Deeskalationsstrategien nach Induktionstherapie des - GI
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Deeskalationsstrategien nach Induktionstherapie des - GI
Deeskalationsstrategien nach Induktionstherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms Prof. Dr. med. Susanna Hegewisch-Becker Hämatologisch-Onkologische Praxis Eppendorf, Hamburg Mit dem Ziel, Toxizität einzusparen und dem Wunsch vieler Patienten nach einer Therapiepause zu entsprechen, sind in den letzten Jahren zahlreiche Deeskalationskonzepte untersucht worden. Im Anschluss an eine, je nach Studiendesign 12 bis 24 Wochen andauernde, Induktionsphase mit einem alleinigen Chemotherapie-Regime oder in Kombination mit Anti-VEGF-Antikörpern oder AntiEGFR-Antikörpern ist sowohl das Konzept einer Therapiepause als auch einer Erhaltungstherapie entweder mit einem Fluoropyrimidin allein, einem Fluoropyrimidin in Kombination mit Bevacizumab (Bev) oder die Gabe von Bev mono bzw. Cetuximab mono untersucht worden. In einigen Studien war die Reinduktion Teil der Behandlungsstrategie, in anderen wurde nur das PFS1 ermittelt. Aufgrund der unterschiedlichen Induktions- und Erhaltungsstrategien sind die Ergebnisse nur bedingt vergleichbar. Endpunkte Als primärer Endpunkt ist nur in 2 Studien Gesamtüberleben gewählt worden (Tab.1). 2 Studien haben das PFS ab Beginn der Induktionstherapie bis zur ersten Progression gewählt. In den anderen Studien ist PFS-1 (progressionsfreie Überleben von Beginn Maintenance-Strategie bis zur ersten Progression), die Duration of Disease Control, die Time to Failure of Strategy oder PFS2 (PFS von Beginn Maintenance bis zur zweiten Progression nach Reinduktion) gewählt worden. Diese Endpunkte unterscheiden sich nur geringfügig. (Chibaudel et al., JCO 2011, Allegra et al., JCO 2007). Randomisierungszeitpunkt Während in den älteren Studien die Patienten bereits zum Zeitpunkt des Therapiebeginns in die Studie eingeschlossen und in die verschiedenen Erhaltungsarme randomisiert worden sind, sind in der Studie der SAKK, der CARIO3-Studie und der AIO-KRK 0207 Studie nur solche Patienten einer Randomisierung zugeführt worden, bei denen als Ergebnis der Induktionstherapie mindestens eine 1 stabile Erkrankung erreicht worden war (Tab.1). Dieses Vorgehen garantiert, dass nur die Patienten für eine Maintenance-Strategie ausgewählt werden, die hiervon tatsächlich profitieren könnten. Die Zahl der Patienten, die nach Induktionstherapie tatsächlich einer Maintenance-Strategie zugeführt werden können, ist häufig zu optimistisch eingeschätzt worden. Eine Auswertung der spanischen MACRO-Studie (XELOX/Bev vs. Bev mono), in der bereits bei Behandlungsbeginn randomisiert worden ist, hat gezeigt, dass 52% der Patienten im XELOX/Bev-Arm und 46% der Patienten im Bev mono-Arm die Studie vorzeitig beendet haben. Die häufigsten Gründe hierfür waren Toxizität, ein operativer Eingriff, Patientenwunsch und Tod. In der Studie der Arbeitsgruppe Kolon/Rektum/Dünndarmkarzinom der AIO (AIOKRK 0207) wurden die Patienten bereits zu Beginn der Induktionstherapie registriert, so dass diese Studie die Behandlungsrealität am ehesten wiederspiegeln dürfte und die Gefahr der Patientenselektion geringer ist als bei den Studien der SAKK und CAIRO-3, bei denen erst nach der Induktionsphase eingeschlossen wurde. Die AIO 0207-Studie hat gezeigt, dass nur 42% der initial registrierten Patienten am Ende der 24-wöchigen Induktionstherapie tatsächlich randomisiert werden konnten. Gründe für das frühzeitige Ausscheiden waren Progression (35%), Metastasen-resektion (11%), unakzeptable Toxizität (15%), SAE (14%), Patientenwunsch (15%), Prüfarztentscheidung (8%) oder Tod (8%) (Mehrfachnennungen möglich). Chemotherapie und Deeskalationsstrategien In den meisten Studien ist während der Induktion ein Fluoropyrimidin in Kombination mit Oxaliplatin als Chemotherapie-Backbone zum Einsatz gekommen, wobei als wesentliches Ziel der Maintenance-Strategie eine Verminderung der Oxaliplatininduzierten Neurotoxizität genannt worden ist. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Oxaliplatin über einen Zeitraum >6 Monaten in der Regel nicht durchführbar ist. Die Deeskalation auf ein alleiniges Fluoropyrimidin oder ein Fluoropyrimidin in Kombination mit Bev ist generell akzeptiert und reflektiert die Behandlungsrealität. Ein Standard konnte bisher allerdings nicht definiert werden. Nur in einer Studie wurde FOLFIRI als Induktionstherapie gewählt. Im vergangenen Jahr wurden die Ergebnisse der CAIRO-3-Studie, der Dutch Colorectal Study Group sowie die SAKK-Studie der Swiss Group for Clinical Cancer 2 Research vorgestellt. Nach einer Induktion mit 6 Zyklen CAPOX-Bev wurde in der CAIRO-3 Studie randomisiert zwischen Capecitabin 625 mg/m² b.i.d. durchgehend plus Bev 7,5 mg/kgKG alle 3 Wochen versus Therapiepause. In der SAKK-Studie wurde nach 4-6 monatiger Induktion als Maintenance-Strategie Bev mono versus Therapiepause verglichen. Erste Ergebnisse der AIO 0207 wurden beim diesjährigen ASCO vorgestellt. Dies ist die erste Studie, die nach 24 wöchiger Induktion 3 verschiedene Erhaltungsstrategien miteinanderverglichen hat: FP/Bev versus Bev mono versus Therapiepause. Resultate SAKK, CAIRO-3, AIO-KRK 0207 Aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns ist eine direkte Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht möglich. Insbesondere ist zu erwähnen, dass sich die Studien nicht nur bezüglich der Dauer der Induktionstherapie und der Wahl der Erhaltungsstrategie sondern auch bezüglich einiger Patientencharakteristika unterscheiden. Alle 3 Studien haben jedoch einen aktiven Behandlungsarm gegen Beobachtung verglichen. Bezüglich der Zeit bis zur ersten Progression nach Beginn der Erhaltungstherapie konnte in allen drei Studien ein deutlicher Vorteil für die aktiven Behandlungsarme gezeigt werden. Das Ziel einer Deeskalationsstrategie, den Patienten eine möglichst lange, wenig toxische Therapiephase zu ermöglichen, kann sowohl durch die Kombination eines Fluoropyrimidins mit Bev als auch durch Bev mono erreicht werden. Der Stellenwert einer Reinduktion ist nur in der CAIRO-3 und der AIO 0207 untersucht worden. Eine Vergleichbarkeit ist durch die unterschiedliche Dauer der Induktionstherapie (18 versus 24 Wochen) nur bedingt möglich. Die längere Induktionstherapie mit Oxaliplatin in der AIO 0207 hat möglicherweise dazu geführt, dass im Vergleich zur CAIRO-3 signifikant weniger Patienten reinduziert werden konnten. In der CAIRO-3 haben 60% der Patienten im Beobachtungsarm und 48% der Patienten im Erhaltungsarm eine Reinduktionstherapie erhalten. Dies war in der AIO 0207 nur bei 21%, 43% und 45% der Patienten im Fluoropyrimidin/Bev-, BevMono- und Beobachtungsarm der Fall. Möglicherweise als Konsequenz der höheren Reinduktionsraten wurde in der CAIRO-3-Studie ein signifikanter Unterschied bezüglich des PFS-2 von 8,5 Monaten im Beobachtungsarm auf 11,7 Monate in 3 Erhaltungstherapiearm gesehen worden ist, während sich in der AIO 0207 der signifikante Vorteil im PFS1 in den beiden aktiven Behandlungsarmen nicht in einem klinisch relevanten Vorteil im TFS wiedergespiegelt hat. Bezüglich des Gesamtüberlebens zeigt in der Einzelbetrachtung keine der 3 Studien einen signifikanten Überlebensvorteil für die aktive Erhaltungsstrategie. Eine erste Metaanalyse der vor allem in Bezug auf die AIO 0207 noch präliminären Überlebensdaten favorisiert allerdings die Weiterführung von Fluoropyrimidin/Bev oder Bev mono im Vergleich zur Therapiepause. Das Gesamtüberleben ist in der AIO 0207-Studie mit ≥ 30 Monate ab Beginn der Induktion signifikant besser, als in den beiden anderen Studien. Der Unterschied beträgt für die aktive Erhaltungstherapie jeweils etwa 5 Monate. Dies dürfte unter anderem auf den unterschiedlichen Anteil an Anti-EGFR-Antikörpern in den nachfolgenden Therapielinien zurückzuführen sein, deren Einsatz für die holländischen Patienten zum Zeitpunkt der Durchführung CAIRO-3 Studie noch nicht verfügbar war. Fazit und Ausblick: Eine Deeskalation auf ein weniger toxisches Behandlungsregime (Fluoropyrimidin/ Bev oder Bev mono) ist möglich und geeignet, Oxaliplatin-assoziierte Toxizität zu reduzieren. Eine Behandlungspause hingegen verkürzt die Zeit bis zur ersten Progression signifikant. Sie sollte daher im Interesse der Patienten nicht empfohlen werden, da hierdurch die Zeit bis zur nächsten Therapieintensivierung (Reinduktion oder 2nd line) und somit dem Auftreten weiterer Nebenwirkungen und Belastungen für den Patienten deutlich verkürzt wird. Eine noch präliminäre Metaanalyse, die für das Gesamtüberleben durchgeführt wurde, zeigt ebenfalls eine Vorteil für die aktive Behandlung. Eine Reinduktion ist nur bei einer Minderheit der Patienten durchführbar. Eine Multivarianzanalyse aus der CAIRO-3-Studie lässt vermuten, dass Patienten mit einer CR/PR von einer aktiven Erhaltungsstrategie eher profitieren als Patienten mit einer stabilen Erkrankung. Die Multivarianzanalyse aus der CAIRO-3 suggeriert zudem einen Benefit für eine aktive Erhaltungsstrategie für synchron metastasierte 4 Patienten mit reseziertem Primarius. Diese Ergebnisse sind vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Folgetherapien höchstens Hypothesen-generierend und bedürfen der Überprüfung. Entsprechende Subgruppenanalysen für Patienten aus der AIO 0207 werden derzeit durchgeführt. Sobald die Ergebnisse vorliegen, sollten auch diese in eine Metaanalyse einfließen. Weiterhin gibt es zahlreiche offene Fragen, so beispielsweise die optimale Dauer der Induktionstherapie oder die Frage, ob die Daten auch auf eine Induktionstherapie mit Irinotecan übertragbar wären. Subgruppenanalyse müssen sowohl den Stellenwert des Remissionsstatus zu Beginn der Maintenance-Phase klären, als auch mit Hilfe von Multivarianzanalysen herausarbeiten, ob eine Resektion des Primarius oder eine synchrone bzw. metachrone Metastasierung prognostisch von Bedeutung sind. Die AIO überprüft derzeit den Stellenwert weiterer Erhaltungstherapiestrategien. In der PANAMA-Studie wird nach drei-monatiger Induktion mit FOLFOX/Panitumumab eine Erhaltungstherapie mit 5-FU/FA/Panitumumab vs Panitumumab mono geprüft. Die IMPALA-Studie überprüft nach einer 12-30 wöchigen bezüglich der eingesetzten Substanzen offenen Induktionstherapie den Stellenwert einer immunmodulierenden Erhaltungstherapie mit MGN1703, einem DNA-basierten TLR 9 Agonisten. Eingeschlossen werden nur Patienten, die nach der Induktionstherapie mindestens eine PR erreicht haben. Im Kontrollarm erhalten die Patienten eine Erhaltungstherapie, die nach Wahl des Prüfarztes erfolgt. 5 Tabelle 1: Übersicht relevanter Studien zur Deeskalation (n>200) Tournigand OPTIMOX1 JCO 2006 Chibaudel OPTIMOX2 JCO 2009 Labianca GISCAD Ann Oncol 2011 Induktionstherapie/ Dauer FOLFOX 6 Zyklen Erhaltungsstrategi e Primärer Endpunkt Randomisierung s-zeitpunkt Statistisches Design FOLFOX weiter vs 5-FU DDC Beginn Induktion Superiority FOLFOX 6 Zyklen FOLFOX weiter vs Behandlungspause DDC Beginn Induktion Superiotity FOLFIRI 4 Zyklen FOLFIRI weiter vs 2 Mon. Pause → 4 Zyklen→ 2 Mon. Pause etc. CAPOX/XELOX weiter vs Behandlungspause OS Beginn Induktion Non-Inferiotity OS Beginn Induktion Non-Inferiority Adams COIN Lancet 2011 CAPOX/XELO X 12 weeks Tveit NORDIC VII JCO 2012 FLOX / Cetuximab 16 weeks FLOX /Cetuximab weiter vs Cetuximab mono PFS Beginn Induktion Supeririority Diaz-Rubio MACRO Oncologist 2012 XELOX/Bev 6 Zyklen XELOX/Bev weiter vs Bev mono PFS Beginn Induktion Non-Inferiority Koeberle SAKK ASCO 2013 FOLFOX/Bev, FOLFIRI/Bev, 5FU/FA/Bev 16-24 Wochen XELOX/Bev 6 Zyklen Bev mono vs Behandlungspause TTP ab Maintenance Ende Induktion, CR/PR u. SD Non-Inferiotity Capecitabin/Bev vs Behandlungspause PFS-2 ab Maintenance Ende Induktion, CR/PR u. SD Superiority FP/Oxaliplatin /Bev 24 Wochen FP/Bev vs Bev mono vs Behandlungspause TFS ab Maintenance Ende Induktion, CR/PR u. SD (Registrierung zu Beginn der Induktion) Non-Inferiotity Koopman CAIRO3 ASCO 2013/ 2014 Arnold AIO-KRK 0207 ASCO 2014 FP, Fluoropyrimidin; DCC, Duration of Disease Control; TFS, Time to Failure of Strategy; TTP Time to Progression