Monitoring und Analyse der ausländischen Medienberichterstattung
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Monitoring und Analyse der ausländischen Medienberichterstattung
Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA Generalsekretariat GS-EDA Präsenz Schweiz K. 721-11 14.10.2012 Monitoring und Analyse der ausländischen Medienberichterstattung über die Schweiz1 Drittes Quartal 2012 (1. Juli bis 30. September 2012) Zusammenfassung Die ausländische Berichterstattung über die Schweiz bleibt auf relativ tiefem Niveau stabil. Steuerfragen wie auch die Frankenstärke – wenngleich nach wie vor wichtige Themen – haben gegenüber den Vorquartalen weiter an Nachrichtenwert eingebüsst. Die Tendenz zu einer grösseren thematischen Breite in der ausländischen Berichterstattung über die Schweiz hält damit weiter an. Die durchschnittliche Tonalität der Berichterstattung zeigt insbesondere zu Beginn des Quartals anlässlich der medialen Kontroverse um das Steuerabkommen sowie der Korruptionsvorwürfe an die Fifa eine zwischenzeitliche Verschlechterung. - In Deutschland sorgt das umstrittene Steuerabkommen im Kontext des Vorwahlkampfs für anhaltende mediale Kontroversen. Die Hausdurchsuchungen bei deutschen Kunden der Credit Suisse wie auch der erneute Ankauf von Steuerdaten-CDs führen zwischenzeitlich zu einer Verschärfung des Tons in den Medien – aber auch zu einer Pluralisierung der Akteure und Argumente. - Die Schweizer Wirtschaft sorgt ungeachtet der getrübten Konjunkturaussichten für positive Schlagzeilen, was v.a. auf den erneuten Spitzenplatz der Schweiz im WEF-Ranking zur Wettbewerbsfähigkeit und die robuste Exportwirtschaft zurückzuführen ist. - Nach der Publikation der Zwischenbilanz der SNB und des kritischen Berichts von Standard & Poor‘s zur „expansiven Währungspolitik“ der Nationalbank mehren sich die kritischen Kommentare über die Schweiz als „neuem China Europas“ (Financial Times), das die Stabilität anderer Währungen und den Zusammenhalt der Eurozone gefährde. - Die touristische und kulturelle Schweiz bleiben die positiven Themenlieferanten: Während in asiatischen Medien v.a. Schweizer Luxusprodukte und die Schönheit der Alpen Anerkennung finden, interessiert in westlichen Medien mehr die folkloristische und landeskundliche Schweiz. In unseren Nachbarländern stossen zudem diverse Kulturfestivals und Schweizer Kunstschaffende auf positive Resonanz. - Auf wissenschaftlichem Gebiet sorgt v.a. die Entdeckung eines neuen, dem Higgs-Boson entsprechenden Teilchens am CERN weltweit für geradezu euphorische Schlagzeilen – das CERN erscheint in erster Linie als europäische Forschungsinstitution, weshalb der Schweizbezug marginal bleibt. - Auf sportlichem Feld finden sich vermehrt positive Berichte u.a. über die Erfolge von Schweizer Athleten (v.a. Federer) und das „House of Switzerland“ in London. Andererseits sehen sich die Fifa und ihr Präsident Blatter anlässlich der jüngsten Korruptionsvorwürfe wieder medialer Kritik ausgesetzt. 1 Das Monitoring umfasst die gesamte Berichterstattung mit Schweiz-Bezug (ausgenommen Börsenmeldungen und Sportresultate) in den Leitmedien (N=102) aus 15 Ländern (China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Israel, Italien, Japan, Russland, Spanien, Südkorea, USA, arabische Länder resp. panarabische Leitmedien, Europäische Union resp. EULeitmedien). Eine Auswahl der Länder war aus Ressourcengründen notwendig, sie orientiert sich an den strategischen, aussenpolitischen Schwerpunkten des EDA sowie am Ausmass der Medien-Berichterstattung über die Schweiz in den Ländern. Bei Bedarf werden Medienberichte aus weiteren Ländern ergänzend mit aufgenommen. Analysiert werden die Online-Ausgaben der Medien, ergänzt durch die Presseschauen der schweizerischen Botschaften. 1. Allgemeine Tendenzen 1.1 Berichterstattungsverlauf Die ausländische Berichterstattung über die Schweiz bleibt im Vergleich zu den ereignisreichen Phasen im Herbst 2011 (SNB, UBS-Betrugsfall) und Frühling 2012 (eidg. Abstimmungen und Busunglück im Wallis) auf relativ tiefem Niveau stabil. Steuerfragen und Frankenstärke, wenngleich nach wie vor wichtige Themen der Schweiz-Berichterstattung, haben weiter an Nachrichtenwert eingebüsst. Während das umstrittene Steuerabkommen im Kontext des Vorwahlkampfs in Deutschland für anhaltende mediale Diskussionen sorgt, stehen die Schweizer Wirtschaft, die „touristische“ Schweiz und vereinzelt kulturelle, sportliche und wissenschaftliche Ereignisse für die positive Glanzlichter. Abb. 1: Entwicklung der ausländischen Berichterstattung mit Schweiz-Bezug (rote Kurve = Anzahl Artikel pro Woche, graue Kurve = kumulierte Tonalität pro Woche) A: Nestlé übernimmt Pfizers Babynahrungsmittelsparte; B: Kapitalverkehrskontrollen SNB; C: Bergunglück, Syrien-Konferenz, CERN; D: Razzia bei CS-Kunden in Deutschland, Steuerabkommen; E: Korruptionsfall Fifa; F: Schweiz an Olympischen Spielen; G: Steuerdaten-CD; H: WEF-Ranking / Konjunkturzahlen Insgesamt zeigt sich auch das dritte Quartal wenig quantitative Höhepunkte (vgl. Abb. 1): C) Zu Beginn stossen zeitgleich verschiedene Ereignisse auf Resonanz im Ausland: Das Bergsteigunglück am Lagginhorn, die Syrien-Konferenz in Genf sowie die Entdeckung eines dem HiggsBoson entsprechenden Teilchens am CERN. D) Die Hausdurchsuchungen bei deutschen Kunden der Credit Suisse befeuern danach die innerdeutsche Kontroverse um das Steuerabkommen und führen zu einer Verschärfung des Tons. E) Die Grundtonalität bleibt infolge der Korruptionsvorwürfe an die Fifa negativ, wenngleich sich die Kritik auf die direkt oder indirekt betroffenen Protagonisten (inkl. Joseph Blatter) beschränkt. F) Ende Juli sorgt die Schweizer Präsenz an den Olympischen Spielen in London für Schlagzeilen: Die positiven Berichte über die Erfolge von Schweizer Athleten sowie das „House of Switzerland“ kontrastieren mit dem als „rassistisch“ kritisierten Tweet des Fussballers Morganella. G) Der Ankauf von weiteren Steuerdaten-CDs in Deutschland führt zu einer Verschärfung aber auch zu einer Pluralisierung der Argumente gegenüber dem Steuerabkommen mit der Schweiz. 2/8 H) Gegen Ende des Quartals stösst dann die Schweizer Wirtschaft auf ambivalente Resonanz: Neben der breiten Würdigung des erneuten Spitzenplatzes im WEF-Ranking zur Wettbewerbsfähigkeit stossen die getrübten Konjunkturzahlen auf einige Überraschung. 1.2 Allgemeine Themenbereiche im Quartalsvergleich Mit Blick auf die thematische Verteilung (vgl. Abb. 2) nimmt die Dominanz von Finanz- und Wirtschaftsthemen weiter ab, sie beträgt gerade noch 35% (zum Vergleich: Im ersten Quartal 2012 betrug der Anteil noch 41%). Es folgt der Bereich „Recht“, der einen Zuwachs von 4% verzeichnet – dies u.a. wegen der Hausdurchsuchungen bei deutschen CS-Kunden, dem Prozess gegen den ehemaligen UBS-Händler Adoboli, den Korruptionsvorwürfen gegen die Fifa und den Steuerdaten-CDs. Der Rückgang des Anteils „Politik“ auf 14% hängt damit zusammen, dass weniger Berichte zum Modell der direkten Demokratie und zu medienwirksamen Abstimmungen erschienen sind. Eine deutlichere Zunahme hat es dagegen im Themenbereich „Sport“ (9%) im Zusammenhang mit den Erfolgen von Schweizer Sportlern (v.a. Federer) und dem Schweizer Auftritt an den Olympischen Spielen in London gegeben. Die übrigen Themenbereiche bleiben allesamt deutlich unter der 10%-Schwelle. Abb. 2: Allgemeine Themenbereiche der Berichterstattung mit Schweiz-Bezug im Quartalsvergleich (%- Anteile) Unrest & Conflicts 2% Science & Technology 2% Disaster & Accident 2% Q2 2012 Social Issue Health 3% Labour 4% Arts, Culture & Entertainm ent Sport 4% 7% Politics 16% 2% Other 3% Economy, Business and Finance 37% Crime, Law and Justice 18% Disaster & Accident Unrest & 2% Social Issue Conflicts Science & 3% 3% Technology 1% Health 3% Labour 3% Q3 2012 Arts, Culture & Sport Entertainm 9% ent 3% Politics 14% Other 2% Economy, Business and Finance 35% Crime, Law and Justice 22% 2. Berichterstattung im Themen- und Ländervergleich 2.1 Relevanz und Tonalität der wichtigsten Schweiz-Themen (vgl. Abb. 3) 2.1.1 Finanz- und Steuerfragen Steuerfragen dominieren nach wie vor die ausländische Medienberichterstattung und prägen eine insgesamt negative Tonalität. Namentlich das Steuerabkommen mit Deutschland sorgt weiterhin v.a. in deutschen Medien für Kontroversen. Angeheizt wird die Debatte durch den Ankauf weiterer Steuerdaten-CDs durch Nordrhein-Westfalen. Während die innenpolitischen Fronten unverändert bleiben und gerade die linksliberale Presse wiederholt das „endgültige Aus des Steuerabkommens“ (Sueddeutsche, Spiegel) verkündet, zeigt sich infolge des CD-Kaufs eine neue mediale Dynamik. - Der erneute CD-Kauf führt vorübergehend zu härteren Vorwürfen prominenter Oppositionsexponenten an die Adresse der Schweiz und Schweizer Banken (Sigmar Gabriel im Deutschlandfunk: „organisierte Kriminalität“, Hans Eichel in der taz: „Hehlerei“), wobei auch der „beispielhafte“ USamerikanische Weg der Druckausübung vermehrt Erwähnung findet. - Gleichzeitig melden sich vermehrt bekannte Koalitionspolitiker (u.a. Westerwelle, Angela Merkel, Leutheusser-Schnarrenberger) zu Wort, um den CD-Kauf und NRW-Finanzminister WalterBorjans zu kritisieren und das Steuerabkommen zu verteidigen. Daneben sind auch wieder verstärkt Schweizer Stimmen (Eveline Widmer-Schlumpf, Tim Guldimann, Michael Ambühl) zu vernehmen, die für das Abkommen argumentieren. - Schliesslich führen die neuen Steuerdaten CDs zu anhaltenden medialen Spekulationen über die Abwanderung deutscher Gelder aus der Schweiz nach Singapur. Dieser vermeintliche Abfluss 3/8 dient beiden Seiten als Bestätigung ihrer Positionen: Befürworter fordern eine rasche Ratifizierung, um die Abflüsse transparent zu machen, die Gegner sehen ihn als Beweis, dass die Schweiz und ihre Banken nicht wirklich an einer Lösung interessiert seien. Im kritischen Fokus der ausländischen Medien bleiben die Schweizer Grossbanken: Die UBS ist im Zusammenhang mit Durchsuchungen französischer Filialen wegen Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung sowie im Kontext der manipulierten Referenzzinssätze im Interbankenbereich Thema zumeist kritischer Berichte in französischen Medien. Gleichzeitig stehen auch die vergangenen Verfehlungen der Bank im Kontext des Prozesses gegen den ehemaligen UBS-Händler Adoboli und der Belohnung des Whistleblowers Birkenfeld wieder vermehrt international im Fokus. Die Credit Suisse sorgt einerseits wegen der Hausdurchsuchung bei deutschen CS-Kunden anlässlich der Entdeckung von Versicherungsmänteln, die die CS angeblich zur Steuerhinterziehung angeboten haben soll, für einiges Aufsehen in Deutschland. Für kritische Medien „weckt der Fall neue Zweifel daran, dass es dem Schweizer Finanzsektor mit seinen Beteuerungen ernst ist, mit unversteuerten Geldern keine Geschäfte mehr zu machen“ (so Holger Alich im Handelsblatt). Andererseits steht die CS wegen ihrer Herabstufung durch Moody’s und der Aufstockung ihres Eigenkapitals als Reaktion auf die Kritik der SNB international im Blick. Während die Kapitalaufstockung auf positive Resonanz stösst, wird gerade in der englischsprachigen Presse vermehrt Kritik an der Glaubwürdigkeit von CEO Brady Dougan laut. 2.1.2 Schweizer Wirtschaft Die Schweizer Wirtschaft sorgt für überdurchschnittlich positive Schlagzeilen. Zu erwähnen ist insbesondere der erneute Spitzenplatz der Schweiz im WEF-Ranking zur Wettbewerbsfähigkeit (z.B. Les Echos: „La Suisse conserve la palme de la compétitivité“, Washington Post: „Switzerland tops WEF global competitive ranking“, Bangkok Post: „Switzerland still the most competitive“). Wenngleich das Abschneiden des jeweils eigenen Landes im Vordergrund steht, erwähnen die meisten Medien auch die Gründe für den erneuten Spitzenplatz der Schweiz (ausgezeichnetes Bildungssystem, gute Forschungspolitik, Innovativität, effizienter Arbeitsmarkt, stabile Institutionen). Ungeachtet der anhaltend hohen Wettbewerbsfähigkeit hinterlässt die Schweizer Wirtschaftskonjunktur ein ambivalenteres Bild in der ausländischen Presse: Während sich die Exportindustrie trotz des starken Frankens als robust erweist, werden die pessimistischeren Prognosen des SECO wie auch die schwächeren Konjunkturzahlen zum zweiten Quartal mit einiger Überraschung aufgenommen (Les Echos: „Suisse: Baisse surprise du PIB“, Wall Street Journal: „Switzerland on Brink of Recession“). Was internationale Unternehmen in der Schweiz angeht, so sorgen weiterhin Schweizer Rohstoffhandelsfirmen für eher zurückhaltende Resonanz: Die Fusionsverhandlungen zwischen Glencore und Xstrata stossen auf grössere Aufmerksamkeit in der internationalen Wirtschaftspresse, wobei der Ausgang mit Spannung erwartet wird. Angesichts des Gewinnrückgangs von Glencore erneuert die Financial Times ihre Prognose, dass ein Scheitern der Fusion zunehmend wahrscheinlich sei. In chinesischen Medien erscheinen einige Artikel, in denen dem Schweizer Pharma-Unternehmen Roche vorgeworfen wird, die vermeintlich tödlichen Nebenwirkungen der Medikamente Avastin, Herceptin, Tarceva, Mab-Thera und Pegasys zu verschweigen. Auslöser für die Artikel war ein Bericht der englischen Boulevard-Zeitung Daily Mail, wonach Roche in den letzten 15 Jahren 80‘000 Meldungen über Todesfälle oder Nebenwirkungen erhalten habe ohne diese weiter zu prüfen und zu melden. 2.1.3 Frankenstärke und SNB Die Frankenstärke und die SNB haben im letzten Quartal weniger Schlagzeilen gemacht. Anlässlich der Publikation der Zwischenbilanz der SNB wie auch dem kritischen Bericht von Standard & Poor‘s finden sich vermehrt kritische Kommentare in ausländischen Medien. So werde die Schweiz durch den verstärkten Ankauf ausländischer Devisen zum „neuen China Europas“ (Financial Times, Le Monde), wodurch sie die Stabilität anderer Währungen gefährde. Deutliche Kritik äussert insbesondere Philippe Askenazy in Le Monde, demzufolge die Schweiz Währungsdumping betreibe um ihrer Exportindustrie „unfaire“ Vorteile zu verschaffen, während sie vom EU-Binnenmarkt profitiere. Nach dem kritischen Bericht von Standard & Poor’s findet sich der Vorwurf einer Verschärfung des Zinsgrabens in der EU vermehrt in europäischen Leitmedien (z.B. Telegraph: „Swiss central bank fuels Europe’s North-South debt crisis“, Kurier: „Eidgenossen verschärfen Euro-Krise“). In der Folge wird auch die Gegenkritik der SNB und der Credt Suisse („grundlegende Fehler“ bei S&P‘s) aufgenommen (Financial Times, Il Sole 24 Ore, Süddeutsche Zeitung u.a.). Das Wall Street Journal weist darauf hin, dass es unmöglich sei, den „Swiss effect“ auf den Zinsgraben zu quantifizieren und dass fundamentale Kritik mangels Alternativen heikel sei, dies umso mehr, als die Währungs4/8 politik der SNB diesen Frühling den Segen des IWF erhalten habe. Gleichzeitig verweisen Medien der betroffenen Eurokernländer auf den senkenden Effekt der SNB-Intervention auf das Zinsniveau der eigenen Staatsanleihen, was die Währungspolitik der SNB in einem günstigeren Licht erscheinen lässt (Figaro: „La France emprunte à bas coût grâce à la Suisse“, Standard: „Schweiz verhilft Österreich zu Niedrigstzinsen“, Spiegel: „Schweiz finanziert Deutschlands Schulden“). Abb. 3: Relevanz und Tonalität der wichtigsten Schweiz-Themen in der ausländischen Berichterstattung ohne Sport (Die y-Achse zeigt die Relevanz des Schweiz-Themas an: je höher ein Thema, desto mehr wird darüber berichtet. Die x-Achse zeigt die durchschnittliche Tonalität eines Schweiz-Themas an: je mehr rechts ein Thema, desto positiver die Tonalität) + Relevance Finanz- und Steuerfragen Natur & Tradition Franken Wirtschaft BFI Kultur Politik - Tonality 2.1.4 + Politik Schweizerische Politik beschäftigt die ausländischen Medien weniger als in den vorhergehenden Quartalen. Auf Resonanz stossen verschiedene direktdemokratische Abstimmungen, so insbesondere die kantonalen Abstimmungen über die Pauschalbesteuerung in Baselland und Bern in französischen und italienischen Medien. Angesichts der Resultate (Abschaffung in Baselland, Erhöhung der Steuer in Bern) divergieren die Interpretationen in Frankreich (Le Parisien: „Les exilés fiscaux moins choyés en Suisse“, Le Monde: „Berne va continuer de choyer ses riches ‚réfugiés‘ fiscaux“), die Haltung der Schweiz zur Pauschalbesteuerung erscheint gespalten (z.B. Nouvel Obs.: „Les Suisses partagés sur l’abolition des avantages pour les exilés fiscaux“). In italienischen Medien wird das Berner Votum dagegen als Verteidigung der bisherigen Steuerpraxis gedeutet (Il Sole 24 Ore: „Svizzera: il forfait fiscale resiste“, Repubblica: „Salvi i milionari stranieri di Gstaad“, Il Giornale: „Per i Vip di Gstaad il fisco resta leggero“). Die Volksinitiative für den Schutz vor Passivrauchen stösst v.a. in Grossbritannien und Österreich auf Interesse, wobei in erster Linie Unverständnis für die Entscheidung des Schweizer Volks „to remain one of the last Western Nations where you can light up“ (Independent) zum Ausdruck kommt. Vereinzelt wird auch die „Macht der Zigarettenfirmen“ (Standard) kritisiert. Daneben sorgen mehrere aussenpolitische Themen für Schlagzeilen: - Das Engagement der Schweiz in Syrien (Syrien-Konferenz in Genf, Nominierung Carla del Ponte für die Sonderkommission, Spitalfinanzierung) wird im Ausland zwar positiv gewürdigt, wenngleich angesichts der laufenden Entwicklungen in Syrien eine pessimistische Grundhaltung vorherrscht. - Die Ausweitung der Sanktionen der Schweiz gegen den Iran wird im Ausland aufgenommen, wobei im Verweis auf Reuters auch hervorgehoben wird, dass die Schweiz wegen aussenpolitischen Erwägungen das Erdöl-Embargo der EU und der USA nicht unterstütze („Swiss opt against Iran oil ban despite U.S., EU moves“). - Der Prozessabschluss und die Verurteilungen im Fall Tinner stossen gerade in der deutschen Presse auf grössere Zurückhaltung (Sueddeutsche: „unbefriedigendes Ergebnis“). Helena Bachmann spricht im Time Magazine von einer Erschütterung des Schweizerischen Selbstverständnisses durch die US-amerikanische Einmischung („an outrage that flares up every time a foreign government intrudes in Switzerland’s affairs“). - Im Kontext des Staatsvertrags im Fluglärmstreit verkünden nationale deutsche Leitmedien Anfang Juli früh die „Beilegung des Fluglärmstreits“ zwischen Deutschland und der Schweiz (Spiegel, Süddeutsche, Handelsblatt), um in den Folgetagen zunehmend Kritik in Südbaden und der Schweiz eingestehen zu müssen. Gerade in süddeutschen Medien, wo das Thema durchgehend interessiert, fällt die Beurteilung zurückhaltender aus, wobei wiederholt auf den Interessenkonflikt zwischen „direkt betroffener Bevölkerung“ und „Politikern“ hingewiesen wird. Diese Skepsis wird Ende September angesichts der Kritik süddeutscher Politiker erneuert. 2.1.5 Schweizer Natur und Traditionen Die „touristische Schweiz“ mit ihrer Natur und ihren Traditionsprodukten bleibt ein wichtiges und positives Moment in der ausländischen Berichterstattung über die Schweiz. Quantitativ dominieren einerseits Berichte über Schweizer Luxusprodukte (Uhren Schmuck) insbesondere in asiatischen Medien, andererseits Reiseberichte. Dabei fallen länderspezifische Unterschiede auf: Während in asiatischen Medien v.a. Berichte über die Schönheit der Schweizer Alpen und ihrer Tourismusstandorte (Luzern, Interlaken etc.) dominieren, interessieren in „westlichen“ Medien (Deutschland, Spanien, Grossbritannien, USA u.a.) eher folkloristische und landeskundliche Aspekte – die New York Times folgt den Spuren von Charles Dickens in der Schweiz, BBC und El Mundo begleiten die Mitglieder der Sherlock Holmes Society an die Reichenbachfälle, das Handelsblatt würdigt die 100-jährige Jungfraubahn als „Schweizer Antwort auf den Eifelturm“, die FAZ widmet dem „Appenzeller Barfussweg“ ein längeres Porträt, der Daily Telegraph befasst sich mit dem „strange local sport“ Hornussen, die Süddeutsche berichtet über die Muotathaler „Wetterschmöcker“ und die FAZ weiss, wie man mit der Schweizer „Militärküche“ selbst „ausgehungerte Pfadfinder für wenig Geld satt“ kriegt. Im Kontrast zu dem idyllischen und folkloristischen Schweizbild stehen die zahlreichen Berichte über Unglücke in den Schweizer Bergen. Im letzten Quartal schlägt vor allem das Bergsteigunglück am Lagginhorn im Wallis, bei dem fünf deutsche Staatsbürger ums Leben kamen, zwischenzeitlich grössere Wellen und lässt Erinnerungen an das Busunglück vom März 2012 aufkommen. Auffallend ist bei diesen Meldungen die Bildsprache, die die Berichte gerade in ausländischen Online-Medien begleitet: Die Schweizer Alpen erscheinen hier für einmal nicht als liebenswürdiges Schönwetterpanorama, sondern als nebelbehangene, lebensbedrohliche Naturgewalt. 2.1.6 Bildung, Forschung und Innovation Im Bereich Forschung sorgt insbesondere die Entdeckung eines neuen Teilchens am CERN, das möglicherweise dem Higgs-Boson-Teilchen entspricht, weltweit für geradezu euphorische Schlagzeilen (CNN: „Scientists edge closer to proving existence of elusive particle“, Süddeutsche: „Der Heilige Gral der Physik scheint gefunden“, BBC Mundo: „El CERN revela hallazgos sobre ‚la particula de Dios“, La Repubblica: „al Cern certi di aver trovato il bosone di Higgs“). Der Schweiz-Bezug bleibt minimal, das CERN erscheint in erster Linie als „europäisches“ Kernforschungszentrum an der Grenze. Daneben sorgen diverse Forschungsergebnisse von Schweizer Universitäten und Forschungsinstitutionen für Aufsehen. Zu nennen ist ein von der EPFL entwickelter Algorithmus, der in der Lage sein soll, in Netzwerken den Ursprung von Ereignissen zu ermitteln, sowie die von der Eawag entwickelte, „zukunftsweisende“ WC-Anlage (Le Monde: „Les WC du futur sont suisses“, USA Today: „New toilet technology after 150 years of waste“, Standard: „Auf dem Weg zum Klo der Zukunft“). Schliesslich bleibt auch die Publikation des Global Innovation Index, in der die Schweiz erneut den Spitzenplatz einnimmt, im Ausland nicht unbemerkt (Le Figaro: „Suisse, Suède, singapour: très inno6/8 vants“, Bloomberg: „Switzerland, Sweden Are World’s Most Innovative Countries“, China Economic Daily: „Swiss reelected to the gobal innovation index’s top“). Obwohl die Medien sich primär für das Abschneiden des eigenen Landes interessieren, wird die Innovationsstärke der Schweiz immer wieder als Benchmark genannt. 2.1.7 Sport Im Bereich des Sports sorgen v.a. internationale Sportorganisationen und -anlässe (Fifa, Schweiz an den olympischen Spielen in London) wie auch die Erfolge von Schweizer Sportlern für Aufmerksamkeit. Der Korruptionsskandal bei der Fifa, bei dem u.a. der ehemalige Fifa-Chef João Havelange und dessen ex-Schwiegersohn Ricardo Teixeira schwer belastet werden, stösst Mitte Juli auf grosses internationales Medieninteresse. Der Umstand, dass die Fifa offensichtlich über die Korruptionsaffäre informiert gewesen war und sich gegen die Herausgabe der Gerichtsakten gewehrt habe, führt zu kritischen Kommentaren gegenüber der Fifa und dessen Präsident Joseph Blatter (FAZ: „Fifa über Jahre Selbstbedienungsladen“, Financial Times: „Fifa knew of bribes to chief, says report“, Spiegel: „Der Schweizer ist von Vorwürfen umzingelt“, Independent: „Sepp Blatter is facing calls to step down as president of Fifa“). Vereinzelt ist auch die Schweiz als Sitz der Fifa Thema, wobei jeweils „günstige“ Steuerbedingungen für Sportorganisationen und die „Sonderregelungen“ genannt werden (z.B. AlArabiya: „international sports organisations (…) enjoy favorable legislative and tax breaks under Swiss law“, FAZ: „Wegen Sonderregelungen für Sportorganisationen fällt in der Schweiz der staatliche Druck für Reformprozesse aus“). Im Kontrast zu den kritischen Kommentaren gegenüber der Fifa stehen die Erfolge von Schweizer Sportlern, allen voran Fabian Cancellaras Prologsieg an der Tour de France und Roger Federers Rückkehr auf den Tennisthron und dessen Triumph in Wimbledon, der gerade in der britischen Presse euphorisch gefeiert wird (Independent: „the effortless majesty of the Swiss maestro“, BBC: „Murray denied by majestic Federer“). Ende Juli sorgt die Schweizer Präsenz an den Olympischen Spielen in London für einige Schlagzeilen. Während die Erfolge von Schweizer Sportlern (Medaillengewinner, insbes. Roger Federer) und das „House of Switzerland“ auch in ausländischen Medien auf positive Resonanz stossen, löst ein nicht nur in südkoreanischen Medien als „rassistisch“ bezeichneter Tweet des Schweizer Fussballers Morganella kurzzeitig grössere mediale Entrüstung (v.a. in Social Media) aus. 2.1.8 Kultur Die Berichterstattung über Kultur bleibt quantitativ schwach ausgeprägt, fällt in der Tonalität aber umso positiver aus. An erster Stelle sorgen diverse Schweizer Kulturfestivals für positive Schlagzeilen, so insbesondere das Filmfestival von Locarno (Haaretz: „the longest-running film-festival in Europe after Cannes and Venice“) mit seinem „most beautiful movie theater in the world“ (Al-Jazeera), das Montreux Jazzfestival, das Paléo Festival in Nyon oder das Verbier Festival. Daneben stehen gleich mehrere Schweizer Kunstschaffende im Fokus der ausländischen Presse: - Martin Suter wird in der deutschsprachigen Presse anlässlich der Publikation seines neuesten Romans „Die Zeit, die Zeit“ als „Politikweiser und „moralische Instanz“ gefeiert, der den Deutschen zeige, „wie erfolgreiche Literatur geht“ (Welt). - Die farbigen Tauben des Schweizer Künstlers Julian Charrière an der Biennale in Venedig werden in italienischen Medien positiv aufgenommen und von Pierluigi Panza in einem längeren Porträt im Corriere della Sera als „romantische“ und „berührende“ Installation gewürdigt - Darüber hinaus werden weitere Schweizer Künstler wie Alberto Giacometti (La Repubblica), Le Corbusier (Times of India) oder Pipilotti Rist (Guardian, Chosun Daily) im Rahmen teils längerer Künstlerporträts gewürdigt. Schliesslich sorgt die von Hans Hilfiker entworfene Schweizer Bahnhofsuhr anlässlich des Plagiatsvorwurfs der SBB an die Adresse von Apple weltweit für Berichte, wobei die Bilder vom Schweizer Design-Klassiker auf dem Internet grössere Verbreitung finden (Washington Post: „Swiss rail company claims Apple stole design of iconic station clock“, ORF: „Apple ‚borgt‘ sich Design der Schweizer Bahnhofsuhren“, Veja: „Apple é acusada de copiar design de relógio“). 2.2 Relevanz und Tonalität nach Ländern (vgl. Abb. 4) Auch im letzten Quartal berichteten die Leitmedien in Deutschland am häufigsten über die Schweiz, was insbesondere auf die innenpolitische Kontroverse um das Steuerabkommen, die Hausdurchsu7/8 chungen bei CS-Kunden und den Ankauf von Steuerdaten-CDs zurückzuführen ist, und was die überdurchschnittlich negative Tonalität in deutschen Medien erklärt. Gleichzeitig wird in Deutschland aber auch häufiger über andere Themen (jüngst v.a. Fluglärmstreit, Bergsteigunglück u.a.) berichtet. Zugenommen hat die Berichterstattung in chinesischen Medien, welche zudem überdurchschnittlich positiv ist. Massgeblich sind einerseits die üblichen positiven Berichte über die „touristische Schweiz“, andererseits aber auch Artikel über die Schweizer Wirtschaft – so stossen insbesondere das gute Abschneiden der Schweiz im WEF-Ranking und die robuste Exportwirtschaft auf Anerkennung in China. Kritische Vorwürfe gibt es v.a. an die Adresse des Pharma-Unternehmens Roche. Abb. 4: Relevanz und Tonalität der ausländischen Berichterstattung nach Ländern ohne Sport (Die y-Achse zeigt die Relevanz des Landes gemessen an seiner Berichterstattung mit Schweiz-Bezug an: je höher ein Land, desto mehr berichten dessen Leitmedien über die Schweiz. Die x-Achse zeigt die durchschnittliche Tonalität der Berichterstattung eines Landes an: je mehr rechts ein Land, desto positiver die Tonalität der Berichterstattung) Relevance + - Tonality + Leicht überdurchschnittlich ist das Medieninteresse in Österreich, den USA und Frankreich. Österreichische Medien sind für einmal ungewöhnlich kritisch, wobei ein besonderes Interesse an der deutschen Kontroverse über das Steuerabkommen zu beobachten ist – gerade linksliberale Medien wie der Standard zeigen sich dabei vermehrt empfänglich für kritische deutsche Argumente. In den USA bleibt die durchschnittliche Tonalität ebenfalls kritisch, es zeigt sich jedoch eine Beruhigung gegenüber den Vorquartalen, was damit zusammenhängt, dass Steuerstreit und Schweizer Banken diesmal weniger Schlagzeilen machten. In Frankreich schliesslich ist die Tonalität weiterhin ausgeglichen, bei der Pauschallbesteuerung kann infolge der Abstimmungen in der Schweiz eine differenziertere Betrachtungsweise der Medien beobachten werden. In den übrigen Ländern bleibt die Berichterstattung unterdurchschnittlich. In Ländern wie Indien, Israel oder in EU-Leitmedien ist die Tonalität weniger negativ als im Vorquartal, was mit der geringeren Aktualität „kritischer“ Themen (Schwarzgeldkontroverse in Indien, Ventilklausel-Entscheid in der EU, Sanktionspolitik der Schweiz gegen den Iran in Israel) zusammenhängt. Eine positive Tendenz zeigt sich schliesslich in Italien, wo diesmal Schweizer Kulturschaffende und Kulturfestivals (v.a. das Filmfestival Locarno) vermehrt auf Resonanz stiessen.