Das Jubiläum des magischen Sechsecks

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Das Jubiläum des magischen Sechsecks
Das Jubiläum des magischen Sechsecks
Hans-Friedrich Bauch
Vom magischen Sechseck 1887 zu magischen
Figuren in den regulären Parketten 1989
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Am 5. Mai 1887 hatte der
Stralsunder Stadtbaumeister
Ernst von Haselberg (1827–
1905) sein Manuskript über
das magische Sechseck beendet. Er sagte selbst von sich,
dass er eine Vorliebe für die
Mathematik habe, aber während seines Studiums zeitweilig die Kunst gegenüber dem
technischen Teil der Bauwissenschaften bevorzugen würErnst von Haselberg
de. Siehe zu seinem Engagement in der Denkmalpflege
nach dem Studium [HAS 1881–1902]. Die Publikationen
über das Sechseck [HAS 1888], [HAS 1889] beschreiben
knapp seine ausführlichen Untersuchungen, die im Original erstmalig in [BAU 2012] reproduziert werden.
Er beschreibt seine Aufgabe so:
Anstelle der in das nebenstehende Sechseck eingeschriebenen Buchstaben sind die Zahlen von 1 bis 19
so zu setzen, daß die Summe der auf ein und derselben geraden Linie stehenden Zahlen, gleichviel ob
sie aus drei, vier oder fünf Gliedern zusammengesetzt ist, nach allen Richtungen hin gleich 38 ist.
Die Aufgabe
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Die Lösung im Sechseckparkett
Es gibt, wie er herausfand, tatsächlich genau 12 Lösungen,
die aber, wie er bemerkte, aus nur einer Lösung durch
Drehungen und Spiegelungen hervorgehen. Sein Manuskript ist höchstwahrscheinlich die erste bekannte Quelle
für dieses Problem [BAU 1990].
Diese Figur wird in neuerer Zeit üblicherweise in das reguläre Sechseckparkett eingebettet [GAR 1963], [HEM
1988], [SCHR 1981] und hat Verwandte in den anderen regulären Parketten, dem Quadrat- und dem Dreiecksparkett. Wie könnte man nun Serien von Figuren
in allen drei Parketten mit einer einheitlichen Methode
so konstruieren, dass genau alle Quadrate im Quadratparkett erzeugt werden? Eine Möglichkeit ist die RingMethode: Man legt um ein Parkettfeld oder einen Schnittpunkt einen Ring aus allen benachbarten Feldern und wiederholt dies jeweils mit der entstandenen Figur.
Für die Figuren im Sechseck- und im Dreiecksparkett sind
drei Richtungen natürlich. Dagegen sind die (zwei) Diagonalen in den Quadraten in gewisser Weise künstlich zu
den zwei Richtungen horizontal und vertikal hinzugefügt.
Es ist interessant und von den Eigenschaften der anderen beiden regulären Parkette verschieden, dass sich im
Dreiecksparkett zwei nichtparallele Streifen stets in zwei
gemeinsamen Dreiecken schneiden und so jedes Feld im
Dreiecksparkett erst durch drei Streifen aus den drei unterschiedlichen Richtungen eindeutig bestimmt ist. Wie
kann man nun alle diese Figuren magisch belegen? Für
eine Figur sei die Zahl der Felder a und die Zahl der
parallelen Streifen n. Unter einer klassischen magischen
Belegung versteht man das Setzen der Zahlen von 1 bis
a so in die Felder der Figur, dass in jedem geradlinigen
Streifen die Zahlen die gleiche Summe m ergeben. Diese
magische Summe m ist durch m = (1 + ... + a)/n gegeben. Also ist eine notwendige Bedingung für die Existenz
einer solchen Belegung, dass m eine ganze Zahl ist. Die
DOI 10.1515/dmvm-2012-0093
Ein Feld im Zentrum
Ein Schnittpunkt im Zentrum
Figuren der sechs Serien aus Dreiecken, Quadraten bzw.
Sechsecken werden bei n parallelen Streifen den englischen Bezeichnungen triangle, square, hexagon, centre,
vertex folgend mit TC(n), SC(n) bzw. HC(n) – hier ist
n ungerade – sowie mit TV(n), SV(n) bzw. HV(n) – hier
ist n immer gerade – bezeichnet. HC(5) ist z. B. Haselbergs Sechseck aus 19 Sechsecken. Es lässt sich, wie Trigg
nachwies [GAR 1963], als einziges der Serie HC magisch
belegen. Für Quadrate gibt es seit langem magische Belegungen (einschließlich der Diagonalen). Das Problem, Figuren der restlichen drei Serien TC, TV und HV mit den
natürlichen Zahlen von 1 bis a magisch zu belegen, wurde vom Verfasser in [BAU 1991] behandelt. Es erwies
sich, dass weder eine Figur aus der Serie TC noch eine
aus der Serie HV magisch belegt werden kann. Hingegen
ergaben sich für TV(4), das Sechseck aus 24 Dreiecken,
magische Belegungen mit den Zahlen von 1 bis 24, die
zu der magischen Summe 75 führen. J. G. Lehmann und
H.-D. Gronau schrieben dafür Computerprogramme. Baker und King [BA/KI 2006] sowie Krause und Harborth
[KR/HA 2005] haben sich mit dieser Serie TV(n) weiter
in Bezug auf magische Belegungen beschäftigt.
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Maximale Summe im inneren Ring
Von der natürlichen Belegung zur magischen
Summe 0
Im neuen Jahrtausend fielen mir neben den magischen
Sechsecken TV(4), TV(8), TV(12), . . . auch Figuren vom
Haselbergtyp HC(n) im Sechseckparkett auf. Anstelle der
Zahlen von 1 bis a benutzte man nun allgemeiner eine ununterbrochene Folge von ganzen Zahlen zur magischen
Belegung [HOE], [ZAH], [SIL]. Durch die unterschiedliche Länge der Streifen ergibt sich mit jeder Startzahl eine
neue Aufgabe. Besonders interessant erschien mir dabei,
dass man speziell immer nach magischen zu 0 symmetrischen Belegungen von −i bis i mit der dann magischen
Summe 0 suchen kann, weil bei Figuren der Serie HC die
Anzahl der Felder a = 2i + 1 immer ungerade ist. Für
HC(5) gibt es mehrere magische Belegungen von −9 bis
9 mit der Summe 0. Kürzlich informierten mich Sillke und
Hemme, dass diese Fragen schon implizit in [SCH 1949]
und explizit in [PAA 1986/1] gestellt und gelöst [SCH
1950] und [PAA 1986/2] wurden. Die größten bisher bekannten magischen Sechsecke HC(13), HC(15) sind nur
mit Hilfe von Computerprogrammen gefunden wurden.
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Ein Algorithmus für beliebige Größen ist nach wie vor
nicht in Sicht. Daher interessierten mich (auch auf Anregung von Torsten Sillke) eher die kleinsten Figuren der
vier Serien. Jedes TC(n) und jedes zweite HV(n) hat eine
ungerade Felderanzahl. Damit bot sich die Fragestellung
nach einer magischen Belegung mit der Summe 0 für solche Figuren an. Ich stellte den Studierenden am Fachbereich Elektrotechnik und Informatik der Fachhochschule Stralsund 2006 die Weihnachtsaufgabe: „Belege HV(6)
mit den Zahlen von −13 bis 13 magisch!“ Die Studenten
Christian Schäfer und Ronny Zapf lieferten nach kurzer
Zeit eine Vielzahl von Lösungen. Und ein Jahr später war
unser Student Matias Palomäki mit der nächsten Weihnachtsaufgabe erfolgreich. Er fand magische Belegungen
für TC(5) mit den Zahlen von −18 bis 18 [BAU].
wie vor 125 Jahren „per Hand“ erfolgreich sein? Nun
gut, das Computerprogramm von Matias Palomäki lieferte zur Jahreswende 2007/2008 alle 120 Lösungen, die sich
zwar nicht auf eine, wie bei Haselberg, aber auf nur zehn
wesentlich verschiedene Lösungen reduzieren lassen, bei
denen übrigens 0 nie im Zentrum steht. Eine Analyse
mit der Schülerin Cathleen Kohn ergab einen Algorithmus zum Auffinden der zehn Lösungen ohne Computer.
Haben Sie Lust, die zehn Lösungen ohne Computer zu
suchen?
TC(3) magisch mit m = 0
Von der magischen Belegung mit Summe 0 zum
Gurami-Rätsel
HV(6) magisch mit m = 0
TC(5) magisch mit m = 0
Das kleinste magische Sechseck aus 13
Dreiecken
Die kleinste nichttriviale Figur dieser Serie TC(3) aus nur
13 Dreiecken und die zweitkleinste aller sechs Serien
nach SC(3) aus neun Quadraten, dem magischen Quadrat „Lo Shu“, verführt mehr als jede andere zu Lösungsversuchen: „Setze die Zahlen von −6 bis 6 so ein, dass
jeder Streifen die Summe 0 liefert!“ Könnte man hier
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Mein Kollege K.-P. Rudolph, der mich 1986 an der Universität Greifswald mit magischen Figuren bekannt machte, hatte zu den magischen Belegungen mit der Summe
0 nun eine neue Idee. Er verwendete dazu eine adäquate Darstellung solcher magischen Figuren mit a = 2i + 1
Feldern in folgender Weise. Man lässt das Vorzeichen bei
den negativen Zahlen weg, dafür färbt man die entsprechenden Felder grau ein. Die Verteilung der weißen und
grauen Felder nennt man ein Profil der Figur. Die eingetragenen Zahlen bei einer magischen Belegung sind dann
sämtlich nichtnegativ, in den weißen Feldern stehen die
Zahlen von 0 bis i , in den grauen die von 1 bis i , und
in jedem Streifen ist die Summe der Zahlen in den weißen Feldern gleich der Summe der Zahlen in den grauen
Feldern.
Hat hingegen eine Figur eine gerade Anzahl a = 2i von
Feldern, TV(4) hat z. B. 24 Felder, so lässt sich mit einer ununterbrochenen Folge ganzer Zahlen die magische
Summe 0 nicht erreichen. Bei TV(4) ergäbe sich durch
eine Belegung mit −11 bis 12, wenn diese überhaupt magisch möglich wäre, nur die kleinste nichtnegative magische Summe m = 3. Mit einer weiteren minimalen Verallgemeinerung lässt sich m = 0 erreichen. Man fragt einfach, ob sich mit den Zahlen von −1 bis −i und von 1 bis i
magische Belegungen, die dann die magische Summe m =
0 haben müssen, erreichen lassen. Für TV(4) hat Rudolph
mit einem Computerprogramm eine Vielzahl dieser magischen Belegungen mit den Zahlen von −1 bis −12 und
von 1 bis 12 gefunden. Diesen Erfolg konnte er auf weitere Figuren im Dreiecksparkett mit gerader Felderanzahl
ausdehnen. Damit stehen in der Profildarstellung in den
weißen wie in den grauen Felder jeweils die Zahlen von
1 bis i .
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Magische Belegung von TC(3) mit Profil
magische Belegung möglich ist. Diese gilt es zu finden.
Für eine Gurami-Figur mit a = 2i Feldern sind also nur
noch die Zahlen von 1 bis i einmal in den weißen und
noch einmal in den grauen Felder so zu ergänzen, dass in
jedem Streifen die Summe der Zahlen in den weißen Feldern gleich der Summe der Zahlen in den grauen Feldern
ist. Aufgaben dieses Typs findet man vielfältig in [RU/BA
2011]. Der Name Gurami, der von Günter Cornett vorgeschlagen wurde, ergibt sich aus der Einbettung der Rätselfigur in eine schematische Darstellung des gleichnamigen Fischs. Man kann bei den Rätseln zudem eine Tabelle
angeben, in der die noch einzutragenden Zahlen abgestrichen werden können. Vielleicht haben Sie Spaß daran, die
Lösungen zu finden.
Literatur
Magische Belegung von TV(4) mit Profil
Der Schritt zu den neuen Gurami-Rätseln erfolgte ähnlich der Konstruktion von Sudokus. Sudokus sind ja aus
lateinischen Quadraten entstanden und liefern durch die
Vorgabe einiger Zahlen nur noch genau ein lateinisches
Quadrat mit der bekannten Zusatzbedingung für die dritte Blockklasse.
Bei einem Gurami-Rätsel werden für eine Figur das Profil
und gewisse Zahlen vorgegeben, so dass nur noch eine
[BA/KI 2006] Baker, J. E. and D. R. King, Magic Hexagons – Magic
Moments, Math.Gaz., Vol.90 (2006), 235–248.
[BAU 1990] Bauch, H. F., Das magische Sechseck von Ernst von Haselberg, Wissenschaft und Fortschritt 40, Heft 9 (1990), 240–
242+u4.
[BAU 1991] Bauch, H. F., Magische Figuren in Parketten, Math. Semesterberichte 38, Heft 1 (1991), 99–115.
[BAU 2012] Bauch, H.-F., 125 Jahre magisches Sechseck, Internat.
Math. Nachrichten, Nr. 219 (2012), 13–24.
[GAR 1963] Gardner, M., Permutations and Paradoxes in Combinatorial Mathematics, Scientific American 209 (1963), 112–119.
TC(3)-Gurami
T16-Gurami
T22-Gurami
TV(4)-Gurami
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[HAS 1881–1902] von Haselberg, E., Baudenkmäler des Regierungsbezirkes Stralsund. (mehrbändige Publikationsreihe, 1881–
1902) Stettin, Saunier.
[HAS 1888] von Haselberg, E., § 795 Problem, in Zeitschrift für
math. und naturwiss. Unterricht 19 (1888), 429.
[HAS 1889] von Haselberg, E., § 801 Lösung, in Zeitschrift für math.
und naturwiss. Unterricht 20 (1889), 263–264.
[HEM 1988] Hemme, H., Das magische Sechseck, in Das Kabinett,
Bild der Wissenschaft, Heft 10 (1988), 164–166.
[KR/HA 2005] Krause, S. and H. Harborth, Magic Euclidean Gameboards, Congressus Numerantium 173 (2005), 97–108.
[PAA 1986/1] Paasche, I., Problem 884, in PM – Praxis der Mathematik in der Schule 28, Nr. 4 (1986), 245.
[PAA 1986/2] Paasche, I., Lösung, in PM – Praxis der Mathematik in
der Schule 28, Nr.6 (1986), 515.
[RU/BA 2011] Rudolph, K.-P. und H.-F. Bauch, Gurami – das neue
Zahlenrätsel mit 60 Aufgaben für kreative Tüftler, Bambus
Spieleverlag, Günter Cornett Berlin
[SCH 1949] Schiffner, E., Problem 107 in Archimedes 1, Hefte 5/6
(1949), 27.
[SCH 1950] Schiffner, E., Lösung in Archimedes 2, Heft 1 (1950), 9.
[SCHR 1981] Schreiber, P., Eine Aufgabe von Prof. Dr. J. Havrda,
Karls-Universität Prag, alpha, Mathematische Schülerzeitschrift
15, Heft 6 (1981), pp. 123, 142.
Nach dem Mathematikstudium in Greifswald,
1964–1969, habe ich als Assistent und Lektor
an der Sektion Mathematik der Ernst-MoritzArndt-Universität Diplom- und Lehrerstudenten
betreut, 1978 auf dem Gebiet der Harmonischen Analysis promoviert und dann auch Vorlesungen zur Mathematik für Physiker gehalten.
1991 erhielt ich zur Gründung der Fachhochschule einen Ruf nach Stralsund. Dort habe ich bis 2011 Mathematik für Elektrotechnik und seit einigen Jahren auch für Erneuerbare Energien gelesen. Zusätzlich habe ich mich den Auslandsverbindungen des Fachbereichs Elektrotechnik und Informatik und
der Hochschule insgesamt gewidmet. Ich bin auch im Ruhestand
der Hochschule durch Mitwirkung an dem internationalen Weiterbildungskurs „Renewable Energies and Hydrogen Technology“ und
Lehraufträge zur Mathematik verbunden.
Web-Referenzen
[COR] Cornett, G., http://www.gurami-raetsel.de
[BAK] Baker, J. E., http://www.naturalmaths.com.au/hexagonia
[BAU] Bauch, H.-F., http://www.fh-stralsund.de (dann: Personal im
FB ETI)
[HOE] Hoelbling, L., in http://en.wikipedia.org/wiki/Magic_hexagon
oder http://www.geocities.ws/notlkh
[KIN] King, D. R., http://www.drking.org.uk/hexagons/magic/index.
html
[KOE]
Köller,
J.,
http://www.mathematische-basteleien.de/
magichexagon.htm
[SIL] Sillke, T., http://www.mathematik.uni-bielefeld.de/~sillke/
PUZZLES/magic-hexagon
[ZAH] Zahray, A., in http://en.wikipedia.org/wiki/Magic_hexagon
Prof. Dr. Hans-Friedrich Bauch, Fachbereich Elektrotechnik und
Informatik, Fachhochschule Stralsund, Zur Schwedenschanze 15,
18435 Stralsund.
[email protected]
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