Kevin Kuranyi: Nicht immer pflegeleichter Führungsspieler S04

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Kevin Kuranyi: Nicht immer pflegeleichter Führungsspieler S04
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SPORT
22. Dezember 2007
FC Schalke 04
Kevin Kuranyi: Nicht immer pflegeleichter Führungsspieler
Kevin Kuranyi wird bei Schalke 04 auch
verbal immer auffälliger. Er forderte
Verstärkungen und vier Siege bis Weihnachten. Das kommt nicht immer gut
an. Doch der 25-Jährige lässt sich nicht
den Mund verbieten und sieht sich auf
gutem Weg – zu einem nicht immer pflegeleichten Führungsspieler.
FRAGE: Sind Sie von Ihren Mannschaftskollegen schon mal als Streber gehänselt worden?
Kevin Kuranyi: Nein, warum?
FRAGE: Durch Ihre Forderung vor drei
Wochen, dass Schalke alle vier Spiele bis
zur Winterpause gewinnen will, haben
Sie ganz schön viel Druck aufgebaut.
Kuranyi: Ich glaube, wir wissen alle, dass
wir in dieser Saison schon so viele
Punkte verschenkt haben und dass etwas passieren musste. Außerdem haben
wir die Qualität, unter Druck erfolgreich
zu spielen.
FRAGE: War diese Aussage spontan oder
haben Sie sich vorher genau überlegt, was
Sie sagen?
Kuranyi: Ich hatte das Gefühl, dass wir
ein bisschen Druck brauchen, um wieder
in die richtige Spur zu kommen. Deshalb
habe ich mir gedacht, dass es vielleicht
helfen kann, wenn wir uns ein kurzfristiges, konkretes Ziel setzen. Ich glaube,
das hat uns gut getan. Bis jetzt sind wir
auf dem richtigen Weg, aber zweimal
müssen wir noch gewinnen.
FRAGE: Sie haben auch schon mehrfach
Verstärkungen gefordert und die Konkurrenzfähigkeit des Kaders damit angezweifelt. Manager Andreas Müller war
nicht begeistert.
Kuranyi: Aber er weiß genau, wie ich das
meine. Wir haben im Sommer gute Spieler geholt und haben auch eine sehr gute
Mannschaft. Aber wir hätten sechs bis
acht Punkte mehr holen können, sogar
müssen. Selbst wenn wir im Winter Verstärkungen bekommen werden, denke
ich, dass wir auch mit der jetzigen Mannschaft stark genug sind. Nur müssen wir
als Mannschaft erfolgreicher spielen.
FRAGE: Der ein oder andere Teamkollege
könnte vielleicht nicht so erfreut sein,
wenn Sie zusätzliche Konkurrenten fordern.
Kuranyi: Jeder hat seine Meinung. Aber
wenn ein Spieler Konkurrenz bekommt,
heißt das: Er muss besser werden. Deshalb habe ich auch für mich selbst Konkurrenz gefordert.
FRAGE: Viele waren überrascht, dass gerade von Ihnen solche Äußerungen kamen. Ihre Kritiker sehen Sie noch immer
als jungen Spieler mit Popstarimage, der
sich nicht sonderlich Gedanken über seinen Verein macht. Stört Sie das?
Kuranyi: Natürlich mache ich mir Gedanken, wie ich wahrgenommen werde.
An meinem Image gefällt mir einiges, anderes aber nicht. Wenn man mich als jungen Spieler sieht, der nichts sagen darf
und nur ruhig bleiben soll, dann sage ich:
Halt, diese Zeiten sind längst vorbei. Ich
bin jetzt in ein Alter gekommen, in dem
ich auch Verantwortung übernehmen
muss. Ich muss jungen Spieler helfen,
vorangehen und – wenn es sein muss –
auch mal etwas laut sagen. Aber das Wichtigste ist, dass ich meine Leistung bringe.
Sonst würde das nicht funktionieren.
FRAGE: Ist Ihnen die Wandlung zum
Führungsspieler schwer gefallen?
Kuranyi: Es ist eine ganz natürliche Entwicklung. Zuletzt habe ich gemerkt, dass
mittlerweile auch jüngere Spieler auf
mich schauen und von mir etwas lernen
wollen. Dem musst du gerecht werden.
FRAGE: Gab es ein spezielles Erlebnis,
das zu dieser Entwicklung beigetragen
hat?
Kuranyi: Viele, positive wie negative.
Und die haben nicht alle mit Fußball zu
tun, sondern auch mit familiären Entwicklungen. Ich bin mittlerweile verheiratet und Vater geworden. Da musst du
automatisch mehr Verantwortung übernehmen. In der Arbeit lernt man von Fehlern oder schaut sich von älteren Spielern
etwas ab. Besonders von unserem Kapitän Marcelo Bordon.
FRAGE: Ihre Leistungen werden mittlerweile sehr geschätzt. Das war speziell
nach ihrer Ankunft auf Schalke im Jahr
2005 ja nicht immer der Fall.
Kuranyi: Der Anfang hier war sehr
schwierig. Ich sollte mit Ebbe Sand jemanden beerben, der sehr viel erreicht
hat und sehr beliebt war. Von ihm konnte
ich auch viel lernen. Zum Beispiel, dass
man sich Anerkennung nur über Lestung holen kann. Damals ist mir das
Ehrgeizig: Schalkes Stürmer Kevin Kuranyi
nicht gelungen, dann kamen viele Pfiffe
und schwierige Phasen.
FRAGE: Der Tiefpunkt war die für Sie
überraschende Nicht-Nominierung für die
WM 2006.
Kuranyi: Das hat mich richtig runter gezogen. Aber ich habe auch damals die
Fehler immer bei mir selbst gesucht.
FRAGE: Als Sie zum FC Schalke 04 kamen, hatten die Fans Zweifel daran, ob
Sie sich mit dem Verein voll identifizieren.
Sie verkörperten all das, was im Ruhrgebiet skeptisch bewertet wird: Ein modebewusster Teenieschwarm, ein Star im Werbefernsehen. Haben Sie gelernt, dass Sie
sich „auf Schalke“ anders präsentieren
müssen?
Kuranyi: Nein. Ich musste mich nur als
Fußballer und Mensch zeigen. Es ist doch
völlig egal, was ich anziehe und was ich
für Werbung mache. Es war nur so, dass
sich die Menschen hier damals ein bestimmtes Bild von mir gemacht haben,
weil sie mich nicht kannten. Dieses Bild
hatten sie durch Informationen aus der
Zeitung oder aus dem Fernsehen. Dieses
Bild konnten sie mittlerweile korrigieren,
aber dazu mussten sie mich erst einmal
kennen. Ich habe Fantreffen besucht,
mich geöffnet. Da konnten die Leute sehen: Auf dem Platz gebe ich immer alles.
Und als Mensch bin ich nicht einbildet,
ich bin immer der gleiche geblieben.
FRAGE: Sie sind nach wie vor ein sehr
modebewusster Mensch. Obwohl man sie
zuletzt immer öfter bei Fernsehterminen
in Schalke-Sweatshirts oder mit SchalkeKappe gesehen hat. Ist das Teil einer neuen Image-Kampagne?
Kuranyi: Nein. Aber diese Sachen haben
zu meinen anderen Klamotten gepasst.
Oder hat das etwa nicht gut ausgesehen?
FRAGE: Doch, doch.
Kuranyi: Na also. Blau und Weiß sind
schließlich schöne Farben.
FRAGE: Es ist auffällig, dass Ihr Outfit
auch von seriösen Zeitungen immer wieder interpretiert wird. Als Sie die Siegesserie ankündigten, trugen Sie einen Vollbart. Sofort wurde der Zusammenhang
zwischen männlichem Aussehen und kernigen Sprüchen hergestellt.
Kuranyi: Ja, das hat mich auch amüsiert.
Dabei hatte ich eine zeitlang einfach keinen Bock, mich zu rasieren.
FRAGE: Glauben Sie heute, dass das Verpassen der WM für Sie im Nachhinein positiv war? Schließlich fanden Sie danach
schnell zu alter Leistungsstärke zurück.
Kuranyi: Es fällt mir schwer, das so zu sehen. Das war eine einmalige Chance. So
etwas gibt es im Leben kein zweites Mal.
Aber ich bin dadurch noch besser und
mental stärker geworden. Das wäre mir
vielleicht auch gelungen, wenn ich die
WM gespielt hätte. Aber Gott hat so entschieden.
FRAGE: Das hat wohl eher Jürgen Klinsmann entschieden.
Kuranyi: Ich denke, es gibt für alles im
Leben eine tiefere Bedeutung.
Peinlich!
S04-Adventskalender: Wo Schalke draufsteht, ist Werder drin
Oh, selige Weihnachtszeit? Nicht für die
Fans von Schalke 04. Die mussten in ihren Adventskalendern Grausiges entdecken: In freudiger Erwartung von Porträts ihrer Stars lächelten ihnen stattdessen die Spieler des SV Werder Bremen
entgegen.
„Wir waren total geschockt. Sofort haben
wir auch hinter die nächsten Türchen geschaut - überall kamen Bremer zum Vorschein“, zitiert die „Bild“-Zeitung einen
Schalke-Anhänger. Erste Reaktion der
Schalker Verantwortlichen: Der Adventskalender im Fanshop wurde mittlerweile
im Preis reduziert, kostet nun 1,50 Euro
statt 2,95 Euro.
Vertrieben wird der Fanartikel von der Firma „Produktwelt“. Deren Inhaber Chris-
tian Thoben erklärt den Fauxpas so: „Die
Kalender-Schachteln für Werder und
Schalke wurden in der Nähe von Mailand produziert. Dabei kam es leider zu einem Druckfehler.“ Unter rund 40.000 produzierten Schalke-Kalendern sollen sich
etwa 40 mit Abbildungen der Spieler des
grün-weißen Rivalen aus Bremen befinden, die die Betroffenen sofort umtauschen können, sagte Thoben. Als kleine Entschädigung für den Ausrutscher
winke noch ein Schoko-Nikolaus - wahlweise vom FC Schalke 04 oder Werder
Bremen.
Schalke-Manager Andreas Müller kann
über die Verwechslung offenbar schmunzeln und versicherte: „Keine Sorge - unterm Tannenbaum wird’s keine WerderSpieler geben.“
Trotz der Verwechslung gab es für die
Schalker Fans auch eine gute Nachricht:
Die Höchststrafe, Bilder ihres Erzrivalen
Borussia Dortmund, blieb ihnen erspart.