Vortrag Bernhard Scholten - Ruhr

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Vortrag Bernhard Scholten - Ruhr
Verhalten ändern durch Verhaltenstherapie?
Liebe Frau Prof. Dr. Elke, liebe Gabi,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen
Verhalten ändern durch Verhaltenstherapie? – diese Frage wurde mir gestellt
mit dem Ziel, Ihnen in rund zehn Minuten einen bleibenden Eindruck der
bewegten Studienzeit von Gabi Elke nahe zu bringen. Doch das ist schwierig,
längst sind die Erinnerungen verblast oder überlagern sich mit anderen aus
späteren Zeiten, die letzten Seminararbeiten und Mitschriften habe ich
endgültig beim letzten Kelleraufräumen – das war in den Osterferien dieses
Jahres – vernichtet. Wie war das damals in den 70iger Jahre des letzten
Jahrhunderts, als es noch keine Power-Point-Präsentationen gab, deshalb habe
ich auch darauf verzichtet eine zu machen und Overheadfolien wurden gerade
zum Ende der 70iger Jahre erfunden. Digital waren – wie dies auch Ford Perfekt
in seinem Hitchhikers-Guide to the Galaxy beschrieb – unsere Uhren. Stolz
waren wir auch auf die Rechenleistungen der Computer, die unsere Daten –
mühsam in Lochkarten gestanzt, um sie für den Rechner lesbar zu machen –
über Nacht berechneten und auf meterlanges Computerpapier Zahlenkolonnen
und Zahlenkolonnen ausdruckten – vermutlich war auch eine 42 dabei.
So musste ich mich Zaphod Beeblebrox bitten, mich mit dem Raumschiff „Heart
of Gold“ mit seinem Infinite Improbability Drive in diese 70iger Jahre zu
bringen, um die damalige Literatur nutzen zu können. Tatsächlich gelang es uns
auf dieser Reise ein Exemplar der Enzyklopaedia Galaktika und ein Exemplar
des Hitchhikers Guide to the Galaxy aufzutreiben. Es war eine spannende
Lektüre. Was können wir in der Enzyklopaedia Galaktika zum Beispiel über die
Verhaltenstherapie lesen? Nun die Encyclopaedia Galaktika schreibt:
Verhaltenstherapie – Erfindung eine Methode der Erdlinge zur Beeinflussung
und Änderung des Verhaltens anderer Erdlinge. Die Methode geht auf
Beobachtungen des Verhaltens von Hunden zurück, denen beim Läuten einer
Glocke der Speichel aus dem Maul lief, obwohl sie kein Essen sehen konnten,
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aber meinten, es zu erhalten. Bei den Erdlingen ist es üblich, dass die Glocken
läuteten, wenn die Sonne ihren höchsten Punkt erreichte und dann kam das
dampfende Essen auf den Tisch. Diese Gewohnheit gibt es auch in Büros und bei
Beamten, die dazu „Mahlzeit“ sagen. Weil dies eine klassische Art war zu essen,
wird diese Methode „klassisches Konditionieren“ genannt.
Ergänzt wird diese Methode um eine weitere Beobachtung der Erdlinge bei
Ratten. Die Erdlinge stellten fest, dass Ratten sich die Farbe einer Taste leichter
merken, was das Drücken dieser Taste dazu führt, dass sie nach dem Drücken
Essen bekamen. Hieraus schließen die Erdlinge, dass die Erwartung, Essen,
etwas Süßes oder eine andere Belohnung zu bekommen, dazu führt, dass ein
Verhalten häufiger ausgeführt wird, wenn dieses Verhalten dazu führt, dass das
gewünschte Ergebnis – also Essen, etwas Süßes oder eine andere Belohnung –
häufiger eintritt. Diese Form des Lernens nennen Erdlinge „operantes
Konditionieren“.“
Die Encyclopaedia Galaktika, auch die aus den 70iger Jahren, neigt – wie Insider
von Ihnen wissen –eher zu trocknen Beschreibungen und Definitionen,
während der Hitchhiker‘s Guide to the Galaxy den gleichen Sachverhalt oftmals
sehr viel anschaulicher beschreibt. Er ist auch deshalb deutlich populärer. Sie
erinnern sich: Nach der ersten Rettung durch das Raumschiff der Vogonen
wollte Arthur Dent wissen, was denn der Hitchhikers Guide zum gerade
zerstörten Planet ERDE schreibt. Er sah unter dem Stichwort ERDE nach und
fand den Eintrag „harmless“. Nun, er hätte statt unter ERDE einmal unter den
Stichworten BOCHUM und RUHR-UNIVERSITÄT nachschauen sollen. Da hätte er
deutlich mehr Informationen gefunden.
Zum Stichwort BOCHUM findet sich hier folgender Eintrag „Bochum allg. –
Stadt gleich hinter Wattenscheid, dort liegt die schönste Stadt der Christenheit“
diese Aussage des Hitchhikers Guide erschien noch vor der Kommunalreform.
Weiter im Guide: Aussichtspunkt: Brücke über die B 1 – es ist eine Ausgabe aus
den 70iger Jahren, da war noch Gelb-schwarz was heute blau-weiß ist – von
dort sichtbar: Förderturm des Bergwerkmuseums, Industriebrache der
Bochumer Stahlwerke – markanter Ausspruch „booh – schön ist dat nicht“.
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Dann findet sich dort folgender Eintrag: Ruhr-Universität – liegt wie ein großes
Raumschiff oberhalb des Ruhrtals von Witten, Androide, Vogonen und andere
insterstellare Lebewesen fühlen sich hier sichtlich wohl, denn das Gebäude mit
seinen verschachtelten Gängen, erinnert auch von innen stark an ein Raumschiff
und ist auch ähnlich zerfallen. In einem zentralen Gebäude genannt GaFo für
Galaktische Forschung steht die Wiege der Bochumer Verhaltenstherapie –
Professoren und sonstige Lehrende forschten intensiv nach den Gesetzen, die
erklären wie Verhalten gelernt und wieder verlernt werden kann. Studierende
der damaligen Zeit schlossen sich in Arbeitskreisen zusammen, um sich selbst zu
verändern – sogenannte Selbstmodifikation - und um andere zu verändern –
sogenannte Verhaltensmodifikation – auch Verhaltenstherapie genannt. Einige
AK-Mitglieder wollen sich nicht auf die Rattenpsychologie reduzieren lassen und
fordern deshalb eine humanistische Psychologie. Dabei muss der geneigte Leser
(Gendern war in den 70iger Jahren noch nicht üblich, auch nicht der Hinweis,
dass ein Leser auch eine Leserin sein könnte) wissen, dass sich die Erdlinge
selbst als homo sapiens sapiens bezeichnen. Humanistisch meint also eine
Psychologie, die dem homo sapiens sapiens entspricht. Allerdings bedeutet
sapiens „weise“ – also ein „weiser Weise“. Erdlinge neigen zu Dopplungen, so
sprechen sie zum Beispiel gerne von einem weißen Schimmel, das nennen sie
Tautologie. Sie neigen aber auch zu Paradoxien und laden sich gegenseitig zu
einem interaktiven Symposium ein – wobei nur die eingeweihten Wissen, dass
Symposium aus einer alten erdischen Sprache, die heute nicht mehr gesprochen
wird, stammt. In dieser alten Sprache bedeutet „sym“ „miteinander“ oder
„gemeinsam“ und „posein“ „trinken“ – also ist „symposein“ ein altes Ritual des
„gemeinsamen Trinkens“. Die Erdlinge, die im GaFo galaktische Forschung
betreiben, brauchen zum gemeinsamen Trinken einen Anlass, so berichten sie
sich gegenseitig, was sie neues entdeckt und entwickelt haben, um dann
gemeinsam trinken zu können. Alle zwei Jahre treffen sie sich dann an einem
magischen Ort, den sie nur mit Fliegern – Raumschiffen ähnlich, die aber nicht
im All fliegen können – erreichen, da dieser Ort, den sie Berlin nennen,
vollständig mit einer Mauer umgeben ist. Dort treffen sie sich für eine ganze
Woche, um Symposien zu veranstalten – also während die Sonne scheint, reden
sie, wenn der Mond scheint, trinken sie. Symposien veranstalten sie auch, wenn
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einer von ihnen alt genug ist, um nicht mehr selbst zu arbeiten, sondern andere
für sich arbeiten zu lassen.
Paradoxien dieser Art, so eine Entdeckung der Erdlinge, sind in der
Verhaltenstherapie eine anerkannte Methode zur Verhaltenssteuerung. Das
Prinzip ist einfach: wen ich will, dass ein anderer etwas tut, was dieser nicht
will, dann muss ich ihm das, was er nicht will, verbieten – und dann macht er es.
Ein Beispiel aus der Praxis: ein kleiner Erdling ist wütend, wirft sich auf den
Boden und trommelt mit den Fäusten gegen diesen, dann ist es falsch zu sagen,
steh‘ auf und hör‘ auf – richtig ist stattdessen ihm zu befehlen: du bleibst jetzt
fünf Minuten hier liegen und hämmerst mit voller Kraft mit den Fäusten auf den
Boden. Dann wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent dieser kleine
Erdling aufspringen, rufen „ich lass‘ mir von dir gar nichts sagen“ und wird
davonlaufen.
Erdlinge haben Gefühle – ähnlich wie Marvin, der Roboter. Allerdings gehen ihre
Gefühle einher mit sogenannten physiologischen Veränderungen – zum Beispiel
beginnen sie zu schwitzen oder zu hecheln, um Luft und Kraft zu sammeln, denn
sie haben damals, als sie gerade von den Bäumen auf die Erde
heruntergekommen sind, gelernt, dass es zwei Möglichkeiten gibt, einer
gefährlichen Situation entkommen: kämpfen oder rennen. Diese beiden
einfachen Strategien müssen erfolgreich sein, sonst gäbe es die Erdlinge,
nachdem sie von den Bäumen gekommen sind, nicht mehr. Seitdem Erdlinge
digitale Uhren tragen, kommen sie immer häufiger in Situationen, von denen sie
meinen, sie seien gefährlich, die es aber nicht sind. So gibt es verschiedene
Tiere, einige sind klein und grau, haben einen langen Schwanz und vier Beine,
mit denen sie schnell rennen können, andere haben acht Beine und können
nicht ganz so schnell rennen, dafür aber Fäden spinnen, die bei Erdlinge Gefühle
dieser Art auslösen. Erdlinge nennen dieses Gefühl „Angst“. Interessant ist, je
öfter ein Erdling vor diesen Tieren wegläuft, desto größer wird die Angst, dass
etwas passiert, obwohl nichts passiert. Es gibt Erdlinge, die Orte, in denen sie
kleine Tiere dieser Art begegnen könnten, vermeiden. Eigentlich wollen sie der
Angst aus dem Weg gehen, doch stattdessen haben sie immer mehr Angst.
„DON’T PANIC“ ist die Empfehlung des Hitchhikers Guide in solchen Situationen.
Die Erdlinge in Bochum im GaFo sagen dazu „kognitive Umstrukturierung“. So
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nehmen sie Erdlinge, die Angst vor hohen Türmen haben, auf hohe Türme oder
sie zeigen ihnen die kleinen Tiere mit den vier oder acht Beinen, nachdem die
ängstlichen Erdlinge gelernt haben, zu sich selbst „don’t panic“ zu sagen. So
lernen sie, indem sie ihre Gedanken umdenken, auch, dass die kleinen grauen
Tiere mit vier oder die feinen flinken mit den acht Beinen oder die hohen Türme
kein Grund sind, Angst zu haben. Und tatsächlich: es funktioniert – zumindest
meistens.“
Soweit die doch sehr ausführlichen Beiträge im Hitchhikers Guide to the Galaxy
zu den Stichworten: Bochum, Ruhr-Universität und Verhaltenstherapie.
Abschließend habe ich noch nachgeschlagen, was denn unter dem Stichwort
„Steuern“ im Hitchhikers Guide steht.
Steuern – allg.: Abgabe der kleinen blauen Scheine an den Staat. Wer
verspricht, dass er weniger Steuern will, erhält bei Wahlen viele Stimmen, wer
mehr Steuern will, erhält weniger. Mit Wahlen bestimmen Erdlinge, wie die
nächsten vier Jahre den Staat steuert – möglichst mit wenig Steuern.
Steuern im übertragenden Sinn bedeutet ein Fahrzeug zu führen, die Spur zu
halten, aber auch die Richtung zu ändern. Steuern bedeutet weiter: Einfluss zu
nehmen auf das Verhalten anderer Erdlinge; dabei unterscheiden die Erdlinge
zwischen abgesprochenes Steuern zur Änderung des Verhaltens zum Beispiel
durch Anwendung von wissenschaftlichen Methoden – siehe auch
Lernpsychologie, Verhaltenstherapie oder allgemein Psychotherapie; aber auch
Steuern ohne Absprachen – siehe auch Manipulation.
Steuern bedeutet auch Ziele setzen nach der Weisheit der Erdlinge: wer nicht
weiß, wohin er will, muss sich nicht wundern, wenn er ganz woanders
ankommt.“
Soweit der Hitchhikers Guide, das uns einen Einblick in das Denken der 70iger
Jahre gibt. Gut, dass es dank des Unwahrscheinlichkeitsrelativitätsaxioms
gelungen ist, diese historischen Aufzeichnungen aus der 42. Auflage des
Hitchhiker's Guide wieder zu entdecken.
Ford Perfect und Arthur Dent kannten diese Ausführungen nicht, weil sie nicht
danach gesucht haben. Und das ist auch verständlich, denn wer liest schon ein
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mehrere tausend Einträge umfassendes Buch von Anfang bis Ende durch. Ford
und Arthur haben Einträge gesucht und gefunden, die für sie von Interesse und
Bedeutung waren, Einträge, die sie nicht gesucht haben, konnten sie auch nicht
finden. Letztlich lernen wir daraus: Es gilt stets die richtigen Fragen oder
besser: die Fragen richtig zu stellen, die Antworten darauf finden sich dann
auch. Wer allerdings unpräzise Fragen, wie die „nach dem Leben, dem
Universum und den ganzen Rest“, stellt, der darf sich nicht wundern, wenn der
größte Computer aller Zeiten auf diese Frage antwortet: „42“.
Bernhard Scholten
Schlettstadter Str. 44a
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