IDW Stellungnahme "Modernisierung des Besteuerungsverfahrens"

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IDW Stellungnahme "Modernisierung des Besteuerungsverfahrens"
An das
Bundesministerium der Finanzen
Herrn MD Michael Sell
Referat IV A 7
11016 Berlin
Ausschließlich per E-Mail an:
[email protected]
Düsseldorf, 02.02.2015
613/515
Diskussionsentwurf „Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“
Sehr geehrter Herr Sell,
wir danken Ihnen für die Gelegenheit, zu dem Diskussionsentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 20.11.2014 Stellung zu nehmen. Wir
begrüßen das Vorhaben der Finanzverwaltung und die dazu vorgestellten Überlegungen im Zuge der notwendigen technischen Weiterentwicklung und zur Entlastung der Steuerpflichtigen.
Positiv hervorzuheben ist insbesondere, dass die Finanzverwaltung die betroffenen Beteiligten frühzeitig in das Verfahren einbindet und ihnen die Möglichkeit bietet, diese für die Praxis bedeutsamen Änderungen von Anfang an zu
begleiten und in die fachliche Diskussion einzutreten.
Der Entwurf zeigt jedoch auch, dass noch umfangreiche Beratungen notwendig
sind, da er zum Teil gravierende Veränderungen im Besteuerungsverfahren
vorsieht, die vor allem die Steuerpflichtigen und ihre steuerlichen Berater belasten werden.
I. Allgemeine Bemerkungen
Mit dem vorliegenden Diskussionsentwurf geht die Finanzverwaltung einen
längst notwendigen Schritt, um die Anwendung wichtiger technischer Neuerungen wie E-Mails oder elektronische Datenübermittlung im Besteuerungsverfahren, das bislang von einer Abgabenordnung bestimmt wird, die in großen Teilen
noch aus dem Jahr 1977 stammt, weiter auszuweiten. Bei dieser Fortentwick-
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lung muss jedoch darauf geachtet werden, dass nicht nur die Finanzverwaltung
entlastet wird, während die Steuerpflichtigen und ihre Berater durch die neuen
Anforderungen an Bereitstellung, Aufbereitung und Übermittlung von Daten immer stärker belastet werden. Beide Seiten sollten von den technischen Erleichterungen profitieren können. Aufgrund der ständig wachsenden Komplexität des
Steuerrechts wird es für die Steuerpflichtigen und ihre Berater immer aufwendiger und schwieriger, ihre steuerlichen Pflichten vollumfänglich, rechtzeitig und
richtig zu erfüllen. So wird mit den geplanten Neuregelungen nicht nur vorausgesetzt, dass jeder über einen PC mit Scanner und Internetzugang, sondern
insbesondere auch über die entsprechenden Kenntnisse im Umgang mit diesem
Medium sowie die notwendigen Softwarekenntnisse verfügt – Voraussetzungen,
die bei vielen natürlichen Personen aber auch Kleinunternehmen häufig (noch)
nicht gegeben sind.
Die vorgeschlagenen Änderungen erwecken insgesamt den Eindruck, dass nur
die Maßnahmen gesetzlich geregelt werden sollen, die zu einer Verwaltungsvereinfachung führen. Erleichterungen und Verbesserungen für den Steuerpflichtigen bzw. seinen Berater werden hingegen vielfach nicht als gesetzliche
Maßnahme vorgeschlagen, sondern lediglich – ohne rechtlichen Anspruch –
„angekündigt“, geprüft oder in das Ermessen der Finanzverwaltung gestellt.
II. Zum Diskussionsentwurf im Einzelnen
3. Kommunikation mit den am Steuerverfahren Beteiligten
3.1 Elektronische Steuererklärung / Erhöhung der ELSTER-Quote
3.1.2 Prüfung von Notwendigkeit und Möglichkeiten zur Angleichung der
Internetportale BOP und EOP und Schnittstellen
Zu Tz. 24 und 30
In Tz. 24 wird die Anregung der steuerberatenden Berufe, der großem Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie der Wirtschaftsverbände nach einer Vereinheitlichung der Kommunikationswege und –standards aufgegriffen. Tz. 30
greift den Wunsch auf, Medienbrüche insbesondere beim elektronischen
Schriftverkehr sowie bei der elektronischen Übermittlung von Belegen zu reduzieren.
Diese Forderungen möchten wir nachdrücklich unterstützen und zugleich darauf
hinweisen, dass eine funktionsfähige und anwenderfreundliche elektronische
Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen bzw. ihren steuerlichen Beratern
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und der Finanzverwaltung die Grundvoraussetzung für das Gelingen des gesamten Projekts zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist. Vor diesem Hintergrund regen wir an, nicht nur die verfahrensrechtlichen sondern insbesondere auch die technischen Umsetzungsmöglichkeiten hinreichend – vor
allem beim Zeitplan des Projekts – zu berücksichtigen.
3.2 Ausbau des Serviceangebots der sog. „vorausgefüllten Steuererklärung“ (VaSt)
Zu Tz. 26
Die Attraktivität der sog. „vorausgefüllten Steuererklärung“ soll gesteigert werden, indem noch weitere Informationen von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt werden. Dieses Vorhaben begrüßen wir. Die in Tz. 26 beispielhaft
aufgezählten Informationen könnten unseres Erachtens jedoch noch z.B. um
folgende Punkte ergänzt werden:




Spenden,
Zinsen,
Kapitalertragsteuer auf Zinsen und Dividenden,
Solidaritätszuschlag auf Kapitalertragsteuern.
3.3 Elektronische Kommunikation zwischen den Steuerpflichtigen und den
Finanzämtern
3.3.1 Elektronischer Schriftwechsel (allgemein)
Zu Tz. 31 f.
Der Diskussionsentwurf enthält zwar in Tz. 31 f. den Vorschlag, Änderungsanträge, Einsprüche oder Anträge auf Aussetzung der Vollziehung über ELSTER
elektronisch übermitteln zu können, jedoch findet sich kein entsprechender Änderungsvorschlag in den Formulierungsvorschlägen für Gesetzesänderungen in
den Anlagen des Entwurfs.
Wir bitten zu prüfen, ob hierfür eine untergesetzliche Maßnahme ausreichend ist
oder ob es nicht einer gesetzlichen Regelung bedarf, da z.B. § 361 AO keine
elektronische Antragstellung vorsieht.
Ferner regen wir an, auch für Angehörige der steuerberatenden Berufe nach
dem Vorbild des elektronischen Rechtsverkehrs bei Rechtsanwälten (§ 31a
BRAO), die Möglichkeit eines elektronischen Postfachs vorzusehen, an welches
sowohl die Finanzverwaltung als auch die Finanzgerichte Unterlagen für den
steuerlichen Berater senden können.
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Zu Tz. 33
Es soll nach Tz. 33 geprüft werden, ob für beratene und ggf. auch nicht beratene Steuerpflichtige eine gesetzliche Verpflichtung eingeführt werden soll, für
ausgewählte Geschäftsvorfälle nur noch ELSTER zu nutzen.
Wir halten eine solche einseitige Verpflichtung nur für die Steuerpflichtigen nicht
für angemessen. Zumindest sollte auch eine entsprechende Verpflichtung der
Finanzverwaltung geprüft werden.
3.3.4 Elektronische Steuerbescheide
Zu Tz. 38 bis 40
Nach Tz. 38 soll ein Steuerbescheid künftig elektronisch bekanntgegeben und
dazu über ELSTER zum Datenabruf durch Datenfernübertragung durch den
Steuerpflichtigen oder einen von ihm benannten Dritten bereitgestellt werden.
Aus praktischen Gründen ist es aus Sicht des Berufsstands bedenklich, nur die
Abholung zu ermöglichen. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht des
Mandanten wäre es wünschenswert, die Finanzverwaltung sendete den Steuerbescheid direkt an den steuerlichen Berater, z.B. an sein oben zu Tz. 31 f. vorgeschlagenes elektronisches Postfach. Insoweit bedürfte § 122 Abs. 2b AO-E
der Ergänzung, als der Verwaltungsakt ebenfalls am dritten Tag nach Eingang
im Postfach des steuerlichen Beraters als bekanntgegeben gilt.
3.3.7 Elektronische Rückübermittlung der Bescheiddaten
Zu Tz. 47
Die in Tz. 47 angekündigte Erweiterung der Rückübermittlung der Bescheiddaten ist als untergesetzliche Maßnahme vorgesehen, da ihre Umsetzung keine
rechtliche Anpassung erfordert. Dieser Auffassung folgen wir nicht.
Während schon immer mehr Daten detailliert durch den Steuerpflichtigen bzw.
seinen Berater aufbereitet und der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt
werden, werden bislang die Daten nicht in vergleichbarer Form, d.h. mit einer
detaillierten Abweichungsanalyse, von der Finanzverwaltung zurückübermittelt.
Für die Steuerpflichtigen und ihre Berater bringt die elektronische Übermittlung
der Steuerbescheide somit nur dann einen Mehrwert, wenn eine Abweichungsanalyse eingefügt wird.
Die weitere Aufschlüsselung der Besteuerungsgrundlagen – und damit die Möglichkeit zur Verprobung zwischen Steuererklärung und Steuerbescheid – sollte
zugunsten des Steuerpflichtigen und seines steuerlichen Beraters gesetzlich
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verankert werden, damit auch der Steuerpflichtige insoweit einen Rechtsanspruch hat und diesen gegenüber der Finanzverwaltung durchsetzen kann.
An dieser Stelle wird deutlich, dass nur Maßnahmen, die sich für die Finanzverwaltung entlastend auswirken, gesetzlich geregelt werden sollen. Eine untergesetzliche Maßnahme für die Seite der steuerlichen Berater beruht hingegen auf
Freiwilligkeit.
3.4 Abfrage von Daten in den Steuererklärungsformularen, die von Dritten
an die Steuerverwaltung zu übermitteln sind
Zu Tz. 57
In Tz. 57 ist vorgesehen, dass der Bürger bzw. Steuerpflichtige die übermittlungspflichtigen Daten des Dritten überprüfen muss und, wenn diese Daten unrichtig oder unvollständig sind, der Dritte der Finanzverwaltung einen korrigierten Datensatz zu übermitteln hat.
Diese Bestimmung, die von Dritten an die Finanzverwaltung übermittelten Daten
nicht nur zu prüfen, sondern insbesondere auch für eine Korrektur des Datensatzes zu sorgen, ist abzulehnen. Stellt der Steuerpflichtige bei der Überprüfung
der von einem Dritten übermittelten Daten fest, dass sie unrichtig oder unvollständig sind, wird er dies bereits im Rahmen seiner Steuererklärung ggf. mit
entsprechenden Belegen mitteilen. Damit kommt er seiner Prüfungs- und Richtigstellungspflicht nach.
Zudem wäre es in der Praxis häufig Aufgabe des steuerlichen Beraters, diese
Daten mit den Angaben des Steuerpflichtigen und den Daten der Finanzverwaltung zu verproben. Aus diesem Grunde müsste sichergestellt werden, dass –
sofern die Anforderung des korrigierten Datensatzes von dem Dritten weiterhin
für den Steuerpflichtigen verpflichtend sein soll – der steuerliche Berater von
dem Dritten eine Korrektur der übermittlungspflichtigen Daten verlangen kann.
3.6 Erweiterung des Zugriffs der Steuerpflichtigen auf bei der Steuerverwaltung vorliegende Daten
Zu Tz. 61
Nach Tz. 61 soll die Erweiterung des elektronischen Zugriffs der Steuerpflichtigen auf die zu ihrer Person gespeicherten Daten geprüft werden.
Diese Möglichkeit ist unseres Erachtens nicht nur unter dem Aspekt eines verbesserten Serviceangebots für den Steuerpflichtigen entscheidend, sondern
auch zur frühzeitigen und sicheren Verwaltung der eigenen Daten unverzicht-
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bar. Der Steuerpflichtige muss ein Recht darauf haben, die sehr umfangreichen
Daten, die über ihn erfasst werden, einzusehen und zu überprüfen.
Da es sich hierbei bislang nur um einen zu prüfenden Vorschlag und damit eine
untergesetzliche Maßnahme handelt, verdeutlicht dieser Fall erneut das grundsätzliche Problem des gesamten Diskussionsentwurfs: für die Finanzverwaltung
vorteilhafte Änderungen sollen unmittelbar gesetzlich geregelt werden, für den
Steuerpflichtigen vorteilhafte Änderungen sollen hingegen nur geprüft werden.
Ein derart einseitiges Vorgehen ist abzulehnen.
4. Optimierung der Einkommensteuerveranlagung
Zu Tz. 62 f.
Zur Optimierung der Einkommensteuerveranlagung sollen gemäß Tz. 62 f. von
der Finanzverwaltung zu bearbeitende Steuererklärungen einen „Risikofilter“ eines „IT-gestützten Risikomanagementsystems“ durchlaufen und nur Fälle „mit
einem signifikanten Risiko“ aussteuern.
Es ist unklar, wie das IT-gestützte Risikomanagementsystem funktionieren soll
und nach welchen Kriterien ein Risiko definiert und als signifikant eingestuft
werden soll. Die Kriterien für ein Risikomanagementsystem sollten transparent
gemacht werden.
4.1 Erhöhung des Anteils der vollmaschinell bearbeiteten Einkommensteuererklärung
4.1.1 Kennzeichnung der vollmaschinell erlassenen Steuerbescheide
Zu Tz. 69
In Tz. 69 wird ausgeführt, dass im Zuge einer vollmaschinellen Bearbeitung von
Steuererklärungen die Beratungs- und Hinweispflicht der Finanzbehörde nach
§ 89 Abs. 1 AO nicht mehr gelten soll. Als Grund wird angeführt, dass dies
„technisch und organisatorisch ausgeschlossen“ sei.
Eine solch weitrechende Vereinfachung für die Finanzverwaltung begegnet
rechtsstaatlichen Bedenken, auch wenn davon – im Zuge einer vollmaschinellen
Bearbeitung – die Massenverfahren betroffen sind.
Die vollmaschinelle Bearbeitung dürfte insbesondere bei nicht beratenen Steuerpflichtige zum Zuge kommen. Gerade für sie sind jedoch entsprechende Beratungs- und Hinweispflichten der Finanzbehörde von besonderer Bedeutung.
Dies sollte nicht aufgegeben werden. Bei nicht beratenen Steuerpflichtigen kann
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das Finanzamt unter bestimmten Umständen sogar verpflichtet sein, auf eine
Ergänzung der Angaben des Steuerpflichten hinzuwirken (Hessisches FG v.
16.09.1976, VI 151/76, EFG 1977, S. 128) oder Rückfrage mit dem Steuerpflichtigen zu halten (FG Köln v. 21.04.1992 3 K 6630/91, EFG 1993, S. 4). Das
Finanzamt kann z.B. verpflichtet sein, einem nicht beratenen Steuerpflichtigen
zu raten, Beiträge zur Krankenversicherung als Sonderausgaben geltend zu
machen, wenn sich derartige Beiträge aus einer der Steuererklärung beigefügten Rentenmitteilung ergeben (FG Köln v. 27.06.2008, 15 K 928/08, EFG 2008,
S. 1506).
Es sollte zumindest noch einmal überprüft werden, ob der Ausschluss der Beratungs- und Hinweispflicht bei einer vollmaschinellen Bearbeitung vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zulässig ist.
Auch unter dem Aspekt des technisch Möglichen sind die Beratungs- und Hinweispflichten der Finanzbehörde nicht ausgeschlossen. Die Finanzverwaltung
selbst stellt in Tz. 20 fest, dass eine Verbesserung der Hilfen zur Plausibilisierung der Steuererklärung notwendig und auch beabsichtigt ist. Durch die damit
verbundenen zahlreichen Rechen- und Vergleichsoperationen werden also im
Hintergrund einer Steuererklärung bereits entsprechende Hinweise gegeben.
Eine vollständige Abschaffung der Beratungs- und Hinweispflichten erscheint
deshalb nicht angemessen. Es sollte zumindest noch einmal überprüft werden,
ob es nicht technisch und organisatorisch möglich ist, im Rahmen des Risikomanagementsystems zumindest einige besonders auffällige Punkte zu definieren, die erfahrungsgemäß Beratungen oder Hinweise nach sich ziehen und zu
einer Aussteuerung mit anschließender individueller Prüfung der Steuererklärung durch einen Finanzbeamten führen, um Beratungen und Hinweise auch bei
der vollmaschinellen Bearbeitung zu erlauben.
4.2 Vorlage von Belegen
Zu Tz. 91 bis 95
Die generelle Belegvorlagepflicht bei der Abgabe von Steuererklärungen soll
nach Tz. 91 weitgehend in eine Belegvorhaltepflicht mit risikoorientierter Anforderung durch das Finanzamt umgewandelt werden. Nach wie vor soll jedoch die
Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, „freiwillig“ Belege und Erläuterungen beizufügen, nach Tz. 92 erhalten bleiben, was wir begrüßen. Für die elektronisch
übermittelte Steuererklärung soll allerdings die gleichzeitige oder gesonderte
Übermittlung von Papierbelegen nicht mehr angeboten werden, was vor dem
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Hintergrund, die Kommunikation mit dem Finanzamt auf elektronische Wege
umzustellen, sinnvoll erscheint.
Es ist allerdings sehr bedenklich, dass die freiwillig übermittelten Belege bei der
maschinellen Veranlagung gemäß Tz. 93 grundsätzlich nicht berücksichtigt
werden sollen. Reicht der Steuerpflichtige freiwillig Belege ein, macht er damit
Angaben über steuererhebliche Tatsachen und Beweismittel, die – nach seiner
Ansicht – für die Veranlagung von Bedeutung sind. Anstatt diese Belege unmittelbar zu berücksichtigen, ist nach Tz. 94 beabsichtigt, mit dem neuen § 172a
AO-E eine Änderungsmöglichkeit für die Fälle zu schaffen, in denen Angaben
des Steuerpflichtigen (z.B. in Form von Belegen), die er zwar in der Steuererklärung gemacht oder in Zusammenhang mit der Steuererklärung jedenfalls bis zur
Bekanntgabe des Steuerbescheids der zuständigen Finanzbehörde mitgeteilt
hat, diese bei der Steuerfestsetzung aber nicht berücksichtigt wurden.
Dieses Vorgehen halten wir für zu umständlich, weil es das Festsetzungsverfahren wegen des zusätzlichen Arbeitsaufwands – bei Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen bzw. steuerlichen Beratern – unnötig erschwert. Es ist nicht sachgerecht, bewusst hinzunehmen, zunächst fehlerhafte Steuerbescheide zu erlassen, obwohl eine korrekte Veranlagung unter Berücksichtigung der vorhandenen Informationen möglich wäre. Überdies steigt mit der einjährigen Korrekturfrist des § 172a AO-E das Risiko, eines für den Steuerpflichtigen belastenden, endgültigen Steuerbescheids, weil die Notwendigkeit, den Steuerbescheid
zu ändern, nicht oder nicht rechtzeitig erkannt wird.
Daher sollten freiwillig übermittelte Belege bei der maschinellen Veranlagung
stets zu einer Aussteuerung führen, sodass das Finanzamt stets bewusst und
nicht nur bei Ausgabe eines entsprechenden Risikohinweises zu entscheiden
hat, ob und wie es diese zusätzlichen Informationen hinzuzieht.
Entgegen der in Tz. 95 vertretenen Auffassung, eine Konzentration der Finanzämter allein auf „Risiko“-Sachverhalte bewirke auch eine Erleichterung bei der
Erklärungsabgabe, läge darin wiederum eine einseitige Belastung des Steuerpflichtigen.
5. Weitere Verfahrensanpassungen und rechtliche Änderungen
5.1 Flexibilisierung der Zuständigkeiten – landesintern
Zu Tz. 111 bis 117
Mit dem neuen § 29a AO-E soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Arbeitsorganisation der Finanzämter flexibler zu gestalten, indem Mitarbeiter eines Fi-
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nanzamts Veranlagungsarbeiten oder andere Tätigkeiten im Besteuerungsverfahren auch für ein anderes Finanzamt rechtswirksam durchführen. Die oberste
Landesfinanzbehörde oder die von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde soll die
Unterstützung des örtlich zuständigen Finanzamts durch ein anderes Finanzamt
kurzfristig anordnen können. Zwar soll nach Tz. 115 eine solche Anordnung, ihr
Anlass bzw. Grund, sowie der sachliche und zeitliche Umfang der Zuweisung
durch die zuweisende Stelle dokumentiert werden, der betroffene Steuerpflichtige soll hingegen nach Tz. 114 „nur bei Bedarf“ über eine solche Anordnung informiert werden.
Dies ist unseres Erachtens nicht ausreichend. Der Steuerpflichtige sollte darüber informiert werden, von welchem Finanzamt die ihn betreffenden „Veranlagungsarbeiten oder andere Tätigkeiten im Besteuerungsverfahren“ (Tz. 111)
ausgeführt werden, um stets zu wissen, wo sein Ansprechpartner zu finden ist.
Es sollte nicht im Ermessen der Finanzverwaltung stehen, zu entscheiden, ob
„Bedarf“ (Tz. 114) besteht, den Steuerpflichtigen über eine solche Anordnung zu
informieren. § 29a AO-E sollte entsprechend um einen Satz 3 ergänzt werden:
„Der Steuerpflichtige ist schriftlich über die Anordnung nach Satz 1 zu informieren.“
5.6 Weitere Anpassungen der AO
Zu Tz. 147 f.
Gemäß Tz. 147 können im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens auch andere notwendige oder sinnvolle Änderungen der
AO aufgegriffen werden. In Tz. 148 wird auf einen von den AO-Referatsleitern
erarbeiteten Regelungsentwurf zur Verankerung eines Auskunftsanspruchs des
Steuerpflichtigen in der AO hingewiesen.
In diesem Zusammenhang möchten wir den Vorschlag unterbreiten, einen Anspruch auf verbindliche Auskunft (einschließlich Lohnsteueranrufungsauskunft)
des Steuerpflichtigen einzuführen, wenn der Wert des Interesses einen Betrag
von 5.000,00 € (Kleinbetragsgrenze) übersteigt. Derzeit steht eine verbindliche
Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO im Ermessen der Finanzverwaltung. Immer häufiger ist in der Praxis zu beobachten, dass verbindliche Auskünfte entweder mit
sehr großer zeitlicher Verzögerung oder sogar gar nicht mehr erteilt werden.
Dieser Umstand führt zu einer enormen Planungsunsicherheit für die Steuerpflichtigen. Solange die Finanzverwaltung an einer kostenpflichtigen verbindlichen Auskunft festhält, sollte dem Steuerpflichtigen auf der anderen Seite auch
ein Rechtsanspruch auf eine verbindliche Auskunft innerhalb eines angemesse-
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nen Zeitrahmens zugesprochen werden. Dies käme dem Ziel einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen einen
entscheidenden Schritt näher.
Weiterhin sollte geprüft werden, ob eine verbindliche Auskunft jedenfalls dann
vom Finanzamt wieder unentgeltlich erteilt wird, wenn Vorgänge gegeben sind,
bei denen der Steuerpflichtige im Wege der Selbstveranlagung Maßnahmen der
Steuerverwaltung durchführt (z.B. Lohnsteueranrufungsauskunft, Umsatzsteuervoranmeldungen, Kapitalertragsteueranmeldungen, Datenübermittlung durch
Dritte).
Anlage 1: Vorschläge für Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der
Modernisierung des Besteuerungsverfahrens im engeren Sinne
Zu § 88 Abs. 2 AO-E:
Nach § 88 Abs. 2 AO-E soll der Amtsermittlungsgrundsatz nicht nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sondern zukünftig auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der allgemeinen Erfahrungen sowie von Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten
ausgeübt werden.
Unseres Erachtens sollte für das Besteuerungsverfahren nach dem Prinzip der
Eingriffsverwaltung der Amtsermittlungsgrundsatz weiterhin uneingeschränkt
gelten. Es sollte zudem näher erläutert werden, was unter „allgemeinen Erfahrungen“ und „Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten“ zu verstehen ist.
Zu § 88 Abs. 3 AO-E
Nach § 88 Abs. 3 AO-E sollen die obersten Finanzbehörden der Länder für bestimmte und bestimmbare Fallgruppen aufgrund allgemeiner Erfahrungen und
unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten Weisungen nicht nur zu organisatorischen Fragen, sondern auch über
Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erhaltenen Daten erteilen können.
Wir regen an, diese Weisungen grundsätzlich zu veröffentlichen, soweit sie
nicht die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden,
dies ist aus Transparenzgesichtspunkten notwendig. Wir schlagen daher vor,
§ 88 Abs. 3 Satz 2 AO wie folgt positiv zu formulieren:
„Die Weisungen sind zu veröffentlichen, soweit sie nicht die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden.“
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Allerdings können diese Weisungen unseres Erachtens nur die nachgeordneten
Behörden binden, jedoch nicht den Steuerpflichtigen oder dessen Berater.
Zu § 88 Abs. 5 AO-E
Die Neufassung des § 88 Abs. 3 AO in § 88 Abs. 5 AO-E sieht in Satz 2 vor,
dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung bei Risikomanagementsystemen zu beachten ist.
Es ist nicht sachgerecht, dass diese Regelung ausschließlich der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung und nicht auch der allgemeinen Wirtschaftlichkeit (also z.B.
zugunsten des Steuerpflichtigen oder des steuerlichen Beraters) dienen soll.
Die Einschränkung auf die Verwaltung sollte daher gestrichen werden:
„Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden.“
Zu § 88 Abs. 6 AO-E
Nach § 88 Abs. 6 AO-E können die Finanzbehörden Steuerfestsetzungen ändern. Dies soll auch für den Erlass und die Änderung von mit der Steuerfestsetzung verbundenen Verwaltungsakten gelten.
Unseres Erachtens sollte dies auch für ihre Aufhebung greifen. Wir schlagen
daher vor, Satz 2 entsprechend zu ergänzen:
„Das gilt auch für den Erlass, die Änderungen und die Aufhebung von mit
den Steuerfestsetzungen verbundenen Verwaltungsakten.“
Zu § 172a AO-E
§ 172a AO-E enthält eine neue Änderungsvorschrift für ausschließlich automationsgestützt erlassene Steuerbescheide. Steuerbescheide sind demnach aufzuheben oder zu ändern, soweit Angaben des Steuerpflichtigen über steuererhebliche Tatsachen und Beweismittel, die er in der Steuererklärung gemacht
hat, nicht berücksichtigt wurden. Nach § 172a Satz 2 AO-E ist die Aufhebung
oder Änderung nach Satz 1 nur innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des
Steuerbescheids zulässig, es sei denn, der Steuerpflichtige hat vor Ablauf dieser Frist einen Antrag auf Änderung des Steuerbescheids nach Satz 1 gestellt.
Es sollte nicht nur auf den Antrag auf Änderung sondern der Vollständigkeit halber auch auf den Antrag auf Aufhebung abgestellt werden, sodass wir folgende
Ergänzung von Satz 2 vorschlagen:
„Die Aufhebung oder Änderung nach Satz 1 ist nur innerhalb eines Jahres
nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zulässig, es sei denn, der Steu-
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erpflichtige hat vor Ablauf dieser Frist einen Antrag auf Aufhebung oder
Änderung des Steuerbescheids nach Satz 1 gestellt.“
Zu § 173a AO-E
Die Korrekturmöglichkeit eines Steuerbescheids aufgrund von Schreib- und Rechenfehlern in der Steuererklärung soll separat in § 173a AO-E geregelt werden. Der geltende § 129 AO erfasst hingegen nur Schreibfehler, Rechenfehler
und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts
– also nicht dem Steuerpflichtigen – unterlaufen sind.
Grundsätzlich begrüßen wir, dass eine Korrekturmöglichkeit für Schreib- und
Rechenfehler des Steuerpflichtigen vorgesehen werden soll. Gleichwohl halten
wir es nicht für sinnvoll, diese Fehler in einer eigenständigen Korrekturvorschrift
zu regeln.
Künftig soll die Korrespondenz zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung allgemein elektronisch ablaufen. Unseres Erachtens ist keine Sonderregelung für die Korrektur notwendig. Wir regen daher an, § 129 AO entsprechend
zu ändern.
Sollte jedoch an einer eigenständigen Regelung in § 173a AO-E festgehalten
werden, müsste zumindest auch eine andere ähnliche offenbare Unrichtigkeit
die Korrektur ermöglichen.
Anlage 3: Vorschläge für Gesetzesänderungen zur Verankerung bereichsspezifischer datenschutzrechtlicher Regelungen in der AO, insbesondere
zum Auskunftsanspruch und sonstigen Betroffenenrechten
Zu § 32 und § 32b AO-E
Bei den umfangreichen Daten, die über den Steuerpflichtigen im Zuge der Umstellung des Besteuerungsverfahrens auf elektronische Kommunikation künftig
verarbeitet, gespeichert und weitergeleitet werden müssen, begrüßen wir, dass
vorgesehen ist, den Betroffenen über diese steuerlichen Daten zu informieren,
wenn sie ohne seine Kenntnis erhoben werden.
Allerdings enthält § 32 Abs. 1 und 2 AO-E sehr umfangreiche Ausnahmen von
diesem Informationsgebot, was nach unserer Auffassung verfassungsrechtlich
bedenklich ist, zumal die Ausnahmeregelungen zum Teil nicht hinreichend bestimmt sind. Besonders bedenklich sind § 32 Abs. 1 Nr. 5 AO-E, wonach keine
Unterrichtungspflicht besteht, wenn davon auszugehen ist, dass der Betroffene
auf andere Weise Kenntnis von der Datenerhebung erlangt hat, sowie § 32
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Abs. 1 Nr. 6 AO-E, wonach die schutzwürdigen Interessen Dritter Vorrang haben sollen. In beiden Fällen ist unklar, unter welchen Voraussetzungen diese
Ausnahmen erfüllt sind.
Die Informationsmöglichkeiten des Steuerpflichtigen werden noch weiter durch
§ 32b AO-E eingeschränkt, der die Ausschlussgründe regelt, nach denen eine
Unterrichtung des Steuerpflichtigen gemäß § 32 AO-E sowie eine Auskunftserteilung nach § 32a AO-E unterbleibt.
Insgesamt erscheint der Umfang der Ausnahmen zu weit gefasst; zumindest ist
jedoch sicherzustellen, dass die Ausnahmen hinreichend bestimmt sind.
Zu § 32f AO-E
Nach der Definition der § 32f AO-E sind nahezu alle Daten über einen Steuerpflichtigen – persönlich, wirtschaftliche, rechtliche, öffentliche und private Verhältnisse – ohne Einschränkung als steuerliche Daten anzusehen.
Diese Definition ist unseres Erachtens zu weitgehend. Insbesondere ist unklar,
was genau z.B. mit öffentlichen Verhältnissen gemeint ist.
Unseres Erachtens sollten nur steuerlich relevante Daten abgefragt werden.
Hierzu empfiehlt es sich, sich für den Umfang der Daten an §§ 146, 147 AO und
den GoBD zu orientieren.
Anlage 4: Vorschläge für Gesetzesänderungen zur Verbesserung des
Steuererklärungseingangs und zur Übermittlung von Vollmachtsdaten
Zu § 149 Abs. 4 AO-E
Steuerpflichtige, die Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen oder
Körperschaften i.S.d. §§ 3 und 4 StBerG beauftragt haben, Steuererklärungen
für sie zu erstellen, haben nach § 149 Abs. 3 AO-E diese bis zum 28. Februar
des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres abzugeben.
Wir begrüßen diese generelle Fristverlängerung ausdrücklich.
Schwierigkeiten bereitet jedoch die Möglichkeit einer automationsgestützten Zufallsauswahl nach § 149 Abs. 4 Satz 3 AO-E, die Finanzämter anordnen können
und auf deren Basis Steuererklärungen innerhalb einer Frist von drei Monaten
nach Bekanntgabe der Anordnung abzugeben sind.
Zunächst kann eine solche Zufallsauswahl beim steuerlichen Berater im Einzelfall zu Belastungsspitzen führen, wenn mehrere Mandanten gleichzeitig kurzfris-
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tig zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert werden. Zudem ist unklar, ab
welchem Zeitpunkt eine solche Zufallsauswahl erfolgen würde, also z.B. erst
nach Ablauf der fünfmonatigen Frist gemäß § 149 Abs. 2 AO.
Zu § 152 AO-EO
Ob ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird, steht gemäß § 152 Abs. 1 AO-E
grundsätzlich im Ermessen der Finanzverwaltung. In den Fällen des § 152
Abs. 2 AO-E, wenn die Steuererklärung nicht innerhalb der Fristen des § 149
AO-E abgegeben wird, soll jedoch künftig zwingend ein Verspätungszuschlag
festgesetzt werden. § 152 Abs. 3 bis 5 AO-E sieht zudem künftig feste Beträge
für die Verspätungszuschläge vor, während bisher die Finanzverwaltung eine in
ihrem Ermessen stehende Bandbreite nutzen konnte.
Unseres Erachtens sind diese Verschärfungen gegenüber der bisherigen
Rechtslage überschießend, weil tragfähige Gründe des Steuerpflichtigen für die
verspätete Abgabe nicht mehr berücksichtigt werden können.
Auf die Einführung des § 152 Abs. 2 bis 5 AO-E sollte verzichtet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Hamannt
Rindermann, RA StB
Fachleiterin Steuern und Recht