University of Edinburgh, 2014-15
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University of Edinburgh, 2014-15
Erfahrungsbericht Name: S o r g, R i c a r d a Austauschjahr: 2014/15 Gastuniversität: University of Edinburgh Stadt: Edinburgh Land: Schottland Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht, kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden. Ein lebensgroßer Stormtrooper mit Kilt und blauer William Wallace Kriegsbemalung. Das war so ziemlich der erste Anblick, der sich mir bot als ich gerade frisch in Edinburgh angekommen war - und wie sich herausstellte war das ein ziemlich passender erster Eindruck. Edinburgh ist eine faszinierende Mischung aus Quirk, Zeitgeist, schottischem Nationalstolz und Tradition. Und wunderschön ist es auch. Egal was die Glaswegians euch erzählen wollen - Glasgow mag die cooleren Konzerte kriegen, aber Edinburgh ist schöner, punkt. Obwohl ich in die Stadt kam ohne eine feste Unterkunft zu haben (dazu später mehr), habe ich mich nach wenigen Tagen zuhause gefühlt und auch jetzt, ein halbes Jahr später und wieder zurück in Augsburg, habe ich HEIMweh nach Edinburgh. Ankunft Ich bin mit dem Zug nach London gefahren um dort ein bisschen Zeit zu verbringen, und von da aus dann mit dem Bus nach Edinburgh. Natürlich ist Fliegen schneller und oft billiger - aber ich hasse Flughäfen, Flugzeuge, diese blöden Kekse, die man bei Kurzstreckenflügen immer bekommt, und die ständige Angst, dass mein Gepäck in Wladiwostok o.ä. landet. Die Busfahrt war nicht sehr komfortabel und hat um die neun Stunden gedauert. Um Komfort und Schnelligkeit geht es bei Megabus und Konsorten aber sowieso nicht, die Tickets sind nämlich wahnsinnig günstig. Vor allem wenn man früh bucht kommt man richtig billig in alle größeren britischen Städte. Wenn ihr mit dem Flieger kommt, nehmt bloß nicht die Tram oder den total überteuerten Airlink Bus. Die normale Stadtlinie 35 bringt euch auch in die Stadt – zwar dauert es länger, aber es kostet nur 1,50 und man sieht gleich was von der Umgebung. Unterbringung Wie bereits erwähnt bin ich obdachlos nach Schottland gefahren, da ich kein Wohnheim-Fan bin. Natürlich gibt es einige Vorteile und die könnt ihr auch in allen vorherigen Erfahrungsberichten nachlesen. Ich habe erstmal ein paar Tage bei der örtlichen Buddhistengruppe auf einem Futon geschlafen und habe mich dann per Couchsurfing durchgeschlagen. Währenddessen war ich auf Wohnungssuche – keine leichte Aufgabe. In Edinburgh etwas Bezahlbares zu finden, ist eine echte Herausforderung, besonders wenn man einer von gefühlt acht Millionen Wohnungssuchenden ist. Wenn ihr euer Glück versuchen wollt, kann ich euch gerne einige Links schicken, bzw. euch zu Facebook Gruppen einladen. Einige Faustregeln: Schaut euch die Wohnung wenn irgend möglich mehrmals zu verschiedenen Tageszeiten an. Zahlt bloß nichts, bevor ihr nicht die Wohnung gesehen habt. Erzählt jedem, dass ihr auf Zimmersuche seid und seid dabei unheimlich charmant und liebenswert – die besten Zimmer gehen unter der Hand und auf Vertrauensbasis. Ich hatte wahnsinnig Glück und habe relativ bald ein Zimmer gefunden. Das war allerdings erst ab Oktober verfügbar, also habe ich noch drei Wochen lang in Hostels und auf diversen Sofas verbracht. Wenn ihr euch bei Couchsurfing unsicher seid, kann ich das Castle Rock und das Caledonia Hostel empfehlen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ihr die Wahl habt, sind wahrscheinlich Morningside oder Bruntsfield die coolsten Viertel für Studenten. Stockbridge ist auch toll, aber ein Stück weiter von der Uni entfernt. Ich bin in Leith gelandet – da wo Trainspotting gedreht wurde. Eigentlich eine eigene Stadt, ist es vor einiger Zeit Teil von Edinburgh geworden (auch wenn das einige Bewohner immer noch nicht wahr haben wollen). Leith liegt am Meer und ist leicht schäbig – ich habe es dort geliebt! Auch wenn eine meiner Mitbewohnerinnen auf meine Frage wie es denn sei mit dem abends allein nach Hause gehen, geantwortet hat: "Um. If you just keep your wits about you, you should be fine." Im Großen und Ganzen bin ich wirklich froh, nicht in ein Wohnheim gegangen zu sein. In meiner schrägen WG voller verrückter Schottinnen habe ich Edinburgh wirklich von "Innen" kennen und lieben gelernt. Uni Da ich als Erasmus-Student leider in keinen einzigen Honours Kurs gekommen bin, habe ich sozusagen ein Wahlbereich-Semester gemacht und Soziologie, Schwedisch und Englische Literatur 2 (ein bisschen Wiederholung kann ja nicht schaden) belegt. Abgesehen davon, dass die Tutorien kleiner sind und man mehr Essays schreiben muss, habe ich keine großen Unterschiede zur Uni Augsburg feststellen können. Oh, und natürlich der Puppy Room. Ein Raum voller Welpen, der den Studenten während der Prüfungszeit zum "Stressabbau" zur Verfügung steht. Da gehen dann wohl die ganzen Studiengebühren, die die Engländer in Schottland zahlen müssen, hin. Was aber wirklich toll ist sind die ganzen Societies. Im Nachhinein bereue ich, dass ich das nicht mehr genutzt habe, also wiederholt meinen Fehler bloß nicht! In der Fresher's Week gibt es einen Societies Fair, wo sich alle Clubs vorstellen - geht früh hin, es wird viel los sein. Die Fresher's Week überhaupt ist ein Massen-Event auf das man gefasst sein sollte. Und vom Kauf eines Fresher's Passes würde ich abraten, ich kenne niemanden, für den sich das Ding gelohnt hat. Die Leute im Visiting Students Office sind alle lieb und hilfsbereit, also scheut euch nicht, da vorbeizuschauen wenn ihr Hilfe braucht. Wenn ihr mit dem Edinburgh-Equivalent von digicampus nicht klar kommt, macht euch keinen Kopf – das tut keiner. Alltagstipps Wenn ihr nicht vollkommen verarmen wollt, macht Lidl zu eurem besten Freund. Tesco und Sainsbury sind zwar hübsch anzusehen, aber sehr viel teurer (und abgesehen davon haben sie diese blöden Self-Checkout Maschinen mit denen ich mir einige erbitterte Kämpfe liefern musste und die meiner Meinung nach Werkzeuge Luzifers sind). Mit eurem Studentenausweis bekommt ihr in vielen Läden Prozente, also immer schön nachfragen. Ein Bankkonto in Großbritannien lohnt sich meiner Meinung nach nur, wenn ihr länger als ein halbes Jahr da seid. Ich habe nur Horror- Geschichten über den Aufwand gehört und bin gut ohne ausgekommen. Mit meiner DKB Kreditkarte konnte ich überall umsonst abheben und die Miete habe ich bar abgehoben und einer Freundin mit britischem Konto gegeben. Simkarten werden in der Freshers Week umsonst verteilt, Giff Gaff hatte als ich da war die günstigsten Tarife, mit Lebara hat man internationale Freiminuten zum nach Hause Telefonieren. Ob sich ein Monatsticket für die Stadtbusse für euch lohnt, müsst ihr selber entscheiden. Mir waren die 40 Pfund zu viel, daher bin ich die paar Kilometer lieber gelaufen. Im Allgemeinen ist das Busnetz aber ganz gut ausgebaut und mit 1,50 pro Fahrt auch bezahlbar. Die Stadt Nun zu Edinburgh. Wo soll man anfangen… Um die Stadt kennen zu lernen, macht am besten erstmal bei der Free Walking Tour mit. Die ist zweimal pro Tag (11 und 2 Uhr) und startet vor dem Starbucks auf der Royal Mile. Die Stadt ist aber auch auf eigene Faust gut zu erkunden. Man kann toll durch Bruntsfield spazieren und die schrägen kleinen Läden nach Schätzen durchforsten, oder Samstags zum Stockbridge Market gehen und dann einen Abstecher ins Dean Village machen. Second Hand Läden gibt es wie Sand am Meer – ein guter Anfang ist es, die Nicolson Street entlang zu laufen, Designerteile wird man am ehesten in Stockbridge finden und die beste Kette ist eindeutig Shelter. Mein Lieblings-Charity-Shop ist St. Columba's auf dem Leith Walk. Hier findet man immer was und die blau beschürzten alten Damen flöten ganz unironisch "Cheerio, love!" zum Abschied. Armstrong's auf dem Grassmarket ist ein legendärer Vintage-Laden, der alles, aber auch wirklich alles hat. Alte Uniformen, hunderte von Kilts, glitzernde 80er Jahre Ballkleider, Taillenröcke die Donna Reed stolz gemacht hätten und Karohemden über Karohemden über Karohemden. Wenn man eher auf Primark, Topshop und Co. steht, ist die Princes Street natürlich ein Paradies – und danach kann man sich mit Blick auf das Schloss in den Princes Street Gardens entspannen. Die Museen sind alle wahnsinnig toll, besonders die Portrait Gallery, die Royal Scottish Academy, die Grassmarket Gallery und das Scottish Museum sind immer einen Abstecher wert – und vor allem ist bei allen der Eintritt frei. Auch die kleineren Gallerien in New und Old Town haben manchmal tolle Künstler ausgestellt. In Edinburgh Essen zu gehen ist wegen den horrenden Preisen als Normalsterblicher fast unmöglich. Ein schönes, verstecktes Café ist das Spoon, ein Stockwerk über dem Black Medicine Café in der Nicolson Street. Wenn ihr mal das schottische Frühstück genießen wollt – und das wollt ihr – dann geht zu Snax in der Buccleuch Street gleich hinter der Uni. Es wirkt ein bisschen schäbig und die Köche sind alle halbnackt und voller Tattoos – aber das Essen ist super und vor allem so billig wie sonst nirgends. Und wenn es euch nichts ausmacht von Plastiktellern zu essen, dann ist die Mosque Kitchen die beste Adresse. Sie ist schräg gegenüber vom Lidl in der Nicolson Street und man bekommt dort super leckere Curries ab 4 Pfund. Wenn man zu zweit ist, reicht eine Portion locker wenn man noch ein, zwei Chapatis dazu nimmt. Weggehen ist, wie alles andere, nichts für den kleinen Geldbeutel, aber mit Hilfe des guten alten Vorglühens geht da schon was. Da es Pubs wie Sand am Meer und für jeden Geschmack gibt, sucht ihr euch euren Favoriten am besten selbst mit der Zeit aus. Die besten Clubs findet man am Cowgate, Sneaky Pete's und Bongo waren meine Lieblinge, die Jazz Bar ist auch sehr cool. Da die meisten Clubs allerdings ordentlich Eintritt kosten, lief es bei uns meist doch auf das Hive hinaus – ein etwas abgeranzter Studentenschuppen der aber fast nie Eintritt kostet. Umgebung Per Stadtbus kommt man ganz schön weit und mit dem 3,50 Tagesticket ist es auch was für arme Schlucker. Strandnixen können am Portobello Beach herumtollen, Outdoorfreaks können auf die Pentland Hügel kraxeln (Warnung: Nur wenn wenig Wind weht. Vertraut mir.), und Outdoornixen können bei Ebbe auf die Crammond Island wandern. Glasgow ist natürlich immer einen Tagestrip wert und mit Megabus für 10 Pfund hin und zurück zu erreichen. In Edinburgs ewiger Konkurrentin kann man gut weggehen und es sollte unter Strafe stehen, nicht in die Kelvingrove Gallery zu gehen. Wenn euer Budget nicht für eine ordentliche Reise durch die Highlands reicht, dann begebt euch in die Hände von Donald bei Hairy Coo Tours. Die Ein- Tages-Tour ist auf Spendenbasis, d.h. wenn ihr wollt, könnt ihr auch gar nichts geben. Wenn ihr allerdings eine Seele habt, dann werdet ihr das nicht über's Herz bringen, denn Donald's Geschichten über seine Tante Edna und William Wallace waren eins der Highlights meines ganzen Aufenthalts. PS: Tut euch den Gefallen und probiert Haggis. Es ist sehr viel besser als sein Ruf. Wenn ihr euch unsicher seid, holt euch einfach eine Packung MacSween Haggis aus dem Kühlregal bei Tesco oder Sainsbury, bratet es ein bisschen an und macht euch Kartoffelbrei dazu.