Erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig berufsunfähig – wie geht es
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Erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig berufsunfähig – wie geht es
Erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig – wie geht es weiter? Rentenansprüche und deren Voraussetzungen Referent: RA Lars Müller Sozialverband VdK Sachsen e.V. Gliederung Statistik der Rentenversicherung Definition Erwerbsminderung in Abgrenzung zur Arbeitsunfähigkeit Schwerpunkte der Leistungsbewertung in ärztlichen Gutachten Wer ist berufsunfähig ? Versicherungsrechtliche Voraussetzungen einer Rentengewährung Befristung/Beginn/Ende von Renten Hinzuverdienstmöglichkeiten Berechnung einer Rente wegen Erwerbsminderung Verpflichtung zur Rentenantragstellung durch andere Leistungsträger? Was tun bei Rentenablehnung? Statistik der Deutschen Rentenversicherung vom 31.12.2011 Renten wegen verminderter i d t Erwerbsfähigkeit Deutschland gesamtt Alte Bundesländer Neue B d lä d Bundesländer Rentenanzahl 1.634.126 1.245.665 388.461 Zahlbetrag bei teilweiser Erwerbsminderung 471 € 488 € 419 € Zahlbetrag bei voller Erwerbsminderung 710 € 716 € 688 € Definition der Erwerbsminderung in § 43 SGB VI Gesetzliche Unterscheidung in teilweise und volle Erwerbsminderung: • Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. • Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Abgrenzung g g des Begriffs g der Erwerbsminderung zur Arbeitsunfähigkeit nach dem SGB V Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in Folge einer Krankheit daran gehindert ist, die ihm laut Arbeitsvertrag obliegende Tätigkeit oder eine gleichartige (ähnlich gelagerte) Erwerbstätigkeit zu verrichten oder die Tätigkeit unter der Gefahr seinen Zustand zu verschlimmern,, fortsetzen könnte und sie deshalb vorzeitig niederlegt. Abgrenzung des Ab d Begriffs B iff d der Erwerbsminderung zur Arbeitsunfähigkeit nach dem SGB V Hauptunterschiede: • Zeitliche Dimension ( „auf nicht absehbare Zeit“ bei Erwerbsminderung) • Bezug zur arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit beim Arbeitsunfähigkeitsbegriff ( Ausnahme im Fall der Arbeitslosigkeit) „Sonderform“ der teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §240 SGB VI • Anspruch auf diese Rentenart besitzen Versicherte die: 1. 2. geboren und vor dem 02.01.1961 g berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Schwerpunkte p der Leistungsbewertung g g durch Sachverständigengutachten 1. Welche Beschwerden, Behinderungen und Erkrankungen werden geklagt – Erhebung des subjektiven Beschwerdebildes? 2. Welche Befunde werden objektiv erhoben und welche Diagnosen gestellt? 3 3. Welchen Einfluss haben die Befunde und Diagnosen auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben? • Welche Tätigkeiten sind noch möglich (positives Leistungsbild) ? • Welche Tätigkeiten sind zu vermeiden (negatives Leistungsbild) ? Schwerpunkte der Leistungsbewertung durch Sachverständigengutachten 4. In welchem zeitlichen Umfang sind die zumutbaren Tätigkeiten ausführbar? Bestimmung des quantitativen Leistungsvermögens in der bisherigen Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt • vollschichtig: 7 bis 8 Stunden täglich • mindestens 6 Stunden und mehr täglich • 3 bis unter 6 Stunden täglich • unter 3 Stunden täglich Schwerpunkte p der Leistungsbewertung g g durch Sachverständigengutachten 5. Sind besondere Arbeitsbedingungen erforderlich? • b ti b betriebsunübliche übli h P Pausen, Ab Abstände tä d und dD Dauer – reguläres Pausenregime: • bis 6 Stunden keine • 6 bis 9 Stunden 30 min bei Aufteilung in mind. 15 min • über persönliche Verteilzeiten hinausgehende Zeiten (Verteilzeit = 10 % der Arbeitszeit für persönliche Verrichtungen und Erholung, die keine Arbeitszeit sind) • besonders gestalteter Arbeitsplatz bzw. berufsbedingte Ausrüstung und Geräte usw. Schwerpunkte p der Leistungsbewertung g g durch Sachverständigengutachten 6. Seit wann besteht die festgestellte Leistungsminderung? (Leistungsfall) • Bestimmung des Zeitpunktes für Eintritt der Leistungsminderung als Leistungsfall • Leistungsfall bedeutet Vorliegen der Erwerbsminderung als entscheidende Voraussetzung für eine Leistungsgewährung • Leistungsfall und Antrag können auseinander fallen • Leistungsfall ist Ausgangspunkt für Rentenzahlung Schwerpunkte p der Leistungsbewertung g g durch Sachverständigengutachten 7 Sind hinsichtlich des Arbeitsweges besondere Einschränkungen zu 7. beachten? (Wegefähigkeit) • 4 mal täglich zu Fuß Wegstrecken von 500 m in nicht mehr als 20 min • Kann ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt werden ? • Ist ein PKW vorhanden und kann dieser genutzt werden, ggf. mit Zusatzausrüstung ? Anmerkung: nach Entscheidung des BSG vom 12.12.2011 kann die Wegefähigkeit auch durch Bewilligung von konkreten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ( KFZ – Hilfe, Übernahme Taxikosten) gewahrt werden ( B 13 R 21/10 R) Schwerpunkte der Leistungsbewertung durch Sachverständigengutachten Von der Rechtsprechung p g definierte Sonderfälle des eventuellen Vorliegens einer vollen Erwerbsminderung : • Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung Leistungseinschränkung, d.h. dh bereits eine schwerwiegende Leistungseinschränkung versperrt ein weites Feld von Erwerbsmöglichkeiten ( z.Bsp. Anfallsleiden, Einarmigkeit) • Vorliegen einer Summierung mehrerer ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, d.h. ein Zusammentreffen mehrerer Einschränkungen welches durch die Summe der daraus folgenden Einschränkungen, qualitativen Leistungseinschränkungen ein weites Feld von Erwerbsmöglichkeiten ausschließt Konsequenz für die Rentenversicherung: diese ist zunächst in der Pflicht eine konkrete Tätigkeit zu benennen, welche der Betroffene noch ausüben kö können sollll Wer ist berufsunfähig? (§ 240 SGB VI) Berufsunfähigkeit B f fähi k it setzt t t voraus, d dass d der V Versicherte i h t iin seinem i Hauptberuf und hinsichtlich zumutbarer Verweisungsberufe keine 6 Stunden mehr leistungsfähig ist Beurteilungsmaßstäbe für die Zumutbarkeit von Tätigkeiten für Versicherte: • • • sie müssen ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen entsprechen, Dauer und Umfang ihrer Ausbildung berücksichtigen, wie auch die Anforderrungen ihres Berufes bzw. der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist immer eine Tätigkeit, für die durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Ausbildung oder Umschulung erfolgte. W ist Wer i t berufsunfähig b f fähi ? (§240 SGB VI) Mehrstufenschema der Verweisbarkeit für Arbeiter Einteilung g nach: 1. Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion oder besonders hoch qualifizierte Facharbeiter 2. Facharbeiter mit anerkannten Ausbildungsberufen mit Ausbildung von mehr als 2 Jahren 3. angelernte Arbeiten mit Anlernzeit von mindestens 3 Monaten bis 2 Jahre 4. ungelernte Arbeiter Wer ist berufsunfähig ? (§240 SGB VI) Mehrstufenschema der Verweisbarkeit für Angestellte Einteilung nach: 1. Angestellte mit hoher beruflicher Qualifikation, regelmäßig akademische Ausbildung mit Vergütungsanspruch oberhalb bzw. in Nähe der Beitragsbemessungsgrenze 2. Angestellte mit länger als 2 Jahren Ausbildung, regelmäßig 3 Jahre 3 3. A Angestellte t llt mit it A Ausbildung bild bi bis zu 2 JJahren h 4. Unausgebildete Angestellte Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung(§§ 43 und 240 SGB VI) Anspruch haben bis erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die: 1 1. teilweise oder voll erwerbsgemindert oder berufsunfähig sind sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit 3 Jahre Pflichtbeiträge entrichtet haben, 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung oder der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit (5 Jahre Pflichtbeiträge) erfüllt haben. 4. Liegt volle Erwerbsminderung bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vor, dann Rentenanspruch erst nach 20 Jahren Wartezeiterfüllung (z (z. B B. Besuch einer WfB) WfB). Dauer/Befristung g von Renten wegen g Erwerbsminderung nach § 102 SGB VI • grundsätzlich sind Renten wegen Erwerbsminderung mit maximal 3 Jahren zu befristen • eine unbefristete Rentengewährung ist möglich, wenn eine Besserung der Erwerbsminderung medizinisch unwahrscheinlich ist • bei einer 9 – jährigen Befristung einer Rente ist von einer fehlenden Besserungswahrscheinlichkeit auszugehen - § 102 II SGB VI ( gilt nicht für Arbeitsmarktrenten) Beginn und Ende von Renten wegen Erwerbsminderung (§§ 99 ff, SGB VI) Rentenbeginn: • • ab dem Kalendermonat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen der Rente erfüllt sind, sind wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind p Beantragung g g ab dem Monat der Beantragung g g bei späterer Sonderfall (als Regelfall): • Bei befristeten Renten beginnt die Rentenzahlung nicht vor Beginn des siebten Monats nach dem Leistungsfall - §101 SGB VI Rentenende: • Fristablauf bzw. Erreichen der Regelaltersrente Rente wegen g verminderter Erwerbsfähigkeit g und Hinzuverdienst (§ 96a SGB VI) • Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nur gezahlt, wenn bestimmte Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten werden • Als Hinzuverdienst g gilt Arbeitsentgelt, g , Arbeitseinkommen oder vergleichbares Einkommen oder Lohnersatzleistungen in Höhe des Bemessungsentgeltes Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinzuverdienst (§ 96a SGB VI) Die Hinzuverdienstgrenze beträgt: 1 1. bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung • • a) in voller Höhe das 0,23 fache b) in Höhe der Hälfte das 0,28 fache der monatliche Bezugsgröße (2.275,-€ - Ost) vervielfältigt mit der Summe Entgeltpunkte g p der letzten 3 Kalenderjahre j vor Eintritt der Erwerbsminderung, mindestens 1,5 Entgeltpunkte 2. bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe 450,- Euro, 2 mal jährlich bis zu 900,-Euro möglich ansonsten: Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinzuverdienst (§ 96a SGB VI) 3. Bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung • • • a) in Höhe von ¾ das 0 0,17 17 fache b) in Höhe der Hälfte das 0,23 fache c) in Höhe von ¼ das 0,28 fache der monatlichen Bezugsgröße ( 2.275,-€ - Ost) vervielfältig mit der Summe der Entgeltpunkte der letzten 3 Kalenderjahre vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung, mindestens jedoch 1,5 Entgeltpunkte Kürzung oder Einstellung der Rentenzahlung wegen Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze g führt nicht zur Aufhebung g des Rentenanspruches Berechnung g einer Rente wegen g Erwerbsminderung Berechnungsformel: Unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelte persönliche Entgeltpunkte X Rentenartfaktor (b i teilweiser (bei t il i E Erwerbsminderung b i d :0 0,5, 5 b beii voller ll E Erwerbsminderung b i d : 1) X Aktuellen Rentenwert Gibt es eine Verpflichtung zur Rentenantragstellung durch Aufforderung anderer Leistungsträger ? • • • • Krankenkasse kann mit Fristsetzung ( 10 Wochen) nur die Beantragung von Rehabilitationsleistungen verlangen - §51 SGB V, wenn allerdings im Ergebnis der Rehamaßnahme volle Erwerbsminderung bestätigt wird, gilt d R der Rehaantrag h t per gesetzlicher t li h Fikti Fiktion als l R Rentenantrag t t ( §116 SGB VI) VI); die Dispositionsbefugnis ist eingeschränkt (Rücknahme des Antrags nur mit Zustimmung der Kasse möglich!) Arbeitsamt fordert bei Minderung der Leistungsfähigkeit auf, einen Rehaantrag innerhalb eines Monats zu stellen - §145 II SGB IIl – auch hier keine Rentenantragspflicht, im Übrigen gilt das Gleiche wie bei A ff d Aufforderung durch d hK Kasse Jobcenter ( SGB II) kann den Rentenantrag sogar selber stellen, wenn der Betroffene dies nach Aufforderung nicht selbst tut - §5 III SGB II Im Bereich des SGB XII (Grundsicherung/Sozialhilfe) besteht schon wegen der Nachrangigkeit dieser Leistungen ( § 2 SGB XII) eine Verpflichtung zum Rentenantrag Was tun bei Rentenablehnung? • Widerspruch p ((Verfahrensdauer ca. 2 – 8 Monate)) • Klage zum Sozialgericht (Verfahrensdauer ca. 1 - 2 Jahre) • Berufung zum Landessozialgericht (Verfahrensdauer ca. 1 - 2 Jahre) • Möglichkeit des Einstweiligen Rechtsschutzes kaum denkbar • Sowohl Verwaltungsverfahren als auch KlageKlage und Berufungsverfahren sind kostenfrei. • Es besteht kein An Anwaltszwang. alts ang • Vertretung durch unseren Verband durch alle Instanzen möglich (Kosten: Widerspruch: 30,-€ ; Klage: 50,- € ; Berufung: 80,-€) Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !