„Born to be wild“ - Bild-Text-Ton
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„Born to be wild“ - Bild-Text-Ton
Motor Harley Davidson | Seite 76 Unser Autor Sascha Schneider kam als Sozius in den Genuss des unvergleichlichen „Harley-Feelings“. „Born to be wild“ Eine Harley-Davidson ist nicht nur ein Motorrad. Eine Harley transportiert nicht nur einen Fahrer. Eine Harley bedeutet eine Lebenseinstellung. Kein anderes Vehikel umweht derart viel Kult und Mythos. Kurzum: Eine Harley ist DAS Motorrad. Text & Fotos n Sascha Schneider Kinofilme, in denen Harley-Davidson-Motorräder vorkommen, gibt es reihenweise. Zum Beispiel in „Harley Davidson & The Marlboro Man“ mit Mickey Rourke und Don Johnson. Oder in Terminator 2: Arnold Schwarzenegger liefert sich darin eine wilde Verfolgungsjagd mit seinem Roboter-Kontrahenten auf einer Harley „Fat Boy“ und hantiert virtuos mit einer Pumpgun. Der Film aber, der am meisten für den Kultstatus der Harley gesorgt hat, ist zweifelsohne „Easy Rider“ von 1969. Zwei Aussteiger – gespielt von Peter Fonda und Dennis Hopper (im Mai dieses Jahres an Krebs gestorben) – verschaffen sich mit einem Drogendeal das Geld für eine Motorradtour durch die Südstaaten Amerikas. Musikstücke wie „Born to be wild“ von Steppenwolf oder „Wasn’t born to follow“ von den Byrds untermalen den Kultfilm, dessen Protagonisten ein tödliches Ende erwartet: Die „Hippies“ werden von „Rednecks“, konservativen Südstaatlern, erschossen. Insgesamt vier Harleys standen für den Dreh damals zur Verfügung. Drei davon wurden geklaut und eine ging am Schluss in Flammen auf. Sie wurde später restauriert und steht heute in der „Motorcycle Hall of Fame“ in Pickerington im US-Bundesstaat Ohio. Vor allem dieser Harley-Typ, die Chopper, auf der Peter Fonda durch den Film fährt, kam in den 70er Jahren so richtig in Mode. Dem Unternehmen Harley-Davidson ging es damals aber alles andere als gut. 1968, als „Easy Rider“ gedreht wurde, verkaufte die Firma nur 26.000 Motorräder. Die Technik galt damals als veraltet, die Maschinen waren übermäßig reparaturanfällig und die Konkurrenz aus Europa und Japan machte Harley-Davidson richtig zu schaffen. Zwei Jahrzehnte hatte die Firma mit großen Problemen zu kämpfen. Es gab das ganze Programm, das ein Unternehmen an den Rand des Ruins bringen kann: zu hohe Produktionskosten, zu wenig Qualität, ständig wechselnde Führungskräfte usw.. Erst in den 80er Jahren, als Willy G. Davidson zusammen mit anderen Mitstreitern Harley Davidson wieder freikaufte, kam die Wende. Und das gelang nicht nur, aber vor allem auch durch den „Easy Rider“-Kult. Folgender Satz der Firmenspitze bringt es auf den Punkt: „Wir verkaufen einen Lebensstil – das Motorrad gibt es gratis dazu.“ Michael Scholz, Chef der Harley-Davidson-Niederlassung „Westpoint“ Augsburg, zitiert diese Firmen-Philosophie gerne. Auch wenn die echten „Rocker“ oder gar Aussteiger unter den Käufern ganz deutlich in der Minderheit sind. „Zu uns kommen Harley-Fans, die selbst an ihrer Maschine schrauben, sie individuell gestalten und Tausende von Kilometern zurücklegen, aber auch Leute, die vielleicht gerade mal 600 Kilometer mit ihrer Harley im Jahr fahren und alle Reparaturen in unserer Werkstatt machen lassen“, so Scholz, „und das Kundenalter liegt so in etwa bei 35 aufwärts.“ Was logisch ist, weil so eine Harley oder eben das Lebens- Seite 77 gefühl natürlich auch Geld kostet. Das kann sich ein Jungspund im Normalfall nicht leisten, mal davon abgesehen, dass auch der Führerschein mittlerweile eine ganze Stange Geld kostet. Der Preis für eine HarleyDavidson kommt natürlich nicht von ungefähr. Die Stückzahlen ab Werk sind nämlich meist äußerst gering, oft werden nur 200 Motorräder in gleicher Gestaltung aufgelegt. Und selbst die bekommen dann durch den Kunden nochmals ein individuelles Design. Zwei gleiche Harleys zu finden, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Auch das verleiht der Harley neben dem Aussteiger-Mythos diese Einzigartigkeit. Darüber hinaus lässt sich an diesen Maschinen tatsächlich noch richtig tüfteln, sie sind nicht so kompakt und hochtechnisiert verbaut wie bei der Konkurrenz. Harleys sind eben immer noch klassische Motorräder. einem ins Gesicht und es formt sich ein breites Grinsen. Es ist dieses Gefühl von Freiheit, zwar nicht unbedingt wie in „Easy Rider“, aber doch auch abenteuerlich. Ja, genau so ließe es sich aushalten, stundenlang. Trotzdem machen wir zwischendurch eine Pause im Biergarten. Am Tisch werden die entscheidenden Begriffe, die das HarleyFahren ausmachen, noch einmal diskutiert: Freiheit, Abenteuer, Unabhängigkeit, Kameradschaft. Die Harley ist für alle am Tisch der Inbegriff des Motorrads, das „Ur-Motorrad“, die gelebte Individualität. Und vor allem: der Ausgleich zum täglichen Stress. Ob Immobilienmakler oder Mit der Harley durch die Westlichen Wälder Mit vier Harleys von Westpoint Augsburg geht es heute auf Tour: einer „Sportster XR 1200“, einer „Softtail Rocker“, einer „Heritage Softtail Classic“ und einer „Road King Classic“. Die Fahrer heißen heute nicht Mickey Rourke oder Peter Fonda, sondern Johannes, Axel, Thomas, Stefan und Sabine. Es geht auch nicht in die amerikanischen Südstaaten, sondern durch die „Western Woods“, die Westlichen Wälder. Und glücklicherweise müssen wir für unsere Tour auch keine Drogen verkaufen. Sabine ist vom Harley-Fieber ihres Partners angesteckt worden und macht gerade den Motorradführerschein. Sie nimmt auf dem Sozius Platz – mit „Sissi-Bar“, so nennen die Biker die Lehne am Mitfahrersitz. Schon beim Anlassen der Maschinen wird der Mythos greifbar. Der Sound ist einzigartig. Dieses unverwechselbare Knattern, Brummen und Blubbern. Und beim Hochdrehen offenbaren die Gefährte die Kraft, die in ihnen steckt. Aber der Harley-Fahrer ist im Allgemeinen kein Raser. Auch wenn zwischendurch das Gas mal ein bisschen aufgedreht wird, geht es eher gemütlich dahin. An Ampeln wird nicht vorgedrängelt, die Motorräder bleiben hinter den Autos in der Kolonne. Während unserer Fahrt, raus aus Augsburg auf der B300, zieht dann mal eine japanische Rennmaschine an uns vorbei, mit diesem provozierenden Tinnitus-Geräusch, gleich einer hyperaktiven Nähmaschine. Aber die Harley-Fahrer bleiben gelassen. Das ist auch so ein Punkt, der die Harley-Einstellung ausmacht: Dieses Understatement. Der Motor brummt und blubbert laut und eindrucksvoll und es ist hörbar, dass da mehr gehen würde. Aber warum denn so einen Joghurt-Becher jagen? In Gessertshausen geht es weg von der Bundesstraße vorbei an Oberschönenfeld und über Döpshofen, Reinhartshausen und Straßberg nach Burgwalden. Eine tolle Strecke für’s Motorrad. Das Tempo liegt so zwischen 80 und 100, das Visier bleibt oben, der Wind bläst Michael Scholz, Chef der Harley-Niederlassung „Westpoint“ in Augsburg, machte sein Hobby zum Beruf. Maschinenbautechniker, ob mit dem Zelt unterwegs oder Hotelzimmer gebucht – ein Harley-Ausflug hat für alle nahezu dieselbe Bedeutung. Natürlich denkt keiner der Anwesenden ans Ausbrechen oder Aussteigen, trotzdem fallen die Worte: „frei von gesellschaftlichen Zwängen“. Da sind wir dann doch wieder ganz nah dran an „Easy Rider“. So richtig ins Schwärmen kommen alle, wenn es um das größte Motorradtreffen Europas im österreichischen Faak geht, der „European Bike Week“. Zehntausende von Bikern versammeln sich Jahr für Jahr in und um das kleine Kärntner Dörfchen mit seinem See. Darunter natürlich jede Menge Harley-Fahrer aus ganz Europa, bis aus Russland kommen die Motorrad-Fans angereist. In diesem Jahr findet das Treffen bereits zum 13. Mal statt, Mitte September. Aber es sind nicht nur die großen Motorradevents oder die Veranstaltungen der einzelnen „Chapter“, also der Harley-Clubs, die die Herzen höher schlagen lassen. Oft ist es ein kurzfristig ausgemachtes Treffen am Sonntagvormittag mit spontanem Ziel oder eben gar keinem Ziel. Nur keine Einengung, keine Zwänge. Ab über’s Land mit der vollgetankten Harley und selbst Erholung tanken. So wie auch heute. Allerdings geht unser Ausflug dann doch auch mal zu Ende. Wir fahren wieder zurück zu Westpoint Augsburg. Noch eine Viertelstunde lässt sich das „Easy Rider“Feeling genießen. Und das beruhigende dabei: Anders als vor 40 Jahren im Film werden wir am Ende des Tages nicht erschossen. n