Geschichte der Gebrüder-Grimm

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Geschichte der Gebrüder-Grimm
Geschichte der Gebrüder-Grimm-Schule
Ein
Blickwinkel,
30 Jahre
Unterschied
Die "neue Schule" an der Grimmstraße
Als Ende des 19. Jahrhunderts das Jobster Schulhaus zu klein wurde, baute
Erlenstegen eine "neue Jobster Schule", etwa auf halbem Weg zwischen dem
Dorf und der Jobster Kirche, an der "Grimm-Straße".
Als der Rohbau stand, kam ein Ereignis dazwischen. Am 1. Januar 1899 wurde
die politische Gemeinde Erlenstegen der Stadt Nürnberg "einverleibt". Im
Erdgeschoss des neuen Schulgebäudes waren 4 Schulsäle geplant. Im
Obergeschoss dementsprechend vier Lehrerwohnungen. Die Stadt Nürnberg
stellte keine Lehrerwohnungen und machte daraus ebenfalls Schulzimmer.
Statt der "etwas beschränkten Holztreppen", die vorgesehen waren, baute die
Stadt steinerne Treppen ein. Am 1. September 1899 wurde das neue
Backstein-Schulhaus in der Grimm-Straße bezogen.
Die Simultanschule" und die "hiesigen Lehrer Düll senior et junior"
Schulleiter war und blieb auch im neuen Schulgebäude an der Grimmstraße
Sebastian Düll. 1899 war er 59 Jahre alt. Auch sein Sohn Christoph Düll war
nun Lehrer an derselben Schule. In den heftigen gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen der Zeit erfahren wir auch etwas über die Gesinnung der
Jobster Lehrer. Durch die Eingemeindung wurde die neue Schule an der
Grimmstraße "Simultanschule" oder "Gemeinschaftsschule". Im Unterricht zur
"Bekenntnisschule" wurden hier die Klassen konfessionell gemischt. Im März
1899 war deshalb an die Eltern der neu eingemeindeten Dörfer ein gedruckter
Aufruf verteilt worden. Er wandte sich gegen die Bekenntnisschule und warb für
die Simultanschule, wo sich "von selbst Achtung vor den Anschauungen
Andersdenkender lehrt". Aus St. Jobst und Erlenstegen finden sich 29 Namen
unter dem Aufruf. Auch die beiden Jobster Lehrer Sebastian Düll und Christoph
Düll hatten ihre Namen in der Reihe der Befürworter abdrucken lassen. Obwohl
dienstlich und persönlich ihrer lutherischen Kirche eng verbunden, wandten sie
sich als engagierte Pädagogen gegen die konfessionelle Spaltung der
Bevölkerung. Die Zuzüge hatten viele Katholiken in das ehemals rein
evangelische Nürnberg gebracht.
Das "rote Nürnberg" war gekennzeichnet durch die Auseinandersetzung
zwischen den traditionell-bürgerlichen Kreisen und der sozialdemokratisch und
kommunistisch
geprägten
Arbeiterschaft.
Bei
der
Wahl
einer
"Kirchengemeinderepräsentation" sorgten die Arbeiterkreise 1902 für einen
überraschenden Sieg ihrer Kandidaten. In der Sitzung der "Kirchenverwaltung"
danach erklärte Pfarrer Wolfgang Schornbaum zu diesem " nicht geahnten
Ausfall" der Wahl, "daß die Sache ärger laute als sie ist.....Nur das eine sei
bedenklich, dass die 3 hiesigen Lehrer Düll senior et junior und Assmann auch
7 Sozialisten wählten!" Im Unterschied zum Herrn Pfarrer waren die drei
Jobster Lehrer so offen eingestellt, dass sie Sozialisten ihre Stimme gaben, die
für das kirchliche Gremium kandidiert hatten.
Mit 72 Jahren ging Oberlehrer Düll 1912 in Ruhestand. Als geachteter Senior
und als Persönlichkeit der Gemeinde lebte er in der Winzelbürgstr. 3. Es folgte
der I. Weltkrieg. Die Glocken von St. Jobst mussten als Rüstungsmetall
abgeliefert werden. Gravierender war, dass 57 der ehemaligen Schüler "für`s
Vaterland den "Heldentod" starben. 1924 konnte St. Jobst neue Glocken
beschaffen. Dem 84-jährigen Oberlehrer Düll wurde die Ehre zuteil, bei ihrer
Einweihung zu sprechen. Er legte ein Schiller-Zitat zugrunde: "Das Alte stürzt
und neues Leben steigt aus den Ruinen". Wie der Turm mit seinen Glocken nun
wiederhergestellt sei, so sei er der felsenfesten Zuversicht, "daß auch der
Aufbau unseres schwer darniederliegenden und geknechteten deutschen Volkes
kommen müsse". Gemeint war der Versailler Vertrag. Auf einer Postkarte von
der Glockenabholung am Ostbahnhof ist Düll unter den Honoratien zu sehen:
Hochgewachsen, mit schlohweißen Haupt-und Barthaaren, vom Alter nur wenig
gebeugt. Ein Jahr später wurde eine neue Orgel eingeweiht. Der Chor sang ein
von Düll verfasstes Lied, vierstrophig und gefühlsbetont: " O mein Jesu liebe
mich....!"
Sebastian Düll verstarb 1932 im 92 Lebensjahr. Christoph Düll verstarb 1946.
Übrigens gab es ab 1930 wiederum eine unmittelbare Nachbarschaft von Kirche
und Schule in der Grimm-Straße. Die Kirchengemeinde erwarb dort einen
"Jugend-und Gemeindegarten". Mit einer Holzbaracke versehen, diente er als
Gemeindetreffpunkt bis in die 50-er Jahre, denn an St. Jobst selbst gab es
außer Kirche nur das Pfarrhaus und einen Gemeinderaum.
Die Lehrer-Häuser in der Dahlmannstraße und Oberlehrer Theodor
Jubitz
Oberlehrer Sebatian Düll musste um das "Weihnachtssinge-Geld" noch
prozessieren. Es ging auf einen allgemein verbreiteten historischen Brauch
zurück, in dem Lehrer und Schüler in den Gehöften sangen. Nun gehörte es als
Geldzahlung zum Gehalt. In der übernächsten Generation war das Einkommen
zwar gesichert, aber noch schmal. Doch das Ansehen der Lehrer war gestiegen,
so dass sie in gutbürgerliche Familien einheiraten konnten. So konnten drei
junge Lehrer bauen, nämlich an der Dahlmannstraße, damals freies Feld mit
günstigen Preisen. Theodor Jubitz, Heinrich Adam Pfälzner und Stephan Nusselt
errichteten 1910 die schönen Anwesen Nr. 11-15 auf dem Grund beim
Spitalhof. Mit Theodor Jubitz begegnen wir dem weiteren Beispiel einer
Lehrerpersönlichkeit unseres Stadtteils, nun in der ersten Hälfte unseres
Jahrhunderts. Johann Jakob Theodor Jubitz, geboren 1877 in Offenhausen,
wuchs als Lehrer- und Kantoren-Sohn in Rasch auf. Er besuchte das
Lehrerseminar in Altdorf. Sein gutes Abschlusszeugnis von 1895 enthält die
Bemerkung: "Sein ganzes Wesen muß noch etwas Gesetzters bekommen". Bei
der Anstellungsprüfung 1899 belegte er unter 70 Kandidaten den 10. Platz. Zu
den Fächern gehörten auch Orgel, Klavier, Violine, die Gemeinde-Schreiberei
und der Kirchendienst.
Er wurde "Schulprovisor" in Eschenau und heiratete die dortige Bäckerstochter.
Eine Tochter wurde geboren. Sie besuchte später die "Simultan-Schule St.
Jobst" (die Grimm-Schule), dann die "Höhere Töchterschule". Nach ihrer
Ausbildung am "Kindergärtnerinnen-Seminar Lohmann" heiratete sie 1929 den
"Stadtvikar" Arno Grießhammer. Zurück zu ihrem Vater: 1903 wurde er in
Nürnberg zum "Volksschullehrer" ernannt. 1911 wurde er "Hauptllehrer",
musste aber wieder auf dem Land unterrichten, in Rasch, wohin er zeitlebens
Verbindung hielt. Ein Klassenfoto zeigt ihn mit 33 "Knaben", vermutlich in
Rasch. Er nahm am I. Weltkrieg teil und überlebte. In Frankreich wurde er
beim Fronteinsatz verwundet und als Leutnant der Reserve entlassen.
Dieses Foto zeigt ihn als "Oberlehrer" an
der Grimmschule mit der gemischten
6/7 Klasse 1930/31.
Wie es sich für einen engagierten Lehrer damals gehörte, versah er
Ehrenämter: Er leitete den "Veteranen-Verein Erlenstegen". Er war
Vorsitzender des "Obst-und Gartenbauvereins Stadt und Landkreis Nürnberg".
Und er gehörte dem Vorstand der Raiffeisenkasse und der Bayerischen
Beamtenbank an. 1932 war er 55 Jahre alt und musste wegen Krankheit seine
Ehrenämter niederlegen. Zuletzt unterrichtet er an der 1933 eingeweihten
"Hermann-Göring-Schule", heute die "Oedenberger-Schule", wo ihn 1940 ein
Foto mit 46 Mädchen zeigt. Anfang 1942, in Kriegszeiten, wurde er zum
"Rektor" ernannt und Ende des Jahres mit 65 in Ruhestand versetzt. Er
verstarb 1953. In der Dahlmannstraße 13 wohnt heute eine Urenkelin mit
Familie.
Die Grimm-Schule seit dem II.Weltkrieg
Von 1920 bis 1930 umfasste die Grimm-Schule 7 Klassen. Die 8. Klasse war in
der "Bismarckschule" untergebracht. Ab 1943 waren viele Kinder wegen der
Bomben auf dem Land "evakuiert". Die übrigen gingen in die "Hermann-GöringSchule" an der Oedenberger Straße. In der Grimm-Schule wurden ausländische
Zwangsarbeiter einquartiert. Gedenken wir auch der ehemaligen Schüler, die
"für das Leben" lernten und Opfer des Krieges wurden. Nach dem Krieg, als
viele Gebäude erst wieder aufgebaut werden mussten, befand sich in der
Grimm-Schule bis 1949 die "Handelsschule für Mädchen". Bis 1957 waren die
1. und 2. Klasse Volksschule und gleichzeitig das städtische Konservatorium
untergebracht, akustisch eine interessante Kombination. Ab 1957 waren alle
Räume wieder "Volksschule". 1957/58 wurde die Schule auf die Jahrgänge 1-4
reduziert, die Klassen jedoch doppelt geführt. Eine wesentliche Erweiterung
erfuhr die Schule 1979/80. Das historische "Abortgebäude" im Schulhof musste
einem umfangreichen Neubau weichen. Die Betonarchitektur dieses Querflügels
bildet mit dem Altbau eine gelungene Einheit. Der neue Trakt enthält im
Erdgeschoss eine Eingangshalle, die zugleich als Aula dient. Außerdem mussten
die Kinder nun zum Turnen nicht mehr in die Oedenberger Schule. Eine eigene
Turnhalle samt Sportanlage durfte nicht fehlen.
Ende der 90-er Jahre ist die Situation wieder von Raumnot gekennzeichnet, da
teilweise dreizügige Klassen nötig wurden. Außerdem wird wegen der häufigen
Berufstätigkeit beider Eltern oder Alleinerziehender eine "Hausaufgabenbetreuung" durchgeführt. Ein aktiver Elternbeirat und die Schulleitung wirken
schon seit dem Umbau in all diesen Initiativen zusammen.
"Ab in die Pause!" sage ich zu den Viertklässern, wenn sie nach dem Klingeln
noch im Klassenzimmer bleiben. Normalerweise vergnügen sich alle gerne im
Schulhof. Seine Hecken und wunderbaren Bäume tragen viel zur Atmosphäre
der Schule bei. Drei Eichen, eine Linde und ein Ahorn wurden 1899 gepflanzt
und bilden einen grünen Dom. Inzwischen wurde der Hof asphaltiert. Die
Bäume, mit Lochsteinen umgeben, haben es ertragen. Ein Brunnen mit dem
"Frosch-König" und goldener Kugel wurde 1990 gestiftet. Er erinnert an die
Märchen, die die Erforscher der deutschen Sprache, Jakob und Wilhelm Grimm
gesammelt und überliefert haben. Vor 100 Jahren wurden sie zu den
Namengebern der neuen Straße. Mit dem Brunnen wurde die "Grimm-Schule"
auch richtig zur "Gebrüder-Grimm-Schule". Wer es zunächst übersieht, hört es:
Die Backsteinarchitektur des Altbaus krönt ein sechseckiges Uhrentürmlein.
Einst mussten die Schulmeister morgens und abends die Kirchturmuhr
aufziehen, ein Stück ihres täglichen Brotes. Auch auf dem Jobster Dachreiter
befand sich von 1585 bis 1943 eine Uhr. In der Schule an der Kirche und im
"neuen Schulhaus" auf der gegenüberliegenden Straßenseite, konnten Lehrer
und Schüler die Uhr auf dem Turm ablesen und ihren Glockenschlag hören. Als
sich die Schule aus dem Umfeld der Kirche löste, erhielt sie mit Recht ihre
eigene Uhr. Das war praktische Notwendigkeit. Aber wie gut ist es, wenn an
einer Schule nicht nur die Klingel schrillt, sondern eine Uhr die Stunden schlägt.
Sie sagt uns die Zeit an und ihren Wandel, nunmehr seit 100 Jahren und am
Übergang in ein neues Jahrtausend.
Pfr. Walter Steinmaier (1999)