Subway, Ausgabe Oktober 2014 - Braunschweiger Krimifestival

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Subway, Ausgabe Oktober 2014 - Braunschweiger Krimifestival
Das Braunschweiger Krimifestival geht in die siebte Runde
Termin 18. – 30.10.
Ort Diverse (BS)
Web www.krimifestival-bs.de
Jetzt wird’s kriminell
H
omosexuelle Fußballer, Neonazis,
Crystal Meth und Sexarbeiterinnen
aus Osteuropa: nirgendwo werden
soziale Missstände und aktuelle
(pop-)kulturelle Entwicklungen so verdichtet dargestellt wie im Krimi. Doch
das ist nicht der alleinige Grund dafür,
dass Millionen Deutsche am Sonntagabend „Tatort“ schauen, die Skandinavier Gänsehaut-Literatur am Fließband
produzieren und Hollywood uns geradezu
mit Thrillern bombardiert. Unser Verlangen nach Spannung, „Thrill“ und Rätselhaftem scheint einfach keine Grenzen
zu kennen. Verbrechen und Gewalt üben
seit jeher eine seltsame Faszination, einen
besonderen Reiz auf unsere Sinne aus.
Der Reiz des Bösen findet im Krimi seine
Bestimmung, die Gier nach Makaberem
ihre Befriedigung. Um nicht zu vergessen: Die große Anspannung, die eine gute
Geschichte evoziert, weicht zumeist einer
umso größeren Entspannung, ist der Fall
endlich gelöst. Wer die Angst überwindet,
wer mit den Protagonisten alle Facetten
der Ermittlungen durchlebt, der wird
stärker, härtet ab – ein guter Krimi ist
immer auch eine Art Mutprobe.
Und dann sind da natürlich noch die
unglaublich interessanten, zuweilen
verschrobenen Gestalten, die im Auftrag
des Guten oder Bösen – häufig ist beides
nicht einmal voneinander zu trennen
– agieren und uns durch die Ereignisse
hindurch geleiten. Zugegeben, seit Edgar
Allan Poe mit seiner Kurzgeschichte
„Der Doppelmord in der Rue Morgue“
den ersten Antihelden in Form eines
Detektivs im Krimi auftreten ließ,
hat sich nicht viel verändert: Der
„klassische“ Ermittler ist ein moderner
Zeitgenosse, hat unkonventionelle
FOTO: JEN LIGHT (FLICKR)
„O schaurig ist's“ … Halloween steht vor der Tür und in Vorfreude auf die Horrornacht
verwandeln sich vom 18. bis 30. Oktober bekannte Orte der Braunschweiger Innenstadt in
Schauplätze des Grauens. Das siebte Braunschweiger Krimifestival präsentiert brandneue
Kriminalfälle neben internationalen Bestseller-Autoren und spannenden Charakteren.
LEBENSRAUM 17
Oktober 2014
Untersuchungsmethoden, er raucht
während er nachdenkt, trinkt stets
zu viel und entzieht sich dauerhaften
sozialen Bindungen. Der stereotype
Dandy-Detektiv funktioniert,
wie man im Spiegel der aktuellen
Kriminalliteratur sieht, bis heute – auch
wenn die Protagonisten nicht mehr
Auguste Dupin oder Sherlock Holmes,
sondern Wallander, Rebus und David
Hunter heißen. Doch das sind nur einige
von vielen Namen, die das Publikum
Ende Oktober beim diesjährigen
Braunschweiger Krimifetival erwarten …
Denn wenn die Tage kürzer
werden und alles Licht allmählich der
Dunkelheit weicht, dann steigt auch
die Gruselatmosphäre in der Okerstadt.
Passend zu diesem Wandel veranstaltet
die Buchhandlung Graff bereits zum
siebten Mal ein Krimifest, das nicht nur
mörderisch gute Geschichten, sondern
auch zahlreiche, international gefeierte
Geschichtenerzähler, Kriminologen,
Schauspieler und Synchronsprecher nach
Braunschweig holt …
Mysteriöse Morde, brutale Verbrechen
und psychopathische Killer lauern beim
diesjährigen Krimifestival in jeder
einzelnen Veranstaltung und versprechen
sowohl Nervenkitzel, als auch Raum für
Publikumsfragen, Diskussionen und
Auseinandersetzung mit dem Genre
Krimi an sich. An 25 verschiedenen
„Tatorten“ finden vor allem Lesungen
und Buchvorstellungen namhafter
Krimiautoren wie Simon Beckett, Ian
Rankin oder Michael Robotham statt.
Dazu gibt es zahlreiche kriminalistische
Stadtführungen für Groß und Klein
sowie kulinarische Krimi-Leckerbissen
in mehreren Gängen.
Zum Auftakt der Festwoche am
18. Oktober stellt der Schriftsteller
und Jurist Ferdinand von Schirach
seine Essaysammlung „Die Würde
ist antastbar“ im Großen Haus des
Staatstheaters vor. Der Autor geht darin
vor allem der Frage nach, was genau
einen Menschen zum Täter werden lässt.
Der John-Rebus-Vater Ian Ranking
wird am 21. Oktober gemeinsam mit
dem Schauspieler Walter Kreye seinen
neuen Kriminalroman „Schlafende
Hunde“ präsentieren, in dem der
beliebte Hauptcharakter vor neue
Herausforderungen gestellt wird.
Aber auch regionale Schriftsteller
werden beim Festival vertreten sein:
Christiane Lind stellt bispielsweise ihren
historischen Roman „Die Heilerin und
der Feuertod“ vor, der im Braunschweig
des späten 14. Jahrhunderts spielt.
Doch dies ist nur eine winzige Auslese
– den „Alibi-Planer“, das komplette
Programmheft zur Veranstaltung, gibt
es bei der Buchhandlung Graff sowie
an diversen öffentlichen Orten in der
Innenstadt. Wer neue Charaktere kennen
lernen und Nervenkitzel pur erleben will,
wird hier garantiert fündig.
ANNA DASSLER
HIER GEHT'S ZUM INTERVIEW MIT
Ian Rankin
Mariangela
Scelsi
Werner H.
Schuster
Kim Kahnert
Arzu Ermen
Inszenierung: Horst Johanning
Bühnenbild: Horst Neumann
Marion König
ooke und
Komödie von Brian C
Johnnie Mortimer
Hans Jürgen
Endlich wiederig! Bäumler
unschwe
in Bra
02. Oktober 2014 bis 09. November 2014
KOMÖDIE AM ALTSTADTMARKT
Gördelingerstraße 7 · 38100 Braunschweig
Telefon 0531/1218680
www.komoedie-am-altstadtmarkt.de
IAN RANKIN IM INTERVIEW
»Autoren sind schizophren«
Termin 21.10.
Ort Stadtbibliothek (BS)
Web www.krimifestival-bs.de
Sir Rankin, was ist der „Thrill“ am
Schreiben eines Krimis?
Im Krimi geht es um Gut und
Böse, allein deswegen ist es der
Schreibprozess spannend. Ich
genieße es, in meinem kleinen
Büro zu sitzen und all diese
großen Abenteuer zu erleben,
die mit Verbrechen, Kämpfen,
Verfolgungsjagden und Attentätern gefüllt sind. Außerdem
kann ich dabei Zeit mit dem
sehr komplexen, gefährlichen
und fesselnden Charakter von
Inspector Rebus verbringen.
Warum braucht die Welt Krimis?
Krimis geben uns Grund, die
großen Fragen zu stellen. Fragen über uns selbst sowie über
die Gesellschaft, in der wir
leben: Warum tun wir uns gegenseitig böse Dinge an? Was
ist die gerechte Strafe für ein
Verbrechen? Und was sagt es
eigentlich über eine Gesellschaft aus, dass ständig Verbrechen passieren?
Warum braucht die Welt Charaktere wie John Rebus?
Rebus ist einer von den Guten
– er will, dass die Bösen ihre
Strafe bekommen. Gib ihm
einen Fall, in dem er Ermittlungen anstellen kann, und er
wird niemals aufgeben, bis er
die Lösung gefunden hat.
FOTO: MARTIN STICKLER
Seit fast 30 Jahren
versorgt der
Bestsellerautor Ian
Rankin seine Fans mit
zündendem Lesestoff.
Am populärsten sind
seine Romane um
den Polizisten John
Rebus geworden. Im
Interview verriet er
uns, wie es seinem
Protagonisten im
neuesten Buch ergeht,
welche Musik sich
zum Schreiben eignet
und was einen guten
Krimi ausmacht.
LEBENSRAUM 19
Oktober 2014
Nach fast 30 Jahren mit John
Rebus – wird es nicht manchmal langweilig mit ihm?
Ich hatte Rebus 2007 schon
mal in den Ruhestand geschickt und bis 2012 auch
da gelassen. In diesen fünf
Jahren habe ich ihn nicht
wirklich vermisst, aber als
ich ihn schließlich zurückgeholt habe, hat es sich einfach sehr gut angefühlt.
Wie ist Ihr generelles Verhältnis zu den Hauptcharakteren?
Rebus repräsentiert vielleicht das Eigenbrötlerische an meiner Person. Er
ist dunkel und gefährlich.
Rebus' Kollegin Siobhan
verkörpert dagegen die rationale, geradeaus denkende Seite an mir. Autoren
sind schizophren – wir haben alle diese vielen Charaktere in uns, die in unserem Kopf umherspuken.
Wo liegen die Unterschiede
zwischen Ian Rankin und John
Rebus, welche Gemeinsamkeiten gibt es?
Rebus ist älter als ich und
hat nie eine Universität
besucht. Er ist mutiger als
ich, er raucht – das habe ich
nie – und er hat ein paar
Freunde. Aber wir trinken
in derselben Bar, sind im
gleichen Dorf geboren, leben in derselben Stadt und
interessieren uns beide für
das Gute wie das Böse.
Vor welchen Herausforderungen steht Rebus aktuell?
Das neue Buch nimmt uns
mit zurück in die Zeit, in
der Rebus noch ein ganz
junger Polizist war und mit
einer Gruppe von älteren
Cops zusammen gearbeitet hat, die es in Ordnung
fanden, hin und wieder das
Gesetz zu brechen, um die
Bösewichte hinter Schloss
und Riegel zu bringen.
Die Frage, die sich hierbei
stellt, ist: Hat das die Cops
ebenfalls zu Verbrechern
gemacht? Und wird Rebus seinen alten Kollegen
gegenüber loyal bleiben
oder wird er die Wahrheit
ans Licht bringen?
Welche Entwicklung durchlebt
Rebus in der neuen Geschichte?
Rebus ist zurück in der Polizeieinheit – im letzten Roman war er ein Zivilist, der
mit der Polizei kooperiert
hat –, er weiß aber genau,
dass er beim kleinsten Fehler wieder hinausgeworfen
werden kann. Dabei verändert sich die Welt um ihn
herum sehr schnell, Schottland ist gerade dabei, sich
von Großbritannien unabhängig zu machen. Rebus
fühlt sich alt und fehl am
Platz. Ein analoger Mann in
einer digitalen Welt.
Woher nehmen Sie Inspiration?
Für gewöhnlich lese ich
etwas in der Zeitung oder
in einem Magazin oder
jemand erzählt mir etwas, das irgendeine Frage
in meinem Kopf auslöst.
Dann erfinde ich eine Geschichte, die es erlaubt,
diese Frage ausführlich zu
untersuchen und den Rest
überlasse ich Rebus. Das
neue Buch erwachte zum
Leben, als ich in der Zeitung las, dass ein Detective
in Schwierigkeiten geriet,
weil er einen Verdächtigen
weiterhin belästigte und
drangsalierte, obwohl dieser bereits gestanden hatte.
Da fragte ich mich, wie sich
Rebus in so einer Situation
wohl verhalten würde.
Die Musik spielt eine wichtige
Rolle in ihren Büchern und für
Rebus. Welche Musik hören Sie
beim Schreiben und warum?
Ich höre ausschließlich instrumentale Sachen, wenn
ich schreibe. Elektronische
Musik eignet sich gut, zum
Beispiel Tangerine Dream
oder Brian Eno. Ich mag
aber auch jazzige Sachen,
beispielsweise Keith Jarrett, Coleman Hawkins
oder Art Pepper. Die Musik wird zu einer Art Blase,
die mich umgibt, wenn ich
schreibe – die Welt dahinter hört auf, zu existieren.
Sind Sie selbst musikalisch?
Ich kann kein einziges Instrument spielen, leider, ich
bin sehr eifersüchtig auf
Musiker! Schreiben ist das
einzige, worin ich einigermaßen gut bin. Ich kann
nicht mal Golf spielen, geschweige denn singen, malen oder schauspielern.
Was lesen Sie privat?
Unterschiedlichste Krimis,
die gerade so im Umlauf
sind. Ich freue mich immer
sehr, wenn ich neue Krimiautoren oder Romane finde,
die mir etwas über andere
Kulturen verraten. Zuletzt
habe ich mit Freude „The
Dark Meadow“ von Andrea
Maria Schenkel gelesen.
Was reizt Sie an Krimifestivals
wie dem in Braunschweig, wo
Sie Ihre Texte vorstellen?
Wenn ich auf Tour bin, treffe ich viele Fans, führe Gespräche und bekomme eine
Vorstellung davon, was den
Leuten an meinen Büchern
gefällt und manchmal auch
nicht gefällt. Das ist immer
sehr interessant. Und wenn
ich andere Autoren treffe,
hilft mir das meistens auch,
andere Länder und Kulturen kennen und verstehen
zu lernen.
Was war das Merkwürdigste,
was Ihnen bei einer Buchvorstellung je passiert ist?
Nicht dabei, aber danach:
Eine Frau kam zu mir, um
sich ein Buch signieren zu
lassen. Ein Jahr später traf
ich sie wieder und sie trug
ein Tattoo am Nacken, das
mein Autogramm zeigte.
Das war dann doch ein
bisschen seltsam.
Was sind die Zutaten für einen
guten Krimi?
Ein wirklich guter Krimi
gibt uns einen komplexen
und engagierten Hauptcharakter und zeigt uns
verschiedene Aspekte einer
Stadt oder eines Landes. Er
fährt mit uns Achterbahn,
die Fahrt ist aufregend,
aber ein guter Krimi muss
uns auch ein paar moralische Fragen über die Natur
des Menschen und die Gesellschaft an sich stellen.
ANNA DASSLER
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