Geschäftsbanken; in %; Quelle: oekom research
AG (2010)
oe-Ton
„Banken verweisen häufig auf ihre vermeintlich geringen Umweltauswirkungen, vergessen
dabei aber den großen Einfluss, den sie über ihre Kreditvergabe und ihre Anlagepolitik auf
die umweltgerechte Führung von Unternehmen bzw. Gestaltung von Projekten haben.“
Dietrich Wild, oekom Branchenanalyst Financials
Klimarisiken in der Kapitalanlage
Die Studie „Carbon Risks in UK Equity Funds“, die
2009 im Auftrag des WWF erstellt wurde, kommt zu
dem Ergebnis, dass Fondsmanager einen großen
Einfluss darauf haben, wie hoch die Risiken aus
Treibhausgasemissionen in ihren Portfolios sind.
Durch gezielte Titelauswahl ließe sich der Anteil
derjenigen Unternehmen deutlich reduzieren, die
massive CO2-Emissionen verantworten. Dabei wäre
weder eine Umgewichtung der Branchen notwendig
noch eine Änderung der Investmentstrategie. Die
Studie, die mit Blick auf britische Publikumsfonds
durchgeführt wurde, beziffert die Bandbreite der
Treibhausgasemissionen pro investierter Million
Britischer Pfund von 209 bis 1.487 Tonnen.
Aus Sicht der Autoren sollten die Fondsmanager
ihren Einfluss geltend machen und gezielt den
Dialog mit denjenigen Unternehmen suchen, in die
sie investiert sind, sowie sich auf politischer Ebene
für ein strengeres Reporting zum Thema Treibhausgasemissionen einsetzen. (➔ www.wwf.uk)
Anlageprodukte mit Fokus „Klima“
Der Klimawandel war eines der zentralen Anlagethemen der vergangenen Jahre. Zahlreiche Indizes, Fonds
und ETFs wurden zu diesem Thema aufgelegt. Bei der Auswahl der Unternehmen wird darauf abgestellt, inwiefern diese entweder einen Beitrag zur Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels durch Reduzierung der
Treibhausgasemissionen leisten oder Wirtschaft und Gesellschaft bei der Anpassung an die unvermeidlichen
Folgen des Klimawandels unterstützen. Zur ersten Kategorie werden z. B. Unternehmen aus dem Bereich
der erneuerbaren Energien, aber auch des Maschinenbaus gezählt. Zur zweiten Kategorie gehören u. a. die
Bau- und die Versicherungswirtschaft. Die Plattform www.nachhaltiges-investment.org verzeichnet für den
deutschsprachigen Raum mehr als 50 Publikumsfonds mit Klimafokus.
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
Auf den Punkt gebracht
• Insbesondere die Immobilien- und die Bauwirtschaft zeigen trotz ihrer vergleichsweise hohen
Exponiertheit gegenüber Klimarisiken bisher wenig Bereitschaft, sich mit diesen zu beschäftigen.
Anders reagieren die Energieversorger, die Öl- und Gasbranche und die Automobilbranche. Sie sind
noch stärker von den Risiken betroffen, haben aber bereits begonnen, sich systematisch damit auseinander zu setzen, indem sie Strukturen im Unternehmen aufbauen und ihre Treibhausgasemissionen
erfassen.
• Deutliche Unterschiede bestehen zwischen Großunternehmen und der mittelständischen Wirtschaft.
So erreichen die DAX 30-Unternehmen bei der Bewertung des Klimarisiko-Managements durch oekom
research auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 4 (sehr gut) eine durchschnittliche Bewertung von
2,72. Die MDAX-Unternehmen kommen nur auf einen Wert von 1,62.
• Klimaneutralität ist im Finanzbereich ein vergleichsweise großes Thema. Von den 74 durch oekom
research bewerteten Geschäftsbanken waren nach eigenen Angaben sieben per Ende 2009 klimaneutral, weitere vier Banken planen einen solchen Schritt.
2.3.5 Energie
Die Gestaltung der Energieversorgung ist der wichtigste Schlüssel für die Lösung der Klimaschutzfrage,
wobei der Ausbau der erneuerbaren Energien und die
Steigerung der Energieeffizienz als zentrale Hebel
der Energiepolitik angesehen werden. Nicht nur in
Deutschland konnte man 2009 unter Hinweis auf
den Klimaschutz außerdem ein Wiederaufleben der
Diskussion um die Rolle der Atomenergie beobachten.
Renaissance der Atomenergie?
Das Thema Atomenergie spaltet nach wie vor die Gesellschaft. Besonders an der drängenden Notwendigkeit
der Senkung der globalen Treibhausgasemissionen hat sich die Diskussion um die Nutzung des Atomstroms
neu entzündet. So forderte die Internationale Energieagentur IEA im vergangenen Jahr „zum Schutz des
Klimas“ einen Ausbau der Atomenergie. Ihr Anteil an der weltweiten Stromversorgung sollte nach Auffassung
der IEA bis 2030 von derzeit rund 14 auf 18 Prozent gesteigert werden. Die Forderung stieß auf vehemente Kritik. In einer Stellungnahme wies Greenpeace darauf hin, dass jeden Monat ein neues AKW ans Netz
gehen müsse, um dieses Ziel zu erreichen, und warf der IEA vor, „jeglichen Sinn für die Realität verloren zu
haben“.
Auch auf politischer Ebene ist man sich uneinig. Während manche Staaten den Ausstieg aus der
Nutzung der Atomenergie zur
Stromerzeugung planen, z. B.
Deutschland, oder bereits vollzogen haben, bauen andere,
z. B. Frankreich und Finnland, diese
aus.
Dabei ist sich die Bevölkerung der
Brisanz des Themas bewusst. Zwar
ist die Akzeptanz der Atomenergie
unter EU-Bürgern insgesamt seit
2005 gestiegen. Dennoch ist die
Mehrheit (53 Prozent) der Meinung,
dass die Risiken der Atomenergie
ihre Vorteile überwiegen. Die
Akzeptanz variiert dabei stark zwischen einzelnen Ländern. In der
oekom research AG
Befürwortung von Atomstrom und Anteil an der Stromerzeugung; Quelle: Umfragen: EC 2008; Stromanteil: IAEA 2009, EC 2009
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oekom CR Review 2010
Debatte wird häufig die These einer „Renaissance der Atomenergie“ vertreten. Fakt ist jedoch, dass deren Anteil
am globalen Primärenergieverbrauch heute mit rund sechs Prozent relativ gering ist. Seit 2002 ging weltweit
die Anzahl der Reaktoren im Betrieb zurück. Auch 2009 sind die Zahl und Gesamtleistung der Atomkraftwerke
gesunken. In Betrieb genommen wurden laut der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) insgesamt
zwei AKWs, eines davon in Indien (202 MW) und eines in Japan (866 MW). Endgültig stillgelegt wurden drei
AKWS, davon zwei Atomreaktoren in Japan (515 MW und 806 MW) sowie einer in Litauen (1.185 MW). Offiziell
begann der Bau elf neuer AKWs, neun in China, eines in Russland und eines in Südkorea. Angesichts langer
Bauzeiten, explodierender Kosten und Engpässen in Bezug auf Technik und Know-how bleibt abzuwarten, ob
diese Reaktoren tatsächlich ans Netz gehen.
Tendenziell konzentriert sich heute die öffentliche Diskussion um den Kraftwerksneubau und die Verlängerung
der Laufzeiten bestehender AKWs auf den Klimaschutz sowie die Nutzung der Atomenergie als so genannte
„Brückentechnologie“ hin zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Darüber hinaus äußern Befürworter auch
Argumente wie die Bedeutung der Atomenergie für die Versorgungssicherheit angesichts eines weltweit steigenden Energiebedarfs bei sinkender Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe, eine Reduzierung der Abhängigkeit
von Öl- und Gasimporten sowie die kostengünstige Versorgung mit Strom.
Atomkritiker verweisen neben der ungelösten Endlagerproblematik auf bleibende Risikofaktoren in Bezug
auf den sicheren Betrieb von Atomkraftwerken und auf immense soziale, ökologische und wirtschaftliche
Auswirkungen im Falle eines größeren Unfalls. Zu den weiteren Gegenargumenten gehören Gesundheitsrisiken,
Sicherheitsrisiken angesichts des globalen Terrorismus und die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen.
Einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz könne die Atomenergie nicht leisten. Zudem würde ein Ausbau
der Atomenergie nach Einschätzungen der Kritiker die Förderung erneuerbarer Energien beeinträchtigen.
oekom research bewertet die Atomenergie im Rating negativ, da insgesamt die Vorteile der Nutzung der
Atomenergie im Vergleich zu anderen Stromerzeugungsformen nicht die damit verbundenen Risiken und
Umweltauswirkungen rechtfertigen. Das oekom Rating Universe umfasst zahlreiche Unternehmen verschiedener Branchen, die im Bereich Atomenergie aktiv sind. Dazu zählen – entlang der Wertschöpfungskette –
Bergbauunternehmen, die Uran abbauen, Hersteller von Atomkraftwerken und/oder Kernkomponenten solcher Anlagen sowie Produzenten von Atomenergie. Über Ausschlusskriterien können diese Unternehmen
vom Investment ausgeschlossen werden. Rund 60 Prozent der Kunden von oekom research nutzen diese
Möglichkeit.
oe-Ton
„Die globale Klimaproblematik hat zu einer Neubelebung der politischen und gesellschaftlichen Debatte um die Nutzung der Atomenergie geführt. Diese kann jedoch keinen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten.“
Susanne Schaller, oekom Branchenanalystin Utilities
2.3.5.1 Erneuerbare Energien
Gleich zwei Großprojekte sorgten 2009 im Bereich
der erneuerbaren Energien für Aufsehen: Zum einen
die Gründung der Desertec Industrial Initiative
(DII), zum anderen das Seatec-Projekt. Die DII, ein
Zusammenschluss von derzeit zwölf Unternehmen
und der Desertec Foundation, will in den kommenden
drei Jahren die Rahmenbedingungen für Investitionen
entwickeln, die erforderlich sind, um die so genannte MENA-Region (Middle East & North Africa) und
Europa mit Sonnen- und Windenergie vor allem aus
der Sahara zu beliefern.
oekom research AG
Ziel ist es dabei, langfristig einen erheblichen
Anteil des Strombedarfs für die MENA-Region und
15 Prozent des europäischen Strombedarfs zu erzeugen. Zahlreiche Unternehmen aus dem oekom Rating
Universe sind an der Initiative beteiligt, u. a. Abengoa,
Deutsche Bank, Munich Re und Siemens.
Das zweite Großprojekt Seatec betrifft den Aufbau
eines gemeinsamen Hightech-Energienetzes, das
Europas Wind-, Sonnen und Wellenkraftwerke verbinden soll. Nach derzeitigem Stand der Überlegungen
sollen Hochspannungs-Unterseekabel in der Nordsee
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oekom CR Review 2010
Windparks auf hoher See vor der deutschen und britischen Küste mit Wasserkraftwerken in Norwegen,
Gezeitenmeilern an der belgischen und dänischen
Küste sowie Wind- und Solaranlagen auf dem europäischen Festland verbinden.
Damit würde in Europa erstmals ein internationales Energienetz über viele Grenzen hinweg entstehen. Das Netz könnte einige der Probleme bei
der Stromversorgung mittels erneuerbarer Energien
lösen, die dadurch entstehen, dass Wind- und
Solarkraftwerke von Wetterbedingungen abhängig sind und daher kein stetiges und gleichbleibendes Stromangebot garantieren können. Die
Schwankungen durch verschiedene Energieträger
und Regionen ließen sich innerhalb des Netzes aus-
gleichen, wodurch eine verlässliche Versorgung weiter Teile Europas sichergestellt werden könnte.
Weltweite Primärenergieversorgung nach Energiequellen 2006; Quelle:
IEA 2008; „Sonstige“ inkl. Geothermie, Solar- und Windenergie
oe-Ton
„Großprojekte wie Desertec und Seatec können als „Apollo-Projekte“ die Akzeptanz erneuerbarer Energien fördern und zur Erreichung der europäischen Ziele zur Energieversorgung aus
regenerativen Quellen beitragen. Ein Ersatz für den Ausbau einer dezentralen, regenerativen
Energieversorgung sind sie aber nicht.“
Philipp Rühle, oekom Branchenanalyst Renewable Energy
Energieversorger
Neben den spezialisierten Erzeugern von erneuerbarer Energie – das oekom Sub-Universum „KMU mit
Nachhaltigkeitsfokus“ umfasst knapp 130 Unternehmen aus diesem Bereich – steigen auch die großen Energieversorger verstärkt in die Erzeugung von
Strom aus erneuerbaren Energiequellen ein.
Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt dabei
auf der Realisierung großer Anlagen, etwa von
Offshore-Windparks oder Solarthermie-Kraftwerken.
So sind unter anderem E.ON und RWE an der
genannten Desertec-Initiative beteiligt. In diesem
Zusammenhang fällt auf, dass sich auch konventionelle Unternehmen aus anderen Branchen zunehmend im Bereich der erneuerbaren Energien engagieren, z. B. der Nutzfahrzeughersteller MAN und der
Glasproduzent Schott.
Unter den konventionellen Energieversorgern
sind EDP Energias de Portugal (PT) und Iberdrola
(ES) im Bereich der erneuerbaren Energien besonders aktiv. Beide Unternehmen haben spezialisierte
Tochtergesellschaften – EDP Renováveis und Iberdrola
Renovables – und erzeugen einen bedeutenden
Anteil des bereitgestellten Stroms aus erneuerbaren
Energiequellen. So stammten 2008 ca. 25 Prozent
oekom research AG
EDP Energias de Portugal (PT)
Iberdrola (ES)
Top Unternehmen bei der Bewertung der Maßnahmen im Bereich erneuerbare Energien; Quelle: oekom research AG (2010)
des von EDP erzeugten Stroms aus Wasserkraft und
16 Prozent aus Windenergie.
Bei Iberdrola wurden 2008 8,2 Prozent des Stroms
aus Wasserkraft generiert, sonstige erneuerbare
Energien waren für zwölf Prozent der Stromerzeugung
verantwortlich. Beide Unternehmen haben sich ehrgeizige Ziele für den weiteren Kapazitätsausbau
erneuerbarer Energien gesetzt. Auf den weiteren
Rängen folgen mehrere Unternehmen, die ebenfalls
ein überdurchschnittliches Engagement hinsichtlich
erneuerbarer Energien zeigen, darunter E.ON (DE),
Scottish and Southern Energy (UK) und EDF (FR).
Ihr derzeitiger Strommixanteil aus erneuerbaren
Energien ist jedoch weitaus geringer als bei EDP und
Iberdrola.
Seite 37
oekom CR Review 2010
Anlageprodukte mit Fokus „erneuerbare Energien“
Neben dem Klimawandel waren erneuerbare Energien eines der wichtigsten Anlagethemen der vergangenen
Jahre. Dabei sind neben Direktanlagen in Solarparks, Windkraft- oder Biogasanlagen oder der Beteiligung an
„grünen“ Energieversorgungsunternehmen über Genussrechte oder Genossenschaftsanteile auch zahlreiche
Investmentfonds und Zertifikate auf den Markt gekommen. Die Datenbank www.nachhaltiges-investment.org
rechnet 21 der insgesamt 313 erfassten, im deutschsprachigen Raum zugelassenen Publikumsfonds dieser
Kategorie zu. Diese Fonds werden aufgrund des thematischen Fokus häufig zu den Nachhaltigkeitsfonds gezählt,
selbst wenn für die Auswahl der Unternehmen für den Fonds keine spezifischen Nachhaltigkeitskriterien
genutzt werden.
2.3.5.2 Steigerung der Energieeffizienz
Während der Ausbau der erneuerbaren Energien
sowohl im Rahmen von Großprojekten als auch
auf dezentraler Ebene weiter voranschreitet, stellt
sich das Bild bei der Frage der Steigerung der
Energieeffizienz differenzierter dar. Hier sind es insbesondere zwei Bereiche, auf die sich die öffentliche
Diskussion zur Einsparung von Energie konzentriert:
Der Energieverbrauch von Immobilien und die (automobile) Mobilität.
Nach Berechnungen des deutschen Bundesumweltministeriums entfallen etwa 90 Prozent
des Endenergieverbrauchs (ohne Verkehr) der privaten Haushalte in Deutschland auf das Heizen
und die Warmwasserbereitung. Den überwiegenden Anteil macht dabei mit rund drei Vierteln des
Energieverbrauchs die Raumwärme aus, von der bisher ein Großteil durch Wände, Fenster, Dach, Türen
oder den Fußboden verloren geht. Bei den Altbauten
lässt sich der Energiebedarf durch energetische
Sanierung in Einzelfällen um bis zu 90 Prozent, im
Durchschnitt immerhin um rund 50 Prozent reduzieren.
Im Bereich der Mobilität sind verschiedene
Entwicklungen zu beobachten: Eine deutliche
Zunahme des Güterverkehrs insbesondere auf
den Straßen, eine Zunahme des Flugverkehrs
sowie ein weiterhin hohes Niveau automobiler
Individualmobilität in den Industriestaaten bzw.
ein rasantes Wachstum des Individualverkehrs in
den Schwellenländern. Dieser Zuwachs an Verkehr
steht den Bemühungen der Hersteller von Fahr- und
Flugzeugen gegenüber, durch Verbesserungen bei
den konventionellen Antrieben und der Entwicklung
alternativer Antriebe den Kraftstoffverbrauch und
damit die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Automobil
Die Automobilindustrie hat 2009 stark von der
in verschiedenen Staaten gezahlten staatlichen
Abwrackprämie profitiert. In Deutschland erreichte beispielsweise der Autoabsatz mit 3,8 Millionen Stück ein
17-Jahres-Hoch. Die bestehenden Strukturprobleme
in der weltweiten Automobilindustrie, insbesondere
die hohen Überkapazitäten in der Produktion, konnten dadurch aber nur teilweise überdeckt werden. So
haben insbesondere die Vorgänge um GM und seine
Tochter Opel sowie bei Ford und Chrysler angedeutet,
vor welchen wirtschaftlichen Herausforderungen die
Branche steht.
Eng verknüpft mit den ökonomischen sind die
ökologisch-technischen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung des
Kraftstoffverbrauchs und damit der CO2-Emissionen
bei konventionellen Antrieben und die Entwicklung
oekom research AG
alternativer Antriebskonzepte. Nach einer aktuellen Aufstellung des europäischen Verbandes
Transport & Environment (T&E) für den europäischen
Automobilmarkt konnten einige Hersteller die CO2Emissionen 2008 gegenüber dem Stand von 2007
recht deutlich reduzieren. Spitzenreiter war hier BMW
mit einer Reduzierung um 10,2 Prozent auf 154 Gramm
CO2 pro gefahrenem Kilometer. Renault erreichte eine Reduzierung um 3,2 Prozent auf 143 g/km,
Volkswagen um 3,3 Prozent auf 159 g/km. Bezogen
auf die in Europa verkauften Fahrzeuge weist nach
Berechnungen von T&E Fiat mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 138 g/km den niedrigsten
Wert auf, gefolgt von PSA mit 139 g/km. Vorgabe in
der EU ist es, die durchschnittlichen Emissionen bis
2015 auf 120 g/km zu reduzieren.
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oekom CR Review 2010
Bei der Entwicklung alternativer Antriebe werden
derzeit der Hybrid- und der Elektroantrieb favorisiert.
Beinahe alle Hersteller arbeiten daran, mittelfristig
entsprechende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.
Vergleichsweise weit fortgeschritten ist die Allianz
aus Renault (FR) und Nissan (JP), die sich für einen
umfassenden und möglichst frühzeitigen Einstieg in
diese Technik entschieden haben. Bereits 2011 sollen die ersten Modelle in Dänemark und Israel verfügbar sein, 2012 will die Allianz auch weltweit in die
Renault (FR)
Nissan (JP)
Top Unternehmen bei der Bewertung der Energieeffizienzmaßnahmen;
Quelle: oekom research AG (2010)
Massenvermarktung von Elektroautos einsteigen und
sein Portfolio auf insgesamt vier Modelle ausbauen.
Auch bei langfristigen Zielen beim CO2-Ausstoß
setzen die beiden Unternehmen Maßstäbe. So kündigt Nissan an, den CO2-Ausstoß seiner Flotte bis
2050 um 90 Prozent senken zu wollen (bezogen auf
das Jahr 2000), Renault möchte bis 2020 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß auf 95 g/km senken (dies
entspricht einer Senkung um ca. 33 Prozent gegenüber dem Jahr 2008).
In Deutschland hat sich BMW derzeit die ambitioniertesten Ziele gesetzt: Anlässlich der Klimakonferenz
in Kopenhagen gab das Unternehmen bekannt, seinen Flottenausstoß bis 2020 um mindestens 25
Prozent senken zu wollen. Dies entspricht einem CO2 Ausstoß von ca. 117 g/km, wenn man das Jahr 2008
und den europäischen Markt zugrunde legt. Bei der
Erfüllung dieser Ziele wird die Massenvermarktung
von Elektrofahrzeugen eine wesentliche Rolle spielen
müssen.
oe-Ton
„Nachdem die Automobilindustrie nur langsam aus ihrer Abwarte- und Blockadehaltung in
Bezug auf Emissionsminderungen und die Einführung neuer Technologien herauskommt,
ist jetzt entschiedenes Handeln gefragt. Wer auch über das Jahr 2015 hinaus die regulatorischen Herausforderungen meistern möchte, kommt an einer möglichst zeitnahen und
modellübergreifenden Massenvermarktung von Elektrofahrzeugen und weiterentwickelten
Hybridantrieben nicht vorbei.“
Till Jung, oekom Branchenanalyst Automobile
Immobilien
Bei der Gebäudedämmung von vorhandenen
und einer energieeffizienten Konstruktion neuer
Immobilien bestehen nach Ansicht von Experten
immense Potenziale zur Einsparung von Energie
und damit zum Klimaschutz. Bei Neubauten wird mit
Niedrigenergie-, Passiv- und 3-Liter-Häusern zunehmend auf die Energieeffizienz der Gebäude geachtet,
gleichzeitig steigt die Zahl der Gebäude mit Nachhaltigkeitszertifizierung, wie LEED in den USA, BREEAM
in England und CASBEE in Japan. In Deutschland hat
die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
(DGNB) ein entsprechendes Gütesiegel eingeführt.
Dass nachhaltiges Bauen auch ökonomisch interessant ist, hat eine Studie der Royal Institution of
Chartered Surveyors (RICS) gezeigt: Danach erzielen
in den USA nachhaltige Gebäude drei Prozent höhere
Mietpreise als herkömmliche Immobilien.
Während sich damit bei Neubauten zumindest
oekom research AG
in einigen Bereichen Bewegung zeigt, besteht im
Gebäudebestand weiterhin dringender Handlungsbedarf. oekom research bewertet in diesem Zusammenhang unter anderem die bestehenden Richtlinien
und Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz
der Gebäude.
Vergleichsweise aktiv sind die beiden britischen
Unternehmen British Land und Liberty International
sowie die schwedische JM. So hat beispielsweise
British Land als Ziel formuliert, dass alle seine neuen
Bürobauvorhaben das Prädikat BREEAM ‚Excellent‘
erreichen sollen. Für größere Büromodernisierungen
strebt British Land generell die Bewertung BREEAM
‚Very Good‘ (sehr gut) an. Liberty International hat
umfangreiche Richtlinien implementiert, die die im
Rahmen des Bau- und Planungsprozesses beauftragten Auftragnehmer, Planer und Berater dabei unterstützen sollen, geeignete Maßnahmen zur Steigerung
Seite 39
oekom CR Review 2010
der Energieeffizienz zu identifizieren.
Die Richtlinien gehen dabei auf Themen wie
Beleuchtung, Heizen, Kühlung, Belüften und
die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen
ein. JM schließlich plant seit 2008 alle neuen
Wohnungsbauprojekte als Niedrigenergiehäuser.
Deren Energieverbrauch liegt 30 Prozent unter dem
konventionell gebauter Häuser.
British Land (UK)
Liberty International (UK)
JM (SE)
Top Unternehmen bei der Bewertung der Energieeffizienzmaßnahmen;
Quelle: oekom research AG (2010)
oe-Ton
„Britische Immobilienunternehmen geben beim Thema Energieeffizienz derzeit klar den Ton
an. Deutschen Unternehmen mangelt es im Gegensatz zu ihren britischen Wettbewerbern
vielfach noch an Richtlinien und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz im
Immobilienportfolio.“
Susanne Schwind, oekom Branchenanalystin Real Estate
Auf den Punkt gebracht
• Das Wiederaufleben der politischen und gesellschaftlichen Diskussion um die Nutzung der Atomenergie
geht bisher nicht mit dem Ausbau der entsprechenden Kapazitäten einher. Im Gegenteil: 2009 sind
weltweit sowohl die Zahl als auch die Leistung der Atomkraftwerke gesunken.
• Bei den erneuerbaren Energien konzentrieren die Energieversorger ihr Engagement auf Großprojekte
wie Desertec und Seatec.
• Die Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz werden nur teilweise genutzt. Während es in der
Automobilindustrie leichte Fortschritte gibt, bleibt die Immobilienwirtschaft weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.
2.3.6 Wasser
Wasser wird häufig als „blaues Gold“ bezeichnet.
Ursache dafür ist die erwartete Verknappung der
Verfügbarkeit von Wasser: Obwohl mehr als 70 Prozent
der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind, ist nur ein
Prozent des Wassers als Trinkwasser nutzbar. Schon
heute haben rund zwei Milliarden Menschen keinen
Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bis zum Jahr 2050
wird nach Schätzungen der deutschen Welthungerhilfe
voraussichtlich mindestens ein Viertel der dann 10
Milliarden Menschen mit chronischem oder immer
wiederkehrendem Süßwassermangel leben müssen –
die meisten davon in Afrika und Asien.
Die zunehmende Verschmutzung des Oberflächenund Grundwassers durch Düngemittel, Pestizide, tierische und menschliche Exkremente, Salze, ungeklärte Abwässer, Giftmüll und Waschmittelrückstände
verschärft die Wasserkrise. Schon heute sind ca. 80
Prozent aller Krankheiten in den Entwicklungsländern
auf verschmutztes Wasser zurückzuführen. Bis zu vier
oekom research AG
Millionen Kinder sterben jährlich an wasserbedingten Durchfallerkrankungen und Infektionen.
Auch in den Industrieländern droht in einigen
Regionen, insbesondere in den Mittelmeeranrainern,
aber auch in einzelnen Regionen Deutschlands, im
Zuge des Klimawandels eine Wasserknappheit. So
erwarten Klimaexperten beispielsweise einen deutlichen Rückgang der nutzbaren Wassermenge in den
Sommermonaten insbesondere in Ostdeutschland.
Bereits diese wenigen Fakten zum Thema Wasser
machen deutlich, warum die effiziente Nutzung des
Wassers und der Schutz der Wasserressourcen zu den
Kernzielen einer nachhaltigen Entwicklung gehören,
wie sie etwa in den Millenium Development Goals der
Vereinten Nationen formuliert sind. Entsprechende
Kriterien zum unternehmerischen Umgang mit
Wasser finden sich bei oekom research in zahlreichen
Branchen, wie folgende Beispiele zeigen:
Seite 40
oekom CR Review 2010
Nahrungsmittel
Der Nahrungsmittelsektor kommt vielfach mit Wasser
in Berührung: Zum einen ist die Industrie extrem
abhängig vom Wasser. Es ist eine wesentliche Zutat in
vielen Produkten und dient als Betriebsmittel. Ohne
Wasser ist kein Pflanzenwachstum und somit keine
Land- und Viehwirtschaft möglich. Zudem beheimaten Flüsse, Seen und Ozeane Organismen, die wir
verzehren oder die in der Nahrungsmittelkette vorgeschaltet sind. Zum anderen hat keine andere Branche
einen ähnlich hohen Einfluss auf die Quantität und
Qualität von Wasser. So gehen 70 Prozent des entnommenen Süßwassers weltweit auf das Konto der
Landwirtschaft. Hinzu kommt der Wassereinsatz in
der industriellen Weiterverarbeitung. Darüber hinaus trägt die Branche eine große Verantwortung
dafür, dass die Wasserqualität durch Abwässer
aus Landwirtschaft und Industrie nicht zu stark in
Mitleidenschaft gezogen wird.
Bei der Bewertung der Unternehmen durch oekom
research fließen – sowohl im Hinblick auf die meist
in der Zuliefererkette liegende landwirtschaftliche
Erzeugung als auch auf die industrielle Produktion –
u. a. folgende Aspekte ein: die Qualität der Richtlinien
in Bezug auf den Umgang mit der Ressource Wasser,
die Erfassung und Darstellung des Wasserverbrauchs,
die Darstellung des Zielkonflikts von Wasser- und
Energieeffizienz, Maßnahmen zur Reduzierung des
Wasserverbrauchs, Maßnahmen zum Schutz der
Gewässer vor Verschmutzung durch die landwirtschaftlichen Tätigkeiten und durch Abwasser aus der
industriellen Produktion.
Hinsichtlich der eigenen Produktion haben eine
Vielzahl von Unternehmen bereits Verpflichtungen
zu reduziertem Wassereinsatz und geringeren
Abwassermengen formuliert und entsprechende
Maßnahmen eingeleitet. Hervorzuheben ist der
größte Abfüller von Coca-Cola-Produkten (Coca-Cola
Enterprises (US)), der einen ehrgeizigen Zielwert
zur Senkung des Wasserverbrauchs formuliert hat,
ohne den Energieverbrauch aus den Augen zu verlieren. Auch das Engagement von SABMiller (UK)
ist positiv zu bewerten: Gemeinsam mit dem WWF
hat der Brauereikonzern als erstes Unternehmen
einen umfassenden Wasser-Fußabdruck, d. h. den
direkten und indirekten Wasserverbrauch in seiner
Wertschöpfungskette, erhoben und veröffentlicht.
Aus den Ergebnissen leitet der Konzern weitere
Aktivitäten ab, die auch die landwirtschaftliche
Produktion in der Lieferkette betreffen.
Coca-Cola Enterprises (US)
SABMiller (UK)
Unilever (NL/UK)
Top Unternehmen bei der Bewertung des Wassermanagements; Quelle:
oekom research AG (2010)
Daneben zählt Unilever (NL/UK) zu den wenigen
Unternehmen, die ein über die eigene Produktion
hinausgehendes Wassermanagement betreiben. So
beziehen seine im Branchenvergleich umfassenden
Projekte zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft
auch Wasserqualität und -quantität mit ein.
Die Branche hat zudem damit begonnen, durch
Projekte mit Zulieferern den Wasserverbrauch und
den Pestizid- und Düngemitteleinsatz in der landwirtschaftlichen Lieferkette zu reduzieren – bislang
allerdings bei weitem nicht flächendeckend. Zwar forschen einige Unternehmen nach besonders genügsamen Nutzpflanzen, doch ansonsten scheint die
Produktpalette noch heilig zu sein: Es ist noch nicht
bekannt, dass die Großkonzerne ernsthaft überlegen,
von wasserintensiven Lebensmitteln auf Produkte
umzusteigen, deren Herstellung deutlich weniger
Wasserverbrauch je Kalorie aufweist.
oe-Ton
„Die Nahrungsmittelindustrie hat aufgrund des hohen Wasserverbrauchs bei der landwirtschaftlichen Produktion einen enormen Hebel, um Einsparpotenziale zu verwirklichen.
Allerdings muss sie dafür bereit sein, weit intensiver mit Landwirten zusammenzuarbeiten
und wassereffiziente Anbaumethoden stärker zu belohnen. Möglicherweise kommt der Zweig
der Industrie, der auf wasserintensive tierische Zutaten wie Fleisch oder Milchprodukte
zurückgreift, nicht darum herum, den Anteil rein pflanzlicher Inhaltsstoffe zu erhöhen.“
Isabelle Reinery, oekom Branchenanalystin Food & Beverages
oekom research AG
Seite 41
oekom CR Review 2010
Pharma
Für den Pharmasektor ist das Thema Wasser in zweierlei Hinsicht relevant: Zum einen ist Wasser ein wichtiger Faktor in der Produktion der Arzneimittel, zum
anderen trägt die Industrie Verantwortung dafür, dass
die Arzneimittelrückstände im Wasser minimiert werden. Dabei soll verhindert werden, dass Wirkstoffe
nach dem Ausscheiden über die Kanalisation in
Gewässer gelangen und dort Pflanzen und Tiere
schädigen (z. B. Verweiblichung von Fischen) sowie
ins Trinkwasser kommen.
In das Rating von oekom research fließen u. a. die
Qualität des Wassermanagements, die Durchführung
von standortbezogenen Risikoanalysen sowie
die umfassende Erfassung und Darstellung des
Wasserverbrauchs ein. Darüber hinaus wird nach
prozessbezogenen Innovationen zur Reduzierung des
Wasserverbrauchs gefragt. Beim Schutz des Wassers
vor Verschmutzung durch Arzneimittel geht es zum
einen um präventive Maßnahmen im Produktdesign,
insbesondere um die Abbaubarkeit der Medikamente,
zum anderen um end-of-pipe Technologien, z. B. die
Filtration von Produktionsabwässern.
Im Hinblick auf den Wasserverbrauch haben erste
Unternehmen mit der systematischen Beschäftigung
mit dem Thema begonnen. Zahlreiche Unternehmen
haben entsprechende Verpflichtungen zum sparsamen Umgang mit dem Rohstoff formuliert und
einige wenige, insbesondere aus den USA, haben
erste Risikoanalysen angefertigt. Insgesamt
bleibt die Branche hier aber noch weit hinter den
Anforderungen zurück. Bei der Wasserreinhaltung
setzen die Unternehmen vorrangig auf end-of-pipe
Lösungen. Allerdings ist dieser Ansatz in der Praxis
problembehaftet, da zum einen wirkstoffspezifische
Filterungstechniken notwendig sind (d. h. die teure
Kombination unterschiedlicher Reinigungsschritte)
und zum anderen ein großer Teil der Bevölkerung, der
Medikamente einnimmt, in Gebieten ohne wirksame
Kanalisation lebt.
Abbott (US)
Pfizer (US)
Bristol-Myers Squibb (US)
Top Unternehmen bei der Bewertung des Wassermanagements; Quelle:
oekom research AG (2010)
Insgesamt noch am besten gehen die drei USPharmaunternehmen Abbott, Pfizer und BristolMyers Squibb mit den genannten Herausforderungen
um. Bei Bristol-Myers Squibb geben auf lokalen
Risikobewertungen basierende Ziele die Richtung
für Wassersparprogramme in Produktionsanlagen
vor. Pfizer hat Leitlinien und Planungstools für ein
umfangreiches Wassermanagement im Unternehmen
erstellt. Abbott arbeitet zudem mit Gemeinden und
Organisationen an lokalen Wasserstrategien an
Standorten, die von Wasserknappheit bedroht sind.
oe-Ton
„Allmählich realisiert die Pharmabranche, dass Wasser eine wertvolle, aber bedrohte
Ressource ist, für deren Schutz sie eine Mitverantwortung trägt. Wassersparen gewinnt in den
Unternehmen entsprechend an Bedeutung. Überzeugende Lösungsansätze zur Problematik
von Arzneimittelrückständen in Gewässern und im Trinkwasser fehlen jedoch noch.“
Marlen Rürup, oekom Branchenanalystin Pharmaceuticals & Biotechnology
Wasserversorger
Neben kommunalen Wasserversorgungsunternehmen
sind auch zahlreiche börsennotierte Unternehmen
im Wassergeschäft aktiv. Dabei handelt es sich
zum einen um spezialisierte Wasserversorger, die
zudem in der Abwasserentsorgung aktiv sind, wie
z. B. Severn Trent (UK) und Veolia Environnement (FR).
Zum anderen haben einige Versorgungsunternehmen
mit Schwerpunkt Energieversorgung in geringerem Umfang auch Aktivitäten im Bereich der
Wasserversorgung, so z. B. EVN (AT) und RWE (DE).
Neben Maßnahmen zur Sicherstellung einer
oekom research AG
nachhaltigen Wasserentnahme und der transparenten Berichterstattung über die dabei genutzten
Quellen bewertet oekom research den effizienten
Umgang mit Wasser. In die Bewertung fließen dabei
beispielsweise der Prozentsatz der Kunden, die mit
einem Wasserzähler ausgestattet sind, und die Leck-/
Verlustrate des Trinkwassersystems ein. Letzteres
Kriterium berücksichtigt, dass in Ländern wie
Bulgarien teilweise mehr als 50 Prozent des Wassers
beim Transport zu den Kunden verloren geht.
In der Gesamtbewertung dieser Kriterien errei-
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oekom CR Review 2010
chen die drei Unternehmen United Utilities (UK),
Veolia Environnement (FR) und SUEZ Environnement
(FR) sowie dessen Tochter Agbar (ES) die besten
Bewertungen. Unter den Energieversorgern mit kleineren Wassersparten schneidet auch EVN (AT) sehr
gut ab.
United Utilities hat in Großbritannien umfangreiche Strategien und Maßnahmen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Bewirtschaftung von
Rohwasserressourcen umgesetzt. Nach Angaben von
Veolia Environnement waren im Jahr 2008 über 96
Prozent der Kunden mit einem Wasserzähler ausgestattet. SUEZ Environnement hat Maßnahmen
realisiert, um die Verlustrate in der Wasserverteilung
United Utilities (UK)
Veolia Environnement (FR)
SUEZ Environnement (FR)
Top Unternehmen bei der Bewertung des Wassermanagements; Quelle:
oekom research AG (2010)
zu senken. Die österreichische EVN hat mit 2 bis 3,5
Prozent im Jahr 2008 eine sehr niedrige Verlustrate
erreicht.
Anlageprodukte mit Fokus „Wasser“
Das Thema Wasser steht auch im Fokus einer steigenden Zahl von Anlageprodukten. So ist beispielsweise
allein im deutschsprachigen Raum mehr als ein Dutzend Publikumsfonds zum Vertrieb zugelassen, die in
Unternehmen investieren, die in der Wertschöpfungskette des Wassermarktes, d. h. in der Wasserversorgung,
-aufbereitungs- und -effizienztechnologie sowie -infrastruktur tätig sind. Auch diese Fonds werden aufgrund des thematischen Fokus häufig zu den Nachhaltigkeitsfonds gezählt, selbst wenn für die Auswahl der
Unternehmen für den Fonds keine besonderen sozialen oder ökologischen Kriterien genutzt werden.
Auf den Punkt gebracht
• Viele Branchen sind auf die Verfügbarkeit von sauberem Wasser für ihre Produktionsprozesse und
Produkte angewiesen. In der Nahrungsmittelwirtschaft haben sich bereits zahlreiche Unternehmen
zu mehr Effizienz verpflichtet und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Einige Unternehmen haben
sehr umfassende Risikoanalysen erstellt und insbesondere an Standorten mit akutem Wassermangel
ehrgeizige Programme initiiert (z. B. geschlossene Wasserkreisläufe).
• Auch die Pharmaindustrie nimmt Wasser zunehmend als wertvolle und bedrohte Ressource war. Zentrale, bisher ungelöste Herausforderung ist hier die Minimierung der Arzneimittelrückstände in Gewässern und im Trinkwasser.
• Die effiziente Nutzung von Wasser und der Schutz der Wasserressourcen zählen zu den Kernzielen
einer nachhaltigen Entwicklung und finden auch im nachhaltigen Investment zunehmend Beachtung.
Einige der volumenstärksten Nachhaltigkeitsfonds sind Wasserfonds.
2.3.7 Biodiversität
Biodiversität beschreibt die Vielfalt der Arten sowie
der Ökosysteme. Derzeit sind weltweit knapp zwei
Millionen Arten bekannt, die Gesamtzahl der Arten
wird auf mindestens 13 Millionen geschätzt. Jeden Tag
sterben bis zu 130 Arten aus. Der Klimawandel, die
Intensivierung und Ausdehnung der Landwirtschaft
sowie der Ausbau der Infrastruktur werden dabei
als Haupttreiber des Artensterbens angesehen. Die
oekom research AG
Convention on Biological Diversity (CBD) ist das zentrale internationale Abkommen zum Artenschutz.
Die Unterzeichner (189 Staaten und die EU) haben
sich verpflichtet, das Artensterben bis zum Jahr 2010
maßgeblich zu reduzieren. Im Fokus der aktuellen
Diskussion zum Artenschutz stehen dabei u. a. die
Sicherstellung der Finanzierung von Maßnahmen
zum Schutz der Biodiversität, die Gewährleistung des
Seite 43
oekom CR Review 2010
Flächen durch die Natur erbrachten Leistungen auf
3,7 Billionen Euro pro Jahr geschätzt. Zu den Ökosystemleistungen zählen:
Zugangs zu pflanzlichen und tierischen genetischen
Ressourcen sowie die Sicherstellung einer gerechten
Beteiligung der Herkunftsländer an den Gewinnen aus
der Nutzung dieser Ressourcen, die Auswirkungen des
verstärkten Anbaus von Pflanzen zur Gewinnung von
Biokraftstoffen sowie die Berechnung des ökonomischen Wertes von Arten und Ökosystemleistungen.
Letzterer Aspekt steht im Fokus der Studie „The
Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB),
die derzeit im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des EU-Umweltkommissars erstellt wird.
Die Ergebnisse der Studie werden für Herbst 2010
erwartet. In einem Zwischenbericht haben die Autoren allein den Wert der weltweit auf geschützten
Leistung
Beispiele
Rohstoffe
Nahrungsmittel, Biomasse, Trinkwasser,
genetische Ressourcen, Biochemikalien und
pharmazeutische Rohstoffe
Regulatorische
Leistungen
Leistungen im Bereich Wasser- und
Luftqualität, Klimaschutz, Bodenerosion
und Hochwasserschutz
Kultureller Wert
Erholung, ästhetischer Wert der Natur
Ökosystemleistungen; Quelle: oekom research AG (2010)
In den Unternehmen wächst das Bewusstsein für
die Risiken, die sich aus dem Artensterben und der
Beeinträchtigung der Ökosysteme ergeben können.
Aus Unternehmenssicht geht es dabei um Themen
wie die Sicherung des dauerhaften Zugangs zu
pflanzlichen und tierischen Rohstoffen, den Erhalt der
Artenvielfalt als Quelle für Produktinnovationen oder
die zunehmende Berücksichtigung des Artenschutzes
als Kaufkriterium.
Dabei hängt die Frage, ob ein Unternehmen von
u. a. regulatorischen und marktlichen Risiken betroffen ist, maßgeblich davon ab, wie hoch der (nega-
tive) Einfluss der Branche auf die Artenvielfalt und
die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme bzw. wie
stark die Abhängigkeit von den entsprechenden
Leistungen der Natur ist. Die folgende Tabelle zeigt
die Bewertung der Abhängigkeit und des Einflusses
für ausgewählte Branchen.
Vor diesem Hintergrund spielen entsprechende Kriterien bei der Bewertung der Unternehmen
in zahlreichen betroffenen Branchen eine wichtige
Rolle. Dazu folgende Beispiele aus den Bereichen
Biokraftstoffe, Öl & Gas und Tourismus.
Branche
Abhängigkeit von BÖS
Einfluss auf BÖS
Bergbau
niedrig
hoch
Immobilien
mittel
hoch
Landwirtschaft
hoch
hoch
niedrig
hoch
Papier & Forst
hoch
hoch
Pharma
mittel
mittel
Tourismus
hoch
hoch
Öl & Gas
Einfluss und Abhängigkeit ausgewählter Branchen auf bzw. von Biodiversität und Ökosystemleistungen (BÖS); Quelle: oekom research AG (2010)
Biokraftstoffe
Obwohl die Euphorie der früheren Jahre verflogen
und der Einsatz von Biokraftstoffen heute deutlich
differenzierter beurteilt wird, besteht weiterhin breite
Einigkeit darüber, dass Biokraftstoffe einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz sowie
zur Entwicklung ländlicher Räume leisten können. Um
negative Auswirkungen des Anbaus von Biomasse
oekom research AG
auf die Biodiversität zu vermeiden, achtet oekom
research bei Produzenten von Biokraftstoffen darauf,
dass Biomasse aus umwelt- und sozialverträglichem
Anbau eingesetzt wird.
Gefordert werden hier u. a. Standards zum Umgang
mit Pestiziden, die Nutzung von Anbaumethoden, die
die Risiken von Bodenerosion und -verdichtung redu-
Seite 44
oekom CR Review 2010
zieren, und ein nachhaltiges Wassermanagement.
Auf den Einsatz von Gentechnik in der Produktion
von Biomasse sollte verzichtet, die Verwendung von
Gen-Pflanzen aber mindestens transparent gemacht
werden. Diese Anforderungen erfüllen derzeit die drei
Unternehmen Petrotec (DE), Biopetrol Industries (CH)
und Crop Energies (DE) vergleichsweise am besten.
Petrotec (DE)
Biopetrol Industries (CH)
Crop Energies (DE)
Top Unternehmen bei der Bewertung der Biodiversitätsstrategie und -maßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010)
Öl & Gas
In der Bewertung der Unternehmen der Ölund Gasbranche mit ihren zum Teil massiven
Auswirkungen auf Landschaften, Ökosysteme und
Biodiversität werden die entsprechenden Strategien
und Maßnahmen der Unternehmen zur Minimierung
negativer Auswirkungen differenziert ausgewertet.
Die Bedeutung und Brisanz dieser Aspekte verdeutlicht die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit
der Unternehmen in Naturschutzgebieten aktiv ist.
Im Rating werden neben den strukturellen
Voraussetzungen für einen systematischen Umgang
mit dem Thema (Biodiversitätsstrategie oder
-management) auch die konkreten Maßnahmen an
den einzelnen Explorations- und Förderstandorten
berücksichtigt. Bewertet wird hier, inwieweit es
eine Strategie für den Umgang mit diesem Thema
gibt, die insbesondere darauf angelegt ist, Biodiversitätsaspekte bereits in der Planungsphase von
Explorations- und Fördervorhaben zu berücksichtigen, die Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die
Funktionsfähigkeit von Ökosystemen zu minimieren
und schon in einem frühen Stadium Planungen für
den Rückzug und die nachfolgende Renaturierung zu
erstellen.
Bei der Einschätzung der Leistungen der von
oekom research bewerteten Unternehmen ist grundsätzlich voranzustellen, dass die industrielle Tätigkeit
der Akteure untrennbar mit massiven Eingriffen in den
Naturhaushalt verbunden ist, wodurch Auswirkungen
auf die Artenvielfalt unvermeidbar sind. Es geht daher
vor allem darum, die zu erwartenden Auswirkungen
zunächst zu erfassen und im Anschluss so weit
wie möglich zu minimieren. Dabei ist es sinnvoll,
Experten spezialisierter Organisationen einzubeziehen, um möglichst wirkungsvolle Programme und
Maßnahmen zu entwickeln.
In puncto Fortschrittlichkeit dieser Bestrebungen
sind die Öl- und Gasunternehmen Repsol (ES), Royal
Dutch Shell (NL) und Hess (US) hervorzuheben.
Repsols Biodiversitätsstrategie umfasst neben der
Einbeziehung von Biodiversitätsaspekten in Umweltverträglichkeitsstudien und Managementscheidungen auch die Schulung von Mitarbeitern und die Beteiligung an Forschungsprojekten. Biodiversitätsschutzprojekte werden in verschiedenen Biomen wie Regenwald (Peru) und Küstenregion (Trinidad) durchgeführt.
Repsol (ES)
Royal Dutch Shell (NL)
Hess (US)
Top Unternehmen bei der Bewertung der Biodiversitätsstrategie und -maßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010)
Shell arbeitet eng mit mehr als einhundert Naturschutzorganisationen wie der International Unit
for the Conservation of Nature (IUCN) zusammen
und erstellt für seine Projekte „Biodiversity Action
Plans“. Ein Schwerpunkt der Biodiversitätsprojekte
von Shell ist die Arktis, ein anderer die Auswirkungen
der Biokraftstoffproduktion auf die Biodiversität.
Hess ist eines der wenigen Öl- und Gasunternehmen, die bisher keine Projekte in Naturschutzgebieten
betreiben. Das Unternehmen untersucht mögliche Auswirkungen seiner geplanten Projekte auf
die Biodiversität und bezieht die Ergebnisse in die
Auswahl der Standorte und das weitere Vorgehen
mit ein. In Ghana hat Hess ein Programm zum Schutz
der Meeressäuger vor elektroakustischen Wellen, die
bei der Suche nach Ölvorkommen eingesetzt werden,
implementiert.
oe-Ton
„Die Förderung von Öl und Gas – zumal in Naturschutzgebieten – ist untrennbar mit schweren Eingriffen in den Naturhaushalt verbunden. Es liegt daher in der Verantwortung der
Unternehmen, die negativen Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die betroffenen Ökosysteme
so gering wie möglich zu halten. Dabei ist die Kooperation mit Fachleuten unerlässlich.“
Kristina Rüter, oekom Branchenanalystin Oil & Gas
oekom research AG
Seite 45
oekom CR Review 2010
Tourismus
Tourismuseinrichtungen wie Hotelkomplexe und
die damit verbundene Infrastruktur, z. B. Straßen,
Flughäfen, aber auch Golfplätze und Hotelstrände,
haben zum Teil massiven Einfluss auf die Lebensräume
von Tieren und Pflanzen. Außerdem werden insbesondere durch den Wasserverbrauch und die Abfälle die
umliegenden Ökosysteme beeinträchtigt. Gleichzeitig
hängt aber die Attraktivität von Urlaubszielen vom
Zustand der natürlichen Umwelt ab. Immer mehr
Urlauber achten daher bei der Buchung von Reisen
darauf, ob ein Hotel umweltverträglich geführt wird.
In das oekom Corporate Rating der Reiseanbieter
fließt in diesem Zusammenhang ein, ob die
Unternehmen Leitlinien und Schutzmaßnahmen
zum Thema Biodiversität im Unternehmen verankert
haben. Dazu gehört unter anderem, dass sie sich
an internationalen Standards und Verträgen zum
Artenschutz orientieren und Mitarbeiter sowie Gäste
über das richtige Verhalten zum Schutz von Pflanzen
und Tieren informieren.
Der deutsche Reiseveranstalter TUI erreicht hier
die beste Bewertung, gefolgt von der französischen
Accor Gruppe und dem Hotelbetreiber Marriot aus
den USA. Hervorzuheben ist bei TUI die transparente
Berichterstattung über Maßnahmen zum Schutz der
Artenvielfalt innerhalb touristischer Aktivitäten.
TUI (DE)
Accor (FR)
Marriot (US)
Top Unternehmen bei der Bewertung der Biodiversitätsstrategie und -maßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010)
oe-Ton
„In kaum einer anderen Branche hängen der Schutz der Biodiversität und der langfristige
Unternehmenserfolg so direkt zusammen wie in der Tourismusbranche. Jenseits des PartyTourismus suchen Urlauber zu ihrer Erholung vor allem das Erlebnis einer intakten Natur.
Es ist daher wichtig, dass Tourismusunternehmen den Wert von Biodiversität erkennen und
umfangreiche Maßnahmen ergreifen, um diese zu schützen.“
Ellen Mayer, oekom Branchenanalystin Leisure
Herausforderung Informationsbeschaffung
Eine zentrale Herausforderung im Rating der
Biodiversitätsaspekte ist die Informationsbeschaffung. Trotz zahlreicher Initiativen in bzw. unter
Beteiligung der Wirtschaft (z. B. Marine Stewardship
Council (MSC), Forest Stewardship Council (FSC)) stehen die Unternehmen noch am Anfang einer systematischen und umfassenden Beschäftigung mit dem
Thema. Die Unternehmensanalysen zeigen deutlich, dass das Engagement in diesem Themenfeld
häufig anekdotisch ist. Umfassende Strategien zu
einem systematischen Umgang mit dem Thema sind
bisher kaum zu erkennen. Entsprechend dürftig ist
häufig die Informationssituation. Eine umfassende,
vergleichbare und komprimierte Berichterstattung
zu Biodiversitätsaspekten findet bisher nicht statt.
oekom research hat in diesem Zusammenhang wiederholt die Gründung eines Biodiversity Disclosure
Projects (BDP) angeregt, das analog zum Carbon
Disclosure Project (CDP) systematisch Informationen
zum Engagement der Unternehmen für den Artenund Ökosystemschutz sammelt.
Anlageprodukte mit Fokus „Biodiversität“
Im Gegensatz zu den anderen hier behandelten Themen Klima, Energie und Wasser spielt Biodiversität bei
nachhaltigen Anlageprodukten bisher kaum eine Rolle. Nach Kenntnis von oekom research berücksichtigt
ausschließlich der Global Challenges Index (GCX) (vgl. S. 13) Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität explizit
als Kriterium für die Auswahl von Unternehmen. oekom research hat außerdem ein Portfolio von Unternehmen
zusammengestellt, die sich in besonderer Weise im Bereich Biodiversität engagieren. Das „oekom Responsible
Investment Portfolio Biodiversity“ kann als Grundlage für die Gestaltung entsprechender Anlageprodukte
genutzt werden.
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
Auf den Punkt gebracht
• Dem Thema Biodiversität wird von Experten eine ähnliche Bedeutung beigemessen wie dem
Klimawandel. In den Unternehmen hat sich diese Einschätzung bisher nur punktuell niedergeschlagen,
ein systematisches Management der entsprechenden Risiken und Chancen gibt es bisher nicht.
• Gleiches gilt für die Berichterstattung. Eine umfassende, vergleichbare und komprimierte Information
zu Biodiversitätsaspekten findet bisher nicht statt. oekom research regt daher die Gründung eines
Biodiversity Disclosure Projects (BDP) an, das analog zum Carbon Disclosure Project (CDP) systematisch Informationen zum Engagement der Unternehmen für Arten- und Ökosystemschutz sammelt.
• Die Risiken der einzelnen Branchen hängen maßgeblich davon ab, wie hoch der Einfluss der Branche
auf die Artenvielfalt und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme bzw. wie stark die Abhängigkeit von
den entsprechenden Leistungen der Natur ist.
• Beispielhaft für den ersten Fall stehen die Öl- und Gasbranche und die Bergbauindustrie. Ihre Aktivitäten sind mit Eingriffen in die Natur und Artenvielfalt verbunden, häufig sind sie sogar in Naturschutzgebieten tätig. Diese zu minimieren gelingt derzeit den Unternehmen Repsol, Royal
Dutch Shell und Hess am besten.
• Die Tourismusbranche ist dagegen in besonderer Weise von einer intakten Flora und Fauna abhängig.
Der deutsche Reiseveranstalter TUI erreicht im Hinblick auf deren Schutz die beste Bewertung, gefolgt
von der französischen Accor Gruppe und dem Hotelbetreiber Marriot aus den USA.
Mit dem Thema Biodiversität und der Bedeutung für den Finanzmarkt beschäftigt sich auch der Gastbeitrag von Stefan Hörmann vom Global Nature Fund.
2.4 Ausblick
Wie geht es 2010 weiter mit dem Thema Corporate
Responsibility? Positiv, denken wir, und sehen fünf
gute Gründe, warum das Leitbild der Nachhaltigkeit
als Wegweiser aus der aktuellen Krise dienen kann:
1. Nachhaltigkeit bietet Orientierung für viele der diskutierten Defizite
„Wir erleben das Ergebnis fehlender Transparenz,
Laxheit, unzureichender Aufsicht und von Risikoentscheidungen ohne persönliche Haftung. Wir erleben das Ergebnis von Freiheit ohne Verantwortung.“
So hat Bundespräsident Horst Köhler in seiner
Berliner Rede 2009 die Ursachen der aktuellen
Wirtschafts- und Finanzkrise umrissen. Ergänzen
könnte man noch die Orientierung an kurzfristigen
und eindimensional ökonomischen Zielen.
Für diese Defizite bietet das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ein Gegenkonzept: Die Orientierung
an generationsübergreifenden Zeiträumen anstelle
von Quartalen, die Erreichung ökonomischer, sozialer und umweltbezogener Ziele als Messlatte etwa
bei der Festlegung der viel zitierten Boni und eine
Verantwortung des Einzelnen für die Erreichung
gesellschaftlicher Ziele. Ob die Politik es schafft,
diese Prinzipien der Nachhaltigkeit in Leitplanken
oekom research AG
für die wirtschaftliche Entwicklung umzusetzen, ist
offen. Immerhin: Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU
und FDP taucht der Begriff „nachhaltig“ gleich auf
43 der insgesamt 132 Seiten auf, das Kapitel zur
Wirtschaftspolitik ist sogar mit „Wohlstand für alle
durch nachhaltiges Wirtschaften“ überschrieben.
Gleichzeitig schließt sich aber das „Fenster der
Möglichkeit“ zur umfassenden Umsteuerung in
Richtung Nachhaltigkeit, das Anfang 2009 unter dem
Eindruck der Krise noch weit geöffnet war, in dem
Maße, in dem die Wirtschaft unter Einsatz der „alten
Rezepte“ vermeintlich wieder Tritt fasst.
2. Nachhaltige Unternehmen kommen besser durch
die Krise
A.T. Kearney hat in einer Studie nachgewiesen,
dass nachhaltige Unternehmen besser mit den
Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise
zurecht kommen als konventionelle Unternehmen.
Verglichen wurde die Performance von 18 Branchen
im Zeitraum Mai bis November 2008. Ergebnis der
Analyse: In 16 der 18 Branchen haben nachhaltig
wirtschaftende Unternehmen eine um durchschnittlich 15 Prozent höhere Performance erzielt als die
Gesamtbranche. Dietrich Neumann, Zentraleuropachef
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oekom CR Review 2010
von A.T. Kearney, zu den Ergebnissen der Studie:
„Unsere Studie unterstreicht, dass die Aktienmärkte
nachhaltigen Unternehmen eher zutrauen, die Krise
zu bewältigen und vor allen Dingen auch langfristig –
sprich nach der Krise – weiterhin sehr erfolgreich zu
sein.“ Dieser Einschätzung gibt es aus unserer Sicht
nichts hinzuzufügen.
3. Nachhaltige Unternehmen sind langfristig erfolgreicher
Und in der Tat gibt es inzwischen eine ganze Reihe von
Studien, die belegen, dass nachhaltige Unternehmen
und damit auch nachhaltige Kapitalanlagen mittel- bis langfristig mindestens genauso erfolgreich
sind wie konventionelle. Ein effizienter Umgang
mit Energie und Rohstoffen, eine vertrauensvolle
Partnerschaft mit den Mitarbeitern und Kunden, eine
gesellschaftliche „Licence to operate“ von den externen Stakeholdern und die ganzheitliche Analyse und
Lösung von Problemen sind nur einige der Aspekte,
die dafür sprechen, dass nachhaltige Unternehmen
erfolgreicher wirtschaften.
4. Der „Mehrwert“ von Nachhaltigkeit wird von immer
mehr Unternehmen erkannt
Diese Erkenntnis setzt sich bei einer steigenden Zahl
von Unternehmen durch, und Nachhaltigkeit ist daher
häufig auch schon im Kerngeschäft verankert. Dafür
gibt es einige Indizien:
• In vielen Unternehmen, etwa bei BMW und
Munich Re, ist das Thema in der Unternehmensbzw. Konzernentwicklung angesiedelt, da es
nach Einschätzung der Unternehmen einen
Beitrag zur strategischen Entwicklung des
Unternehmens leistet.
• In zahlreichen Unternehmen sind Nachhaltigkeitsaspekte fester Bestandteil des Risikomanagements, z. B. im Hinblick auf Länder-,
Klima- und Reputationsrisiken.
• Die Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit
ist häufig neben den spezialisierten Abtei-
oekom research AG
lungen auch bei Investor Relations verankert. Dies trägt der wachsenden Bedeutung
der nachhaltigkeitsorientierten Investoren
Rechnung.
Wie dargestellt, haben 2009 zahlreiche Unternehmen eine Intensivierung ihrer CR-Anstrengungen
angekündigt. Auch dies verweist auf die veränderte
Wahrnehmung von Nachhaltigkeit als unternehmerischem Erfolgsfaktor.
5. Nachhaltigkeitsthemen rücken auf der Agenda
wieder stärker nach oben
Im Jahr 2010 werden Themen (wieder) auf die öffentliche Agenda rücken, die von der Wirtschafts- und
Finanzkrise ein Stück weit verdeckt wurden. Dies
gilt in erster Linie für den Klimawandel. Hier werden
2010 intensive Verhandlungen notwendig sein, um
das von vielen Experten als enttäuschend bewertete
Ergebnis der Kopenhagener Klimakonferenz in einen
an den wissenschaftlich belegten Notwendigkeiten –
Stichwort 2-Grad Ziel – orientierten völkerrechtlich
verbindlichen Vertrag zu überführen. Klimaschutz
wäre dabei ein Konjunkturprogramm, von dem auch
die nachfolgenden Generationen profitieren, die
unsere Schulden bezahlen.
Neben dem Klimaschutz werden andere, in dieser
Studie angesprochene Projekte dafür sorgen, dass
Nachhaltigkeit verstärkte Aufmerksamkeit bekommt.
Dazu zählen die Großprojekte Desertec und Seatec
für das Thema Energie genau so wie die TEEB-Studie
für das Thema Biodiversität. Hier wird das offizielle
UN-Jahr der Biodiversität 2010 mit einer Vielzahl von
Veranstaltungen, Initiativen und Publikationen für
zusätzliches Interesse sorgen.
Gute Gründe also, warum 2010 die Ausrichtung
der Wirtschaft am Leitbild der Nachhaltigkeit voranschreiten wird. Ob wir hier zu optimistisch waren, werden wir im nächsten oekom Corporate Responsibility
Review beleuchten.
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oekom CR Review 2010
Biodiversität – die nächste Herausforderung für die
Finanzwirtschaft
Stefan Hörmann, Global Nature Fund
Die Frage, ob Unternehmen einen Beitrag im Kampf
gegen den Klimawandel leisten sollten, ist längst
beantwortet. Klimaschutz ist Topthema in Wirtschaft
und Gesellschaft. Der Erhalt der biologischen Vielfalt
als weitere globale Herausforderung befindet sich
auf dem Weg dorthin. Dabei geht es um mehr als den
Schutz charismatischer, bedrohter Tierarten wie den
Eisbär. Vielmehr stehen das gesamte Artenspektrum
und die Ökosysteme zur Sicherung der menschlichen
Lebensgrundlagen auf dem Spiel. Deren Erhalt ist
auch von hoher wirtschaftlicher Bedeutung.
Für die Finanzbranche spielt Biodiversität mit Blick
auf ein vorausschauendes Risikomanagement und
die Erschließung neuer Geschäftsfelder eine wichtige
Rolle. Kreditvergabe und Investitionsentscheidungen
können einen signifikanten Einfluss auf die biologische Vielfalt haben.
Ein wichtiger Impuls wird im internationalen UNJahr der Biodiversität 2010 durch die Veröffentlichung
der TEEB-Abschlussstudie1 erwartet, die den Wert
von Biodiversität und Ökosystemen wie Wäldern,
Feuchtgebieten und Korallenriffen einschließlich
ihrer lebenserhaltenden Leistungen wie saubere Luft,
reines Wasser und Nahrungsmittel monetär erfasst.
Neue Geschäftsfelder für den Finanzsektor
Vermehrt entwickeln sich neue Geschäftsmodelle und
Märkte, die eine nachhaltige Nutzung und den Erhalt
von biologischer Vielfalt zum Ziel haben. Ein jüngst
von der niederländischen Wirtschaftsuniversität
Nyenrode in Zusammenarbeit mit Finanzdienstleistern
und Naturschutzverbänden abgeschlossenes
Forschungsvorhaben identifizierte mehrere Bereiche
mit Geschäftspotenzialen für Kapitalanleger2. Dazu
zählen nachhaltige Forstwirtschaft, Emissionsminderungen durch vermiedene Entwaldung (REDD –
Reduced Emissions from Deforestation and
Degradation), handelbare Nutzungsrechte von Ausgleichsflächen (Habitatbanking) und Ökotourismus.
Gerade Wald- und Forstprojekte können eine gute
Rendite abwerfen, zum Klimaschutz beitragen
und der Artenvielfalt dienen, wenn sie gut gemanagt werden. Bisher erfordern diese Projekte
jedoch eine genaue Prüfung sowie Kenntnisse zur
Biodiversität, die bei Kapitalmarktakteuren meist
nicht ausreichend vorhanden sind. Das Ergebnis der
Studie lautet, dass institutionelle Anleger aufgrund
ähnlich zu erwartender Entwicklungen wie beim
Klimaschutz und Emissionshandel zukünftig verstärkt die Investitionschancen, die der Artenschutz
und die Ökosystemleistungen bieten, nutzen wer-
oekom research AG
den. Kooperationen mit der Wissenschaft und den
Naturschutzverbänden sind hierbei eine wichtige
Voraussetzung.
Für die Versicherungsbranche haben sich ebenfalls neue Geschäftsfelder ergeben. Explizit Bezug
auf Arten und natürliche Lebensräume nimmt das
Umweltschadensgesetz. Unternehmen müssen sich
im Sinne des Vorsorgeschutzes verstärkt mit Naturund Artenschutz auseinandersetzen. Im Schadensfall
entstehen hohe Kosten für Sanierungsmaßnahmen,
deren Abdeckung durch Produkte der Versicherungsbranche erfolgen kann.
Risiken für die Finanzbranche
Abhängig von Produkt, Kundenstruktur und Ort können durch eine unzureichende Berücksichtigung
von Biodiversität unterschiedlich stark ausgeprägte
Reputations- und Finanzierungsrisiken entstehen.
Die UNEP Finance Initiative identifizierte im Bereich
der Projekt- und Exportfinanzierung hohe Risiken.
Auch bei der Unternehmensfinanzierung existieren
teilweise große Gefahren3, wobei folgende Branchen
besonders kritisch betrachtet werden:
• Landwirtschaft und Lebensmittel
• Bauwirtschaft und Baustoffe
• Forst- und Holzwirtschaft
• Tourismus
• Bergbau
• Energieversorgung (Öl, Gas)
Der Geschäftserfolg von Unternehmen dieser
Branchen basiert entweder auf intakten Ökosystemen, welche die Verfügbarkeit von natürlichen
Rohstoffen sicherstellen und/oder auf unternehmerischen Aktivitäten, die direkte Auswirkungen auf die
biologische Vielfalt haben.
Die Lebensmittelindustrie beispielsweise ist
ohne die Bestäubungsleistung von Insekten Lieferengpässen und höheren Preisen bei der Rohstoffbeschaffung ausgesetzt. Würde eine natürliche
Bestäubung gänzlich ausfallen, entstünden nach
wissenschaftlichen Schätzungen Kosten in Höhe
von jährlich bis zu 310 Milliarden Euro. Bedenklich
ist in diesem Zusammenhang der seit einigen Jahren
feststellbare Rückgang der Bienenpopulationen, zu
deren Gründen die Ausdehnung von Agrarflächen
und der Einsatz von Pestiziden zählen, die wiederum von Teilen der Industrie forciert werden. Ein
kürzlich von der Natural Value Initiative (NVI) vorgenommenes Ecosystem Services Benchmark (ESB)
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oekom CR Review 2010
unter Nahrungsmittel- und Getränkeherstellern
ergab, dass weniger als die Hälfte aller untersuchten Unternehmen Ökosystemleistungen in ihrem
Risikomanagement berücksichtigen, obwohl sie
sehr stark von der Verfügbarkeit landwirtschaftlicher
Produkte abhängig sind. Der Unilever-Konzern erhielt
von der NVI die besten Noten4.
Der Zugang und die Nutzung genetischer
Ressourcen – häufig auch unter dem Stichwort Biopiraterie zusammengefasst – kann ebenfalls erhebliche Risiken für einzelne Branchen mit sich bringen.
Das vom Pharmaunternehmen Schwabe vertriebene
Erkältungsmittel Umckaloabo ist mit einem Umsatz
von 80 Millionen Euro pro Jahr eines der erfolgreichsten freiverkäuflichen Arzneimittel. Es basiert auf
Extrakten zweier Wildarten der Pelargonie im südlichen Afrika. Das Europäische Patentamt hat der
Firma im Januar 2010 ein Patent auf die Extraktion
der Wirkstoffe aus der Pflanze mit der Begründung
aberkannt, dass es sich um keine neue Erfindung
handle. Südafrikanische NGOs hatten die Klage eingereicht und unter anderem den Vorwurf erhoben,
dass Schwabe traditionelles Wissen südafrikanischer
Heiler unrechtmäßig übernommen habe.
Beitrag der Finanzinstitute – mehr als Begrünen des
Firmengeländes
Im eigenen Umfeld können Finanzdienstleister
mit Maßnahmen zur ökologischen Gestaltung von
Unternehmensflächen und durch die Einführung eines
umweltverträglichen Beschaffungswesens positive
Wirkungen auf die biologische Vielfalt erzielen.
Bedeutender sind Maßnahmen zur Berücksichtigung von Biodiversität im Kerngeschäft. Bisher fehlen zwar noch umfassende Leitlinien und anerkannte Indikatoren- und Methodensets, damit Finanzdienstleister alle Aspekte der Biodiversität strategisch erfassen können. Die Zahl der Entwicklungen
in diese Richtung nimmt jedoch zu. BiodiversitätsLeitlinien für Finanzdienstleister erarbeitet momentan die Arbeitsgruppe „Biodiversität“ des Vereins
für Umweltmanagement in Banken, Sparkassen und
Versicherungen (VfU). UNEP FI hat in Zusammenarbeit
mit mehreren größeren Finanzinvestoren und NGOs
die oben erwähnte NVI ins Leben gerufen. Nachhaltigkeits-Ratingagenturen sind dabei, Kriterien
mit eindeutigem Biodiversitätsbezug zu formulieren.
Aktuell entwickelt oekom research einen Risikoindex,
der die Betroffenheit einzelner Branchen durch die
Risiken des Artensterbens und der verminderten
Funktionsfähigkeit der Öko-Systeme bewertet.
Bis zur „Marktreife“ der auf Biodiversität zugeschnittenen Instrumente müssen bestehende
Ansätze wie die Equator Principles und ihre auf
dem IFC Standard basierenden Kriterien zum Schutz
von natürlichen Ressourcen für den Bereich der
Projektfinanzierung eine breite Anwendung finden.
Weiterhin können bei der Unternehmensfinanzierung
vorab das Engagement in Biodiversitäts-Initiativen
und die Verpflichtung zur Einhaltung von Standards
geprüft werden. Deutschlands Business and Biodiversity Initiative zum Beispiel umfasst über
40 Unternehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen, die sich zur Integration von Biodiversität
in das Umweltmanagement verpflichtet haben. Auf
europäischer Ebene wird die neu gestartete Business
and Biodiversity Campaign des Global Nature Fund
eine Vielzahl an Unternehmen bei der Entwicklung
einer Vorreiterrolle für Biodiversität unterstützen.
Sollte ein Unternehmen seiner Verantwortung nicht
gerecht werden, bleibt immer noch die Möglichkeit,
sich als Investor ganz aus dem Finanzgeschäft
zurückzuziehen. Im Fall von Rio Tinto hat der norwegische Pensionsfonds im Jahr 2008 sämtliche
Anteile am Unternehmen in Höhe von 500 Millionen
britischen Pfund verkauft. Grund war die Beteiligung
des Bergbaumultis an einer Gold- und Kupfermine in
West Papua, deren hochgiftiger Abraum den LorentzNationalpark, einen der größten und artenreichsten
Parks in Südostasien, gefährdet.
Quellen:
(1) www.teebweb.org: Dieser „Stern-Report“ der Biodiversität wird von
Pavan Sukhdev, Leiter Globale Märkte der Deutschen Bank, im Auftrag der
Bundesregierung und der EU erstellt.
(2) Nyenrode University-IUCN-ECNC (2009), Conference paper “Boosting
Investments in Biodiversity and Ecosystem Services”, Amsterdam 11-12
November 2009.
(3) UNEP FI (2008), Biodiversity and Ecosystem Services – Bloom or Bust.
(4) Grigg, A., Cullen, Z., Foxall, J., and Strumpf, R. (2009), Linking shareholder and natural value. Managing biodiversity and ecosystem services risk in
companies with an agricultural supply chain.
Stefan Hörmann ist Projektleiter bei der Umweltstiftung Global Nature Fund. Dort ist er verantwortlich
für die Umsetzung der Europäischen Business and Biodiversity Kampagne, die zum Ziel hat, Unternehmen verschiedener Branchen – darunter auch der Finanzsektor – für das Thema Biodiversität zu
sensibilisieren. Finanzdienstleister mit Interesse am Thema Biodiversität können sich direkt an Stefan
Hörmann wenden unter: Tel: +49/(0)228/2429018, E-Mail: [email protected].
oekom research AG
Seite 50
oekom CR Review 2010
oekom Inside
Die oekom research AG ist eine der weltweit führenden Ratingagenturen im Bereich des nachhaltigen
Investments. Seit mehr als 16 Jahren haben wir uns auf
die Analyse der weltweit wichtigsten Unternehmen,
Organisationen und Staaten als Emittenten von
Aktien und Renten spezialisiert. Auf dieser Basis
bieten wir ein umfassendes Dienstleistungspaket
zur Integration von ethischen, sozialen und ökologischen Aspekten in das Asset Management unserer
Kunden. 2009 konnten wir trotz Finanzkrise unseren
Kundenstamm auf über 60 Asset Manager und institutionelle Investoren aus acht Ländern weiter ausbauen. Insgesamt beeinflusst unser Research derzeit
ein Volumen von ca. 90 Milliarden Euro Assets under
Management.
Entscheidend für den Erfolg von oekom research
ist die Glaubwürdigkeit unserer Analysen. Um
diese zu gewährleisten, sind aus unserer Sicht vor
allem zwei Aspekte von zentraler Bedeutung: die
Unabhängigkeit – auf Ebene der Agentur und der
Analysten – sowie ein ausgefeiltes Qualitätsmanagementsystem. oekom research verfolgt in diesen
Bereichen seit der Gründung im Jahr 1993 einen konsequenten Weg und hat auf den verschiedenen Ebenen
entsprechende Standards gesetzt. So akzeptieren wir
z. B. in unserem Aktionärskreis keine Unternehmen,
die wir bewerten, und keine Finanzmarktakteure.
Ferner verzichten wir bewusst auf jegliche Form von
Beratung bei den bewerteten Unternehmen.
In Bezug auf die Qualität unserer Ratingprozesse
bescheinigt uns der Markt seit Jahren eine führende Po-
sition im Vergleich zu unseren Wettbewerbern. Nichtsdestotrotz haben wir unser Ratingsystem einem
ausführlichen Audit durch einen Wirtschaftsprüfer auf der Basis des international anerkannten Qualitätsstandards CSRR-QS 2.1 der
„Association for Independent Corporate Sustainability and Responsibility Research“ (➔ www.csrr-qs.org)
unterzogen.
Unser interdisziplinäres Team umfasst zur Zeit
32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um den vielfältigen Ansprüchen unserer Kunden und anderer
Stakeholder gerecht zu werden und eine qualitativ
hochwertige Dienstleistung anbieten zu können,
bildet die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung
unserer Analysten einen wichtigen Schwerpunkt.
Nur durch ständiges Lernen sind wir in der Lage, die
reichhaltigen Facetten der von unserem Research
thematisierten Bereiche kompetent beurteilen und
neue gesellschaftliche, technische sowie naturwissenschaftliche Entwicklungen sachgerecht begleiten
zu können. Neben dieser inhaltlichen Expertise erfordert der globale Markt auch ein zunehmendes Maß
an Internationalität: So sprechen unsere Mitarbeiter
derzeit insgesamt zwölf verschiedene Sprachen.
In all unseren Aktivitäten möchten wir die Grundprinzipien der Corporate Responsibility vorleben: insbesondere als Arbeitgeber gegenüber unseren Mitarbeitern sowie als Marktteilnehmer gegenüber unseren
Kunden und Wettbewerbern. Die ökologische Belastung, die von unseren Geschäftsaktivitäten ausgeht, minimieren wir durch geeignete Maßnahmen.
Referenzen
Institutionelle Investoren:
• Deutsche Bundesstiftung Umwelt
• Diözese Linz
• Diözese Rottenburg-Stuttgart
• ERAFP
•
•
•
•
Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern
MAIF
Missionszentrale der Franziskaner
Munich Re
•
•
•
•
Ordensgemeinschaften
Pensionskasse Novartis
Stiftung EVZ
VBV Pensionskasse
Finanzdienstleister:
• AGICAM
• Allianz Global Investors France
• AmpegaGerling Investment
• Baden-Württembergische Bank
• Bank für Orden und Mission
• Bank für Sozialwirtschaft
• Bankhaus Jungholz
• Bankhaus Schelhammer & Schattera
• BankInvest Group
• Bank Vontobel
• BayernInvest
• BNP Paribas Asset Management
• BÖAG – Börsen AG Hamburg/Hannover
• Crédit Agricole Asset Management
• Daiwa Asset Management
• DekaBank
• Deutsche Bank
•
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•
•
•
•
•
•
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•
•
•
•
•
•
DJE Kapital
DZ Bank
Erste Sparinvest
Evangelische Darlehnsgenossenschaft
GLS Gemeinschaftsbank
Groupama Asset Management
HSBC Investments
HypoVereinsbank
Kaiser, Ritter, Partner
KD-Bank
Kepler Fonds
Landesbank Baden-Württemberg
LBBW Asset Management
LIGA Bank
MEAG
Metzler
Metzler Asset Management
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Natixis Asset Management
Nordcon
NordLB
ÖkoWorld Lux
Pioneer Investments
Proventus
Raiffeisen Capital Management
Sal. Oppenheim
Schwyzer Kantonalbank
SEB Invest
sks Vermögensverwaltung
Sparkasse Oberösterreich
Steyler Bank
Umweltbank
Unicredit
VINIS
Wilhelm von Finck
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
Methodik
Das Corporate Rating der oekom research AG basiert
auf insgesamt über 500 Untersuchungskriterien, die
in zwei Dimensionen, dem Social Rating und dem
Environmental Rating, zusammengefasst werden. Im
Rahmen eines branchenspezifischen Ansatzes werden jeweils rund 100 Kriterien für die Analyse und
Bewertung einzelner Branchen ausgewählt und deren
Gewichtung untereinander an die jeweiligen sozialen
und umweltbezogenen Problemstellungen in den
Branchen angepasst.
Die relevanten Informationen erheben die
Analysten sowohl bei den Unternehmen selbst als
auch bei unabhängigen Experten, um die Angaben
zu validieren und zu ergänzen. Zentrale Quellen der
Unternehmensanalyse sind:
Am Ende des Rating-Prozesses werden die Unternehmen auf einer Skala bewertet, die von
A+ (exzellente Nachhaltigkeitsperformance) bis D(sehr schlechte Nachhaltigkeitsperformance) reicht.
Nur Unternehmen, die eine im Vorfeld der Analyse
in Abstimmung mit wissenschaftlichem Beirat und
Rating-Komitee branchenspezifisch festgelegte
Mindestnote erreichen, erhalten von oekom research
den Status „Prime“. oekom research bezeichnet diesen Ansatz als absoluten Best-in-Class-Ansatz.
• Auswertung von Unternehmensinformationen
(Geschäfts-, Sozial- und Umweltberichte, Produktlinienbeschreibungen etc.) sowie Dialog
mit Vertretern aus den bewerteten Unternehmen;
• Internet- und Datenbankrecherche, Mediascreening;
• ausführliche Recherche bei Experten aus
Wissenschaft, Behörden und internationalen
Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
Glossar
Ausschlusskriterien
Unter nachhaltigen Investoren verbreiteter Ansatz, nach dem Unternehmen,
die in bestimmten Geschäftsbereichen tätig sind (z. B. Alkohol, Pornografie,
Rüstung oder Tabak) oder durch ein kontroverses Geschäftsverhalten auffallen (z. B. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen), vom Investment ausgeschlossen werden.
Best-in-Class-Ansatz
Nach dem Best-in-Class-Ansatz werden jeweils die besten im Sinne von
sozial und ökologisch besonders engagierten Unternehmen einer Branche
zum Investment ausgewählt. Dabei kann zwischen dem relativen und dem
absoluten Best-in-Class-Ansatz unterschieden werden. Nach dem relativen
Ansatz wird unabhängig von der effektiven Nachhaltigkeitsleistung ein fester Prozentsatz der besten Unternehmen einer Branche ausgewählt, also
z. B. immer die besten 20 Prozent. Beim absoluten Ansatz wird zusätzlich
eine Mindestschwelle berücksichtigt. Nur Unternehmen, die diese Mindestanforderungen erfüllen, können Best-in-Class werden.
CSR
Corporate Social Responsibility; am ehesten zu übersetzen mit „gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“, die soziale und umweltbezogene
Aspekte umfasst.
Engagement (engl.)
auch: aktives Aktionärstum; insbesondere im anglo-amerikanischen Raum
verbreiteter Ansatz, bei dem die Investoren im direkten Dialog mit den Unternehmen versuchen, Missstände im Bereich der sozialen und umweltbezogenen Leistungen zu beheben. Dieser Ansatz gewinnt derzeit auch in Kontinentaleuropa an Bedeutung.
ESG
Die Abkürzung ESG steht für „Environment, Social & Governance“ und beschreibt die drei Themenbereiche, die im Rahmen des CR-Managements und
seiner Bewertung berücksichtigt werden sollen.
Materialität
Unter der Überschrift „Materialität“ wird nach der finanziellen Relevanz einzelner Umwelt- und Sozialkriterien bzw. des gesamten Nachhaltigkeitskonzepts gefragt. Nach wie vor ist das Vorurteil weit verbreitet, dass nachhaltige
Anleger im Vergleich zu konventionellen Anlagen auf Rendite verzichten müssen. Zahlreiche Studien haben aber belegt, dass bei nachhaltigen Anlagen
kein systematischer Renditenachteil besteht, einige Studien sehen sogar
einen Renditevorteil entsprechender Anlagen.
SRI
Socially Responsible Investment; im internationalen Rahmen verbreitete Bezeichnung für das nachhaltige Investment.
oekom research AG
Seite 53
oekom CR Review 2010
Quellen
BSR (2009)
Sustainable Investment in China 2009
ECOreporter (2010)
Marktdaten nachhaltige Publikumsfonds in Deutschland;
www.ecoreporter.de
EUROSIF (2008)
European SRI Study 2008
EUROSIF (2009)
Theme Report Biodiversity
International Finance Corporation (IFC) (2009)
Gaining Ground: Integrating Environmental, Social and Governance Factors
into Investment Processes in Emerging Markets
J.P. Morgan / Bayerisches Finanz Zentrum (2009)
Mythos Family Office
Mercer (2009)
Shedding Light on Responsible Investment: Approaches, Returns and
Impacts
Munich Re (2009)
Weltkarte der Naturgefahren 2009
PwC / oekom research (2009)
Corporate Responsibility bei Auslandsinvestitionen
SAM (2009)
Alpha durch Nachhaltigkeit
Stefan Schneider / ecofin Verbund (2010)
Studie zum Markt für nachhaltige Zertifikate und Excjange Traded Funds in
Deutschland
SÜDWIND (2009)
Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für ein Aktives Aktionärstum in
Deutschland. Eine Machbarkeitsstudie
Sustainable Business Institute (2010)
Marktentwicklung nachhaltige Publikumsfonds bis Ende 4. Quartal 2009;
www.nachhaltiges-investment.org
UNEP FI (2009)
Fiduciary Responsibility: Legal and Practical Aspects of Integrating
Environmental, Social and Governance Issues into Institutional Investment
vigeo (2009)
Green, social and ethical funds in Europe. 2009 Review
WWF / Allianz (2009)
Major Tipping Points in the Earth’s Climate System and Consequences for the
Insurance Sector
oekom research AG
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oekom CR Review 2010
Publikationen
Folgende Publikationen hat oekom research im Jahr 2009, teilweise in Kooperation mit Partnern, veröffentlicht.
Alle Publikationen sind auf Anfrage bei oekom research erhältlich.
oekom Position Paper Atomenergie
oekom Position Paper Mikrofinanz
oekom Position Paper Agro-Gentechnik
oekom Industry Focus, u. a. Financials /
Commercial Banks & Capital Markets
oekom Commodities ESG Screening
oekom Corporate Responsibility
Review 2009
Theme Report Biodiversity
(in Kooperation mit Eurosif)
Corporate Responsibility bei Auslandsinvestitionen (in Kooperation mit PwC)
oekom Handbuch Klimarisiken
(in Kooperation mit HypoVereinsbank)
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oekom CR Review 2010
Impressum
oekom research AG
Goethestraße 28
80336 München
Deutschland
Fon: +49-(0)89-544184-90
Fax: +49-(0)89-544184-99
[email protected]
www.oekom-research.com
Vorstand:
Robert Haßler
Matthias Bönning
Redaktion:
Rolf D. Häßler
Matthias Bönning
Text:
Rolf D. Häßler
Layout/Gestaltung:
Ines Markmiller
München, im März 2010
Gedruckt auf 100% Recyclingpapier
Bildnachweis Umschlagfoto: Tobias Machhaus © www.fotolia.de
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oekom CR Review 2010