Health Care News
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Health Care News A k t u e lle s a u s d e m G e s u n d h e it s w e s e n A u sg ab e 1 — M a i 2 0 1 6 I n n o v ati o n en i m G esu n d hei tswesen H e a lt h - C a r e - In n o v a t io n e n – W ie d ie B r a n c h e v o n d e n a k t u e lle n V e r ä n d e r u n g e n profitieren kann D ig it a l H e a lt h : G ö t t e r d ä m m e r u n g im d e u t s c h e n G e s u n d h e it s s y s t e m ? G e s u n d h e it n a c h d e m iP h o n e - P r in z ip S teu A p p s e in e H e ilb erb eratu n g u n d W e a r a b le s – s t e u e r b e g ü n s t ig t e e h a n d lu n g ? K en n z ahl d er A u sg ab e C M ( C a s e M ix ) u n d C M I ( C a s e M ix In d e x ) L ie b e L e s e r in n e n , lie b e L e s e r , die Änderungen der Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen zeigen sich bereits heute in zahlreichen Facetten, sei es die Suche und Gewinnung von gutem Personal, die geänderten Anforderungen der Patienten, innovative Gesundheitsleistungen oder die weiterhin aktuelle Fragestellung einer erfolgreichen Krankenhaussanierung. In unseren Health Care News widmen wir uns regelmäßig diesen zukunftsgerichteten Themen sowie der Frage, welche finanziellen Chancen diese Herausforderungen künftig bieten können. Unser Schwerpunktartikel dieser Ausgabe erörtert die Anforderungen an ein Gesundheitssystem von morgen und zeigt auf, wie das Gesundheitswesen von anderen Branchen lernen und profitieren kann. Ergänzt wird unser Schwerpunktthema durch einen einleitenden Artikel und ein Interview mit Dr. Markus Müschenich zum Thema Digital Health, welche die aktuellen Trends sowie Chancen für Start-ups und Investoren auf dem digitalen Gesundheitsmarkt beleuchten. In der Rubrik „Wirtschaftsprüfung“ werden die aktuellen Entwicklungen in der Rechnungslegung dargestellt. Unsere Fachleute informieren Sie über Gesetzesänderungen und IDW-Standards, die für die Gesundheitsbranche praxisrelevant sind. Unsere Health-Care-Steuerberatung befasst sich in ihrem Beitrag mit den aktuellen steuerlichen Fragestellungen bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung von Medical Devices. In praxisnahen Beispielen werden diese konkretisiert und etwaige Lösungsansätze aufgezeigt. Außerdem fassen unsere Autoren die aktuellen Rechtsprechungen des BHF im Steuerrecht kompakt und informativ zusammen. Unsere Rechtsberatung befasst sich in dieser Ausgabe mit dem jüngst verabschiedeten Gesetz zu neuen Straftatbeständen von Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen und erörtert die Auswirkungen für die Gesundheitsbranche. Der Gastbeitrag von Swjatoslaw Aksamitowski, CEO German Doctor Exchange, widmet sich dem Thema der qualifizierten Einwanderung ausländischer Ärzte und zeigt auf, wie Kliniken von einem professionellen Rekrutierungsverfahren profitieren können. In unserer Reihe zu Finanzkennzahlen widmen wir uns diesmal der Bedeutung der Kennzahl CMI (Case Mix Index). Der Newsletter wird wie gewohnt durch aktuelle Neuigkeiten aus Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft abgerundet. Wir freuen uns, Ihnen mit der Aprilausgabe unserer Health Care News eine aktuelle Themenzusammenstellung präsentieren zu können, und wünschen Ihnen eine informative und lohnenswerte Lektüre. Mit besten Grüßen 2 Ni ls S ö hn le Partner, Health Care Leader GSA | Health Care News M a i 2 0 1 6 In h a lt 4 S c hwerp u n k tthem a: I n n o v ati o n en i m G esu n d hei tswesen B eratu n g 4 3 2 H e a lt h - C a r e - In n o v a t io n e n – W ie d ie B r a n c h e v o n d e n a k t u e lle n V e r ä n d e r u n g e n profitieren kann 9 D ig it a l H e a lt h T e il 1 : G ö t t e r d ä m m e r u n g im G e s u n d h e it s s y s t e m ? P e r s o n a l a u s d e m A u s la n d D ie K e n n z a h l d e r A u s g a b e : C M ( C a s e M ix ) u n d C M I ( C a s e M ix In d e x ) 3 6 d e u ts c h e n 1 1 1 2 2 8 A k t u e lle s a u s d e r G e s u n d h e it s w ir t s c h a f t V eran staltu n g shi n wei s G e s u n d h e it n a c h d e m iP h o n e - P r in z ip D ig it a l H e a lt h T e il 2 : In t e r v ie w m it D r . M a r k u s M ü s c h e n ic h 4 0 W i rtsc haf tsp rü f u n g A n sp rec hp artn er 1 2 4 1 H e a lt h C a r e Im P u ls – In n o v a t io n s k u lt u r im G e s u n d h e it s w e s e n A k t u e lle s a u s d e r R e c h n u n g s le g u n g 2 2 1 6 S teu erb eratu n g 1 6 A p p s u n d W e a r a b le s – e in e s t e u e r b e g ü n s t ig t e H e ilb e h a n d lu n g ? 1 9 2 8 A k t u e lle s a u s d e m S te u e r re c h t R ec htsb eratu n g 2 2 N e u e S t r a f t a t b e s t ä n d e z u B e s t e c h lic h k e it u n d B e s t e c h u n g im G e s u n d h e it s w e s e n 2 6 A k t u e lle s a u s d e r R e c h t s b e r a t u n g R ed ak ti o n Jan Zehetner | EY Telefon +49 711 9881 21732 [email protected] Health Care News | 3 I n n o v ati o n en i m G esu n d hei tswesen H e a lt h - C a r e - In n o v a t io n e n W ie d ie B r a n c h e v o n d e n a k t u e lle n V e r ä n d e r u n g e n profitieren kann I n n o v ati o n en i m G esu n d hei tswesen Das Gesundheitswesen befindet sich in einem u m fa s s e n d e n W a n d e l. G e t r ie b e n d u r c h t e c h n o lo g is c h e E n t w ic k lu n g e n u n d v e r ä n d e r t e A n s p r ü c h e d e r P a t ie n t e n m ü s s e n d ie A k t e u r e ih r e G e s c h ä f t s m o d e lle a n p a s s e n . D a b e i g ilt e s , B e w ä h r t e s w e it e r z u n u t z e n u n d g le ic h z e it ig in n o v a t iv z u s e in – w e r u n b e k a n n t e R e g io n e n m e id e t , d r o h t a b g e h ä n g t z u w e r d e n . E r k e n n t n is s e b r in g t d e r B lic k ü b e r d e n T e lle r r a n d a u f a n d e r e B r a n c h e n . W e r z u d e m „ s m a r t “ w ir d u n d d ie P a t ie n t e n s t ä r k e r in d e n F o k u s r ü c k t , s ic h e r t s e in e W e t t b e w e r b s fä h ig k e it . D a r ü b e r s o llt e je d o c h n ie m a n d d ie b e k a n n t e n T u g e n d e n v e r g e s s e n ; a u f O p t im ie r u n g e n u n d K o s t e n r e d u z ie r u n g e n k o m m t e s a u c h w e it e r h in a n . I n n o v ati o n en i m G esu n d hei tswesen Die Prognosen sprechen eine deutliche Sprache: Bis zum Jahr 2025 rechnet die UN mit einer Weltbevölkerung von über acht Milliarden Menschen. Knapp eine halbe Milliarde davon wird an Diabetes leiden. Die weltweiten Kosten durch nicht übertragbare Krankheiten werden für 2030 auf 47 Billionen US-Dollar geschätzt. Gerade die Industrienationen stehen durch die epidemische Ausbreitung chronischer Krankheiten und eine stetig steigende Lebenserwartung vor einer wahren Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Für Deutschland prognostizieren Experten einen Anstieg der Gesundheitskosten auf über 380 Milliarden Euro bis 2020. Darauf müssen sich die Akteure genauso einstellen wie auf einen Wandel im Bewusstsein der Menschen. Denn schon heute zeichnet sich ab, dass die Patienten vermehrt innovative und einfache Lösungen erwarten, um ihre Gesundheit zu managen. Gleichzeitig werden sie anspruchsvoller und wissbegieriger, Gesundheit und Lebensqualität gewinnen stetig an Bedeutung. Untersuchungen belegen diese Entwicklung. Sie zeigen zum Beispiel, dass knapp zwei Drittel der Konsumenten digital auf ihre Patientendaten zugreifen möchten, noch mehr suchen online nach gesundheitsbezogenen Informationen. Auch würden viele Menschen Kostenfaktoren in die Wahl ihrer Anbieter einbeziehen, Arzttermine gern online vereinbaren und ihre Smartphones zur Suche nach gesundheitsbezogenen Informationen nutzen. Die Branche muss technische Entwicklungen und ein verändertes Nutzungsverhalten daher weit mehr als bislang berücksichtigen. Vielfältige Einflussfaktoren Dabei zeigt sich, dass die Reichweite der Innovationen stetig zunimmt. Wer hätte vor einigen Jahren zum Beispiel damit gerechnet, dass viele Menschen Armbänder tragen würden, um ihren Puls zu messen? Doch neben solchen Gadgets gibt es viele weitere Einflussfaktoren. Dazu gehört zum Beispiel der gesetzliche Rahmen, aber auch Werte und Einstellungen, die Besonderheiten des jeweiligen Marktes, von Prozessen und Geschäftsmodellen sowie von den unterschiedlichen Verkaufskanälen. Es stellen sich zahlreiche Fragen: Wie lässt sich die Sicherheit von Gesundheitsleistungen gewährleisten? Welche Einsatzszenarien bieten mHealth oder Roboter? Können Social Media eine Rolle spielen? Was bedeutet eine alternde Bevölkerung für den Zugang zu Gesundheitsleistungen? Wie ändert sich das Verhalten der Patienten? Wie lassen sich unterschiedliche Bereiche und Akteure vernetzen? Über welche Kanäle werden Leistungen in Zukunft abgefragt? An dieser Fragenfülle ist zu erkennen, dass ganz unterschiedliche Bereiche die strategischen Entscheidungen beeinflussen. Diese können grob in externe Faktoren, Nachfrageaspekte und Supply Chain eingeteilt werden. 6 Darüber hinaus sieht sich die Gesundheitswirtschaft einer weiteren Herausforderung gegenüber: Die althergebrachten Geschäftsmodelle müssen unter Einbeziehung innovativer Ansätze weiterentwickelt werden. Während sich die bestehenden Abläufe kurzfristig, unmittelbar und relativ berechenbar planen und durchführen lassen, erfordern die neuen ganz andere Herangehensweisen. Diese gilt es langfristig zu etablieren; zunächst bergen sie vielfältige Risiken, sie sind unbestimmt und unsicher. Oft haben sie sogar den Charakter von Experimenten. Doch existieren beide Welten gleichzeitig, wir müssen einerseits den Kern stärken | Health Care News M a i 2 0 1 6 I n n o v ati o n en i m G esu n d hei tswesen und ausweiten und andererseits Neues entwickeln. Dies gelingt nur, wenn die beteiligten Organisationen Gewesenes ignorieren und echte Innovationen schaffen. Dabei geht es um mehr als die Ideenfindung, sie müssen auch an den Markt. Schließlich lassen sich Innovationen als „angewandte Ideen“ bezeichnen. Im Vergleich zum etablierten Geschäft – der Exploitation – stellen neue Modelle eine sogenannte Exploration dar. Wir müssen uns buchstäblich auf den Weg machen und nach Innovationen suchen. Klar ist jedoch, dass die Zeit drängt. Entwicklungen vollziehen sich immer schneller. Vor wenigen Jahren waren zum Beispiel Bedeutung und Möglichkeiten von Daten nur in Ansätzen absehbar – den Begriff „Big Data“ kannten nur Eingeweihte. Auch tragbare Technologien spielten so gut wie keine Rolle. Heute können wir dagegen große und unterschiedliche Datenmengen jederzeit und an jedem Ort erzeugen, sie analysieren und damit Transparenz schaffen. Nicht zuletzt deshalb sehen auch die Kostenträger mittlerweile den Nutzen von Big Data. Doch auch andere Entwicklungen treiben die Branche: Bereits in drei bis fünf Jahren dürften leistungsbezogene Vergütungen und die Ausgaben für Spezialmedikationen die Kosten im Gesundheitswesen weiter erhöhen. Zudem werden Arzneimittel vermehrt mit nichtmedikamentösen Behandlungen konkurrieren. All das vollzieht sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Transparenz. Wer in dieser Situation mit seinem Angebot Vertrauen schaffen kann, wird sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten. D e r B lic k ü b e r d e n T e lle r r a n d Um die richtige Strategie zu finden, lohnt ein Blick auf andere Bereiche und Branchen. Bereits in der Vergangenheit ließen sich innovative Vorgehensweisen und Ideen übertragen; beispielsweise hat das Qualitätsmanagement aus der Automobilindustrie in vielen Krankenhäusern Einzug gehalten. Doch lohnt auch ein erweiterter Fokus. Scheint ein Blick etwa auf Drogeriemärkte, Fluggesellschaften, Gamification oder Augmented Reality zunächst abwegig, ergibt sich bei genauerem Hinsehen ein zusätzliches Potenzial für Änderungen und Verbesserungen, zum Beispiel der Verzicht auf individuelle Anreizsysteme einer Handelskette. In unserer Branche geht es zwar selten um den Abverkauf von Waren, der Gedanke hinter dieser Idee lässt sich jedoch durchaus übertragen: Ein gutes Unternehmen gewinnt seine Kraft nicht aus Druck, sondern aus seinem Menschenbild und seinem Führungsverständnis. Sie bilden die Voraussetzung dafür, sich gegenseitig helfen zu können und zu lassen – die Kernaufgabe der Krankenhäuser. Sie müssen es nur aus einer neuen Perspektive entdecken und umsetzen. Auch die Standardisierung aus dem Cockpit eröffnet neue Perspektiven, etwa auf Checklisten im OP. Vor jedem Schnitt werden Fragen abgehakt – ohne Ausnahme, auch wenn die Zeit drängt. Vorstellbar sind zudem Team-Briefing und -De-Briefing in Form einer Vorstellung aller Beteiligten und ihrer Verantwortlichkeiten sowie der Fallbesprechung. All das sorgt für zusätzliche Sicherheit. Diese lässt sich zudem durch einen Blick auf Computerspiele steigern, etwa wenn schwierige Operationen vorab simuliert werden. Mit der 3-DBrille auf der Nase bohrt der Chirurg virtuell, inklusive der Geräusche aus der Realität. Wer zu tief bohrt, schafft es nicht in die Highscore-Liste. Auch die beispielsweise in die Unterhaltungselektronik drängende Augmented Reality hat das Zeug, in der Gesundheitsbranche Innovationen anzuregen. Denn die Kombination von Ansichten einer realen Umgebung mit einem computergenerier- ten Input lässt sich etwa für Therapiesimulationen bei der Heilung von Phantomschmerzen, der Therapie von Brandopfern oder von Soldaten mit Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nutzen. D ie Z u k u n f t w ir d „ s m a r t e r “ u n d k u n d e n o r ie n t ie r t e r Die Organisationen im Gesundheitswesen stehen vor der Herausforderung, den beschriebenen Wandel in tragfähige Geschäftsmodelle umzusetzen. Dafür existieren ganz unterschiedliche Ansatzpunkte, die jeweils eigene Strategien sowie ein individuelles Know-how erfordern. Anknüpfen lässt sich beispielsweise am heute bereits erkennbaren, exponentiellen Wachstum an Geräten, Sensoren, Daten und damit an Entscheidungshilfen. Auch in unserer Branche vernetzen wir die einzelnen Bereiche immer besser und eröffnen damit enorme Potenziale. So kann beispielsweise ein Diabetiker mithilfe sogenannter Wearables online und in Echtzeit von zu Hause aus seine Daten an ein Netzwerk weitergeben und seinem Arzt den Zugriff darauf erlauben. Wichtig ist, dass sich derartige Smart Services bereits heute in Form unterschiedlicher Geschäftsmodelle monetarisieren lassen. Die vorhandenen Daten und Informationen müssen wir uns weit mehr als bislang zunutze machen und sie intelligent verknüpfen. Nur so lassen sich die Erwartungen der Menschen an ihre Gesundheitsvorsorge erfüllen. Und nur damit können die Anbieter ihre Wettbewerbsposition sichern und ausbauen. Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten bedeutet auch, die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden und Patienten noch stärker in den Fokus zu rücken. So stellt das Krankenhaus der Zukunft den Patienten in den Mittelpunkt und bietet echte Transparenz und Mitbestimmung Health Care News | 7 A I n rti n o c v le atihead o n en i n i g m G esu n d hei tswesen im Behandlungsprozess. Dafür sind jedoch umfangreiche Maßnahmen nötig. Dazu gehört beispielsweise eine flexible Raumnutzung mit voll digital unterstützten Prozessen in Ambulanz, OP, Notaufnahme und Diagnostik. Ebenso erforderlich sind ganzheitliche und patientenorientierte Stationen mit optimalen Prozessstrukturen, zudem die Ergänzung um Angebote wie mHealth und eHealth. Umsetzen lassen sich derartige Veränderungen nur mit dem richtigen Personal. Neben einem hohen Ausbildungsstandard durch digitale Unterstützung und standortübergreifende Ausbildung müssen die Anbieter daher auch ihre Attraktivität für Arbeitnehmer sicherstellen, etwa mittels innovativer Arbeitszeitmodelle. Ergänzend können externe Experten ihr Wissen via Telemedizin einbringen, und eine übergreifende Vernetzung kann für erweitertes Knowhow sorgen. Darüber hinaus wird auch die Qualität betriebswirtschaftlicher Prozesse immer wichtiger. Die Anbieter sind mehr denn je auf eine profitable Refinanzierungsstruktur angewiesen und müssen ihre Effizienz verbessern – etwa durch die Zusammenarbeit mit MedTech-Firmen. Sehr deutlich zeigt sich, dass Kostenreduzierung auch in Zukunft eine zentrale Aufgabe bleibt. P r o z e s s e o p t im ie r e n , K o s te n s e n k e n 8 V erf asser Christian Egle | EY Telefon +49 6196 996 21226 [email protected] | Health Care News M a i 2 0 1 6 Die Kosten lassen sich jedoch nur dann nachhaltig senken, wenn beispielsweise Krankenhäuser ihre Prozesse weiter optimieren. Die bestmögliche Wirkung erzielt, wer Auswirkungen der geplanten Maßnahmen bereits im Vorfeld simuliert und unter verschiedenen Prämissen modelliert. Mithilfe eines Simulationstools lassen sich die Auswirkungen von Entscheidungen etwa in Bezug auf Prozesse in der Notaufnahme quantifizieren, ohne ein finanzielles oder ressourcen- bezogenes Risiko eingehen zu müssen. Dazu erforderlich sind lediglich die Daten zu den Aktivitäten in der Notaufnahme, wobei Veränderungen bei Parametern etwa zu Zugangszahlen oder der Einweisungsrate die Engpässe oder den Einfluss bestimmter Szenarien verdeutlichen. Ergebnisse zeigen sich zum Beispiel in Form konkreter Angaben zur Verweildauer der Patienten im System oder zum Personaleinsatz. Wir haben eine derartige Simulation in der größten englischen Notaufnahme durchgeführt und die Klinik konnte daraufhin die drittbeste Verbesserung einer Notaufnahme im Land erzielen. Die Praxis zeigt also, dass Planspiele durchaus große Wirkungen haben können. Optimieren lassen sich die Strukturen zudem durch eine vollständige Digitalisierung der Krankenhäuser. Diese kann zum Beispiel die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter umfassen und die komplette Arbeitssteuerung über Whiteboards, Smartphones und Smartwatches beinhalten – von der Visite bis hin zur Ankündigung von OP-Reinigungsaufträgen oder Laboranforderungen und angemeldeten Notfällen. Organisatorischer Aufwand lässt sich durch derartige Maßnahmen spürbar senken. Erforderlich ist zudem die Automatisierung von Prozessregeln. Dazu gehören auch klare Time-out-Vorgaben, wenn die Rückmeldung der Beteiligten ausfällt. Doch auch patientenseitig sind digitalisierte Prozesse denkbar. So können ein Self-Check-in und die Anmeldung über das Smartphone einerseits Abläufe optimieren und andererseits den Wunsch nach stärkerer Mitwirkung erfüllen. Insgesamt zeigt sich, dass es viele Anknüpfungspunkte für Innovationen gibt. Wir müssen die richtigen Schritte nur noch wagen. A I n rti n o c v le atihead o n en i n i g m G esu n d hei tswesen D ig it a l H e a lt h : G ö t t e r d ä m m e r u n g im d e u t s c h e n G e s u n d h e it s s y s t e m ? D ig it a l H e a lt h T e il 1 P e te r L F r a n z is ü b e r d e m a r k t, e n k a n ü b n a D u D ig e r r tz k a it a N a , L e it e tz , E Y lis ie r u c h h o lb r d A d n g e d e r E Y v is o r y s g ra d a r f u n Wodurch wird der deutsche Gesundheitsmarkt charakterisiert? Welchen Digitalisierungsgrad hat die Gesundheitswirtschaft? Welche aktuellen Trends gibt es und welche Chancen entstehen daraus für Start-ups und Investoren? E rster G esu n d hei tsm ark t Die Ausgaben im „ersten Gesundheitsmarkt“ für die klassische Gesundheitsversorgung durch Ärzte, Zahnärzte, Kliniken, Pflegeheime und Medikamente steigen seit vielen Jahren sehr konstant und stärker als das BIP, dazu vollkommen konjunkturunabhängig. Im Jahr 2013 betrugen sie in Deutschland 315 Mrd. Euro und somit 11,2 Prozent des BIP. Der deutsche Gesundheitsmarkt gilt bei unbestritten hoher medizinischer Kompetenz als sehr reglementiert und verkrustet, von Funktionären beherrscht und aufgrund seiner fehlenden Vernetzung als überaus ineffektiv. Papier ist (noch) der bevorzugte Datenträger. Digitale Technologien haben im ersten Gesundheitsmarkt eine sehr untergeordnete Bedeutung. Kommen innovative digitale Lösungen ins Spiel, wird in Deutschland sofort das Hohelied des Datenschutzes gesungen. Am weitesten mit digitalen Anwendungen vorangeschritten sind die Krankenkassen, die beginnen, ihren Versicherten S ta m im d d r t-u p it S c h d e u ts ie T r e -In w e c h n d it ia t iv e G S A , u n d r p u n k t H e a lt h C a r e , e n G e s u n d h e it s s in den Bereichen Kommunikation, Information, Coaching, Überwachung und medizinische Behandlungen digitale Lösungen anzubieten, zum großen Teil von Start-ups entwickelt. Ärzten und Kliniken steht diese Entwicklung noch bevor – nur zwei Prozent der Ärzte sind online erreichbar. Kliniken benutzen digitale Anwendungen sehr zurückhaltend und eher für interne Prozesse als zur unmittelbaren Steigerung des Patientennutzens. Die Pharmaindustrie hingegen ist überaus aktiv in der Entwicklung von Apps, überwiegend um über ihre Medikamente zu informieren. Z wei ter G esu n d hei tsm ark t Die Ausgaben im „zweiten Gesundheitsmarkt“, also für zusätzliche, nicht durch Krankenkassen bezahlte Gesundheitsleistungen, Fitness, Wellness und Ernährung im privaten Bereich und insbesondere im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements, boomen regelrecht. Der Umsatz in diesem Bereich ist nur sehr schwer abzuschätzen, dürfte aber im Jahr 2016 die 100-Mrd.-EuroMarke erstmalig überschreiten. Gemeinsam mit dem ersten Gesundheitsmarkt macht das über 15 Prozent des BIP aus. Das Wachstum des zweiten Gesundheitsmarktes ist vor allem vom Verbraucher getrieben. Als Treiber gelten das stei- gende Gesundheitsbewusstsein, die demografische Entwicklung, die Zunahme chronischer Krankheiten und die Digitalisierung der Gesellschaft. D i g i tale T ec hn o lo g i en u n d ak tu elle T ren d s Ein nicht unerheblicher Teil der Ausgaben für Gesundheitsleistungen betrifft digitale Technologien. Mit Apps, Wearables wie Fitnessarmbändern, Uhren, Schlafsystemen, Body Analyzers oder smarter Sportkleidung sammeln, überwachen und analysieren Verbraucher ihre Gesundheit und haben damit vereinfachten Zugang zu ihren eigenen medizinischen Daten. Das Geschäft mit der digitalen Medizin könnte sich bis 2020 von aktuell 60 Mrd. US-Dollar auf ca. 220 Mrd. US-Dollar fast vervierfachen.1 Stark in den Gesundheitsmarkt drängen derzeit Internetgiganten wie Google und Apple oder IBM mit Watson. Google entwickelt den Prototyp einer Kontaktlinse, die Blutzuckerwerte überwachen kann, und hat kürzlich, neben Peter Thiel, in Oscar investiert, ein mit über 1 Mrd. US-Dollar bewertetes Start-up, das Krankenversicherungen mit Fokus auf dem unkomplizierten Zugang zu Ärzten und auf Prävention online anbietet. Google investiert zudem in Calico, das mit Weltklasseforschern den Tod bzw. lebensverlängernde Technologien erforscht. 23andme bietet Teilanalysen der eigenen DNA an. 1 Wirtschaftswoche 37/2014, S. 86–94 Health Care News | 9 A I n rti n o c v le atihead o n en i n i g m G esu n d hei tswesen Im deutschsprachigen Raum entwickeln an die 150 Start-ups verschiedene digitale Anwendungen, Tendenz steigend. MySugr und Emperra bieten Lösungen für Diabeteskranke, Töchter & Söhne informieren rund um die Pflege, Tinnitracks ist eine der ersten Apps, die über eine deutsche Krankenkasse genutzt werden können, Caterna hat die erste auf Rezept erhältliche App für Sehübungen entwickelt, Doc Cirrus verbessert die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, NeuroNation hat Hirntraining im Angebot und Clue einen Menstruations-Tracker per App für Frauen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Start-up-Hochburg ist Berlin, gefolgt von Hamburg, München sowie Köln/Düsseldorf und Zürich. F i n an z i eru n g Im Jahr 2015 flossen in den USA über 4,3 Mrd. US-Dollar in den US-Digital- V erf asser Peter Lennartz | EY Telefon +49 30 25471 20631 [email protected] Franziska Dukatz | EY Telefon +49 30 25471 20472 [email protected] 2 RockHealth 3 http://www.healthbytes.de 1 0 | Health Care News M a i 2 0 1 6 Health-Sektor2 und damit etwas mehr als im Vorjahr, davon alleine 300 Mio. in Jawbone. Im Schnitt waren das 15,6 Mio. US-Dollar pro Deal und sieben Prozent der gesamten Investitionen in digitale Start-ups. Trends waren digitale Therapien inkl. Prävention und Überwachung, Analytics und Big Data sowie Digital Medical Devices und Gesundheitsdienstleistungen oder Versicherungen.3 Investoren sind neben auf Health Care spezialisierten Fonds auch Tech-Firmen wie Google oder Krankenhausbetreiber. Über diese Zahlen kann man in Deutschland nur staunen, auch wenn es hier im Jahr 2015 bergauf ging. Genaue Zahlen sind nur schwer zu ermitteln, die Investitionssumme dürfte sich aber nicht über 50 Mio. Euro bei maximal 20 Deals bewegt haben. Während in der Frühphase vor allem spezialisierte Investoren (XLHealth, Peppermint, Digital Health Ventures, Think.Health, Flying Health) investieren, werden die Wachstumsfinanzierungen meist von weniger spezialisierten Geldgebern wie Atlantic Labs, Union Square Ventures (Clue, mimi.io), Robert Bosch Ventures (Emperra) oder dem HTG (Sonormed/Tinnitracks) angeführt. Daneben treten Unikliniken wie die Berliner Charité, Krankenhausbetreiber wie Helios oder die Pharmabranche mit Bayer als Investoren im Markt auf. A I n rti n o c v le atihead o n en i n i g m G esu n d hei tswesen G e s u n d h e it n a c h d e m iP h o n e - P r in z ip D ig it a l H e a lt h T e il 2 : In t e r v ie w m it D r . M a r k u s M ü s c h e n ic h D r. J u g Z u k P a r M a rk u s e n d m e u n ft. D tn e r v o M ü s c d iz in . r. M a r n F L Y h e n E r g k u s IN G ic h is t F a ilt a ls V o M ü s c h e n H E A L T H c h a rd e ic h – S W as i st f ü r S i e D i g i tal Health u n d erwarten S i e d ad u rc h ei n e D i sru p ti o n i m G esu n d hei tssek to r? Digital Health ist für mich das Synonym für die Gesundheitsversorgung im Zeitalter der Digitalisierung. Sie funktioniert – bildlich gesprochen – nach dem iPhone-Prinzip: vollständig vernetzte Information und Kommunikation, hervorragende Usability, eine 24/7-Verfügbarkeit und keine Wartezeiten. Vor allem aber: Der Patient bestimmt den Versorgungsprozess. Das ist eine vierfache Disruption: Nicht mehr der Arzt steht im Zentrum, sondern der Patient. Statt der Kultur der Wartezeit gibt es nun Medizin in Echtzeit und aus den fragmentierten Informationen rund um die Krankengeschichte eines Patienten wird im Zusammenspiel mit dem frei verfügbaren Weltwissen der Medizin ein integrierter und smarter Versorgungsprozess. Disruption Nummer vier wird noch unterschätzt: Mit der Digitalisierung treten wir ein in einen globalen Gesundheitsmarkt. Die Mayo Clinic mit ihren digitalen Gesundheitsservices ist plötzlich genauso schnell zu erreichen wie das kleine Krankenhaus von nebenan. W elc he Chan c en sehen S i e d ab ei f ü r S tart- u p s u n d i n welc hen G eb i eten ? W elc he E i g en sc haf ten m ü ssen d i e S tart- u p s m i tb ri n g en ? rz t n k e is t ta r fü r K r fü r G rü n tu p -M in d d ie d e r a n e r h e ilk u n d e u n d M e d iz in d e r u n d M a n a g in g u fa k t u r. Digital-Health-Start-ups müssen vor allem respektlos sein. Natürlich nicht gegenüber den Patienten, die ihre Services nutzen sollen, umso mehr aber gegenüber solchen Strukturen und Regeln im Gesundheitswesen, die gute Medizin verhindern. Dazu zähle ich das Fernbehandlungsverbot, die langen Wartezeiten für Arztbesuche oder das allseits akzeptierte Fehlen vernetzter Informationen. Gleichzeitig müssen die Lösungen für diese und andere Probleme so hervorragend sein, dass sie das Potenzial haben, zu Killerapplikationen zu werden. Das Einzige, was die Start-ups mit der traditionellen Medizin in jedem Fall verbinden muss, ist der Anspruch, wirklich gute Medizin zu liefern und sich der Evaluation zu stellen. Und da Digitalisierung sich ohnehin nicht eingrenzen lässt, bietet praktisch jedes Gebiet der Medizin eine Möglichkeit für Start-ups. W elc he T ren d s sehen S i e i n d en n ä c hsten J ahren ? Die Selbstvermessung via Wearables ist zum Alltag geworden, die Gadgets werden immer kleiner – z. T. sogar implantierbar – und die ersten Nanosensoren überwachen die innersten Körperfunktionen in beeindruckender Perfektion. Im nächsten Schritt werden die Informationen dieser Sensoren über Multisensor-Netzwerke integriert werden. Dann steht nicht mehr allein die Beschreibung des aktuellen Gesundheitszustands im Vordergrund, sondern die Vorhersage von Erkrankungen, die vielleicht erst in einigen Jahren ausbrechen werden. Hier werden neue Digital-Health-Geschäftsmodelle entstehen und eine individualisierte Primärprävention wird möglich. Erreicht wird dies durch den Einsatz smarter Expertensysteme, die der künstlichen Intelligenz schon ziemlich nahekommen. Weitere Trends sind der Einsatz von Virtual-Reality-Anwendungen und von Avataren als lebensnahe Therapeuten. W as hat es m i t d em I n c u b ato r au f si c h? F L Y I NG HE A L T H Nachdem FLYING HEALTH mit seinem Portfolio-Start-up Caterna Vision die weltweit erste App auf Rezept für eine vollständig digitale Therapie in den Gesundheitsmarkt gebracht und Patientus auf dem Weg zur ersten GKV-finanzierten Online-Sprechstunde begleitet hat, soll 2016 der FLYING HEALTH Incubator in Berlin starten. Digital-Health-Start-ups mit Fokus auf Mental Health Disorders – also Erkrankungen der Psyche und des zentralen Nervensystems – werden in einem Zweijahresprogramm für den Eintritt in den ersten Gesundheitsmarkt fit gemacht. Wir unterstützen die Start-ups allerdings nicht nur beim Markteintritt, sondern auch bei der Finanzierung, in Fragen der IP-Sicherung, bei der Zertifizierung und bei der Durchführung klinischer Studien. In Kürze beginnt die Auswahl der ersten Start-ups. Health Care News | 1 1 W i rtsc haf tsp rü f u n g A k t u e lle s a u s d e r R e c h n u n g s le g u n g W i rtsc haf tsp rü f u n g N e u e r H G B -Z in s s a t z z u r A b z in s u n g v o n P e n s io n s r ü c k s t e llu n g e n ( § 2 5 3 H G B - E ) M it d e m G e s e t z e s b e s c h lu s s d e s D e u t s c h e n B u n d e s ta g e s v o m 1 9 . F e b ru a r 2 0 1 6 z u m „ G e s e tz z u r U m s e tz u n g d e r W o h n im m o b ilie n k r e d it r ic h t lin ie u n d z u r Ä n d e r u n g h a n d e ls r e c h t lic h e r V o r s c h r if t e n “ r e a g ie r t d ie G e s e t z g e b u n g a u f d ie n e g a t iv e n h a n d e ls r e c h t lic h e n A u s w ir k u n g e n d e r N ie d r ig z in s p h a s e a u f d ie B e w e r t u n g v o n P e n s io n s r ü c k s t e llu n g e n , § 2 5 3 A b s . 2 S a tz 1 H G B . Altersversorgungsverpflichtungen werden demnach ab dem Kalenderjahr 2016 mit einem zehnjährigen (bisher: siebenjährigen) Durchschnittszinssatz der Deutschen Bundesbank abgezinst. Durch die Verlängerung des maßgeblichen Zeitraums für die Berechnung des Durchschnittszinssatzes entstehende positive Bewertungseffekte sollen den Negativeffekt der Niedrigzinsphase ausgleichen. Da es sich lediglich um die Anpassung der Bewertungsvorschriften für Pensionsrückstellungen handelt, ergeben sich zwar keine Auswirkungen auf Zahlungsströme, jedoch kann eine Belastung des Jahresergebnisses vermieden werden. Unterschiedsbeträge, die aus dieser Änderung des dem Zinssatz zugrunde liegenden Zeitbezugs resultieren, sollen bei Kapitalgesellschaften nach dem neu angefügten § 253 Abs. 6 Satz 1 und 3 HGB ausschüttungs- und abführungsgesperrt (EAV) sein und im Anhang erläutert werden. § 253 Abs. 2 HGB-E wird erstmals verpflichtend auf Jahres- und Konzernabschlüsse für das nach dem 31. Dezember 2015 endende Geschäftsjahr (d. h. für das Geschäftsjahr 2016) anwendbar sein, für das Geschäftsjahr 2015 besteht für die Unternehmen ein Wahlrecht. Um die Auswirkungen beispielhaft darstellen zu können, wird im Folgenden die Anwendung bereits für das Geschäftsjahr 2015 angenommen: Bei einer Restlaufzeit von 15 Jahren ändert sich dann der Durchschnittszins für den Bewertungsstichtag 31. Dezember 2015 von 3,89 Prozent (Siebenjahresdurchschnitt) auf 4,31 Prozent (Zehnjahresdurchschnitt). Nach einer Faustregel erhöht sich die Pensionsrückstellung bei Annahme eines gemischten Bestands an Anwärtern und Rentnern bei einer Erhöhung des Rechnungszinses von 1 Prozent um ca. 15 Prozent. V erf asser Jan Zehetner | EY Telefon +49 711 9881 21732 [email protected] Health Care News | 1 3 W i rtsc haf tsp rü f u n g B ila n z r ic h t lin ie - U m s e t z u n g s g e s e t z ( B ilR U G ) D u r c h d a s B ilR U G h a t d ie B u n d e s r e g ie r u n g d ie E U - B ila n z r ic h t lin ie 2 0 1 3 / 3 4 / E U in n a t io n a le s R e c h t t r a n s f o r m ie r t . Z ie l d e r E U - B ila n z r ic h t lin ie is t d ie H a r m o n is ie r u n g d e r e u r o p ä is c h e n R e c h n u n g s le g u n g . Z u r E r f ü llu n g d ie s e s Z w e c k s ä n d e r t d a s B ilR U G z a h lr e ic h e G e s e t z e u n d V e r o r d n u n g e n . P r im ä r b e t r o f f e n s in d d ie R e g e lu n g e n d e s H a n d e ls g e s e t z b u c h e s ( H G B ) , je d o c h w e r d e n s o w o h l d ie K r a n k e n h a u s -B u c h fü h ru n g s v e ro rd n u n g ( K H B V ) w ie a u c h d ie P f le g e - B u c h f ü h r u n g s v e r o r d n u n g ( P B V ) e b e n fa lls v o n d e n Ä n d e r u n g e n d e s B ilR U G b e r ü h r t . D a s G e s e t z is t e r s t m a ls v e r p f lic h t e n d a u f J a h r e s a b s c h lü s s e u n d L a g e b e r ic h t e fü r d a s n a c h d e m 3 1 . D e z e m b e r 2 0 1 5 b e g in n e n d e G e s c h ä f t s ja h r a n z u w e n d e n . § 2 7 7 A b s. 1 HG B – U n tersc hi ed e i n d er Z u o rd n u n g d er U m satz erlö se z wi sc hen HG B ei n ersei ts u n d K HB V / P B V an d erersei ts Im Rahmen des BilRuG erfolgte durch die Änderung des § 277 Abs. 1 HGB eine definitorische Ausweitung der Umsatzerlöse, die bisher auf die für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaften typischen Erzeugnisse, Waren und Dienstleistungen beschränkt waren. Die neue Definition der Umsatzerlöse gemäß § 277 Abs. 1 HGB n. F. schließt 1 4 | Health Care News M a i 2 0 1 6 nunmehr jegliche Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft mit ein. Unabhängig von der Rechtsform sowie davon, ob das Krankenhaus bzw. die Pflegeeinrichtung Kaufmann im Sinne des HGB ist (§ 1 Abs. 1 KHBV bzw. § 1 Abs. 1 PBV), regelt die KHBV bzw. PBV ordnungsgemäße Rechnungs- und Buchführungspflichten von Krankenhäusern bzw. Pflegeeinrichtungen. Im Falle von rechtsformabhängiger Rechnungslegung durch Vorschriften des HGB sind die KHBV und die PBV als ergänzende Sondervorschriften (lex specialis) zu betrachten. Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist gemäß § 4 Abs. 1 KHBV bzw. § 4 Abs. 1 PBV nach Anlage 2 der KHBV bzw. PBV zu gliedern. § 4 Abs. 3 KHBV erklärt handelsrechtliche Vorschriften zwar für anwendbar, enthält aber keinen expliziten Verweis auf die Darstellung der Umsatzerlöse gemäß § 277 Abs. 1 HGB. Für einen Jahresabschluss ausschließlich nach KHBV bzw. PBV ist der § 277 Abs. 1 HGB n. F. also nicht maßgeblich. Krankenhäuser bzw. Pflegeeinrichtungen in der Form von Kapitalgesellschaften haben gemäß § 1 Abs. 3 KHBV bzw. § 8 Abs. 1 PBV das Wahlrecht, die handelsrechtlichen Gliederungsvorschriften für die GuV gemäß § 275 HGB nicht anzuwenden. Wird dieses Wahlrecht nicht in Anspruch genommen, muss auch die Neudefinition der Umsatzerlöse ohne Einschränkungen angewendet werden. Entscheidet sich die Einrichtung gegen die Anwendung handelsrechtlicher Gliederungsvorschriften, hat die Gesellschaft ihre GuV im HGB-Jahresabschluss gemäß Anlage 2 zur KHBV bzw. PBV zu gliedern. A u swi rk u n g en Die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten führen somit zu einer erschwerten zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Insbesondere Kennzahlen, die durch die Anpassungen betroffen sind, z. B. die Umsatzrendite oder die EBIT-Marge, werden in ihrer Aussagekraft verändert. Weiterhin könnten durch die Zuordnung bestimmter Erträge zu den Umsatzerlösen (z. B. Erträge einer Krankenhausapotheke) rechtssystematische und auch verwaltungsrelevante Probleme verursacht werden. Zunächst sind die definitorischen Änderungen der Umsatzerlöse durch das BilRUG ohne Einfluss auf den Jahresabschluss eines Krankenhauses bzw. einer Pflegeeinrichtung, da die Vorschriften der KHBV und PBV die allgemein gültigen HGB-Regelungen als lex specialis ergänzen. W i rtsc haf tsp rü f u n g Daher sollten KHBV bzw. PBV diese Neudefinition der Umsatzerlöse nach § 277 I HGB ursprünglich nicht übernehmen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat diesbezüglich Bedenken angemeldet, woraufhin das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) reagiert und in Abstimmung mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) folgende Änderungen der KHBV und PBV vorgeschlagen: K HB V – G u V - F o rm b latt Die Nummer 4 der Anlage 2 (Formblatt Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung) der KHBV soll um den Posten Nummer 4a „Umsatzerlöse eines Krankenhauses nach § 277 Handelsgesetzbuch (KGr. 44, 45, 57, 58; KUGr. 591), soweit nicht in den Posten Nummer 1 bis 4 enthalten“ mit dem Davon-Vermerk „davon aus Ausgleichsbeträgen für frühere Geschäftsjahre (KGr. 59)“ ergänzt werden. Hierunter wären beispielsweise Erträge aus Vermietung und Verpachtung, Weiterbelastungen und Umlagen, die Erstellung von Gutachten sowie Einnahmen aus Telefongebühren zu bilanzieren. Zusätzlich soll der GuV-Posten Nr. 8 nur noch die neu festgelegten „sonstigen betrieblichen Erträge (KUGr. 473, 520; KGr. 54; Kgr. 592)“ enthalten. Aufgrund der Tatsache, dass nach BilRUG die Unterscheidung in ordentliche und außerordentliche Erträge entfallen ist, soll die Kontengruppe 57 in der Anlage 4 F a z it : Die Neuklassifizierung der Erlöse gemäß KHBV und PBV führt – wie auch die Neudefinition der HGB-Umsatzerlöse durch das BilRUG – z u ei n er V ersc hi eb u n g d es A u swei ses so n sti g er b etri eb li c her E rträ g e z u d en U m satz erlö sen u n d en tf altet d am i t A u swi rk u n g en au f b etri eb swi rtsc haf tli c he K en n z ahlen wi e z u m B ei sp i el d i e U m satz ren tab i li tä t o d er d i e E B I T - M arg e. F ü r d as ex tern e R ec hn u n g swesen v o n K ran k en häusern und Pflegeeinrichtungen wird das BilRUG die Anpassung d es K o n ten rahm en s so wi e wei tere U m g li ed eru n g en v o n K o n ten z u r F o lg e hab en . (Kontenrahmen für die Buchführung) in „Sonstige Erträge“ umbenannt werden. Unverändert sollen in diesem Posten beispielsweise Erträge aus dem Abgang von Anlagevermögen oder Erträge aus Zuschreibungen und Herabsetzungen von Wertberichtigungen von Forderungen ausgewiesen werden. P B V – G u V - F o rm b latt Analog der KHBV soll auch bei der Anlage 2 der PHBV die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung um einen Posten Nummer 4a „Umsatzerlöse einer Pflegeeinrichtung nach § 277 des Handelsgesetzbuches (KUGr. 480 bis 485, 488; KGr. 52, 53, 55), soweit nicht in den Posten Nummer 1 bis 4 enthalten“ nach dem Posten Nummer 4 erweitert werden. Auch der Posten Nummer 8 soll entsprechend der KHBV zukünftig die neu definierten sonstigen betrieblichen Erträge (KUGr. 486, 487) enthalten. Nach Auskünften des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sollen diese Änderungen noch im Lauf des Jahres 2016 umgesetzt werden. V erf asser Beate Kram | EY Telefon +49711988121025 [email protected] Felix Gruber | EY Telefon +49711988120008 [email protected] Health Care News | 1 5 S teu erb eratu n g A p p s u n d W e a r a b le s – e in e s t e u e r b e g ü n s t ig t e H e ilb e h a n d lu n g ? D e r M a r k t a n W e a r a b le s u n d A p p s is t in d e n v e r g a n g e n e n J a h r e n e x p lo d ie r t . N a h e z u f ü r je d e n u n d a lle E in s a t z b e r e ic h e g ib t e s in z w is c h e n e in e endlose Anzahl Angebote. Neben rein fitnessbez o g e n e n A p p s u n d W e a r a b le s b e s t e h t a u c h e in u n ü b e r s c h a u b a r e r M a r k t a n g e s u n d h e it s - b z w . k r a n k h e it s b e z o g e n e n A n g e b o t e n . S teu erb eratu n g Und obwohl das deutsche Steuerrecht oftmals sehr detailliert die steuerliche Behandlung einzelner Sachverhalte regelt und die Finanzverwaltung versucht, alle Randbereiche abzudecken, hinkt das Steuerrecht dieser Entwicklung im Gesundheitsmarkt hinterher. Insbesondere für den neuen Markt der örtlich ungebundenen Diagnostik und Heilbehandlung verbunden mit der bislang so noch nicht da gewesenen Möglichkeit der Leistungserbringung ohne ein persönliches Erscheinen des Patienten fehlen derzeit rechtssichere Ausführungen im Steuerrecht. Der Begriff der „Telemedizin“ wirkt im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung am Gesundheitsmarkt zwar schon etwas antiquiert, war doch vor mehr als einem Jahrzehnt hiervon bereits die Rede und die heutigen technischen Möglichkeiten waren in dieser Form noch nicht absehbar; dennoch handelt es sich dabei um die ersten Ansätze einer Entkopplung der Arzt-Patienten-Beziehung hinsichtlich Personen und Raum. Der Steuergesetzgeber nahm sich dieser Entwicklung nicht in der Form an, wie es erforderlich gewesen wäre, um die nun eingetretene Entwicklung im Bereich Apps und Wearables frühzeitig zu regeln. Daher befinden wir uns nun in der misslichen Lage, dass insbesondere die Ausführungen der Finanzverwaltung zum Umsatzsteuergesetz immer noch die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung für Im Nachfolgenden haben wir beispielhaft zwei Fälle dargestellt, wie die neuen Entwicklungen den Kranken und Pflegebedürftigen helfen und welche steuerlichen Fragen sich hieraus für die jeweiligen Dienstleister ergeben, wenn diese ein Entgelt für ihre Leistungen erhalten. können, indem sie ihm diese Daten online zur Verfügung stellen. Schaut sich der Arzt die Daten an und vermittelt er seine Einschätzung und Behandlungsempfehlung dem Patienten online oder telefonisch, ist diesem geholfen und er erspart sich und regelmäßig auch dem Arzt eine Menge Zeit. Für den Arzt stellt sich jedoch neben der ggf. auftretenden Abrechnungsproblematik die Frage, ob er weiterhin eine umsatzsteuerbefreite Heilbehandlung erbringt oder ob – weil die körperliche Inaugenscheinnahme fehlt – ein steuerpflichtiger Erlös vorliegt und er hierfür Umsatzsteuer abzuführen hat. In einer vergleichbaren Unsicherheit befinden sich Krankenhäuser. Während die Diagnose bei den Krankenhäusern eindeutig noch unter die Umsatzsteuerbefreiung fallen sollte, stellt sich bei ihnen die Frage, wo der Ort der Heilbehandlung ist – beim Patienten oder beim Arzt im behandelnden Krankenhaus, der die Diagnose trifft und dem Patienten die veränderte Behandlung online oder telefonisch mitteilt. Nach derzeitiger Auffassung der deutschen Finanzverwaltung sind lediglich Leistungen im Krankenhaus umsatzsteuerbefreit; eine Leistungserbringung durch das Krankenhaus beim Patienten fällt hingegen nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung. Als Erstes wäre da die Möglichkeit, dass sich chronisch kranke Patienten einen Routinebesuch beim Arzt zur Erhebung der normalen Vitalfunktionen wie Blutdruck, Blutzucker, Puls etc. ersparen Neben der individuellen Übermittlung der einzelnen patientenbezogenen Daten sind auch stetige Übermittlungen von Datensätzen der Vitalfunktionen beispielsweise in den Fällen denkbar, in die Steuerbefreiung der ärztlichen Leistungen enthalten und die Krankenhausbehandlungen lediglich dann steuerbefreit sein sollen, wenn sie räumlich im Krankenhaus erfolgen. Diese antiquierten Auffassungen sind jedoch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die durch Internet, Smartphones und moderne Kommunikationswege ermöglichte Verbreitung und Nutzung medizinnahen Wissens, die darauf gestützte Behandlung und Diagnostik sowie die Verfügbarkeit nahezu unbegrenzten Datenmaterials haben die Heilbehandlung durch Ärzte und Krankenhäuser, die Forschung und die Pflege kranker und alter Menschen grundlegend verändert und werden dies weiterhin tun. Auch wenn sich ein Teil der Bevölkerung kritisch zu den neuen Entwicklungen äußert, bringen sie unabsehbare Chancen in der Behandlung Kranker und Pflegebedürftiger mit sich. Health Care News | 1 7 S teu erb eratu n g denen bettlägerige Pflegebedürftige zu Hause gepflegt werden oder ehemalige Herzinfarktpatienten nachts ihre Herzfunktionen durch eine EEG-App überwachen lassen. Hierbei stellt sich die Frage, ob die computergestützte Überwachungsleistung bereits für sich eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung ist oder eine solche erst bei einer Überprüfung oder Entscheidung durch einen auswertenden Arzt vorliegt. Auch wäre es denkbar, dass die Überwachung selbst keine Heilbehandlung wäre, sondern erst der aktive Eingriff im Bedarfsfall eine steuerbefreite Leistung darstellen könnte. Maßgebend hierbei könnte sein, ab wann eine Diagnose i. S. d. Heilbehandlung vorliegt und wer diese trifft. Immerhin bestehen erste Entwicklungen, die Steuerfreiheit auch dann anzunehmen, wenn der Patient nicht unmittelbar persönlich vor den Arzt tritt. Demnach ist eine telemedizinische Betreuung dann steuerbefreit, wenn es sich im Einzelfall um ein medizinisch veranlasstes Therapieangebot im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und medizinischem Fachpersonal handelt. Eine Beratung im Rahmen eines Anrufs beim „Gesundheitstelefon“, bei der der Patient seine Beschwerden schildert, reicht derzeit jedoch noch nicht aus, um zu einer umsatzsteuerfreien Arztleistung zu kommen – es fehlt insoweit an einem konkreten Arzt-Patienten-Verhältnis und der Einschätzung der Gesundheitsbeschwerden durch entspre- 1 8 | Health Care News M a i 2 0 1 6 chendes Fachpersonal. Das aus Sicht der Finanzverwaltung erforderliche Arzt-Patienten-Verhältnis war auch Gegenstand verschiedener Rechtsprechung zur steuerlichen Einordnung von Laborleistungen. Die Gerichte lehnten diese enge Auffassung der Finanzverwaltung jedoch ab. Bei Wearables und Apps stellt sich neben den genannten Rechtsunsicherheiten die Frage, ob zwischen dem Nutzer und dem Arzt bzw. Krankenhaus ein Leistungsaustausch vorliegt, da in einer Vielzahl von Fällen vordergründig kein Entgelt durch den Nutzer aufgebracht wird. In diesem Zusammenhang könnte jedoch neben einer tatsächlichen Zahlung eines Betrags durch den Nutzer an den Leistenden der Gedanke aufgenommen werden, ob nicht ein tauschähnlicher Umsatz insoweit vorliegt, als der Nutzer seine Daten zur Verfügung stellt und im Gegenzug eine vermeintlich kostenlose App erhält. Der App-Anbieter wiederum hätte den Vorteil, an eine immense Datenmenge gelangen zu können, den er aktiv für die eigenen Belange wie die Weiterentwicklung von Behandlungsmethoden oder als Vorteil bei der Vergabe von Forschungsprojekten einsetzen könnte. Nutzt nun ein Patient eine App eines Krankenhauses, stellt sich u. a. die Frage, ob der Patient mit der Übermittlung seiner Daten mit dem Ziel, vom Krankenhaus eine entsprechende Behandlungs- oder Überwachungsleistung zu erhalten, in einen tauschähnlichen Umsatz eintritt, d. h., der Patient gibt seine Daten gegen die Leistung des Krankenhauses her. Beim Krankenhaus könnte dies als Entgelt für die erbrachte Leistung gesehen werden. Und beim Patienten? Spitz formuliert – er erbringt eine Datenlieferung gegen eine Krankenhausleistung und wäre insoweit ebenfalls unternehmerisch tätig. Daran schließt sich die Frage an, ob der Patient Kleinunternehmer ist oder Umsatzsteuer für die Datenlieferung schuldet. Und beim Krankenhaus bliebe die Frage der Steuerfreiheit aufgrund Heilbehandlung. Dieser kurze Anriss der Rechtsfragen zeigt, dass die umsatzsteuerliche Einordnung der Entgelte für die vermeintlich kostenlose App-Nutzung (die auch durch persönliche Nutzerdaten bezahlt werden kann) noch ganz am Anfang steht. F a z it : Ä rz te u n d K ran k en hä u ser, d i e i n Z u sam m en han g m i t A p p s u n d W earab les L ei stu n g en erb ri n g en , so llten si c h f rü hz ei ti g m i t d eren u m satz steu erli c her E i n o rd n u n g b ef assen – au c h wen n d er Nu tz er „ led i g li c h“ D aten z u r V erf ü g u n g steht. Z u r V erm ei d u n g u m satz steu erli c her R i si k en em p f ehlen wi r d i e A b sti m m u n g m i t d er F i n an z v erwaltu n g . W i r b eraten S i e g ern e. S teu erb eratu n g A k t u e lle s a u s d e m S te u e rre c h t B F H z u r G e w e rb e s te u e rb e f r e iu n g f ü r K r a n k e n h ä u s e r in B e t r ie b s a u f s p a lt u n g s f ä lle n Fraglich war bislang, ob sich die Gewerbesteuerbefreiung für Krankenhäuser in den Fällen der Betriebsaufspaltung auf die Besitzgesellschaft übertragen lässt. Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein Unternehmen (Besitzunternehmen) einer gewerblich tätigen Personen- oder Kapitalgesellschaft (Betriebsunternehmen) eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlasst (sachliche Verflechtung) und eine oder mehrere Personen sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung). Hierzu hatte der BFH im Verfahren IV R 26/13 zu entscheiden. Im Streitfall betreibt eine Betriebskapitalgesellschaft, die Komplementärin einer Besitzpersonengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ist, ein Krankenhaus. Die Besitzpersonengesellschaft verpachtete an die Betriebskapitalgesellschaft die für den Krankenhausbetrieb notwendigen Gebäude sowie Inventargegenstände. Der BFH urteilte am 28. August 2015, dass sich die Gewerbesteuerbefreiung der Krankenhausbetriebsgesellschaft bei einer Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit der Besitzpersonengesellschaft erstreckt. Der wesentliche Zweck einer Betriebsaufspaltung ist es, die Umgehung der Gewerbesteuerpflicht durch das organisatorische Aufteilen des Vermögens auf zwei eigenständige Rechtsträger zur Besserstellung des aufgespaltenen Unternehmens gegenüber dem Einheitsunternehmen zu verhindern. Dieser Zweck greift allerdings nicht, sobald es sich bei dem Einheitsunternehmen um ein Krankenhaus handelt, das die Voraussetzungen der Gewerbesteuerbefreiung i. S. d. § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG erfüllt. Die Münchner Richter haben bereits in einem früheren Urteil (29. März 2006, Az.: X R 59/00) entschieden, dass sich die Befreiung von der Gewerbesteuer bei einer Altenheimbetriebsgesellschaft auch auf die Besitzpersonengesellschaft erstreckt. Im aktuellen Streitfall folgt der BFH dieser Rechtsprechung und wendet sie analog auf die Krankenhausbetriebsgesellschaft an. Zudem spielt die Wahl der Rechtsform der Krankenhausbetriebsgesellschaft insoweit keine Rolle. Der sozial- und wirtschaftspolitische Normzweck dieser Steuerbefreiung soll ungeachtet der Rechtsform bestehende Strukturen bei der Pflege kranker Personen verbessern und zu Entlastungen der Kostenträger führen. Health Care News | 1 9 S teu erb eratu n g B F H : K e in e B e t r ie b s a u f s p a lt u n g in B a g a t e llf ä lle n Die Vermietung von Räumlichkeiten an eine beherrschte Kapitalgesellschaft, die für diese von untergeordneter Bedeutung sind, begründet keine sachliche Verflechtung zwischen Betriebs- und Besitzunternehmen. Für die Beurteilung, ob die überlassenen Räume von „untergeordneter Bedeutung“ sind, soll es nach den Ausführungen des BFH sowohl auf die Größe der überlassenen Fläche als auch auf die Art der dort ausgeübten Tätigkeit ankommen. Im Streitfall wurde zumindest in quantitativer Hinsicht keine 2 0 | Health Care News M a i 2 0 1 6 wesentliche Betriebsgrundlage angenommen, da die überlassenen Räume weniger als zwei Prozent der von der Betriebsgesellschaft genutzten Flächen ausmachen. Ob dies im Urteilsfall aufgrund der in den Räumen ausgeführten Buchhaltertätigkeiten auch in qualitativer Hinsicht gilt, hat nun das FG München festzustellen, an das die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts zurückverwiesen wurde. Diese Feststellung des BFH (Urteil v. 29. Juli 2015, Az.: IV R 16/13) kann im Healthcare-Bereich insbesondere für Servicetochtergesellschaften von Krankenhausträgern interessant sein. Mieten diese bei der Krankenhausmuttergesellschaft lediglich einen Raum an, der für die Servicegesellschaft von untergeordneter Bedeutung ist, sind die Konsequenzen einer Betriebsaufspaltung ggf. nicht zu ziehen. Nutzt die Servicegesellschaft die Räume beispielsweise lediglich als Abstellkammer oder als Besprechungsraum, kann wohl in vielen Fällen nicht allein deswegen von einer sachlichen Verflechtung ausgegangen werden. Jedoch sollte bei der Frage nach dem Vorliegen einer Betriebsaufspaltung stets das Gesamtbild betrachtet werden, um die Bedeutung der angemieteten Flächen für die Betriebsgesellschaft einschätzen zu können. S teu erb eratu n g Umsatzsteuerpflicht für „ T u m o r m e ld u n g e n “ e in e s A r z t e s f ü r d a s K r e b s r e g is t e r In seinem Urteil vom 9. September 2015 (Az.: XI R 31/13) äußerte sich nun der BFH zur umsatzsteuerlichen Behandlung sog. Tumormeldungen, die von Ärzten für die Aufstellung von Tumorstatistiken erbracht werden. Wie bereits in unserer Newsmeldung vom 16. Oktober 2013 berichtet, hatte das FG Berlin-Brandenburg die Umsatzsteuerpflicht solcher Meldungen von Krebsfällen beschlossen. Die Münchner Richter hatten dieser Entscheidung revisionsrechtlich nichts hinzuzufügen und schlossen sich der vorinstanzlichen Begründung an, dass es sich bei den im Streitfall vorgenommenen Leistungen nicht um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen i. S. d. § 4 Nr. 14 UStG handelt, da diese nicht unmittelbar einem therapeutischen Zweck dienen. Derartige Leistungen können zwar einer ärztlichen Heilbehandlung dienen, stellen allerdings selbst keine dar. Nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen kommt nur dann eine Steuerbefreiung in Betracht, wenn die ärztliche Leistung zu dem Zweck erbracht wird, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Keine Heilbehandlungen sind demnach ärztliche Leistungen, Maßnahmen oder medizinische Eingriffe, die zu anderen Zwecken erfolgen. Der BFH stützt seine Entscheidung auf diese Grundsätze und beanstandet im vorliegenden Fall insbesondere das Fehlen des notwendigen und unmittelbaren Bezugs zur Heilbehandlungstätigkeit. V erf asser Peter C. Dörrfuß | EY Telefon +49 711 9881 15276 [email protected] Sven Riedel | EY Telefon +49 7731 99 70 35 [email protected] Health Care News | 2 1 R ec htsb eratu n g N e u e S t r a f t a t b e s t ä n d e z u B e s t e c h lic h k e it u n d B e s t e c h u n g im G e s u n d h e it s w e s e n R ec htsb eratu n g E i n lei tu n g u n d Hi n terg ru n d Zuwendungen im Gesundheitswesen sind durch das Heilmittelwerbegesetz, sozialund berufsrechtliche Regelungen und zahlreiche nationale und internationale Verbandskodizes relativ engmaschig geregelt. „Korruptiven“ Ärzten oder Apothekern drohen bei Verstößen schon heute Sanktionen, die von Rügen über Bußgelder bis hin zum Verlust ihrer Approbation reichen. Daher hatte die Politik trotz zahlreicher Hinweise auf Missstände lange keine Veranlassung für einen gesonderten Straftatbestand zur Bestechung im Gesundheitswesen gesehen. Dies hat sich mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. März 2012 geändert. CDU und SPD waren sich in den Koalitionsverhandlungen darüber einig und legten entsprechend im Koalitionsvertrag Ende 2013 fest, „einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch [zu] schaffen“. Nach 1 . Ü b erb li c k ü b er d en G esetz esen twu rf T a t b e s t ä n d e u n d T a t b e s t a n d s v a r ia n t e n : Den Kern der letzten Fassung des Regierungsentwurfs vom 21. Oktober 2015 (BT-Drucksache 18/6446) bilden die §§ 299a und 299b StGB-E. Beide Tatbestände sind weit gefasst und umfassen jeweils drei unterschiedliche Begehungsweisen. Nach § 299a Abs. 1 StGB-E machen sich Angehörige eines Heilberufs strafbar, die sich einen Vorteil dafür versprechen lassen, dass sie bei (i) der Verordnung, (ii) der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten sowie (iii) der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen Wettbewerber in unlauterer Weise bevorzugen. § 299b StGB-E bedroht spiegelbildlich denjenigen mit Strafe, der zu diesen Zwecken einen Vorteil verspricht oder gewährt. Bestechung gemäß § 299b StGB-E Bestechlichkeit gemäß § 299a StGB-E Verordnung Bezug unlautere Bevorzugung im Wettbewerb 6 Kombinationen In dem Fall ging es um eine Pharmareferentin, die einem niedergelassenen Vertragsarzt jeweils fünf Prozent des Herstellerabgabepreises als Prämie dafür gewährte, dass der Arzt Arzneimittel des Unternehmens der Pharmareferentin verordnete. Der BGH entschied, dass sowohl der Arzt als auch die Pharmareferentin straffrei blieben. Die beiden seien weder wegen Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr noch wegen Amtsträgerbestechung bzw. -bestechlichkeit zu verurteilen; denn der Arzt habe bei der Verordnung von Arzneimitteln „weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB“ gehandelt. der ersten Beratung des Bundestags am 13. November 2015 hat die vielstimmige Kritik in den Ausschüssen zu weiteren Änderungen geführt. Am 14. April 2016 hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet, das nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten wird. Zuführung Health Care News | 2 3 R ec htsb eratu n g Nach der Gesetzesbegründung ist der Begriff der „Verordnung“ den heilberuflichen Berufsordnungen (§ 31 MBO; § 2 Abs. 7 Zahnärzte-MBO) entnommen worden und soll von den Gerichten auf der Grundlage der bisherigen Auslegung fortentwickelt werden. Der Begriff „Zuführung“ findet sich bisher nur in Berufsordnungen der Landesapothekerkammern (z. B. § 3 Abs. 1 Satz 2 Hessen, § 11 Abs. 2 Satz 2 Bayern; § 14 Abs. 1 Westfalen-Lippe), die eine „Zuführung von Patienten“ (an Ärzte) verbieten. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll der Begriff der „Zuführung“ die aus der ärztlichen Berufsordnung (§ 31 MBO) bekannte „Zuweisung“ dahin gehend erweitern, dass auch „mündliche und unverbindliche Empfehlungen“ erfasst werden. Nach den letzten Änderungen im Gesetzgebungsverfahren wird die Tathandlung „Abgabe“ von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten wegfallen und durch deren „Bezug“ ersetzt, soweit diese Mittel bzw. Produkte „zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind“. Dies verengt den Anwendungsbereich der Vorschrift; denn Geschäftsbeziehungen zwischen Pharmaunternehmen und Apothekern sind nunmehr wohl regelmäßig nicht mehr erfasst. V o r t e i l : Nach der Gesetzesbegründung soll der Begriff des Vorteils jede Leistung des Zuwendenden erfassen, auf die der Empfänger keinen Anspruch hat und die ihn materiell oder immateriell besserstellt. Der Vorteil kann in Einladungen und Kostenübernahmen für Kongressbesuche und Gewinnbeteiligungen liegen, aber auch schon im „Abschluss eines 2 4 | Health Care News M a i 2 0 1 6 Vertrages, der eine vergütete Tätigkeit zum Inhalt hat“ – selbst dann, wenn das Entgelt und die erbrachte Leistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Damit erscheint die Strafbarkeit zunächst uferlos. U n r e c h t s v e r e i n b a r u n g : Daher beeilen sich die Autoren der Gesetzesbegründung klarzustellen, dass viele Formen der Zusammenarbeit von Ärzten und Pharmaunternehmen sinnvoll seien und daher nur unter Strafe gestellt werden sollen, wenn eine spezifische Unrechtsvereinbarung zwischen Vorteil einerseits und dem unlauterem Wettbewerbsvorteil bzw. dem Verstoß gegen die professionelle Unabhängigkeit andererseits hinzutritt. § 299a und b StGB-E sind im Hinblick auf diese „Unrechtsvereinbarung“ parallel zu dem Tatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit im („allgemeinen“, d. h. nicht auf den Heilmittelmarkt beschränkten) geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB-E ausgestaltet. Hier wie da macht sich nur derjenige strafbar, der die Zuwendung für eine konkrete unlautere Bevorzugung im inländischen und ausländischen Wettbewerb oder für eine berufliche Pflichtverletzung fordert oder anbietet. Anders als bei der Vorteilsgewährung nach § 333 StGB im Amt bleibt straflos, wer sich „nur“ allgemeines Wohlwollen erkaufen will. A b s t r a k t e s G e f ä h r d u n g s d e lik t , S t r a f b a r k e i t d e s ( b l o ß e n ) V e r s u c h s : Ferner sind den §§ 299, 299a und § 299b StGB-E gemein, dass alle Tatbestände als sog. abstraktes Gefährdungsdelikt gefasst sind. Das bedeutet, dass schon das bloße Fordern bzw. Anbieten einer Zuwendung in Bestechungsabsicht bestraft wird; auf den „Bestechungserfolg“ kommt es nicht an. T ä t e r k r e i s : Der Täterkreis der (passiven) Bestechlichkeit ist weit gefasst. Identisch mit dem in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Kreis sind sowohl akademische als auch nichtakademische Heilberufsgruppen (also etwa Krankenund Altenpfleger bis hin zu Logopäden und Diätassistenten) umfasst. Während § 299 StGB-E auf die Verletzung von Pflichten eines Angestellten gegenüber „seinem“ Geschäftsherrn abstellt, erfassen die §§ 299a und 299b StGB-E auch Freiberufler wie nicht angestellte Ärzte oder Apotheker und knüpfen an deren Pflichten aus den jeweiligen Berufsordnungen an. Nicht von den §§ 299a und 299b StGB, sondern weiterhin nur von dem bestehenden Straftatbestand der Angestelltenbestechlichkeit bzw. -bestechung gemäß § 299 StGB erfasst sind hingegen kaufmännische Angestellte, die bei größeren medizinischen Dienstleistern wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen tätig sein. Gar nicht strafbar bleiben deren Inhaber, soweit sie nicht direkt heilberuflich tätig sind. Im Hinblick auf Umgehungsmöglichkeiten (Vorteile werden vom nichtärztlichen Inhaber entgegengenommen und danach z. B. über Gehälter so an Ärzte weiterverteilt, dass eine klare Unrechtsvereinbarung nicht mehr zu beweisen ist) und im Lichte des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes erscheint es bedenklich, dass etwa ärztliche Inhaber von Privatkliniken bestraft werden können und damit gegenüber den (rein) kaufmännischen Inhabern ungleich behandelt werden. Täter der spiegelbildlich geregelten aktiven Bestechung im Gesundheitswesen nach § 299b StGB-E kann indessen jedermann sein, wobei Pharma- und Medizintechnikunternehmen im Fokus stehen dürften. R ec htsb eratu n g K e i n S t r a f a n t r a g e r f o r d e r l i c h : Anders als während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens vorgesehen sollen Verstöße gegen § 299a ff. StGB-E nun doch stets von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden. Eines Strafantrags oder einer besonderen Bejahung des öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft bedarf es danach nicht mehr. 2 . W ei tere P ro b lem f eld er/ B ewertu n g K e in e w e it e r e S t r a f b a r k e it b e i V e r s t o ß g e g e n b e r u f s r e c h t l i c h e R e g e l n ? Viele Kritiker des bisherigen Gesetzesentwurfs hatten sich daran gestoßen, dass die Strafbarkeit unter Abs. 1 Nr. 2 der §§ 299a und 299b StGB-E jeweils an berufsrechtliche Vorschriften geknüpft ist. Diese Vorschriften unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und enthalten von Berufsstand zu Berufsstand unterschiedlich präzise Regelungen zur Wahrung der professionellen Unabhängigkeit. Die Zweifel der Parlamentarier an der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit mit dem Gleichheits- und Bestimmtheitsgrundsatz scheinen nun doch zu überwiegen. Wer „nur“ gegen „sein“ Berufsrecht verstößt, würde sich danach jenseits der berufsrechtlichen Sanktionen nicht auch noch strafbar machen. B e w ä h r t e K o o p e r a t io n e n s t r a f b a r ? Einerseits scheint der Gesetzgeber an der Tendenz in Gesetzgebung und Rechtsprechung festhalten zu wollen, dass kooperationsermöglichende Gesetze in der Abwägung mit Verbotsgesetzen weit ausgelegt werden sollten (vgl. etwa für das sog. Entlassmanagement § 11 Abs. 4, § 39 Abs. 1a SGB V und die Patientenring-Entscheidung des BGH4): „Soweit Verdienstmöglichkeiten im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeit eingeräumt werden, ist zu berücksichtigen, dass die berufliche Zusammenarbeit gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt ist und auch im Interessen des Patienten liegt.“5 Andererseits ist es nur logisch, dass gut funktionierende Kooperationen mit spezialisierten Dienstleistern in gewissem Maße den Marktzutritt für neue Wettbewerber beschränken, sodass just diese Kooperationsteilnehmer dem Strafbarkeitsrisiko nach §§ 299a ff. StGB-E besonders ausgesetzt wären. Der Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG verlangt indessen, erlaubte von strafbaren Kooperationen konturenscharf abzugrenzen.6 werden könnten Verdachtsfälle zum Beispiel von den Finanzbehörden, wenn der Aufwand für Fortbildungsveranstaltungen und Honorare für dort vortragende Ärzte nicht anerkannt werden. Vor diesem Hintergrund ist es den Unternehmen dringend zu empfehlen, ihre ComplianceRisiken (nochmals) sorgfältig zu analysieren und ihre Organisation bei identifizierten Schwachstellen noch stärker an den bekannten Grundsätzen der Trennung, Transparenz, Dokumentation und Äquivalenz auszurichten. Angesichts dieser und anderer Zweifelsfragen bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaften zunächst behutsam von ihrem Recht zur Bejahung des öffentlichen Interesses Gebrauch machen und abwarten, bis sich ein Konsens über strittige Rechtsfragen ausbildet. A u s w ir k u n g e n a u f U n t e r n e h m e n in d e r P h a r m a - u n d M e d iz in p r o d u k t e b r a c h e : § 299 b StGB-E und die Strafverschärfung bei besonders schwerem Fall nach § 300 StGB-E werden erhöhte Haftungsrisiken für Unternehmen, die in der Gesundheitsbranche tätig sind, mit sich bringen. § 299b StGB wird als sog. B e z u g s t a t für die Bebußung des Unternehmens nach §§ 30 und 130 OWiG und als sog. K o n n e x t a t für den Verfall nach 29a OWiG und §§ 73a ff. StGB die Haftung des Unternehmens auch in Fällen ermöglichen, in denen die Unternehmensleitung wegen unzureichender Compliance (d. h. der „gehörigen Aufsicht“ nach § 130 OWiG) den Verstoß begünstigt hat (wobei hinsichtlich des Verfalls selbst dies nicht erforderlich ist). Aufgegriffen V erf asser Oliver Hein | EY Telefon +49 619699617379 [email protected] 4 Entscheidung v. 13. März 2014 (I ZR 120/13) 5 Gesetzesbegründung (S. 18 f.) 6 Dies und die Bedeutung der Kooperationen haben auch Fachpolitiker der CDU-Fraktion in der parlamentarischen Aussprache am 13. Dezember 2015 betont (Plenarprotokoll 18/137; S. 13480/13484). Health Care News | 2 5 R ec htsb eratu n g A k t u e lle s a u s d e r R e c h t s b e r a t u n g D ie s e lb s t s t ä n d ig e a n s t a lt – e in e n e u e f o r m f ü r ö f f e n t lic h T rä g e r v o n K ra n k e in B a d e n - W ü r t t e m K o m m R e c h -re c h t n h ä u s b e rg ? u n a lts lic h e e rn I . E i n f ü hru n g Im Jahr 2014 standen insgesamt 1.980 Krankenhäuser für die stationäre Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung. Der Anteil der Krankenhäuser in privater Trägerschaft steigt seit Jahren kontinuierlich an. 2014 ist bereits jedes dritte Krankenhaus (35,1 Prozent) in privater Trägerschaft. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der öffentlichen Krankenhäuser von 46,0 auf 29,7 Prozent. Der Anteil der freigemeinnützigen Krankenhäuser hat sich demgegenüber nur geringfügig auf 35,2 Prozent verringert.7 Anhand der seit 2002 für die öffentlichen Krankenhäuser nachgewiesenen Rechtsform zeigt sich, dass auch hier die Privatisierung weiter voranschreitet. Im Jahr 2014 wurden 59,4 Prozent der öffentlichen Krankenhäuser in privatrechtlicher Form (z. B. GmbH) geführt.8 Demgegenüber lag der Anteil der öffentlichen Krankenhäuser, die als rechtlich unselbstständige Einrichtungen (z. B. Eigen- oder Regiebetriebe) betrieben werden, bei 17,7 Prozent. I I . D i e E i n f ü hru n g d er selb ststä n d i g en K o m m u n alan stalt i n B ad en - W ü rttem b erg Durch das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit und anderer Gesetze (LT-Baden-Württemberg Drucks. 15/7852) vom 9. Dezember 2015 wurde die Rechtsform der selbstständigen Kommunalanstalt in Baden-Württemberg eingeführt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die selbstständige Kommunalanstalt eine passende Rechtsform für kommunale Krankenhäuser – die in die Kennzahlen und Statistiken der öffentlichen Krankenhäuser einfließen – sein kann. Die Gemeinde kann durch Satzung (Anstaltssatzung) eine selbstständige Kommunalanstalt in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts errichten oder bestehende Eigenbetriebe durch Ausgliederung und Kapitalgesellschaften durch Formwechsel im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in selbstständige Kommunalanstalten umwandeln. In diesem Zusammenhang kann die Gemeinde der selbstständigen Kommunalanstalt einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängenden Aufgaben ganz oder teilweise übertragen. Wie 7 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 6.1.1. S. 9. 8 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 6.1.1. S. 9; DKI Krankenhaus-Barometer 2007, S. 35. 2 6 | Health Care News M a i 2 0 1 6 schon bei der Rechtsform der GmbH regelt die Satzung der selbstständigen Kommunalanstalt die Rechtsverhältnisse und entspricht der Satzung einer handelsrechtlichen Gesellschaft. Diese muss Bestimmungen über den Namen, den Sitz und die Aufgaben der selbstständigen Kommunalanstalt, die Zahl der Mitglieder des Vorstands und des Verwaltungsrats, die Höhe des Stammkapitals und die Abwicklung im Falle der Auflösung der selbstständigen Kommunalanstalt enthalten. Im Gegensatz zur GmbH (Stammkapital mindestens 25.000 Euro) bemisst sich die Höhe des Stammkapitals in angemessener Höhe im Vergleich zur Ertragskraft und zum Unternehmensrisiko und muss der Kommunalanstalt ständig zur Verfügung stehen. Auch für die Wirtschaftsführung und das Rechnungswesen der selbstständigen Kommunalanstalt gelten die Vorschriften des Handelsgesetzbuches sinngemäß, sofern sie nicht bereits unmittelbar gelten bzw. sofern nicht weiter gehende gesetzliche Vorschriften gelten oder andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Die Gemeinde unterstützt die selbstständige Kommunalanstalt bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Sie ist verpflichtet, die selbstständige Kommunalanstalt mit den zur Aufgabenerfüllung notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten und sie für die Dauer ihres R ec htsb eratu n g Bestehens funktionsfähig zu erhalten. Im Gegensatz zur GmbH sind die einzigen beiden Organe der selbstständigen Kommunalanstalt der Vorstand und der Verwaltungsrat. Dem Vorstand kommen ähnliche Pflichten zu wie dem Geschäftsführer einer GmbH. Er muss die Leitung durch eigene Verantwortung übernehmen, soweit nicht gesetzlich oder durch die Anstaltssatzung etwas anderes bestimmt ist, und hat die einzelne oder gemeinsame Vertretung nach außen hin inne. Der Vorstand wird vom Verwaltungsrat auf höchstens fünf Jahre bestellt, wobei die Mitglieder des Vorstands privatrechtlich angestellt oder in ein Beamtenverhältnis auf Zeit mit einer Amtszeit von fünf Jahren berufen werden können. Der Vorstand hat die Möglichkeit der Vollmachterteilung und der Vorsitzende des Vorstands ist Vorgesetzter, Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der Bediensteten der selbstständigen Kommunalanstalt mit Ausnahme der beamteten Mitglieder des Vorstands. Dem Verwaltungsrat kommen die Überwachungsfunktionen zu, die dem Aufsichtsrat einer GmbH auferlegt sind. Der Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführung des Vorstands. Er besteht aus dem Vorsitzenden und den weiteren Mitgliedern. Vorsitzender ist der Bürgermeister; er ist Vorgesetzter, Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der beamteten Mitglieder des Vorstands und wird auf fünf Jahre bestellt. Er entscheidet über den Erlass von Satzungen, die Feststellung des Wirtschaftsplans und des Jahresabschlusses, Kreditaufnahmen, die Übernahme von Bürgschaften und Gewährleistungen, die Festsetzung allgemein geltender Tarife und Entgelte für die Leistungsnehmer, die Beteiligung der selbstständigen Kommunalanstalt an anderen Unternehmen, die Ergebnisverwendung und die Festsetzung weiterer Entscheidungszuständigkeiten durch die Anstaltssatzung. Schließlich fällt beim Vergleich der selbstständigen Kommunalanstalt mit den Organen einer GmbH auf, dass trotz der bislang vorhandenen Parallelen kein der Gesellschafterversammlung entsprechendes Organ vorhanden ist. I I I . E rg eb n i s Die selbstständige Kommunalanstalt ist zwar keine spezifische Rechtsform für Träger von Krankenhäusern, bietet aber eine auf den öffentlich-rechtlichen Bereich zugeschnittene Rechtsform, die insbesondere Konflikte zwischen Gesellschaftsrecht und öffentlich-rechtlichen Normen vermeidet, die man im Bereich der Vertraulichkeit von Gremiensitzun- gen und der Frage der Weisungsgebundenheit von Aufsichtsratsmitgliedern beobachten kann. A n tei l d er K ran k en hä u ser n ac h T rä g ersc haf ten 9 Private Krankenhäuser Freigemeinnützige Krankenhäuser 35,1 35,2 1.980 29,7 Öffentliche Krankenhäuser 17,7 % rechtlich unselbstständig 22,9 % rechtlich selbstständig 589 59,4 % in privatrechtlicher Form V erf asser Dr. Christian Bosse | EY Law Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] 9 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 6.1.1, S. 9. Health Care News | 2 7 B eratu n g P e rs o n a l a u s d e m A u s la n d G a s t b e it r a g v o n S w ja t o s la w A k s a m it o w s k i, C E O , G e r m a n D o c t o r E x c h a n g e G m b H B eratu n g A u s lä n d is c h e Ä r z t e in D e u t s c h la n d : Von qualifizierter Einwanderung profitieren alle O b w o h l d ie B e s c h ä f t ig u n g s q u o t e a u s lä n d is c h e r Ä r z t e in d e u t s c h e n K r a n k e n h ä u s e r n s e it J a h r e n b e s t ä n d ig s t e ig t , fe h lt d e n m e is t e n K r a n k e n h ä u s e r n e in e „ A u s la n d s s t r a t e g ie “ f ü r das Personalmanagement. Dabei sind intensives Profiling, p r o fe s s io n e lle s R e c r u it in g u n d a n s c h lie ß e n d e s C o a c h in g v o n Ä r z t in n e n u n d Ä r z t e n a u s a n d e r e n N a t io n e n e n t s c h e id e n d f ü r d e n In t e g r a t io n s e r fo lg u n d d e n R e s s o u r c e n e in s a t z . U m d e n e ig e n e n A u f w a n d z u m in im ie r e n u n d F r u s t r a t io n e n a u f a lle n S e it e n z u v e r m e id e n , s o llt e n s ic h d ie K lin ik e n d u r c h e in t r a n s p a r e n t e s u n d p r o fe s s io n e lle s R e k r u t ie r u n g s - u n d V e r m it t lu n g s v e r fa h r e n u n t e r s t ü t z e n la s s e n . Herau sf o rd eru n g Ä rz tem an g el Mit deutlichen Worten warnt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem neuesten Gesundheitsbericht10 vor einem Versorgungsnotstand in Deutschland: Weil die Ärzteschaft in Deutschland überaltert und der Zuwachs an Nachwuchskräften zu gering sei, befürchtet die Organisation eine Ausweitung des bestehenden Ärztemangels. Wenn nicht massiv gegengesteuert werde, sei die medizinische Versorgung bedroht. Als zentrale Gegenmaßnahme rät die OECD dringend, mehr Ärzte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Deren Zahl hat sich von 2000 bis 2014 von knapp 10.000 auf 32.000 zwar bereits verdreifacht, dennoch attestiert die OECD Deutschland weiteren Nachholbedarf und verweist darauf, dass der Anteil der im Ausland ausgebildeten Mediziner in den übrigen OECD-Staaten im Schnitt 17,3 Prozent beträgt – und damit etwa doppelt so hoch ist wie in Deutschland, wo der Ausländeranteil unter Medizinern gegenwärtig bei 8,8 Prozent liegt. Der Appell der OECD spiegelt wider, was in deutschen Kliniken seit Jahren gelebte Realität ist: Drei Viertel der deutschen Kliniken haben nach einer aktuellen Studie des Prognos-Instituts11 Schwierigkeiten, ihre Stellen im ärztlichen Dienst zu besetzen. Für die kommenden Jahre erwarten sogar mehr als 90 Prozent der Krankenhäuser Engpässe im ärztlichen Bereich. Rund 6.000 Arztstellen sind laut Bundesärztekammer derzeit in deutschen Krankenhäusern unbesetzt, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund spricht sogar von 12.000 freien Stellen, Tendenz weiter steigend. Ausmaß und Relevanz des Ärztemangels im Krankenhaus lassen sich auch daran ablesen, dass die Ausgaben für Stellenanzeigen, Personalvermittler etc. speziell für den ärztlichen Dienst in den letzten Jahren in zahlreichen Krankenhäusern enorm gestiegen sind. Nach einem Forschungsgutachten des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI)12 haben die Anwerbekosten in fast 85 Prozent der befragten Krankenhäuser zugenommen, mehr als 60 Prozent beauftragen Personalagenturen zur 10 „Health at a Glance“, OECD Indicators, veröffentlicht am 4. November 2015 11 „Ausländische Beschäftigte im Gesundheitswesen“, Prognos AG, veröffentlicht am 19. November 2015 12 „Ärztemangel im Krankenhaus – Ausmaß, Ursachen, Gegenmaßnahmen“, Deutsches Krankenhausinstitut e. V., 2010 Health Care News | 2 9 B eratu n g Arztsuche oder beschäftigen Honorarärzte, um dem Personalmangel zu begegnen. Ho her A u f wan d , v i el F ru strati o n u n d große Verantwortung Besonders bemerkenswert ist, dass bereits bei der DKI-Befragung im Jahr 2010 über ein Drittel der befragten Kliniken angab, selbst gezielt Ärzte aus dem Ausland zu akquirieren. Diese Zahl dürfte inzwischen sogar noch deutlich höher liegen, denn es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Krankenhäuser – unabhängig vom OECD-Appell – angesichts der zunehmenden Personalnot ihre Aktivitäten im Ausland verstärkt haben. Und auch ohne eigene gezielte Rekrutierungsaktivitäten im Ausland wissen die Personalverantwortlichen deutscher Kliniken, dass ein Großteil der Bewerbungen auf öffentliche Stellenausschreibungen von Zuwanderern kommt, oft hat mehr als die Hälfte der Bewerber einen ausländischen Pass. Allerdings zeigen die Erfahrungen auch, dass bis zu 80 Prozent dieser Ärzte meist noch in der Probezeit die Klinik wieder verlassen müssen, weil es gravierende Probleme mit der fachlichen Kompetenz, der Sprache und im Umgang mit Patienten gibt. Das bedeutet für alle Beteiligten verlorene 3 0 | Health Care News M a i 2 0 1 6 Zeit. Doch auch die erfolgreiche Integration ausländischer Ärzte ist für alle Beteiligten mit etlichen Hürden verbunden und die Wege, Ärzte aus dem Ausland in Deutschland zu beschäftigen, sind immer noch eine Wissenschaft für sich. Sprachprüfungen, Fach- und Sachprüfungen, Anerkennungsverfahren, Aufenthaltsrecht, die Suche nach einer Assistenzarztstelle, Bewerbungsgespräche, Zusagen, Absagen, Zeitdruck, Termine, die sich überschneiden – das System führt die Kliniken ebenso wie die Bewerber häufig an ihre Grenzen. Enttäuschungen, Fehlschläge und Frustrationen auf beiden Seiten gehören zum Alltag. Zudem werden die Kosten für die Rekrutierung und Integration ausländischer Ärzte in den Personalabteilungen deutscher Kliniken oft deutlich unterschätzt. Vielen Klinikverantwortlichen macht auch die „doppelte moralische Verantwortung“ zu schaffen, die mit einer gezielten Anwerbung im Ausland verbunden ist: die Verantwortung für den individuellen Einwanderer und die Verantwortung für dessen Heimatland, denn die Migration soll nicht zu einem Verlust dringend benötigter Fachkräfte in den Herkunftsländern führen. E u ro p awei t ei n z i g arti g es P ro j ek t Vor diesen Hintergründen hat die German Doctor Exchange GmbH (GDE) im Jahr 2012 ein europaweit bislang einzigartiges Programm entwickelt, das einerseits die ausländischen Ärzte bereits in ihren Heimatländern über Vermittlungschancen und Zugangswege berät und andererseits auf die Bedürfnisse der deutschen Arbeitgeber zugeschnitten ist. Basis dafür waren die Erfahrungen der GDE-Gründungsgesellschafterin OttoBenecke-Stiftung e. V.“ (OBS), die als gemeinnützige Organisation seit über 50 Jahren im Auftrag der Bundesregierung Bildungs- und Integrationsprogramme für ausländische Akademiker durchführt. Ausgangspunkt des Programms ist eine gründliche und fortwährende Analyse des internationalen Standes der Medizinerausbildung, die in eigens hierfür entwickelten Länderprofilen abgebildet und mit verschiedenen Kennziffern wie etwa der Anzahl der Studienplätze, möglichem Ärztemangel sowie sozialen und politischen Faktoren in den verschiedenen Herkunftsländern in Korrelation gebracht wird. Darauf aufbauend bietet die GDE in ausgewählten Ländern in der jeweiligen Landessprache online B eratu n g Informations- und Bewerbungsportale an. Hier wird das Programm erläutert und die Ärzte können sich in einem personalisierten Bereich registrieren sowie an einem Online-Aufnahmetest teilnehmen. Zudem können sie die für die weitere Teilnahme notwendigen Dokumente hochladen, die dann juristisch und technisch überprüft werden. Danach erhalten die geeigneten Bewerber eine Einladung zu einem persönlichen Auswahltest in ihrem Heimatland, der in Form eines Assessment-Centers durchgeführt wird und in der Regel einen ganzen Tag dauert. Das Assessment-Center besteht u. a. aus Prüfungen des medizinischen Fachwissens, der individuellen Sprachlernfähigkeit, einem psychologischen und einem Team-Play-Test sowie einem Interview mit erfahrenen deutschen Medizinern. Die Auswahlkriterien und die medizinischen Fachbereiche orientieren sich an der Bedarfslage der deutschen Krankenhäuser und der ambulanten Versorgung. Zudem setzt das Aufnahmeverfahren hohe Hürden und hat strenge Auswahlregeln, damit nur die Bewerber teilnehmen, die in Deutschland realistische und gute Berufsaussichten als Arzt haben und sich eine langfristige Berufsperspektive aufbauen wollen. Zugleich wird damit gewährleistet, dass Bewerber nicht mit falschen Vorstellungen nach Deutschland kommen. Nach erfolgreicher Teilnahme am Assessment-Center schließen die Ärztinnen und Ärzte mit der GDE einen Ausbildungsvertrag, in dem die Bedingungen, Leistungen und Ziele des Programms geregelt sind. Das modulare Programm dauert in der Regel ein Jahr und kann bei entsprechenden Leistungen des einzelnen Teilnehmers verkürzt oder verlängert werden. Am Beginn steht das sechsmonatige Modul „Sprachliche Ausbildung“, das als Vollzeitunterricht an dem eigens dafür gegründeten Institut, der German Professional Exchange Academy, stattfindet und mit dem Zertifikat Ämtern und Organisationen und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. In der abschließenden Integrationsphase des Programms hospitieren die teilnehmenden Ärzte in Krankenhäusern oder absolvieren ein Praktikum. Das bringt beiden Seiten Vorteile: Das Krankenhaus kann die Praktikanten bzw. Hospitanten kennenlernen und umgekehrt können diese ohne den üblichen Bewerbungsdruck ihre Fähigkeiten präsentieren. S w ja t o s la w A k s a m it o w s k i CEO, German Doctor Exchange GmbH C1++ nach dem „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ abgeschlossen wird. Im Anschluss erlernen die Teilnehmer in einem dreimonatigen Zertifikatsstudiengang die Grundlagen für die Tätigkeit als Assistentsarzt im deutschen Gesundheitssystem, u. a. Technik, Systeme und Standards des Dokumentenverkehrs, Kommunikation mit Patienten, mit Kollegen und im Team, Grundlagen der Wirtschaft und Verwaltung des deutschen Gesundheitssystems, Kodierung und Abrechnungssysteme. Weitere Bestandteile sind Hygiene- und Qualitätsmanagement, Strahlenschutz, Notfallmedizin, Diagnostik und medizinbezogene Rechtskenntnisse. Zudem werden die Teilnehmer aus Nicht-EU-Staaten auf die Gleichwertigkeitsprüfung zur Anerkennung des medizinischen Berufsabschlusses zur Erteilung der deutschen Approbation vorbereitet. Die GDE führt dazu eine intensive fachliche/medizinische Ausbildung durch, organisiert die Zusammenarbeit mit allen zuständigen Behörden, Während der einjährigen Vollzeitqualifizierung in Deutschland übernimmt die GDE alle Lebens- und Ausbildungskosten, wozu u. a. ein Vollzuschuss zur Lebenshaltung sowie die Bereitstellung von Wohnraum, Krankenversicherung, ÖPNV-Dauerkarten, Mobiltelefon, Computer usw. gehören. Die GDE kümmert sich zudem um alle administrativen Prozesse und sie sorgt im Rahmen eines Mentoring-Programms für eine langfristige Betreuung in der fachlichen Weiterbildungsphase. Nach Abschluss des Programms und erfolgreich bestandenen Prüfungen können die Absolventen als Assistenzärzte im Krankenhaus oder in einer Arztpraxis arbeiten und an der Facharztweiterbildung teilnehmen. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Programm belegen eindrucksvoll, dass sich der anspruchsvolle und umfassende Ansatz der GDE am Ende für alle Beteiligten auszahlt. Die Kliniken und die ambulante Versorgung profitieren bei kalkulierbaren Kosten von hoch qualifizierten und motivierten Ärzten, die über ausgezeichnete Sprachkenntnisse verfügen, patientenbezogen und verwaltungsorientiert arbeiten können und für den sofortigen Einsatz bereit sind. Für die ausländischen Ärzte bietet das GDE-Programm faire Bedingungen, entlastet sie von administrativen Aufgaben und fördert damit nicht nur das erfolgreiche Lernen, sondern auch eine berufliche und kulturelle Integration „ohne Nebenwirkungen“. Health Care News | 3 1 B eratu n g D ie K e n n z a h l d e r A u s g a b e : C M ( C a s e M ix ) u n d C M I ( C a s e M ix In d e x ) B eratu n g Seit dem Paradigmenwechsel bei der Vergütung von Krankenhausleistungen durch die Einführung des DRG-Systems (Diagnosis Related Groups) im Jahr 2004 werden allgemeine stationäre Krankenhausleistungen über leistungsorientierte Pauschalen für einzelne diagnosebezogene Fallgruppen vergütet. Der Case Mix Index (CMI) ist dabei ein zentraler Indikator für die Vergütungsstruktur. B erec hn u n g d er K en n z ahl Die Kennzahl basiert zunächst auf der grundlegenden Abrechnungslogik des DRG-Systems: Ei = cwi × BR Dabei ergibt sich der Erlös für einen Patienten einer Fallgruppe i aus der Multiplikation der B e w e r t u n g s r e l a t i o n cw (Cost Weight) mit dem B a s i s f a l l w e r t BR (Base Rate). Die Summe aller Kostengewichte (Bewertungsrelationen) wird in Anlehnung an die englische Übersetzung Case Mix (CM) genannt: Der Case Mix für die Leistungen der Krankenhäuser basiert damit auf den vergangenheitsbezogenen Kosten eines repräsentativen Durchschnitts und ist maßgeblicher Faktor für die Umsatzerlöse eines Krankenhauses. Der Landesbasisfallwert stellt hingegen eine vom Krankenhaus nicht beeinflussbare externe Größe dar. A n wen d u n g sb erei c he Der CMI ist ein Maß für die durchschnittliche Fallschwere eines Krankenhauses und hat zusammen mit dem CM eine zentrale Bedeutung für das Controlling, insbesondere im Hinblick auf Benchmarkinganalysen und eine daraus resultierende Steuerung im Unternehmen. CMI nach Krankenhausgröße (Anzahl der Betten) n CM = einer repräsentativen Stichprobe deutscher Krankenhäuser. Unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts wird die Berechnung der Relationen jährlich aktualisiert. ∑cw 2,0 i i=1 Die Division des Case Mix durch die Fallzahl n ergibt wiederum den C a s e M i x I n d e x (CMI): ∑ CMI = n i cwi 1,5 1,0 n Anstatt einer direkten Ermittlung des Preises pro Fall ergeben sich durch die indirekte Ermittlung über den CM und die damit verbundene Trennung der Menge bzw. des Kostengewichts vom Preis technisch wertvolle Gestaltungsspielräume. Die Berechnung der jeweiligen Bewertungsrelationen erfolgt durch das Institut für das Entgeltsystem für Krankenhäuser (InEK) auf der Grundlage von Istkosten 0,5 0,0 Alle ohne Unikliniken 2011 50-199 2012 200-499 500-999 >1000 Unikliniken 2013 Quelle: Krankenhaus Rating Report 2015 (Datengrundlage: 1.357 Krankenhäuser, davon 32 Unikliniken) Health Care News | 3 3 B eratu n g Der CMI nimmt mit der Größe des Krankenhauses zu und lag im Jahr 2013 zwischen 1,00 und 1,19. Auffällig sind jedoch Krankenhäuser der Größenklasse 50 bis 199 Betten, da diese im Jahr 2013 einen hohen CMI aufwiesen. Die Begründung hierfür könnte möglicherweise darin liegen, dass sich in dieser Größenklasse, Krankenhäuser mit einem hohen Spezialisierungsgrad befinden. Universitätskliniken haben systembedingt durchschnittlich den höchsten CMI, dieser lag im Jahr 2013 bei 1,52 (siehe Abbildung). Der Vergleich mit dem CMI anderer Häuser bildet die Basis für eine Selbsteinschätzung und ermöglicht einen neuen Blickwinkel auf das eigene Krankenhaus. So lässt sich im Rahmen von Benchmarkinganalysen mit einer Kombination mehrerer Kennzahlen die Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses oder einer Fachabteilung beurteilen. Der Vorteil des externen Vergleichs liegt insbesondere darin, dass er einen objektiven Maßstab für die Leistungsfähigkeit und Produktivität liefern kann, wobei auch bei dieser Kennzahl zu beachten ist, dass eine unreflektierte Betrachtung nicht zielführend ist. Darüber hinaus ergibt sich für das Krankenhauscontrolling die Möglichkeit, interne wie auch externe Vergleiche auf Abteilungsebene durchzuführen. Im Zusammenhang mit dem jeweiligen Aufwand können mithilfe des CMI Abteilungen miteinander verglichen und Rückschlüsse auf Rationalisierungspotenziale gezogen werden. Abteilungen mit höherem CMI haben im Mittel einen höheren Aufwand. Auf dieser Basis können Entscheidungen über einen gezielten Ressourceneinsatz getroffen werden. T ab elle 1 : D etai li n f o rm ati o n en A b tei lu n g en A b tei lu n g A K o sten in € in € Ä rz tl. D i en st 2 4 .0 0 0 3 0 .1 0 0 Pfleg. Dienst 5 0 .7 0 0 5 4 .8 0 0 M ateri al 1 3 .5 0 0 1 7 .5 0 0 E n erg i e 3 .0 0 0 4 .0 0 0 G esam tk o sten 9 1 .2 0 0 1 0 6 .4 0 0 CM 3 5 ,5 4 5 ,7 CM I 1 ,4 2 1 ,5 2 2 .6 0 0 2 .6 0 0 9 2 .3 0 0 1 1 8 .8 2 0 1 0 0 1 2 .4 2 0 2 5 3 0 B R in € E rlö s i n € E rg eb n i s i n € A n z ahl d er F ä lle 3 4 | Health Care News M a i 2 0 1 6 A b tei lu n g B B eratu n g Z wi sc hen - u n d i n n erb etri eb li c he V erg lei c he Die Möglichkeiten eines Vergleichs auf Abteilungsebene soll mit folgendem Beispiel illustriert werden. Betrachtet werden zwei Abteilungen, die annahmeweise die gleiche Spezialisierung haben. Diese können sich innerhalb eines Krankenhauses, innerhalb eines Konzerns oder auch innerhalb eines Benchmarkingverbundes befinden. Das Beispiel ist bewusst einfach gehalten und es wird auf zahlreiche Detaildarstellungen verzichtet. Bei einem angenommen Basisfallwert von 2.600 Euro erwirtschaften beide Abteilungen einen Gewinn (siehe Tabelle 1). Sowohl Abteilung A als auch Abteilung B liegen mit ihren Kosten pro CM unter dem Basisfallwert (siehe Tabelle 2). Der DRG-Logik folgend erhält ein Krankenhaus pro Punkt 2.600 Euro als Umsatzerlös. Entscheidend ist allerdings nicht der absolute Wert, sondern der Vergleich zwischen den Abteilungen. Stellt man die Abteilungen A und B einander gegenüber, wird deutlich, dass die Kostenunterschiede zwischen den Bereichen insbesondere durch die Kostenart „Pfleg. Dienst“ begründet sind. Abteilung A wendet für einen Punkt 1.428,17 Euro auf, Abteilung B hingegen nur 1.199,12 Euro. Demnach arbeitet Abteilung A im Bereich der Pflege weniger effizient als Abteilung B (siehe Tabelle 2). Dieses Vorgehen generiert wertvolle zusätzliche Informationen, die aber kritisch betrachtet werden müssen. In erster Linie stellen die Ergebnisse eine Anregung dar, um im Bereich Pflege weitere und tiefer gehende Analysen für die Kostenunterschiede durchzuführen. Hierzu müssen jedoch noch andere Faktoren wie bei- T ab elle 2 : K o sten p ro CM - P u n k t A b tei lu n g A K o sten / CM A b tei lu n g B in € in € Ä rz tl. D i en st 6 7 6 ,0 6 6 5 8 ,6 4 Pfleg. Dienst 1 .4 2 8 ,1 7 1 .1 9 9 ,1 2 3 8 0 ,2 8 3 8 2 ,9 3 8 4 ,5 1 8 7 ,5 3 2 .5 6 9 ,0 1 2 .3 2 8 ,2 3 M ateri al E n erg i e G esam tk o sten F a z it : Z u sam m en f assen d b i eten d er CM u n d d er CM I i n Z ei ten d es D R G - S y stem s wertv o lle M ö g li c hk ei ten , d i e K o sten stru k tu r, d i e W i rtsc haf tli c hk ei t u n d d i e L ei stu n g sf ä hi g k ei t d es ei g en en Hau ses b esser z u v erstehen u n d z u b eu rtei len . I m R ahm en v o n B en c hm ark i n g p ro j ek ten k ö n n en v erg lei c hb are E i n ri c htu n g en u n d A b tei lu n g en ei n an d er g eg en ü b erg estellt werd en . U m F ehli n terp retati o n en z u v erm ei d en , so llte au c h d er CM I i m K ran k en hau s m i t an d eren K en n z ahlen u n d F ak to ren i m R ahm en ei n er G esam tb etrac htu n g v erwen d et werd en . spielsweise Verweildauern oder die Personalstruktur berücksichtigt werden. Insbesondere beim Vergleich unterschiedlicher Spezialisierungen oder Fachabteilungen hat ein Vergleich der Kostenstruktur pro CM eine geringere Aussagekraft. Verwendete Literatur: Rong, O.; Schlüchtermann, J.; Kartte, J.; Albrecht, M.; Schubert, A.; David, S.; Raible, C.; Schaefer, J.; Kutschker, A.: Die Zukunft der Krankenhausfinanzierung in Deutschland, 2009 Schlüchtermann, J.: Betriebswirtschaft und Management im Krankenhaus – Grundlagen und Praxis, 2013 V erf asser Marius Trabert | EY Telefon +49 711 9881 22876 [email protected] Felix Gruber | EY Telefon +49 711 9881 20008 [email protected] Health Care News | 3 5 B eratu n g A k t u e lle s a u s d e r G e s u n d h e it s w ir t s c h a f t Reform der Pflegeberufe Der demografische Wandel prägt und verändert unsere Gesellschaft. Daher gilt es, neue Entwicklungen im Berufs- und Beschäftigungsbereich zu fördern, um eine umfassende Reform der Pflegeausbildungen zu erreichen und so den geänderten Anforderungen des Pflegemarktes zukünftig gerecht zu werden. Eine solche zukunftsgerechte Berufsausbildung muss Pflegefachkräfte zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen in allen Versorgungsformen befähigen. Sie muss berücksichtigen, dass die Pflege auch weiterhin von stetiger Veränderung geprägt sein wird und dass zukünftig in allen Versorgungsbereichen ältere Menschen den größten Anteil an Pflegebedürftigen ausmachen werden. Daher hat das Bundeskabinett am 13. Januar 2016 den Referentenentwurf für das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe beschlossen, über den der Bundestag am 18. März 2016 in erster Lesung beraten hat. Inhalte und Finanzierung der einheitlichen Erstausbildung in der Pflege hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) entwickelt. Mit dem Gesetz sollen die bisher getrennt geregelten Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer neuen, generalistisch 3 6 | Health Care News M a i 2 0 1 6 ausgerichteten Pflegeausbildung mit einem einheitlichen Berufsabschluss zusammengeführt werden. Die neuen Regelungen sollen die Pflegeberufe inhaltlich verbessern, zukunftsgerecht weiterentwickeln und den Berufszweig im Weiteren attraktiver machen. Das erste Ziel des Referentenentwurfs ist die Einführung einer einheitlichen, generalistischen Pflegeausbildung mit einem Berufsabschluss, welche die bisherigen Ausbildungen ablöst. Die neue Berufsbezeichnung lautet „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“. In der neuen Pflegeausbildung werden übergreifende pflegerische Qualifikationen zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen in allen Versorgungsbereichen vermittelt. Die neue Pflegeausbildung ist eine dreijährige Fachkraftausbildung mit Unterricht an Pflegeschulen und praktischer Ausbildung bei einem Ausbildungsträger und weiteren Einrichtungen. Sie endet mit einer staatlichen Abschlussprüfung. Voraussetzung für die Ausbildung ist ein mittlerer Schulabschluss, eine zehnjährige allgemeine Schulausbildung oder ein Hauptschulabschluss mit weiteren Qualifikationen (z. B. eine erfolgreich abgeschlossene mindestens zweijährige Ausbildung oder eine einjährige Ausbildung in der Pflegeassistenz). Die Auszubildenden wählen im Rahmen der praktischen Ausbildung einen Vertiefungseinsatz, der im Zeugnis ausgewie- sen wird. Nach dreijähriger Vollzeitausbildung bewerben sich die künftigen Absolventen als „Pflegefachfrau“ beziehungsweise „Pflegefachmann“. Sie verfügen dann über theoretische und praktische Kenntnisse, die an den Pflegeschulen vermittelt wurden. Berufsbezogene Erfahrungen sammeln sie in den Einsatzbereichen der allgemeinen Akutund Langzeitpflege (ambulant und stationär) sowie in der pädiatrischen und psychiatrischen Versorgung. Pflegefachkräfte sollen sich künftig noch besser als bisher auf komplexe Pflegesituationen und sich verändernde Versorgungsstrukturen einstellen können. Mit dem neuen Gesetz soll zudem die Einführung einer ergänzenden akademischen Pflegeausbildung beschlossen werden. Das zweite Ziel sind die Kostenfreiheit der neuen Pflegeausbildung für Auszubildende und die einheitliche Finanzierung. Im Gesetzesentwurf ist die einheitliche Finanzierung der neuen beruflichen Pflegeausbildung geregelt, die bundesweit eine qualitätsgesicherte Ausbildung ermöglicht. Qualifizierte Pflegefachkräfte können ohne Deckelung der Ausbildungszahlen zur Sicherung der Fachkräftebasis in der Pflege ausgebildet werden. Ausbildende Einrichtung in der ambulanten oder in der stationären Langzeitpflege zu sein bedeutet künftig keinen Wettbewerbsnachteil mehr. Die neue berufliche Pflegeausbildung ist für B eratu n g die Auszubildenden kostenfrei. Sie erhalten eine angemessene Ausbildungsvergütung. Die Finanzierung der Pflegeausbildung soll durch das neue Gesetz bundeseinheitlich geregelt werden. Alle bisher beteiligten Kostenträger sind an der Finanzierung der neuen Pflegeausbildung über Landesausbildungsfonds beteiligt. Einzahler in den Fonds sind die jeweils zugelassenen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die Länder sowie die Pflegeversicherung. Die Finanzierung der Ausgleichsfonds durch Krankenhäuser sowie ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen erfolgt über landesweite Umlageverfahren. Dadurch sollen ausbildende und nicht ausbildende Betriebe gleichermaßen an den Ausbildungskosten beteiligt werden. Die Ministerien rechnen bei der Umsetzung des Gesetzes mit zusätzlichen Ausgaben von 305 Millionen Euro pro Jahr. Die Gesamtkosten für die Ausbildung steigen damit auf rund 2,72 Milliarden Euro. Den Schätzungen liegt ein Finanzierungsgutachten vom Wissenschaftlichen Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD) und vom Prognos-Institut aus dem Jahr 2013 zugrunde. Das dritte Ziel ist die Einführung eines berufsqualifizierenden Pflegestudiums an Hochschulen mit erweitertem Ausbildungsziel. Ziel ist es, den Transfer des stetig fortschreitenden pflegewissenschaftlichen Wissens in die Pflegepraxis W as? W an n ? R e fe re n te n e n tw u rf B M F S FJ / B M G 2 6 .1 1 .2 0 1 5 V e rb ä n d e -F a c h a n h ö ru n g B M F S FJ 1 1 .1 2 .2 0 1 5 K a b in e t t s b e s c h lu s s 1 3 .0 1 .2 0 1 6 1 . D u r c h g a n g im 2 6 .0 2 .2 0 1 6 1 . L e s u n g im B u n d e s ra t B u n d e s ta g In k r a f t t r e t e n ( g e p la n t ) und die Innovationsfähigkeit der Pflege, aufbauend auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und des technischen Fortschritts, zu fördern. Das Studium wird mindestens drei Jahre dauern und mit der Verleihung eines akademischen Grades abschließen; die staatliche Prüfung zur Erlangung der Berufszulassung wird Bestandteil der hochschulischen Prüfung. Die Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“ wird in Verbindung mit dem akademischen Grad geführt. Die Finanzierung obliegt – allgemeinen Grundsätzen der Studienfinanzierung entsprechend – den Ländern. Der Referentenentwurf zur Reform der Pflegeberufe befindet sich nun in der Abstimmung zwischen den Ressorts. Das förmliche Gesetzgebungsverfahren ist somit gestartet. Die neue Ausbildung kann nicht unmittelbar mit Verabschiedung des Gesetzes 2016 starten. Vorher müssen weitere Voraussetzungen geschaffen werden. Das betrifft zum einen den Erlass der notwendigen ergänzen- 1 8 .0 3 .2 0 1 6 0 1 .0 1 .2 0 1 8 ( F in a n z ie r u n g s r e g e lu n g e n a b 0 1 .0 1 .2 0 1 7 ) den Rechtsverordnungen und zum anderen die Arbeit der im Gesetz vorgesehenen Fachkommission, die die Ausbildungsbetriebe und Pflegeschulen mit Musterrahmenausbildungs- und -lehrplänen unterstützen wird. Drittens muss das neue Finanzierungssystem auch organisatorisch umgesetzt werden. Das Gesetz soll daher gestuft in Kraft treten, bis am 1. Januar 2018 der erste Ausbildungsjahrgang startet. V erf asser Dr. Christian Bosse | EY Law Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] Health Care News | 3 7 B eratu n g A k t u e lle G e fa h r f ü r K r a n k e n h ä u s e r d u rc h R a n s o m w a re Am 12. Februar 2016 wurde das Lukaskrankenhaus in Neuss nahe Düsseldorf Opfer eines Angriffs auf seine IT-Infrastruktur durch Ransomware. Aufgrund dieses Angriffs mussten mehrere Operationen verschoben oder in anderen Krankenhäusern durchgeführt werden. Erst wenige Wochen zuvor hatte das Krankenhaus ein neues Computersystem eingeführt, das die Erhebung, Vernetzung, Analyse und Darstellung patientenbezogener Daten vollständig digitalisiert. Das von der Fachpresse „Visite 2.0“ getaufte System sollte die Verarbeitung von Papier überflüssig machen und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte von belastender und überflüssiger Verwaltungsarbeit befreien. „Ransomware“ bezeichnet eine Schadsoftware, die wichtige Dateien wie Worddokumente, PDF-Dokumente oder Exceltabellen auf einem Computer verschlüsselt und sie so – im Fall von Krankenhäusern – dem Zugriff des Arztes oder medizinischen Personals entzieht. Die Täter bieten gegen Zahlung eines bestimmten Betrags an, die Daten wieder freizugeben. Ob die Täter dann auf eine Zahlung reagieren, bleibt jedoch dem Zufall überlassen. Diese moderne Form der Erpressung zeigt, dass die Täter mit neuen technologischen Entwicklungen 3 8 | Health Care News M a i 2 0 1 6 mühelos Schritt halten. Der Angriff auf Krankenhäuser oder andere medizinische Einrichtungen ist dabei besonders perfide. Die Täter wissen, dass die Verfügbarkeit der Patientendaten im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig ist. Einer der bekanntesten Vertreter von Ransomware ist Locky, der sich über E-Mail-Anhänge verteilt. Es reicht schon aus, wenn der Empfänger einer E-Mail die Anlage mit einem ihm unbekannten Worddokument öffnet, damit sich die Schadsoftware verbreitet. Die neuesten Vertreter von Ransomware wie SamSam scannen zentrale Server und verschaffen sich über Schwachstellen Zugang zur IT-Infrastruktur. Eine Schwachstelle liegt vor, wenn das Krankenhaus nicht über die neuesten Sicherheitsupdates verfügt, was bei hohen Fixkosten für Personal und Gerätschaften in medizinischen Einrichtungen durchaus an der Tagesordnung ist. Erstmals kann eine Schadsoftware also Systeme befallen, ohne dass zuvor ein Anwender zum Beispiel einen Dateianhang in einer E-Mail geöffnet haben muss. B eratu n g können wir Ihnen Gutachten in Form einer Gefahrenprognose für Ihre IT-Umgebung erstellen, damit Sie gegen Gefahren von Ransomware ausreichend gewappnet sind. Für die Unsicherheiten und Gefahren, die von Ransomware ausgehen, bietet Ihnen unsere spezialisierte Abteilung Digital Forensics & Incident Response (DFIR) die optimale Unterstützung an. Das Spektrum umfasst die Vorbeugung, das Handeln im Ernstfall und die nachträgliche Begutachtung und Optimierung. Als Vorbeugungsmaßnahme begutachten wir Ihre gesamte IT-Infrastruktur und bereiten Ihre medizinische Einrichtung auf die Gefahren von Attacken aus dem Cyberspace vor. Daneben bieten wir Ihnen Sicherheitstrainings und Workshops, mit denen Ihre Mitarbeiter geschult werden, Gefahren, gerade auch in Form von E-Mail-Anhängen, zu erkennen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, im Zweifel immer nachzufragen. Sollte der Ernstfall bereits eingetreten sein, helfen wir Ihnen, die entsprechende Schadsoftware zu identifizieren und eine weitere Verbreitung zu verhindern. Das vorrangige Ziel Ihrer Einrichtung ist die Versorgung der Patienten. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, den laufenden Betrieb wieder zu ermöglichen. Sollten bereits Daten verschlüsselt worden sein, versuchen wir, diese wiederherzustellen, soweit dies möglich ist. In jedem Fall V erf asser Bodo Meseke | EY Telefon +49 6196 996 22174 [email protected] Norbert Freitag | EY Telefon +49 6196 996 23808 [email protected] Health Care News | 3 9 V eran staltu n g shi n wei s H e a lt h C a r e Im P u ls – In n o v a t io n s k u lt u r im G e s u n d h e it s w e s e n Unsere neue Veranstaltungsreihe Health Care ImPuls versteht sich als Praxisforum für Entscheider im deutschen Gesundheitswesen und ist Pulsmesser für aktuelle Health-Care-Themen. Unser Antrieb ist es, Sie frühzeitig und praxisnah über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen zu informieren. Neben einem Update aus der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung erwarten Sie interessante Impulsvorträge zum Thema „Innovationskultur im Gesundheitswesen“. Health Care ImPuls findet an sechs Standorten deutschlandweit im Mai/Juni 2016 statt. O rt Berlin Stuttgart Hamburg Eschborn München Düsseldorf D atu m 31.05.2016 02.06.2016 13.06.2016 16.06.2016 30.06.2016 06.07.2016 U hrz ei t 15.00–18.00 Uhr 15.00–18.00 Uhr 15.00–18.00 Uhr 15.00–18.00 Uhr 15.00–18.00 Uhr 15.00–18.00 Uhr Weitere Informationen sowie das Anmeldeformular zur Veranstaltung finden Sie hier: www.de.ey.com/impuls Wir freuen uns darauf, Sie zu EY Health Care ImPuls begrüßen zu dürfen! 4 0 | Health Care News M a i 2 0 1 6 Ansprechpartner D eu tsc hlan d Ö sterrei c h L ei tu n g Health Care u n d W i rtsc haf tsp rü f u n g Ni ls S ö hn le [email protected] Telefon +49 711 9881 15140 E ri c h L ehn er [email protected] Telefon +43 732 790790 1152 B eratu n g Chri sti an E g le [email protected] Telefon +49 6196 996 21226 S c hwei z A n d reas T rax ler [email protected] Telefon + 41582864193 S teu erb eratu n g Peter Dörrfuß [email protected] Telefon +49 711 9881 15276 T ran sak ti o n s- / R estru k tu ri eru n g sb eratu n g Han s K ersel [email protected] Telefon +49 621 4208 14205 I m m o b i li en b eratu n g F ab i an S c hu ster [email protected] Telefon +49 711 9881 21975 R ec htsb eratu n g D r. Chri sti an B o sse [email protected] Telefon +49 711 9881 25772 W e it e r e In f o s : Besuchen Sie unsere Homepage und erfahren Sie, wie wir unser BranchenKnow-how und unser Netzwerk im Bereich Healthcare für Sie in vollem Umfang einsetzen können. S i e f i n d en u n s u n ter www. d e. ey . c o m / healthc are Health Care News | 4 1 E Y | Assurance | Tax | Transactions | Advisory D ie g lo b a le E Y - O r g a n is a t io n im Ü b e r b lic k Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 21 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2016 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. GSA Agency HFI 1605-371 ED None EY ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Diese Publikation wurde CO2-neutral und auf FSC®-zertifiziertem Papier gedruckt, das zu 60 % aus Recycling-Fasern besteht. Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. 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