Aerosinusitis – Moderne Diagnostik und Interventi
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Aerosinusitis – Moderne Diagnostik und Interventi
09.04.2013Seite 1 v Aerosinusitis – Moderne Diagnostik und Interventionsmöglichkeiten Rainer Weber Nasenzentrum Marburg Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Philipps-Universität, UKGM Baldinger Straße 35033 Marburg [email protected] Die Aerosinusitis stellt aufgrund der hohen Fluggastzahlen und der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Flugpersonals eine relevante Erkrankung dar. Sie betrifft häufiger die Stirn- als die Kieferhöhle und tritt meist beim Sinkflug auf. Sinunasale Erkrankungen und anatomische Varianten, die zur Obstruktion der Nasennebenhöhlenventilation führen, begünstigen das Auftreten einer Aerosinusitis. Definition Ein Barotrauma ist definiert als Gesundheitsstörung, die durch Unterschiede zwischen dem äußeren Luftdruck und dem Druck in lufthaltigen Körperhöhlen aufgrund einer Behinderung des Druckausgleichs hervorgerufen wird. Nasennebenhöhlenprobleme auf Grund eines Barotraumas werden als Aerosinusitis oder Barosinusitis oder sinus barotrauma bezeichnet. Pathophysiologie Eine Aerosinusitis entsteht, wenn die passiven Mechanismen, die den Druckausgleich zwischen Nasennebenhöhlen und Umgebung regulieren, nicht ausreichen, um Luftdruckveränderungen auszugleichen. Den physikalischen Hintergrund bildet das Boyle-Mariotte Gesetz, was besagt, dass bei gleicher Temperatur das Volumen eines Gases umgekehrt proportional zum Druck ist. Die Luft in den Nasennebenhöhlen dehnt sich somit bei sinkendem Umgebungsdruck (Steigflug oder Auftauchen) aus. Bei funktionierendem Belüftungsweg der Nasennebenhöhlen entweicht die Luft aus den Nasennebenhöhlen über diesen natürlichen Weg. Bei blockiertem Belüftungsweg kann dies zu akuten Schmerzen aufgrund des entstehenden Überdrucks führen oder aber zu einem Entweichen der Luft entlang anatomischer Schwachstellen, z.B. in die Orbita, den endokraniellen Raum oder die Gesichtsweichteile. Bei steigendem Umgebungsdruck (Sinkflug oder Abtauchen) entsteht in den Nasennebenhöhlen ein Unterdruck, der bei funktionierendem Belüftungsweg durch von außen einströmende Luft ausgeglichen wird. Bei blockiertem Belüftungsweg führt der Unterdruck zu einem Ödem der Schleimhaut, was eine Verstärkung des Problems zur Folge hat. Klinisch resultiert ein intensiver lokaler Schmerz. Bei weiterer Zunahme kommt es zu einer Einblutung in die Schleimhaut und das Lumen der Nasennebenhöhle. Seite 2 von 3 Symptome – Risikofaktoren Die Aerosinusitis tritt vorwiegend während des Sinkfluges auf. Entsprechend der Beschwerden gilt die Stirnhöhle am häufigsten von einer Aerosinusitis betroffen, gefolgt von der Kieferhöhle. Die häufigsten Symptome sind dementsprechend frontale Kopfschmerzen, gelegentlich eine teils blutige Nasensekretion. Als Risikofaktoren für die Entstehung einer Aerosinusitis gelten Verlegungen der Belüftungswege durch akute Infektionen der oberen Atemwege, eine allergische Rhinitis oder chronische Infektionen mit z.B. Schleimhautschwellungen und Sekretansammlungen bei chronischer Rhinosinusitis, Tumoren, Veränderungen nach Traumata oder anatomische Hindernisse sowie die trockene Luft in der Flugzeugkabine. Epidemiologie - Inzidenz Aktuelle Daten systematischer Untersuchungen aus der zivilen Luftfahrt, z.B. der Lufthansa, liegen nicht vor. Vermutlich wird die Häufigkeit unterschätzt, da leichte Fälle einer Aerosinusitis nicht angegeben werden bzw. nicht zu einem Arztbesuch führen. Die meisten Daten zur Inzidenz stammen aus Untersuchungen in Druckkammern zur Flugsimulation und sind älteren Datums. Die Inzidenz beträgt für dieses Kollektiv demzufolge 0,5-3,5%. Prophylaxe Als prophylaktische Maßnahmen werden orale Mittel zum Abschwellen der Schleimhaut vor dem Flug und ein abschwellendes Nasenspray vor bzw. während des Fluges vor dem Sinkflug empfohlen. Es liegen hierzu keine kontrollierten Studien vor. Dies gilt auch hinsichtlich des Einsatzes von topischen oder systemischen Kortikosteroiden. Diagnostik Die sinnvolle Basisdiagnostik besteht aus einer gründlichen HNO-Anamnese und einer sorgfältigen Endoskopie der Nase. Anamnese bei Aerosinusitis: Art, Dynamik und Dauer der aktuellen Beschwerden (Kopfschmerzen und deren Lokalisation, Nasensekretion und dessen Qualität) Häufigkeit und Art früherer Aerosinusitiden und anderer nasaler Erkrankungen Hinweise auf eine allergische Rhinitis Voroperationen oder Unfälle im Bereich der Nase und Nasennebenhöhlen Eine konventionelle Röntgenaufnahme der Nasennebenhöhlen ist verzichtbar. Bei relevanten Fragen einer Indikationsstellung zu einem operativen Vorgehen sollte ein Computertomogramm der Nasennebenhöhlen oder ein DVT durchgeführt werden. Bei einer wiederkehrenden Rhinosinusitis müssen prädisponierende anatomische Faktoren (mikroanatomische Aberrationen: z.B. ausgeprägte Formen einer Concha media bullosa, infraorbitale Siebbeinzellen, frontoethmoidale Siebbeinzellen etc.) oder chronische Rhinosinusitiden (CRS) ausgeschlossen werden. Seite 3 von 3 Konservative Therapie Lokal abschwellender Rhinologika als Tropfen, Spray oder auch als Tablette. Alternativ bzw. zusätzlich erfolgt die Rezeptur von Steroiden und Analgetika. Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit liegen nicht vor. Antibiotika oder Antihistaminika werden bei Fällen einer bakteriellen Sinusitis oder bestehender Allergie empfohlen. Wiederaufnahme einer Flugtätigkeit für Piloten und Flugbegleiter Nach den Tauglichkeitsrichtlinien der EASA (European Aviation Safety Agency) und der entsprechenden EU-Verordnung dürfen bei Piloten „[..] weder angeborene noch erworbene aktive oder chronische Funktionsstörungen oder Erkrankungen der Ohren, der Nase, der Nasennebenhöhlen […]“ vorliegen. Demzufolge macht ein oberer Atemwegsinfekt ein Crewmitglied fluguntauglich. Dies gilt ebenso für eine akute Sinusitis mit eitrigem Sekret aus der Nase und Kopfschmerzen mit oder ohne Fieber. Nach den Tauglichkeitskriterien des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen macht eine signifikante Behinderung der Nasenatmung einer oder beider Seiten sowie eine Funktionsstörung der Nasennebenhöhlen fluguntauglich. Passagiere können eine Flugreise bei oberen Atemwegsinfekten antreten, wenn der Druckausgleich gewährleistet ist, keine Kontagiösität vorliegt und auch die allgemeine Symptomatik keine relevante Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bedingt. Die prophylaktische Anwendung von abschwellenden Nasensprays wird hierbei empfohlen, die Tuba Eustachii muss durchgängig sein. Operative Therapie Bei wiederkehrender Aerosinusitis ist ein operatives Vorgehen sinnvoll, um einerseits dem schmerzhaften Akutereignis vorzubeugen und beim fliegenden Personal die Arbeits- und Berufsfähigkeit zu erhalten. Schaffung einer ausreichend weiten, dauerhaften und stabilen anatomischen Verbindung zwischen Nasennebenhöhlen und Umgebung. Sofern eine klare Zuordnung zwischen Beschwerden und betroffener Nasennebenhöhle möglich ist, wird nur die betroffene Nasennebenhöhle operiert. Die Ballondilatation der Stirnhöhle ist als Therapieverfahren bei rezidivierender Aerosinusitis frontalis von der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie anerkannt. Eine Voraussetzung sind günstige anatomische Bedingungen, z.B. sollten keine ausgeprägte Septumdeviation oder Concha media bullosa vorliegen und der anterior-posteriore und seitliche Durchmesser der Stirnhöhlendrainage nicht klein sein. Flugtauglichkeit ist postoperativ dann gegeben und damit ein gefahrloses Fliegen möglich, wenn endoskopisch ein mindestens 5mm weiter Zugang zur Kiefer- und Stirnhöhle vorliegen und keine wesentliche entzündliche Reaktion vorliegt und der Patient beschwerdefrei ist. In vielen Fällen ist diese Situation nach sachgerechter Operation und regulärer Wundheilung nach 2 Wochen erreicht, individuell kann dies schon nach 1 Woche der Fall sein.