Zusammenfassung LÜCK Kapitel 4: Gegenwärtige Entwicklungen
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Zusammenfassung LÜCK Kapitel 4: Gegenwärtige Entwicklungen
Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 Zusammenfassung LÜCK Kapitel 4: Gegenwärtige Entwicklungen – Das Ende der Schulen? In der Gegenwart fühlen sich Psychologen und erst recht ganze Institute weitaus weniger einer bestimmten klassischen Schule zugehörig. Es fällt schwer, überhaupt markante Schulen in der Psychologie zu sehen und sich mit ihnen zu identifizieren. Natürlich fühlen sich einzelne Psychologen zu bestimmten Richtungen hingezogen, die ihnen für ihre Lehr- & Forschungsaufgaben besonders wichtig und nützlich erscheinen. Die Gründe für die rückläufige Bedeutung der Schulen sind vielfältig. Ein einfacher Grund: Der Ausbau der Psychologischen Institute von meist einem zu mehreren spezialisierten Lehrstühlen hat zur Pluralität der Lehrauffassungen innerhalb eines Instituts geführt. Bei einer Befragung von Psychologen erhielte man Hinweise auf viele informelle Netze zwischen ähnlich interessierten und ähnlich denkenden Psychologen verschiedener Einrichtungen. Gefördert werden diese Beziehungen in kleineren Forschergruppen durch Tagungen, Fachzeitschriften und direkte Kontakte zwischen Wissenschaftlern. Zu Umstrukturierungen hingegen führen Interessenverlagerungen, die Politik der Drittmittelforschung sowie Wegberufungen, so dass diese Netze selten längere Zeit Bestand haben. Was ist bei den meisten neueren Richtungen, die sich in den letzten 20 bis 30 Jahren gewisse Geltung verschafft haben, auffällig? Eines ist auffällig: Sie versuchen auf unterschiedliche Weise den Behaviorismus zu überwinden: Die kognitiv-psychologischen Richtungen, indem auf Wahrnehmung, Denken und Informationsverarbeitung abgehoben wird. Bei den kritisch-psychologischen Richtungen werden politisch-gesellschaftliche Einbindungen des handelnden Menschen herausgestellt. Bei den humanistisch-psychologischen Richtungen soll die Überwindung des Behaviorismus durch die Suche nach Möglichkeiten der Selbstverwirklichung des Menschen geschehen. Alle drei Richtungen fanden zeitlich parallel statt. Wichtige Vertreter der kognitiven Psychologie? George A. Miller Eugene Galanter Karl H. Pribram → s. Kognitive Wende („Plans and the structure of behavior“, 1956) 1 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 4.1 Kognitive Psychologie und Kognitive Handlungstheorien 4.1.1 Die Computer-Metapher Die Geschichte der Metaphern des Menschen zeigt, dass sich das Bild des Menschen über Jahrhunderte hinweg sehr geändert hat, innerhalb einer Epoche jedoch stets recht einheitlich war. Descartes verglich den Menschen mit einer Maschine: → Vorstellung vom „Räderwerk der Seele“ → mechanistisches Menschenbild (für z.B. Physiologie sehr nützlich) In der Romantik wurde die Seele mit Wasser(Dampf) verglichen: Goethe: „Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es, und wieder zur Erde muss, ewig wechselnd.“ Ende des 19. Jh.: Ende des 19. Jh. Entdeckung der Nervenfunktionen → Vergleiche mit Telefon & Radio → „Vom Schaltwerk der Gedanken“ (Buch) Im alltäglichen Sprachgebrauch ist der Roboter zur Metapher des Menschen geworden und der Computer zur Metapher menschlicher kognitiver Fähigkeiten. Die Computer-Metapher ist zu einem Denk- und Sprechmuster in der Psychologie, der Linguistik und den Kommunikationswissenschaften geworden. Gefahr Da Metaphern nicht nur Bilder und Analogien sind, sondern implizit handlungsleitend sein können, liegt in der Computer-Metapher eine Gefahr: Der Mensch erscheint als programmierbar & menschliche Schwächen sind nur Programmierfehler. Kognitionspsychologie = Kognitive Psychologie - Teilgebiet der Psychologie sowie der Kognitionswissenschaften Basiert auf der erkenntnistheoretischen Grundlage des Kognitivismus Beschäftigt sich mit der Kognition, insb. mit all jenen psychischen Vorgängen, die mit Wahrnehmung, Erkenntnis & Wissen zu tun haben Kognitivismus = eine der Hauptströmungen der Lerntheorien; zu unterscheiden vom Behaviorismus & Konstruktivsmus (Wikipedia) 2 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 4.1.2 Die sogenannte „Kognitive Wende“ Welche Bedeutung hat die Analogie zwischen Mensch und Computer? Die Analogie zwischen Mensch und Computer in unserer Zeit ist nicht nur Ausdruck unseres Zeitgeistes, sondern von erheblicher Bedeutung für die Psychologie selbst, Die Frage der Ähnlichkeit zwischen Gehirn und Computer stand bereits am Anfang einer Richtung innerhalb der Psychologie, die beträchtliche Bedeutung erhielt. George A.Miller, Eugene Galanter und Karl H. Pribram erhielten 1958 ein einjähriges Forschungsstipendium, das einen ausgesprochen intersdisziplinären Charakter hatteEs sollte u. a. geprüft werde, welchen Nutzen die Kybernetik* für die Psychologie hatte. Ergebnis war das Buch „Plans and the structure of behavior“, 1960. *Kybernetik = Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Mensch, lebenden Organismen & sozialen Organisationen; „Kunst des Steuerns“ (Wikipedia) Miller, Galanter und Pribram trafen folgende Annahmen über kybernetische Systeme und den Menschen: Kybernetische Systeme - haben Ziele (Sollwerte) - Verfügen über Wissen (Speicher) - Und verwenden zur Zielerreichung Pläne (Computerprogramme) So auch der Mensch, dessen Wissen von sich selbst und von sein seiner Umwelt von den o. g. Autoren als Bild bezeichnet wird. Die Autoren wenden das kybernetische Modell des Regelkreislaufs auf den Menschen an. → Der Mensch reagiert nicht nur auf Reize (Behaviorismus), sondern er hat Pläne, die er verfolgt; während des Handelns wird in einer Rückkopplungsschleife geprüft, ob der angestrebte Endzustand erreicht ist. → Menschliches Handeln wird als kompliziertes Netzwerk von Regelkreisen aufgefasst; kybernetische Blockschaubilder zur Veranschaulichung Auswirkungen? Der lange schwelende und durch experimentelle Untersuchungen nicht lösbare Streit, ob Verhalten eher als Resultat externer Bedingungen(v. a. Behaviorismus) oder interner Handlungsziele (v. a. Motivationstheorien & neuere Gestaltpsychologie) ist, schien auf elegante Art gelöst, indem interne Ziele und externe Bedingungen in eine anschauliches Modell integriert wurden. 3 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 Was versteht man unter „Kognitiver Wende“ in der Psychologie? Die Abkehr von der Modellvorstellung eines passiv reagierenden Menschen hin zu einem planenden, selbsttätig handelnden & wahrnehmenden Individuum wurde als „Kognitive Wende“ in der Psychologie bezeichnet. Aus psychologiegeschichtlicher Perspektive trifft die Bezeichnung „Wende“ eher für die amerikanische Psychologie als für die europäische, insbesondere die deutsche, Psychologie zu, in der wahrnehmungs-, gestalt-, ganzheits-, & denkpsychologische Strömungen stets stärkere Bedeutung hatten als in den USA. Psychologiegeschichtlich lassen sich noch ältere Vorläufer der kognitiven Psychologie ausmachen: Bewusstseinspsychologie (Wilhelm Wundt) Willenspsychologie (Narziss Ach) Denkpsychologie (Würzburger Schule) Sprach- & Ausdruckstheorie (Karl Bühler) Gestaltpsychologie Feldtheorie (Kurt Lewin) Psychologie des Problemlöseverhaltens (Duncker) Arbeiten über produktives & schöpferisches Verhalten (Wertheimer & Metzger) Sozialpsychologische Balance- & Dissonanztheorien Dennoch keine Verharmlosung des revolutionären Charakters der Kognitiven Wende! Viele traditionelle Bereiche erhalten durch die Hinzunahme der kognitionspsychologischen Konzepte eine neue Qualität, insb. die Lerntheorien, z. B. Skinners operante Konditionierung: → Die Person selbst nimmt nur Verstärkung wahr, sondern kann Reize auch in unterschiedlichem Maße als Belohnung/Bestrafung erleben → Belohnungen antizipieren → sich sogar selbst materiell/immateriell bekräftigen ⇒ man erkennt daran, wie begrenzt die früheren Lerntheorien sind Mit welchem forschungsmethodischen Problem ist die Kognitionspsychologie verbunden? Kognitionen können nicht unmittelbar aus dem Verhalten ersehen werden; sie müssen erschlossen oder sogar erfragt werden. Welche Teilgebiete/Grundlagen- und Anwendungsfächer erfasst die Kognitive Wende? Neben der Allgemeinen Psychologie erfasst die Kognitive Wende alle Teilgebiete der Psychologie bis hin zu den Anwendungsfächern. Die Kognitionspsychologie oder gar der Kognitivismus (s. o.) ist mit Beginn der 70er Jahre zur dominierenden –wenn auch nicht sehr geschlossenen- Richtung innerhalb der Psychologie geworden. 4 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 4.1.3 Psychologische Handlungstheorien = Ansatz, der zur Kognitionspsychologie gezählt werden kann, da in engem Zusammenhang mit der Arbeit von Miller, Galanter & Pribram ≠ Handlungsforschung (Aktionsforschung) i. S. v. Kurt Lewin! Russische Psychologen, insb. Sergej Rubinstein, stellten auf Grundlage marxistischer Handlungstheorien die Bedeutung zielgerichteter Tätigkeit des handelnden Menschen im gesellschaftlichen Leben heraus. → Tätigkeiten lassen sich in einzelne zielgerichtet Handlungen aufteilen. → Tätigkeit ist also hierarchisch organisiert und wird durch das Ergebnis bzw. Teilergebnis reguliert. Hauptgedanken psychologischer Handlungstheorien Weiterentwicklung in den 70er Jahren durch Winfried Hacker (Dresden) und Walter Volpert (West-Berlin) nunmehr mit direktem Bezug auf Miller, Galanter und Pribram als Modell der hierarchischsequentiellen Handlungsregulation und auf berufliche Tätigkeit angewandt. Die Vorstellung von Zielen, die von Menschen verfolgt werden, von Handlungsplänen, Teilzielen und Ergebniskontrollen erwies sich insbesondere für die Psychologie der Arbeit, des Sports, aber auch für die Psychotherapie als besonders geeignet, um die Struktur kognitiver Prozesse zu ermitteln & zu beeinflussen (z. B. durch Veränderungen im Arbeitsablauf). Berner Schule / Schule der naiven Handlungspsychologie teilt diese Auffassung Aber: Anders als bei Hacker & Volpert wird hier von Handlungen jeder Art ausgegangen und der Versuch der Entwicklung einer universell gültigen, möglichst voraussetzungslosen Theorie unternommen. Zahlreiche methodische Neuerungen, u.a. Selbstkonfrontationsmethode: Personen werden in einer Handlungssituation gefilmt, um danach bei Vorführung des in kurzen Abschnitten Handlungsabsichten, erinnerte Gedanken während der Handlung zu benennen. Diese Vorgehensweise erinnert an die Würzburger Schule. Aber nennenswerte Unterschiede in Zielsetzung, Art der Vpn, Instruktionen, Erfassungstechnik und Zeitpunkt der Befragung. 5 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 4.2 Kritische Psychologie Wie in jeder anderen Disziplin gehört es zur psychologischen Forschung gegenüber früheren Ansätzen, Theorien, Hypothesen und Befunden kritisch zu sein; daher darf es nicht überraschen, dass Wissenschaftler ihre eigenen Richtungen als „kritisch“ bezeichnet haben, z.B. Kritischer Rationalismus, Kritische Theorie, Kritische Theorie usw. Was ist den sog. kritischen Wissenschaftstheorien gemeinsam? Sie beziehen sich explizit oder implizit auf die Gesellschaftstheorie von Karl Marx (1818 1883). Der Kritische Rationalismus als eine von Karl Popper begründete Philosophische Denkrichtung ist von den kritischen Wissenschaftstheorien zu trennen! 1923: Errichtung des Instituts für Sozialforschung an der Universität Frankfurt, das sich zur Aufgabe gemacht hatte, Wechselwirkungen von Gesellschaft und Kultur (Philosophie, Literatur, Musik & Film) zu untersuchen. Hinzu kamen Studien zu Autorität und Faschismus. 1933: Schließung des Instituts durch die nationalsozialistische Regierung. Die führenden Mitglieder dieser Einrichtung wie Theodor W. Adorno, Erich Fromm, Max Horkheimer & Herbert Marcuse mussten ihre Studien in der Emigration fortsetzen. November 1951: Wiedereröffnung des Instituts in Frankfurt Frankfurter Schule: Versuch, die Gesellschaftstheorie von Karl Marx philosophisch, historisch und psychoanalytisch neu zu interpretieren, 1961 – 1965: Positivismusstreit Intensive wissenschaftstheoretische Diskussion zwischen Vertretern der Frankfurter Schule (Adorno, Marcuse & Jürgen Habermas) vs. Vertretern des Neopositivismus (Karl R. Popper & Hans Albert) → Popper & Albert bezogen sich auf den Jahrzehnte früher von Max Weber & Gustav Schmoller ausgetragenen Werturteilsstreit, in dem Weber die Trennung von Werturteilen und wissenschaftlichen Sätzen gefordert hatte. 6 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 → Die Vertreter der Frankfurter Schule hingegen stellten heraus, dass jeder Theoriebildung ein Erkenntnisinteresse vorausgeht (Habermas) & dass Theorien von Herrschaftsinteressen bestimmt und durchsetzt sind (Adorno). Forschung sei stets ein Teil der Gesellschaft; der Forscher könne sich daher nicht außerhalb seiner selbst stellen. Ihm bleibe nur die Möglichkeit, sein Verhältnis zur Gesellschaft, Forschung und Wissenschaft dialektisch mitzubedenken und emanzipatorisches Erkenntnisinteresse auf dem Wege des herrschaftsfreien Diskurses zu entwickeln (Habermas). Der sog. Positivismusstreit war eine in den 1960er-Jahren v.a. im deutschen Sprachraum (Westdeutschland, Österreich) ausgetragene Auseinandersetzung über Methoden und Werturteile (=die mehr oder weniger positive/negative Auszeichnung, die in der Stellungnahme einer Person bezüglich eines Objekts enthalten ist; sie geht häufig einher mit der mehr oder weniger ausdrücklichen Erwartung und/oder Aufforderung an Dritte, dieselbe Wertung als hinreichend gerechtfertigt mitzuvollziehen) in den Sozialwissenschaften. Der Positivismusstreit schließt an vorangegangene Kontroversen unterschiedlicher in der Soziologie an, wie den Werturteilsstreit und den Methodenstreit. Als Werturteilsstreit wird in der deutschen Soziologie & Nationalökonomie ein Methodenstreit bezeichnet um die Frage, ob die Sozialwissenschaften normativ verbindliche Aussagen über die von der Politik zu ergreifenden Maßnahmen treffen sollen bzw. ob politische Handlungen wissenschaftlich gerechtfertigt werden können. Der Positivismusstreit wird bisweilen auch als „Zweiter Methodenstreit“ bezeichnet. Auf der einen Seite standen die Vertreter des Kritischen Rationalismus wie Karl Popper und Hans Albert, auf der Gegenseite Vertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule wie Theodor W. Adorno. Einigkeit bestand zwar darin, dass bei einer wissenschaftlichen Theoriebildung Werturteile immer eine Rolle spielen, Adorno vertrat jedoch das Konzept der Totalität und Popper den Ansatz des Kritischen Rationalismus. Während der Kritische Rationalismus also vorschlägt, das Ziel der SoWi sei der Versuch, gesellschaftliche Probleme zu lösen und gesellschaftliche Missstände zu beseitigen, ist die Frankfurter Schule der Auffassung, dass das Ziel darin besteht, die der Gesellschaft zugrundeliegende Totalität auszumachen, die diese Probleme und Missstände ausmacht. (Wikipedia) In der Psychologie war der Positivismusstreit wenig beachtet worden, wohl hauptsächlich weil Psychologen Anfang der 60er Jahre damit beschäftigt waren, - die geisteswissenschaftliche Psychologie mit dem Neobehaviorismus amerikanischer Prägung zu überwinden - empirisch-analytische Forschungsmethoden zu erarbeiten & zu verfeinern - dieses Wissen auf verschiedenste psychologische Fragen anzuwenden Die Mehrheit der deutschen Psychologen war an wissenschaftstheoretischen Fragen weniger interessiert und fand sich implizit auf der Seite von Popper & Alber wieder (damals typische vorherrschende „liberale“ Psychologieauffassung). Die Verbindung zwischen der Wissenschaft Psychologie und der Gesellschaft stelle der Psychologe selbst dar, er habe frei & allein die Entscheidung zu fällen, welchem Ethos er sich verantwortlich fühlen solle (Hans Hörmann). 7 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 Diese, für weite Bereiche der Psychologie typische Auffassung lockte die Gegenargumente, wie sie im Positivismusstreit von Vertretern der Frankfurter Schule vorgebracht wurden, geradezu hervor. Es war v.a. Klaus Holzkamp (1927—1995) erarbeitete mit Mitarbeitern am Psychologischen Institut der FU in West-Berin eine wissenschaftliche Orientierung, die – zunächst von anderen als „Konstruktivismus“ bezeichnet- heute allgemein als „Kritische Psychologie“ bezeichnet (1972): → Forderung eines dialektischen Verhältnisses von Mensch & Gesellschaft (wie Frankfurter Schule, aber noch radikaler) → Psychologie ist als Einzelwissenschaft möglich, jedoch der marxistischen Gesellschaftstheorie zuzuordnen** ** andere marxistisch orientierte Autoren sehen die Psychoanalyse als brauchbare Theorie im Kontext marxistischer Gesellschaftstheorie (Holzkamp lehnte diese Position ab) Kritische Psychologen etikettieren sowohl die geisteswissenschaftliche als auch die neopositivistische Position als „Bürgerliche Psychologie“ und kritisieren diese in Grundlagen, Methoden und Anwendungen. Anfang der 70er Jahre hatten wissenschaftstheoretische Diskussionen breiten Raum eingenommen, inzwischen ist diese Diskussion abgeebbt. Vieles spricht für Annäherungen zwischen geisteswissenschaftlicher, kritischer und „bürgerlicher“ Psychologie. Kritische Psychologie Eine marxistische wissenschaftliche Denkschule im Bereich der Psychologie und anderer Sozialwissenschaften (in Abgrenzung zu den naturwissenschaftlich orientierten herrschenden Psychologieschulen, die methodisch ein experimentell-statisches Vorgehen zum Ideal erheben.) Des Weiteren sind diese Kritiker skeptisch gegenüber bürgerlicher, herrschender Lehre und nehmen für sich das Recht in Anspruch, Ansätze auch prinzipiell zu hinterfragen. Sie wurde etwa 1969 in West-Berlin am Psychologischen Institut der Freien Universität namentlich gefasst. (wikipedia) 8 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 4.3 Kritische Psychologie und Transpersonale Psychologie Bei den humanistisch-psychologischen Richtungen versuchen soll die Überwindung des Behaviorismus durch die Suche nach Möglichkeiten der Selbstverwirklichung des Menschen geschehen. 4.3.1 Humanistische Psychologie Zur Humanistischen Psychologie zählen Psychologen und Psychotherapeuten verschiedener Herkunft: „Der Mensch strebe nach Selbtsverwirklichung!“ „Der Mensch ist von Natur aus gut!“ Carl Rogers Sydney M. Jourard Abraham Maslow „Der Mensch strebt nach einem erfüllten Leben!“ Rollo May Fred Massarik Fritz Perls Charlotte Bühler Gemeinsam ist den Humanistischen Psychologen die Kritik an einer behavioristischen Psychologie, die aus dem Menschen bloß eine größere Ratte oder einen langsameren Computer macht. Zu entwickeln sei eine Psychologie, die das aktive Streben des Menschen nach einem selbsterfüllten Leben, nach Anerkennung & Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt stelle. In bewusster Ansetzung vom Behaviorismus, aber auch von der Psychoanalyse, versteht sich die Humanistische Psychologie als „dritte Kraft“ oder „dritter Strom“ der Psychologie. 1961: Gründung des Journal of Humanistic Psychology 1962: Gründung der Vereinigung American Association of Humanistic Psychological (Vorsitz: Abraham Maslow) 9 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 Die vier von der Vereinigung vertreten Thesen verdeutlichen die Unterschiede zur damals wie heute vorherrschenden „akademischen“ Psychologie: 1. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die erlebende Person. Theoretische Erklärungen & sichtbares Verhalten werden demgegenüber als zweitrangig angesehen. 2. Akzent liegt auf spezifisch menschlichen Eigenschaften wie der Fähigkeit zu wählen, der Kreativität, Wertsetzung und Selbstverwirklichung – im Gegensatz zu einer mechanistischen und reduktionistischen Auffassung des Menschen (Anm.: wie bei Descartes) 3. Auswahl der Fragestellungen & Forschungsmethoden erfolgt nach der Maßgabe der Sinnhaftigkeit – im Gegensatz zur Betonung der Objektivität auf Kosten des Sinnes. 4. Ein zentrales Anliegen ist die Aufrechterhaltung von Wert & Würde des Menschen, und das Interesse gilt der Entwicklung der jedem Menschen innewohnenden Kräfte & Fähigkeiten. Die Ursprünge der revolutionierenden Richtung „Humanistische Psychologie“ sind in den psychotherapeutischen und erziehungspsychologischen Erfahrungen der Begründer (s.o.) zu sehen. Die Überzeugungen, der Mensch sei von Natur aus gut und verfüge über Selbstheilungsheilungskräfte (Carl Rogers), er strebe nach einem erfüllten Leben (Charlotte Bühler) und nach Selbstverwirklichung (Abraham Maslow) sind typisch für die pluralistische amerikanische Gesellschaft, in der das Credo, der einzelne Mensch strebe nach Glück, sogar in der Verfassung verankert ist. Die Phase der Begründung der Hum. Psych. fällt in eine Zeit, in der - die vom Behaviorismus geprägte Psychologie an sichtbare Grenzen stieß - das pessimistische Menschenbild des späten Freud ebenfalls nicht mehr überzeugte 10 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 Bemerkenswert und ungewöhnlich ist Charlotte Bühlers Anteil an der Hum. Psych. : Sie hatte das Streben des Menschen nach einem erfüllten Leben bereits in ihrer Wiener Zeit (30 Jahre zuvor) in ihrer Psychologie des menschlichen Lebenslaufs (Entwicklungspsychologie) herausgestellt, beschäftigte sich nach erzwungener Emigration mit Psychoanalyse & Psychotherapie und wurde mit nun fast 70 Jahren zur Verfechterin einer neuen revolutionären Richtung. Die historischen Wurzel der Hum. Psych. sehen Bühler & Allen im Humanismus und dem Existentialismus; größere Ähnlichkeiten weist die Hum. Psych. jedoch zur Reformpadädogik (Pädagogik „vom Kinde aus“ ≙ Psychologie der erlebten Person) und zur Existenzphilosophie auf ⇒ Gemeinsam ist diesen 3 Richtungen die starke Betonung der Eigengesetzlichkeit menschlichen Denkens und Handelns, die Annahme dynamischer Kräfte im Individuum (≠ Behaviorismus: außerhalb des Individuums). Auch bei ihren Methoden greifen Hum. Psychologen explizit und implizit auf ältere Ansätze zurück. Auffällig ist die Nutzung phänomenologischer Methoden (wie von Edmund Husserl, Theodor Lipps, Ludwig Klages entwickelt) ⇒ Der Psychologe soll allem Seelischen ohne voreilige Deutung, Wertung oder Kritik mit derselben Aufmerksamkeit begegnen, was jedoch nicht mit distanzierter Gleichgültigkeit zu verwechseln sei. Im Gegenteil, zumal die Hum. Psych. der akad. Psychologie Methodenfetischismus vorwerfen und eine damit verbundene Verweigerung der Auseinandersetzung mit Alltagsproblemen. Sie selbst bemühen sich hingegen um eine teilnehmend-besorgte („Concerned“) Erkenntnishaltung. Wirkungsgeschichte: Man kann nicht von einem Durchbruch der Hum. Psychologie sprechen, aber viele neuere Richtungen der Psychotherapie und Beratung haben von der Hum Psych. profitiert. Die Methodenlehre ist nur wenig beeinflusst worden. Es gibt jedoch Tendenzen in der Psychologie, die nur bei näherer Betrachtung die Wirkungen der Humanistischen Psychologie erkennen lassen., z. B. FLOW (Mihaly Csikszentmihalyi, 1992-1999); sein Flow-Konzept weist unmittelbare Ähnlichkeit zu Konzepten der Selbstverwirklichung nach Maslow auf. 11 Sandra Fuchs Zusammenfassung LÜCK, Kapitel 4 WS 13/14 4.3.2 Transpersonale Psychologie Seit ca. Mitte der 60er Jahre hatte sich von den USA ausgehend eine psychologische Richtung entwickelt, die von ihren Vertretern als Weiterentwicklung der Humanistischen Psychologie und somit nach Behaviorismus, Psychoanalyse und Humanistischer Psychologie als „vierte Kraft“ gesehen wird. Abraham Maslow und Stanislaw Grof prägten den Begriff der Transpersonalen Psychologie. Dieser schien sich als Sammelbegriff für die sehr heterogenen Ansätze durchzusetzen, nachdem sich eine 1969 gegründete Zeitschrift mit dem Titel „Journal of Transpersonal Psychology“ als führendes Sprachorgan herausgestellt hatte. Anliegen der T. P. ist die Erforschung des Bewusstseins einschließlich bewusstseinserweiternder und verändernder Prozesse, wie insb. spirituelle Erfahrungen, Extase, Grenz- und Sterbeerfahrungen - Fragen, die bisher religiösen Traditionen vorbehalten waren. Auch die verwendeten Techniken, insb. Meditation und die Verwendung bewusstseinsverändernder Stoffe (Drogen), gehörten bislang kaum zum Repertoire der klinisch-psychologischen Praktiken. In ihren theoretischen Annahmen wird die T. P. gespeist von den Zielen der Humanistischen Psychologie, von östlichen Religionen & Psychologiesystemen wie Zen-Buddhismus, Yoga und Sufismus. Im Vergleich zur westlichen akademischen Psychologie hat die T.P. somit interkulturelle Züge. Aber auch aus den Theorien und Arbeiten der neueren NW schöpft die T.P. – gleichermaßen im Versuch der Abkehr vom kartesianischen Dualismus, d. h der Trennung zwischen res extensa und res cogitans, denn gegenwärtig stoßen auch die NW auf Grenzen dieses dualistischen Bildes, denn einzelnen Krankheitserreger verweisen auf ein kompliziertes Zusammenspiel physischer und psychischer Faktoren. Die T.P. hat also sowohl interkulturellen als auch interdisziplinären Charakter. „Diejenigen, die hiermit keine Erfahrungen und Kenntnisse verbinden, neigen dazu, die T. P. insgesamt und pauschalisierend als regressive Flucht ins Magisch-Mystisch-Spirituelle zu etikettieren, sie als Ausdrucksform der schillernden New-Age-Bewegung und ihres esoterisch eingefärbten Psychomarktes zu halten…“ (Dorst, 1989) Die T.P. löste bei der akademischen Psychologie noch weniger Begeisterungsstürme aus als die Humanistische Psychologie. Alle drei Richtungen fanden zeitlich parallel statt ! 12