360°-Feedback für Schulleitungen Ein Verfahren zur Identifikation

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360°-Feedback für Schulleitungen Ein Verfahren zur Identifikation
Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Psychologie
AG Sozialpsychologie
Jost Stellmacher & Ulrich Wagner
360°-Feedback für Schulleitungen
Ein Verfahren zur Identifikation von Konfliktpotentialen
(Eine ausführliche Information für Schulleiterinnen und Schulleiter)
Kontakt:
Dr. Jost Stellmacher
Fachbereich Psychologie
Philipps-Universität Marburg
Gutenbergstr. 18
35037 Marburg
Email: [email protected]
Tel. 06421/2823622, Fax. 06421/2823789
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... 2
1. Einführung .............................................................................................................. 3
2. Das Prinzip eines 360°-Feedback-Verfahrens für SchulleiterInnen ........................ 5
2.1. Befragte Personen ........................................................................................... 5
2.2. Schritte eines 360°-Feedback-Verfahrens ....................................................... 6
2.3. Grundsätze ...................................................................................................... 8
2.4. Ziele ................................................................................................................. 8
2.5. Der Aufbau des 360°-Feedback-Fragebogens................................................. 9
3. Erste Ergebnisse mit dem 360°-Feedback-Verfahren .......................................... 13
3.1. Ergebnisse der Hauptstudie........................................................................... 13
3.1.1. Mittelwerte der Dimensionen ................................................................... 14
3.1.2. Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzungen ................... 15
3.2. Evaluation der Hauptstudie ............................................................................ 18
3.2.1. Ergebnisse der Evaluation....................................................................... 18
3.2.2. Fazit der Evaluation................................................................................. 19
4. Fazit zum 360°-Feedback-Verfahren.................................................................... 20
5. Literatur ................................................................................................................ 22
3
360°-Feedback für SchulleiterInnen
1. EINFÜHRUNG
SchulleiterInnen müssen in ihrer Rolle als Führungspersonen im Schulbetrieb eine
Fülle von Aufgaben erledigen. Sie müssen Entscheidungen treffen, strukturieren,
Perspektiven und Ziele entwickeln, Aufgaben delegieren und vieles mehr. Das
Arbeitsklima in einer Schule ist nicht selten davon abhängig, wie gut es SchulleiterInnen gelingt, diese Aufgaben zu erfüllen. Eine Studie von Christ, van Dick, Wagner
und Stellmacher (2002) zeigt, dass die Urteile von SchulleiterInnen und LehrerInnen
nur wenig miteinander zusammenhängen. Dies birgt Konflikte. Daher ist es bei dem
heterogenen Anforderungsprofil von SchulleiterInnen von großer Wichtigkeit, dass
diese eine zuverlässige Rückmeldung über die Wahrnehmung der Qualität ihrer
Arbeit erhalten.
Das 360°-Feedback-Verfahren ist eine Methode, mit der sich Führungskräfte
ökonomisch eine umfassende Rückmeldung über ihre Arbeit einholen können. Das
360°-Feedback ist ein sogenanntes Multi-Source-Feedback: Verschiedene Personen
aus dem Arbeitsumfeld werden gebeten, eine standardisierte Rückmeldung über die
Qualität der Arbeit der Führungsperson abzugeben. Beurteilt werden in aller Regel
Führungsmerkmale (z. B. Informationsweitergabe, Delegationsfähigkeiten), Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Fairness, Offenheit), Haltungen (z. B. Zielorientierung) und
Verhaltensweisen (z. B. Umgang mit MitarbeiterInnen). Neben diesen Fremdeinschätzungen wird auch die Selbsteinschätzung der Führungsperson erhoben und
zum Vergleich herangezogen.
Im
Rahmen
einer
360°-Feedback-Befragung
erhalten
Führungskräfte
einen
ausführlichen Feedbackbericht. Damit werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll die
Führungsperson in die Lage versetzt werden, ihre Stärken und Schwächen zu
erkennen. Sie kann daraus wichtige Rückschlüsse ziehen, wo sie Unterstützungsbzw. Weiterbildungsbedarf hat. Zum anderen kann die Führungsperson Diskrepanzen
zwischen
ihrer
Selbsteinschätzung
und
der
Fremdeinschätzung
durch
verschiedene Personengruppen identifizieren. Wenn solche Diskrepanzen bestehen,
kann das ein Hinweis auf verdeckte Konflikte sein. Damit bekommt die Führungsperson die Möglichkeit, geeignete Maßnahmen zur Lösung oder Reduzierung der
Konflikte einzuleiten.
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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Bislang ist das 360°-Feedback-Verfahren hauptsächlich in der Wirtschaft eingesetzt
worden. Von dort werden positive Erfahrungen mit dem 360°-Feedback-Verfahren
berichtet (Atkins & Wood, 2002; Borman, 1997; Beehr, Ivanitskaya, Hansen, Erofeev
& Gudanowski, 2001; vgl. auch die Metanalyse zu Feedback-Interventionen von
Kluger & DeNisi, 1996; einen guten Überblick bietet Scherm & Sarges, 2002).
Bislang gibt es aber kaum Erfahrungen mit 360°-Feedback-Verfahren in der Schule.
Eine Ausnahme bildet ein Projekt in Schleswig-Holstein. Dort wurde für SchulleiterInnen ein Feedback-Verfahren entworfen und durchgeführt. Erfahrungsberichte mit
diesem Verfahren zeigen positive Ergebnisse (vgl. Einfeldt, 2002; Pohlmann, 2002).
Mit dem Instrument wurden jedoch nur MitarbeiterInnen befragt. Rückmeldungen von
Eltern, SchülerInnen oder MitarbeiterInnen von Schulämtern wurden nicht eingeholt.
Damit ein 360°-Feedback-Verfahren zuverlässige Informationen vermitteln kann, ist
es unerlässlich, einen statistisch abgesicherten Fragebogen einzusetzen, der in der
Lage ist, die verschiedenen Personengruppen zu befragen, die am Schulbetrieb
beteiligt sind. Zwischen Juli 2004 und Februar 2005 wurde dazu durch die AG
Sozialpsychologie der Philipps-Universität Marburg im Auftrag des hessischen
Kultusministeriums eine Studie zum 360°-Feedback-Verfahren für SchulleiterInnen
an 19 hessischen Schulen unterschiedlicher Schultypen (Grund-, Haupt- und
Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Sonderschule und Berufsschule) mit 1311
Befragten durchgeführt. Diese Studie wird im Folgenden als Hauptstudie bezeichnet.
in Kapitel 2 wird zunächst ein Überblick über das Prinzip eines 360°-FeedbackVerfahrens gegeben. Neben der Beschreibung des Vorgehens und wichtiger
Prinzipien und Ziele werden die zu befragenden Personengruppen genauer definiert
und der Aufbau eines 360°-Feedback-Fragebogens geschildert. Das dritte Kapitel
geht auf die Ergebnisse der oben erwähnten Hauptstudie ein. Darüber hinaus
werden die Ergebnisse einer ersten Evaluation zum 360°-Feedback-Verfahren durch
SchulleiterInnen geschildert. Kapitel 4 zieht ein Fazit aus den bisherigen Erfahrungen
mit dem beschriebenen Verfahren.
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360°-Feedback für SchulleiterInnen
2. DAS PRINZIP EINES 360°-FEEDBACK-VERFAHRENS FÜR SCHULLEITERINNEN
2.1. Befragte Personen
Die Kernidee eines 360°-Feedbacks ist es, dass sich eine Leitungsperson
Rückmeldungen von verschiedenen Gruppen des eigenen Arbeitsumfeldes geben
lässt und diese mit der eigenen Selbsteinschätzung abgleicht. Idealerweise sollten
die Fremdeinschätzungen von Personengruppen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen eingeholt werden, um eine möglichst umfassende Rückmeldung zu erhalten.
Daher stammt auch der Name des Verfahrens. Für ein 360°-Feedback für SchulleiterInnen empfiehlt es sich, folgende Personenkreise zu befragen:
MitarbeiterInnen der Schule: Bei dieser Gruppe sollten nicht nur LehrerInnen,
sondern auch sonstige MitarbeiterInnen der Schulen, wie z.B. SekretärInnen oder
HausmeisterInnen befragt werden.
Eltern: Bei den Eltern sollten vor allen Dingen aktive VertreterInnen um
Rückmeldung gebeten werden. Dies können entweder Mitglieder aus Elternbeiräten
oder sonstige ElternvertreterInnen sein. Wichtig ist aus Sicht des 360°-FeedbackKonzepts, dass die Befragten in einer gewissen Regelmäßigkeit Kontakt zu den
jeweiligen SchulleiterInnen haben.
SchülerInnen: Auch bei dieser Gruppe besteht das Problem, welche SchülerInnen
in welcher Weise Kontakt zu den SchulleiterInnen haben. Daher empfiehlt es sich,
besonders Personen aus der Schülervertretung um Rückmeldung zu bitten. Angaben
von SchülerInnen aus solchen Klassen, in denen die SchulleiterInnen unterrichten,
sind nur begrenzt aussagekräftig. In einer 360°-Feedback-Befragung werden
SchulleiterInnen in ihren Qualitäten als Leitungspersonen und weniger in ihren
Qualitäten als LehrerInnen beurteilt. Darüber hinaus ist es empfehlenswert,
SchülerInnen erst ab einem gewissen Alter zu befragen. Ein genaues Mindestalter
lässt sich hier schwer definieren. Die Erfahrungen aus der Hauptstudie haben aber
gezeigt, dass die Befragten mindestens die 7. oder 8. Klasse besuchen sollten. In
Grundschulen ist eine Rückmeldung durch die Gruppe "SchülerInnen" wenig sinnvoll.
MitarbeiterInnen der Staatlichen Schulämter: Die Befragung sollte lediglich mit
schulfachlichen
MitarbeiterInnen,
JuristInnen
oder
SchulpsychologInnen
der
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360°-Feedback für SchulleiterInnen
Staatlichen Schulämter durchgeführt werden. Unsere Erfahrungen haben gezeigt,
dass lediglich dieser Personenkreis soweit Einblick in die Arbeit der SchulleiterInnen
hat,
dass
eine
einigermaßen
zuverlässige
Rückmeldung
gewährleistet
ist.
SachbearbeiterInnen der Staatlichen Schulämter sind in der Regel eher nicht in der
Lage, die Items des Fragebogens zu beantworten, weil sie kaum direkten Kontakt zu
SchulleiterInnen haben.
MitarbeiterInnen der Kommunalen Schulämter: Prinzipiell können alle MitarbeiterInnen der Kommunalen Schulämter an einem 360°-Feedback teilnehmen, die
einigermaßen regelmäßig direkten Kontakt zu den SchulleiterInnen haben. Allerdings
zeigen unsere Erfahrungen mit dem Verfahren, dass MitarbeiterInnen der
Kommunalen Schulämter einige Bereiche des Fragebogens nicht zuverlässig
beantworten
können.
Daher
ist
der
Fragebogen
für
MitarbeiterInnen
der
Kommunalen Schulämter im Vergleich zu den anderen Fragebögen deutlich kürzer
(vgl. Tabelle 1).
2.2. Schritte eines 360°-Feedback-Verfahrens
Die Durchführung eines 360°-Feedback-Verfahrens besteht aus mehreren Schritten.
Dies sind im Einzelnen: Einleitung des Verfahrens, Datenerhebung, Auswertung und
Rückmeldung.
Zur Einleitung des Verfahrens wird in einem ersten Vorgespräch mit der Schulleiterin
bzw. dem Schulleiter das prinzipielle Vorgehen geklärt. Dazu gehören vor allen
Dingen die Vorstellung des Fragebogens, die Erläuterung wichtiger Grundsätze und
Durchführungsmodalitäten, sowie die Erläuterung des Rückmeldeverfahrens. Wenn
die Schulleiterin bzw. der Schulleiter einer Durchführung der Befragung zustimmt, ist
es empfehlenswert, dass die Informationen über das 360°-Feedback-Verfahren auch
in einer Gesamtkonferenz an der Schule kurz vorgestellt werden. Diese Vorstellung
dient der Erhöhung der Akzeptanz und der Bereitschaft zur Teilnahme an der
Befragung.
Die zweite Phase des 360°-Feedback-Verfahrens besteht aus der Datenerhebung.
Die Daten werden mit einem standardisierten Fragebogen erhoben, welcher
Aussagen (Items) zu unterschiedlichen Bereichen enthält, die anhand einer
vorgegebenen Antwortskala beantwortet werden sollen (vgl. Kap. 2.5.). Der
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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Fragebogen wird über die Schulleitung an die relevanten Personengruppen
weitergeleitet. Neben den MitarbeiterInnen der Schule sind dies VertreterInnen der
Eltern und der Schülerschaft, sowie MitarbeiterInnen der Staatlichen und
Kommunalen Schulämter. Zur Sicherstellung der Anonymität ist es empfehlenswert,
den Fragebogen mit einem verschließbaren Briefumschlag zu verteilen. Darüber
hinaus empfiehlt es sich, dem Fragebogen eine kurze Erläuterung zur 360°Feedback-Befragung, sowie eine von den SchulleiterInnen unterzeichnete Bitte zur
Teilnahme an der Befragung beizulegen. Dies erhöht ebenfalls die Teilnahmebereitschaft. Für das Ausfüllen des Fragebogens sollten zwei Wochen Zeit gegeben
werden. Ausgefüllte Fragebögen werden dann zentral, z. B. im Schulsekretariat,
wieder eingesammelt. Bei den Fragebögen für MitarbeiterInnen der Staatlichen und
Kommunalen Schulämter empfiehlt es sich, die Fragebögen direkt an die
auswertenden Personen schicken zu lassen.
Schließlich wird nach Eingabe und Auswertung der Daten ein ausführlicher
Rückmeldebericht erstellt. Jeder Rückmeldebericht enthält eine grafische Darstellung
über die von den verschiedenen Beurteilergruppen eingeschätzten Stärken und
Schwächen der Schulleiterin bzw. des Schulleiters, die Beschreibung von
Diskrepanzen zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung und schließlich eine
Transkription der auf der letzten Seite des Fragebogens abgegebenen offenen
Kommentare. Alle Ergebnisse werden separat für die jeweiligen Beurteilergruppen
dokumentiert. Der Rückmeldebericht dient als Basis für das Rückmeldegespräch mit
den SchulleiterInnen, das in aller Regel 1–1,5 Stunden dauert. Das Ziel des
Rückmeldegesprächs ist es, deutlich zu machen,
1. wie die darin enthaltenen Statistiken zu lesen sind,
2. wie die Daten interpretiert werden können und
3. welche weiteren Handlungsschritte als Konsequenz der Ergebnisse zu
empfehlen sind.
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360°-Feedback für SchulleiterInnen
2.3. Grundsätze
Damit ein 360°-Feedback-Verfahren erfolgreich durchgeführt werden kann, sind
folgende Grundsätze zu beachten:
•
Freiwilligkeit: Es muss gewährleistet werden, dass die SchulleiterInnen
freiwillig entscheiden können, ob sie an der Befragung teilnehmen wollen oder
nicht. Das 360°-Feedback-Verfahren ist ein Instrument, das zur Unterstützung
der Arbeit von SchulleiterInnen gedacht ist. Auch muss die Teilnahme aller
anderen befragten Personen freiwillig und ohne Zwang erfolgen.
•
Vertraulichkeit: Die Ergebnisse der 360°-Feedback-Befragung werden in
einem persönlichen Einzelgespräch mit den jeweiligen SchulleiterInnen zurückgemeldet. Der Grundsatz dabei muss sein, dass allein die SchulleiterInnen entscheiden können, wer noch Einblick in die Ergebnisse erhält.
•
Anonymität: In allen Phasen der 360°-Feedback-Befragung sollte die
Anonymität der erhobenen Daten gewahrt werden. Die Datenerhebung und
die Rückmeldung der Ergebnisse erfolgt in einer Form, die keine Rückschlüsse auf einzelne TeilnehmerInnen der Befragung zulässt.
2.4. Ziele
Das
360°-Feedback-Verfahren
dient
dazu,
SchulleiterInnen
in
möglichst
ökonomischer Form eine umfassende Rückmeldung über die wahrgenommene
Qualität ihrer Arbeit zu geben. Ein weiteres Ziel des Verfahrens liegt darin,
Konfliktpotentiale zwischen den jeweiligen SchulleiterInnen und den anderen an der
Schule beteiligten Personengruppen aufzudecken. Dies geschieht durch die
Rückmeldung von Stärken und Schwächen, wie sie von den verschiedenen
Beurteilergruppen gesehen werden, und durch die Analyse von Diskrepanzen
zwischen der Selbsteinschätzung und den jeweiligen Fremdeinschätzungen.
Konfliktpotential ist dann vorhanden, wenn die Fremdbeurteilungen schlecht
ausfallen. Darüber hinaus ist aber auch wichtig festzustellen, ob es Diskrepanzen
zwischen der Selbsteinschätzung und den Fremdeinschätzungen gibt (vgl. Scherm &
Sarges, 2002). Ein besonders kritisches Ergebnis liegt dann vor, wenn die
Fremdeinschätzungen schlecht ausfallen und gleichzeitig erhebliche negative
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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Diskrepanzen zwischen der Selbsteinschätzung und den Fremdeinschätzungen
vorliegen. Negative Diskrepanzen sind dann vorhanden, wenn die Fremdeinschätzungen schlechter als die Selbsteinschätzung sind, d. h. die jeweiligen SchulleiterInnen sich überschätzen. Eine mögliche Erklärung für eine Überschätzung ist, dass die
SchulleiterInnen nicht wissen, wie die Qualität Ihrer Arbeit von den einzelnen
Beurteilergruppen eingeschätzt wird. In einem solchen Fall versetzt erst die
Identifikation von Diskrepanzen die SchulleiterInnen in die Lage, handeln zu können.
In der Aufdeckung von Diskrepanzen zwischen der Selbst- und der Fremdeinschätzung liegt eine Stärke des 360°-Feedback-Verfahrens.
Zu beachten ist, dass die Ursachen von kritischen Ergebnissen mannigfaltig sein
können und nicht allein bei den SchulleiterInnen liegen müssen. Konflikte können
beispielsweise auch durch strukturelle Gegebenheiten an der Schule verursacht sein.
Das 360°-Feedback lässt keine objektiven Aussagen über die Qualität der Arbeit der
SchulleiterInnen zu und ist als Regelbeurteilungsverfahren nicht einsetzbar.
2.5. Der Aufbau des 360°-Feedback-Fragebogens
Der Fragebogen ist in der oben erwähnten Hauptstudie getestet worden. Die
Entwicklung des Fragebogens ist dem Bericht zur Hauptstudie zu entnehmen (vgl.
Stellmacher, Wagner, Ullrich, Ausländer & Mikosch, 2005). Die Items des 360°Feedback-Fragebogens wurden entweder aus Skalen von Einfeldt (2002) sowie
Buhren und Rolff (2002) identisch oder in leicht revidierter Form übernommen.
Darüber hinaus wurden auch neue Items generiert. Durch einen Vortest wurde
sichergestellt, dass die verwendeten Items auch tatsächlich als relevant für
Schulleiterhandeln angesehen werden (vgl. Stellmacher et al., 2005). Der komplette
Fragebogen besteht insgesamt aus den folgenden Bereichen:
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil: Diese Dimension wird durch 19 Items
repräsentiert, die sich auf die Beziehung zwischen SchulleiterInnen und den
am Schulbetrieb beteiligten Personen beziehen. Diese Items thematisieren
Inhalte wie die Partizipation bei Entscheidungen (z. B.: "Der Schulleiter diskutiert anstehende wichtige Entscheidungen offen."), Konflikt- und Stressmanagement (z. B.: "Der Schulleiter kann mit Konflikten im Kollegium souverän
umgehen."), Fürsorge für und Unterstützung von Personen der Schulgemeinde (z. B.: "Der Schulleiter nimmt Sorgen und Ängste von MitarbeiterInnen
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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ernst."), sowie die Pflege des Schulklimas (z. B.: "Der Schulleiter versucht,
aufkommende Frustrationen und Konflikte an der Schule auszugleichen.").
2. Aufgaben- und zielorientierter Führungsstil: Hinter dieser Dimension
verbergen sich zwölf Items, die die sachorientierte Ebene des Führungsstils
betonen. Hierzu gehören Items aus den Bereichen Organisationskompetenz
(z. B.: "Der Schulleiter trifft Entscheidungen zügig, wenn sie benötigt werden."), Kommunikation mit MitarbeiterInnen der Schule (z. B.: "Der Schulleiter
hat manchmal Probleme, eigene Erwartungen an die MitarbeiterInnen klar und
deutlich zu machen.") oder Zielorientierung (z. B.: "Der Schulleiter arbeitet an
der Entwicklung von langfristigen Zielen für die Schule.").
3. Innovationsbereitschaft: Die neun Items dieser Dimension erfragen die
Bereitschaft, Veränderungen im Schulbetrieb zu unterstützen (z. B.: "Der
Schulleiter fördert Ideen und Anregungen, um das Leben in der Schule bunter
und vielseitiger zu gestalten.") oder LehrerInnen zu Weiterbildungen zu motivieren (z. B.: "Der Schulleiter informiert MitarbeiterInnen über Möglichkeiten
der Weiterbildung.").
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen: Diese Dimension enthält acht Items,
die den Umgang mit Eltern und SchülerInnen erfassen (z. B.: "Der Schulleiter
nimmt sich zu wenig Zeit für Anliegen von SchülerInnen.").
5. Belastbarkeit: Mit fünf Items wird die Belastbarkeit bzw. der Erschöpfungsgrad der SchulleiterInnen erfragt (z. B.: "Der Schulleiter erweckt den Eindruck,
eine Pause nötig zu haben.").
6. Delegation: Weitere vier Items erfassen das Ausmaß und die Form der
Delegation von Aufgaben durch die SchulleiterInnen (z. B.: "Der Schulleiter
verteilt Aufgaben an MitarbeiterInnen der Schule angemessen und gerecht.").
7. Schnittstelle zu Staatlichem Schulamt: Dieser Bereich besteht aus sechs
Items, die spezifische Aufgabenschnittstellen zwischen SchulleiterInnen und
dem Staatlichen Schulamt thematisieren (z. B.: "Der Schulleiter verwaltet die
verfügbaren Schulbudgets sachangemessen und effektiv."). Entsprechend
werden diese Items nur den SchulleiterInnen und den MitarbeiterInnen der
Staatlichen Schulämter vorgelegt.
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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8. Schnittstelle zu Kommunalem Schulamt: Dieser Bereich besteht aus neun
Items, die spezifische Aufgabenschnittstellen zwischen SchulleiterInnen und
dem Kommunalem Schulamt thematisieren (z. B.: "Der Schulleiter stellt alle
notwendigen Informationen zur Verfügung, wenn bauliche oder sonstige
Maßnahmen erforderlich sind."). Entsprechend werden diese Items nur den
SchulleiterInnen und den MitarbeiterInnen der Kommunalen Schulämter
vorgelegt.
Die Items der Dimensionen 1 bis 8 sollen anhand von fünf Antwortalternativen von
1 "völlig zutreffend" bis 5 "gar nicht zutreffend" beantwortet werden. Neben diesen
empirisch ermittelten Dimensionen enthält der Fragebogen zusätzlich Items zu den
folgenden Bereichen:
9. Kontakthäufigkeit und Kontaktqualität mit der Schulleiterin bzw. dem
Schulleiter: Für die Auswertung in einer 360°-Feedback-Befragung sollten
solche Personen keine Berücksichtigung finden, die angeben, nie Kontakt mit
der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter zu haben. Daher wird mit einem Item
die Kontakthäufigkeit erfragt. Die Antworten können auf einer Skala von 1
"täglich" bis 5 "nie" angekreuzt werden. Darüber hinaus soll mit Hilfe von fünf
Adjektiven (oberflächlich; gleichberechtigt; konfliktreich; angenehm; kooperativ) zurückgemeldet werden, wie die Befragten insgesamt den Kontakt mit der
Schulleiterin bzw. dem Schulleiter wahrnehmen. Hier stehen den Befragten
Antwortalternativen von 1 "völlig zutreffend" bis 5 "gar nicht zutreffend" zur
Verfügung.
10. Gesamturteil: Mit einem Item ("Welche Gesamtnote geben Sie dem
Schulleiter für seine Arbeit?") wird auf einer Notenskala von 1 "sehr gut" bis 5
"mangelhaft" eine Globalbewertung der Qualität der Arbeit der SchulleiterInnen abgegeben. Dieses Item dient dazu einschätzen zu können, wie stark sich
kritische Bewertungen in einzelnen Dimensionen auf die Gesamtbewertung
niederschlagen.
11. Schulklima: Schließlich wird mit drei Items das allgemeine Schulklima erfasst
(z. B.: "In der Schule herrscht insgesamt ein gutes Klima."). Die Items zum
Schulklima sollen auf einer Antwortskala von 1 "völlig zutreffend" bis 5 "gar
nicht zutreffend" beantwortet werden.
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360°-Feedback für SchulleiterInnen
12. Kommentare: Zusätzlich zu den angegebenen Dimensionen haben die
befragten Personen die Möglichkeit, auf der letzten Seite des Fragebogens
Kommentare niederzuschreiben. Dies dient vor allen Dingen dazu, bei kritischen Rückmeldungen erste Informationen über mögliche Hintergründe für die
Kritik zu erhalten.
Die
Fragebögen
werden
in
geschlechtsspezifischer
Form
vorgelegt,
damit
kompliziertere Formulierungen, die sowohl die weibliche als auch die männliche
Form berücksichtigen, vermieden werden. Somit wird der Fragebogen entweder in
weiblicher Form ("Die Schulleiterin...") oder in männlicher Form ("Der Schulleiter...")
präsentiert. Die Items für die Selbsteinschätzung sind in der Ich-Form formuliert und
werden auch in geschlechtsspezifischen Versionen vorgelegt (z. B.: "Ich als
Schulleiterin..." bzw. "Ich als Schulleiter...").
Eine Grundidee bei der Entwicklung des 360°-Feedback-Verfahrens für SchulleiterInnen war es, allen befragten Personengruppen möglichst identische Fragebögen
vorzulegen, damit Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Es stellte sich jedoch schnell
heraus, dass dies nicht vollständig realisierbar war. Tabelle 1 zeigt, welche
Fragebogenbereiche mit wie vielen Items den jeweiligen Substichproben in
zukünftigen 360°-Feedback-Befragungen vorgelegt werden sollen.
Tabelle 1: Anzahl der Items pro Dimension im neuen Fragebogen
Selbst
MitarbeiEltern
Dimension
terInnen
Schule
SchülerInnen
MitarbeiterInnen
Staatliche
Schulämter
MitarbeiterInnen
Kommunale
Schulämter
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil
19
19
10
10
19
0
2. Ziel- und Aufgabenorientierter Führungsstil
13
12
11
9
13
13
3. Innovationsbereitschaft
9
9
4
4
9
0
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen
8
8
8
8
0
0
5. Belastbarkeit
5
5
5
5
5
5
6. Delegation
4
4
0
0
0
0
7. Schnittstelle zum Staatlichen Schulamt
6
0
0
0
6
0
8. Schnittstelle zum Kommunalen Schulamt
9
0
0
0
0
9
9. Kontakthäufigkeit und –qualität
0
6
6
6
6
6
10. Gesamturteil
1
1
1
1
1
1
11. Schulklima
3
3
3
3
3
3
möglich
möglich
möglich
möglich
möglich
möglich
12. Kommentare
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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3. ERSTE ERGEBNISSE MIT DEM 360°-FEEDBACK-VERFAHREN
3.1. Ergebnisse der Hauptstudie
Im Folgenden werden exemplarisch einige Ergebnisse der Hauptstudie vorgestellt.
Die Hauptstudie diente der Entwicklung des 360°-Feedback-Verfahrens. Es wurden
19 Schulen mit insgesamt 1311 Personen befragt. Der verfügbare Datensatz ist nicht
geeignet, repräsentative Aussagen zu machen. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse
nicht als Einschätzung für die Güte der Ergebnisse von zukünftigen 360°-FeedbackBefragungen herangezogen werden können. Dies liegt vor allen Dingen an zwei
Gründen:
1. Die 19 Schulen der Hauptstudie sind sehr selektiv ausgesucht. Alle Schulen
haben freiwillig an der Befragung teilgenommen. Es kann angenommen
werden, dass gerade solche Schulen zögerlicher waren, an der Befragung
teilzunehmen, in denen es eine kritische Haltung gegenüber FeedbackVerfahren gibt. Entsprechend könnten die vorliegenden Ergebnisse eher
positiv ausgefallen sein. Zuverlässige Aussagen zur Qualität der Ergebnisse
einer 360°-Feedback-Befragung ermöglicht erst eine größere und repräsentative Stichprobe von Schulen, die dann als zuverlässige Vergleichsstichprobe
herangezogen werden kann. Eine solche Stichprobe liegt zur Zeit nicht vor.
2. Die Beurteilungen hängen vermutlich auch von Merkmalen der Schulen ab. In
der Hauptstudie sind Schulen unterschiedlichster Schultypen enthalten
(Grund-, Haupt-, Real-, Gesamt-, Sonder- und Berufsschulen sowie Gymnasien). In einer Grundschule mit 10 LehrerInnen ist die Beziehung der Schulleiterin bzw. des Schulleiters zu den KollegInnen sicherlich eine andere als in
einer Gesamtschule mit 90 LehrerInnen. Es kann vermutet werden, dass sich
dieser Unterschied auch auf die Rückmeldung auswirken wird. Die Anzahl der
bisher befragten Schulen pro Schultyp ist jedoch zu klein, um Aufschluss
darüber geben zu können, wie sich der Schultyp auf die Beurteilung auswirkt.
Trotz dieser Einwände möchten wir einen ersten Eindruck vermitteln, wie die
Ergebnisse einer 360°-Feedback-Befragung ausfallen können. Aufgrund der
Probleme bei der Beantwortung des in der Hauptstudie eingesetzten Fragebogens
360°-Feedback für SchulleiterInnen
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durch MitarbeiterInnen der Staatlichen und Kommunalen Schulämter wird die nun
folgende Darstellung sich lediglich an den Ergebnissen für MitarbeiterInnen der
Schulen, Eltern und SchülerInnen orientieren.
3.1.1. Mittelwerte der Dimensionen
In der Tabelle 2 sind die Ergebnisse der Stärken- und Schwächenanalyse der
Hauptstudie für die einzelnen Dimensionen des 360°-Feedback-Fragebogens
aufgelistet. Dokumentiert werden der beste Wert, der schlechteste Wert und der
Mittelwert aller 19 Schulen sowie die Standardabweichung. Die Werte für die
Dimension "Schulklima" werden nicht aufgeführt, da von den drei vorgeschlagenen
Items für den neuen Fragebogen lediglich ein Item in der Hauptstudie enthalten war.
Darüber hinaus liegen noch keine Daten für die Items zu den Schnittstellen zum
Staatlichen Schulamt (Bereich 7) und dem Kommunalen Schulamt (Bereich 8) vor.
Die Ergebnisse aus Tabelle 2 zeigen vor allen Dingen zwei interessante Aspekte:
•
Es gibt zwischen den Schulen erhebliche Schwankungen in der Rückmeldung
von Stärken und Schwächen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Fragebogen durchaus in der Lage ist, unterschiedliche Wahrnehmungen in der Qualität der Arbeit der SchulleiterInnen zu differenzieren.
•
Es gibt leichte Schwankungen zwischen den befragten Gruppen. In der
Hauptstudie haben die Eltern die insgesamt positivsten Rückmeldungen
abgegeben. Die kritischsten Bewertungen wurden von der Gruppe der SchülerInnen zurückgemeldet. Dies kann darauf hinweisen, dass Eltern und SchülerInnen ein etwas anderes Antwortverhalten bzgl. der Bewertung von SchulleiterInnen zeigen als z. B. MitarbeiterInnen der Schulen. Die Annahme muss
zum jetzigen Zeitpunkt aber noch mit Vorsicht betrachtet werden, da zur
genaueren Beurteilung unterschiedlicher Antwortstile eine größere Anzahl von
befragten Schulen benötigt wird.
15
360°-Feedback für SchulleiterInnen
Tabelle 2: Bester Wert, Schlechtester Wert, Mittelwert und Standardabweichung (SD) der Dimensionen des 360°-Feedback-Fragebogens. Die Mittelwerte sind auf der aggregierten Ebene der Schulen
dargestellt und können zwischen 1 "sehr gute Bewertung" bis 5 "mangelhafte Bewertung" schwanken.
MitarbeiterInnen der Schule
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil
2. Ziel- und aufgabenorientierter
Führungsstil
3. Innovationsbereitschaft
19
Bester
Wert
1,39
19
1,36
3,17
1,96
,42
19
1,37
3,19
1,89
,43
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen
19
1,13
2,40
1,64
,33
5. Belastbarkeit
19
1,22
2,77
1,76
,38
6. Delegation
19
1,50
3,02
2,28
,44
9. Kontaktqualität
19
1,39
2,80
1,94
,43
10. Gesamturteil
19
1,22
3,18
2,01
,55
N
Bester
Wert
Schlechtester
Wert
Mittelwert
SD
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil
18
1,28
2,68
1,72
,31
2. Ziel- und aufgabenorientierter
Führungsstil
18
1,39
2,02
1,72
,18
3. Innovationsbereitschaft
18
1,33
3,00
1,81
,41
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen
18
1,13
2,44
1,60
,32
5. Belastbarkeit
18
1,20
2,13
1,51
,22
N
Schlechtester
Wert
3,08
Mittelwert
SD
2,15
,53
Eltern
6. Delegation
9. Kontaktqualität
10. Gesamturteil
wird für diese Gruppe nicht erfasst
18
1,31
2,30
1,69
,27
18
1,27
2,33
1,74
,29
Mittelwert
SD
2,23
,51
SchülerInnen
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil
2. Ziel- und aufgabenorientierter
Führungsstil
3. Innovationsbereitschaft
12
Bester
Wert
1,74
12
1,88
3,36
2,28
,39
12
1,58
3,42
2,27
,56
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen
12
1,53
3,17
2,17
,61
5. Belastbarkeit
12
1,43
2,92
1,99
,39
N
6. Delegation
Schlechtester
Wert
3,50
wird für diese Gruppe nicht erfasst
9. Kontaktqualität
12
1,90
3,38
2,34
,44
10. Gesamturteil
12
1,73
3,65
2,27
,60
3.1.2. Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzungen
Wie bereits dargestellt, ist neben der Höhe der Mittelwerte bei einem 360°-Feedback
besonders die Diskrepanz zwischen der Selbst- und der Fremdeinschätzung wichtig.
Die Diskrepanz wird als Differenzwert zwischen Selbsteinschätzung minus
Fremdeinschätzung berechnet. Entsprechend können negative und positive Werte
entstehen. Ein positiver Wert entspricht einer Unterschätzung, d.h. die Fremdein-
16
360°-Feedback für SchulleiterInnen
schätzung fällt besser aus als die Selbsteinschätzung der SchulleiterInnen. In diesem
Falle sind die SchulleiterInnen in ihrem Urteil über sich selbst zu bescheiden. Ein
negativer Wert bedeutet eine Überschätzung, d.h., die Fremdeinschätzung ist
schlechter als die Selbsteinschätzung. Tabelle 3 gibt einen Einblick, wie stark die
Diskrepanzen in der Hauptstudie bezogen auf die einzelnen Dimensionen
ausgefallen sind. Für die Dimension "Kontaktqualität" können keine Diskrepanzen
berechnet werden, weil in diesem Bereich keine Selbsteinschätzung erhoben wird.
Tabelle 3: Maximaler Wert für Überschätzung bzw. Unterschätzung sowie Mittelwert und Standardabweichung (SD) der Differenz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung bei den Dimensionen des
360°-Feedbacks. Negative Werte entsprechen einer Überschätzung (Selbst- besser als Fremdeinschätzung), positive Werte einer Unterschätzung (Selbst- schlechter als Fremdeinschätzung).
MitarbeiterInnen der Schule
,29
Mittlere
Abweichung
-,49
,55
-1,38
,53
-,15
,47
19
-,88
,14
-,30
,32
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen
19
-1,21
,60
-,28
,43
5. Belastbarkeit
19
-1,38
,37
-,31
,45
6. Delegation
19
-1,42
,99
-,17
,74
8. Gesamturteil
16
-1,18
1,15
,06
,65
N
Maximaler Wert
Überschätzung
Maximaler Wert
Unterschätzung
18
-,83
,78
N
Maximaler Wert
Überschätzung
Maximaler Wert
Unterschätzung
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil
19
-1,63
2. Ziel- und aufgabenorientierter Führungsstil
19
3. Innovationsbereitschaft
SD
Eltern
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil
Mittlere
Abweichung
-,09
SD
,46
2. Ziel- und aufgabenorientierter Führungsstil
18
-,79
,35
,01
,30
3. Innovationsbereitschaft
18
-1,61
,99
-,40
,52
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen
18
-,87
,94
-,22
,47
5. Belastbarkeit
18
-,70
,63
-,03
,40
8. Gesamturteil
15
-,50
1,18
,31
,44
SchülerInnen
,08
Mittlere
Abweichung
-,61
,59
-1,56
-,11*
-,46
,43
12
-1,42
,67
-,58
,62
4. Umgang mit Eltern und SchülerInnen
12
-2,17
,10
-,84
,73
5. Belastbarkeit
12
-1,92
,18
-,62
,64
8. Gesamturteil
9
-1,65
,27
-,36
,65
N
Maximaler Wert
Überschätzung
Maximaler Wert
Unterschätzung
1. Mitarbeiterorientierter Führungsstil
12
-2,10
2. Ziel- und aufgabenorientierter Führungsstil
12
3. Innovationsbereitschaft
* Bei diesem Fall gab es keine Schule, in dem eine Unterschätzung stattgefunden hat.
SD
360°-Feedback für SchulleiterInnen
17
Die Ergebnisse in Tabelle 3 zeigen, dass wir erhebliche Schwankungen in den
Diskrepanzen finden. Die Werte bewegen sich zwischen –2,17 und +1,18.
Überschätzungen treten dabei häufiger auf als Unterschätzungen. Darüber hinaus
folgen die Höhe und Richtung der Diskrepanzen einer gewissen Systematik.
SchulleiterInnen, die sich in einer Dimension überschätzen neigen meist auch dazu,
sich in anderen Dimensionen zu überschätzen. Welche Bedeutung die Akkuratheit
der Selbsteinschätzung bei dem hier verwendeten Messinstrument z. B. für
Fähigkeiten und Leistungen von SchulleiterInnen spielt, kann zum gegenwärtigen
Zeitpunkt nicht gesagt werden. Hier ist weitere Forschung angezeigt.
18
360°-Feedback für SchulleiterInnen
3.2. Evaluation der Hauptstudie
Im August 2005, d.h. ein halbes Jahr nach Beendigung der Hauptstudie zum 360°Feedback, waren alle SchulleiterInnen, die an der Befragung teilgenommen hatten,
gebeten worden, einen kurzen Evaluationsfragebogen auszufüllen. Von den 19
angeschriebenen Schulen haben 10 SchulleiterInnen eine Rückmeldung gegeben.
Im Folgenden sind die Fragen und die Ergebnisse im Überblick dargestellt.
3.2.1. Ergebnisse der Evaluation
Frage 1: Wie sehr haben Sie die 360°-Feedback-Befragung als Unterstützung erlebt?
Sehr
Eher
Eher nicht
Gar nicht
unterstützend
unterstützend
unterstützend
unterstützend
Häufigkeiten
Prozent
6
3
1
0
60 %
30 %
10 %
0%
Frage 2: Wie nützlich waren die Informationen, die Sie durch die Befragung erhalten
haben?
Eher nicht
Gar nicht
Sehr nützlich
Eher nützlich
nützlich
nützlich
Häufigkeiten
Prozent
7
2
1
0
70 %
20 %
10 %
0%
Frage 3: Sind Veränderungen durch die Befragung angestoßen worden?
Häufigkeiten
Prozent
Ja, sehr viele
Ja, einige
Kaum welche
Nein, gar keine
1
4
4
1
10 %
40 %
40 %
10 %
Frage 4: Können Sie auch anderen SchulleiterInnen die Durchführung einer 360°Feedback-Befragung empfehlen?
Eher nicht
Gar nicht
Sehr empfehlen Eher empfehlen
empfehlen
empfehlen
Häufigkeiten
8
1
1
0
Prozent
80 %
10 %
10 %
0%
360°-Feedback für SchulleiterInnen
19
3.2.2. Fazit der Evaluation
Auch wenn nicht alle SchulleiterInnen, die an der Hauptstudie des 360°-Feedbacks
teilgenommen haben, eine Rückmeldung zur Evaluation abgegeben haben, so
zeichnen die Ergebnisse doch ein recht positives Bild. Nur eine von zehn Personen
scheint weniger zufrieden mit dem 360°-Feedback gewesen zu sein, da diese die
360°-Feedback-Befragung als eher nicht unterstützend, die Information aus dem
Verfahren als eher nicht nützlich und die Durchführung eines 360°-Feedbacks als
eher nicht empfehlenswert beurteilt hat. Von allen anderen wurde das 360°Feedback-Verfahren als unterstützend erlebt und die Informationen, die die
SchulleiterInnen dadurch erhalten haben, wurden als nützlich empfunden. Hier muss
nochmals betont werden, dass die Funktion des 360°-Feedbacks nicht nur die
Rückmeldung von Defiziten ist, sondern auch die Identifikation von Bereichen, die
positiv bewertet werden. Beide Formen der Rückmeldung sind wichtig.
Ein weiteres Ziel der 360°-Feedback-Befragung ist es natürlich, Hinweise darauf zu
liefern, in welchen Bereichen Optimierungsbedarf besteht. Daher wurde in Frage 3
nach Veränderungen gefragt, die durch das 360°-Feedback-Verfahren angestoßen
wurden. Auch hier zeigt die Evaluation, dass das bisherige Verfahren durchaus in der
Lage ist, Veränderungen anzustoßen. Die Hälfte der befragten SchulleiterInnen
gaben in der Evaluation an, einige oder viele Veränderungen nach dem 360°Feedback vorgenommen zu haben. Im Zusammenhang mit dieser Frage wurden die
SchulleiterInnen zusätzlich gebeten anzugeben, in welchen Bereichen Veränderungen eingeführt wurden. Genannt wurden Bereiche wie Delegation, Konfliktmanagement, Umgang mit SchülerInnen oder Zusammenarbeit mit dem Staatlichen
Schulamt.
Schließlich gaben 80% der Befragten in der Evaluation an, die 360°-FeedbackBefragung sehr empfehlen zu können.
20
360°-Feedback für SchulleiterInnen
4. FAZIT ZUM 360°-FEEDBACK-VERFAHREN
In einer Studie mit 1311 Befragten wurde das neu entwickelte 360°-Feedback für
SchulleiterInnen an 19 hessischen Schulen erprobt. Damit liegt für den Schulbereich
erstmals ein empirisch erprobtes Verfahren zur Durchführung von 360°-FeedbackBefragungen an Schulen vor. Mit relativ wenig Aufwand können SchulleiterInnen sich
ein umfassendes Bild über die Beurteilung ihrer Arbeit durch verschiedene am
Schulbetrieb beteiligte Personengruppen machen. Das 360°-Feedback versteht sich
als eine Analyse des Konfliktpotentials. Es soll herausgefunden werden, ob und in
welchen Bereichen kritische Situationen vorliegen. Besonders kritisch ist eine
Situation dann, wenn die Rückmeldungen durch eine Gruppe auf Defizite hinweisen,
diese aber von der Schulleiterin oder dem Schulleiter nicht wahrgenommen werden.
Genau in der Identifizierung solcher latenten Konflikte liegt die Stärke des 360°Feedbacks.
Wichtige Grundsätze für das Gelingen eines 360°-Feedbacks sind Vertraulichkeit,
Anonymität und Freiwilligkeit. Die SchulleiterInnen sollten selber entscheiden
können, wer die Ergebnisse zu sehen bekommt (Vertraulichkeit), es sollten keinerlei
Rückschlüsse auf einzelne urteilende Personen möglich sein (Anonymität) und die
Teilnahme an einem 360°-Feedback sollte freiwillig erfolgen (Freiwilligkeit). Unter
Beachtung
dieser
Grundsätze
kann
ein
360°-Feedback-Verfahren
wichtige
Informationen für SchulleiterInnen liefern.
Das Ziel des 360°-Feedback-Verfahrens ist aber nicht nur die Rückmeldung von
kritischen Situationen, sondern auch die Rückmeldung darüber, in welchen
Bereichen die Arbeit der Schulleiterin bzw. des Schulleiters als gut beurteilt wird.
Dies ist eine nicht zu unterschätzende Funktion des 360°-Feedbacks.
Die bisherigen Erfahrungen mit den 360°-Feedback-Befragungen haben auch
Defizite des Verfahrens deutlich gemacht. Besonders in Situationen, in denen
kritische Rückmeldungen gegeben wurden, wäre es notwendig, auf externe
Unterstützungssysteme verweisen zu können. Dies betrifft insbesondere die
Bereiche Supervision, Mediation und Coaching.
Falls Konfliktfelder in einer Schule identifiziert werden, ist es ratsam, die Befragung
nach einem angemessenen Zeitraum zu wiederholen. Der zeitliche Abstand richtet
360°-Feedback für SchulleiterInnen
21
sich dann vor allen Dingen nach den Maßnahmen, die zur Konfliktbearbeitung
eingeführt werden. Ziel sollte sein, dass sich die Diskrepanzen zwischen der Selbstund der Fremdeinschätzungen verringern und die Fremdbeurteilungen besser
werden. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass erfolgreiche Maßnahmen
nach einem 360°-Feedback das Schulklima insgesamt verbessern.
Insgesamt hat sich das 360°-Feedback-Verfahren – wie die Evaluation gezeigt hat –
als unterstützendes und hilfreiches Instrument für SchulleiterInnen erwiesen. Die
momentan schnell voranschreitenden Reformen an den Schulen und vor allen
Dingen die sich wandelnden Aufgabenprofile von SchulleiterInnen werden in Zukunft
Weiterentwicklungen des 360°-Feedback-Verfahrens notwendig machen. Der
vorliegende Fragebogen ist der erste seiner Art, der nach strengen statistischen
Kriterien erfolgreich validiert wurde und somit zuverlässige Rückmeldungen für
SchulleiterInnen durch 360°-Feedback-Befragungen ermöglicht. Daher sollten sich
Weiterentwicklungen an diesem Fragebogen orientieren.
360°-Feedback für SchulleiterInnen
22
5. LITERATUR
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center ratings: Validation evidence for 360-degree feedback programs. Personnel Psychology,
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360 degree feedback ratings. Journal of Organizational Behavior, 22, 775-788.
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Buhren, C. G. & Rolff, H.-G. (2002). Personalentwicklung in Schulen. Weinheim: Beltz.
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und Identifikation. HLZ, 1/2002, 28-29
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schulmangement, 5, 11-13.
Scherm, M. & Sarges, W. (2002). 360°-Feedback. Göttingen: Hogrefe.
Stellmacher, J. & Wagner, U. (2006). Bericht über eine Zusatzstudie zum 360°-Feedback für
Schulleitungen "Optimierung des Messinstruments für Staatliche und Kommunale Schulämter". Marburg, unveröffentlichter Bericht.
Stellmacher, J., Wagner, U., Ullrich, J., Ausländer, T. & Mikosch, B. (2005). Bericht über das Projekt
"360°-Feedback für Schulleitungen". Marburg, unveröffentlichter Bericht.