Dokumentation des Assessment Centers

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Dokumentation des Assessment Centers
Dokumentation AC iUF
Assessment Center iUF
Dokumentation
Fachhochschule Vorarlberg
Kompetenzzentrum für Entrepreneurship
1
1.1.AC
iUF
Studiengang iUF
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
2
Inhalt
1. FH-STUDIENGANG „INTERNATIONALE UNTERNEHMENSFÜHRUNG“
1.1.
1.2.
1.3.
STUDIENINHALTE
BETÄTIGUNGSFELDER ZUKÜNFTIGER IUF-ABSOLVENTINNEN
AUFBAU DES AUSWAHLVERFAHRENS
4
4
7
10
2. ASSESSMENT CENTER
11
2.1.
2.2.
2.3.
2.4.
2.5.
11
12
13
16
17
HISTORISCHE ENTWICKLUNG
DEFINITION
EINSATZBEREICHE UND ZIELE DES ASSESSMENT CENTERS
RAHMENBEDINGUNGEN ZUR DURCHFÜHRUNG EINES ACS
SCHWACHPUNKTE DES ACS
3. SÄULEN DES ASSESSMENT CENTERS
20
3.1.
3.2.
3.3.
3.4.
3.5.
20
22
23
25
27
ANFORDERUNGEN
ÜBUNGEN
BEOBACHTERINNEN
DER BEOBACHTUNGSPROZESS IM AC
BEOBACHTERTRAINING
4. AC IUF PROJEKTPLANUNG
29
4.1.
4.2.
30
32
PROJEKTSTRUKTURPLAN
ABLAUFPLAN ZUR PHASE „PLANUNG, KONZEPTION AC IUF“
LITERATUR
35
ABBILDUNGS- / TABELLENVERZEICHNIS
37
ANHANG
38
STANDARDS DER ASSESSMENT CENTER-TECHNIK
1.
ANFORDERUNGSORIENTIERUNG
2.
VERHALTENSORIENTIERUNG
3.
PRINZIP DER KONTROLLIERTEN SUBJEKTIVITÄT
4.
SIMULATIONSPRINZIP
5.
TRANSPARENZPRINZIP
6.
INDIVIDUALTITÄTSPRINZIP
7.
SYSTEMPRINZIP
8.
LERNORIENTIERUNG DES VERFAHRENS SELBST
9.
ORGANISIERTE PROZEßSTEUERUNG
VERZERRUNGS- UND VERFÄLSCHUNGSTENDENZEN
38
41
41
42
43
45
46
47
49
49
51
Studiengang iUF
3
Dokumentation AC iUF
Einführung
Ab Herbst 2001 wird die Fachhochschule Vorarlberg um den Studiengang „Internationale
Unternehmensführung“
(weiters
iUF
genannt)
erweitert.
Mit
diesem
neuen
Weiterbildungsangebot betritt die Fachhochschule in zweierlei Hinsicht Neuland. Zum einen
bieten wir erstmalig die Möglichkeit eines berufsbegleitenden Präsenzstudiums an. Dieses
Studium mit wirtschaftlicher Ausrichtung setzt Schwerpunkte im internationalen Management
und in der Förderung und Entwicklung des unternehmerischen Denken und Handelns im
Sinne des Entrepreneuships. Zum anderen werden wir unser Auswahlverfahren zur
Zulassung zum Fachhochschulstudium um einen Baustein erweitern, welcher unter dem
Namen „Assessment Center“ Einzug in Personalauswahl und –entwicklung zahlreicher
mittlerer und großer Unternehmen gehalten hat. An Fachhochschulen wird kommt ein ACVerfahren relativ selten zum Einsatz, daher stellt dieses Instrument in der spezifischen
Anwendung „Studierfähigkeit in einem interaktiven Lernfeld“ eine Neuheit dar. So sehen wir
in der Aufgabe der erstmaligen Konzeption und Durchführung eines solchen Assessment
Centers ein spannendes Vorhaben, mit welchem wir den ersten Schritt zum Ausbau einer
zusätzlichen Wissensplattform bzw. eines Kompetenzbereiches an der Fachhochschule
Vorarlberg setzen wollen.
Diese Arbeit soll als erste umfassende Dokumentation unseres Vorhabens „Assessment
Center iUF“ (weiters „AC iUF“ genannt) eine Grundlage für weitere Diskussionen und
Anregungen bieten und allen am Projekt beteiligten Personen einen Überblick über das
weitere Vorgehen geben. Zu diesem Zweck haben wir dieses Dokument in drei Teilbereiche
gegliedert. Die ersten beiden Teile stellen die theoretische Grundlage zur Projektplanung im
dritten Teil dar. Unter Punkt eins finden Sie Informationen zum Studiengang iUF, welche sich
auf das Berufsbild der iUF-AbsolventInnen und iUF-Studieninhalte beziehen. Damit wird es
den LeserInnen möglich, sich ein Bild der zukünftigen iUF-AbsolventInnen bzw. –
StudentInnen zu machen. Im zweiten Teil gehen wir insbesondere auf den theoretischen
Hintergrund zum Assessment Centers ein, welcher ein gemeinsames Grundverständnis bei
allen beteiligten und interessierten Personengruppen schaffen soll. Im dritten Teil – der
Projektplanung zum AC iUF – werden Informationen aus den ersten beiden Kapiteln genutzt,
um unser Vorhaben und die zur Umsetzung notwendigen Arbeitspakete zu beschreiben.
Besonders jenen Personen, die uns im weiteren Vorgehen und in der Implementierung bzw.
Durchführung unterstützend zur Seite stehen, soll damit ein erster Überblick über das Projekt
„AC iUF“ geboten werden.
Studiengang iUF
4
Dokumentation AC iUF
1. FH-Studiengang „Internationale Unternehmensführung“
Die Konzeption eines Assessment Centers geht von einer Analyse der betreffenden
Zielfunktion aus. Eine Zielfunktion bezeichnet jenen Aufgabenbereich bzw. jene Stelle,
welche durch einen oder mehrere Personen besetzt werden soll und deren spezifische
Eignung im Assessment Center beurteilt wird. Aufgrund dieser Beschreibung der Zielfunktion
kann ein, von zukünftigen Stellen- bzw. StudienplatzinhaberInnen zu erfüllendes
Anforderungsprofil abgeleitet werden.
Die
Beschreibung
der
Zielfunktion
erfolgt
indem
Studieninhalten
und
späteren
Betätigungsfelder von iUF-AbsolventenInnen dem Antrag auf die Anerkennung des
Fachhochschul-Studienganges „Internationale Unternehmensführung“ (2001) entnommen
werden.
Diese
Beschreibung
stellt
die
Grundlage
für
die
durchzuführende
Anforderungsanalyse dar.
1.1. Studieninhalte
Der Studiengang iUF umfasst insgesamt acht Studiensemester, von denen die ersten drei
der Vermittlung von Grundlagenwissen dienen. In den darauffolgenden Semestern ist eine
Vertiefung mit Schwerpunkten in den Wissensfeldern „Internationales Management“ und
„Business Development“ vorgesehen.
Durch die Gliederung der Studieninhalte in Ausbildungseinheiten ergeben sich 28 Module,
welche in sich geschlossene Themenfelder darstellen, die sich über ein oder mehrere
Semester ziehen. Die Module können zu neun Gruppen zusammengefasst werden, anhand
derer die Studieninhalte wie folgt komprimiert dargestellt werden.
1. Ökonomische Modelle
Inhalte:
Beitrag zum Ziel des Studienganges:
•
Mikroökonomie
Befähigung
•
Makroökonomie
entscheidungsrelevanten
•
Systemisches Management
ökonomischen
betrieblichen
der
StudentInnen
Zuordnung
Informationen
zu
von
in
den
Managementprozess
im
internationalen Kontext.
Studiengang iUF
5
Dokumentation AC iUF
2. Wertketten-Management
Inhalte:
Beitrag zum Ziel des Studienganges:
•
Logistik
Vermittlung
•
Marktstrategien,
Marketing
Management
&
eines
Sales Verständnisses
prozessbasierten
der
Betriebswirtschaftslehre.
Fähigkeit
zum
modernen
Entwicklung
Erkennen
der
Leistungsprozess
für
der
den
relevanten
Wertschöpfungsketten mit dem Ziel der
Optimierung des Kundennutzens.
3. Erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung
Inhalte:
Beitrag zum Ziel des Studienganges:
•
Management Accounting
Erwerb von Kenntnissen der wichtigsten
•
Bilanzierung und Bilanzpolitik
prozessorientierten Methoden und Verfahren
•
Unternehmensgründung
der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung
(Prozesskostenrechnung)
Aneignung
von
internationalen
sowie
die
Kenntnissen
der
Accounting
Richtlinien.
Fähigkeit zur Handhabung eines „bestpractice“ Controlling-Instrumentariums.
4. Unterstützende Funktionen
Inhalte:
Beitrag zum Ziel des Studienganges
•
Investition und Finanzierung
Erarbeitung von Kenntnissen der wichtigsten
•
Personalmanagement
Supportfunktionen
•
Qualitätsmanagement und Management- gesteuerten Unternehmen.
qualität
von
prozessbasiert
Studiengang iUF
6
Dokumentation AC iUF
5. Sprachen
Inhalte:
Beitrag zum Ziel des Studienganges
•
Spanisch
Implizites Training der Englischen Sprache
•
Französisch
durch englische Vorlesungen. Erwerb von
•
Russisch
Grundkenntnissen
einer
weiteren
Welthandelssprache
(Russisch/Französisch/Spanisch)
mit
der
Möglichkeit zur individuellen Wahl.
6. Schlüsselqualifikationen / Wissenschaftliches Arbeiten
Inhalte:
Beitrag zum Ziel des Studienganges
•
Lern- und Arbeitstechniken
Schlüsselqualifikationen
•
Teamentwicklung
Persönlichkeitsentwicklung und –förderung
•
Präsentationstechniken
als
•
Kreativität und Innovation
Führungsfunktionen
•
Kommunikation
Umfeld. Entwicklung von Sozialkompetenz in
•
Wissenschaftliches Arbeiten
Bezug auf Teamarbeit in der interkulturellen
•
Rhetorik
Umgebung.
•
Negotiation Training
•
Performance Training
Fundament
zur
-
Übernahme
im
von
internationalen
Wissenschaftliches Arbeiten - Beherrschung
des
Grundlageninstrumentariums
des
wissenschaftlichen Arbeitens. Befähigung zur
Weiterqualifizierung für ein Master- oder
Doktoratstudium.
7. Cross-Cultural Management
Inhalte:
Beitrag zum Ziel des Studienganges
•
CCM European Union
Kenntnisse um die spezifischen kulturellen
•
CCM America
und
•
CCM Eastern Europe
Marketplace‘ der verschiedenen Kulturräume.
•
CCM Asia and Others
wirtschaftlichen
‚Rules
of
the
Studiengang iUF
7
Dokumentation AC iUF
8. Internationales Management
Inhalte:
•
Rechtliche
Beitrag zum Ziel des Studienganges
und
Ökonomische Kenntnisse
Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft
•
Internationale
Strategien,
der
ökonomischen
rechtlichen
und
Rahmenbedingungen
der
insbesondere
von
OE Weltwirtschaft,
internationaler Unternehmen
internationalen Wirtschaftsorganisationen und
•
CC Leadership Competencies
supranationalen Rechtsräumen. Befähigung
•
Internationales Projektmanagement
zur
•
Internationales Finanzmanagement
internationaler
Gestaltung
Qualifizierung
und
Umsetzung
Geschäftsstrategien.
der
Studierenden
zur
Zusammenarbeit in und zur Leitung von
internationalen
Geschäftseinheiten
und
Projekten.
9. Business Development
Inhalte:
•
Beitrag zum Ziel des Studienganges
Innovations- und
Vermittlung einer unternehmerischen Denk-
Technologiemanagement
und
•
Start-Up-Financing
selbstverantwortliches
•
Internationales Marketing
intrinsische Motivation geprägt ist. Schafft die
•
Business Development,
Voraussetzung, um Entrepreneurship als
Entrepreneurship
Modell
Handlungsweise,
der
Unternehmen
welche
durch
Handeln
und
Arbeitsorganisation
oder
als
im
zukünftige(r)
Selbständige(r) lebbar zu machen.
Die Wissensvermittlung in diesen neun Themenfeldern soll zukünftige AbsolventInnen in der
erfolgreichen Ausfüllung ihrer jeweiligen Managementfunktionen unterstützen. Besondere
Eignung erlangen sie für die, im nachfolgenden Punkt beschriebenen, Tätigkeitsfelder.
1.2. Betätigungsfelder zukünftiger iUF-AbsolventInnen
Mögliche Berufsfelder der zukünftigen iUF-AbsolventInnen finden sich vor allem in
innovativen und international tätigen Wirtschaftsunternehmen, in Wirtschaftsverbänden und
internationalen
Forschungsorganisationen.
Besondere
Eignung
werden
iUF-
AbsolventenInnen in teamorientierten Fach- und Führungsaufgaben in internationalen
Studiengang iUF
8
Dokumentation AC iUF
Geschäftsfeldern vorweisen können, wobei durch das Studium speziell Qualifikationen für
Tätigkeiten
im
Management
von
prozessorientierten
Unternehmen
als
Vertriebsverantwortliche, TeamleiterInnen und ProjektleiterInnen erworben werden. Konkret
ergeben sich daraus folgende Einsatzfelder für zukünftige iUF-AbsolventInnen:
-
strategische Planungsaufgaben in internationalen Konzernunternehmen,
-
Entwicklung und Umsetzung internationaler Marketing- und Vertriebskonzepte,
-
Managementaufgaben im internationalen Projektmanagement mit TeammitarbeiterInnen
aus unterschiedlichen Kulturkreisen,
-
Internationales
Finanzmanagement
mit
den
Aufgaben
der
internationalen
Konzernrechnungslegung und des Treasurings,
-
Gestaltung und Umsetzung von Supply-Chain-Management Konzepten in den Feldern
Sourcing, Strategie und Logistik,
-
Aufgaben der länderübergreifenden Personal- und Organisationsentwicklung,
-
länder- und kulturübergreifende Managementaufgaben bei Firmenkooperationen und
Joint-Ventures und
-
Technologie- und Innovationsmanagement.
Anforderungen an zukünftige iUF-AbsolventInnen
Entwicklungen,
wie
die
Entstehung
neuer
Märkt
durch
Verflechtung
nationaler
Volkswirtschaften, die zunehmende Globalisierung und die damit verbundene Verstärkung
des weltweiten Wettbewerbs führen zu einer Veränderung des Anforderungsprofils an Fachund Führungskräfte des betriebswirtschaftlichen Bereiches. Von betriebswirtschaftlichen
Entscheidungsträgern wird die Fähigkeit gefordert, in einem internationalen wirtschaftlichen
Umfeld professionell und souverän zu agieren. Um diesen Anforderungen gerecht zu
werden,
benötigen
mit
internationalen
Aufgaben
betraute
MitarbeiterInnen
ein
Qualifikationsniveau, welches ihnen die hierfür notwendigen Kernkompetenzen vermittelt.
Diese Kompetenzen sind insbesondere:
-
vorhandenes Grundverständnis internationaler ökonomischer Gesamtzusammenhänge,
insbesondere
mikro-
und
makoökonomische
Grundlagen,
Geldtheorie
und
Außenwirtschaftstheorie,
-
prozessorientiertes Denken und Handeln in den Zusammenhängen von Wertketten,
-
Kenntnis verschiedener Steuerungs- und Lenkungsmodelle der unternehmerischen
Leistungserstellung, insbesondere des Projektmanagements,
Studiengang iUF
-
9
Dokumentation AC iUF
Befähigung zur Gestaltung interkultureller Geschäftsbeziehungen (Cross-Cultural
Management),
-
fundierte Kenntnisse des internationalen Finanzmanagements,
-
Gestaltungskompetenz für globales Marketing- und Vertriebsaktivitäten,
-
verhandlungssichere Beherrschung der Fremdsprache Englisch sowie einer weiteren
Welthandelssprache,
-
Methodenkompetenz und Sozialkompetenz zur effizienten Gestaltung interaktiver
Leistungsprozesse und
-
die Selbstkompetenz zur authentischen Übernahme von Führungsfunktionen.
Kernkompetenzen zukünftiger iUF-AbsolventInnen
IUF-AbsolventInnen finden ein breites Beschäftigungsfeld vor. Besonders qualifiziert sind sie
für alle Geschäftstätigkeiten im internationalen Umfeld, insbesondere in Marketing und
Vertrieb, im internationalen Controlling, in der Unternehmensplanung sowie in internationalen
Consultingtätigkeiten. Das mit diesem Studiengang verfolgte Ziel ist die Implementierung
eines
Studiums
für
zukünftige
UnternehmerInnen.
Darunter
wird
sowohl
die
selbstverantwortlich handelnde Führungskraft im Unternehmen, wie auch zukünftige
selbständige UnternehmerInnen verstanden.
Die angeregten Lernprozesse im Studiengang iUF sollen besonders auf Arbeitsmethodik,
Diskurs- und Teamfähigkeit sowie auf autonomes Lernen der Studierenden abzielen. Damit
eignen sich die Studierenden spezielle Kompetenzen in sozialen bzw. methodischen
Bereichen an.
Sozial- und Methodenkompetenz
Schwerpunkte im Studiengang iUF liegen auf der Verstärkung bzw. Festigung der sozialen
Kompetenz, der Methodenkompetenz sowie der Selbstkompetenz der Studierenden.
Zukünftige AbsolventInnen sollen sich durch ihre Innovationsfreudigkeit und Initiative
auszeichnen. Innovationsfreudigkeit wird dabei wie folgt als Lernziel formuliert:
Die Befähigung, aus der Vielzahl kreativer Ideen und Impulse marktfähige Produkte oder
Dienstleistungen zu entwickeln, neue Marktpotentiale auch international zu erschließen und
risikobehaftete unternehmerische Entscheidungsprozesse zielgerichtet und konsequent
umzusetzen.
Studiengang iUF
10
Dokumentation AC iUF
Diese Anforderungen sozialer, methodischer und fachlicher Art an Studierende bzw.
AbsolventInnen des Studiengangs iUF werden bei der Konzeption des, aus zwei
Teilbereichen bestehenden Auswahlverfahrens, berücksichtigt.
1.3. Aufbau des Auswahlverfahrens
Pro Jahrgang stehen im Studiengang iUF 35 Studienplätze zur Verfügung. Übersteigt die
Anzahl
der
StudienbewerberInnen
die
Anzahl
der
Studienplätze,
so
ist
ein
Reihungsverfahren durchzuführen.
Dieses Reihungsverfahren für den FH-Studiengang iUF setzt sich aus zwei Teilbereichen –
einem schriftlichen Reihungstest und einem Gruppen-Assessment-Center - zusammen.
Schriftlicher Reihungstest
Alle BewerberInnen nehmen an einem schriftlichen Reihungstest teil. Dieser Reihungstest
stellt ein objektives eignungsdiagnostisches Instrument dar, welches an alle BewerberInnen
dieselben Anforderungen stellt. Er prüft zentrale intellektuelle Fähigkeiten, welche für eine
erfolgreiche Bewältigung des Studiums von Bedeutung sind und welche den speziellen
Anforderungen des FH-Studienganges iUF entsprechen. Die nach dem schriftlichen
Reihungstest 80 erstgereihten BewerberInnen werden zur Teilnahme am zweiten Teilbereich
des Aufnahmeverfahrens - einem Gruppen-Assessment-Center - eingeladen.
Gruppen-Assessment-Center
Im Rahmen dieses Assessment Centers wird den BewerberInnen die Gelegenheit gegeben
weitere, für den Studiengang iUF relevante Fähigkeiten nachzuweisen. Sie erhalten so die
Chance, ihre persönlichen Motivation und Eignung unter besondere Berücksichtigung der
großen zeitlichen Belastung eines nebenberuflichen Studienganges zu klären.
Aufgrund der Ergebnisse des Reihungstests und des Assessment Centers werden die
bestgeeigneten BewerberInnen zum Studium zugelassen. Dabei werden die Ergebnisse der
beiden Teile des Aufnahmeverfahrens jeweils zu 50% in der Entscheidungsfindung
berücksichtigt.
Studiengang iUF
11
Dokumentation AC iUF
2. Assessment Center
Zur Konzeption, Durchführung und Evaluation des an der FH-Vorarlberg geplanten
Assessment Centers bedarf es dem Auf- und Ausbau einer nachhaltigen Kompetenz im
Bereich der AC-Technik. Dazu ist ein Wissen um die theoretischen Grundlagen zum Thema
AC erforderlich, welches Schritt für Schritt um praktische Erfahrungswerte erweitert wird. Mit
diesem ersten Beitrag soll nun der Grundstein zum Ausbau einer „Assessment Center
Wissensplattform“ an der FH-Vorarlberg gelegt werden. Damit wollen wir es allen an der
Entwicklung und Durchführung beteiligten Personen ermöglichen, sich einen Überblick über
relevante Themen zum AC iUF zu verschaffen.
Dieses Kapitel startet mit einem Überblick über die Entstehung und Entwicklung der ACTechnik.
Nach
einer
Definition
und
Beschreibung
eines
AC,
werden
mögliche
Einsatzbereiche dieses Verfahrens, erforderliche Rahmenbedingungen zur Durchführung
sowie dessen Ziele aufgezeigt. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Diskussion der
Schwachstellen des AC-Verfahrens.
2.1. Historische Entwicklung
Die Ursprünge des uns heute bekannten Assessment Center-Verfahrens finden sich zur Zeit
der Weimarer Republik, als psychologische Testverfahren in der Offiziersauswahl der
deutschen Streitkräfte eingesetzt wurden. Danach wurden ähnliche Verfahren von der
britischen Armee und dem amerikanischen Geheimdienst übernommen, wo sie seit 1942/43
zur Auswahl geeigneter BewerberInnen eingesetzt werden. Der Terminus „Assessment
Center“
wurde
schließlich
vom
Psychologen
Murray
geprägt,
welcher
an
der
Konzeptionalisierung dieses Verfahrens maßgeblich beteiligt war. (Fisseni, Fennekels 1995,
S.6) Zur Anwendung kam das AC-Verfahren weiterhin hauptsächlich in militärischen
Beurteilungsprogrammen,
in
denen
vor
allem
individuelle
und
gruppenbezogene
Arbeitsproben, Interviews, Intelligenz- und Persönlichkeitstest zur Beurteilung der einzelnen
Kandidaten herangezogen wurden. Damit sah man nicht nur die Möglichkeit einer Diagnose
der Gesamtpersönlichkeit von Kandidaten, sondern setzte damit auch einen ersten Schritt
zum Abbau von sozial diskriminierenden Auswahlprinzipien. (vgl. dazu Fisseni und
Fennekels 1995, Schuler und Stehle 1992, Neuberger 1999)
Studiengang iUF
12
Dokumentation AC iUF
Mit der Management Progress Study, einer Langzeitstudie welche in der American
Telephone and Telegraph Company (AT&T) durchgeführt wurde, kam das AC 1956
erstmalig in einem wirtschaftlichen Umfeld zum Einsatz. Ziel dieser Studie war die
Überprüfung der Vorhersagegenauigkeit von Assessment Centern. Dazu wurden 422 im
Unternehmen beschäftigte Nachwuchsführungskräfte als Kandidaten in ein AC eingeladen,
deren Verhalten in Übungen, die z.T. heute noch zum Einsatz kommen (Postkorbübung,
Wirtschaftsspiel, führerlose Gruppendiskussion), beobachtet wurde. Die Beobachter sollten
die Kandidaten anhand von 25 Merkmalen beurteilen und dabei einschätzen, ob die
Kandidaten im Laufe der nächsten 10 Jahre eine Karriere bis ins mittlere Management
machen würden und sollten. Die im Assessment Center gewonnenen Daten und Ergebnisse
wurden sowohl vor den betroffenen Kandidaten als auch vor deren Vorgesetzten
geheimgehalten, um die weitere Karriere der Kandidaten nicht zu beeinflussen. Nach sechs
Jahren wurden Beurteilungen und Karriereerwartungen mit dem tatsächlich eingetretenen
Karriereerfolg verglichen. Die Studie ergab, dass zwischen den im AC formulierten
Prognosen
und
den
tatsächlichen
Berufskarrieren
der
Kandidaten
eine
hohe
Übereinstimmung ersichtlich war. (vgl. Bray 1964)
In folgenden Jahren breitete sich die Durchführung von Assessment Centern, angetrieben
von zahlreichen Publikationen, rasch in den USA aus. Schließlich übernahmen in den 70er
Jahren
auch
Industriestaaten
in
Europa
das
AC-Verfahren
als
Instrument
zur
Personalauswahl und –entwicklung. (Fisseni und Fennekels 1995, S.7) Zum heutigen
Zeitpunkt setzen, nach Einschätzung des Arbeitskreises Assessment Center in Deutschland,
rund 180 Unternehmen bei der Personalauswahl auf Assessment Center.
2.2. Definition
Der Begriff „Assessment Center“ wird zur Bezeichnung von Auswahlverfahren benutzt, die,
auch wenn sie einen gleichen Hintergrund haben, in der konkreten Ausgestaltung sehr
unterschiedlich sein können. So lassen sich in der Literatur verschiedene Definitionen finden,
die jedoch meist den selben Kern aufweisen. Demnach wird unter dem Begriff AC ein
Verfahren zu Potentialeinschätzung bei der Auswahl und Beurteilung von Leistungsträgern
verstanden. Eine gute und gesamtheitliche Definition liefern Fisseni und Fennekels (1995, S.
15) in einer Einführung für Praktiker.
Demnach ist ein Assessment Center
•
„ein systematisches und flexibles Verfahren
•
zur kontrollierten und qualifizierten Feststellung von
Studiengang iUF
13
Dokumentation AC iUF
•
Verhaltensleistungen und –defiziten,
•
das von mehreren Beobachtern gleichzeitig
•
für mehrere Teilnehmer
•
in bezug auf vorher festgelegte Übungen und
•
bestimmten Anforderungen
•
vornehmlich zur Mitarbeiterauswahl und –weiterentwicklung
eingesetzt wird.“
Zusammengefasst
ist
ein
Assessment
Center
ein
Verfahren,
in
dem
mehrere
BeobachterInnen eine(n) bzw. mehrere KandidatInnen anhand von Verhaltensausprägungen
beurteilen, um deren Eignung zur Erfüllung klar definierter Anforderungen zu bewerten.
Neben KandidatInnen und den BeobachterInnen nimmt der Moderator/die Moderatorin
eine entscheidende Rolle im AC ein. Vor der Durchführung des AC ist er/sie meist
maßgeblich an der Konzeption beteiligt und macht die BeobachterInnen mit ihrer konkreten
Aufgabe vertraut. Zu diesem Zweck führt er/sie ein Beobachtertraining durch. Während der
Durchführung des AC macht er/sie die KandidatInnen mit den einzelnen Übungen vertraut,
erklärt ihnen das Ziel und die Bewertungskriterien jeder Aufgabe und sorgt damit für die
nötige Transparenz des Ablaufes. Die Rolle des Moderators/der Moderatorin ist für die
reibungslose Durchführung des AC ausschlaggebend und sollte daher von einer, auf dem
Gebiet der Moderation erfahrenen Person, übernommen werden.
2.3. Einsatzbereiche und Ziele des Assessment Centers
Die grundlegenden Einsatzmöglichkeiten eines AC lassen sich anhand einiger Punkte
zusammenfassen. Demnach sieht Jeserich (1990, S. 581 – 582) die folgenden drei
Hauptanwendungsbereiche:
1) Personalentwicklung und Potentialsuche
Dem Einsatz eines AC als Instrument zur Potentialsuche und Personalentwicklung fällt eine
verhältnismäßig grosse Bedeutung zu. Ein AC eignet sich einerseits zur Beurteilung von
Führungspotential und anderseits können damit weitere Fördermaßnahmen, welche
einzelnen Personen zukommen sollen, gezielt formuliert werden. Ab einer gewissen
Zielebene
werden
daher
Potentialanalyse
und Personalentwicklungsaspekte meist
miteinander kombiniert.
2) Bewerberauswahl
In fast allen grossen Unternehmungen kommen in Auswahlverfahren mit internen oder
externen BewerberInnen ACs oder zumindest Komponenten eines ACs zum Einsatz.
Studiengang iUF
14
Dokumentation AC iUF
3) Erhöhung der sozialen Kompetenz
BeobachterInnen wird die Möglichkeit geboten, qualifizierte Personalentscheidungen
vorzubereiten und zu treffen. KandidatInnen erhalten die Chance, die eigenen Stärken und
Schwächen, gemessen am Anforderungsprofil für höhere Führungskräfte kennenzulernen.
Ausgehend von diesen Einsatzbereichen ist das Ziel eines Assessment Centers die
„Führungskompetenzen eines Teilnehmers festzustellen: zu ermitteln, welche Potentiale ihm
dafür zur Verfügung stehen, Potentiale in einer Position, die eine oder zwei Ebenen über der
Ebene liegt, auf der er sich gegenwärtig befindet“. (Fisseni und Fennekels 1995, S. 17)
Ähnlich sehen auch Schulte und Stehle (1992, S. 4) die „wichtigste ‚manifestierte‘
Zielsetzung
des
Assessment
Centers“
in
der
„Auswahl
oder
Förderung
von
Führungskräften.“ Als Anteil an Verfahren, welche dieser Kategorie zuzurechnen sind führt
Neuberger (1999) in Anlehnung an die Schätzung von Thornton und Byham ca. 95% an.
Nicht-Ziel eines Assessment Centers ist jedoch ausdrücklich die Erfassung der
Fachkompetenz eines Teilnehmers/einer Teilnehmerin. (Fisseni und Fennekels 1995, S. 17)
Studiengang iUF
15
Dokumentation AC iUF
Eine weitere sehr gute und vollständigere Darstellung der Leitideen1 eines ACs bietet Gloor
(2000, S. 26).
I.
Leitideen eines Assessment Centers
II.
III.
Beurteilung und Auswahl von Persönlichkeits- und
Kultur- und Stilentwicklung
Nachwuchspersonen für
führungsorientierte
der Organisation
obere und oberste Positionen Weiterbildung für Kandidaten
und Assessoren (Beobachter)
Auswahl sinngemäß zitierter AC-Leitlinien aus der Literatur
• Potentialerfassung und – • Förderung und
• Steigerung der sozialen
einschätzung zum Zweck
Entwicklung von
Kompetenz der
der Personalplanung und
Mitarbeitern bzw. von
Führungskräfte, die als
Personalentwicklung
potentiellen Kadern
Beobachter/Assessoren
an Assessment Centers
• Qualitative und
• Bewußtseinsförderung
teilgenommen haben.
quantitative
der Linien-Manager in
bezug auf Ihre Aufgabe in • Explizite, klare und
Personalbedarfsplanung
der Personalführung und
weitzugängliche
• Auswahl von
–entwicklung
Entwicklung einer
Nachwuchskräften im
Management- und
Hinblick auf Besetzungs- • Ausbildung der
Führungsphilosophie und
entscheidungen
Linienmanager in der
ihrer Konsequenzen für
„Kunst“ der fairen,
• Risikominderung für das
Managementverhalten
begründeten und
Dept. Technik bei der
und Denkweise der
transparenten
Auswahl von
Führungskräfte
Mitarbeiterbeurteilung
Spitzenkadern
• Ermittlung des Aus- und
• Ausbildung der
• Bereitstellung von
Weiterbildungsbedarfs
Linienmanager im
Entscheidungsgrundlagen
Durchführen von
für
Feedbackgesprächen, um
- Selektionsentscheide
gezielte
- AusbildungsEntwicklungsmaßnahmen
entscheide
und Laufbahnent- Rotationsentscheide
scheidungen in Gang zu
setzen.
•
Für Assessoren:
Förderung der Einsicht in
die eigenen Fähigkeiten,
Fertigkeiten und
Potentiale sowie in deren
Grenzen
(Selbsteinschätzung)
Tab. 1: „Leitideen des Assessment Centers“ (Gloor 2000, S. 26)
1
Gloor (2000, S. 25) siedelt in seiner Darstellung den Begriff der „Leitidee“ in der Hierarchie der
Planungsbegriffe unterhalb der Vision und oberhalb der Strategie bzw. dem Ziel an. Demnach definieren
Leitideen Grundorientierungen, enthalten aber keine Kriterien, mit denen sich der Grad der Effektivität
feststellen ließe.
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
16
2.4. Rahmenbedingungen zur Durchführung eines ACs
Um ein Auswahl- bzw. Entwicklungsverfahren als Assessment Center bezeichnen zu
können, sind nach Gloor (2000, S. 38 ff.) verschiedene Bedingungen bzw. Voraussetzungen
zu erfüllen.
1. Organisatorische Voraussetzungen
•
ACs sind firmenspezifisch
Ein Assessment Center sollte so konzipiert werden, dass es auf die jeweiligen
Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten ist. Ob dies nun bedeutet, dass ein AC für
jedes Unternehmen grundlegend neu geschaffen wird oder ob die Grundzüge eines bereits
bestehenden Verfahrens übernommen werden können, darüber ist man sich auch in der
Literatur nicht einig. Grundsätzlich herrscht aber Einigung darüber, dass die Durchführung
von zugekauften Standard-Assessment Centern nicht zweckmäßig und daher keinesfalls zu
empfehlen ist.
•
Klarheit über den Zweck des ACs
Alle am AC beteiligten Personengruppen sollen sich im Klaren über grundlegende Fragen
zum AC sein. Die Informationen sollten Antworten auf die folgenden Fragestellungen
(Neuberger 1989, S. 292f.) geben:
-
Welche Ziele und beabsichtigten Anwendungen werden mit der Durchführung des
ACs verfolgt?
-
Wie und mit wem wird das Verfahren entwickelt?
-
Welche Verhaltensweisen sind erfolgsbestimmend (Anforderungsanalyse)?
-
Wie und von wem werden die TeilnehmerInnen des ACs ausgewählt?
-
Wie werden die Beobachtungen zu Einzelbewertungen und anschließend zu
Gesamturteilen verdichtet?
2. Methodische Voraussetzungen
•
BeobachterInnen
Die Rolle der BeobachterInnen sollten Führungskräfte einnehmen, die jedoch keine
persönlichen Vorgesetzten der KandidatInnen sind.
Studiengang iUF
•
17
Dokumentation AC iUF
Übungen
Übungen sollten von den Anforderungen in den jeweiligen Positionen abgeleitet werden, um
eine Beurteilung der tatsächlich erfolgsrelevanten Verhaltensmerkmale zu ermöglichen.
•
Das AC als lernfähiges System
Ein AC soll kein festgefügtes sondern ein lernfähiges System sein. „...man kann kein AC
derart entwerfen, daß alles auf Anhieb funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat. ACs
sind soziale Biotope, die atmen, wachsen und sich verändern.“ (Gloor 2000, S. 44)
•
Transparenz des ACs2
Grundsätzlich sollen allen Beteiligen Informationen zu allen AC-Vorgängen und –
Dokumenten zur Verfügung stehen.
•
Verpflichtende Präsenz
Alle Personen, die an der Durchführung eines ACs beteiligt sind, müssen während der
gesamten Dauer des ACs präsent sein. Als AC-TeilnehmerIn nicht geeignet sind
KandidatInnen,
die
zwischendurch
für
ein
paar
Stunden
abwesend
sind
oder
BeobachterInnen, die während ihres Einsatzes anderen Tätigkeiten nachgehen.
2.5. Schwachpunkte des ACs
Da dieses Dokument vor allem einem Informationszweck dient, wollen wir auf Punkte
eingehen, welche dem Assessment Center häufig zum Vorwurf gemacht werden. Wir wollen
so eine Plattform zur Diskussion bzw. zum Diskurs schaffen, auf welcher die potentiellen
Gefahren bzw. Schwächen unseres zukünftigen AC iUF angesprochen und sinnvolle
Lösungsansätze gefunden werden.
Zu den, in der Literatur am häufigsten genannten Schwachstellen zählen der hohe Zeit- und
Kostenaufwand zur Konzeption und Durchführung eines Assessment Centers. Der hohe
Kostenaufwand ist dabei im Zusammenhang mit der strittigen Validität der AC-Ergebnisse
zu nennen. Hier ergaben umfassende Untersuchungen der derzeitigen Praxis und
Forschung im Bereich des AC-Verfahrens, dass man bei diesem kostenmäßig relativ
aufwendigen Auswahlinstrument oft zu enttäuschenden Ergebnissen in der Verläßlichkeit
kommt. (Gloor 2000, S. 48) Aus welchem Grund man zu solch enttäuschenden Ergebnissen
kam und ob die Durchführung des AC bzw. dessen Konzeption sinnvoll durchgeführt wurde,
bleibt allerdings unklar.
2
Näheres zu diesem Grundsatz entnehmen sie bitte den, im Anhang nachzulesenden Qualitätsstandards eines ACs.
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
18
Jedenfalls sollte man sich aber immer der besonderen Situation bewusst sein, in welcher
sich die BewerberInnen befinden. Es ist durchaus anzunehmen, dass BewerberInnen in
hohem Maße dazu neigen, das zu zeigen, was sie glauben zeigen zu müssen und weniger
das was sie tatsächlich sind. (Gloor 2000, S. 55) Laborbedingte Verhaltensverzerrungen
müssen als ein nicht zu unterschätzender Schwachpunkt des AC in Kauf genommen
werden. (Schuler und Stehle 1992, S. 104) Solche Verhaltensverzerrungen entstehen durch
Hypothesen, die jeder der Teilnehmer bezüglich der, in den Übungen beobachteten
Verhaltensausprägungen bildet. Zur Veranschaulichung dieser Problematik wollen wird kurz
auf eine von Schuler und Stehle (1992) durchgeführte Studie eingehen. 40 TeilnehmerInnen
eines AC wurden einige Wochen nach Abschluss des Verfahrens zu ihrer jeweiligen
Hypothesenbildung und den danach gerichteten Verhaltensstrategien befragt. Den
TeilnehmerInnen war bei der Beantwortung der Fragen die tatsächliche Zielsetzung der
Übungen nicht bekannt. Bei Fragen zu einer Präsentationsaufgabe sagten 35 von den 40
TeilnehmerInnen aus, dass sie vor Beginn der Präsentation bewusst eine Hypothese über
die Zielsetzung der Aufgabe entwickelt hatten. Insgesamt konnten 18 verschiedene
Hypothesen differenziert werden, aus denen die TeilnehmerInnen noch vor der Übung
bestimmte Verhaltenspläne abgeleitet hatten. Wer z.B. glaubte, es handle sich um einen
Gedächtnistest, versuchte den Text möglichst in voller Länge wiederzugeben. Jene
TeilnehmerInnen, welche der Übung den richtigen Aspekt als Zielsetzung (tatsächlich
beobachtet wurde die ‚sprachliche Ausdrucksweise‘) unterstellt hatten, erhielten die
besseren Werte, als jene, die eine z.B. einen Gedächtnistest vermutet hatten. Aus dieser
Studie lässt sich u.a. die Konsequenz ableiten, dass neben der gesamten Assessment
Center Situation, insbesondere auch die Bewertung der Übung transparent sein muss um
sicherzustellen, dass KandidatInnen auch jene Verhaltensmuster zeigen können, welche
auch beobachtet werden sollen.
Einen weiteren Ansatzpunkt zur Kritik sehen Schule und Stehle (1992, S. 13) im Umstand,
dass die Einschätzung der tatsächlichen Bereitschaft und Fähigkeit von KandidatenInnen zu
überdauernden Kräfteeinsatz nur sehr beschränkt an kurzen Verhaltensstichproben ablesbar
ist. Diesem Problem kann teilweise Abhilfe geschaffen werden, indem die AC-Übungen auf
anforderungsanalytischem Wege zustande kommen.
Ein weiterer Schwachpunkt des ACs liegt in den unvermeidbaren Wahrnehmungsfiltern der
BeobachterInnen (Assessoren). Hier besteht die Gefahr, dass „die Assessoren in der Rolle
des Beobachters das Verhalten der Kandidaten selektiv wahrnehmen und entsprechend
verzerrt protokollieren. Diesem Aspekt ist in der Literatur unter den Stichworten ‚Halo-Effekt‘,
‚impression-error‘, ‚primacy-effect‘, ‚fundamentaler Attributionsfehler‘ grosse Aufmerksamkeit
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
19
geschenkt worden.“ (Schule und Stehle 1992, S. 107) Die gängigsten Verzerrungs- und
Verfälschungstendenzen werden im Anhang angeführt.
Weiters häufig genannte Schwachstellen eines ACs:
-
Gefahr der Delegation von Führungsverantwortung an das AC
-
Entmachtungsängste der Linienchefs
-
Revidierung der Vorgesetzten-Meinung über einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin
-
„Öffentlichkeit“ der Beurteilungsfragen
-
Problematik der „gescheiterten“ AC-AbsolventInnen
-
Akzeptanzprobleme
-
Realitätsferne der Übungen / Zweifel an der Relevanz
-
Fragen des Persönlichkeitsschutzes
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
20
3. Säulen des Assessment Centers
Die Qualität der Ergebnisse eines AC sind maßgeblich davon abhängig, wie in der
Konzeption der Übungen vorgegangen wird. Daher widmen wir dieser Konzeptionsfrage ein
eigenes Kapitel, in welchem wir das Fundament eines AC vorstellen. Fisseni und Fennekels
(1995, S. 18) beschreiben dieses Fundament als „die Säulen eines Assessment Centers“,
wonach ein AC auf „Anforderungen“, „Übungen“ und „Beobachter“ aufbaut. Wir greifen diese
Säulen als Fundament auf und beschreiben die Aufgabe der Konzeption ausgehend von
einer Anforderungsanalyse über die Konzeption der Übungen und schließen das Kapitel mit
der Rolle der BeobachterInnen.
3.1. Anforderungen
Mit Hilfe eines AC soll die Eignung von Personen für deren Einsatz in bestimmten Positionen
bzw. für die Übernahme bestimmter Funktionen beurteilt werden. Dies kann nur dann
sinnvoll geschehen, wenn festgelegt wird, welchen Anforderungen diese Person zur
erfolgreichen Bewältigung der Aufgaben gerecht werden muss. Daher stellt die Erhebung der
sich aus der Zielfunktion ergebenden Anforderungen eine zentrale Rolle in der Konzeption
des AC dar und bildet eine „entscheidende Grundlage zur Güte des Verfahrens“.
(Arbeitskreis Assessment Center e.V., 1996)
Eine Anforderungsanalyse sollte zumindest die
•
Identifikation der zu besetzenden Position als Zielebene, eine
•
Analyse der in der Zielebene derzeit und zukünftig relevanten erfolgskritischen
Situationen und eine
•
Erhebung der in diesen Situationen geeigneten Verhaltensbandbreiten
umfassen. (Fisseni und Fennekels 1995, S. 35)
1. Beschreibung der Zielfunktion
Eine Beschreibung der Zielfunktion ist vorzunehmen, da das Potential bzw. Stärken und
Schwächen der KandidatInnen nicht absolut sondern immer in bezug auf Anforderungen
einer bestimmten Funktion festgelegt wird. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, sich auf
mehr als nur eine Zielfunktion zu einigen wenn diese eine grosse Ähnlichkeit aufweisen und
damit durch viele gemeinsame Anforderungssituationen gekennzeichnet sind. (Arbeitskreis
Assessment Center e.V. 1995, S. 73)
Studiengang iUF
21
Dokumentation AC iUF
2. Erheben der erfolgskritischen Situationen der vereinbarten Zielfunktion
In diesem Schritt wird nach Situationen gesucht, die in der Zielfunktion immer wieder
vorkommen und welche dabei gleichzeitig für den Erfolg in der Funktion von
ausschlaggebender Bedeutung sind. Gewählt werden sollten vor allem einstellungs- und
verhaltensbedingte
Situationen
und
keine
Situationen,
welche
schnell
erlernbare
Anforderungen an eine Person stellen. Diese kritischen Situationen können nach einzelnen
Interaktionspartnern (z.B. Kollegen, Vorgesetzte, Mitarbeiter, Kunden) sortiert werden.
(Schuler und Stehle, 1992) Da allerdings nicht alle Situationen im AC simuliert werden
können, muss eine Rangreihe nach der jeweiligen Priorität der einzelnen Situationen erstellt
werden. Dabei können die folgenden Sortierfragen als Hilfestellung herangezogen werden:
•
„Welches sind die für den Erfolg in der Funktion ausschlaggebenste Situationen?“
•
„Welche dieser Situationen gewinnen in Zukunft an Bedeutung für die erfolgreiche
Wahrnehmung der Funktion?“ (Arbeitskreis Assessment Center e.V. 1995, S. 73)
3. Bestimmung von geeigneten Verhaltensbandbreiten
Für jede im zweiten Schritt als erfolgskritisch befundene Situation wird nun das gewünschte
bzw. nicht gewünschte Verhalten erhoben. In diesem Schritt der Anforderungserhebung soll
ein möglichst breites Spektrum an Verhaltensbandbreiten generiert werden. Daher ist es hier
methodisch von einem einfachen Brainstorming abzusehen. Anstelle dessen rät der
Arbeitskreis Assessment Center (1995) zu einem Verfahren der „differenzierten
Verhaltensbeschreibungen“. Dabei werden im Rahmen eines bestimmten Abfragemusters
„gute“ mit „schwachen“ FunktionsinhaberInnen verglichen, indem die Unterschiede im
jeweiligen Verhalten aufgezeigt werden. Die beschriebenen „guten“ bzw. „schlechten“
Verhaltensweisen in einer bestimmten Situation werden im nächsten Schritt danach
geordnet, welche Bewältigungsfaktoren (z.B. kompromißbereite Haltung) wirksam sind, um
die Situation erfolgreich zu meistern. In einem weiteren Verdichtungsschritt werden die
Bewältigungsfaktoren
zu
Anforderungsdimensionen
zusammengefasst
(z.B.
kompromißbereite Haltung + überzeugende Gesprächsführung + Wertschätzung des
Gesprächspartners = offene, faire Gesprächsführung). In den später im AC verwendeten
Beurteilungsblättern tauchen diese Anforderungsdimensionen als Überschriften auf, denen
die jeweiligen Verhaltensweisen (von „guten“ FunktionsinhaberInnen) untergeordnet werden.
Studiengang iUF
22
Dokumentation AC iUF
Die eben beschriebene Anforderungsanalyse bildet die Grundlage zur Gestaltung der
Übungen im AC.
3.2. Übungen
Nach der Definition der Zielfunktion und einer, von den erfolgskritischen Situationen
ausgehenden Anforderungsanalyse, muss überlegt werden, wie eine Situation in einer
Übung abgebildet bzw. simuliert werden kann. Dazu bieten sich mehrere Möglichkeiten an,
welche u.a. am Assessment Center Kongreß 20013 besprochen und im folgenden angeführt
werden.
1. Situationen
mit
ähnlicher
Anforderungscharakteristik
werden
in
einer
Klasse
zusammengefasst, und eine der Situationen wird stellvertretend für alle anderen
simuliert.
2. In einer Übung können Elemente aus mehreren Situationen abgebildet werden, die in der
Realität häufig getrennt vorkommen. So lassen sich z.B. die wesentlichen Inhalte eines
Zielvereinbarungsgesprächs, eines Kritikgesprächs und eines Motivationsgesprächs in
einer Übung simulieren.
3. Eine wesentliche Herausforderung besteht bei manchen Situationen darin, sie überhaupt
aufzusuchen und sie nicht zu unterlassen. Die Anforderung einer solchen Situation wird
ein Teilnehmer nur im Kontext einer übergreifenden Aufgabenstellung wirklich erleben
können. Deshalb ist es sinnvoll, eine Reihe kleinerer Situationen zu einer komplexen und
umfangreichen Übung zusammenzufügen. So nimmt ein Kandidat beispielsweise in einer
Übung „Führen einer Mitarbeitergruppe beim Erledigen der Tagesarbeit“ Situationen
wahr wie: Überwachen der Tätigkeiten, Hilfestellung geben bei Problemen, Delegieren
von Aufgaben, Eingreifen bei Störungen, Organisieren des aktuellen Arbeitsablaufs,
Rücksprache mit Mitarbeitern, Information der Mitarbeiter über Neuerungen.
4. Schließlich wird für alle Übungen eine Gesamtkontext entworfen, welcher der Realität im
Unternehmen weitgehend entspricht, jedoch vereinfacht oder verfremdet wird.
Grundsätzlich ist in der Konstruktion der Übungen darauf zu achten, dass das Verhalten,
welches in der entsprechenden Zielfunktion zu realisieren ist, durch den Aufbau der Übung
hervorgerufen wird. (Fisseni und Fennekels 1995) Die wichtigsten im AC gebräuchlichen
Übungen sind (Schuler und Stehle 1992, S. 5):
•
Individuell auszuführende Arbeitsproben und Aufgabensimulationen (Organisations-,
Planungs-, Entscheidungs-, Controlling – und Analyseaufgaben)
3
Die angeführten Möglichkeiten Situationen in eine Übung zu überführen, stammen sinngemäß aus einem
Handout zum Referat von Ernst-August Bolte und Katrin Sünderhauf zum Thema „Konstruktion von Übungen“.
Studiengang iUF
23
Dokumentation AC iUF
•
Gruppendiskussionen mit und ohne Rollenvergabe
•
Gruppenaufgaben mit Wettbewerbs- und/oder Kooperationscharakteristik
•
Vorträge und Präsentationen
•
Selbstvorstellung
•
Wirtschaftsspiele
•
Fähigkeits- und Leistungstests
•
Biographische Fragebogen
•
Lockerungsübungen
Zusammenfassend ist der gesamte Prozess zur Konstruktion der AC-Übungen in Abbildung
1 vereinfacht dargestellt.
Konstruktion AC-Übungen
Beschreibung
der
Zielfunktion
Definition
erfolgskritischer
Situationen
Verhaltensbeschreibung
„guter“ und „schlechter“
Stelleninhaber
Definition
Bewältigungsfaktoren
je Situation
Zusammenfassung d.
Bewältigungsfaktoren
zu Anforderungsdimensionen
Ergebnis I:
Ergebnis II:
Übungskonzept
Schreiben der
Übungen
Entwurf
Gesamtkontext
Abbildung der
Situationen in
Übungen
Liste kritischer Situationen der
Zielfunktion
Anforderungsdimensionen (inkl.
Verhaltensbeschreibungen) je
Situation
Abb. 1: Konstruktion von AC-Übungen
3.3. BeobachterInnen
BeobachterInnen nehmen eine zentrale Rolle im AC-Verfahren ein. Die Anzahl der
BeobachterInnen soll so gewählt werden, dass „einem Beobachter jeweils höchstens zwei
Teilnehmer zugeordnet werden“. (Fisseni und Fennekels 1995, S. 79)
Die Organisation des Beobachtungsvorganges kann auf mehrerlei Arten erfolgen. Oft
bekommt ein Beobachter/eine Beobachterin eine(n) oder zwei KandidatInnen zugeteilt,
welche er/sie im Verlauf des gesamten ACs beobachtet (fixe Zuteilung). Bei einem solchen
Vorgehen geht allerdings der Vorteil eines AC verloren, dass man sich in der Beurteilung der
KandidatInnen auf mehrere Meinungen stützen kann. Geeigneter scheint es, jedem
Kandidaten/jeder
Kandidatin
eine(n)
„HauptbeobachterIn“
zuzuteilen.
Diese(r)
Studiengang iUF
24
Dokumentation AC iUF
„HauptbeobachterIn“ beobachtet und beurteilt eine(n) Kandidaten/Kandidatin, und diese
Beobachtung wird von anderen BeobachterInnen ergänzt (Halb-fixe Zuteilung). Eine dritte
Möglichkeit ist es, in jeder Übung die Zuteilung KandidatIn – BeobachterIn zu wechseln (lose
Zuteilung). Welche der angeführten Varianten zum Einsatz kommt, ist u.a. von der Anzahl
der BeobachterInnen abhängig, die für das AC zur Verfügung stehen. Alle drei Möglichkeiten
werden in Abbildung 2 dargestellt. Dabei stellen die schwarzen Kreise die BeobachterInnen
dar, die weißen Kreise die KandidatenInnen, die durchgezogenen Linien die fixen
Beobachter-Kandidat-Verbindungen und die gestrichelte Linien die, in jeder Übung
wechselnden Beobachter-Kandidaten-Verbindungen dar.
Fixe Zuteilung
Halb-fixe Zuteilung
Lose Zuteilung
B e o b a c h t e r
K a n d i d a t e n
Abb. 2: Zuteilung Beobachter - Kandidaten
Beobachtet und protokolliert werden während den Übungen die Verhaltensausprägungen der
KandidatInnen.
Diese
Verhaltensorientierung
ist
eines
der
entscheidenden
Qualtitätskriterien des Arbeitskreis Assessment Center (1992). Sie baut auf dem Grundsatz
auf, dass „protokollierte Verhaltensbeschreibungen“ das einzige Mittel darstellen, um
„zwischen tatsächlichem Teilnehmerverhalten und Interpretation oder Schlussfolgerungen
der Beobachter zu unterscheiden. (...) Beobachtbares Verhalten ist das zentrale
Kommunikationsmittel, mit dem Beobachter ihre Eindrücke und Schlussfolgerungen
austauschen.“
Studiengang iUF
25
Dokumentation AC iUF
Abbildung 5 zeigt einen kurzen Leitfaden für BeobachterInnen, der u.a. die Aufgabe der
Verhaltensprotokollierung und –bewertung berücksichtigt.
„Leitfaden für Beobachter“
Überblick:
Während des AC gilt:
- Die Beobachter protokollieren Verhalten.
- Die Beobachter bewerten Verhalten.
Am Ende des AC gilt:
- Die Beobachter fassen die Stärken und Schwächen zusammen.
- Die Beobachter geben Empfehlungen für Entwicklungsmaßnahmen.
Einzelaufgaben
- Während einer Übung protokolliert ein Beobachter die Wortbeiträge sowie das
nichtverbale Verhalten der (zwei) Teilnehmer, die ihm zugewiesen werden.
- Nach der Übung bewertet er das Verhalten aufgrund seiner Notizen und stimmt
diese Bewertung mit anderen Beobachtern ab. Wichtig ist, dass alle Beobachter
mit der Bewertung einverstanden sind.“
- Am Schluss des AC fassen die Beobachter die in den einzelnen Bewertungen
beschriebenen Stärken und Schwächen zusammen, und zwar getrennt nach jeder
Anforderungsdimension.
- Auch das End-Gutachten wird im Beobachter-Gremium solange besprochen, bis
alle Beobachter einverstanden sind.
Abb. 3: „Leitfaden für Beobachter“ (Fisseni und Fennekels 1995, S. 80)
3.4. Der Beobachtungsprozess im AC
Der Prozess von der einzelnen Verhaltensbeobachtung während einer AC-Übung bis zur
Entscheidungsfindung läuft wie folgt ab:
1. Während
der
AC-Übung
werden
KandidatInnen
bzw.
deren
Verhalten
von
BeobachterInnen beobachtet. Dies geschieht nach einem zuvor angefertigten Plan, der
festlegt, welche(r) BeobachterIn welche(n) TeilnehmerIn in welcher Übung beobachtet.
Hilfsmittel ist ein Beobachtungsblatt, auf welchem die Beobachtungen verhaltensnah
festgehalten werden.
Studiengang iUF
26
Dokumentation AC iUF
Beispiel Beobachtungsblatt:4
Beobachtungsblatt, Übung:
Beobachter:
Name des Teilnehmers:
Zeit
Beobachtungen
2. Nach der Übung ziehen sich die BeobachterInnen in einen Beobachterraum zurück. Dort
füllt
jede(r)
BeobachterIn
mit
Hilfe
der
dokumentierten
Beobachtungen
am
Beobachtungsblatt ein Auswertungsblatt aus. Vor oder während dieser Aufgabe sollten
sich die BeobachterInnen nicht miteinander austauschen, da keine gegenseitige
Beeinflussung stattfinden soll.
Beispiel: Auswertungsblatt10
Auswertungsblatt
Teilnehmer:
Übung: MA-Gespräch
Anforderungsdimension
Beobachter:
Beobachtetes Verhalten
Zwischenmenschlicher Umgang
-
schafft gute Gesprächsatmosphäre
hört zu
ist ruhig, sachlich und fair
erkennt Argumente des MA an, nimmt
Vorschläge ernst
zeigt Verständis
Zusammenfassung Stärken:
Zusammenfassung Schwächen:
4
Die Vorlagen zum Beobachtungs- und Auswertungsblatt stammen aus einer Übung, welche mit den Besuchern
Studiengang iUF
27
Dokumentation AC iUF
„Die Organisation des Beuteilungsprozesses wird von folgender Regel geleitet: Zuerst
beobachten und dann beurteilen!“ (Kompa 1999, S. 42)
3. Nach Abschluss aller Übungen treffen die BeobachterInnen in der Beobachterkonferenz
zusammen. Dort werden alle Eindrücke über KandidatInnen ausgetauscht und diskutiert.
Auf Basis des so entstehenden Gesamtbildes eines/einer Kandidaten/Kandidatin wird
dann eine Entscheidung getroffen. Der Prozess der Entscheidungsfindung kann nach
einer Empfehlung des Arbeitskreis Assessment Center e.V. (1995) wie folgt gestaltet
werden:
i. Vorstellung des beruflichen Werdegangs der jeweiligen TeilnehmerIn
ii. Vorlesen der Stärken und Schwächen der TeilnehmerIn
iii. Klärung eventueller Unklarheiten
iv. Herausarbeiten
charakteristischer
Verhaltensweisen
der
TeilnehmerIn
durch
Verdichtung der Stärken und Schwächen (Resümee). Als charakteristisch werden in der
Regel nur Merkmale bezeichnet, die in mehreren Übungen beobachtet werden konnten,
d.h. einen ‚gewissen Grad von Situationsunabhängigkeit‘ aufweisen.
v. Entscheidung in Hinblick auf die Eignung bzw. den Grad der Eignung zur Übernahme
der Zielfunktion.
Die Entscheidung über die Eignung der KandidatInnen kann von den Beobachtern allerdings
nur dann begründet getroffen werden, wenn sie gründlich auf ihre Aufgabe im AC vorbereitet
wurden.
3.5. Beobachtertraining
Ein AC sollte nicht ohne Training der BeobachterInnen durchgeführt werden. In einem
Beobachtertraining müssen zumindest folgende Ziele verfolgt werden: (Arbeitskreis
Assessment Center e.V. 1995, S. 103f.)
•
Sensibilisierung
der
BeobachterInnen
für
Fehlerquellen
im
Rahmen
der
Personenwahrnehmung und -beurteilung.
•
Verdeutlichung der Tatsache, dass Personenwahrnehmung und –beurteilung subjektiv
und von den Erfahrungen und Einstellungen des jeweiligen Beobachters geprägt sind.
des Assessment Center Kongresses 2001 durchgeführt wurde.
Studiengang iUF
•
28
Dokumentation AC iUF
Durchspielen einzelner AC-Übungen, um die Situation der TeilnehmerInnen aus eigener
Erfahrung kennenzulernen.
•
Anleitung
zur
klaren
Trennung
von
Verhaltensbeschreibungen
und
Verhaltensbeurteilungen.
•
Sicherstellung
eines
einheitlichen
Vorgehens
bei
der
Datenerhebung
(Verhaltensbeobachtung) und Beurteilung.
Als weitere Zielsetzung eines Beobachertrainings führen Fisseni und Fennekels (1995)
folgende Punkte an:
•
Die BeobachterInnen haben eine sichere Kenntnis der eingesetzten Materialien.
•
Die aktive Einübung des Beobachtungs- und Beurteilungsprozesses wird berücksichtigt.
•
Aufmerksamkeit für gängige, spontane Wahrnehmungsverzerrungen wird erzeugt.
•
Gegenseitiger Respekt und Unterstützung in der Aufgabe wird durch Teambildung
gefördert.
•
Rückmeldungsgespräche mit den KandidatInnen werden geprobt.
Studiengang iUF
29
Dokumentation AC iUF
4. AC iUF Projektplanung
Nachdem im vorangegangen Teil des Dokumentes die Ausgangslage zur Konzeption eines
Assessment Centers dargestellt wurde, geht dieser nun folgende Teil auf die Grobplanung
des Projektes „AC iUF“ ein.
Inhalt des Projektes ist sowohl die eigentliche Konzeption des Assessment Centers und die
zur Durchführung notwendigen Vorbereitungsarbeiten als auch die Durchführung des
Assessment Centers an sich. Weiters Bestandteil des Projektes ist die Dokumentation und
Evaluation des ACs, welcher eine wichtige Rolle in der Weiterentwicklung des AssessmentVerfahrens an der Fachhochschule zukommt.
Vor-Projekt
Projekt
.
.
Planung,
Konzeption
AC iUF
Durchführung
AC iUF
Abb. 4: Kontextanalyse Projekt AC iUF
Nach-Projekt
Evaluation
AC iUF
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
30
4.1. Projektstrukturplan
Der Projektstrukturplan zum Projekt „AC iUF“ gliedert sich in sieben Arbeitspakete, welche
sich in drei Projektphasen einordnen lassen:
Planung, Konzeption AC iUF:
•
Konzeption Übungen
•
BeobachterInnen schulen
•
Ablaufplanung
Durchführung AC iUF
•
Durchführung AC iUF
•
Endgutachten erstellen
•
Rückmeldung an KandidatInnen
Evaluation AC iUF
Die Evaluation und Weiterentwicklung des AC iUF soll im Rahmen des Projektmanagements
stattfinden.
Studiengang iUF
31
Dokumentation AC iUF
Projektstrukturplan „Assessment Center iUF“
AC IUF
Beobachter schulen
Konzeption Übungen
Ablaufplanung
Durchführung AC IUF
Endgutachten erstellen
PM
teilnehmende Beobachter festlegen
Anforderungsanalyse
Ablaufplan erstellen
Projektdokumentation
Vorbereitung Beobachterschulung
Entwurf Übungsdesign
Räumlichkeiten, Ausstattung,
Hilfsmaterialien festlegen,
Evaluation AC IUF
Erstellen Leitfaden AC
Erstellen Übungsmappen
Durchführung Schulung
Erstellen Bewertungsmappen
Abb. 5: Projektstrukturplan AC iUF
Studiengang iUF
32
Dokumentation AC iUF
4.2. Ablaufplan zur Phase „Planung, Konzeption AC iUF“
Jene Arbeitspakte, die in der Planung und Konzeption des AC iUF eine Rolle spielen,
werden in Abbildung 6 noch einmal in einem Ablaufplan dargestellt. Dieser Plan soll dem
strukturierten Vorgehen in der Konzeption des AC iUF dienen und die verschiedenen
Abhängigkeiten zwischen den Arbeitspaketen aufzeigen. Nicht enthalten sind Termine oder
zeitliche Vorgaben innerhalb derer die einzelnen Arbeitspakete erledigt werden müssen.
Ablaufplan „Konzeption AC IUF“
teilnehmende
Beobachter
festlegen
Fortsetzung
Informationsmaterial
zusenden
Ablaufplan
erstellen
Workshop
„Andforderungsanalayse“
Vorbereitung
Beobachterschulung
Fertigstellung
„Anforderungsanalyse“
Entwurf
Übungsdesign
und -mappe
Erstellen
Bewertungsmappen
Beobachterschulung
AC IUF
Abb. 6: Ablaufplan zur Konzeption des AC iUF
Die in Abbildung 6 dargestellten Arbeitspakte (AP) werden weiters mit den jeweils zu
erledigenden Aufgaben angeführt.
AP 1: Teilnehmende BeobachterInnen festlegen und Informationsmaterial zusenden
Aufgaben
Ø Erstellen einer Liste mit möglichen BeobachtInnen (FH-intern und –extern)
Ø Informationsblatt mit geplantem Ablauf des Workshops an Beobachter versenden
AP 2: Workshop „Anforderungsanalyse“
Aufgaben
Ø Festlegen der Zielfunktion für das AC iUF
Ø Erhebung von Situationen, die typisch und wichtig für die Zielfunktion sind
Ø Gewichtung der aufgezählten Situationen nach ihrer jeweiligen Priorität für die
Zielfunktion
Ø Erklärung
des
Formulars
FunktionsinhaberInnen
in
zur
Beschreibung
erfolgskritischen
von
Situationen
des
und
Verhaltens
der
durchzuführenden Verhaltensbeschreibung
Ø Einigung auf einen Termin zur Rücksendung der ausgefüllten Formulare
von
individuell
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
33
AP 3: Fertigstellung „Anforderungsanalyse“
Aufgaben
Ø Sammlung der ausgefüllten Formulare mit den Verhaltensbeschreibung „guter,
schlechter“ FunktionsinhaberInnen
Ø Ableitung von Faktoren zur erfolgreichen Bewältigung der jeweiligen Situation
Ø Zusammenfassung der Bewältigungsfaktoren zu Anforderungsdimensionen
Ø Versendung der erarbeiteten Anforderungen und Verhaltensbeschreibungen an die
BeobachterInnen zur nochmaligen Durchsicht
AP 3: Entwurf Übungsdesign und –mappe
Aufgaben
Ø Festlegen, welche Situationen in Übungen abgebildet werden sollen
Ø Zusammenfassung von ähnlichen Situationen in Situationsklassen (Voraussetzung –
Ähnlichkeit der Anforderungen)
Ø Prüfen, ob mehrere Situationen (hintereinander) in einer Übung simuliert werden können
Ø Gesamtkontext, in dem die Übungen stattfinden sollen, festlegen
Übungen schreiben
Ø Allgemeine Ausgangslage beschreiben (Hintergrund für alle Übungen eines ACs)
Ø Beschreibung der Ereignisse um die einzelnen Übungen (als Ergänzung zur
„allgemeinen Ausgangslage“)
Ø Beschreibung der einzelnen Übungen
Ø Beschreibung von Meta-Informationen zur Übung (Sinn der Übung, Aufgabenstellung,
Vorbereitungszeit, Material, Hilfsmittel, Hinweise auf RollenspielpartnerInnen, etc.)
Ø Erstellung einer Übungsmappe mit den Ergebnissen der eben genannten Aufgaben
AP 4: Bewertungsmappen erstellen
Aufgaben
Ø Für jede AC-Übung: Erstellung von Beobachtungsblättern und Auswertungsblättern
AP 5: Ablaufplan erstellen
Aufgaben
Ø Bestimmung der Abfolge der Übungen und Anforderungen
Ø Erstellung von Zeitplänen für die Auswertung
Ø Rotation von BeobachtInnen und BewerberInnen planen
Ø Räum- und Material-/Ausstattungspläne erstellen
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
34
Ø Erstellung von Ablaufplänen für die TeilnehmerInnen (ModeratorIn, BeobachterInnen und
KandidatInnen)
AP 6: Beobachterschulung vorbereiten
Ø Ablauf und Inhalte der Schulung planen
Ø Informationsmaterial Wahrnehmungsverzerrungen, AC-Übungen,
Bewertungsdimensionen, Beobachtungsvorgang zusammenstellen
Ø Probe-Durchlauf einer Übung planen
Ø Ablaufpläne für BeobachterInnen durchgehen
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
35
Literatur
ARBEITSKREIS ASSESSMENT-CENTER – Auswahl und Entwicklung von Führungskräften:
Projektgruppe ‚Qualtitätsstandards‘. (Hg.). „Standards der Assessment-Center Technik.“
München, 1992.
ARBEITSKREIS ASSESSMENT CENTER e.V. (Hg.),
„Assessment Center in der betrieblichen Praxis: Erfahrungen und Perspektiven.“, 2.
überarbeitete Auflage, Hamburg: Windmühle GmbH, 1995.
ARBEITSKREIS ASSESSMENT CENTER e.V. (Hg.),
„Assessment Center als Instrument der Personalentwicklung: Schlüsselkompetenzen,
Qualitätsstandards, Prozessoptimierung.“, 1. Auflage, Hamburg: Windmühle GmbH, 1996.
BRAY, D.W.,
„The management process study.“ American Psychologist, 19, 419 – 420.
FACHHOCHSCHULE VORARLBERG, „Antrag auf die Anerkennung eines FachhochschulStudienganges: iUF ‚Internationale Unternehmensführung‘.“, Dornbirn: Januar 2001.
FENNEKELS, G.P.,
„Validität des Assessment Centers bei Führungskräfteauswahl und –entwicklung.“, Phil.
Diss., Bonn.
FISSENI, H.-J., FENNEKELS, G. P.,
„Das Assessment-Center: Eine Einführung für Praktiker.“, Göttingen: Hogrefe – Verlag für
Psychologie, 1995.
GLOOR, A.,
„Die AC-Methode, Assessment Center: Führungskräfte beurteilen und fördern.“, 3. Auflage,
Zürich: Orell Füssli Verlag AG, 2000.
JESERICH, W.,
„Mitarbeiter auswählen und fördern. Assessment-Center-Verfahren.“ 5. unveränderter
Nachdruck, München: Hanser, 1990.
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
36
KOMPA, A.,
„Assessment Center: Bestandsaufnahme und Kritik.“, 6. verb. Auflage, München; Mering:
Rainer Hampp Verlag, 1999.
NEUBERGER, O., „Assessment Center-, ein Handel mit Illusionen?“ In: Lattman 1989.
SCHULER, H., STEHLE, W.,
„Assessment Center als Methode der Personalentwicklung.“, 2. Auflage, Stuttgart: Verlag für
Angewandte Psychologie, 1992.
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
37
Abbildungs- / Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
GLOOR, A., „Die AC-Methode, Assessment Center: Führungskräfte beurteilen
und fördern.“, 3. Auflage, Zürich: Orell Füssli Verlag AG, 2000.
Abbildung 1: „Konstruktion von AC-Übungen“
Abbildung 2: „Zuteilung Beobachter – Kandidaten“
Abbildung 3: FISSENI, H.-J., FENNEKELS, G. P., „Das Assessment-Center: Eine
Einführung für Praktiker.“, Göttingen: Hogrefe – Verlag für Psychologie, 1995.
Abbildung 4: „Kontextanalyse Projekt AC iUF“
Abbildung 5: „Projektstrukturplan AC iUF“
Abbildung 6: „Ablaufplan zur Konzeption des AC iUF“
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
38
Anhang
Standards der Assessment Center-Technik
Arbeitskreis Assessment Center e.V. (Hrsg.), „Das Assessment Center in der
betrieblichen Praxis: Erfahrungen und Perspektiven“, 2. überarbeitete Auflage, Hamburg:
Windmühle Verlag und Vertrieb von Medien, 1995.
Vorbemerkungen
Der „Arbeitskreis Assessment Center e.V.“ besteht aus einer Gruppe von Personalexperten
und –verantwortlichen, die sich seit Mitte der 70er Jahre mit Fragen der Auswahl und
Entwicklung von Führungskräften in Unternehmen und im öffentlichen Dienst befassen.
Privatwirtschaftliche Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Dienstes aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz bündeln im „Arbeitskreis Assessment Center –
Auswahl und Entwicklung von Führungskräften“ ihr wissenschaftliches und vor allem
praktisches Wissen über die Assessment Center-Technik und ihren praktischen Einsatz bei
der Auswahl und Entwicklung von Führungskräften.
Mit den hier veröffentlichten Standards stellt der „Arbeitskreis Assessment Center – Auswahl
und Entwicklung von Führungskräften“ Qualitätskriterien für die Entwicklung, Durchführung
und Einebnung von Assessment Centern im Unternehmen zur Verfügung. Die
Qualitätskriterien spiegeln die Summe der praktischen Erfahrungen wider, die der
Arbeitskreis in den letzten 10 bis 15 Jahren im Umgang mit Assessment Centern und mit
Problemen der Führungskraftentwicklung sammeln konnte.
Ziele der Qualitätsstandards
•
Die Standards stellen die Grundlage für die zukünftige Arbeit des Arbeitskreises
bezüglich der Anwendung der Assessment Center-Technik dar. Die Standards sollen
potentielle Anwender in die Lage versetzten, Angebote zur Assessment CenterEntwicklung auf ihre Güte hin zu prüfen.
Studiengang iUF
•
39
Dokumentation AC iUF
Die Standards sollen von firmeninternen Verantwortlichen als Argumentationshilfe
genutzt werden können, um Verbesserungsnotwendigkeiten an Assessment Centern
auch gegenüber ihrem eigenen Firmenumfeld besser begründen zu können.
•
Schließlich
sollen
die
Standards
einer
interessierten
Öffentlichkeit
als
Beurteilungsgrundlage für die Güte von in der Praxis eingesetzten Assessment Centern
dienen.
Aufbau der Standards
Insgesamt hat der Arbeitskreis neun Standards aufgestellt.
In der nachfolgenden Darstellung wird zu jedem Standard ein Grundsatz angegeben, der
den Inhalt des jeweiligen Standards im Kern umreißt.
Anschließend werden Umsetzungshinweise gegeben, wie dieser Standard in einem
Assessment Center konkret verwirklicht werden kann.
Schließlich wird unter der Überschrift „Verstöße“ angegeben, welche in der Praxis auch
anzutreffenden Vorgehensweisen gegen den jeweiligen Standard verstoßen. Der
„Ausschlußkatalog“ dient der konkreten Eingrenzung der Auslegungsbandbreite, die solchen
allgemeinen Prinzipien oft innewohnt.
Die hier vorgelegten Standards werden ergänzt durch die vom „Arbeitskreis Assessment
Center – Auswahl und Entwicklung von Führungskräften“ zur Zeit entwickelten „Grundsätze
systematischer Personalentwicklung“.
Die Standards wurden von den Mitgliedern der Projektgruppe „Qualitätsstandards“ im
„Arbeitskreis Assessment Center – Auswahl und Entwicklung von Führungskräften“ im Jahr
1991 erarbeitet.
Die Standards wurden vom Gesamtarbeitskreis im Januar 1992 grundsätzlich
verabschiedet und anschließend noch zur hier vorliegenden Fassung redaktionell
überarbeitet.
Das Copyright für die Qualitätsstandards liegt beim Arbeitskreis Assessment Center e.V.,
München.
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
Autoren der Projektgruppe „Qualitätsstandards“
Dr. Peter Jung
(Allianz Versicherungs-AG)
Dr. Georg Fennekels
(Universität Bonn)
Helmut Methner
(Deutsche Telekom)
Rainer Neubauer
(Neubauer und Kooperationspartner)
Rainer Schmidt
(Vereinte Versicherungs-AG)
Dr. Bernd Wolf
(DGP, Hannover)
40
Studiengang iUF
41
Dokumentation AC iUF
1. Anforderungsorientierung
Grundsatz
Eignung ohne Analyse des konkreten Wofür ist sinnleer.
Umsetzungshinweise
Ein Assessment Center genügt nur dann den hier vertretenen Standards, wenn die
Entwicklung
der
Assessment
Center
–
Materialien
auf
der
Grundlage
einer
unternehmensspezifischen Anforderungsanalyse erfolgte.
Dies Analyse umfasst mindestens:
•
Identifikation einer eingegrenzten Gruppe von Positionen als Zielebene;
•
Analyse der in dieser Gruppe derzeit und künftig relevanten Eignungssituationen;
•
Erhebung der in diesen Situationen geeigneten Verhaltensbandbreiten.
Grundlage der Anforderungsanalyse ist die Beteiligung der Personengruppen, die die
tatsächliche Zielebene wesentlich mitgestalten (Entscheider, Stelleninhaber).
Verstöße
•
Verzicht auf Anforderungsanalyse;
•
Einfache Übernahme der Merkmale anderer Zielgruppen oder gar Unternehmungen;
•
Übernahme von Merkmalskatalogen externer Berater; Festlegung der Anforderungen
nach den Fähigkeiten vorhandener eignungsdiagnostischer Mittel (Motto: Wir haben eine
interessante Übung, einen Test, der folgendes mißt, das machen wir zur Anforderung);
•
Verzicht auf Situationsanalyse zugunsten allgemeiner Listen von Fähigkeitsmerkmalen
(z.B. Eigenschaftslisten aus der allgemeinen Führungsstilforschung).
2. Verhaltensorientierung
Grundsatz
Protokollierte
Verhaltensbeschreibungen
sind
das
einzige
Mittel,
zwischen
tatsächlichen Teilnehmerverhalten und Interpretationen oder Schlußfolgerungen der
Beobachter zu unterscheiden.
Studiengang iUF
42
Dokumentation AC iUF
Umsetzungshinweise
Basis der Beobachtung und Bewertung von Eignung im Assessment Center ist das
beobachtbare Verhalten der Teilnehmer, welches den wirklichkeitsnächsten Bezug zur
gerechten Beschreibung und Eignungsbewertung darstellt. Beobachtbares Verhalten ist das
zentrale Kommunikationsmittel, mit dem Beobachter ihre Eindrücke und Schlußfolgerungen
austauschen. Fähigkeitsbegriffe (wie „Selbständigkeit“ oder „Kooperationsbereitschaft“)
werden dagegen lediglich als bewußt eingesetzten Ordnungsmittel gedanklicher Art
aufgefaßt, die die tatsächlichen Verhaltensbandbreiten des Teilnehmers nicht aus sich
heraus erfassen und widerspiegeln können.
Verstöße
•
Einsatz diagnostischer Mittel, deren Bezug zu realem Verhalten nicht hinreichend
nachgewiesen ist (die meisten Testverfahren);
•
Einsatz diagnostischer Mittel, deren Erkenntnisgewinn weder Beobachtern noch
Teilnehmern
entsprechend
deren
Verständnismöglichkeiten
und
Vorkenntnissen
vermittelbar sind (z.B. Persönlichkeitstests, projektive Verfahren wie TAT);
•
Methoden, deren Nützlichkeit nur für ganz andere Zielgruppen nachgewiesen ist
(manche
Testbatterien;
Einsatz
von
Beratungsmittel
wie
Interessenstests
für
Auswahlzwecke usw.);
•
Methoden, bei denen der Verhaltensbezug lediglich gedanklich-theoretisch vorstellbar ist
(z.B. Interview mit Thema „Stellen Sie sich vor, Ihr Mitarbeiter käme immer zu spät. Wie
würden Sie sich verhalten?“).
3. Prinzip der kontrollierten Subjektivität
Grundsatz
Die objektive Wahrheit ist uns nicht zugänglich. Jeder, der über andere entscheidet,
kann dies prinzipiell nur auf der Grundlage seiner subjektiven Erkenntnisse tun.
Umsetzungshinweise
Im Assessment Center gilt, daß die Personen, die dank ihrer Funktion Entscheidungen über
andere zu treffen haben, diese Funktion auch im Assessment Center verantwortlich
wahrnehmen (in der Hauptsache Linienvorgesetzte). Da jeder Mensch zwangsläufig
subjektiv beobachtet und beurteilt, werden im Assessment Center mehrere Beobachter
Studiengang iUF
43
Dokumentation AC iUF
eingesetzt, die sich gegenseitig dabei unterstützten und kontrollieren, daß sie ihre
gemeinsame Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen bewältigen.
Ein Assessment Center darf erst dann durchgeführt werden, wenn die Beobachter für ihre
Aufgabe hinreichend trainiert wurden. Ein Beobachtertraining muß mindestens folgende
Ziele verfolgen: sicherer Kenntnis der eingesetzten Materialien; aktive Einübung des
Beobachtungs-
und
Beurteilungsprozesses;
Aufmerksamkeit
für
gängige,
Wahrnehmungsverzerrungen; gegenseitiger Respekt und Unterstützung durch Teambildung;
Einübung von Rückmeldungsgesprächen (siehe Prinzip 5 und 6). Durch die konkrete
Berücksichtigung dieses Prinzips wird eine verantwortungsvolle Beurteilung erst ermöglicht
und zudem erreicht, daß Beobachter aus der Assessment Center – Erfahrung für ihr eigenes
Führungsverhalten profitieren können.
Verstöße
•
Verzicht auf Beobachtertraining;
•
Überwiegender Einsatz von Nicht-Entscheidern (Mitarbeiter der Personalabteilung,
externe Berater);
•
Einsatz nur eines Beobachters
•
Erzwingen von pseudoobjektiven Urteilen durch Vergabe von Notenstufen unter Verzicht
auf qualitativ verhaltensbeschreibende Darstellung;
•
Arithmetische Gesamtmittelwertbildung über alle Merkmalsdimensionen;
•
Mittelwertbildung pro Merkmalsdimension aus verschiedenen Beobachtungssituationen
ohne Berücksichtigung der tatsächlich beobachteten Verhaltensbandbreiten des
Teilnehmers;
•
Erzwingung einer rein formalen Übereinstimmung zwischen Beobachtern bei der Sicht
von Teilnehmerverhalten durch einfache Mehrheitsabstimmung anstelle von integrativer
Konsensbildung durch Diskussion der verschiedenen Sichtweisen. (Einigkeit muß
letztlich nur bei einer gegebenenfalls zu treffenden Gesamtentscheidung erzielt werden).
4. Simulationsprinzip
Grundsatz
Die jeweilige Aufgabensituation stellt eine so starke Rahmenbedingung für die
Eignung von Verhaltensweisen dar, daß Verhalten nur in diesem Kontext realistisch
beobachtet und beurteilt werden kann.
Umsetzungshinweise
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
44
Im Assessment Center wird Verhalten in Situationen beobachtet und beurteilt, die denen
nachgebildet sind, die in der Wirklichkeit der Zielpositionen über die Effizienz des
Positionsinhabers entscheiden. Das Simulationsprinzip umfaßt dabei auch den Versuch, die
simulierten Situationen in ihrer Anzahl und Vielfalt so zu gestalten, wie sie in Wirklichkeit
anzutreffen sind.
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
45
Verstöße
•
Kein Einsatz von Simulationen;
•
Einsatz von Methoden, in denen der Simulationscharakter lediglich gedacht erfolgen
kann (z.B. Interview zum Thema „Versetzen Sie sich in die Lage..., was würden Sie tun?);
•
Simulationen, in denen die Assessment Center – Wirklichkeit der zu simulierenden
paradox widerspricht (z.B. Einsatz eines Beobachters (hochrangiger Linienvorgesetzter)
oder Teilnehmers (Konkurrent oder Freund) als Rollenspieler für ein vom Teilnehmer zu
führendes die Kritikgespräch. Der Teilnehmer soll sich dabei vorstellen, daß der
tatsächliche Vorgesetzte oder Konkurrent/Freund ein zu kritisierender Mitarbeiter sei);
•
Überbetonung einzelner Übungstypen aus Ökonomiegründen (z.B. Einsatz vieler
Gruppendiskussionen unter Verzicht auf die in der Praxis möglicherweise wichtigere
Zweiergespräche; hohe Dominanz mündlicher Übungen unter Verzicht auf auch wichtige
schriftliche Situationen).
5. Transparenzprinzip
Grundsatz
Wer nicht weiß, worum es geht, kann sich auch nicht geeignet verhalten oder
geeignetes Verhalten beobachten.
Umsetzungshinweise
Das Assessment Center ist so anzulegen, daß alle Beteiligten (Teilnehmer, Beobachter,
Entwickler) eine maximale Chance haben, Grundziel, Ablauf und Bedeutung des Verfahrens
für das Individuum verstehen zu können. Das Verfahren wird deshalb möglichst transparent
gestaltet. Die Transparenz beginnt vor der Verfahrensdurchführung mit einer eingehenden
Information der Teilnehmer über Ziel, Ablauf und Chancen/Risiken einer Teilnahme. Diese
Information erfolgt sinnvollerweise vor der individuellen Teilnahmeentscheidung. Die
Beobachter werden durch das Beobachtertraining auf das Verfahren eingestimmt und
vorbereitet. Während des Verfahrens werden die Teilnehmer über jede Übungsart informiert
(konkrete Ziele und Ergebinserwartungen). Ziel der Übungsinformation ist es auch,
unterschiedliche Wissenshintergründe zwischen den Teilnehmern auszugleichen. Nach dem
Assessment Center werden die Teilnehmer über Ergebnisse, Anschlußmaßnahmen und
Konsequenzen informiert.
Verstöße
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
46
•
Keine Vorinformation der Teilnehmer;
•
Keine klare Zielvorgabe vor jeder Übung;
•
Verschweigen oder Verschleiern der Beobachtungsschwerpunkte in der Übung;
•
Einbau unvermuteter oder verleugneter Beobachtungsquellen (beim „geselligen
Beisammensein“, nach der Anreise, bei den Mahlzeiten);
•
Keine klare Rückmeldungen;
•
Kein Aufzeigen der nächsten Schritte nach dem Assessment Center;
•
Verschleierte Informationsweitergabe ohne Einverständnis an Vorgesetzte.
6. Individualtitätsprinzip
Grundsatz
Erkenntnisse sind nur dann nützlich, wenn der Erkennende sie individuell sinnvoll
nutzen kann.
Umsetzungshinweise
Verhaltensänderungen kann nur das Individuum selbst anstreben und umsetzen. Im
Assessment Center wird deshalb den Teilnehmern direkt Rückmeldung gegeben in einer
Form, die jeder Teilnehmer individuell sinnvoll nutzen kann. Der Begriff „individuell sinnvoll“
beinhaltet nicht zwangsläufig „individuell erfreulich“, sondern meint konkret hilfreich im Sinne
der Verhaltensänderung. Dies setzt voraus, daß die Assessment Center – Beobachtungen
und –Beurteilungen für die Rückmeldung in einer Form aufbereitet werden, die folgenden
Kriterien gerecht wird:
Die Rückmeldungen sollen konkret auf die Individualität des Teilnehmers zugeschnitten sein.
Sie sollen sich auf die Merkmale und Situationen konzentrieren, die für diese Teilnehmer
besondere Beiträge zu einem abgerundeten Gesamtbild leisteten. Der Teilnehmer soll
spüren, daß er von den Beobachtern sorgfältig, gewissenhaft und mit einer positiven
Grundbereitschaft betrachtet wurde; d.h., die Betonung liegt auf den Stärken des
Teilnehmers. Diese Grundeinstellung sorgt auch dafür, daß dem Teilnehmer negative
Rückmeldungen klar und eindeutig gegeben werden können. Statt dessen werden
Einsatzmöglichkeiten gesucht, die im Bereich der potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten der
Gesamtperson liegen. Jeder Beobachter trägt die persönliche Verantwortung dafür, daß
wertvolle Mitarbeiterqualifikationen nicht durch leichtfertige oder falsche Rückmeldungen
Studiengang iUF
47
Dokumentation AC iUF
zerstört werden. Die Beobachter werden durch entsprechende Maßnahmen (z.B. im
Beobachtertraining) in dieser Aufgabe vorbereitend und begleitende unterstützt.
Verstöße
•
Verzicht auf Rückmeldung;
•
Lediglich Verkündung von Gesamtergebnissen (Rangreihenplatz, Gesamtpunktanzahl,
Auswahlentscheidung, Merkmalsmittelwerte);
•
Persönlichkeitsorientierte Globalbotschaften;
•
Rückmeldungen, die der Teilnehmer nicht verstehen kann (Testscores);
•
Rückmeldung ohne Beobachterbeteiligung;
•
Rückmeldung nur durch Zusendung schriftlicher Gutachten;
•
Unangemessen lange Zeitspanne bis zur Rückmeldung.
7. Systemprinzip
Grundsatz
Ein Assessment Center ohne gezielte Einbettung in das Gesamtsystem der Personalund Organisationsentwicklung kann auf Dauer auch seine ureigensten Zwecke nicht
erfüllen.
Umsetzungshinweise
Wie jede andere methodische Strategie der Personalauswahl und/oder –entwicklung muß
das Assessment Center in das es umgebende System eingebettet sein/werden. Diese
Einbettung betrifft zumindest die Frage der Vorauswahl und die Schnittstelle zu
nachfolgenden Trainingsmaßnahmen. Erfahrungsgemäß reicht diese Minimaleinbettung
nicht aus und kann nur in den Fällen als Erfüllung des Systemprinzips betrachtet werden, in
denen eine Anwenderorganisation keinerlei systematische Mittel der Personalentwicklung
besitzt. Längerfristig betrachtet gelten für das Assessment Center die Grundsätze
systematischer
Personalentwicklung
(sPE),
die
derzeit
von
der
Arbeitsgruppe
„Systematische Personal- und Organisationsentwicklung“ innerhalb des Arbeitskreises
entwickelt werden.
Verstöße
Studiengang iUF
•
Dokumentation AC iUF
48
Keine Berücksichtigung der Themen Vorauswahl, On-the-job-Training, Aus- und
Fortbildung;
•
Reine „Stabilitätsdiagnostik“ (d.h. Eignung wird als unveränderbar, über die Zeit stabile
Grundausstattung des Teilnehmers betrachtet);
•
Keine Beteiligung der Stellen, die in der Unternehmung für die Gestaltung von
organisatorischen Rahmenbedingungen oder Teilen der Personalentwicklung zuständig
sind. Werden Probleme, die ihre Ursachen in organisatorischen Rahmenbedingungen
und anderen Umweltbedingungen haben, als Eignungsprobleme behandelt, so stellt auch
dies einen Verstoß gegen das Prinzip dar. Probleme der Organisationsentwicklung
lassen sich nicht mit dem Mittel Assessment Center lösen.
Studiengang iUF
49
Dokumentation AC iUF
8. Lernorientierung des Verfahrens selbst
Grundsatz
Ohne Güteprüfung und Qualitätskontrolle wird ein Assessment Center zu einem
sinnlosen Ritual.
Umsetzungshinweise
Ein neu entwickeltes Assessment Center ist zunächst ein sorgfältig konstruiertes
Hypothesengebäude über den Zusammenhang zwischen Verhalten und Effizienz in
definierten Situationen. Eine fortlaufende Qualitätsprüfung und –sicherung des Assessment
Centers stellt sicher, daß das Verfahren ständig verbessert wird, daß Fehler behoben und
Wandlungen
in
der
Eignungslandschaft
(z.B.
Technologie,
Märkte,
Organisationsänderungen) angemessen berücksichtigt werden.
Verstöße
•
Einmaliger Aufbau des Assessment Centers ohne Güteprüfung;
•
Statt empirischer Güteprüfung sich begnügen mit Bestätigung durch Akzeptanz, positiver
Einzelrückmeldungen;
•
Güteprüfung
in
„wissenschaftlicher
unternehmensspezifischen
Relevanz,
Güte
Tradition“
und
ohne
Aussagekraft
Prüfung
der
der
gewählten
Gütekriterien (z.B. Aufstiegsgeschwindigkeit, Gehaltszuwachs).
9. Organisierte Prozeßsteuerung
Grundsatz
Die Ergebnisse chaotischer Entwicklungen sind zufällig; erzwungene Ordnung führt
nicht zwangsläufig zu wahren Ergebnissen. Organisierte Prozeßgestaltung steuert das
Assessment Center durch diese beiden Klippen.
Umsetzungshinweise
Das Assessment Center stellt einen sehr komplexen und dynamischen Prozeß dar, dessen
Ablauf durch klar strukturierte und allen Beteiligte entlastende Organisationshilfsmittel
geregelt werden muß. En in das Verfahren integriertes Korsett von Ordnungshilfen
(Zeitpläne, Beobachtungs- und Beurteilungsbögen, Zuordnungsschemata) sorgt dafür, daß
Studiengang iUF
50
Dokumentation AC iUF
alle Beteiligten sich voll auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Dabei ist darauf zu achten,
daß
die
Hilfsmittel
nicht
die
Beobachtungs-
oder
Beurteilungsergebnisse
selbst
determinieren.
Eine ganz wesentliche Rolle in der Prozeßsteuerung spielt der Moderator des Verfahrens. Er
achtet auf die Qualität des Prozesses insgesamt und leitet die Beobachterkonferenz. Ohne
spezifische Ausbildung und Erfahrung ist der Moderator nicht in der Lage, die ihm im
Verfahren zwangsläufig offenen Möglichkeiten der Ergebniseinflußnahme bewußt im Sinne
der Prozeßsteuerung, nicht jedoch im Sinne der Ergenisbeeinflussung wahrzunehmen. Die
Rolle des Moderators wird deshalb sowohl Teilnehmern als auch Beobachtern vor dem
Verfahren eindeutig und klar erläutert. Sind mehrere Moderatoren im Einsatz, muß
klargestellt sein, welcher Moderator welche Funktion ausübt.
Der Einsatz DV-unterstützter Systeme erfolgt im Assessment Center nur im Sinne einer
verwaltungstechnischen Hilfe, dient jedoch nicht als „Vorentscheidungsinstanz“. Im
Assessment Center sind die Beobachter die Entscheider. Deshalb kann ihnen niemand die
Qual eigenen Nachdenkens und ihre Verantwortung abnehmen.
Verstöße
Verzicht auf Moderator;
Doppelbelastung eines Beobachters mit Moderatorenaufgabe als Regelfall;
Einsatz von Moderatoren, die nicht die Akzeptanz der Entscheider bzw. Beobachter finden
(z.B. mit dem Material vertraute Praktikanten);
Einsatz von Ordnungsmittel, die den Beobachtern die Entscheidungsverantwortung
abnehmen (z.B. pseudoobjektive Entscheidungsregeln, festgelegte Gesamtpunktezahlen für
das „Bestehen“ des Assessment Centers);
Qualtitätsmindernde Rechnerunterstützung (z.B. Rückmeldung anhand abgespeicherter
Standardtexte;
Auswertung
komplexer
Übungen
anhand
Musterlösungen – z.B. bei manchen elektronischen Postkörben).
rechnergespeicherter
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
51
Verzerrungs- und Verfälschungstendenzen
Fisseni, Herman-Josef und Fennekels, Georg P., „Das Assessment Center – Eine
Einführung für Praktiker“, Göttingen: Hogrefe – Verlag für Psychologie, 1995.
Hof-Effekt oder Überstrahlungs-Effekt:
Ein Beurteiler orientiert sich an einem Gesamteindruck oder an einem hervorstechenden
Merkmal. Aus der Präsenz eines Merkmals schließt er auf die Präsenz eines anderen
Markmals.
Beispiel:
Ein Befragter erlebt einen Teilnehmer im Gespräch als sehr ‚warmherzig‘. Darum schreibt er
ihm – ohne weiter Überprüfung – andere Verhaltensweisen zu, die zu Warmherzigkeit
‚passen‘, etwa Kontaktbereitschaft, Kooperationsbereitschaft.
Positions-Effekt:
Der erst oder letzte Eindruck steuern die gesamte Beurteilung.
Beispiel:
Weil ein Teilnehmer elegant gekleidet zum Assessment Center erscheint und eloquent
Kontakte knüpft (erster Eindruck), werden ihm auch Intelligenz und Kreativität zugesprochen
– ohne weitere Überprüfung.
Milde-Effekt (Strenge-Effekt):
Der Fehler, der seinen Namen von der ‚Milde‘ erhält, wird unterschiedlich beschrieben.
Erstens bezeichnet er die Tendenz, generell günstige Urteile abzugeben (generosity-error).
Beispiel:
Ein Beobachter gibt generell ‚gute‘ Noten. – Zweitens bezeichnet Milde-Effekt die Neigung,
solche Personen günstig zu beurteilen, die dem Beurteiler sympathisch sind (leniency-error).
Beispiel:
Bei Teilnehmern, die einem Beobachter sympathisch sind, konvergieren alle Noten bei einer
Vier (gute Leistung). – Wird sich ein Beurteiler seiner Milde-Tendenz bewußt, könnte er zum
Gegenteil neigen: zur überstrengen Urteilen.
Zentrale Tendenz:
Der Beurteiler bevorzugt neutrale Urteile und meidet extreme Urteile.
Beispiel:
Studiengang iUF
Dokumentation AC iUF
52
Ein Beobachter vergibt bei numerischen Urteilen nur mittlere Werte; so etwa verfährt jemand,
der fast immer die Note Drei, fast nie die Note Eins oder Fünf verteilt.
Kontrastfehler, Ähnlichkeitsfehler:
Der Beobachter neigt dazu, beim Teilnehmer Eigenschaften zu erkennen, die er sich selber
abspricht.
Beispiel:
Ein Beurteiler, der bei sich selber ‚weiches Verhalten‘ unterdrückt, könnte dafür desibilisiert
sein, bei einem Gesprächspartner weiche Verhaltensweisen ‚festzustellen‘. – Der
Beobachter könnte aber auch dazu neigen, beim Teilnehmer Eigenschaften zu ‚entdecken‘,
die er sich selber zuschreibt.
Beispiel:
Ein Beobachter, der sich für einfühlsam hält, könnte dazu tendieren, bei einem Teilnehmer
Empathie zu identifizieren – ohne weiter Überprüfung.
Erwartungs-Effekt (self-fullfilling prophecy)
Ein Beurteiler läßt sich in seinen Schlußfolgerungen von ungeprüften Hypothesen leiten.
Beispiel:
Ein Beobachter sie der Meinung, der zweite Bildungsweg vermittle einen besonders
praxisnahe Schulbildung. Nun habe er einen Teilnehmer vor sich, der den zweiten
Bildungsweg gegangen ist. Aufgrund seiner Vorannahme könnte der Beobachter dazu
neigen, den Teilnehmer als besonders qualifiziert zu klassifizieren – ohne weiter
Überprüfung. Dieses Verhalten ist der Neigung zum ‚Stereotypisieren‘ verwandt.