Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis
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Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis
Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Eugen Bleuler (1911) Schizophrenie = „Spaltungsirresein“; (Bewußtseinsspaltung) Gruppe der Schizophrenien Emil Kreapelin (1898) Dementia praecox „vorzeitige Verblödung“ Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Kreapelin (1904) Dementia praecox E. Bleuler (1911) Gruppe der Schizophrenien Wernicke Kleist Leonhard (1966) Die Aufteilung der endogenen Psychosen Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Störungen folgender Funktionen: 1. Konzentration und Aufmerksamkeit 2. Inhaltliches und formales Denken 3. Ich-Funktionen 4. Wahrnehmung 5. Intentionalität 6. Affektivität und Psychomotorik 2 – 4 = Produktiv-, Plus-, Positivsymptomatik 5 -6 = Defizit-, Minus-, Negativsymptomatik 1 = in der Zuordnung uneinheitlich gehandhabt nicht gestört: Bewußtsein, Gedächtnis, Intelligenz, Orientierung Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Eugen Bleuler Grundsymptome – akzessorische Symptome Grundsymptome: Störungen der Affektivität Kontaktverlust Ambivalenz inadäquater Affekt (Parathymie) Störungen des Denkens Sperrung Gedankendrängen Danebenreden Wortneubildungen Zerfahrenheit Ich – Störungen Autismus Depersonalisation Derealisation „4A“ = Assoziations- Affektivitätsstörungen – Ambivalenz – Autismus Akzessorische Symptome: - Sinnestäuschungen - Wahnideen - Veränderungen von Sprache und Schrift - katatone Symptome Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Kurt Schneider Symptome 1. und 2. Ranges 1.Ranges: dialogisierende akustische Halluzinationen Kommentierende akustische Halluzinationen Gedankenlautwerden Gedankeneingebung Gedankenentzug Gedankenausbreitung alles von anderen Gemachte und Beeinflusste auf dem Gebiet des Fühlens, Strebens (der Triebe) und des Willens Wahnwahrnehmungen 2. Ranges: übrige Sinnestäuschungen Wahneinfall Ratlosigkeit depressive und euphorische Verstimmung, inadäquater Affekt Epidemiologie der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Jahresinzidenz 0,03 – 0,06% der Bevölkerung Punktprävalenz 0,5% Lebenszeitrisiko 1 –(2)% der Bevölkerung, Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen häufigste Auftreten zwischen dem 20. und 40.Lebensjahr; Häufigkeitsgipfel bei Männern 15. – 24. Lj., bei Frauen 25. – 34. Lj., (Auftreten im Kindesalter bei ca. 2% der Fälle, Auftreten nach dem 40. Lj. bei ca. 20% der Fälle als sog. „Spätschizophrenie“) Frauen erkranken häufiger als Männer aber durchschnittlich später (Östrogene als protektiver Faktor diskutiert) Häufigkeit schizophrener Psychosen in den Familien von schizophren Erkrankten: Eltern 5-15%, Geschwister 8-10%, Kinder 10-20%, Enkel 3%, bei Verwandten 1. Grades ca. 10% Belastung, dagegen Allgemeinbevölkerung ca. 1%) Transkulturell: vergleichbare Häufigkeit in allen Teilen der Welt hohe Suizidrate von ca. 10%, sowohl in akuten Episoden als auch in postpsychotischen Remissionsstadien immense sozialmedizinische Bedeutung: Krankheitskosten ca. 25 Milliarden DM pro Jahr. Ätiopathogenese der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis multifaktorielle Genese (0,4% bis 1% der Gesamtbevölkerung manifeste Erkrankung, 30% aller psychiatrischen Betten) 1. • • 2. • • • • • 3. • • genetische Faktoren familiäre Häufung Hinweise aus Zwillings - und Adoptionsstudien somatische Faktoren aus 1. resultieren Stoffwechseldefekte prä - peri-und postnatal erworbene neurobiologische Abweichungen hormonelle Umstellungsphasen zum Abschluss kommende Ausreifung psychoserelevanter Hirnsysteme (vor allem dopaminerges System – Überaktivität zentralnervöser dopaminerger Strukturen im mesolimbischen System) bei einem Teil der Schizophrenen hirnmorphologische Veränderungen (3. Ventrikel u. SV erweitert oder Hypofrontalität) psychosoziale Faktoren altersspezifische Individuations -und Rollenkonflikte (Ablösung Elternhaus, Kontakt zum anderen Geschlecht) soziale Konflikte Vulnerabilitäts – Stress - Modell Klassifikation der Subtypen der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis ICD 10 DSM-IV hebephrener Typ desorientierter Typ katatone Schizophrenie katatoner Typ paranoide Schizophrenie paranoider Typ undifferenzierte Sch. undifferenzierter T. schizophrenes Residuum residualer Typ Schizophrenia simplex postschizophrene Depression Paranoid – halluzinatorische Schizophrenie (F20.0) • • - Allgemein: Beginn eher später, Erkrankungsgipfel im 4. Lebensjahrzehnt; Persönlichkeit bleibt überwiegend intakt; häufigste Form der Schizophrenie, oft schizoide, sensitive Persönlichkeiten. Symptome: Wahnwahrnehmungen Beziehungswahn, Verfolgungswahn, Abstammungswahn, koenästhetischer Wahn (seltener Sendungs - oder Größenwahn), akustische Halluzinationen in Form von bedrohenden und imperativen Stimmen, auch Akoasmen sonstige Halluzinationen: Geruchs-, Geschmacks-, sexuelle oder andere Körperhalluzinationen; seltener optische Halluzinationen Ich-Störungen (Gefühl des Gemachten) Katatonie (F 20.2) • • - - - Allgemein: Beginn häufiger im jüngeren Erwachsenenalter, oft plötzliche Manifestation der Erkrankung Symptome/Erscheinungsbilder: katatoner Stupor: Erstarren mit Katalepsie (Haltungsverharren), Haltungsstereotypien, Mutismus. Untersuchung: Feststellung der wächserenen Biegsamkeit (Flexibilitas cerea) und der kataleptischen Starre bei Hochheben einer Extremität oder auch des Kopfes mit anschließender Beibehaltung dieser Stellung. katatone Erregung: Toben, Schreien, bewegungssturm mit starker motorischer Aktivität, Aggressivität, Selbst – und Fremdgefährdung. unspezifische Form: Auftreten von Manierismen, Bewegungsstereotypien und Echopraxie (spiegelbildhafte Wiederholungen von Handlungen des Gegenübers und Echolalie); Sprachstereotypien; aktiver und passiver Negativismus febrile (perniziöse) Katatonie: seltene, lebensbedrohliche Sonderform: neben der katatonen Symptomatik mit Erregung oder öfter Stupor hohes Fieber, Kreislaufstörungen und Exsikkose; bei erfolgloser Behandlung mit NLInfusion Indikation für EKT und Flüssigkeitszufuhr parenteral. Hebephrenie (F20.1) • Allgemein: typischer Beginn in Adoleszenz bzw. frühem Erwachsenenalter mit Leistungsknick. Oft in den Vorstadien in inadäquater Weise Beschäftigung mit Bereichen wie religion, Philosophie, Esoterik, Parapsychologie • Symptome: - affektive Störungen: läppische Gestimmtheit, Affektindolenz, Grimmassieren, Faxen, Manierismen - Kontaktstörungen: Rückzug, Beziehungslosikeit, auch Enthemmung - Denkstörung: abschweifend, zerfahren, konfus, häufig Wahnvorstellungen Schizophrenia simplex (F20.6.) • Allgemein: ohne auffällige produktive Symptome • Symptome: vorwiegend Antriebsdefizit, Initiativeverlust, Mangel an Aktivität und Vitalität. Knick in der Lebensentwicklung, öfter Übergang in Residualzustände, ungünstiger Verlauf, selten zu stellende Diagnose. Koenästhetische Form (Huber 1957) (F 20.8) Im Vordergrund stehen vielfältige Koenästhesien (abstruse Leibgefühlstörungen z.B. Nichtvorhandensein von Organen, Gefühl der Organschrumpfung) und Körperhalluzinationen (z.B. Gefühl, innerlich zu verbrennen, Spüren einzelner Blutgefäße im Gehirn) mit dem Kriterium des von außen Gemachten (durch Menschen, fremde Mächte etc.). Schizophrenes Residuum (F 20.5) • Chronisches Stadium nach früherer akuter schizophrener Episode, charakterisiert durch negative Symptome wie verminderte Aktivität, Affektverflachung, Antriebsarmut, Kommunikationsmangel, sozialem Rückzug und mangelnde Körperpflege. Beginn schizophrener Erkrankungen perakut: akut: subakut: schleichend: innerhalb einer Woche innerhalb von 4 Wochen innerhalb von 6 Wochen innerhalb von 6 Monaten bei schleichendem Beginn im Vorfeld der manifesten Psychose bestimmte Prodromi (Wahnstimmung, Gefühl des Nichtfaßbaren, Unheimlichen, Vermutung diffuser Veränderungen der Außenwelt, Schlafstörungen) Verlaufsformen – Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis rezidivierend in Schüben mit chronischer Residualsymptomatik phasenhafter Verlauf mit akuter Manifestation und vollständiger Remission lebenslanges Fortbestehen der Symptomatik Residualzustände postremissive Erschöpfungszustände bzw. postpsychotische Depressionen im Anschluß an akute Manifestationen situativ bedingte Dekompensationen mit psychotischen Rezidiven schizophrenes Defektsyndrom Prognosekriterien schizophrener Erkrankungen günstige Prognose: plötzliches Einsetzen / akuter Krankheitsbeginn stärkere Beteiligung affektiver Anteile bei Nachweis von auslösenden Lebensereignissen bzw. Stress kurze Episode keine früheren psychischen Störungen vorherrschende Positivsymptomatik fortgeschrittenes Alter bei Einsetzen der Symptomatik normale prämorbide Persönlichkeitsstruktur gute soziale Integration, Berufstätigkeit hohe Compliance weibliches Geschlecht „coping“Fähigkeit zur adäquaten Krankheitsverarbeitung, sowie zur Krankheits- und Konfliktbewältigung Ausgang der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis • vollständige Remission, episodisch remittierend oder zunehmendes Residuum • Langzeitstudien – „Drittelregel“ (1/3 folgenlose Abheilung, 1/3 mit Rückfällen und leichten Residuen, 1/3 mit beträchtlichen bis schweren Dauerdefekten) • im Alter Tendenz zur Abschwächung und Milderung der Erkrankung Therapie der Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis multidimensional biol. – somatische, psychologisch – psychotherapeutische und soziotherapeutische Aspekte mit unterschiedlichem Akzent Akuttherapie: zur Remission oder Suppression der Plussymptomatik – NL Langzeittherapie zur Rezidivprophylaxe und anhaltenden Symptomsuppression komplementäre nichtpharmakologische Behandlung • • • • • • supportive und verhaltenstherapeutische Psychotherapie Information (über Erkrankung) Edukation (Rückfallerkennung, Behandlungsmöglichkeiten) Training (kognitiver und sozialer Fähigkeiten) Beratung (rehabilitative Maßnahmen) Angehörigengruppen, Selbsthilfegruppen) Diagnosekriterien der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis nach ICD 10 • • • (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) Nach Ausschluss von körperlich begründbaren psychischen Störungen wird die Diagnose aufgrund der Symptome und des Verlaufs gestellt. Es gibt bisher keine eindeutigen biologischen Marker, keine spezifischen psychologischen Tests. In Weiterführung der Diagnostik nach Schneider fordert die ICD 10 für die Diagnose der Schizophrenie (F20) von der folgenden Liste mindestens ein eindeutiges Symptom der Symptomgruppen 1-4 oder mindestens zwei Symptome der Symptomgruppen 5.8. Diese Symptome müssen mindestens 1 Monat bestanden haben. Gedankenlautwerden, - eingebung, – entzug, - ausbreitung. Kontroll- und Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, Wahnwahrnehmungen Dialogische oder kommentierende Stimmen; Stimmen aus einem Körperteil Bizarrer, völlig „unrealistischer Wahn“ Sonstige anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität begleitet von Wahn oder überwertigen Ideen Gedankenabreißen, Zerfahrenheit, Danebenreden, Neologismen katatone Symptome „Negativ“symptome wie Apathie, Sprachverarmung, verflachte oder inadäquate Affekte gefolgt von sozialem Rückzug Kennzeichen der schizophrenen Positivsymptomatik Symptom Erläuterungen Wahnvorstellungen: Als Wahn bezeichnet man eine krankhafte falsche Beurteilung der Realität, die erfahrungsunabhängig auftritt und an der mit subjektiver Gewissheit festgehalten wird. Wahnvorstellungen können verschiedene Inhalte haben, z.B. Verfolgungs-, Krankheits oder Größenwahn. Halluzinationen: Sinnestäuschungen – die Betroffenen hören, fühlen, sehen, riechen oder schmecken etwas, was überhaupt nicht da ist. Viele Patienten hören Stimmen, die sich über sie unterhalten oder ihnen Anweisungen geben. akustische Halluzinationen: „Meine Arbeitskollegen tuscheln über mich, aber ich verstehe immer ganz genau, was sie sagen: „Der ist auch einer von denen, der hätte am liebsten den Hitler wieder da.“ Dabei bin ich überhaupt nicht rechtsradikal...“ (hier treffen Wahn und Halluzinationen zusammen) optische Halluzinationen: „Gestern war ich mit meinen Eltern wandern. Wir sind zu einer Kirche gekommen und plötzlich hat die Kirche begonnnen, zu pulsieren. es hat ausgesehen, als ob ein Herz schlägt. Es war wunderbar.“ den eigenen Körper betreffende Halluzinationen (Zönästhesien): „Ich spüre, wie der Champagner in meinen Adern perlt, das ist sehr unangenehm.“ Ich-Erlebnis-Störungen: Störungen, bei denen die Ichhaftigkeit des Erlebens verändert wird oder bei denen die Grenze zwischen dem Ich und der Umwelt durchlässig erscheint. Gedankeneingebung Gedankenentzug Gedankenausbreitung Kennzeichen der schizophrenen Negativsymptomatik Symptom Erläuterungen u. typische Schilderungen von Patienten Alogie Verarmung der Sprache; Verlängerung der Antwortlatenz. Affektverflachung Verarmung des Fühlens sowie der emotionalen Ausdrucks - und Reaktionsfähigkeit .(„ Und die ganzen Gefühle und so, das ist weg..., der ganze Spaß ist weg, und der ganze Realitätsbezug ist weg. Das ist ganz komisch. Ich weiß gar nicht, was das ist, warum ich so beieinander bin.“ Apathie Mangel an Energie und Antrieb, Interessenlosigkeit, Abschwächung des Willens „Der Schwung, mich zu waschen, der Schwung, wieder fort zu gehen, der Schwung, mir wieder Namen zu merken, das ist alles futsch...“. Anhedonie Unfähigkeit, Vergnügen oder Freude zu empfinden. . „Eigentlich ist das komisch: mir fällt es unglaublich schwer, mich richtig über etwas zu freuen, aber wenn jemand durch meine Hilfe eine Freude erlebt, dann färbt das auch meine Stimmung.“ Asozialität: Eingeschränkte oder fehlende Konfliktfähigkeit und dadurch Mangel an sozialen Interaktionen. Aufmerksamkeitsstörungen Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit. „Ich bin entweder total verblödet oder aus irgendeinem Grund immer unkonzentriert ... Ich frage mich, warum nichts mehr geht. Bis vor zwei Jahren war es noch viel besser, und in der Schulzeit habe ich nebenher mehr getan als jetzt den ganzen Tag.. mir fällt... immer mehr auf, wie wenig ich eigentlich machen kann, ohne völlig erschöpft zu sein.“ Minussymptomatik – Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis I. Affektverflachung und Affektstarre II. Alogie – Paralogie III. Abulie – Apathie IV. Anhedonie - Asozialität schizophrene Störungen des formalen Denkens • • • • • • • Paralogik Konkretismus Kontamination Neologismen Zerfahrenheit Vorbeireden Sperrung