Bestandsaufnahme
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Bestandsaufnahme
oekom Corporate Responsibility Review 2010 Nachhaltigkeit in Unternehmensführung und Kapitalanlagen – eine Bestandsaufnahme Inhaltsverzeichnis Editorial. ..................................................................................................................................................................................................................... 2 Robert Haßler, CEO oekom research AG Auf den Punkt gebracht: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse................................................................................. 3 Schön und gut – nachhaltiges Investment bei Stiftungen. ................................................................................................................5 Dr. Hermann Falk, Bundesverband Deutscher Stiftungen 1. Entwicklung des nachhaltigen Investments – Zahlen und Fakten............................................................................................ 8 1.1 Deutschsprachiger Raum....................................................................................................................................................................... 8 1.2 Europa........................................................................................................................................................................................................... 10 1.3 Emerging Markets.................................................................................................................................................................................... 11 1.4 Nachhaltige Investments weltweit.................................................................................................................................................. 12 1.5 Performance von nachhaltigen Kapitalanlagen........................................................................................................................ 12 1.6 Mikrofinanz................................................................................................................................................................................................ 13 1.7 Aktives Aktionärstum............................................................................................................................................................................. 14 1.8 Ausblick........................................................................................................................................................................................................ 15 ESG Reporting in Emerging Markets.......................................................................................................................................................... 16 Geoffrey Mazullo, School of American Law (SAL), Poland 2. Corporate Responsibility im Unternehmensmanagement – Stand und Trends............................................................... 18 2.1 Basis der Analysen: das oekom Universum............................................................................................................................... 18 2.2 Corporate Responsibility: Gesamtperformance. .................................................................................................................... 20 2.2.1 Unternehmen mit oekom Prime-Status........................................................................................................................... 20 2.2.2 Die Branchensieger...................................................................................................................................................................22 2.2.3 Corporate Responsibility in ausgewählten Branchen............................................................................................... 23 2.3 Corporate Responsibility in ausgewählten Themenbereichen.........................................................................................24 2.3.1 Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung.............................................................................................................24 2.3.2 Korruption, Bilanzfälschung und andere Wirtschaftsdelikte............................................................................... 26 2.3.3 Menschen- und Arbeitsrechte...............................................................................................................................................29 2.3.4 Management von Klimarisiken.............................................................................................................................................32 2.3.5 Energie.............................................................................................................................................................................................. 35 2.3.6 Wasser............................................................................................................................................................................................. 40 2.3.7 Biodiversität. ................................................................................................................................................................................. 43 2.4 Ausblick....................................................................................................................................................................................................... 47 Biodiversität – die nächste Herausforderung für die Finanzwirtschaft. ...................................................................................49 Stefan Hörmann, Global Nature Fund oekom Inside.......................................................................................................................................................................................................... 51 Anhang: Methodik, Glossar, Quellen und Publikationen................................................................................................................. 52 Impressum. ............................................................................................................................................................................................................. 56 oekom research AG Seite oekom CR Review 2010 Editorial Robert Haßler, CEO oekom research AG Wie würden Unternehmen in der Wirtschafts- und Finanzkrise mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen? Im oekom Corporate Responsibility Review 2009 haben wir zwei mögliche Szenarien skizziert: Zum einen die Reduzierung der entsprechenden Maßnahmen unter dem Motto „Umweltschutz und Nachhaltigkeit können wir uns in der Krise nicht leisten“, zum anderen eine Strategie, die Nachhaltigkeit als Beitrag zur Lösung der Krise ansieht. In den vergangenen Monaten gab es zahlreiche prominente Beispiele dafür, dass letzteres Szenario in vielen Fällen der Realität durchaus nahe kommt. So hat beispielsweise BMW unter Hinweis auf seine Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategie seinen Ausstieg aus der Formel 1 verkündet, das Handelsunternehmen Metro hat Nachhaltigkeit zum neuen Eckpfeiler seiner Unternehmensstrategie erklärt, und der USHandelskonzern Wal-Mart will zukünftig den KlimaFußabdruck aller Produkte deutlich machen. Was steckt dahinter – Greenwashing oder ein echter Strategiewechsel? Vereinzelt erkennt man in den entsprechenden Aktivitäten von Unternehmen den Wunsch, endlich wieder einmal positive Nachrichten zu produzieren, und in einigen Fällen eilt dabei die Kommunikation der tatsächlichen sozialen und umweltbezogenen Leistung ein gutes Stück voraus. In vielen Fällen ist das gesteigerte Engagement aber Ausdruck der von der Wirtschaftkrise beförderten Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit einen zentralen Beitrag für die Stabilisierung und Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen leisten kann. Auch in Politik und Gesellschaft wurde dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung im abgelaufenen Jahr hohes Gewicht eingeräumt. So hat Bundespräsident Horst Köhler in seiner Berliner Rede 2009 als Antwort auf die weltweite Wirtschaftsund Finanzkrise eine „industrielle ökologische Revolution“ gefordert. Papst Benedikt XVI. kritisierte oekom research AG in seiner Weihnachtsansprache die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die oftmals durch „kurzfristige wirtschaftliche Interessen“ geleitet sei und auf Kosten sowohl der Entwicklungsländer als auch der zukünftigen Generationen ginge. Er sieht in der aktuellen Krise eine „historische Gelegenheit“, die Bekämpfung der Umweltschäden zu forcieren und parallel eine nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung zu fördern. Dies sind zahlreiche Signale dafür, dass die Kompassnadel in Richtung Nachhaltigkeit zeigt. Ob sich dies in der unternehmerischen Realität konkret niedergeschlagen hat und wenn ja, in welchem Umfang die Unternehmen sich an diesem Kompass orientieren, dokumentiert der vorliegende Corporate Responsibility Review 2010. Neben vielen Zahlen, Daten und Fakten zur Entwicklung des nachhaltigen Investments und des unternehmerischen Corporate Responsibility (CR-) Managements weltweit präsentiert dieser zweite Review auch wieder drei hoch interessante Gastbeiträge. Bei allen drei Autoren möchten wir uns für ihr Engagement herzlich bedanken. Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen Seite Ihr oekom CR Review 2010 Auf den Punkt gebracht: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Entwicklung des nachhaltigen Investments • Nachhaltige Kapitalanlagen haben bei vielen Investorengruppen weiter an Bedeutung ➔ S. 8ff. gewonnen. Nie war – bezogen auf nachhaltige Publikumsfonds – das Angebot in Europa größer, nie das Volumen höher. Auch bei Stiftungen, Pensionskassen und vermögenden Privatanlegern ist das Interesse an nachhaltigen Kapitalanlagen nachweisbar gestiegen. • Im deutschsprachigen Raum waren per Ende 2009 313 nachhaltige Publikumsfonds mit ➔ S. 8ff. einem Gesamtvolumen von rund 30 Milliarden Euro zum Vertrieb zugelassen. In Europa lagen die entsprechenden Zahlen bei 683 Fonds mit einem Volumen von 53,3 Milliarden Euro. • Die deutschsprachigen Länder liegen in Sachen nachhaltiges Investment deutlich hin- ➔ S. 8 ter anderen europäischen Ländern zurück. So werden nach Schätzungen des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) in Deutschland und Österreich nur 0,7 Prozent des gesamten Anlagevolumens unter Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien getätigt. In der Schweiz liegt der Prozentsatz immerhin bei 2,8 Prozent. Zum Vergleich: In Belgien erreichen nachhaltige Anlagen einen Marktanteil von 20 Prozent, in den Niederlanden sogar von 40 Prozent. • Der Marktanteil nachhaltiger Kapitalanlagen in Europa liegt bei ca. 17,6 Prozent. Weltweit ➔ S. 10ff. werden rund 5.000 Milliarden Euro unter Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien verwaltet, gut die Hälfte davon in Europa. • Anlagen in Emerging Markets sind einer der neuen Anlagetrends im nachhaltigen Investment. ➔ S. 11 Noch gibt es für dieses Engagement aber hohe Hürden. Hierzu zählt insbesondere die mangelnde Transparenz hinsichtlich der Corporate Responsibility von Unternehmen. • Das Vorurteil, dass nachhaltige Kapitalanlagen gegenüber konventionellen Anlagen einen ➔ S. 12 systematischen Performancenachteil aufweisen, hält sich hartnäckig. Zahlreiche empirische Studien haben auch 2009 belegt, dass diese Annahme falsch ist. • Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien gehört zur treuhänderischen Pflicht von ➔ S. 13 Vermögensverwaltern. Darauf weist die Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI) in einer Studie hin. Die Studie räumt damit mit dem Vorurteil auf, aus Gründen der treuhänderischen Verantwortung dürfe man als Vermögensverwalter keine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. • Auch Mikrofinanz-Anlagen erfreuen sich steigender Beliebtheit. Derzeit gibt es mehr als 100 ➔ S. 13 Mikrofinanz-Investmentvehikel, d. h. Investmentfonds und strukturierte Produkte, mit einem Gesamtvolumen von knapp sechs Milliarden Euro. • Neben dem Best-in-Class-Ansatz und der Nutzung von Ausschlusskriterien gewinnt das so ➔ S. 14 genannte „Engagement“, d. h. der aktive Dialog zwischen Unternehmen und Aktionären bzw. die Nutzung der Stimmrechte für soziale und umweltbezogene Ziele, als dritte Säule des nachhaltigen Investments an Bedeutung. • Nach einer Umfrage im Auftrag der DZ Bank aus dem Herbst 2009 interessieren sich 55 ➔ S. 15 Prozent der befragten Privatanleger für Anlageprodukte mit Umweltbezug, im Frühjahr 2008 waren es noch 48 Prozent gewesen. oekom research AG Seite oekom CR Review 2010 Corporate Responsibility im Unternehmensmanagement Gesamtperformance • Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat von wenigen Einzelfällen abgesehen bisher keine Bremsspuren im CR-Management der Unternehmen hinterlassen. Ein systematisches Abbröckeln der entsprechenden Aktivitäten oder eine Zunahme von Verstößen etwa bei Arbeits- und Menschenrechten oder Korruption sind nicht erkennbar. • Im Gegenteil: Nachhaltigkeit wird in den Unternehmen vermehrt als Beitrag zur Stabilisierung und Sicherung der Zukunftsfähigkeit angesehen. Aber: Manche Initiative ist klar als Greenwashing einzustufen. • Im Durchschnitt sind die Unternehmen von einer nachhaltigen Unternehmensführung weiterhin weit entfernt. Der Wettbewerb um die beste Nachhaltigkeitsleistung – Grundidee des Best-in-Class-Ansatzes im nachhaltigen Investment – funktioniert (nur) in einer Spitzengruppe. Defizite bestehen weiterhin bei der Verankerung des Themas in der Breite. Einzelergebnisse • Insgesamt haben 504 der ca. 3.000 betrachteten Unternehmen derzeit den oekom Prime- ➔ S. 18ff. Status und erfüllen damit die von oekom research definierten branchenspezifischen ökologischen und sozialen Mindeststandards. Die empirische Basis dieses CR Reviews bildet das oekom Screening Universe mit ca. 3.000 internationalen Unternehmen, von denen rund 1.100 einem detaillierten oekom Corporate Rating unterzogen wurden. • Die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen hat sich tendenziell ver- ➔ S. 24 bessert. Ausschlaggebend hierfür ist u. a. die steigende Zahl der Unternehmen, die sich an den Vorgaben der Global Reporting Initiative (GRI) orientieren. Spitzenreiter sind spanische Unternehmen, während US-Unternehmen weiter deutliche Defizite in der Berichterstattung zeigen. Aufgeholt haben die Unternehmen aus Emerging Markets. • Mehr als jedes sechste Unternehmen ist in Kartellverstöße bzw. Wettbewerbsvergehen ➔ S. 26 involviert. Auch Korruption ist in einigen Branchen nach wie vor weit verbreitet, insbesondere in der Baustoff-, der Rüstungs- und der Unterhaltungselektronikbranche. • Eine Zunahme von Verstößen bei den Arbeits- und Menschenrechten im Zuge der Wirtschafts- ➔ S. 29 und Finanzkrise ist derzeit nicht zu beobachten, sie stellen aber in einigen Branchen ein ernsthaftes Problem dar. Mehr als jedes zweite Unternehmen der Computer- wie auch der Textilindustrie verstößt selbst oder in der Zulieferkette gegen anerkannte Arbeitsstandards. In Menschenrechtsverletzungen sind vor allem die Bergbaubranche sowie die Unternehmen der Öl- und Gasbranche involviert. • Noch längst nicht alle Branchen nehmen die Risiken des Klimawandels ernst. Insbesondere ➔ S. 32 die Immobilien- und die Bauwirtschaft zeigen trotz ihrer vergleichsweise hohen Exponiertheit gegenüber Klimarisiken bisher wenig Bereitschaft, sich mit diesen zu beschäftigen. Andere Branchen, etwa die Energieversorger und die Öl- und Gasbranche, haben zumindest begonnen, sich systematisch damit auseinander zu setzen, indem sie Strukturen im Unternehmen aufbauen und ihre Treibhausgasemissionen erfassen. Deutliche Defizite zeigen sich in der mittelständischen Wirtschaft. • Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist auf dem Weg, ein Topthema in der (Finanz-) Wirtschaft ➔ S. 43 zu werden. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass ihre wirtschaftliche Tätigkeit von einer intakten Flora und Fauna und von funktionsfähigen Ökosystemen abhängig ist. Besonders exponiert sind hier u. a. die Land- und Forstwirtschaft, die Tourismusindustrie und die Nahrungsmittelbranche. Um die unternehmerische Berichterstattung zu diesen Risiken zu forcieren, regt oekom research ein Biodiversity Disclosure Project an. oekom research AG Seite oekom CR Review 2010 Schön und gut – nachhaltiges Investment bei Stiftungen Dr. Hermann Falk, Bundesverband Deutscher Stiftungen Stiftungen in Deutschland: Sie sind reich und tun Gutes, schmücken den Stifter und die Gesellschaft, denken und arbeiten über den Tag hinaus. So zumindest lautet die landläufige Meinung. Mit anderen Worten: Sie sind schön und gut. Allerdings wird dieser stehende Ausdruck häufig auch in einem anderen Kontext gebraucht, nämlich „schön und gut, aber wie geht’s denn jetzt weiter?“ Zwischen diesen beiden Eckpunkten soll der folgende Beitrag über den Status Quo und Trends im Anlageverhalten von Stiftungen im Nachhaltigkeitsmarkt informieren. Gewinne im Garten des Guten Hat das Jahr 2009 dem Markt für nachhaltige Investments genützt? Aus subjektiver Sicht: ja. Im Jahr zwei der Finanzkrise hat dieses Segment weiter an Bedeutung gewonnen. Die Gruppe von Nachhaltigkeits-Anlegern und -Produktanbietern in Deutschland hat Zulauf auch von Stiftungen1 erhalten. Als Kundenmotive sind im gesamten Markt erkennbar: verstärkte Skepsis gegenüber der Wachstumshörigkeit der konventionellen Wirtschaft, Suche nach (relativer) Sicherheit und Enttäuschung über die klassische Bankenberatung2. Ein spezieller Grund im Stiftungssegment: Die Finanzanlage wird ganzheitlich als Teil des gesellschaftlich relevanten, gemeinnützigen Stiftungshandelns verstanden und genutzt. Insgesamt handelt es sich um einen starken, ungebrochenen Trend, der neben höchst glaubwürdigen, renommierten Anbietern solche mit hellgrünen und sogar nicht ganz farbechten Produkten anzieht. Um im Bild zu bleiben: Die Anbaufläche des einstmals kleinen SRI3 -Gartens wird ständig erweitert, auf vielen Beeten kann geerntet werden; nicht alle Bäume aber wachsen in den Himmel, in manchen Ecken herrscht Wildwuchs und sogar Wühlmäuse wurden gesichtet. Studien und Meinungen Gefördert wird diese Entwicklung durch die stets lebhafte Produktion von allgemeinen Marktstudien und Umfragen, die teilweise auch einen Rückschluss auf spezielle Stiftungsmeinungen und -handeln ermöglichen. Voraus zu schicken ist, dass sich viele kleine Stiftungen (bis eine Million Euro Vermögen) und manche mittelgroße Stiftung (bis 20 Millionen Euro Vermögen) wohl eher wie Privatanleger verhalten, während die großen Stiftungen in der Regel dem Segment der institutionellen Anleger zuzuordnen sind. Zu den Vor- und Nachteilen der nachhaltigen Vermögensanlage äußerten sich im letzten Jahr 560 oekom research AG Privatinvestoren gegenüber der FERI Eurorating und prognostizierten zu 62 Prozent eine schlechtere Performance gegenüber konventionellen Produkten. Indes betrachten 51 Prozent die Höhe der Performance als Vorteil von SRI oder sehen die Performance zumindest ebenbürtig im Vergleich zu konventionellen Produkten. Ein Widerspruch, der zu denken gibt. Allerdings kein Widerspruch zu der Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen aus dem Jahr 2008, wonach mindestens 80 Prozent der Stiftungen nach wie vor klassisch investiert sind, auch wenn das Interesse und das tatsächliche Engagement steigen4. Hierzu sogleich mehr. Das Verhalten der großen Stiftungen, das sicherlich eher mit dem anderer institutioneller Anleger vergleichbar ist, lässt sich empirisch bislang noch nicht abschätzen. Ob die Aussage der Union Investment aufgrund einer Studie aus dem Jahr 2009, wonach zwei Drittel der institutionellen Investoren SRIKriterien beachten, tatsächlich auch für diesen recht kleinen und im Verhalten heterogenen Kreis von Stiftungen gilt, konnte bislang nicht geklärt werden, erscheint jedoch zweifelhaft. In finanzwissenschaftlicher Hinsicht bringt eine von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Auftrag gegebene und 2008 vorgestellte Studie5 Licht ins Dunkle. Zunächst wird dort der bisherige Forschungsstand beschrieben und zitiert, wonach seit Anfang der 1970er Jahre intensive Forschung zu SRI stattfindet und seit Mitte der 1990er Jahre auch konkrete Anlageprodukte untersucht werden konnten. Hierbei habe sich gezeigt, dass keine signifikanten Unterschiede zu konventionellen Anlagen feststellbar seien. Die eigenen Analysen des von der DBU für die Studie beauftragten Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim kommen nun zu einem ähnlichen Ergebnis. Wörtlich heißt es: „Die Studie zeigt, dass nachhaltige Kapitalanlagen aus Sicht von Stiftungen nicht nur eine zulässige, sondern auch eine sinnvolle Klasse von Anlageprodukten darstellt.“6 Die DBU-Studie wird übrigens derzeit aktualisiert und im Sommer mit neuen Zahlen unter Berücksichtigung der Finanzkrise 2008/2009 veröffentlicht. Die schon erwähnte Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen vom März 2008 hat ergeben, dass Stiftungen die Möglichkeiten zur nachhaltigen Geldanlage weit stärker genutzt haben und zukünftig nutzen werden, als bislang gedacht. Ungefähr zehn Prozent der Stiftungen dürften entsprechend investiert haben und bis zu einem Drittel würden neu oder zusätzlich investieren wollen7. Rechtsgründe Seite oekom CR Review 2010 stehen dem keinesfalls entgegen. Nachhaltiges Investment ist also in den gut geführten Stiftungen angekommen. Rein rechnerisch ergibt sich damit ein Nachfragepotenzial von (vorsichtig geschätzt) mindestens zwei Milliarden Euro im Stiftungssegment. Stiftungen könnten also nicht nur mit ihren gemeinnützigen Förderungen, sondern auch mit diesen Mitteln die Welt positiv verändern. Trends über den Tag hinaus Die Frage nach den Werten, die einem Handeln zugrunde liegen, erlebt gerade in dieser Zeit eine – hoffentlich längerfristige – Renaissance. Wie nahe liegend sie schon immer war, aber häufig nicht gestellt wurde, zeigen in unterschiedlicher Ausprägung die Beispiele Siemens für den Aktienbereich und Griechenland für den Staatsanleihenmarkt. Abgesehen von dem strafwürdigen Verhalten Einzelner hat Siemens als Unternehmen nach den derzeitigen Erkenntnissen die systematische Bestechung geduldet, sich also mit unlauteren Mitteln geschäftliche Vorteile verschafft. Eine solche Unternehmenskultur ermöglicht zwar kurzfristige Gewinne, aber verursacht mittelfristig enorm hohe Kosten. Auch Griechenland hat nicht nur ein massives Schuldenproblem, sondern auch ein mindestens ebenso großes Glaubwürdigkeitsproblem durch seine falschen Wirtschaftsdaten. Damit erlebt es eine ebenso klare „Abstrafung“ an den Finanzmärkten wie ein Unternehmen mit Bilanzbetrug. Siemens hat diese Erkenntnis im Zuge der Korruptionsaufarbeitung gemacht und kommentiert und nutzt den Nachhaltigkeitsgedanken als Gegengift: „Eine allgemeine Lehre aus der Krise ist, dass Nachhaltigkeit des Handelns durch kein kurzfristiges Kalkül verdrängt werden darf. Was wie eine Binsenweisheit klingt, war an zu vielen Stellen und bei vielen Akteuren abhanden gekommen. Heute ist offensichtlich: Wo Nachhaltigkeit verloren geht, da fehlt es auch an Verantwortungssinn, da wird Vertrauen zerstört, entsteht wirtschaftlicher Schaden und kommen Menschen in Nöte und in Bedrängnis.“8 Private und Stiftungsanleger fordern mit Recht auch von ihren Banken, Sparkassen und anderen Vermögensverwaltern ein verbessertes Wertefundament, auch hier wieder im doppelten Sinn mit höherem Eigenkapital und klaren Governance-Richtlinien zur Vermeidung von zu hohen Boni, Rückvergütungen, Gebühren und Provisionen sowie zum Ausschluss von Interessenkollisionen. Schön und gut, aber wie geht’s jetzt weiter? Gemeinsam mit vielen Stiftungen und zahlreichen anderen Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft geht der Bundesverband Deutscher Stiftungen davon aus, dass die Stiftungen mit SRI einen Hebel in der Hand halten, der das gemeinnützige Wirken von Stiftungen verbessern kann. Nicht nur weil es ethisch oekom research AG opportun ist und damit Ausdruck eines ganzheitlichen, zukunftsfähigen Denkens ist, sondern auch weil es finanzwissenschaftlich solide ist. Die Rolle des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen besteht deshalb darin, die Stiftungen unabhängig zu informieren, aber auch im Mitgliederkreis und in der interessierten Öffentlichkeit aktiv für eine weitere Entwicklung zu werben. Dies geschieht in Publikationen9, persönlicher Beratung und in Veranstaltungen wie dem Deutschen StiftungsTag und dem Forum Stiftungsvermögen. Konkrete Hilfestellung wird auch durch die Wissensvermittlung in Seminaren der Deutschen StiftungsAkademie geleistet. Ebenfalls finden sich Links, Vorträge und anderes Material auf der Homepage. Gleichzeitig ermöglicht der Verband den wesentlichen Akteuren aus dem Finanzsektor, sich den Stiftungen vorzustellen und ihre Angebote bekannt zu machen, vor allem durch Vorträge, Anzeigen und Sponsoringbeiträge. Wo es passt, werden auch konkrete Dienstleistungsangebote „unter Vertrag genommen“, d.h. der Verband vereinbart in einem Rahmenvertrag mit dem Anbieter bestimmte exklusive Sonderkonditionen, auf die die Mitglieder dann in freier Entscheidung zurück greifen können. Ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit in diesem Dreieck zwischen Verband, Stiftungen und Unternehmen ist das Angebot eines Nachhaltigkeitsscreenings von oekom research. Mitgliedsstiftungen können ihr Anlageportfolio daraufhin überprüfen lassen, ob und in welchem Maße Nachhaltigkeitsüberlegungen verwirklicht sind. Die Analyse ermöglicht es den Stiftungsgremien, ihren eigenen Nachhaltigkeitsweg zu beginnen oder einen schon laufenden Anlageprozess effizienter zu gestalten. Bei diesem Angebot sparen Verbandsmitglieder in der Regel nicht nur viel Zeit, sondern auch Kosten, die ansonsten für einen solchen Beratungsprozess aufgebracht werden müssten. Gerade bei der Entwicklung einer nachhaltigen Anlagestrategie kommt es darauf an, in einem stiftungsinternen Diskurs alle Beteiligten mit ihren Interessen und Erfahrungen einzubinden. Nur auf diese Weise können die wesentlichen Eckpunkte der Anlagepolitik geklärt werden und langfristig Bestand haben. Niedergelegt werden sollten diese Eckpunkte in einer möglichst klaren Anlagerichtlinie, die konkret Anlageziele und Risikokennzahlen ebenso nennt wie abstrakte Abläufe und Zuständigkeiten festhält. Tipps für Stiftungen, die sich dem Thema gerade öffnen wollen: Einen relativ einfachen Zugang bieten nachhaltig gemanagte Publikumsfonds, insbesondere als ETF-Produkt. Ebenfalls erscheint vielen Stiftungen, die an sich eher skeptisch sind, eine Anlage in Microfinance-Produkten nahe liegend, da man dort eine angemessene Rendite und geringe Ausfallrisiken mit dem stets angestrebten gesellschaftlichen Mehrwert verknüpfen kann. Überhaupt Seite oekom CR Review 2010 dürfte die Klärung der Frage, wo die Stiftung ihren strategischen Kern sieht und wie sie aus diesem Kern ihr Förderhandeln im gemeinnützigen Zweckbereich ebenso entwickelt wie eine diesem Kern entsprechende Finanzanlage, für die Stiftung eine Bündelung der Stiftungsziele und für die handelnden Personen ein persönlich äußerst befriedigender Prozess bedeuten. Also „schön und gut“ und sehr sinnvoll! Fazit Wissenschaftlich fundiert und mehrheitsfähig ist derzeit folgende Aussage: Die systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bringt jeder Stiftung in der Finanzanlage eine mindestens ebenso gute Ertrags- und Gewinnentwicklung wie die so genannte konventionelle Anlage. Keinesfalls führt die Verringerung des theoretischen Anlageuniversums durch Ausschluss von bestimmten Ländern, Unternehmen, Anlageklassen und Produkten dazu, dass die Ertragsaussichten geschmälert werden oder sich das Risiko-/Gewinn-Verhältnis negativ entwickelt. Zugleich lässt sich eine positive Wirkung in den gemeinsamen gesellschaftlichen Zielen, also bei der Bekämpfung von sozialen Missständen, bei der Erhaltung der Schöpfung und bei der Entwicklung eines ethisch basierten Handelns in Wirtschaft und Politik, erzielen. Der Begriff der „doppelten Rendite“ bringt diese verschiedenen Argumente recht gut auf den Punkt. Quellen: (1) vgl. auch das Schwerpunktthema „Gutes Geld“ im Magazin StiftungsWelt 2-2009 des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen (2) vgl. Stiftung Warentest „Anlageberatung der Banken im Test“, Dezember 2009, und Deutsches Institut für Service-Qualität (DSIQ) im Auftrag von n-tv zitiert in DIE WELT vom 11.06.2009, S. 15 (3) Socially Responsible Investment (4) Bundesverband Deutscher Stiftungen, StiftungsReport 2008/09, S. 30 (5) Schäfer/Schröder, Nachhaltige Kapitalanlagen für Stiftungen, 2009 (6) a. a. O., S. 149 (7) s. Fußnote 4. Bei diesen Angaben handelt es sich um Trendaussagen, da die Antwortquote zu gering war, als dass sich daraus nach wissenschaftlichen Kriterien belastbare statistische Aussagen ableiten lassen. (8) Siemens AG, Geschäftsbericht 2009, S. 13 (9) s. Fußnoten 1 und 4 Dr. Hermann Falk ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Bereich Administration & Corporate Sector beim Bundesverband Deutscher Stiftungen. Einige Eckpunkte aus dem beruflichen Werdegang: Studium und Referendariat in Saarbrücken, Tübingen, Berlin und New York; zunächst als wirtschaftsberatender Rechtsanwalt in Düsseldorf tätig; Leitung des Rechtsbereichs in der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts. Weitere nebenberufliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten: Mitglied in diversen Anlageausschüssen im Bereich ethisch-ökologische Vermögensanlage; Vorsitzender des Aufsichtsrates der Naturstrom AG, Düsseldorf; Mitglied im Beirat „Goethe-Institute in Deutschland“, München. oekom research AG Seite oekom CR Review 2010 1. Entwicklung des nachhaltigen Investments – Zahlen und Fakten Der Markt für nachhaltige Investments ist nicht nur vergleichsweise gut durch die Finanzkrise gekommen, sein Wachstum hat sich – wohl auch als Folge der Krise – weiter fortgesetzt. Nie war, wenn man sich den europäischen Markt für nachhaltige Publikumsfonds anschaut, das Angebot von entsprechenden Anlageprodukten so groß wie heute, nie das Volumen höher. Und auch bei institutionellen Investoren wächst das Interesse an diesem Thema weiter. Dafür gab es 2009 eine Reihe von Belegen. So ist beispielsweise die Zahl der Unterzeichner sowohl der UN Principles for Resonsible Investment (UN PRI) als auch des Carbon Disclosure Projects (CDP) weiter gestiegen. Auch das Aufkommen neuer, investoren- ➔ spezifischer Begriffe für den Investmentansatz – hier ist beispielsweise vom „Impact Investment“, vom „Mission Related Investment“ oder vom „Program Related Investing“ die Rede – ist ein Indiz dafür, dass sich bestimmte Zielgruppen, insbesondere Stiftungen und Pensionsfonds, stärker mit dem Thema auseinandersetzen. Daneben gibt es auch Belege für ein stärkeres Interesse von vermögenden Privatanlegern, so genannten High Net Worth Individuals (HNWI). Auf den folgenden Seiten sind ausgewählte Ergebnisse der aktuellsten verfügbaren Marktstudien dargestellt. Sie geben einen umfassenden Überblick über die Entwicklung nachhaltiger Kapitalanlagen in Deutschland und dem deutschsprachigen Raum, in Europa und weltweit. 1.1 Deutschsprachiger Raum Nachhaltige Publikumsfonds in Deutschland 279 Fonds aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Ethik und erneuerbare Energien waren nach Berechnungen von ECOreporter.de am Jahresende 2009 in Deutschland zugelassen, 83 Fonds mehr als Ende 2008 und 168 mehr als noch Ende 2006. Das Gesamtvolumen dieser Fonds lag in Deutschland zum Jahresabschluss 2009 bei 30,08 Milliarden Euro (Ende 2008: 18,26 Milliarden Euro, Ende 2007: 28,2 Milliarden Euro). Im Durchschnitt legten die in Deutschland zugelassenen nachhaltigen Aktienfonds 2009 um 29,2 Prozent, der Welt-Aktienindex MSCI World um 25,9 Prozent zu. Mehr als eine halbe Milliarde Euro haben deutsche Anleger nach Angaben von ECOreporter.de 2009 in nachhaltige geschlossene Fonds, insbesondere in Solarfonds, investiert. 40 geschlossene Fonds aus den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige Waldwirtschaft und Umwelttechnik starteten 2009 den Vertrieb. Nachhaltige Publikumsfonds im deutschsprachigen Raum Insgesamt 313 nachhaltige Publikumsfonds waren nach Informationen des Sustainable Business Institute (SBI) zum 31.12.2009 in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Vertrieb zugelassen, 39 Fonds mehr als Ende 2008. Ihr Volumen lag bei insgesamt rund 30 Milliarden Euro. 31 Fonds mit einem Volumen von ca. 790 Millionen Euro sind nach Recherchen des SBI im Jahr 2009 neu aufgelegt worden: 19 Aktien-, fünf Misch-, vier Renten-, zwei Dachfonds und ein Exchange Traded Fund (ETF). Darüber hinaus sind gegenüber Ende 2008 29 Fonds hinzugekommen, die entweder bereits in anderen Ländern zugelassen waren oder neuerdings Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. 13 Aktien-, sechs oekom research AG Renten- und zwei Mischfonds wurden 2009 mit anderen Fonds zusammengelegt oder geschlossen. Insgesamt liegen die deutschsprachigen Länder beim nachhaltigen Investment aber noch weit hinter anderen europäischen Ländern zurück. So werden nach Schätzungen des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) in Deutschland nur 0,7 Prozent des gesamten Anlagevolumens unter Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien getätigt. In Österreich liegt der Prozentsatz ebenfalls bei 0,7 Prozent, in der Schweiz immerhin bei 2,8 Prozent. Zum Vergleich: In Belgien erreichen nachhaltige Anlagen einen Marktanteil von 20 Prozent, in den Niederlanden sogar von 40 Prozent. Seite oekom CR Review 2010 Nachhaltige Zertifikate und ETFs in Deutschland Nachdem die Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers zu einem deutlichen Einbruch am gesamten Zertifikatemarkt geführt hat, konnte sich der Markt im Jahr 2009 wieder leicht erholen. Dies gilt auch für die in Deutschland zugelassenen nachhaltigen Zertifikate. Führend sind weiterhin die Indexzertifikate, die mit 95 Zertifikaten bzw. 37 Prozent die größte Gruppe ausmachen. Garantiezertifikate bilden mit 75 Produkten (29 Prozent) die zweitgrößte Gruppe. Thematisch bezogen sich 81 Zertifikate (31 Prozent) auf das Thema erneuerbare Energien, 60 Zertifikate (23 Prozent) auf das Thema Nachhaltigkeit allgemein und 43 Zertifikate (17 Prozent) auf das Anlagethema Klimaschutz Die nachhaltigen Exchange Traded Funds (ETFs) konnten 2009 ein starkes Wachstum verzeichnen. Das gesamte Fondsvolumen stieg im Vergleich zum Jahresende 2008 um 118 Prozent auf rund 495 Millionen Euro, obwohl nur ein neuer ETF auf den Markt gebracht wurde. Entwicklung der Anzahl nachhaltiger Zertifikate in Deutschland; Quelle: Stefan Schneider / ecofin Verbund (2010) Ihre Zahl lag per 31.12.2009 bei 258, ein Plus von rund acht Prozent gegenüber dem Stand von Ende 2008. Das Emissionsvolumen konnte um 19 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro zulegen. Diese Steigerung ist vor allem auf das veränderte Emissionsverhalten der Anbieter zurückzuführen: Anstelle von Hebelzertifikaten mit vergleichsweise geringen Emissionsvolumina haben sich vor allem neu emittierte Anlagezertifikate auf die Volumenentwicklung ausgewirkt. Entwicklung der Anzahl nachhaltiger ETFs in Deutschland; Quelle: Stefan Schneider / ecofin Verbund (2010) Superreiche investieren nachhaltig Auch so genannte High Net Worth Individuals (HNWI), d. h. vermögende Privatpersonen und Familien, schenken nachhaltigen Investments zunehmend Beachtung. Das zeigen die Ergebnisse der Studie „Mythos Family Office“ von J.P. Morgan und dem Bayerischen Finanz Zentrum. Befragt wurden Vermögensverwaltungen von Millionären und Milliardären aus Deutschland und der Schweiz, die in der Regel das Vermögen mehrerer Großanleger verwalten. Dabei legen 20 Prozent der Multi Family Offices Wert auf sozial verantwortliche Investments. Vertritt ein Family Office nur eine Familie, liegt der Wert bei 33 Prozent. Große Unterschiede gibt es auch unter den Entscheidungsträgern: Ist der Vermögensinhaber alleiniger Bevollmächtigter, dann verfolgt jeder Vierte einen Nachhaltigkeitsansatz. Bestimmt dagegen ein Familiengremium die Anlagestrategie, entscheiden sich nur 17 Prozent der Investoren für nachhaltige Anlagen. Überlassen Familien die endgültige Entscheidung einem Berater, finden nachhaltige Investments gar nicht statt. oekom research AG Seite oekom CR Review 2010 1.2 Europa Auch in Europa hat sich die Zahl der nachhaltigen Publikumsfonds nach einer Studie der französischen Nachhaltigkeits-Ratingagentur vigeo in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Per 30.06.2009 waren insgesamt 683 entsprechende Fonds zum Vertrieb zugelassen, ihr Volumen lag bei insgesamt 53,3 Milliarden Euro. vigeo im Jahresvergleich das stärkste Wachstum (+56 Prozent), gefolgt von Frankreich (+43 Prozent), Österreich (+38 Prozent) und Belgien (+36 Prozent). Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ist im Jahresvergleich 2008 zu 2009 insbesondere der Anteil von Rentenfonds am Gesamtvolumen deutlich gestiegen. Rund jeder dritte in Europa in Publikumsfonds nachhaltig angelegte Euro steckt in einem Rentenfonds. Zurückgegangen ist dem gegenüber der Anteil der in Aktienfonds investierten Gelder. Nach 62 Prozent in 2007 lag der entsprechende Anteil im vergangenen Jahr nur noch bei 55 Prozent. Stabil ist der Anteil des in nachhaltigkeitsorientierten Mischfonds investierten Kapitals. Das durchschnittliche Fondsvolumen lag bei Aktienfonds bei 74 Millionen Euro und bei Mischfonds bei 57 Millionen Euro. Das höchste durchschnittliche Volumen erreichten die Rentenfonds mit 157 Millionen Euro. Quelle: vigeo (2009); Stand: 30.06.2009; Volumen in Mrd. Euro Die Anzahl der Fonds ist damit binnen Jahresfrist um 27 Prozent gestiegen, das Volumen um knapp zehn Prozent. Sowohl bei der Anzahl nachhaltiger Publikumsfonds als auch beim Volumen wurden damit historische Höchststände erreicht. Gemessen an der Zahl der im Land beheimateten Fonds liegen Frankreich (150 Fonds) und Belgien (143) an der Spitze. Es folgen Großbritannien (98), die Schweiz (65) sowie Deutschland und Schweden (61). Deutschland zeigt dabei nach der Statistik von Bezieht man neben den Publikumsfonds auch die Kapitalanlagen institutioneller Investoren mit ein, so ergibt sich folgendes Bild: Aufteilung der in Europa zugelassenen SRI-Publikumsfonds nach Assetklassen; Quelle: vigeo (2009); Stand: 30.06.2009; in % Nach der aktuellsten verfügbaren Studie des europäischen Branchenverbandes Eurosif (➔ www. eurosif.org) lag das Volumen der nachhaltigen Kapitalanlagen per Ende 2007 bei insgesamt knapp 2,7 Billionen Euro, wobei der Löwenanteil dieser Anlagen durch institutionelle Investoren erfolgte. Der Anteil der nachhaltigen Kapitalanlagen am Gesamtmarkt erreichte rund 17,6 Prozent – mehr als jeder sechste Euro wurde also zu diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung sozialer und/oder ökologischer Kriterien angelegt. Eurosif plant für 2010 eine Neuauflage der Studie, mit den Ergebnissen wird im Herbst gerechnet. Volumen des unter Berücksichtigung von sozialen und/oder ökologischen Kriterien investierten Kapitals in Europa; Quelle: Eurosif (2008); Stand jeweils 31.12. des Jahres; in Mrd. Euro oekom research AG Seite 10 oekom CR Review 2010 Mehr Transparenz bei der Nachhaltigkeitsqualität von Fonds Die Berücksichtigung von sozialen, umweltbezogenen und insbesondere auch ethischen Aspekten bei der Gestaltung von nachhaltigen Anlageprodukten betrifft unmittelbar die Wertvorstellungen der Anleger. Für sie kommt es darauf an, prüfen zu können, ob das dem Anlageprodukt zugrunde liegende Nachhaltigkeitskonzept mit Positiv- und Ausschlusskriterien mit den eigenen Vorstellungen von Nachhaltigkeit übereinstimmt. In den vergangenen Jahren hat es vor diesem Hintergrund verschiedene Initiativen gegeben, die Transparenz über die nachhaltigkeitsbezogene Qualität von Fonds zu erhöhen. Wegweisend war hier das Transparenz-Logo, das vom europäischen Dachverband für nachhaltiges Investment, Eurosif, eingeführt wurde. Es wird an Fonds vergeben, die bestimmte Anforderungen an die Transparenz des Investmentprozesses und die dabei genutzten Kriterien erfüllen. Derzeit wird das Logo europaweit von rund 60 Fondsmanagern für insgesamt 235 Fonds genutzt und damit für rund jeden dritten in Europa zugelassenen Nachhaltigkeitsfonds. Einen Schritt weiter geht das Label für Fonds, das die französische SRI-Organisation Novethic in 2009 eingeführt hat. Die Fonds müssen vier Kriterien erfüllen, um ausgezeichnet zu werden: Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales, Governance) im Anlageprozess, ein „Extra Financial Reporting”, Transparenz hinsichtlich der SRI-Anlagestrategie und die vollständige Publikation aller Positionen in den Portfolios. Darüber hinaus gibt es zwei Sonderauszeichnungen: Zum einen für aktives Aktionärswesen („Engagement“), also den Dialog mit Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit, zum anderen für die gezielte Schaffung eines ökologischen oder sozialen Mehrwerts – etwa durch die bewusste Auswahl von besonders CO2-effizienten Unternehmen. Per Ende 2009 waren 92 Fonds mit dem Label ausgezeichnet. Beworben hatten sich 121 Fonds. 1.3 Emerging Markets Ein steigendes Interesse an der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Investments in Emerging Markets belegt eine Studie der International Finance Corporation (IFC) mit dem Titel „Gaining Ground: Integrating Environmental, Social and Governance Factors into Investment Processes in Emerging Markets“, die im März 2009 veröffentlicht wurde. 82 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Fondsmanager und Vermögensverwalter gehen davon aus, dass in den kommenden drei Jahren bei Investments in Emerging Markets Nachhaltigkeitsaspekte weiter an Bedeutung gewinnen werden. Motivation für die Berücksichtigung entsprechender Kriterien bei der Kapitalanlage sei dabei, dass sich bei nachhaltigen Unternehmen langfristig ausgerichtete Investments mit höherer Wahrscheinlichkeit rentieren. Nachhaltigkeitskriterien erleichterten es, das wirtschaftliche Potenzial und die Risiken von Investments in Emerging Markets einzuschätzen. oekom research AG Die Bereitschaft, in Unternehmen aus den Emerging Markets zu investieren, scheitert allerdings häufig an deren mangelnder Transparenz im Bereich Corporate Responsibility (CR). Das ist das Ergebnis einer Umfrage aus 2009 des Emerging Markets Disclosure (EMD) Projects unter nachhaltigkeitsorientierten Asset Managern und institutionellen Investoren. Demnach wären 70 Prozent der Befragten dazu bereit, größere Volumina in den Emerging Markets zu investieren, wenn es dort bereits SRIStrukturen gäbe, an denen sie sich orientieren könnten – etwa Nachhaltigkeitsindizes. Außerdem würden sich die Unternehmen nur selten zu international gültigen ethischen Standards verpflichten. Brasilien ist unter den nachhaltigkeitsorientierten Investoren nach Aussage der Studie am beliebtesten. Das brasilianische Ölunternehmen Petrobras war das Top Holding bei den befragten Investoren, gefolgt von Samsung Electronics (Südkorea), China Mobile (China), Taiwan Semiconductor (Taiwan), Seite 11 oekom CR Review 2010 Teva (Israel), Vale Do Rio Doce (Brazil), America Movil (Mexiko), Gazprom (Russland), Posco (Südkorea) und Ambev (Brasilien). Auch in China zeigen sich erste Ansätze eines nachhaltigen Investments, wie eine Studie der Beratungsgesellschaft BSR zeigt, die diese im Auftrag der IFC erstellt hat. Hier sind derzeit ein Nachhaltigkeitsindex (SSE-SRI) sowie ein Publikumsfonds auf dem Markt. Darüber hinaus bezeichnet der größte Pensionsfonds Chinas (NSSF) „Responsible Investment“ als eines seiner vier zentralen Anlageprinzipien. Barrieren für die Entwicklung des Segments sind nach Einschätzung der Autoren der sehr kurzfristige Anlagehorizont der Chinesen (zwei bis drei Monate für Aktien), der für die Marktakteure ungeklärte „Business Case“ von nachhaltigem Investment und die derzeit noch sehr vielfältigen und daher verwirrenden Bezeichnungen dieses Anlagesegments. Mit der Frage der Transparenz über das CR-Management der Unternehmen in Emerging Markets beschäftigt sich auch der Gastbeitrag von Geoffrey Mazullo. 1.4 Nachhaltige Investments weltweit Wie Eurosif publizieren auch andere nationale bzw. regionale Dachverbände für nachhaltiges Investment regelmäßig Daten über die Entwicklung des Marktes. Eine internationale Koordination im Hinblick auf die Definition von nachhaltigen Investments und die Erhebungszeitpunkte findet bisher aber leider nicht statt, so dass sich die verfügbaren Informationen auf verschiedene Zeitpunkte und Grundgesamtheiten beziehen. Auf der Grundlage der vorliegenden Daten schätzt oekom research das Gesamtvolumen der nachhaltigen Kapitalanlagen global auf rund 5.000 Milliarden Euro. Region EU Bezugsdatum Volumen 2007 2.665 Mrd. USA 2009 1.820 Mrd. Kanada 2008 386 Mrd. Asien 2007 44 Mrd. Australien 2009 Global 37 Mrd. ca. 5.000 Mrd. Volumen des unter Berücksichtigung von sozialen und/oder ökologischen Kriterien investierten Kapitals in verschiedenen Regionen; Quellen: ASrIA, Eurosif, RIAA, Social Investment Forum, Social Investment Organisation; in Euro € 1.5 Performance von nachhaltigen Kapitalanlagen Mit verschiedenen Studien wurde auch im Jahr 2009 versucht, die bei Teilen der Investoren nach wie vor bestehenden Zweifel im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit von nachhaltigen Kapitalanlagen gegenüber konventionellen Anlagen auszuräumen. Die Unternehmensberatung Mercer (US) hat in einer Metastudie – d. h. einer zusammenfassenden Auswertung von entsprechenden Performancestudien anderer Autoren – mit dem Titel „Shedding Light on Responsible Investment: Approaches, Returns and Impacts“ gezeigt, dass die Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Kriterien bei der Kapitalanlage positiv mit der Rendite korreliert. Im Fazit der Studie oekom research AG heißt es, dass der Report die These untermauert, dass Nachhaltigkeitsstrategien einen messbaren Mehrwert für ein Portfolio schaffen können. Der Bericht knüpft an die 2007 von Mercer veröffentlichte Publikation „Demystifying Responsible Investment Performance“ an. Nimmt man die Ergebnisse beider Erhebungen zusammen, zeigen 20 von insgesamt 36 begutachteten wissenschaftlichen Arbeiten eine positive Korrelation von nachhaltigen Geldanlagen und der Finanzperformance der Portfolios, 13 weisen auf einen neutralen Zusammenhang hin und nur drei Arbeiten geben Anhaltspunkte für eine negative Korrelation. Auch die Investmentboutique SAM (CH) hat in ihrer Studie „Alpha durch Nachhaltigkeit“ gezeigt, dass nachhaltige Unternehmen eine bessere Aktienkursentwicklung aufweisen als weniger nachhaltige. Die Ergebnisse zeigen, dass die nachhaltigsten Unternehmen in den Jahren 2001 bis 2008 jähr- Seite 12 oekom CR Review 2010 lich um 1,48 Prozent besser rentierten. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage ist dabei kein Luxus, sondern integraler Bestandteil der Verantwortung von Asset Managern für das ihnen anvertraute Vermögen. Das ist das Ergebnis des Berichts „Fiduciary Responsibility: Legal and Practical Aspects of Integrating Environmental, Social and Governance Issues into Institutional Investment” der Asset Management Working Group der UNEP FI, deren Mitglieder selbst rund zwei Billionen US-Dollar verwalten. Die Sorgfaltspflicht müsse Vermögensverwalter veranlassen, auch Risiken im Portfolio zu prüfen, die durch Umweltfaktoren hervorgerufen werden – so das Fazit der Studie. Darüber hinaus sehen die Autoren große institutionelle Investoren in der Verantwortung, Impulse für ein ressourceneffizientes und emissionsarmes Wirtschaften zu setzen. Der Bericht ist Nachfolger der als „FreshfieldsStudie“ bekannt gewordenen Publikation zu dem Thema aus dem Jahr 2005. Beispiel: Global Challenges Index Der Global Challenges Index (GCX) wurde in Kooperation zwischen den Börsen Hamburg und Hannover und oekom research entwickelt und im September 2007 am Markt eingeführt. Er umfasst 50 Unternehmen, die im Rahmen ihres Kerngeschäfts einen Beitrag zum Umgang mit den großen globalen Herausforderungen, u. a. dem Klimawandel, dem Artensterben und der Wasserknappheit, leisten. Alle gelisteten Unternehmen müssen von oekom research als Best-in-Class bewertet sein und besonders strengen Ausschlusskriterien genügen. Ein Beirat aus Vertretern des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, von ILO, Transparency International und WWF sowie der evangelischen und katholischen Kirche berät die Indexprovider bei der Auswahl geeigneter Unternehmen und der Weiterentwicklung der Auswahlkriterien. (➔ www.gc-index.com) Performance des GCX (obere Linie) im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2009 im Vergleich zu MSCI World (mittlere Linie) und DJ Euro Stoxx 50 (untere Linie); Quelle: www.comdirect.de Der GCX hat im Jahr 2009 eine gute Performance gezeigt und wichtige konventionelle Benchmarks wie den MSCI World und den DJ Euro Stoxx 50, aber auch nachhaltige Benchmarks wie den Dow Jones Sustainability Index hinter sich gelassen. 1.6 Mikrofinanz In jüngerer Vergangenheit ist das Angebot an Mikrofinanzfonds für institutionelle und private Anleger deutlich gestiegen. Diese Fonds können mit den Geldern, die sie bei institutionellen und privaten Investoren einsammeln, Darlehen an Mikrofinanzinstitute (MFI) vergeben. Das wachsende Engagement gerade von institutionellen Investoren wird durch öffentliche Institutionen unterstützt, die dabei häufig eine so genannte „Geländerfunktion“ erfüllen, indem sie beispielsweise Garantien abgeben oder eine „First-Loss-Tranche“ mit öffentlichen Mitteln oekom research AG ausstatten. Solche Tranchen werden im Ernstfall als erstes herangezogen, um mögliche Verluste abzufedern. Die Bonität der MFI als Empfänger der Mittel aus den Fonds wird durch spezialisierte Ratingagenturen wie Microrate, Microfinanzas oder M-CRIL überprüft. Dabei werden u. a. die Strategie der MFI, die Eigentümer- und Corporate Governance-Struktur, die Qualität des Kreditportfolios und die Marktposition bewertet. Derzeit gibt es nach Aussage von Experten mehr als 100 Mikrofinanz-Investmentvehikel, d. h. Seite 13 oekom CR Review 2010 Investmentfonds oder strukturierte Produkte, mit einem Gesamtvolumen von knapp sechs Milliarden Euro. Für 2015 rechnet die Weltbank mit einem privaten Aufkommen von 15 Milliarden Euro. Als Vorteil von Mikrofinanz-Produkten wird die geringe Korrelation zu anderen Assetklassen, d. h. die Unhängigkeit von Marktschwankungen bei anderen Anlagen, angesehen. In Europa sind zahlreiche auf Privatanleger ausgerichtete Mikrofinanzfonds in Luxemburg und der Schweiz beheimatet. In Deutschland wurde Ende 2007 das Investmentgesetz geändert, um die Auflage und den Vertrieb dieser Fonds zu erleichtern. Allerdings gibt es aufgrund der im Gesetz formulierten Mindestanforderungen bisher keinen Mikrofinanzfonds mit Vertriebszulassung in Deutschland. Anlagen im Bereich der Mikrofinanzierungen werden aufgrund der Verbindung von finanzieller Rendite mit sozialen Zielen für nachhaltigkeitsorientierte Investoren als interessant angesehen. Gerade bei diesen gibt es ein Interesse daran, Nachweise für die sozialen Wirkungen der Investition zu bekommen. Für Fondsmanager gibt es dafür derzeit zwei Optionen: • Luxflag Label: Das 2006 eingeführte Label ist derzeit die einzige Zertifizierung von auf Mikrofinanzierungen spezialisierten Investmentfonds. Im Rahmen der Labelvergabe wird überprüft, ob die zertifizierten Investmentfonds tatsächlich in MFI investieren. Per Ende 2009 wurden acht MikrofinanzInvestmentvehikel mit einem Gesamtvolumen von knapp 1,7 Milliarden Euro Assets under Management mit dem Label ausgezeichnet. • Social Performance Reports: Im Rahmen von Social Performance Reports informieren die Investmentfonds im Detail über die entwicklungspolitische Dimension ihrer Investitionen. Einen entsprechenden Report veröffentlicht beispielsweise der European Fund for Southeast Europe (EFSE). 1.7 Aktives Aktionärstum Die aktive Nutzung der Stimmrechte für soziale und umweltbezogene Ziele wird neben der Nutzung von Ausschlusskriterien und der Anwendung des Bestin-Class-Ansatzes als dritte Säule des nachhaltigen Investments angesehen. Während dieses aktive Aktionärstum in den angelsächsischen Ländern – hier spricht man von „Engagement“ – bereits vergleichsweise stark verbreitet ist, gewinnt es in Kontinentaleuropa erst langsam an Bedeutung. Das SÜDWIND-Institut für Ökonomie und Ökumene hat Anfang 2009 in der von der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland unterstützten Studie „Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für ein Aktives Aktionärstum in Deutschland“ analyiert, wie groß das Interesse kirchlicher Investoren ist, ihr Kapital für soziale und umweltbezogene Aspekte einzusetzen. Hierzu wurden 30 Führungskräfte aus Banken, Landeskirchen, Diözesen und Stiftungen nach ihrer Bereitschaft befragt, sich kritisch mit Unternehmen auseinanderzusetzen, deren Aktien sie besitzen. Zahlreiche Interviewpartner, so das Ergebnis der Studie, sahen einen konkreten Handlungsbedarf und wollen besonders zu sozialen Themen mit Unternehmen ins Gespräch kommen. Neben den Kirchen waren es vor allem Stiftungen mit sozialen oder entwicklungspolitischen Förderzielen, die sich nach eigenen Aussagen mit ihren Investitionen mehr engagieren wollen. oekom research AG Auch die im deutschsprachigen Raum aktive Investorengemeinschaft CRIC (➔ www.cric-online. org), in der sich mehr als 100 private und institutionelle Investoren wie Ordensgemeinschaften, Diözesen, Landeskirchen, Hilfswerke und Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen haben, hat seine Aktivitäten im Bereich des Engagements verstärkt. Im Jahr 2009 wurden drei konkrete Projekte durchgeführt, die beispielhaft die Bandbreite der möglichen Themen im Bereich des aktiven Aktionärstums zeigen: • Aktive Forderung an deutsche und österreichische Banken, mehr Transparenz bezüglich der Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in ihr Wirtschaften zu schaffen; • Einflussnahme auf RWE, sich aus dem geplanten Bau eines Atomkraftwerkes im bulgarischen Belene zurückzuziehen; • Veröffentlichung einer Presseerklärung zu Menschen- und Arbeitsrechtsverstößen in der IT-Branche anlässlich der Messe CeBIT. Seite 14 oekom CR Review 2010 1.8 Ausblick Wird die Erfolgsgeschichte des nachhaltigen Investments auch 2010 fortgeschrieben? oekom research hält dies für sehr wahrscheinlich – immerhin gibt es eine Reihe positiver Signale und Weichenstellungen. So ist beispielsweise das Interesse privater Anleger an diesem Thema weiter gewachsen. Nach einer Umfrage im Auftrag der DZ Bank aus dem Herbst 2009 interessieren sich immerhin 55 Prozent der Befragten für Anlageprodukte mit Umweltbezug, im Frühjahr 2008 waren es noch 48 Prozent gewesen. Diese steigende Nachfrage stößt, wie oben dargestellt, auf ein wachsendes Angebot entsprechender Anlagen. Auch bei institutionellen Investoren gewinnt das Thema spürbar an Bedeutung. Nach einer Umfrage des europäischen Dachverbands für nachhaltige Investments, Eurosif, erwarten beispielsweise 90 Prozent der befragten europäischen Consultants großer Investoren in den kommenden drei Jahren eine steigende Nachfrage seitens öffentlicher und privater Pensionsfonds nach nachhaltigen Anlagestrategien und -produkten. Auch bei Stiftungen steigt das Interesse an solchen Anlagen. Sie gehören zu den derzeit besonders intensiv umworbenen Zielgruppen der Anbieter nachhaltiger Anlageprodukte. Allerdings ist die Strategie, auch mit der Kapitalanlage den Stiftungszweck zu unterstützen, bisher noch nicht sehr weit verbreitet. oekom research AG Gleichzeitig kann, darauf weist das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hin, die Politik durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sowie der eigenen Anlagepolitik den Markt positiv befördern. Das FNG schlägt z. B. vor, dass die öffentliche Hand sich nur an Unternehmen direkt beteiligen sollte, die eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen. Das FNG fordert außerdem, dass öffentliche Vermögen und das Vermögen von Unternehmen in öffentlicher Hand nur unter Berücksichtigung verbindlicher Standards für Nachhaltigkeit angelegt werden, wie es die Stadt München im Jahr 2008 zumindest für Teile ihres Vermögens vorgemacht hat, und die staatliche Förderung für Finanzanlagen, z. B. der Riester Rente, an verbindliche Nachhaltigkeitsstandards gebunden wird. Schließlich sollten Stiftungen des öffentlichen Rechts nach Vorstellungen des FNG verpflichtet werden offenzulegen, wie sie ethische, soziale und ökologische Kriterien bei der Anlage des Stiftungskapitals berücksichtigen. Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung finden sich keine Aussagen zu diesen Forderungen. Und vielleicht ist das gar nicht so schlimm. Immerhin lassen sich immer mehr private und institutionelle Anleger vom Leistungsversprechen entsprechender Anlagen überzeugen: Die Verbindung einer marktgerechten Rendite mit der Erreichung sozialer, umweltbezogener und gesellschaftlicher Ziele. Seite 15 oekom CR Review 2010 ESG Reporting in Emerging Markets Geoffrey Mazullo, School of American Law (SAL), Poland those which have reached a minimum level of gross Ten years ago, the acronym ESG had not yet been domestic product (GDP) and are in the growth phase coined. A significant minority of large multinational of the development cycle but whose economies are companies issued corporate social responsibility particularly vulnerable to internal or external forces.”3 (CSR) reports1. However, an acronym for the stanSince macroeconomic factors such as growth, sociodardized set of extra-financial data investors use to political factors such as maturity and stability, and analyze, assess, benchmark, evaluate, monitor and financial market factors such as liquidity significantly value portfolio companies did not exist. Indeed, the impact emerging markets, best practice in disclosuvery concept of “extra-financial” was not in vogue. re by listed companies in emerging markets should Instead, the financial community distinguished betinclude provision of information on these factors, ween financial and non-financial factors influencing many of which relate, either directly or indirectly, to corporate performance. In the absence of an internaESG reporting. tionally recognized set of standards, many compaIn 2001, the Partners for Financial Stability (PFS) nies decided not to invest resources in non-financial Program (➔ www.pfsprogram.org) conducted its inaureporting. gural survey “Investor Relations Online”. It analyzed Several developments moved the process of the websites of the ten largest listed companies in the standardization of ESG reporting forward, e.g. the then eight EU candidate countries. From 2002 to 2009 promulgation of corporate governance principles the survey was conducted semi-annually. In 2003 an by the Organization for Economic Cooperation and inaugural “Survey of Reporting on CSR” by the same Development (OECD); adoption of corporate goverpeer group was conducted; it too was thereafter connance codes in advanced industrial economies and ducted semi-annually though 2009. In 2004 the peer emerging markets; the launch of the Global Reporting group was widened to include Bulgaria, Croatia and Initiative (GRI) as a standard for extra-financial Romania. In 2007, BRIC and Ukraine were added. The reporting; the launch of SRI indices on several stock surveys analyzed the annual reports and websites of exchanges, including emerging markets such as the ten largest listed companies in the above-menBrazil; the launch of the United Nations Principles for tioned countries in order to document disclosure Responsible Investment (UN PRI); and seismic devepractices, collect time-series data and identify best lopments in national legislation on ESG issues, inclupractice among the emerging market peer groups. ding mandated gender equality in boards (Norway) The figure below charts the development of the and mandated CSR reporting by listed companies, publication of stand-alone ESG reports (in English) state-owned companies and financial institutions by the largest listed companies in the above-mentio(Denmark as of 2010). ned eleven CEE countries. In mid-September 2009, All of the above-noted developments spurring increased ESG reporting impacted emerging markets. However, given the heterogeneity of emerging markets, the impact of these developments varied from region to region, and within regions, from country to country. Most definitions suggest categorizing a country as an “emerging market” according to indicators such as: level of income, growth rate, stage of development, maturity and stability.2 “Emerging marESG Reporting in Central and Eastern Europe; Source: PFS Program (2009) kets therefore include oekom research AG Seite 16 oekom CR Review 2010 45 of the 110 CEE companies surveyed (41%) issued a stand-alone English-language ESG report, compared with 41 companies (37%) in April 2009 and 28 companies (25%) in September 2008. The percentage of companies which publish the report in compliance with internationally recognized standards, such as GRI, has also grown, although not as incrementally and sustainably. Only a small minority of the reports published include an assurance statement. 19 of the 40 companies surveyed in BRIC (47.5%) issued a stand-alone English-language ESG report in September 2009. The number was unchanged since April 2009, and represented a slight increase vis-àvis 18 companies in September 2008. As a group, BRIC blue-chips generally outperform CEE peers in ESG reporting; however, the gap continues to narrow and a few CEE countries approach the disclosure levels found in BRIC. One Ukrainian company issued a stand-alone English-language ESG report in September 2009. In marked contrast to all twelve previous surveys, the September 2009 edition of the Survey of Reporting on CSR documented increased disclosure in almost all areas analyzed. In 27 of the 30 categories surveyed, disclosure increased. In some categories, the increase was significant. In three categories of social policy, disclosure in the annual report decreased. Below are some specific examples of the development of ESG disclosures in CEE over the past few years: • 79% of the 110 CEE companies surveyed disclosed employee development/benefits policies in the (2008 or 2007) annual report available online in September 2009. This was the highest percentage recorded since the first survey was conducted in August 2003 and the first time that the 75% threshold was exceeded. • 77 of the 110 CEE companies surveyed (70%) disclosed implementation of a corporate governance code in the (2008 or 2007) annual report available online in mid-September 2009, compared with 57 companies (52%) in April 2009 and 60 companies (54.5%) in September 2008. This too was the first time since the survey was first conducted that disclosure of information regarding compliance with a corporate gover- nance code in the annual report available online reached the 70% threshold. • 53% of the 110 CEE companies surveyed reported on environmental performance in the (2007 or 2008) annual report available online in mid-September 2009. This was the highest percentage recorded since the first survey was conducted in August 2003 and the first time that the 50% threshold was exceeded. The percentage was 34.5% in September 2008, 33% in September 2007, 25% in September 2006 and 22% in September 2005. One driver for the recent increase in ESG disclosures by CEE blue-chip listed companies might be the impact of a broad range of pressures – consumer, investor, media, public and regulatory – emanating from EU accession. Another plausible explanation is the impact of corporate governance codes. Over the past nine years CEE listed companies have ingested and digested corporate governance. Whereas initially there was a certain amount of resistance to increased disclosure required by corporate governance codes, over time intelligent managers and board members realized that the code provided an opportunity to collect and analyze useful information. As this process has continued and evolved, a new generation of managers and board members realizes the company can also benefit from analyzing a wider range of environmental and social issues. CEE listed companies have made significant progress in ESG reporting during a relatively recent period of time. Significant improvement in Englishlanguage competency, development of a cadre of investor relations professionals, ongoing information technology (IT) advances and the overall impact of the above-mentioned “mainstreaming” of ESG reporting promise to continue to propel this trend forward in the near future. Annotations: (1) According to KPMG’s triennial survey, 45% of Fortune 250 companies published a separate CSR report in 2002, compared with 52% in 2005 and 78% in 2008. (2) “Emerging Markets Defined,” Pearson, http://www.pearsoned.co.uk/ Bookshop/article.asp?item=361 (3) ibid. Geoffrey Mazullo is Adjunct Professor of the School of American Law (SAL) in Gdansk and in Wroclaw, Poland. From 2001-2009 he directed the PFS Program, a regional financial sector development project co-financed by USAID and East-West Management Institute. Previously he worked as a corporate governance analyst with IRRC and ISS. Since the mid-1990s he has worked on corporate governance issues in CEE, for a number of institutions. Contact: [email protected]. oekom research AG Seite 17 oekom CR Review 2010 2. Corporate Responsibility im Unternehmensmanagement – Stand und Trends Welchen Einfluss hat die Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Beachtung von sozi alen, ökologischen und wirtschaftsethischen Standards in den Unternehmen? Nimmt angesichts der Wirtschaftskrise die Neigung zu, wirtschaftlichen Erfolg auf Kosten der Umwelt zu erreichen, Arbeits- und Menschenrechte nicht mehr ganz so genau zu nehmen und Aufträge durch Korruption und Bestechung zu erhalten? Und schränken die Unternehmen ihre Kommunikation ein, um sich „auf das Kerngeschäft zu konzentrieren“? Im Rahmen des oekom Corporate Responsibility Reviews 2010 geben wir Antworten auf diese und weitere Fragen. Dazu analysieren und dokumentieren wir auf der Basis unserer umfassenden Unternehmensdatenbank den Stand des Corporate Responsibility (CR-) Managements in den Unternehmen. Bei der Auswahl der Themen orientieren wir uns an Ereignissen und Entwicklungen, die nach unserer Einschätzung im Jahr 2009 besondere Bedeutung hatten und uns mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch 2010 beschäftigen werden. Dabei unterscheiden wir folgende Themenblöcke: Corporate Responsibility in ausgewählten Themenbereichen Wie reagieren die Unternehmen im Einzelnen auf die Wirtschafts- und Finanzkrise? Dieser Frage gehen wir in Kapitel 2.3 auf den Grund und haben dafür sieben Aspekte ausgewählt, u. a. die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung, Korruption, Bilanzfälschung und andere Wirtschaftsdelikte, Menschen- und Arbeitsrechte sowie Klimarisiken. ➔ Corporate Responsibility: Gesamtperformance Wie hat sich das Nachhaltigkeitsmanagement in den Branchen und Unternehmen insgesamt verändert? Welche übergeordneten Entwicklungen sind hier zu beobachten? Diesen und weiteren übergreifenden Aspekten widmet sich das Kapitel 2.2. Ausblick Zukunftsforscher und Wirtschaftsforschungsinstitute haben derzeit einen schweren Job: Die Prognosen, wie es in 2010 und darüber hinaus mit der Wirtschaftsund Finanzkrise und deren Folgen weitergeht, sind angesichts zahlreicher Unwägbarkeiten sehr schwer. Manch einer hat sich daher entschieden, überhaupt keine Prognose abzugeben. Wir wagen trotzdem einen Ausblick. 2.1 Basis der Analysen: das oekom Universum oekom research ist als Nachhaltigkeits-Ratingagentur auf die Analyse von Unternehmen und Staaten nach sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien spezialisiert. Seit mehr als 16 Jahren erheben und bewerten die aktuell 24 Analysten entsprechende Daten. Die Ratings werden von mehr als 60 Kunden aus acht Staaten für ihre Kapitalanlagen bzw. für die Gestaltung entsprechender Anlageprodukte genutzt. Per Ende 2009 wurden mehr als 90 Milliarden Euro unter Einbezug der oekom Ratings verwaltet. oekom research bewertet regelmäßig rund 3.000 Unternehmen aus mehr als 45 Branchen und über 40 Staaten. Ziel ist es, die Unternehmen zu identifizieren, die den Anforderungen nachhaltigkeitsorientierter Anleger genügen, d.h. eine gute Nachhaltigkeitsperformance zeigen und/oder nicht gegen die von den Anlegern definierten Ausschlusskriterien versto- oekom research AG ßen. oekom research nutzt hierzu einen zweistufigen Ansatz: Im Rahmen des oekom Corporate Scoutings werden zunächst die Unternehmen identifiziert, die ein Mindestmaß an sozialen und umweltbezogenen Maßnahmen bzw. Transparenz darüber erkennen lassen. Das hierbei zugrunde liegende Screening Universe umfasst ca. 3.000 Unternehmen und deckt wichtige Aktienindizes wie den MSCI World, den MSCI Emerging Markets und den DJ Stoxx 600 komplett ab. Unternehmen, die keine ausreichenden Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit erkennen lassen, werden von oekom research mit „F“ bewertet. Die übrigen Unternehmen qualifizieren sich für den zweiten Schritt, das detaillierte oekom Corporate Rating. Dies waren per Ende 2009 rund 1.100 Unternehmen, die sich drei Bereichen zuordnen lassen: Seite 18 oekom CR Review 2010 1. Börsennotierte Großunternehmen aus konventionellen Branchen Das Teiluniversum mit börsennotierten Großunternehmen umfasst über 800 Unternehmen aus 38 Staaten und rund 40 Branchen. Besonders stark vertreten sind Unternehmen aus den USA, Deutschland, Japan, Großbritannien und Frankreich. 2. Börsennotierte kleine und mittelständische Unternehmen mit Nachhaltigkeitsfokus Dieses Teiluniversum beinhaltet Unternehmen, die in Branchen tätig sind, die durch ihre Produkte und Leistungen einen bedeutenden Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Dazu zählen beispielsweise Unternehmen aus den Bereichen Bildung, erneuerbare Energien, Recycling und Wasseraufbereitung. Es umfasst knapp 200 Unternehmen aus 22 Staaten, wobei deutsche und US-amerikanische Unternehmen zusammen rund die Hälfte des Universums ausmachen. In Deutschland sind nach wie vor besonders viele Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien börsennotiert. Aus dieser Branche sind 2009 auch zahlreiche chinesische Unternehmen in das Teiluniversum aufgenommen worden. 3. Nicht-börsennotierte Anleihenemittenten Nicht-börsennotierte, nicht-staatliche Emittenten von Unternehmensanleihen und Pfandbriefen, z. B. Landesbanken und supranationale Organisationen, bilden das dritte Teiluniversum. Mit ca. 120 Emittenten verfügt oekom research über eines der größten Universen dieser Klasse weltweit. Die Unternehmen stammen aus mehr als 15 Staaten, wobei hier Emittenten aus Deutschland, Österreich und Frankreich besonders stark vertreten sind. Quelle: oekom research AG (2010) Bitte beachten Sie: Die folgenden Analysen beziehen sich grundsätzlich auf das oekom Rating Universe und damit auf die Unternehmen, die bereits ein Mindestmaß an sozialem und umweltbezogenem Engagement zeigen. Eine Berücksichtigung der im Rahmen des oekom Corporate Scoutings „herausgefilterten“ Unternehmen würde insbesondere die im Folgenden dargestellten Durchschnittswerte deutlich nach unten drücken. Die Begriffe „Corporate Responsibility (CR)“ und „Nachhaltigkeit“ bzw. „CR-Management“ und „Nachhaltigkeitsmanagement“ werden im Rahmen der Studie synonym verwendet. oekom Corporate Rating Im Rahmen des oekom Corporate Ratings werden die sozialen und umweltbezogenen Leistungen der Unternehmen umfassend bewertet. oekom research verwendet dabei rund 100 Einzelindikatoren aus sechs Kategorien, die branchenspezifisch zusammengestellt werden, um den jeweiligen sozialen und umweltbezogenen Herausforderungen der Branchen gerecht zu werden. oekom research nutzt einen absoluten Bestin-Class-Ansatz. Dabei qualifizieren sich nur die Unternehmen für ein Investment, die ein von oekom research festgelegtes Mindestrating auf der von A+ (beste Note) bis D- reichenden Ratingskala erreichen. oekom research spricht in diesem Zusammenhang von der „Prime-Schwelle“, die branchenindividuell festgelegt wird. Die Schwelle ist umso höher, je größer die negativen Auswirkungen der Branche auf Umwelt, Mitarbeiter und Gesellschaft sind. Unternehmen, oekom research AG deren Leistungen über der Schwelle liegen, erhalten von oekom research den Status „Prime“. Bewertungskategorien im oekom Corporate Rating; Quelle: oekom research AG (2010) Seite 19 oekom CR Review 2010 Ausschlusskriterien Neben dem Best-in-Class-Ansatz hat sich im nachhaltigen Investment die Nutzung von so genannten Ausschlusskriterien als zweiter Hebel für die Gestaltung von nachhaltigen Kapitalanlagen etabliert. Dabei werden Unternehmen vom Investment ausgeschlossen, die entweder in kontroversen Geschäftsfeldern – z. B. Alkohol, Pornografie, Rüstung oder Tabak – tätig sind, oder durch ein kontroverses Geschäftsverhalten auffallen, etwa durch Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten im Unternehmen selbst oder bei den Zulieferern. Die Abbildung zeigt die zehn von den Kunden von oekom research am häufigsten ausgewählten Ausschlusskriterien. Top 10 der von Kunden von oekom research genutzten Ausschlusskriterien; Quelle: oekom research AG (2010) 2.2 Corporate Responsibility: Gesamtperformance Wie hoch ist insgesamt der Anteil der aktiven Unternehmen und welche sind dies? Welche Unternehmen führen ihre Branche in Sachen CR an, welche Branchen sind insgesamt schon recht weit bei der Umsetzung von CR-Maßnahmen und welche hinken hinterher? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt das folgende Kapitel. 2.2.1 Unternehmen mit oekom Prime-Status Die schlechte Nachricht am Ende des Jahres 2009 lautete: Auch im abgelaufenen Jahr hat kein Unternehmen aus konventionellen Branchen die Bestnote A+ bekommen. Aber: Zahlreiche Unternehmen haben auch 2009 ein hohes Engagement bei der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in ihr Kerngeschäft gezeigt. Die folgenden drei Grafiken zeigen jeweils die fünf Unternehmen mit der besten Umwelt- und Sozialperformance aus ausgewählten Aktienindizes. DAX 30 Top 5 Unternehmen mit dem besten oekom Corporate Rating aus dem DAX 30; Quelle: oekom research AG (2010) oekom research AG Mögliche Verstöße gegen Ausschlusskriterien werden dabei nicht berücksichtigt. Unter den DAX 30-Titeln erreicht Henkel die höchste Bewertung. Das Unternehmen zeichnet sich unter anderem durch umfangreiche Maßnahmen zur Verwendung von Naturrohstoffen und zur Produktinformation für Kunden aus. Auf Rang zwei schafft es die Deutsche Telekom, die unter anderem durch eine konzernweite Klimaschutzstrategie und umfassende Maßnahmen zur Unterstützung wichtiger Zulieferer bei der Einführung von Standards in den Bereichen Arbeitnehmerrechte, Arbeitssicherheit und Gesundheit punktet. Bei der Allianz auf Rang drei überzeugen unter anderem die breite Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Versicherungs- und Vermögensverwaltungsgeschäft und eine detaillierte Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sich am international anerkannten Standard der Global Reporting Initiative (GRI) orientiert. Die Top 5 werden komplettiert durch BMW und Volkswagen. Im europäischen Vergleich auf Basis des DJ Seite 20 oekom CR Review 2010 EuroStoxx 50 erreicht das französische Pharmaunternehmen sanofi-aventis das beste Rating. Es zeichnet sich unter anderem durch umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu Medikamenten in Entwicklungsländern sowie umfassende Leitlinien zu verantwortungsvollem Marketing und Datenschutz aus. Mit dem Automobilhersteller Renault wird auch der zweite Rang von einem französischen Unternehmen belegt. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren den Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen seiner Flotte deutlich senken können. Die Deutsche Telekom und die Allianz folgen auf den Rängen drei und vier vor einem weiteren französischen Unternehmen, dem Kosmetikhersteller L‘Oreal. Anders als im DAX 30 und im DJ EuroStoxx 50 sind im MSCI World auch Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien gelistet. Unternehmen aus solchen „Nachhaltigkeitsbranchen“ – dazu gehören z. B. auch die Bereiche Recycling und Wasser – werden von oekom research in der Regel besonders positiv bewertet, da ihre Produkte und Leistungen einen zentralen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Insofern werden die ersten fünf Ränge im MSCI World von Unternehmen dieser Branche eingenommen. Insgesamt werden rund 500 Unternehmen bzw. Organisationen aus allen drei Teiluniversen aktuell von oekom research mit „Prime“ bewertet: BesonGesamtzahl der Titel Anzahl der Prime-Titel Konventionelle Großunternehmen 812 268 KMU mit Nachhaltigkeitsfokus 195 184 Nicht-notierte Anleihenemittenten 125 52 1.132 504 Subuniversum Summe DJ EuroStoxx 50 Top 5 Unternehmen mit dem besten oekom Corporate Rating aus dem DJ EuroStoxx 50; Quelle: oekom research AG (2010) MSCI World Top 5 Unternehmen mit dem besten oekom Corporate Rating aus dem MSCI World; Quelle: oekom research AG (2010) ders hoch ist der Anteil bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), was am besonderen Auswahlverfahren in diesem Teiluniversum liegt. Während insbesondere bei den konventionellen Großunternehmen die Abdeckung relevanter Indizes im Vordergrund steht, werden die KMU auf der Basis ihrer Branchenzugehörigkeit gezielt ausgewählt. Im Fokus steht dabei die Frage, ob sie in einer Branche tätig sind, die einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leistet. Allerdings müssen natürlich auch diese Unternehmen den Anforderungen an eine insgesamt nachhaltige Unternehmensführung genügen. Quelle: oekom research AG (2010); Stand: 31.12.2009 oekom research AG Seite 21 oekom CR Review 2010 2.2.2 Die Branchensieger Einen Überblick über die besten Unternehmen in ausgewählten Branchen gibt die folgende Tabelle, wobei Verstöße gegen Ausschlusskriterien auch hier nicht berücksichtigt werden. In einigen Branchen, z. B. Haushaltsprodukte und Versicherungen, belegen deutsche Unternehmen einen Spitzenplatz, während sie in anderen Branchen nur auf hintere Ränge kommen. So erreicht Südzucker im Nahrungsmittelsektor ebenso wie Kontron im IT-Sektor den 20. Rang, bei den Energieversorgern kommt E.ON als bestes deutsches Unternehmen auf Rang 15. Bei den besten Unternehmen innerhalb der einzelnen Branchen gab es 2009 einige Änderungen. Im Finanzbereich hat beispielsweise die Führung sowohl bei den Geschäftsbanken – von der australischen Westpac zur HypoVereinsbank – als auch bei den Versicherungsunternehmen – von Storebrand aus Norwegen zur deutschen Allianz – gewechselt. Im Maschinenbau wurde die spanische Abengoa durch Volvo abgelöst, bei den Energieversorgern hat EDP aus Portugal die Spitzenposition von der britischen Centrica übernommen. Schließlich hat auch bei den Elektro- und Haushaltsgeräten und im Einzelhandel die Führung gewechselt. Gleichzeitig konnten zahlreiche Unternehmen ihre Spitzenposition behaupten. Die besten Unternehmen in ausgewählten Branchen per 31.12.2009; markiert sind die Branchen, in denen die Spitzenposition gewechselt hat; Quelle: oekom research AG (2010) Das Gesamtniveau des Nachhaltigkeitsmanagements in den Großunternehmen bleibt trotz des erkennbar steigenden Engagements in allen Branchen verbesserungsfähig. Zwar gibt es in vielen Branchen Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, aber eben auch eine große Zahl von Unternehmen, bei denen die Nachhaltigkeitsleistungen wenig systematisch und die Kommunikation darüber eher anekdotisch sind. Insbesondere innerhalb der Spitzengruppe funktioniert der Best-in-Class-Ansatz aber offensichtlich oekom research AG recht gut. Der Ansatz wird von nachhaltigkeitsorientierten Investoren nach wie vor als wichtiges Instrument angesehen, um in allen Branchen einen Wettbewerb der Unternehmen um die beste Nachhaltigkeitsperformance zu initiieren und diese so auch in der Breite der Unternehmen zu verbessern. Mit dem wachsenden Volumen und Anteil der entsprechenden Kapitalanlagen wird der Anreiz für die Unternehmen, sich in diesem Wettbewerb zu engagieren, immer stärker. Seite 22 oekom CR Review 2010 2.2.3 Corporate Responsibility in ausgewählten Branchen Im Durchschnitt erreichen die Unternehmen aus konventionellen Branchen im oekom Rating Universe mit Ausnahme der Hersteller von Haushaltsprodukten eine Bewertung, die unter dem von oekom research festgelegten Mindeststandard von 50,0 Prozent liegt. Das Gesamtniveau des Nachhaltigkeitsmanagements ist in allen konventionellen Branchen deutlich verbesserungsfähig. Diese Einschätzung wird dadurch unterstrichen, dass in dieser Auswertung nur die Unternehmen aus den einzelnen Branchen berücksichtigt sind, die ein Mindestmaß an Engagement bei sozialen und ökologischen Aspekten zeigen. Werden zusätzlich die Unternehmen berücksichtigt, die aufgrund mangelhafter Nachhaltigkeitsleistungen bereits im Rahmen des oekom Corporate Scoutings (vgl. S. 18) aussortiert wurden, so fällt die durchschnittliche Bewertung noch einmal deutlich schlechter aus. Die Tatsache, dass Unternehmen aus als kritisch angesehenen Branchen, z. B. die Automobilhersteller und die Energieversorger, vergleichsweise hohe Bewertungen erhalten, liegt darin begründet, dass Unternehmen dieser Branchen – häufig als Reaktion auf externen Druck durch Umweltverbände, Medien und zunehmend auch Investoren – bereits vor vielen Jahren damit begonnen haben, ein umfassendes Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement zu implementieren und über ihre Leistungen umfassend und aktuell zu berichten. Sie erreichen daher insbesondere bei der Bewertung der formalen Strukturen eines Nachhaltigkeitsmanagements regelmäßig höhere Bewertungen als Unternehmen aus Branchen, die erst in der jüngeren Vergangenheit mit einem systematischen Management begonnen haben. Dennoch: Auch bei diesen Branchen liegt die Durchschnittsbewertung unter der 50 ProzentSchwelle, das Nachhaltigkeitsmanagement hat damit auch hier noch deutliches Verbesserungspotenzial. Deutliche Defizite im CR-Management zeigen nach wie vor unter anderem die Unternehmen der Immobilien- und Versicherungsbranche sowie die öffentlichen Banken. Durchschnittliche Bewertung der Unternehmen einer Branche auf einer Skala von 0 (sehr schlechte Nachhaltigkeitsperformance) bis 100 (sehr gute Nachhaltigkeitsperformance); Quelle: oekom research AG (2010) Auf den Punkt gebracht • Auch 2009 hat kein Unternehmen aus konventionellen Branchen eine Bewertung im A-Bereich erhalten. • Die vergleichsweise hohe Zahl der Wechsel bei den Branchenbesten ist ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb um die Spitzenposition in vollem Gange ist. Damit ist das Ziel nachhaltiger Investoren, innerhalb der Branchen einen Wettbewerb um mehr Nachhaltigkeit auszulösen, zumindest in einigen Branchen tendenziell erreicht. • Gleichwohl findet dieser Wettbewerb häufig innerhalb einer klar abzugrenzenden Spitzengruppe von Unternehmen statt. In vielen Branchen fehlt es weiterhin an der Verankerung des Themas in der Breite. • Unternehmen aus konventionellen Branchen sind daher insgesamt weit entfernt von einer durchgängig nachhaltigen Unternehmensführung. Mit der Branche „Haushaltsprodukte“ hat aber erstmals eine konventionelle Branche im Durchschnitt den Wert von 50 Prozent überschritten, der die Grenze zu den Prime-Unternehmen darstellt. oekom research AG Seite 23 oekom CR Review 2010 2.3 Corporate Responsibility in ausgewählten Themenbereichen In den folgenden Kapiteln wird es konkret: Anhand von sieben Themenfeldern gehen wir der Frage nach, wie die Unternehmen in der aktuellen Krise mit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung umgehen. Wie im oekom Corporate Responsibility Review 2009 haben wir uns dabei die Qualität der Nach- haltigkeitsberichterstattung, die Verbreitung von Korruption und anderen Wirtschaftsdelikten sowie von Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen und das Klimaschutzmanagement angeschaut. Zusätzlich analysieren wir Entwicklungen in den Bereichen Energie, Wasser und Biodiversität. 2.3.1 Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung Nachhaltigkeitsberichte in gedruckter Form oder als Rubrik auf der Website der Unternehmen stellen eine wichtige Quelle für die Unternehmensbewertungen von oekom research dar. Die Kombination von Printbericht mit vertiefenden Informationen im Internet gewinnt dabei nach Beobachtung von oekom research zunehmend an Bedeutung. Die Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI) haben sich weiter als Standard der Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert, eine steigende Zahl von entsprechenden Berichten haben den Status „GRI checked“, d. h. die Übereinstimmung des Berichts mit den GRI-Vorgaben wurde vom GRI-Sekretariat überprüft (➔ www. globalreporting.org). Gleichzeitig steigt auch die Zahl der Berichte, die von unabhängiger Seite testiert werden, z. B. nach dem Standard AA 1000 (➔ www. accountability21.net). Nach wie vor zeigen sich Unterschiede in der Qualität der Berichte – sowohl zwischen den einzelnen Branchen als auch im Hinblick auf die Unternehmensgröße. Bei letzterem Aspekt beweisen aber KMU zunehmend, dass eine qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsberichterstattung auch bei Unternehmen mit geringerer Finanz- und Personalstärke möglich ist. Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Branchen Der Branchenvergleich offenbart sehr deutliche Unterschiede in der Qualität der Berichterstattung zu sozialen und umweltbezogenen Themen. Die Energieversorger erreichen hier mit 71 Prozent die beste Bewertung im oekom Corporate Rating. Auf den weiteren Plätzen folgen die Hersteller von Haushaltsprodukten, die Bergbauunternehmen sowie die Automobilindustrie. Die Geschäftsbanken erreichen einen Platz im Mittelfeld, nur für einen hinteren Rang reicht es für die öffentlichen Banken, zu denen auch die Landesbanken zählen. Unter den Geschäftsbanken tun sich die italienische UniCredit und die australische Westpac mit vergleichsweise guter Nachhaltigkeitsberichterstattung hervor, bei den deutschen Landesbanken ist es die LBBW. Sehr schlecht schneiden wie im Vorjahr die Unternehmen der Immobilienbranche ab, aber auch im Maschinenbau und bei den Versicherungen gibt es deutliche Steigerungsmöglichkeiten. Unter den Versicherungsunternehmen zeigen die britische Aviva und die deutsche Allianz Group die beste Berichterstattung zu sozialen und umweltbezogenen oekom research AG Themen, während entsprechende Informationen z. B. von der Hanover Re kaum zu bekommen sind. Durchschnittliche Bewertung der Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf einer Skala von 0 (sehr gering) bis 100 (sehr hoch); Quelle: oekom research AG (2010) Seite 24 oekom CR Review 2010 Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Ländern Auch im Ländervergleich zeigen sich sehr deutliche Unterschiede in der Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen. Wie im Vorjahr bilden Spanien und die USA die Pole der Skala. Spanische Unternehmen erreichen im Durchschnitt die beste Bewertung für ihre Nachhaltigkeitsberichte. Überdurchschnittlich viele spanische Unternehmen orientieren sich dabei an den Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI). Deutsche und schweizer Unternehmen platzieren sich im Mittelfeld, Schlusslichter in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung sind die Unternehmen aus den USA. Diese insgesamt schlechte Berichtsqualität hat 2009 institutionelle Investoren in den USA dazu bewogen, in einem offenen Brief an die US-Börsenaufsicht „Securities and Exchange Commission“ (SEC) schärfere Regeln für die Informationspflicht von Aktienunternehmen zu fordern. Sie beklagten, dass viele an den US-Börsen gelistete Unternehmen zu wenig über Klimarisiken und mögliche ökologische oder soziale Risiken ihres Geschäfts informieren. Die SEC müsse mehr Transparenz erzwingen und so Anlegern die Chance eröffnen, Risiken in ihren Portfolios zu erkennen und darauf zu reagieren. Der offene Brief wurde unter anderem von den Vertretern großer Pensionskassen und Stiftungen unterzeichnet, die sich im Investor Network on Climate Risk (INCR) zusammengeschlossen haben und nach eigenen Angaben zusammen Vermögenswerte in Höhe von mehr als 1,4 Billionen US-Dollar verwalten. Auch in Deutschland ist im Hinblick auf Umfang und Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung noch Luft nach oben. Eine solche Verbesserung soll nach Vorstellungen der Mehrheit der deutschen Unternehmen aber auf freiwilliger Basis erfolgen und Durchschnittliche Bewertung der Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf einer Skala von 0 (sehr gering) bis 100 (sehr hoch); Quelle: oekom research AG (2010) nicht durch eine gesetzliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie es sie beispielsweise in Frankreich und Dänemark gibt. In einer Umfrage des Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der bundesweiten Unternehmensinitiative future e.V. lehnte über die Hälfte der 60 befragten Unternehmen eine solche Pflicht ab. Sie argumentieren, dass Corporate Responsibility ein freiwilliges Engagement der Unternehmen meine und daher auch die Berichterstattung freiwillig sein müsse. Der deutsche Gesetzgeber verpflichtet derzeit nur große Kapitalgesellschaften, in ihrem jährlichen Lagebericht über so genannte „nicht-finanzielle Aspekte“ zu berichten, die für den Geschäftsverlauf relevant sind. Auf den Punkt gebracht • Die Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI) haben sich weiter als Standard der Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert, eine steigende Zahl von entsprechenden Berichten haben den Status „GRI checked“. Gleichzeitig steigt auch die Zahl der Berichte, die von unabhängiger Seite testiert werden. • Es bestehen nach wie vor große Unterschiede in der Qualität der Nachhaltigkeitsberichte – sowohl zwischen Branchen als auch zwischen den Staaten. Die besten Bewertungen erreichen häufig Berichte aus Branchen, die wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Umwelt seit längerem im Fokus der öffentlichen Kritik stehen, z. B. Energieversorger, Bergbau- und Automobilunternehmen. • Im Ländervergleich erreichen spanische Unternehmen wie im Vorjahr im Durchschnitt die beste Bewertung für ihre Nachhaltigkeitsberichte. Deutsche und schweizer Unternehmen platzieren sich im Mittelfeld, Schlusslichter in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung sind die Unternehmen aus den USA. oekom research AG Seite 25 oekom CR Review 2010 • An der Frage, welche Rolle staatliche Vorgaben bei der Verbesserung der Berichtsqualität spielen sollen, scheiden sich die Geister. So fordern beispielsweise US-Investoren in einem offenen Brief an die US-Börsenaufsicht „Securities and Exchange Commission“ (SEC) schärfere Regeln für die Informationspflicht von Aktienunternehmen. Deutsche Unternehmen sprechen sich dagegen mehrheitlich gegen eine gesetzliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aus. 2.3.2 Korruption, Bilanzfälschung und andere Wirtschaftsdelikte Korruption und Bilanzfälschung Dem schleppenden Geschäft in der Krise mit Bestechung auf die Sprünge helfen? Die Versuchung, bei der Geschäftsanbahnung auf Zahlungen statt auf Leistung zu setzen, mag in der Wirtschaftsund Finanzkrise besonders hoch sein. Dass viele Unternehmen dieser Versuchung nachgegeben haben, lässt sich aus den oekom research vorliegenden Daten aber derzeit nicht ablesen. Einiges spricht dafür, dass die Sensibilität für den durch Korruption entstehenden Schaden im Zuge der Aufdeckung spektakulärer Bestechungsfälle gerade bei den börsennotierten Unternehmen gewachsen ist. Dies liegt wohl auch daran, dass die verantwortlichen Manager in den Unternehmen erkannt haben, dass Korruption neben möglichen finanziellen Risiken auch ein persönliches Risiko für den Arbeitsplatz und die gesellschaftliche Stellung darstellt. Gleichwohl ist Korruption in einigen Branchen nach wie vor recht weit verbreitet. So ist in der Baubranche sowie der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie jedes siebte Unternehmen aus dem oekom Rating Universe in Korruptionsfälle verwickelt, und auch unter den Herstellern von Unterhaltungselektronik und Telekommunikationsausrüstung (u. a. Mobiltelefone) ist rund jedes zehnte Unternehmen stark verdächtig bzw. wegen entsprechender Vergehen rechtskräftig verurteilt. Dabei ist zu beachten, dass die Aufklärungsquote von Korruptionsfällen nach Schätzungen von Experten bei nur 5 bis 20 Prozent liegt. oekom research AG Auch die Fälschung der Bilanzen, die eine wichtige Grundlage der Anlageentscheidungen von Investoren darstellen, ist in einigen Branchen vergleichsweise häufig zu verzeichnen. Auch hier sind die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie und die Unterhaltungselektronik besonders betroffen, außerdem die Medienbranche. Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen in den Bereichen Korruption (dunkelblau) und Bilanzfälschung (hellblau), in %; Quelle: oekom research AG (2010) Seite 26 oekom CR Review 2010 nem Bericht 2009. (➔ www.transparency.de) Die – je nach Blickwinkel – Neigung oder Gefahr, in Korruption involviert zu werden, variiert auch mit den In einer gemeinsamen Initiative mit der regionalen Schwerpunkten der Geschäftstätigkeit. Internationalen Handelskammer, dem UN Global Die Antikorruptionsorganisation Transparency Compact und der Initiative „Partnering Against International (TI) veröffentlicht dazu jährlich den Corruption“ des Weltwirtschaftsforums hat TI im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption PerJahr 2009 die Unternehmen aufgerufen, die UN ception Index). Er stellt Häufigkeit und Ausmaß von Konvention gegen Korruption (UNCAC) zu unterstütKorruption in Politik und Verwaltung – also auf der zen. Die UNCAC wurde inzwischen von 140 Staaten ratifiziert. Von allen europäischen Staaten haben „Nehmerseite“ – für 180 Länder dar. Neuseeland, Dänemark und Singapur führen als „sauberste“ nur Deutschland, Estland, Irland, Island, Kosovo, Nationen das Ranking 2009 an. Deutschland liegt Liechtenstein, die Tschechische Republik und die unverändert auf Platz 14. Diese Platzierungen zeugen Ukraine die Konvention nicht ratifiziert. nach Darstellung von TI von politischer Stabilität, einer langen Tradition von Konfliktlösungsmechanismen und soliden politischen Institutionen. Schlusslichter des Index bilden hauptsächlich durch Kriege und dauerhafte Konflikte gebeutelte Länder. Dazu gehören Somalia, Afghanistan und Myanmar. In den Ländern, deren staatliche Strukturen durch dauerhafte Konflikte zerrüttet worden sind, gerate Korruption außer Kontrolle und stärke die Plünderung von öffentlichen Ressourcen sowie Unsicherheit und Rechtlosigkeit, so TI in sei- Ausgewählte Ergebnisse des Corruption Perception Index 2009 von Transparency International (2009) Fallbeispiel: MAN Im Dezember 2009 setzte die Münchner Staatsanwaltschaft Strafzahlungen in Höhe von insgesamt 150 Millionen Euro gegen den Nutzfahrzeughersteller MAN fest. MAN zahlt außerdem 20 Millionen Euro an Steuern nach. Ausschlaggebend für die Strafe war, dass in den Sparten Nutzfahrzeuge und Turbomaschinen Bestechungsgelder an Mitarbeiter von Kunden gezahlt wurden, um den Verkauf anzukurbeln. Laut Staatsanwaltschaft waren vor allem mangelhafte Kontrollstrukturen innerhalb des Konzerns ausschlaggebend dafür, dass es zu systematischen Zahlungen von Bestechungsgeldern kommen konnte. Im Zuge der Ermittlungen waren mehrere Vorstände, unter ihnen Vorstandsvorsitzender Hakan Samuelsson, zurückgetreten. Fallbeispiel: General Electric Im August 2009 wurde ein mehrere Jahre dauerndes Verfahren der amerikanischen Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) gegen General Electric (GE) beendet. Gegenstand der Ermittlungen waren geschönte Bilanzen des Konzerns. Zwischen der Börsenaufsicht und dem Unternehmen wurde ein Vergleich geschlossen. GE akzeptierte dabei die Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar, ohne jedoch die Vorwürfe einer Rechtsverletzung anzuerkennen. Dem Mischkonzern wurde vorgeworfen, im Zeitraum von 1995 bis 2004 die Bilanzen manipuliert zu haben, um den Erwartungen von Finanzanalysten zu entsprechen. oekom research AG Seite 27 oekom CR Review 2010 Wettbewerbsbeschränkungen Diese Meldung wird Manchem den Genuss des Morgenkaffees verdorben haben: Wegen illegaler Preisabsprachen hat das deutsche Bundeskartellamt im Dezember 2009 ein Bußgeld in Höhe von rund 160 Millionen Euro gegen drei der größten deutschen Kaffeeröster verhängt. Nach den Erkenntnissen des Kartellamtes gab es seit mindestens Anfang 2000 bis zur Durchsuchung der Unternehmen im Juli 2008 Gespräche zwischen den Geschäftsführern und Vertriebsleitern. Die Unternehmen hätten sich über Höhe, Umfang und Zeitpunkt der Bekanntgabe sowie das Inkrafttreten beabsichtigter Preiserhöhungen untereinander abgesprochen. Nach Berechnung von Verbraucherschützern haben Kaffeetrinker durch diese Absprachen fast fünf Milliarden Euro zu viel gezahlt. Dieses Beispiel verdeutlicht die immensen volkswirtschaftlichen Schäden durch Kartellabsprachen. Die Daten von oekom research zeigen, dass rund jedes fünfte Unternehmen der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie in entsprechende Verstöße involviert ist. Im Vergleich zu anderen Branchen ist dies sogar noch ein vergleichsweise niedriger Wert: So ist in der Baustoffindustrie und der Chemiebranche mehr als jedes zweite Unternehmen in Fälle von Kartellrechtsverstößen bzw. Wettbewerbsbeschränkungen involviert. Auch in der Öl- und Gasindustrie sowie der Haushaltsprodukte- und der Telekommunikationsbranche ist ein erheblicher Anteil der Unternehmen an entsprechenden Absprachen oder Kartellen beteiligt. Insgesamt war jedes sechste Unternehmen aus dem oekom Universum in Wettbewerbsbeschränkungen involviert. Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen im Bereich Wettbewerbsbeschränkungen/Kartellrecht, in %; Quelle: oekom research AG (2010) Fallbeispiel: E.ON und GDF SUEZ Im Juli 2009 hat die Europäische Kommission Geldbußen in Höhe von insgesamt 1,106 Milliarden Euro gegen E.ON und GDF SUEZ für die Aufteilung von Gasmärkten in Deutschland und Frankreich verhängt. Die Energieversorger wurden jeweils zu Strafen von 553 Millionen Euro verurteilt. Die Kommission sah es als erwiesen an, dass Gaz de France (heute Teil von GDF SUEZ) und die Ruhrgas AG (seit 2003 E.ON Ruhrgas) bereits im Jahr 1975 beim gemeinsamen Bau der MEGAL-Pipeline vereinbart hatten, kein über diese Rohrleitung transportiertes Gas im Inlandsmarkt des jeweilig anderen Unternehmens zu verkaufen. Über die MEGAL-Pipeline wird russisches Gas nach Deutschland und Frankreich importiert. Auch nach der Öffnung der Gasmärkte im Jahr 2000 hielten beide Unternehmen an der Vereinbarung fest und rückten erst 2005 endgültig von dieser Praktik ab. Die Europäische Kommission hat nach eigenen Angaben zum ersten Mal Geldbußen aufgrund eines Kartellrechtsverstoßes im Energiesektor verhängt. In der Urteilsbegründung heißt es, die Marktaufteilungsvereinbarung stelle einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags dar. Auf den Punkt gebracht • Korruption ist in einigen Branchen nach wie vor weit verbreitet, eine Zunahme in der Krise ist derzeit aber nicht festzustellen. Besonders betroffen sind hier die Baubranche, die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie sowie die Hersteller von Unterhaltungselektronik und Telekommunikationsausrüstung. • Auch die Fälschung der Bilanzen, die eine wichtige Grundlage der Anlageentscheidungen von Investoren darstellen, ist in einigen Branchen vergleichsweise häufig zu verzeichnen. Auch hier sind die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie und die Unterhaltungselektronik besonders betroffen, außerdem die Medienbranche. • Mehr als jedes sechste Unternehmen aus dem oekom Universum ist in Wettbewerbsbeschränkungen involviert. Dies stellt eine massive Beeinträchtigung des Wettbewerbs mit negativen Folgen für die Verbraucher dar. Besonders hoch ist der Anteil der Unternehmen in der Baustoff- und Chemieindustrie. oekom research AG Seite 28 oekom CR Review 2010 2.3.3 Menschen- und Arbeitsrechte Auch 2009 waren zahlreiche Unternehmen selbst oder in ihrer Zulieferkette in Verstöße gegen Arbeitsrechte involviert. Grundlage der Bewertung bilden dabei die von der International Labour Organization (ILO) definierten Kernarbeitsnormen, die sich auf die vier Bereiche Diskriminierung, Kinderarbeit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Zwangsarbeit beziehen. oekom research berücksichtigt im Corporate Rating darüber hinaus, ob Mindeststandards z. B. in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheit, Bezahlung und Arbeitszeit eingehalten werden, auch wenn diese sich nicht direkt auf die ILO-Kernarbeitsnormen beziehen. In einer gemeinsamen Studie haben oekom research und PricewaterhouseCoopers 2009 gezeigt, dass mehr als die Hälfte (57,1 Prozent) der Computerhersteller selbst oder in ihrer Zulieferkette gegen Arbeitsrechte verstoßen. In der Textilbranche traf dies auf jedes zweite Unternehmen zu, und auch bei der Kommunikationstechnik lag der Anteil der Unternehmen mit 40,0 Prozent vergleichsweise hoch. Die IT-Industrie hat damit zur Textilbranche aufgeschlossen, die schon seit langem wegen der niedrigen Arbeitsstandards vor allem in den asiatischen Zulieferbetrieben in der Kritik steht. Hintergrund ist auch in der IT-Branche eine Verlagerung der Fertigung in asiatische Niedriglohnländer, insbesondere nach China. In Menschenrechtsverletzungen sind vor allem die Unternehmen der Bergbaubranche sowie der Öl- und Gasbranche involviert. Hier war 2009 jedes dritte bzw. jedes fünfte Unternehmen durch entsprechende Verstöße belastet, unter anderem BHP Billiton (UK/AU), Norsk Hydro (NO) und Xstrata (CH) im Bergbaubereich sowie BP (UK) und Chevron (US) aus der Öl-und Gasbranche. Eine Zunahme entsprechender Verstöße im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise ist derzeit nicht festzustellen. Dennoch ist zu vermuten, dass angesichts des steigenden Kostendrucks in einigen Branchen die Zahl der Unternehmen wächst, die es mit der Einhaltung der Arbeits- und Menschenrechte nicht so genau nimmt. oekom research wird dieser Frage 2010 besondere Aufmerksamkeit widmen. Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen im Bereich Arbeitsrechte, in %; Quelle: oekom research AG (2010) Anteil der Unternehmen der einzelnen Branchen mit Verstößen im Bereich Menschenrechte, in %; Quelle: oekom research AG (2010) Fallbeispiel: Nokia Nokia und andere IT-Unternehmen beziehen laut einer Bloomberg-Reportage Kobalt, das ein wichtiger Bestandteil von wieder aufladbaren Batterien ist, u. a. aus der kongolesischen Region Katanga. Laut der Studie sind die Arbeitsbedingungen der Bergleute in vielen Bergwerken dieser Region außerordentlich gefährlich und gesundheitsgefährdend. Die IT-Unternehmen erhalten den Rohstoff z. B. über einen chinesischen Zwischenhändler, dessen Zulieferer in erheblichem Umfang Kinder in den Bergwerken einsetzen. Nach Aussage eines Vertreters der ILO finden sich in diesen Minen die schlimmsten Formen von Kinderarbeit. oekom research AG Seite 29 oekom CR Review 2010 Fallbeispiel: Toshiba Der Internationale Metallgewerkschaftsbund IMF hat massive Verletzungen der Gewerkschaftsfreiheit bei der Toshiba-Tochter Toshiba Consumer Products Indonesia aufgedeckt. Wie die Gewerkschaft berichtet, traten die Arbeiter in einen Streik, nachdem die Firma sich geweigert hatte, den von beiden Seiten unterzeichneten Tarifvertrag anzuerkennen. Daraufhin habe das Unternehmen 15 Gewerkschaftsführer entlassen und gedroht, auch allen Streikteilnehmern zu kündigen. Zudem unterbrach die Firma den Versicherungsschutz für alle Streikenden. Toshiba wird außerdem beschuldigt, Schläger angeheuert zu haben, die vor den Toren der Fabrik gemeinsam mit der Polizei gewaltsam gegen die streikende Belegschaft vorgingen. Fallbeispiel: Walt Disney Walt Disney wurde 2009 vorgeworfen, Papierwaren aus einer chinesischen Fabrik zu beziehen, in der Arbeitsrechte massiv missachtet werden. Aus einem entsprechenden Bericht der Nichtregierungsorganisation China Labour Watch (CLW) geht hervor, dass der Zulieferer häufig Arbeiter unter 16 Jahren einstellt, bei hohem Arbeitsvolumen auch 13-jährige Kinder. Dem Bericht zufolge würden neu eingestellte Arbeiter in der Fabrik üblicherweise ohne jedes Training an alten und teils gefährlichen Maschinen beschäftigt, was in der Vergangenheit bereits zu schweren Unfällen geführt haben soll. Darüber hinaus werden ernsthafte Missstände bezüglich Überstunden, Bezahlung und der Verweigerung von bezahltem Urlaub und Mutterschutz beschrieben. Auf den Punkt gebracht • Die Computerindustrie hat der Textilindustrie den Rang abgelaufen, wenn es um schlechte Arbeitsbedingungen bei Zulieferern geht. Mehr als jedes zweite Unternehmen der Branche (57,1 Prozent) verstößt selbst oder in der Zulieferkette gegen anerkannte Arbeitsstandards. In der Textilbranche liegt der Anteil bei 50 Prozent. • In Menschenrechtsverletzungen sind vor allem die Unternehmen der Bergbaubranche sowie der Ölund Gasbranche involviert. Hier war 2009 jedes dritte bzw. jedes fünfte Unternehmen durch entsprechende Verstöße belastet. • Eine Zunahme von Verstößen in den Bereichen Arbeits- und Menschenrechte im Zuge der Wirtschaftsund Finanzkrise ist derzeit nicht festzustellen. oekom research AG Seite 30 oekom CR Review 2010 Exkurs: Global Compact – ein Garant für nachhaltige Unternehmensführung? Der Global Compact ist eine freiwillige Wirtschaftsinitiative der Vereinten Nationen. Im Mittelpunkt stehen zehn Prinzipien zu Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung. Der Global Compact ruft weltweit Unternehmen dazu auf, sich zu diesen Prinzipien öffentlich zu bekennen und aktiv für ihre Umsetzung einzusetzen. Seit Gründung der Initiative im Juli 2000 haben mehr als 5.200 Unternehmen aus 130 Staaten die Prinzipien anerkannt und sich dazu verpflichtet, regelmäßig im Rahmen der so genannten „Communication on Progress (COP)“ über die Maßnahmen zur Einhaltung der Prinzipien zu berichten. Nachdem es in den ersten Jahren der Initiative vor allem darum ging, diese auf eine möglichst breite Basis zu stellen, wird in der jüngeren Vergangenheit stärker auf die Qualität des Engagements der Unterzeichner geachtet. Im März 2009 wurden in diesem Zusammenhang knapp 1.000 Unternehmen von der Liste der Unterzeichner gestrichen, weil sie keinen Fortschrittsbericht (COP) veröffentlicht hatten. Bei der Kommunikation gibt es also offensichtlich Defizite – gilt dies auch für die inhaltliche Umsetzung der zehn Prinzipien durch die Unterzeichner? oekom research hat dies am Beispiel der Unterzeichner des Global Compacts aus dem DJ Stoxx 50 überprüft – mit folgendem Ergebnis: Von den 50 Unternehmen haben 45 den UN Global Compact unterzeichnet. Alle Nicht-Unterzeichner stammen dabei aus Großbritannien. Von den 45 Unterzeichnern weisen 26 und damit mehr als die Hälfte mindestens einen Verstoß gegen die Prinzipien des Global Compacts auf. Weit verbreitet sind dabei Verstöße im Bereich Umweltschutz (19 Unternehmen) und gegen anerkannte Arbeitsrechte (9 Unternehmen). Anzahl der Global Compact Unterzeichner aus dem DJ Stoxx 50 mit Verstößen in Bereichen, die durch die Prinzipien des Global Compacts abgedeckt werden; einige Unternehmen weisen Verstöße in mehreren Bereichen auf; Quelle: oekom research AG (2010) Besonders betroffene Branchen sind hier der Bankensektor und die extraktiven Sektoren. Bei den Banken stehen Umweltverstöße im Zusammenhang mit großen Projektfinanzierungen im Vordergrund, die Fälle von Verletzungen der Menschenrechte konzentrieren sich auf die Bergbaubranche sowie die Öl- und Gasförderung. Die Anerkennung der Prinzipien des Global Compacts ist – das zeigt dieses Beispiel – keine Garantie dafür, dass die entsprechenden Standards bei Arbeits- und Menschenrechten, Umweltschutz und Korruption auch tatsächlich eingehalten werden. Es ist Aufgabe des Global Compacts, die Kontrolle der Einhaltung weiter zu verschärfen, um Verstöße zu identifizieren, konsequent zu ahnden und die Reputation des Global Compacts zu schützen. oekom research AG Seite 31 oekom CR Review 2010 2.3.4 Management von Klimarisiken Auch wenn die Hurrikansaison im Nordatlantik vergleichsweise glimpflich verlaufen ist und die Schäden durch Naturkatastrophen 2009 deutlich niedriger ausgefallen sind als im Vorjahr, gibt es nach Ansicht von Experten keinen Anlass zur Entwarnung. Die Munich Re weist in ihrer Naturkatastrophenbilanz für 2009 darauf hin, dass es mit 860 Naturkatastrophen mehr schadenträchtige Ereignisse gab als im langjährigen Durchschnitt. Dabei entstand ein volkswirtschaftlicher Schaden von 50 Milliarden US-Dollar, die Versicherungswirtschaft hatte 22 Milliarden USDollar zu tragen. Der Trend zu einer Zunahme von wetterbedingten Katastrophen, so das Fazit der Studie, bleibt bestehen. WWF und Allianz haben in einer gemeinsamen Studie anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen darauf hingewiesen, dass der Klimawandel nicht stetig verläuft. Einzelne Phänomene könnten bereits vor dem Jahr 2050 einen kritischen Punkt überschreiten, ab dem sie unumkehrbar sind und als Rückkoppelungen wirken können, also die Erderwärmung noch zusätzlich verstärken. Dazu zählen beispielsweise der Kollaps des Grönland-Eisschildes, das Auftauen des Permafrostbodens in Sibirien, der Stopp des Golfstroms und die Veränderung des indischen Sommermonsunregens. Die Politik hat beim Klimagipfel in Kopenhagen nach Einschätzung der überwiegenden Mehrheit der Experten keine überzeugende Antwort auf diese Herausforderungen gefunden. Zwar wurde das von der Wissenschaft geforderte 2-Grad-Ziel in das Abschlussdokument aufgenommen, dieses wurde aber von der Versammlung nur zur Kenntnis genommen. Auch auf konkrete Emissionsminderungsziele konnten sich die Teilnehmer der Konferenz nicht einigen. Die Verhandlungen über ein verbindliches, globales Klimaregime werden 2010 fortgesetzt und möglicherweise erst auf der kommenden Klimakonferenz in Mexiko zum Abschluss gebracht werden können. Weltkarte der Naturkatastrophen 2009; Quelle: Munich Re (2009); die Zahlen verweisen auf eine separate Übersicht, die unter www. munichre.com verfügbar ist. Klimarisiken und ihr Management In einem gemeinsamen Projekt mit der HypoVereinsbank hat oekom research die Klimarisiken für 35 Branchen analysiert und bewertet. Berücksichtigt wurden nicht nur die unmittelbaren physischen Risiken für Unternehmen, wie etwa Schäden an Gebäuden oder Infrastruktureinrichtungen durch extreme Wetterereignisse. Einkalkuliert wurden auch regulatorische Risiken, Veränderungen bei den Marktpreisen und beim Kundenverhalten oekom research AG sowie Reputationsrisiken. Diese Einzelrisiken fließen in die Bewertung der branchenspezifischen Gesamtrisikosituation im oekom Industry Climate Risk Index (ICRI®) ein. Den Risiken gegenüber gestellt wurde die Bewertung des aktuellen Standes des Klimarisiko-Managements in den Unternehmen. Ergebnis: Insbesondere die Immobilien- und die Bauwirtschaft zeigen trotz ihrer vergleichsweise hohen Exponiertheit gegenüber Klimarisiken bisher Seite 32 oekom CR Review 2010 wenig Bereitschaft, sich mit diesen zu beschäftigen. Anders reagieren die Energieversorger, die Öl- und Gasbranche und die Automobilbranche. Sie sind noch stärker von den Risiken betroffen, haben aber bereits begonnen, sich systematisch damit auseinander zu setzen, indem sie Strukturen im Unternehmen aufbauen und ihre Treibhausgasemissionen erfassen. Die Detailanalyse des Klimarisiko-Managements zeigt, dass die Umsetzung der Maßnahmen in den zwei Bereichen • unternehmenseigene Klimapolitik und • Formulierung von Klimaschutzzielen und -maßnahmen von 2,72. Die MDAX-Unternehmen kommen nur auf einen Wert von 1,62. Die Analyse zeigt, dass sich gerade kleine und mittelständische Unternehmen schwer tun, die konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Geschäft zu analysieren und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Insgesamt, so das Fazit der Studie, lässt die Qualität der konkreten Ziele und Programme zum Klimaschutz zu wünschen übrig. Daran werden auch die Ergebnisse der Klimakonferenz von Kopenhagen nichts ändern. Insbesondere die Finanzwirtschaft, aber auch andere Branchen hatten im Vorfeld der Konferenz darauf gedrängt, in Kopenhagen verbindliche Regelungen für den Klimaschutz zu vereinbaren und so verlässliche Planungsgrundlagen für die Unternehmen zu schaffen. Der von der Konferenz nur zur Kenntnis genommene „Copenhagen Accord“ erfüllt diese Funktion nicht. in den Branchen unterschiedlich weit fortgeschritten ist. So haben beispielsweise die Automobilhersteller vergleichsweise gute Klimapolitiken formuliert, in denen sie sich u. a. zum Klimaschutz verpflichten, während sich die Immobilienunternehmen hier bisher kaum engagieren. Defizite zeigen sich bei der Formulierung konkreter Klimaschutzziele und der Definition von Maßnahmen zu deren Erreichung. Vergleichsweise positiv bewertet oekom research hier die entsprechenden Aktivitäten der IT- und der PharmaIndustrie. Deutliche Unterschiede bestehen zwischen Großunternehmen und der mittelständischen Wirtschaft. So erreichen die DAX 30-Unternehmen bei der Bewertung des Klimarisiko-Managements durch oekom research auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 4 (sehr Elemente des Klimaschutz-Managements in ausgewählten Branchen auf einer Skala von 1 (sehr gut) eine durchschnittliche Bewertung schlecht) bis 4 (sehr gut); Quelle: oekom research AG (2010) Klimaneutralität im Bankensektor Eine steigende Zahl von Unternehmen geht dazu über, einzelne Aktivitäten oder sogar den kompletten Geschäftsbetrieb „klimaneutral“ zu stellen. Recht weit verbreitet ist hier inzwischen die Klimaneutralisierung von Dienstreisen, insbesondere von Flügen. Dabei werden die CO2-Emissionen einer Dienstreise berechnet, z. B. über den Anbieter atmosfair (➔ www.atmosfair. de), und eine Kompensationszahlung festgelegt. Das Geld wird dann z. B. in Solar-, Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert, um dort eine Menge Treibhausgase einzusparen, die eine vergleichbare Klimawirkung hat wie die Emissionen des Flugzeugs. Häufig werden dabei Projekte in Entwicklungsländern finanziert. Das Konzept wird auch auf andere Bereiche übertragen, etwa auf klimaneutrale Kongresse oder Publikationen, z. B. kli- oekom research AG maneutrale Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte. Gerade im Bankenbereich mit seinen vergleichsweise geringen direkten CO2-Emissionen haben sich in der jüngeren Vergangenheit einige Unternehmen dazu verpflichtet, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren oder sogar komplett klimaneutral zu arbeiten. Von den 74 durch oekom research bewerteten Geschäftsbanken waren nach eigenen Angaben sieben per Ende 2009 klimaneutral, weitere vier Banken planen einen solchen Schritt. Zu den klimaneutralen Banken gehören u. a. die ING Groep (NL) und die HSBC Holdings (UK). Bei den aktiven Banken wird in der Regel ein Paket von Maßnahmen eingesetzt, um das Reduktionsziel zu erreichen. Dazu zählen u. a. die Reduzierung des Energieverbrauchs, insbesondere in der IT, und der Seite 33 oekom CR Review 2010 Bezug von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Die auf diese Weise nicht vermeidbaren Emissionen sollen dann über Emissionszertifikate, z. B. aus Clean Development Mechanism (CDM)-Projekten, neutralisiert werden. Kompensationsmaßnahmen werden häufig als „moderner Ablasshandel“ kritisiert, da sie den Verursachern von Klimagasemissionen ein gutes Gewissen verschaffen sollen. Unterm Strich, so die Kritik, könnten Unternehmen und Personen ihr klimaschädliches Verhalten mit dem vermeintlichen Verweis auf die Klimaneutralität beibehalten oder gar noch verstärken – etwa bei Flugreisen. Befürworter betonen, dass Kompensationsmöglichkeiten die Klimaschädlichkeit bestimmter Aktivitäten erst transparent machen und so bei Unternehmen und Privatpersonen das Bewusstsein dafür fördern. Insgesamt gibt es weitreichende Einigkeit darin, dass Kompensationsmaßnahmen sich auf unvermeidbare Emissionen beschränken und nicht als Alibi für unterlassene emissionsmindernde Maßnahmen herangezogen werden sollten. Klimaneutralitätsziele von Geschäftsbanken; in %; Quelle: oekom research AG (2010) oe-Ton „Banken verweisen häufig auf ihre vermeintlich geringen Umweltauswirkungen, vergessen dabei aber den großen Einfluss, den sie über ihre Kreditvergabe und ihre Anlagepolitik auf die umweltgerechte Führung von Unternehmen bzw. Gestaltung von Projekten haben.“ Dietrich Wild, oekom Branchenanalyst Financials Klimarisiken in der Kapitalanlage Die Studie „Carbon Risks in UK Equity Funds“, die 2009 im Auftrag des WWF erstellt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass Fondsmanager einen großen Einfluss darauf haben, wie hoch die Risiken aus Treibhausgasemissionen in ihren Portfolios sind. Durch gezielte Titelauswahl ließe sich der Anteil derjenigen Unternehmen deutlich reduzieren, die massive CO2-Emissionen verantworten. Dabei wäre weder eine Umgewichtung der Branchen notwendig noch eine Änderung der Investmentstrategie. Die Studie, die mit Blick auf britische Publikumsfonds durchgeführt wurde, beziffert die Bandbreite der Treibhausgasemissionen pro investierter Million Britischer Pfund von 209 bis 1.487 Tonnen. Aus Sicht der Autoren sollten die Fondsmanager ihren Einfluss geltend machen und gezielt den Dialog mit denjenigen Unternehmen suchen, in die sie investiert sind, sowie sich auf politischer Ebene für ein strengeres Reporting zum Thema Treibhausgasemissionen einsetzen. (➔ www.wwf.uk) Anlageprodukte mit Fokus „Klima“ Der Klimawandel war eines der zentralen Anlagethemen der vergangenen Jahre. Zahlreiche Indizes, Fonds und ETFs wurden zu diesem Thema aufgelegt. Bei der Auswahl der Unternehmen wird darauf abgestellt, inwiefern diese entweder einen Beitrag zur Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels durch Reduzierung der Treibhausgasemissionen leisten oder Wirtschaft und Gesellschaft bei der Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels unterstützen. Zur ersten Kategorie werden z. B. Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien, aber auch des Maschinenbaus gezählt. Zur zweiten Kategorie gehören u. a. die Bau- und die Versicherungswirtschaft. Die Plattform www.nachhaltiges-investment.org verzeichnet für den deutschsprachigen Raum mehr als 50 Publikumsfonds mit Klimafokus. oekom research AG Seite 34 oekom CR Review 2010 Auf den Punkt gebracht • Insbesondere die Immobilien- und die Bauwirtschaft zeigen trotz ihrer vergleichsweise hohen Exponiertheit gegenüber Klimarisiken bisher wenig Bereitschaft, sich mit diesen zu beschäftigen. Anders reagieren die Energieversorger, die Öl- und Gasbranche und die Automobilbranche. Sie sind noch stärker von den Risiken betroffen, haben aber bereits begonnen, sich systematisch damit auseinander zu setzen, indem sie Strukturen im Unternehmen aufbauen und ihre Treibhausgasemissionen erfassen. • Deutliche Unterschiede bestehen zwischen Großunternehmen und der mittelständischen Wirtschaft. So erreichen die DAX 30-Unternehmen bei der Bewertung des Klimarisiko-Managements durch oekom research auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 4 (sehr gut) eine durchschnittliche Bewertung von 2,72. Die MDAX-Unternehmen kommen nur auf einen Wert von 1,62. • Klimaneutralität ist im Finanzbereich ein vergleichsweise großes Thema. Von den 74 durch oekom research bewerteten Geschäftsbanken waren nach eigenen Angaben sieben per Ende 2009 klimaneutral, weitere vier Banken planen einen solchen Schritt. 2.3.5 Energie Die Gestaltung der Energieversorgung ist der wichtigste Schlüssel für die Lösung der Klimaschutzfrage, wobei der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz als zentrale Hebel der Energiepolitik angesehen werden. Nicht nur in Deutschland konnte man 2009 unter Hinweis auf den Klimaschutz außerdem ein Wiederaufleben der Diskussion um die Rolle der Atomenergie beobachten. Renaissance der Atomenergie? Das Thema Atomenergie spaltet nach wie vor die Gesellschaft. Besonders an der drängenden Notwendigkeit der Senkung der globalen Treibhausgasemissionen hat sich die Diskussion um die Nutzung des Atomstroms neu entzündet. So forderte die Internationale Energieagentur IEA im vergangenen Jahr „zum Schutz des Klimas“ einen Ausbau der Atomenergie. Ihr Anteil an der weltweiten Stromversorgung sollte nach Auffassung der IEA bis 2030 von derzeit rund 14 auf 18 Prozent gesteigert werden. Die Forderung stieß auf vehemente Kritik. In einer Stellungnahme wies Greenpeace darauf hin, dass jeden Monat ein neues AKW ans Netz gehen müsse, um dieses Ziel zu erreichen, und warf der IEA vor, „jeglichen Sinn für die Realität verloren zu haben“. Auch auf politischer Ebene ist man sich uneinig. Während manche Staaten den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung planen, z. B. Deutschland, oder bereits vollzogen haben, bauen andere, z. B. Frankreich und Finnland, diese aus. Dabei ist sich die Bevölkerung der Brisanz des Themas bewusst. Zwar ist die Akzeptanz der Atomenergie unter EU-Bürgern insgesamt seit 2005 gestiegen. Dennoch ist die Mehrheit (53 Prozent) der Meinung, dass die Risiken der Atomenergie ihre Vorteile überwiegen. Die Akzeptanz variiert dabei stark zwischen einzelnen Ländern. In der oekom research AG Befürwortung von Atomstrom und Anteil an der Stromerzeugung; Quelle: Umfragen: EC 2008; Stromanteil: IAEA 2009, EC 2009 Seite 35 oekom CR Review 2010 Debatte wird häufig die These einer „Renaissance der Atomenergie“ vertreten. Fakt ist jedoch, dass deren Anteil am globalen Primärenergieverbrauch heute mit rund sechs Prozent relativ gering ist. Seit 2002 ging weltweit die Anzahl der Reaktoren im Betrieb zurück. Auch 2009 sind die Zahl und Gesamtleistung der Atomkraftwerke gesunken. In Betrieb genommen wurden laut der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) insgesamt zwei AKWs, eines davon in Indien (202 MW) und eines in Japan (866 MW). Endgültig stillgelegt wurden drei AKWS, davon zwei Atomreaktoren in Japan (515 MW und 806 MW) sowie einer in Litauen (1.185 MW). Offiziell begann der Bau elf neuer AKWs, neun in China, eines in Russland und eines in Südkorea. Angesichts langer Bauzeiten, explodierender Kosten und Engpässen in Bezug auf Technik und Know-how bleibt abzuwarten, ob diese Reaktoren tatsächlich ans Netz gehen. Tendenziell konzentriert sich heute die öffentliche Diskussion um den Kraftwerksneubau und die Verlängerung der Laufzeiten bestehender AKWs auf den Klimaschutz sowie die Nutzung der Atomenergie als so genannte „Brückentechnologie“ hin zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Darüber hinaus äußern Befürworter auch Argumente wie die Bedeutung der Atomenergie für die Versorgungssicherheit angesichts eines weltweit steigenden Energiebedarfs bei sinkender Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe, eine Reduzierung der Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten sowie die kostengünstige Versorgung mit Strom. Atomkritiker verweisen neben der ungelösten Endlagerproblematik auf bleibende Risikofaktoren in Bezug auf den sicheren Betrieb von Atomkraftwerken und auf immense soziale, ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen im Falle eines größeren Unfalls. Zu den weiteren Gegenargumenten gehören Gesundheitsrisiken, Sicherheitsrisiken angesichts des globalen Terrorismus und die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen. Einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz könne die Atomenergie nicht leisten. Zudem würde ein Ausbau der Atomenergie nach Einschätzungen der Kritiker die Förderung erneuerbarer Energien beeinträchtigen. oekom research bewertet die Atomenergie im Rating negativ, da insgesamt die Vorteile der Nutzung der Atomenergie im Vergleich zu anderen Stromerzeugungsformen nicht die damit verbundenen Risiken und Umweltauswirkungen rechtfertigen. Das oekom Rating Universe umfasst zahlreiche Unternehmen verschiedener Branchen, die im Bereich Atomenergie aktiv sind. Dazu zählen – entlang der Wertschöpfungskette – Bergbauunternehmen, die Uran abbauen, Hersteller von Atomkraftwerken und/oder Kernkomponenten solcher Anlagen sowie Produzenten von Atomenergie. Über Ausschlusskriterien können diese Unternehmen vom Investment ausgeschlossen werden. Rund 60 Prozent der Kunden von oekom research nutzen diese Möglichkeit. oe-Ton „Die globale Klimaproblematik hat zu einer Neubelebung der politischen und gesellschaftlichen Debatte um die Nutzung der Atomenergie geführt. Diese kann jedoch keinen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten.“ Susanne Schaller, oekom Branchenanalystin Utilities 2.3.5.1 Erneuerbare Energien Gleich zwei Großprojekte sorgten 2009 im Bereich der erneuerbaren Energien für Aufsehen: Zum einen die Gründung der Desertec Industrial Initiative (DII), zum anderen das Seatec-Projekt. Die DII, ein Zusammenschluss von derzeit zwölf Unternehmen und der Desertec Foundation, will in den kommenden drei Jahren die Rahmenbedingungen für Investitionen entwickeln, die erforderlich sind, um die so genannte MENA-Region (Middle East & North Africa) und Europa mit Sonnen- und Windenergie vor allem aus der Sahara zu beliefern. oekom research AG Ziel ist es dabei, langfristig einen erheblichen Anteil des Strombedarfs für die MENA-Region und 15 Prozent des europäischen Strombedarfs zu erzeugen. Zahlreiche Unternehmen aus dem oekom Rating Universe sind an der Initiative beteiligt, u. a. Abengoa, Deutsche Bank, Munich Re und Siemens. Das zweite Großprojekt Seatec betrifft den Aufbau eines gemeinsamen Hightech-Energienetzes, das Europas Wind-, Sonnen und Wellenkraftwerke verbinden soll. Nach derzeitigem Stand der Überlegungen sollen Hochspannungs-Unterseekabel in der Nordsee Seite 36 oekom CR Review 2010 Windparks auf hoher See vor der deutschen und britischen Küste mit Wasserkraftwerken in Norwegen, Gezeitenmeilern an der belgischen und dänischen Küste sowie Wind- und Solaranlagen auf dem europäischen Festland verbinden. Damit würde in Europa erstmals ein internationales Energienetz über viele Grenzen hinweg entstehen. Das Netz könnte einige der Probleme bei der Stromversorgung mittels erneuerbarer Energien lösen, die dadurch entstehen, dass Wind- und Solarkraftwerke von Wetterbedingungen abhängig sind und daher kein stetiges und gleichbleibendes Stromangebot garantieren können. Die Schwankungen durch verschiedene Energieträger und Regionen ließen sich innerhalb des Netzes aus- gleichen, wodurch eine verlässliche Versorgung weiter Teile Europas sichergestellt werden könnte. Weltweite Primärenergieversorgung nach Energiequellen 2006; Quelle: IEA 2008; „Sonstige“ inkl. Geothermie, Solar- und Windenergie oe-Ton „Großprojekte wie Desertec und Seatec können als „Apollo-Projekte“ die Akzeptanz erneuerbarer Energien fördern und zur Erreichung der europäischen Ziele zur Energieversorgung aus regenerativen Quellen beitragen. Ein Ersatz für den Ausbau einer dezentralen, regenerativen Energieversorgung sind sie aber nicht.“ Philipp Rühle, oekom Branchenanalyst Renewable Energy Energieversorger Neben den spezialisierten Erzeugern von erneuerbarer Energie – das oekom Sub-Universum „KMU mit Nachhaltigkeitsfokus“ umfasst knapp 130 Unternehmen aus diesem Bereich – steigen auch die großen Energieversorger verstärkt in die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ein. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt dabei auf der Realisierung großer Anlagen, etwa von Offshore-Windparks oder Solarthermie-Kraftwerken. So sind unter anderem E.ON und RWE an der genannten Desertec-Initiative beteiligt. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sich auch konventionelle Unternehmen aus anderen Branchen zunehmend im Bereich der erneuerbaren Energien engagieren, z. B. der Nutzfahrzeughersteller MAN und der Glasproduzent Schott. Unter den konventionellen Energieversorgern sind EDP Energias de Portugal (PT) und Iberdrola (ES) im Bereich der erneuerbaren Energien besonders aktiv. Beide Unternehmen haben spezialisierte Tochtergesellschaften – EDP Renováveis und Iberdrola Renovables – und erzeugen einen bedeutenden Anteil des bereitgestellten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. So stammten 2008 ca. 25 Prozent oekom research AG EDP Energias de Portugal (PT) Iberdrola (ES) Top Unternehmen bei der Bewertung der Maßnahmen im Bereich erneuerbare Energien; Quelle: oekom research AG (2010) des von EDP erzeugten Stroms aus Wasserkraft und 16 Prozent aus Windenergie. Bei Iberdrola wurden 2008 8,2 Prozent des Stroms aus Wasserkraft generiert, sonstige erneuerbare Energien waren für zwölf Prozent der Stromerzeugung verantwortlich. Beide Unternehmen haben sich ehrgeizige Ziele für den weiteren Kapazitätsausbau erneuerbarer Energien gesetzt. Auf den weiteren Rängen folgen mehrere Unternehmen, die ebenfalls ein überdurchschnittliches Engagement hinsichtlich erneuerbarer Energien zeigen, darunter E.ON (DE), Scottish and Southern Energy (UK) und EDF (FR). Ihr derzeitiger Strommixanteil aus erneuerbaren Energien ist jedoch weitaus geringer als bei EDP und Iberdrola. Seite 37 oekom CR Review 2010 Anlageprodukte mit Fokus „erneuerbare Energien“ Neben dem Klimawandel waren erneuerbare Energien eines der wichtigsten Anlagethemen der vergangenen Jahre. Dabei sind neben Direktanlagen in Solarparks, Windkraft- oder Biogasanlagen oder der Beteiligung an „grünen“ Energieversorgungsunternehmen über Genussrechte oder Genossenschaftsanteile auch zahlreiche Investmentfonds und Zertifikate auf den Markt gekommen. Die Datenbank www.nachhaltiges-investment.org rechnet 21 der insgesamt 313 erfassten, im deutschsprachigen Raum zugelassenen Publikumsfonds dieser Kategorie zu. Diese Fonds werden aufgrund des thematischen Fokus häufig zu den Nachhaltigkeitsfonds gezählt, selbst wenn für die Auswahl der Unternehmen für den Fonds keine spezifischen Nachhaltigkeitskriterien genutzt werden. 2.3.5.2 Steigerung der Energieeffizienz Während der Ausbau der erneuerbaren Energien sowohl im Rahmen von Großprojekten als auch auf dezentraler Ebene weiter voranschreitet, stellt sich das Bild bei der Frage der Steigerung der Energieeffizienz differenzierter dar. Hier sind es insbesondere zwei Bereiche, auf die sich die öffentliche Diskussion zur Einsparung von Energie konzentriert: Der Energieverbrauch von Immobilien und die (automobile) Mobilität. Nach Berechnungen des deutschen Bundesumweltministeriums entfallen etwa 90 Prozent des Endenergieverbrauchs (ohne Verkehr) der privaten Haushalte in Deutschland auf das Heizen und die Warmwasserbereitung. Den überwiegenden Anteil macht dabei mit rund drei Vierteln des Energieverbrauchs die Raumwärme aus, von der bisher ein Großteil durch Wände, Fenster, Dach, Türen oder den Fußboden verloren geht. Bei den Altbauten lässt sich der Energiebedarf durch energetische Sanierung in Einzelfällen um bis zu 90 Prozent, im Durchschnitt immerhin um rund 50 Prozent reduzieren. Im Bereich der Mobilität sind verschiedene Entwicklungen zu beobachten: Eine deutliche Zunahme des Güterverkehrs insbesondere auf den Straßen, eine Zunahme des Flugverkehrs sowie ein weiterhin hohes Niveau automobiler Individualmobilität in den Industriestaaten bzw. ein rasantes Wachstum des Individualverkehrs in den Schwellenländern. Dieser Zuwachs an Verkehr steht den Bemühungen der Hersteller von Fahr- und Flugzeugen gegenüber, durch Verbesserungen bei den konventionellen Antrieben und der Entwicklung alternativer Antriebe den Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen zu reduzieren. Automobil Die Automobilindustrie hat 2009 stark von der in verschiedenen Staaten gezahlten staatlichen Abwrackprämie profitiert. In Deutschland erreichte beispielsweise der Autoabsatz mit 3,8 Millionen Stück ein 17-Jahres-Hoch. Die bestehenden Strukturprobleme in der weltweiten Automobilindustrie, insbesondere die hohen Überkapazitäten in der Produktion, konnten dadurch aber nur teilweise überdeckt werden. So haben insbesondere die Vorgänge um GM und seine Tochter Opel sowie bei Ford und Chrysler angedeutet, vor welchen wirtschaftlichen Herausforderungen die Branche steht. Eng verknüpft mit den ökonomischen sind die ökologisch-technischen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und damit der CO2-Emissionen bei konventionellen Antrieben und die Entwicklung oekom research AG alternativer Antriebskonzepte. Nach einer aktuellen Aufstellung des europäischen Verbandes Transport & Environment (T&E) für den europäischen Automobilmarkt konnten einige Hersteller die CO2Emissionen 2008 gegenüber dem Stand von 2007 recht deutlich reduzieren. Spitzenreiter war hier BMW mit einer Reduzierung um 10,2 Prozent auf 154 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer. Renault erreichte eine Reduzierung um 3,2 Prozent auf 143 g/km, Volkswagen um 3,3 Prozent auf 159 g/km. Bezogen auf die in Europa verkauften Fahrzeuge weist nach Berechnungen von T&E Fiat mit einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 138 g/km den niedrigsten Wert auf, gefolgt von PSA mit 139 g/km. Vorgabe in der EU ist es, die durchschnittlichen Emissionen bis 2015 auf 120 g/km zu reduzieren. Seite 38 oekom CR Review 2010 Bei der Entwicklung alternativer Antriebe werden derzeit der Hybrid- und der Elektroantrieb favorisiert. Beinahe alle Hersteller arbeiten daran, mittelfristig entsprechende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Vergleichsweise weit fortgeschritten ist die Allianz aus Renault (FR) und Nissan (JP), die sich für einen umfassenden und möglichst frühzeitigen Einstieg in diese Technik entschieden haben. Bereits 2011 sollen die ersten Modelle in Dänemark und Israel verfügbar sein, 2012 will die Allianz auch weltweit in die Renault (FR) Nissan (JP) Top Unternehmen bei der Bewertung der Energieeffizienzmaßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010) Massenvermarktung von Elektroautos einsteigen und sein Portfolio auf insgesamt vier Modelle ausbauen. Auch bei langfristigen Zielen beim CO2-Ausstoß setzen die beiden Unternehmen Maßstäbe. So kündigt Nissan an, den CO2-Ausstoß seiner Flotte bis 2050 um 90 Prozent senken zu wollen (bezogen auf das Jahr 2000), Renault möchte bis 2020 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß auf 95 g/km senken (dies entspricht einer Senkung um ca. 33 Prozent gegenüber dem Jahr 2008). In Deutschland hat sich BMW derzeit die ambitioniertesten Ziele gesetzt: Anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen gab das Unternehmen bekannt, seinen Flottenausstoß bis 2020 um mindestens 25 Prozent senken zu wollen. Dies entspricht einem CO2 Ausstoß von ca. 117 g/km, wenn man das Jahr 2008 und den europäischen Markt zugrunde legt. Bei der Erfüllung dieser Ziele wird die Massenvermarktung von Elektrofahrzeugen eine wesentliche Rolle spielen müssen. oe-Ton „Nachdem die Automobilindustrie nur langsam aus ihrer Abwarte- und Blockadehaltung in Bezug auf Emissionsminderungen und die Einführung neuer Technologien herauskommt, ist jetzt entschiedenes Handeln gefragt. Wer auch über das Jahr 2015 hinaus die regulatorischen Herausforderungen meistern möchte, kommt an einer möglichst zeitnahen und modellübergreifenden Massenvermarktung von Elektrofahrzeugen und weiterentwickelten Hybridantrieben nicht vorbei.“ Till Jung, oekom Branchenanalyst Automobile Immobilien Bei der Gebäudedämmung von vorhandenen und einer energieeffizienten Konstruktion neuer Immobilien bestehen nach Ansicht von Experten immense Potenziale zur Einsparung von Energie und damit zum Klimaschutz. Bei Neubauten wird mit Niedrigenergie-, Passiv- und 3-Liter-Häusern zunehmend auf die Energieeffizienz der Gebäude geachtet, gleichzeitig steigt die Zahl der Gebäude mit Nachhaltigkeitszertifizierung, wie LEED in den USA, BREEAM in England und CASBEE in Japan. In Deutschland hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ein entsprechendes Gütesiegel eingeführt. Dass nachhaltiges Bauen auch ökonomisch interessant ist, hat eine Studie der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) gezeigt: Danach erzielen in den USA nachhaltige Gebäude drei Prozent höhere Mietpreise als herkömmliche Immobilien. Während sich damit bei Neubauten zumindest oekom research AG in einigen Bereichen Bewegung zeigt, besteht im Gebäudebestand weiterhin dringender Handlungsbedarf. oekom research bewertet in diesem Zusammenhang unter anderem die bestehenden Richtlinien und Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz der Gebäude. Vergleichsweise aktiv sind die beiden britischen Unternehmen British Land und Liberty International sowie die schwedische JM. So hat beispielsweise British Land als Ziel formuliert, dass alle seine neuen Bürobauvorhaben das Prädikat BREEAM ‚Excellent‘ erreichen sollen. Für größere Büromodernisierungen strebt British Land generell die Bewertung BREEAM ‚Very Good‘ (sehr gut) an. Liberty International hat umfangreiche Richtlinien implementiert, die die im Rahmen des Bau- und Planungsprozesses beauftragten Auftragnehmer, Planer und Berater dabei unterstützen sollen, geeignete Maßnahmen zur Steigerung Seite 39 oekom CR Review 2010 der Energieeffizienz zu identifizieren. Die Richtlinien gehen dabei auf Themen wie Beleuchtung, Heizen, Kühlung, Belüften und die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen ein. JM schließlich plant seit 2008 alle neuen Wohnungsbauprojekte als Niedrigenergiehäuser. Deren Energieverbrauch liegt 30 Prozent unter dem konventionell gebauter Häuser. British Land (UK) Liberty International (UK) JM (SE) Top Unternehmen bei der Bewertung der Energieeffizienzmaßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010) oe-Ton „Britische Immobilienunternehmen geben beim Thema Energieeffizienz derzeit klar den Ton an. Deutschen Unternehmen mangelt es im Gegensatz zu ihren britischen Wettbewerbern vielfach noch an Richtlinien und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz im Immobilienportfolio.“ Susanne Schwind, oekom Branchenanalystin Real Estate Auf den Punkt gebracht • Das Wiederaufleben der politischen und gesellschaftlichen Diskussion um die Nutzung der Atomenergie geht bisher nicht mit dem Ausbau der entsprechenden Kapazitäten einher. Im Gegenteil: 2009 sind weltweit sowohl die Zahl als auch die Leistung der Atomkraftwerke gesunken. • Bei den erneuerbaren Energien konzentrieren die Energieversorger ihr Engagement auf Großprojekte wie Desertec und Seatec. • Die Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz werden nur teilweise genutzt. Während es in der Automobilindustrie leichte Fortschritte gibt, bleibt die Immobilienwirtschaft weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. 2.3.6 Wasser Wasser wird häufig als „blaues Gold“ bezeichnet. Ursache dafür ist die erwartete Verknappung der Verfügbarkeit von Wasser: Obwohl mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind, ist nur ein Prozent des Wassers als Trinkwasser nutzbar. Schon heute haben rund zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bis zum Jahr 2050 wird nach Schätzungen der deutschen Welthungerhilfe voraussichtlich mindestens ein Viertel der dann 10 Milliarden Menschen mit chronischem oder immer wiederkehrendem Süßwassermangel leben müssen – die meisten davon in Afrika und Asien. Die zunehmende Verschmutzung des Oberflächenund Grundwassers durch Düngemittel, Pestizide, tierische und menschliche Exkremente, Salze, ungeklärte Abwässer, Giftmüll und Waschmittelrückstände verschärft die Wasserkrise. Schon heute sind ca. 80 Prozent aller Krankheiten in den Entwicklungsländern auf verschmutztes Wasser zurückzuführen. Bis zu vier oekom research AG Millionen Kinder sterben jährlich an wasserbedingten Durchfallerkrankungen und Infektionen. Auch in den Industrieländern droht in einigen Regionen, insbesondere in den Mittelmeeranrainern, aber auch in einzelnen Regionen Deutschlands, im Zuge des Klimawandels eine Wasserknappheit. So erwarten Klimaexperten beispielsweise einen deutlichen Rückgang der nutzbaren Wassermenge in den Sommermonaten insbesondere in Ostdeutschland. Bereits diese wenigen Fakten zum Thema Wasser machen deutlich, warum die effiziente Nutzung des Wassers und der Schutz der Wasserressourcen zu den Kernzielen einer nachhaltigen Entwicklung gehören, wie sie etwa in den Millenium Development Goals der Vereinten Nationen formuliert sind. Entsprechende Kriterien zum unternehmerischen Umgang mit Wasser finden sich bei oekom research in zahlreichen Branchen, wie folgende Beispiele zeigen: Seite 40 oekom CR Review 2010 Nahrungsmittel Der Nahrungsmittelsektor kommt vielfach mit Wasser in Berührung: Zum einen ist die Industrie extrem abhängig vom Wasser. Es ist eine wesentliche Zutat in vielen Produkten und dient als Betriebsmittel. Ohne Wasser ist kein Pflanzenwachstum und somit keine Land- und Viehwirtschaft möglich. Zudem beheimaten Flüsse, Seen und Ozeane Organismen, die wir verzehren oder die in der Nahrungsmittelkette vorgeschaltet sind. Zum anderen hat keine andere Branche einen ähnlich hohen Einfluss auf die Quantität und Qualität von Wasser. So gehen 70 Prozent des entnommenen Süßwassers weltweit auf das Konto der Landwirtschaft. Hinzu kommt der Wassereinsatz in der industriellen Weiterverarbeitung. Darüber hinaus trägt die Branche eine große Verantwortung dafür, dass die Wasserqualität durch Abwässer aus Landwirtschaft und Industrie nicht zu stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei der Bewertung der Unternehmen durch oekom research fließen – sowohl im Hinblick auf die meist in der Zuliefererkette liegende landwirtschaftliche Erzeugung als auch auf die industrielle Produktion – u. a. folgende Aspekte ein: die Qualität der Richtlinien in Bezug auf den Umgang mit der Ressource Wasser, die Erfassung und Darstellung des Wasserverbrauchs, die Darstellung des Zielkonflikts von Wasser- und Energieeffizienz, Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs, Maßnahmen zum Schutz der Gewässer vor Verschmutzung durch die landwirtschaftlichen Tätigkeiten und durch Abwasser aus der industriellen Produktion. Hinsichtlich der eigenen Produktion haben eine Vielzahl von Unternehmen bereits Verpflichtungen zu reduziertem Wassereinsatz und geringeren Abwassermengen formuliert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Hervorzuheben ist der größte Abfüller von Coca-Cola-Produkten (Coca-Cola Enterprises (US)), der einen ehrgeizigen Zielwert zur Senkung des Wasserverbrauchs formuliert hat, ohne den Energieverbrauch aus den Augen zu verlieren. Auch das Engagement von SABMiller (UK) ist positiv zu bewerten: Gemeinsam mit dem WWF hat der Brauereikonzern als erstes Unternehmen einen umfassenden Wasser-Fußabdruck, d. h. den direkten und indirekten Wasserverbrauch in seiner Wertschöpfungskette, erhoben und veröffentlicht. Aus den Ergebnissen leitet der Konzern weitere Aktivitäten ab, die auch die landwirtschaftliche Produktion in der Lieferkette betreffen. Coca-Cola Enterprises (US) SABMiller (UK) Unilever (NL/UK) Top Unternehmen bei der Bewertung des Wassermanagements; Quelle: oekom research AG (2010) Daneben zählt Unilever (NL/UK) zu den wenigen Unternehmen, die ein über die eigene Produktion hinausgehendes Wassermanagement betreiben. So beziehen seine im Branchenvergleich umfassenden Projekte zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft auch Wasserqualität und -quantität mit ein. Die Branche hat zudem damit begonnen, durch Projekte mit Zulieferern den Wasserverbrauch und den Pestizid- und Düngemitteleinsatz in der landwirtschaftlichen Lieferkette zu reduzieren – bislang allerdings bei weitem nicht flächendeckend. Zwar forschen einige Unternehmen nach besonders genügsamen Nutzpflanzen, doch ansonsten scheint die Produktpalette noch heilig zu sein: Es ist noch nicht bekannt, dass die Großkonzerne ernsthaft überlegen, von wasserintensiven Lebensmitteln auf Produkte umzusteigen, deren Herstellung deutlich weniger Wasserverbrauch je Kalorie aufweist. oe-Ton „Die Nahrungsmittelindustrie hat aufgrund des hohen Wasserverbrauchs bei der landwirtschaftlichen Produktion einen enormen Hebel, um Einsparpotenziale zu verwirklichen. Allerdings muss sie dafür bereit sein, weit intensiver mit Landwirten zusammenzuarbeiten und wassereffiziente Anbaumethoden stärker zu belohnen. Möglicherweise kommt der Zweig der Industrie, der auf wasserintensive tierische Zutaten wie Fleisch oder Milchprodukte zurückgreift, nicht darum herum, den Anteil rein pflanzlicher Inhaltsstoffe zu erhöhen.“ Isabelle Reinery, oekom Branchenanalystin Food & Beverages oekom research AG Seite 41 oekom CR Review 2010 Pharma Für den Pharmasektor ist das Thema Wasser in zweierlei Hinsicht relevant: Zum einen ist Wasser ein wichtiger Faktor in der Produktion der Arzneimittel, zum anderen trägt die Industrie Verantwortung dafür, dass die Arzneimittelrückstände im Wasser minimiert werden. Dabei soll verhindert werden, dass Wirkstoffe nach dem Ausscheiden über die Kanalisation in Gewässer gelangen und dort Pflanzen und Tiere schädigen (z. B. Verweiblichung von Fischen) sowie ins Trinkwasser kommen. In das Rating von oekom research fließen u. a. die Qualität des Wassermanagements, die Durchführung von standortbezogenen Risikoanalysen sowie die umfassende Erfassung und Darstellung des Wasserverbrauchs ein. Darüber hinaus wird nach prozessbezogenen Innovationen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs gefragt. Beim Schutz des Wassers vor Verschmutzung durch Arzneimittel geht es zum einen um präventive Maßnahmen im Produktdesign, insbesondere um die Abbaubarkeit der Medikamente, zum anderen um end-of-pipe Technologien, z. B. die Filtration von Produktionsabwässern. Im Hinblick auf den Wasserverbrauch haben erste Unternehmen mit der systematischen Beschäftigung mit dem Thema begonnen. Zahlreiche Unternehmen haben entsprechende Verpflichtungen zum sparsamen Umgang mit dem Rohstoff formuliert und einige wenige, insbesondere aus den USA, haben erste Risikoanalysen angefertigt. Insgesamt bleibt die Branche hier aber noch weit hinter den Anforderungen zurück. Bei der Wasserreinhaltung setzen die Unternehmen vorrangig auf end-of-pipe Lösungen. Allerdings ist dieser Ansatz in der Praxis problembehaftet, da zum einen wirkstoffspezifische Filterungstechniken notwendig sind (d. h. die teure Kombination unterschiedlicher Reinigungsschritte) und zum anderen ein großer Teil der Bevölkerung, der Medikamente einnimmt, in Gebieten ohne wirksame Kanalisation lebt. Abbott (US) Pfizer (US) Bristol-Myers Squibb (US) Top Unternehmen bei der Bewertung des Wassermanagements; Quelle: oekom research AG (2010) Insgesamt noch am besten gehen die drei USPharmaunternehmen Abbott, Pfizer und BristolMyers Squibb mit den genannten Herausforderungen um. Bei Bristol-Myers Squibb geben auf lokalen Risikobewertungen basierende Ziele die Richtung für Wassersparprogramme in Produktionsanlagen vor. Pfizer hat Leitlinien und Planungstools für ein umfangreiches Wassermanagement im Unternehmen erstellt. Abbott arbeitet zudem mit Gemeinden und Organisationen an lokalen Wasserstrategien an Standorten, die von Wasserknappheit bedroht sind. oe-Ton „Allmählich realisiert die Pharmabranche, dass Wasser eine wertvolle, aber bedrohte Ressource ist, für deren Schutz sie eine Mitverantwortung trägt. Wassersparen gewinnt in den Unternehmen entsprechend an Bedeutung. Überzeugende Lösungsansätze zur Problematik von Arzneimittelrückständen in Gewässern und im Trinkwasser fehlen jedoch noch.“ Marlen Rürup, oekom Branchenanalystin Pharmaceuticals & Biotechnology Wasserversorger Neben kommunalen Wasserversorgungsunternehmen sind auch zahlreiche börsennotierte Unternehmen im Wassergeschäft aktiv. Dabei handelt es sich zum einen um spezialisierte Wasserversorger, die zudem in der Abwasserentsorgung aktiv sind, wie z. B. Severn Trent (UK) und Veolia Environnement (FR). Zum anderen haben einige Versorgungsunternehmen mit Schwerpunkt Energieversorgung in geringerem Umfang auch Aktivitäten im Bereich der Wasserversorgung, so z. B. EVN (AT) und RWE (DE). Neben Maßnahmen zur Sicherstellung einer oekom research AG nachhaltigen Wasserentnahme und der transparenten Berichterstattung über die dabei genutzten Quellen bewertet oekom research den effizienten Umgang mit Wasser. In die Bewertung fließen dabei beispielsweise der Prozentsatz der Kunden, die mit einem Wasserzähler ausgestattet sind, und die Leck-/ Verlustrate des Trinkwassersystems ein. Letzteres Kriterium berücksichtigt, dass in Ländern wie Bulgarien teilweise mehr als 50 Prozent des Wassers beim Transport zu den Kunden verloren geht. In der Gesamtbewertung dieser Kriterien errei- Seite 42 oekom CR Review 2010 chen die drei Unternehmen United Utilities (UK), Veolia Environnement (FR) und SUEZ Environnement (FR) sowie dessen Tochter Agbar (ES) die besten Bewertungen. Unter den Energieversorgern mit kleineren Wassersparten schneidet auch EVN (AT) sehr gut ab. United Utilities hat in Großbritannien umfangreiche Strategien und Maßnahmen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Rohwasserressourcen umgesetzt. Nach Angaben von Veolia Environnement waren im Jahr 2008 über 96 Prozent der Kunden mit einem Wasserzähler ausgestattet. SUEZ Environnement hat Maßnahmen realisiert, um die Verlustrate in der Wasserverteilung United Utilities (UK) Veolia Environnement (FR) SUEZ Environnement (FR) Top Unternehmen bei der Bewertung des Wassermanagements; Quelle: oekom research AG (2010) zu senken. Die österreichische EVN hat mit 2 bis 3,5 Prozent im Jahr 2008 eine sehr niedrige Verlustrate erreicht. Anlageprodukte mit Fokus „Wasser“ Das Thema Wasser steht auch im Fokus einer steigenden Zahl von Anlageprodukten. So ist beispielsweise allein im deutschsprachigen Raum mehr als ein Dutzend Publikumsfonds zum Vertrieb zugelassen, die in Unternehmen investieren, die in der Wertschöpfungskette des Wassermarktes, d. h. in der Wasserversorgung, -aufbereitungs- und -effizienztechnologie sowie -infrastruktur tätig sind. Auch diese Fonds werden aufgrund des thematischen Fokus häufig zu den Nachhaltigkeitsfonds gezählt, selbst wenn für die Auswahl der Unternehmen für den Fonds keine besonderen sozialen oder ökologischen Kriterien genutzt werden. Auf den Punkt gebracht • Viele Branchen sind auf die Verfügbarkeit von sauberem Wasser für ihre Produktionsprozesse und Produkte angewiesen. In der Nahrungsmittelwirtschaft haben sich bereits zahlreiche Unternehmen zu mehr Effizienz verpflichtet und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Einige Unternehmen haben sehr umfassende Risikoanalysen erstellt und insbesondere an Standorten mit akutem Wassermangel ehrgeizige Programme initiiert (z. B. geschlossene Wasserkreisläufe). • Auch die Pharmaindustrie nimmt Wasser zunehmend als wertvolle und bedrohte Ressource war. Zentrale, bisher ungelöste Herausforderung ist hier die Minimierung der Arzneimittelrückstände in Gewässern und im Trinkwasser. • Die effiziente Nutzung von Wasser und der Schutz der Wasserressourcen zählen zu den Kernzielen einer nachhaltigen Entwicklung und finden auch im nachhaltigen Investment zunehmend Beachtung. Einige der volumenstärksten Nachhaltigkeitsfonds sind Wasserfonds. 2.3.7 Biodiversität Biodiversität beschreibt die Vielfalt der Arten sowie der Ökosysteme. Derzeit sind weltweit knapp zwei Millionen Arten bekannt, die Gesamtzahl der Arten wird auf mindestens 13 Millionen geschätzt. Jeden Tag sterben bis zu 130 Arten aus. Der Klimawandel, die Intensivierung und Ausdehnung der Landwirtschaft sowie der Ausbau der Infrastruktur werden dabei als Haupttreiber des Artensterbens angesehen. Die oekom research AG Convention on Biological Diversity (CBD) ist das zentrale internationale Abkommen zum Artenschutz. Die Unterzeichner (189 Staaten und die EU) haben sich verpflichtet, das Artensterben bis zum Jahr 2010 maßgeblich zu reduzieren. Im Fokus der aktuellen Diskussion zum Artenschutz stehen dabei u. a. die Sicherstellung der Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität, die Gewährleistung des Seite 43 oekom CR Review 2010 Flächen durch die Natur erbrachten Leistungen auf 3,7 Billionen Euro pro Jahr geschätzt. Zu den Ökosystemleistungen zählen: Zugangs zu pflanzlichen und tierischen genetischen Ressourcen sowie die Sicherstellung einer gerechten Beteiligung der Herkunftsländer an den Gewinnen aus der Nutzung dieser Ressourcen, die Auswirkungen des verstärkten Anbaus von Pflanzen zur Gewinnung von Biokraftstoffen sowie die Berechnung des ökonomischen Wertes von Arten und Ökosystemleistungen. Letzterer Aspekt steht im Fokus der Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB), die derzeit im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des EU-Umweltkommissars erstellt wird. Die Ergebnisse der Studie werden für Herbst 2010 erwartet. In einem Zwischenbericht haben die Autoren allein den Wert der weltweit auf geschützten Leistung Beispiele Rohstoffe Nahrungsmittel, Biomasse, Trinkwasser, genetische Ressourcen, Biochemikalien und pharmazeutische Rohstoffe Regulatorische Leistungen Leistungen im Bereich Wasser- und Luftqualität, Klimaschutz, Bodenerosion und Hochwasserschutz Kultureller Wert Erholung, ästhetischer Wert der Natur Ökosystemleistungen; Quelle: oekom research AG (2010) In den Unternehmen wächst das Bewusstsein für die Risiken, die sich aus dem Artensterben und der Beeinträchtigung der Ökosysteme ergeben können. Aus Unternehmenssicht geht es dabei um Themen wie die Sicherung des dauerhaften Zugangs zu pflanzlichen und tierischen Rohstoffen, den Erhalt der Artenvielfalt als Quelle für Produktinnovationen oder die zunehmende Berücksichtigung des Artenschutzes als Kaufkriterium. Dabei hängt die Frage, ob ein Unternehmen von u. a. regulatorischen und marktlichen Risiken betroffen ist, maßgeblich davon ab, wie hoch der (nega- tive) Einfluss der Branche auf die Artenvielfalt und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme bzw. wie stark die Abhängigkeit von den entsprechenden Leistungen der Natur ist. Die folgende Tabelle zeigt die Bewertung der Abhängigkeit und des Einflusses für ausgewählte Branchen. Vor diesem Hintergrund spielen entsprechende Kriterien bei der Bewertung der Unternehmen in zahlreichen betroffenen Branchen eine wichtige Rolle. Dazu folgende Beispiele aus den Bereichen Biokraftstoffe, Öl & Gas und Tourismus. Branche Abhängigkeit von BÖS Einfluss auf BÖS Bergbau niedrig hoch Immobilien mittel hoch Landwirtschaft hoch hoch niedrig hoch Papier & Forst hoch hoch Pharma mittel mittel Tourismus hoch hoch Öl & Gas Einfluss und Abhängigkeit ausgewählter Branchen auf bzw. von Biodiversität und Ökosystemleistungen (BÖS); Quelle: oekom research AG (2010) Biokraftstoffe Obwohl die Euphorie der früheren Jahre verflogen und der Einsatz von Biokraftstoffen heute deutlich differenzierter beurteilt wird, besteht weiterhin breite Einigkeit darüber, dass Biokraftstoffe einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz sowie zur Entwicklung ländlicher Räume leisten können. Um negative Auswirkungen des Anbaus von Biomasse oekom research AG auf die Biodiversität zu vermeiden, achtet oekom research bei Produzenten von Biokraftstoffen darauf, dass Biomasse aus umwelt- und sozialverträglichem Anbau eingesetzt wird. Gefordert werden hier u. a. Standards zum Umgang mit Pestiziden, die Nutzung von Anbaumethoden, die die Risiken von Bodenerosion und -verdichtung redu- Seite 44 oekom CR Review 2010 zieren, und ein nachhaltiges Wassermanagement. Auf den Einsatz von Gentechnik in der Produktion von Biomasse sollte verzichtet, die Verwendung von Gen-Pflanzen aber mindestens transparent gemacht werden. Diese Anforderungen erfüllen derzeit die drei Unternehmen Petrotec (DE), Biopetrol Industries (CH) und Crop Energies (DE) vergleichsweise am besten. Petrotec (DE) Biopetrol Industries (CH) Crop Energies (DE) Top Unternehmen bei der Bewertung der Biodiversitätsstrategie und -maßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010) Öl & Gas In der Bewertung der Unternehmen der Ölund Gasbranche mit ihren zum Teil massiven Auswirkungen auf Landschaften, Ökosysteme und Biodiversität werden die entsprechenden Strategien und Maßnahmen der Unternehmen zur Minimierung negativer Auswirkungen differenziert ausgewertet. Die Bedeutung und Brisanz dieser Aspekte verdeutlicht die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Naturschutzgebieten aktiv ist. Im Rating werden neben den strukturellen Voraussetzungen für einen systematischen Umgang mit dem Thema (Biodiversitätsstrategie oder -management) auch die konkreten Maßnahmen an den einzelnen Explorations- und Förderstandorten berücksichtigt. Bewertet wird hier, inwieweit es eine Strategie für den Umgang mit diesem Thema gibt, die insbesondere darauf angelegt ist, Biodiversitätsaspekte bereits in der Planungsphase von Explorations- und Fördervorhaben zu berücksichtigen, die Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen zu minimieren und schon in einem frühen Stadium Planungen für den Rückzug und die nachfolgende Renaturierung zu erstellen. Bei der Einschätzung der Leistungen der von oekom research bewerteten Unternehmen ist grundsätzlich voranzustellen, dass die industrielle Tätigkeit der Akteure untrennbar mit massiven Eingriffen in den Naturhaushalt verbunden ist, wodurch Auswirkungen auf die Artenvielfalt unvermeidbar sind. Es geht daher vor allem darum, die zu erwartenden Auswirkungen zunächst zu erfassen und im Anschluss so weit wie möglich zu minimieren. Dabei ist es sinnvoll, Experten spezialisierter Organisationen einzubeziehen, um möglichst wirkungsvolle Programme und Maßnahmen zu entwickeln. In puncto Fortschrittlichkeit dieser Bestrebungen sind die Öl- und Gasunternehmen Repsol (ES), Royal Dutch Shell (NL) und Hess (US) hervorzuheben. Repsols Biodiversitätsstrategie umfasst neben der Einbeziehung von Biodiversitätsaspekten in Umweltverträglichkeitsstudien und Managementscheidungen auch die Schulung von Mitarbeitern und die Beteiligung an Forschungsprojekten. Biodiversitätsschutzprojekte werden in verschiedenen Biomen wie Regenwald (Peru) und Küstenregion (Trinidad) durchgeführt. Repsol (ES) Royal Dutch Shell (NL) Hess (US) Top Unternehmen bei der Bewertung der Biodiversitätsstrategie und -maßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010) Shell arbeitet eng mit mehr als einhundert Naturschutzorganisationen wie der International Unit for the Conservation of Nature (IUCN) zusammen und erstellt für seine Projekte „Biodiversity Action Plans“. Ein Schwerpunkt der Biodiversitätsprojekte von Shell ist die Arktis, ein anderer die Auswirkungen der Biokraftstoffproduktion auf die Biodiversität. Hess ist eines der wenigen Öl- und Gasunternehmen, die bisher keine Projekte in Naturschutzgebieten betreiben. Das Unternehmen untersucht mögliche Auswirkungen seiner geplanten Projekte auf die Biodiversität und bezieht die Ergebnisse in die Auswahl der Standorte und das weitere Vorgehen mit ein. In Ghana hat Hess ein Programm zum Schutz der Meeressäuger vor elektroakustischen Wellen, die bei der Suche nach Ölvorkommen eingesetzt werden, implementiert. oe-Ton „Die Förderung von Öl und Gas – zumal in Naturschutzgebieten – ist untrennbar mit schweren Eingriffen in den Naturhaushalt verbunden. Es liegt daher in der Verantwortung der Unternehmen, die negativen Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die betroffenen Ökosysteme so gering wie möglich zu halten. Dabei ist die Kooperation mit Fachleuten unerlässlich.“ Kristina Rüter, oekom Branchenanalystin Oil & Gas oekom research AG Seite 45 oekom CR Review 2010 Tourismus Tourismuseinrichtungen wie Hotelkomplexe und die damit verbundene Infrastruktur, z. B. Straßen, Flughäfen, aber auch Golfplätze und Hotelstrände, haben zum Teil massiven Einfluss auf die Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Außerdem werden insbesondere durch den Wasserverbrauch und die Abfälle die umliegenden Ökosysteme beeinträchtigt. Gleichzeitig hängt aber die Attraktivität von Urlaubszielen vom Zustand der natürlichen Umwelt ab. Immer mehr Urlauber achten daher bei der Buchung von Reisen darauf, ob ein Hotel umweltverträglich geführt wird. In das oekom Corporate Rating der Reiseanbieter fließt in diesem Zusammenhang ein, ob die Unternehmen Leitlinien und Schutzmaßnahmen zum Thema Biodiversität im Unternehmen verankert haben. Dazu gehört unter anderem, dass sie sich an internationalen Standards und Verträgen zum Artenschutz orientieren und Mitarbeiter sowie Gäste über das richtige Verhalten zum Schutz von Pflanzen und Tieren informieren. Der deutsche Reiseveranstalter TUI erreicht hier die beste Bewertung, gefolgt von der französischen Accor Gruppe und dem Hotelbetreiber Marriot aus den USA. Hervorzuheben ist bei TUI die transparente Berichterstattung über Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt innerhalb touristischer Aktivitäten. TUI (DE) Accor (FR) Marriot (US) Top Unternehmen bei der Bewertung der Biodiversitätsstrategie und -maßnahmen; Quelle: oekom research AG (2010) oe-Ton „In kaum einer anderen Branche hängen der Schutz der Biodiversität und der langfristige Unternehmenserfolg so direkt zusammen wie in der Tourismusbranche. Jenseits des PartyTourismus suchen Urlauber zu ihrer Erholung vor allem das Erlebnis einer intakten Natur. Es ist daher wichtig, dass Tourismusunternehmen den Wert von Biodiversität erkennen und umfangreiche Maßnahmen ergreifen, um diese zu schützen.“ Ellen Mayer, oekom Branchenanalystin Leisure Herausforderung Informationsbeschaffung Eine zentrale Herausforderung im Rating der Biodiversitätsaspekte ist die Informationsbeschaffung. Trotz zahlreicher Initiativen in bzw. unter Beteiligung der Wirtschaft (z. B. Marine Stewardship Council (MSC), Forest Stewardship Council (FSC)) stehen die Unternehmen noch am Anfang einer systematischen und umfassenden Beschäftigung mit dem Thema. Die Unternehmensanalysen zeigen deutlich, dass das Engagement in diesem Themenfeld häufig anekdotisch ist. Umfassende Strategien zu einem systematischen Umgang mit dem Thema sind bisher kaum zu erkennen. Entsprechend dürftig ist häufig die Informationssituation. Eine umfassende, vergleichbare und komprimierte Berichterstattung zu Biodiversitätsaspekten findet bisher nicht statt. oekom research hat in diesem Zusammenhang wiederholt die Gründung eines Biodiversity Disclosure Projects (BDP) angeregt, das analog zum Carbon Disclosure Project (CDP) systematisch Informationen zum Engagement der Unternehmen für den Artenund Ökosystemschutz sammelt. Anlageprodukte mit Fokus „Biodiversität“ Im Gegensatz zu den anderen hier behandelten Themen Klima, Energie und Wasser spielt Biodiversität bei nachhaltigen Anlageprodukten bisher kaum eine Rolle. Nach Kenntnis von oekom research berücksichtigt ausschließlich der Global Challenges Index (GCX) (vgl. S. 13) Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität explizit als Kriterium für die Auswahl von Unternehmen. oekom research hat außerdem ein Portfolio von Unternehmen zusammengestellt, die sich in besonderer Weise im Bereich Biodiversität engagieren. Das „oekom Responsible Investment Portfolio Biodiversity“ kann als Grundlage für die Gestaltung entsprechender Anlageprodukte genutzt werden. oekom research AG Seite 46 oekom CR Review 2010 Auf den Punkt gebracht • Dem Thema Biodiversität wird von Experten eine ähnliche Bedeutung beigemessen wie dem Klimawandel. In den Unternehmen hat sich diese Einschätzung bisher nur punktuell niedergeschlagen, ein systematisches Management der entsprechenden Risiken und Chancen gibt es bisher nicht. • Gleiches gilt für die Berichterstattung. Eine umfassende, vergleichbare und komprimierte Information zu Biodiversitätsaspekten findet bisher nicht statt. oekom research regt daher die Gründung eines Biodiversity Disclosure Projects (BDP) an, das analog zum Carbon Disclosure Project (CDP) systematisch Informationen zum Engagement der Unternehmen für Arten- und Ökosystemschutz sammelt. • Die Risiken der einzelnen Branchen hängen maßgeblich davon ab, wie hoch der Einfluss der Branche auf die Artenvielfalt und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme bzw. wie stark die Abhängigkeit von den entsprechenden Leistungen der Natur ist. • Beispielhaft für den ersten Fall stehen die Öl- und Gasbranche und die Bergbauindustrie. Ihre Aktivitäten sind mit Eingriffen in die Natur und Artenvielfalt verbunden, häufig sind sie sogar in Naturschutzgebieten tätig. Diese zu minimieren gelingt derzeit den Unternehmen Repsol, Royal Dutch Shell und Hess am besten. • Die Tourismusbranche ist dagegen in besonderer Weise von einer intakten Flora und Fauna abhängig. Der deutsche Reiseveranstalter TUI erreicht im Hinblick auf deren Schutz die beste Bewertung, gefolgt von der französischen Accor Gruppe und dem Hotelbetreiber Marriot aus den USA. Mit dem Thema Biodiversität und der Bedeutung für den Finanzmarkt beschäftigt sich auch der Gastbeitrag von Stefan Hörmann vom Global Nature Fund. 2.4 Ausblick Wie geht es 2010 weiter mit dem Thema Corporate Responsibility? Positiv, denken wir, und sehen fünf gute Gründe, warum das Leitbild der Nachhaltigkeit als Wegweiser aus der aktuellen Krise dienen kann: 1. Nachhaltigkeit bietet Orientierung für viele der diskutierten Defizite „Wir erleben das Ergebnis fehlender Transparenz, Laxheit, unzureichender Aufsicht und von Risikoentscheidungen ohne persönliche Haftung. Wir erleben das Ergebnis von Freiheit ohne Verantwortung.“ So hat Bundespräsident Horst Köhler in seiner Berliner Rede 2009 die Ursachen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise umrissen. Ergänzen könnte man noch die Orientierung an kurzfristigen und eindimensional ökonomischen Zielen. Für diese Defizite bietet das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ein Gegenkonzept: Die Orientierung an generationsübergreifenden Zeiträumen anstelle von Quartalen, die Erreichung ökonomischer, sozialer und umweltbezogener Ziele als Messlatte etwa bei der Festlegung der viel zitierten Boni und eine Verantwortung des Einzelnen für die Erreichung gesellschaftlicher Ziele. Ob die Politik es schafft, diese Prinzipien der Nachhaltigkeit in Leitplanken oekom research AG für die wirtschaftliche Entwicklung umzusetzen, ist offen. Immerhin: Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP taucht der Begriff „nachhaltig“ gleich auf 43 der insgesamt 132 Seiten auf, das Kapitel zur Wirtschaftspolitik ist sogar mit „Wohlstand für alle durch nachhaltiges Wirtschaften“ überschrieben. Gleichzeitig schließt sich aber das „Fenster der Möglichkeit“ zur umfassenden Umsteuerung in Richtung Nachhaltigkeit, das Anfang 2009 unter dem Eindruck der Krise noch weit geöffnet war, in dem Maße, in dem die Wirtschaft unter Einsatz der „alten Rezepte“ vermeintlich wieder Tritt fasst. 2. Nachhaltige Unternehmen kommen besser durch die Krise A.T. Kearney hat in einer Studie nachgewiesen, dass nachhaltige Unternehmen besser mit den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zurecht kommen als konventionelle Unternehmen. Verglichen wurde die Performance von 18 Branchen im Zeitraum Mai bis November 2008. Ergebnis der Analyse: In 16 der 18 Branchen haben nachhaltig wirtschaftende Unternehmen eine um durchschnittlich 15 Prozent höhere Performance erzielt als die Gesamtbranche. Dietrich Neumann, Zentraleuropachef Seite 47 oekom CR Review 2010 von A.T. Kearney, zu den Ergebnissen der Studie: „Unsere Studie unterstreicht, dass die Aktienmärkte nachhaltigen Unternehmen eher zutrauen, die Krise zu bewältigen und vor allen Dingen auch langfristig – sprich nach der Krise – weiterhin sehr erfolgreich zu sein.“ Dieser Einschätzung gibt es aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen. 3. Nachhaltige Unternehmen sind langfristig erfolgreicher Und in der Tat gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Studien, die belegen, dass nachhaltige Unternehmen und damit auch nachhaltige Kapitalanlagen mittel- bis langfristig mindestens genauso erfolgreich sind wie konventionelle. Ein effizienter Umgang mit Energie und Rohstoffen, eine vertrauensvolle Partnerschaft mit den Mitarbeitern und Kunden, eine gesellschaftliche „Licence to operate“ von den externen Stakeholdern und die ganzheitliche Analyse und Lösung von Problemen sind nur einige der Aspekte, die dafür sprechen, dass nachhaltige Unternehmen erfolgreicher wirtschaften. 4. Der „Mehrwert“ von Nachhaltigkeit wird von immer mehr Unternehmen erkannt Diese Erkenntnis setzt sich bei einer steigenden Zahl von Unternehmen durch, und Nachhaltigkeit ist daher häufig auch schon im Kerngeschäft verankert. Dafür gibt es einige Indizien: • In vielen Unternehmen, etwa bei BMW und Munich Re, ist das Thema in der Unternehmensbzw. Konzernentwicklung angesiedelt, da es nach Einschätzung der Unternehmen einen Beitrag zur strategischen Entwicklung des Unternehmens leistet. • In zahlreichen Unternehmen sind Nachhaltigkeitsaspekte fester Bestandteil des Risikomanagements, z. B. im Hinblick auf Länder-, Klima- und Reputationsrisiken. • Die Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit ist häufig neben den spezialisierten Abtei- oekom research AG lungen auch bei Investor Relations verankert. Dies trägt der wachsenden Bedeutung der nachhaltigkeitsorientierten Investoren Rechnung. Wie dargestellt, haben 2009 zahlreiche Unternehmen eine Intensivierung ihrer CR-Anstrengungen angekündigt. Auch dies verweist auf die veränderte Wahrnehmung von Nachhaltigkeit als unternehmerischem Erfolgsfaktor. 5. Nachhaltigkeitsthemen rücken auf der Agenda wieder stärker nach oben Im Jahr 2010 werden Themen (wieder) auf die öffentliche Agenda rücken, die von der Wirtschafts- und Finanzkrise ein Stück weit verdeckt wurden. Dies gilt in erster Linie für den Klimawandel. Hier werden 2010 intensive Verhandlungen notwendig sein, um das von vielen Experten als enttäuschend bewertete Ergebnis der Kopenhagener Klimakonferenz in einen an den wissenschaftlich belegten Notwendigkeiten – Stichwort 2-Grad Ziel – orientierten völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zu überführen. Klimaschutz wäre dabei ein Konjunkturprogramm, von dem auch die nachfolgenden Generationen profitieren, die unsere Schulden bezahlen. Neben dem Klimaschutz werden andere, in dieser Studie angesprochene Projekte dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit verstärkte Aufmerksamkeit bekommt. Dazu zählen die Großprojekte Desertec und Seatec für das Thema Energie genau so wie die TEEB-Studie für das Thema Biodiversität. Hier wird das offizielle UN-Jahr der Biodiversität 2010 mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Initiativen und Publikationen für zusätzliches Interesse sorgen. Gute Gründe also, warum 2010 die Ausrichtung der Wirtschaft am Leitbild der Nachhaltigkeit voranschreiten wird. Ob wir hier zu optimistisch waren, werden wir im nächsten oekom Corporate Responsibility Review beleuchten. Seite 48 oekom CR Review 2010 Biodiversität – die nächste Herausforderung für die Finanzwirtschaft Stefan Hörmann, Global Nature Fund Die Frage, ob Unternehmen einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten sollten, ist längst beantwortet. Klimaschutz ist Topthema in Wirtschaft und Gesellschaft. Der Erhalt der biologischen Vielfalt als weitere globale Herausforderung befindet sich auf dem Weg dorthin. Dabei geht es um mehr als den Schutz charismatischer, bedrohter Tierarten wie den Eisbär. Vielmehr stehen das gesamte Artenspektrum und die Ökosysteme zur Sicherung der menschlichen Lebensgrundlagen auf dem Spiel. Deren Erhalt ist auch von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Für die Finanzbranche spielt Biodiversität mit Blick auf ein vorausschauendes Risikomanagement und die Erschließung neuer Geschäftsfelder eine wichtige Rolle. Kreditvergabe und Investitionsentscheidungen können einen signifikanten Einfluss auf die biologische Vielfalt haben. Ein wichtiger Impuls wird im internationalen UNJahr der Biodiversität 2010 durch die Veröffentlichung der TEEB-Abschlussstudie1 erwartet, die den Wert von Biodiversität und Ökosystemen wie Wäldern, Feuchtgebieten und Korallenriffen einschließlich ihrer lebenserhaltenden Leistungen wie saubere Luft, reines Wasser und Nahrungsmittel monetär erfasst. Neue Geschäftsfelder für den Finanzsektor Vermehrt entwickeln sich neue Geschäftsmodelle und Märkte, die eine nachhaltige Nutzung und den Erhalt von biologischer Vielfalt zum Ziel haben. Ein jüngst von der niederländischen Wirtschaftsuniversität Nyenrode in Zusammenarbeit mit Finanzdienstleistern und Naturschutzverbänden abgeschlossenes Forschungsvorhaben identifizierte mehrere Bereiche mit Geschäftspotenzialen für Kapitalanleger2. Dazu zählen nachhaltige Forstwirtschaft, Emissionsminderungen durch vermiedene Entwaldung (REDD – Reduced Emissions from Deforestation and Degradation), handelbare Nutzungsrechte von Ausgleichsflächen (Habitatbanking) und Ökotourismus. Gerade Wald- und Forstprojekte können eine gute Rendite abwerfen, zum Klimaschutz beitragen und der Artenvielfalt dienen, wenn sie gut gemanagt werden. Bisher erfordern diese Projekte jedoch eine genaue Prüfung sowie Kenntnisse zur Biodiversität, die bei Kapitalmarktakteuren meist nicht ausreichend vorhanden sind. Das Ergebnis der Studie lautet, dass institutionelle Anleger aufgrund ähnlich zu erwartender Entwicklungen wie beim Klimaschutz und Emissionshandel zukünftig verstärkt die Investitionschancen, die der Artenschutz und die Ökosystemleistungen bieten, nutzen wer- oekom research AG den. Kooperationen mit der Wissenschaft und den Naturschutzverbänden sind hierbei eine wichtige Voraussetzung. Für die Versicherungsbranche haben sich ebenfalls neue Geschäftsfelder ergeben. Explizit Bezug auf Arten und natürliche Lebensräume nimmt das Umweltschadensgesetz. Unternehmen müssen sich im Sinne des Vorsorgeschutzes verstärkt mit Naturund Artenschutz auseinandersetzen. Im Schadensfall entstehen hohe Kosten für Sanierungsmaßnahmen, deren Abdeckung durch Produkte der Versicherungsbranche erfolgen kann. Risiken für die Finanzbranche Abhängig von Produkt, Kundenstruktur und Ort können durch eine unzureichende Berücksichtigung von Biodiversität unterschiedlich stark ausgeprägte Reputations- und Finanzierungsrisiken entstehen. Die UNEP Finance Initiative identifizierte im Bereich der Projekt- und Exportfinanzierung hohe Risiken. Auch bei der Unternehmensfinanzierung existieren teilweise große Gefahren3, wobei folgende Branchen besonders kritisch betrachtet werden: • Landwirtschaft und Lebensmittel • Bauwirtschaft und Baustoffe • Forst- und Holzwirtschaft • Tourismus • Bergbau • Energieversorgung (Öl, Gas) Der Geschäftserfolg von Unternehmen dieser Branchen basiert entweder auf intakten Ökosystemen, welche die Verfügbarkeit von natürlichen Rohstoffen sicherstellen und/oder auf unternehmerischen Aktivitäten, die direkte Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben. Die Lebensmittelindustrie beispielsweise ist ohne die Bestäubungsleistung von Insekten Lieferengpässen und höheren Preisen bei der Rohstoffbeschaffung ausgesetzt. Würde eine natürliche Bestäubung gänzlich ausfallen, entstünden nach wissenschaftlichen Schätzungen Kosten in Höhe von jährlich bis zu 310 Milliarden Euro. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang der seit einigen Jahren feststellbare Rückgang der Bienenpopulationen, zu deren Gründen die Ausdehnung von Agrarflächen und der Einsatz von Pestiziden zählen, die wiederum von Teilen der Industrie forciert werden. Ein kürzlich von der Natural Value Initiative (NVI) vorgenommenes Ecosystem Services Benchmark (ESB) Seite 49 oekom CR Review 2010 unter Nahrungsmittel- und Getränkeherstellern ergab, dass weniger als die Hälfte aller untersuchten Unternehmen Ökosystemleistungen in ihrem Risikomanagement berücksichtigen, obwohl sie sehr stark von der Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Produkte abhängig sind. Der Unilever-Konzern erhielt von der NVI die besten Noten4. Der Zugang und die Nutzung genetischer Ressourcen – häufig auch unter dem Stichwort Biopiraterie zusammengefasst – kann ebenfalls erhebliche Risiken für einzelne Branchen mit sich bringen. Das vom Pharmaunternehmen Schwabe vertriebene Erkältungsmittel Umckaloabo ist mit einem Umsatz von 80 Millionen Euro pro Jahr eines der erfolgreichsten freiverkäuflichen Arzneimittel. Es basiert auf Extrakten zweier Wildarten der Pelargonie im südlichen Afrika. Das Europäische Patentamt hat der Firma im Januar 2010 ein Patent auf die Extraktion der Wirkstoffe aus der Pflanze mit der Begründung aberkannt, dass es sich um keine neue Erfindung handle. Südafrikanische NGOs hatten die Klage eingereicht und unter anderem den Vorwurf erhoben, dass Schwabe traditionelles Wissen südafrikanischer Heiler unrechtmäßig übernommen habe. Beitrag der Finanzinstitute – mehr als Begrünen des Firmengeländes Im eigenen Umfeld können Finanzdienstleister mit Maßnahmen zur ökologischen Gestaltung von Unternehmensflächen und durch die Einführung eines umweltverträglichen Beschaffungswesens positive Wirkungen auf die biologische Vielfalt erzielen. Bedeutender sind Maßnahmen zur Berücksichtigung von Biodiversität im Kerngeschäft. Bisher fehlen zwar noch umfassende Leitlinien und anerkannte Indikatoren- und Methodensets, damit Finanzdienstleister alle Aspekte der Biodiversität strategisch erfassen können. Die Zahl der Entwicklungen in diese Richtung nimmt jedoch zu. BiodiversitätsLeitlinien für Finanzdienstleister erarbeitet momentan die Arbeitsgruppe „Biodiversität“ des Vereins für Umweltmanagement in Banken, Sparkassen und Versicherungen (VfU). UNEP FI hat in Zusammenarbeit mit mehreren größeren Finanzinvestoren und NGOs die oben erwähnte NVI ins Leben gerufen. Nachhaltigkeits-Ratingagenturen sind dabei, Kriterien mit eindeutigem Biodiversitätsbezug zu formulieren. Aktuell entwickelt oekom research einen Risikoindex, der die Betroffenheit einzelner Branchen durch die Risiken des Artensterbens und der verminderten Funktionsfähigkeit der Öko-Systeme bewertet. Bis zur „Marktreife“ der auf Biodiversität zugeschnittenen Instrumente müssen bestehende Ansätze wie die Equator Principles und ihre auf dem IFC Standard basierenden Kriterien zum Schutz von natürlichen Ressourcen für den Bereich der Projektfinanzierung eine breite Anwendung finden. Weiterhin können bei der Unternehmensfinanzierung vorab das Engagement in Biodiversitäts-Initiativen und die Verpflichtung zur Einhaltung von Standards geprüft werden. Deutschlands Business and Biodiversity Initiative zum Beispiel umfasst über 40 Unternehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen, die sich zur Integration von Biodiversität in das Umweltmanagement verpflichtet haben. Auf europäischer Ebene wird die neu gestartete Business and Biodiversity Campaign des Global Nature Fund eine Vielzahl an Unternehmen bei der Entwicklung einer Vorreiterrolle für Biodiversität unterstützen. Sollte ein Unternehmen seiner Verantwortung nicht gerecht werden, bleibt immer noch die Möglichkeit, sich als Investor ganz aus dem Finanzgeschäft zurückzuziehen. Im Fall von Rio Tinto hat der norwegische Pensionsfonds im Jahr 2008 sämtliche Anteile am Unternehmen in Höhe von 500 Millionen britischen Pfund verkauft. Grund war die Beteiligung des Bergbaumultis an einer Gold- und Kupfermine in West Papua, deren hochgiftiger Abraum den LorentzNationalpark, einen der größten und artenreichsten Parks in Südostasien, gefährdet. Quellen: (1) www.teebweb.org: Dieser „Stern-Report“ der Biodiversität wird von Pavan Sukhdev, Leiter Globale Märkte der Deutschen Bank, im Auftrag der Bundesregierung und der EU erstellt. (2) Nyenrode University-IUCN-ECNC (2009), Conference paper “Boosting Investments in Biodiversity and Ecosystem Services”, Amsterdam 11-12 November 2009. (3) UNEP FI (2008), Biodiversity and Ecosystem Services – Bloom or Bust. (4) Grigg, A., Cullen, Z., Foxall, J., and Strumpf, R. (2009), Linking shareholder and natural value. Managing biodiversity and ecosystem services risk in companies with an agricultural supply chain. Stefan Hörmann ist Projektleiter bei der Umweltstiftung Global Nature Fund. Dort ist er verantwortlich für die Umsetzung der Europäischen Business and Biodiversity Kampagne, die zum Ziel hat, Unternehmen verschiedener Branchen – darunter auch der Finanzsektor – für das Thema Biodiversität zu sensibilisieren. Finanzdienstleister mit Interesse am Thema Biodiversität können sich direkt an Stefan Hörmann wenden unter: Tel: +49/(0)228/2429018, E-Mail: [email protected]. oekom research AG Seite 50 oekom CR Review 2010 oekom Inside Die oekom research AG ist eine der weltweit führenden Ratingagenturen im Bereich des nachhaltigen Investments. Seit mehr als 16 Jahren haben wir uns auf die Analyse der weltweit wichtigsten Unternehmen, Organisationen und Staaten als Emittenten von Aktien und Renten spezialisiert. Auf dieser Basis bieten wir ein umfassendes Dienstleistungspaket zur Integration von ethischen, sozialen und ökologischen Aspekten in das Asset Management unserer Kunden. 2009 konnten wir trotz Finanzkrise unseren Kundenstamm auf über 60 Asset Manager und institutionelle Investoren aus acht Ländern weiter ausbauen. Insgesamt beeinflusst unser Research derzeit ein Volumen von ca. 90 Milliarden Euro Assets under Management. Entscheidend für den Erfolg von oekom research ist die Glaubwürdigkeit unserer Analysen. Um diese zu gewährleisten, sind aus unserer Sicht vor allem zwei Aspekte von zentraler Bedeutung: die Unabhängigkeit – auf Ebene der Agentur und der Analysten – sowie ein ausgefeiltes Qualitätsmanagementsystem. oekom research verfolgt in diesen Bereichen seit der Gründung im Jahr 1993 einen konsequenten Weg und hat auf den verschiedenen Ebenen entsprechende Standards gesetzt. So akzeptieren wir z. B. in unserem Aktionärskreis keine Unternehmen, die wir bewerten, und keine Finanzmarktakteure. Ferner verzichten wir bewusst auf jegliche Form von Beratung bei den bewerteten Unternehmen. In Bezug auf die Qualität unserer Ratingprozesse bescheinigt uns der Markt seit Jahren eine führende Po- sition im Vergleich zu unseren Wettbewerbern. Nichtsdestotrotz haben wir unser Ratingsystem einem ausführlichen Audit durch einen Wirtschaftsprüfer auf der Basis des international anerkannten Qualitätsstandards CSRR-QS 2.1 der „Association for Independent Corporate Sustainability and Responsibility Research“ (➔ www.csrr-qs.org) unterzogen. Unser interdisziplinäres Team umfasst zur Zeit 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um den vielfältigen Ansprüchen unserer Kunden und anderer Stakeholder gerecht zu werden und eine qualitativ hochwertige Dienstleistung anbieten zu können, bildet die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung unserer Analysten einen wichtigen Schwerpunkt. Nur durch ständiges Lernen sind wir in der Lage, die reichhaltigen Facetten der von unserem Research thematisierten Bereiche kompetent beurteilen und neue gesellschaftliche, technische sowie naturwissenschaftliche Entwicklungen sachgerecht begleiten zu können. Neben dieser inhaltlichen Expertise erfordert der globale Markt auch ein zunehmendes Maß an Internationalität: So sprechen unsere Mitarbeiter derzeit insgesamt zwölf verschiedene Sprachen. In all unseren Aktivitäten möchten wir die Grundprinzipien der Corporate Responsibility vorleben: insbesondere als Arbeitgeber gegenüber unseren Mitarbeitern sowie als Marktteilnehmer gegenüber unseren Kunden und Wettbewerbern. Die ökologische Belastung, die von unseren Geschäftsaktivitäten ausgeht, minimieren wir durch geeignete Maßnahmen. Referenzen Institutionelle Investoren: • Deutsche Bundesstiftung Umwelt • Diözese Linz • Diözese Rottenburg-Stuttgart • ERAFP • • • • Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern MAIF Missionszentrale der Franziskaner Munich Re • • • • Ordensgemeinschaften Pensionskasse Novartis Stiftung EVZ VBV Pensionskasse Finanzdienstleister: • AGICAM • Allianz Global Investors France • AmpegaGerling Investment • Baden-Württembergische Bank • Bank für Orden und Mission • Bank für Sozialwirtschaft • Bankhaus Jungholz • Bankhaus Schelhammer & Schattera • BankInvest Group • Bank Vontobel • BayernInvest • BNP Paribas Asset Management • BÖAG – Börsen AG Hamburg/Hannover • Crédit Agricole Asset Management • Daiwa Asset Management • DekaBank • Deutsche Bank • • • • • • • • • • • • • • • • • DJE Kapital DZ Bank Erste Sparinvest Evangelische Darlehnsgenossenschaft GLS Gemeinschaftsbank Groupama Asset Management HSBC Investments HypoVereinsbank Kaiser, Ritter, Partner KD-Bank Kepler Fonds Landesbank Baden-Württemberg LBBW Asset Management LIGA Bank MEAG Metzler Metzler Asset Management • • • • • • • • • • • • • • • • • Natixis Asset Management Nordcon NordLB ÖkoWorld Lux Pioneer Investments Proventus Raiffeisen Capital Management Sal. Oppenheim Schwyzer Kantonalbank SEB Invest sks Vermögensverwaltung Sparkasse Oberösterreich Steyler Bank Umweltbank Unicredit VINIS Wilhelm von Finck oekom research AG Seite 51 oekom CR Review 2010 Methodik Das Corporate Rating der oekom research AG basiert auf insgesamt über 500 Untersuchungskriterien, die in zwei Dimensionen, dem Social Rating und dem Environmental Rating, zusammengefasst werden. Im Rahmen eines branchenspezifischen Ansatzes werden jeweils rund 100 Kriterien für die Analyse und Bewertung einzelner Branchen ausgewählt und deren Gewichtung untereinander an die jeweiligen sozialen und umweltbezogenen Problemstellungen in den Branchen angepasst. Die relevanten Informationen erheben die Analysten sowohl bei den Unternehmen selbst als auch bei unabhängigen Experten, um die Angaben zu validieren und zu ergänzen. Zentrale Quellen der Unternehmensanalyse sind: Am Ende des Rating-Prozesses werden die Unternehmen auf einer Skala bewertet, die von A+ (exzellente Nachhaltigkeitsperformance) bis D(sehr schlechte Nachhaltigkeitsperformance) reicht. Nur Unternehmen, die eine im Vorfeld der Analyse in Abstimmung mit wissenschaftlichem Beirat und Rating-Komitee branchenspezifisch festgelegte Mindestnote erreichen, erhalten von oekom research den Status „Prime“. oekom research bezeichnet diesen Ansatz als absoluten Best-in-Class-Ansatz. • Auswertung von Unternehmensinformationen (Geschäfts-, Sozial- und Umweltberichte, Produktlinienbeschreibungen etc.) sowie Dialog mit Vertretern aus den bewerteten Unternehmen; • Internet- und Datenbankrecherche, Mediascreening; • ausführliche Recherche bei Experten aus Wissenschaft, Behörden und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). oekom research AG Seite 52 oekom CR Review 2010 Glossar Ausschlusskriterien Unter nachhaltigen Investoren verbreiteter Ansatz, nach dem Unternehmen, die in bestimmten Geschäftsbereichen tätig sind (z. B. Alkohol, Pornografie, Rüstung oder Tabak) oder durch ein kontroverses Geschäftsverhalten auffallen (z. B. Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen), vom Investment ausgeschlossen werden. Best-in-Class-Ansatz Nach dem Best-in-Class-Ansatz werden jeweils die besten im Sinne von sozial und ökologisch besonders engagierten Unternehmen einer Branche zum Investment ausgewählt. Dabei kann zwischen dem relativen und dem absoluten Best-in-Class-Ansatz unterschieden werden. Nach dem relativen Ansatz wird unabhängig von der effektiven Nachhaltigkeitsleistung ein fester Prozentsatz der besten Unternehmen einer Branche ausgewählt, also z. B. immer die besten 20 Prozent. Beim absoluten Ansatz wird zusätzlich eine Mindestschwelle berücksichtigt. Nur Unternehmen, die diese Mindestanforderungen erfüllen, können Best-in-Class werden. CSR Corporate Social Responsibility; am ehesten zu übersetzen mit „gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“, die soziale und umweltbezogene Aspekte umfasst. Engagement (engl.) auch: aktives Aktionärstum; insbesondere im anglo-amerikanischen Raum verbreiteter Ansatz, bei dem die Investoren im direkten Dialog mit den Unternehmen versuchen, Missstände im Bereich der sozialen und umweltbezogenen Leistungen zu beheben. Dieser Ansatz gewinnt derzeit auch in Kontinentaleuropa an Bedeutung. ESG Die Abkürzung ESG steht für „Environment, Social & Governance“ und beschreibt die drei Themenbereiche, die im Rahmen des CR-Managements und seiner Bewertung berücksichtigt werden sollen. Materialität Unter der Überschrift „Materialität“ wird nach der finanziellen Relevanz einzelner Umwelt- und Sozialkriterien bzw. des gesamten Nachhaltigkeitskonzepts gefragt. Nach wie vor ist das Vorurteil weit verbreitet, dass nachhaltige Anleger im Vergleich zu konventionellen Anlagen auf Rendite verzichten müssen. Zahlreiche Studien haben aber belegt, dass bei nachhaltigen Anlagen kein systematischer Renditenachteil besteht, einige Studien sehen sogar einen Renditevorteil entsprechender Anlagen. SRI Socially Responsible Investment; im internationalen Rahmen verbreitete Bezeichnung für das nachhaltige Investment. oekom research AG Seite 53 oekom CR Review 2010 Quellen BSR (2009) Sustainable Investment in China 2009 ECOreporter (2010) Marktdaten nachhaltige Publikumsfonds in Deutschland; www.ecoreporter.de EUROSIF (2008) European SRI Study 2008 EUROSIF (2009) Theme Report Biodiversity International Finance Corporation (IFC) (2009) Gaining Ground: Integrating Environmental, Social and Governance Factors into Investment Processes in Emerging Markets J.P. Morgan / Bayerisches Finanz Zentrum (2009) Mythos Family Office Mercer (2009) Shedding Light on Responsible Investment: Approaches, Returns and Impacts Munich Re (2009) Weltkarte der Naturgefahren 2009 PwC / oekom research (2009) Corporate Responsibility bei Auslandsinvestitionen SAM (2009) Alpha durch Nachhaltigkeit Stefan Schneider / ecofin Verbund (2010) Studie zum Markt für nachhaltige Zertifikate und Excjange Traded Funds in Deutschland SÜDWIND (2009) Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für ein Aktives Aktionärstum in Deutschland. Eine Machbarkeitsstudie Sustainable Business Institute (2010) Marktentwicklung nachhaltige Publikumsfonds bis Ende 4. Quartal 2009; www.nachhaltiges-investment.org UNEP FI (2009) Fiduciary Responsibility: Legal and Practical Aspects of Integrating Environmental, Social and Governance Issues into Institutional Investment vigeo (2009) Green, social and ethical funds in Europe. 2009 Review WWF / Allianz (2009) Major Tipping Points in the Earth’s Climate System and Consequences for the Insurance Sector oekom research AG Seite 54 oekom CR Review 2010 Publikationen Folgende Publikationen hat oekom research im Jahr 2009, teilweise in Kooperation mit Partnern, veröffentlicht. Alle Publikationen sind auf Anfrage bei oekom research erhältlich. oekom Position Paper Atomenergie oekom Position Paper Mikrofinanz oekom Position Paper Agro-Gentechnik oekom Industry Focus, u. a. Financials / Commercial Banks & Capital Markets oekom Commodities ESG Screening oekom Corporate Responsibility Review 2009 Theme Report Biodiversity (in Kooperation mit Eurosif) Corporate Responsibility bei Auslandsinvestitionen (in Kooperation mit PwC) oekom Handbuch Klimarisiken (in Kooperation mit HypoVereinsbank) oekom research AG Seite 55 oekom CR Review 2010 Impressum oekom research AG Goethestraße 28 80336 München Deutschland Fon: +49-(0)89-544184-90 Fax: +49-(0)89-544184-99 [email protected] www.oekom-research.com Vorstand: Robert Haßler Matthias Bönning Redaktion: Rolf D. Häßler Matthias Bönning Text: Rolf D. Häßler Layout/Gestaltung: Ines Markmiller München, im März 2010 Gedruckt auf 100% Recyclingpapier Bildnachweis Umschlagfoto: Tobias Machhaus © www.fotolia.de oekom research AG Seite 56 oekom CR Review 2010