Romanvorstellung zu Robert Schneiders „Schlafes Bruder“

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Romanvorstellung zu Robert Schneiders „Schlafes Bruder“
Note: 13 Punkte
Fach: Deutsch
Autor: Frodo Beutlin
eMail: [email protected]
Romanvorstellung zu Robert Schneiders
„Schlafes Bruder“
Inhaltsverzeichnis
Biographische Auskünfte über Robert Schneider...........Seite 2
Inhaltsangabe.......................................Seite 2,3,4
Interpretationenvergleich.............................Seite 4,5
Literaturverzeichnis....................................Seite 6
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Note: 13 Punkte
Fach: Deutsch
Autor: Frodo Beutlin
eMail: [email protected]
Biographische Auskünfte über Robert Schneider:
Robert Schneider wurde am 16. Juni in Bregenz, Österreich, geboren
und wuchs als Adoptivsohn eines Landwirts in Meschach, einem
Bergdorf mit 57 Einwohnern in den rheintalischen Alpen, auf. In
Meschach waren die Bedingungen äußerst kärglich; es gab keine
Bücher, keine Kunst, nur einen schlecht spielenden Dorforganisten.
Nach dem Abitur 1981 am Bundesgymnasium Feldkirch studierte
Schneider Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft, entschloss sich
aber 1984 Schriftsteller zu werden und brach 1986 alle Studien ab,
um in sein Heimatdorf zurückzukehren.
Dort schrieb er innerhalb von sechs Monaten sein Romandebut
„Schlafes Bruder“, welcher auf verschiedenen Ebenen Anklänge an
seine eigene Biographie enthält. Das Manuskript wurde von 23
Verlagen (21 Verlagen1) abgelehnt, bevor es, nach anderthalb Jahren,
beim Verlag Reclam Leipzig mit einer Auflage von 4000 Stück
herausgebracht wurde. Innerhalb kürzester Zeit avancierte der Roman
zu einem Stück Weltliteratur. „Schlafes Bruder“ war das Ereignis der
Buchherbstes 92. Mit zahlreichen internationalen Preisen bedacht und
in 24 Sprachen übersetzt, war der Roman ab 1993 daneben auch als
Balettfassung auf der Bühne des Pfalztheaters Kaiserslautern zu
erleben.
1991 schrieb Schneider sein erstes Bühnenstück: „Dreck“. In den
folgenden Jahren bekam Schneider mehrere Literaturpreise.
Unter enormem Erwartungsdruck arbeitete er 1996 an seinem zweiten
Roman, der vom Karl Blessing Verlag Ende 1997 veröffentlicht wurde.
Auf „Die Luftgängerin“ reagierte die Literaturkritik mehrheitlich
mit Enttäuschung. Dessen ungeachtet rückte das Werk jedoch schnell
in die Bestsellerliste.
Schneider lebt heute im Haus seiner verstorbenen Zieheltern und hat
einen Wohnsitz in New York.1, 2
Inhaltsangabe
Der Roman„Schlafes Bruder“(1992,1994,1998) von Robert Schneider
erzählt Anfang des neunzehnten Jahrhunderts die fiktive Geschichte
des genialen Johannes Elias Alder aus dem vorarlbergischen Dorf
„Eschberg“, dessen verstocktes und konservatives Umfeld seine
Begabung weder erkennt noch fördert und sie deshalb verkommen lässt.
Am 24. Juni 1803 wird Johannes Elias Alder als Sohn des Dorfbauern
Joseph „Seff“ Alder und seiner Frau Agathe, der „Seffin“, geboren.
Dass sein wirklicher Vater der Dorfpfarrer Eschbergs, Kurat Elias
Benzer, ist, wird angedeutet. Zweiundzwanzig Jahre später stirbt
Johannes Alder, nachdem er sieben Tage nicht geschlafen hat, an
Atemlähmung. Ihm zur Seite steht sein Cousin Peter Elias Alder, fünf
Tage später geboren, der Johannes’ besondere Begabung intuitiv
erfasst. Johannes entdeckt mit fünf Jahren, dass er eine besondere
Wahrnehmungsfähigkeit besitzt. In einer ausführlich beschriebenen
Vision hört und sieht er „das Universum tönen“(S.34). Das heißt,
sein Hörsinn hat sich in einem unvorstellbaren Maß vervielfacht, so
dass er beispielsweise „das Rauschen im Haar der Tierfelle“ oder
„das dumpfe Schaben von Textilien auf Menschenhäuten“(S.37) zu hören
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Munzinger - Archiv
Magret Möckel, Erläuterungen von Robert Schneider Schlafes Bruder
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vermag.
Begleitet
wird
das
Hörwunder
von
Deformationen
und
Mutationen des kindlichen Körpers. Bleibende Veränderungen sind die
gelben Pupillen in seinen Augen, die frühzeitige Pubertät und die
Bassstimme. Auch kommt ihm dabei erstmals „das Herzschlagen jenes
Menschen, der ihm seit Ewigkeit vorbestimmt war“(S.38), zu Ohren:
der embryonale Herzschlag seiner noch ungeborenen Cousine Elsbeth,
Peters Schwester. Seither gilt ihr die unausgesprochene Liebe des
Johannes.
Aufgrund seiner körperlichen Missbildungen wird das Kind, besonders
von seiner Mutter, als besessen angesehen und von den anderen
ferngehalten. Zwei Jahre lang wird Elias im Bubengaden eingesperrt
und von den anderen Kindern Eschbergs vor dem Fenster seines
Gefängnisses verhöhnt. Nur zu Peter, der ständig unter seinem
Gefängnis steht, ohne ihn zu beleidigen, entwickelt sich eine
stumme, aber enge Beziehung. Die gesamte Kindheit des Elias ist
gekennzeichnet durch Unverständnis und Ablehnung, selbst durch die
Eltern und den älteren Bruder Fritz. Einziger Lichtblick in dieser
Zeit ist die Geburt Elsbeths, deren Herzschlagen er jubelnd als
„Klang der Liebe“(S.52) bezeichnet.
Mit zehn Jahren gleicht er mit seiner Bassstimme und Bartwuchs einem
erwachsenen Mann, die geistige Entwicklung und seine Körpergröße
entsprechen hingegen seinem wahren Alter.
Schon
bald
lernt
Elias
sein
außergewöhnliches
Hörvermögen
einzusetzen. Da er seine Bassstimme, die ihm mit seinen zehn Jahren
überall im Dorf nur Missgunst und Verachtung einbringt, hasst,
versucht er seine Stimme zu modulieren und ihr einen anderen Klang
zu verleihen. Nach langem und stetigem Üben ist er in der Lage,
seiner Stimme einen weichen, warmen Ton zu geben.
Vom Orgelspiel fasziniert, bringt er es sich binnen einer Nacht
selbst bei.
Am
24.
Dezember
1815,
als
fast
alle
Eschberger
in
der
Weihnachtsmesse sind, bricht im Dorf ein verheerendes Feuer aus.
Elias gelingt es, Elsbeth aus dem brennendem Gehöft ihres Vaters vor
dem Feuer zu retten und spürt dabei wieder ihren Herzschlag.
Während die Eschberger die Brandnacht im Frühling erfolgreich
verdrängen oder schon fast wieder vergessen haben, entfremdet sich
Johannes Elias innerlich immer mehr von seiner Familie und seinem
vorher so geliebten Vater.
Bei häufigen, nächtlichen Ausflügen in die Kirche, in der die Orgel
Eschbergs steht, perfektioniert er sein Orgelspiel. Das und seine
Gedanken an Elsbeth bieten ihm in dieser Zeit Trost sowie Rückhalt.
Als ein Schauprediger in dem Dorf auftritt, fühlt sich Elias
besonders von der Aussage berührt, dass man keine Stunde seines
Lebens mit Schlaf zubringen dürfe („Wer schläft, liebt nicht!“
S.103), um einen Menschen immer zu lieben.
Krank vor Liebe zu Elsbeth, fasst er den Entschluss um ihre Hand
anzuhalten. Dieser Plan wird aber dadurch zerstört, dass Peter ihm
die Schwangerschaft Elsbeths von Lukas Alder, einem anderen Verehrer
aus dem Dorf, verkündet.
Auf diesen Beweis der Sinnlosigkeit aller Hoffnung, wendet Elias
sich von Gott ab. Voller Schmerz über die Unmöglichkeit der Liebe zu
Elsbeth geht er in dieser Nacht in die Kirche und klagt Gott an.
Seine anfängliche Trauer steigert sich in rasende Wut, bis ihm die
Vision eines wehrlosen, zerlumpten und von Wunden übersäten Kindes
erscheint. Er ahnt, dass ihm Gott in Gestalt dieses Kindes begegnet.
Am darauffolgenden Morgen wird er ohnmächtig in der Kirche
aufgefunden. In dieser Nacht hat er seine ursprüngliche grüne
Augenfarbe anstelle der gelben zurückerlangt. Dies ist das äußere
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Zeichen dafür, dass Gott Elias von der Liebe zu Elsbeth befreit hat
(S.149). Selbst als diese heiratet, bleibt er davon ungerührt.
Als eines Tages der Domorganist zu Feldberg, der nächst größeren
Stadt bei Eschberg, in dem Auftrag in das Dorf kommt, eine Zählung
sämtlicher Orgeln des Landes vorzunehmen, findet er eine nur
fünfstimmige Orgel und den „grandiosesten Organisten“ (S.161) , den
er jemals gehört hat. Er lädt Elias, begeistert von dessen schier
unmöglichem Können, zu einem Orgelwettbewerb nach Feldberg ein.
Dort muss ihm, da er nicht imstande ist, Noten zu lesen, lediglich
die Melodie des Kirchenliedes, über das er spielen soll, gezeigt
werden. Er ist von vornherein von dem Choral „Kömm, o Tod du
Schlafes Bruder“ (S.173) gefangengenommen und stellt in seinem Spiel
seine Vorgänger völlig in den Schatten. Elias bietet mit seiner
Improvisation einerseits eine Auseinandersetzung mit dem Tod,
andererseits auch ein Resümee seines bisherigen Lebens. Mit diesen
für unmöglich gehaltenen Kombinationen und Konstellationen der
einzelnen Akkorde versetzt er seine Zuhörer in eine Art Hypnose
(S.178), die die Zeit vergessen macht. Nach mehr als zweistündigem
Spielen endet Johannes Elias körperlich völlig erschöpft und erntet
tosenden Applaus. Er wird zum Sieger dieses Wettbewerbs gekürt und
alle
anwesenden
Musikprofessoren
sind
von
seiner
Genialität
begeistert.
Elias selber tritt mit Peter den Heimweg an und beschließt, sein
Leben neu und ohne zu schlafen zu leben. Er glaubt, dass Gott ihm
Elsbeth verweigert, weil er sie nur halbherzig geliebt habe, denn
während des Schlafs habe er sie nicht lieben können.
Peter wird Zeuge eines langen und qualvollen Selbstmordes, bei dem
sich Elias mit Hilfe von stimulierenden und berauschenden Substanzen
aus dem Wald sieben Tage und sieben Nächte lang wach hält. Am
siebten Tag vervielfacht sich sein Gehör noch einmal bis zur
Aufnahme kleinster Schwingungen, bevor er am 9. September 1825 an
einer
Atemlähmung,
hervorgerufen
durch
eine
Überdosis
an
Tollkirschen, stirbt.
Peter beerdigt seinen Freund am darauffolgenden Tag.3
Interpretationenvergleich
Das zentrale Thema des Romans ist der Tod. Die Themen Genialität,
Musik und Liebe sind eng mit diesem verknüpft und scheinen in ihrer
Kombination nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Bei näherer
Betrachtung aber, schneidet Robert Schneider damit einen Trend
unserer Zeit an. Das rationale Denken weicht zunehmend der
Bereitschaft, emotionale Komponenten mit einzubeziehen. So findet
man in der heutigen Zeit selbst in der Wissenschaft eine veränderte
Denkweise, bei der das traditionsgemäße, nachprüfbare Denken der
affektierten Bewertung untergeordnet wird. Darin begründet der
Verleger des Romans vom Reclam Verlag Leipzig den Erfolg des Buches.
Dieser hält ihn aus diesen Gründen „für die neunziger Jahre des 20.
Jahrhunderts maßgeschneidert“.4
Gründe für die Ablehnung des Romans von über zwanzig Verlagen zu
finden, fiele leicht. Stilistische Missgriffe, peinliche Phrasen,
vor
allem
aber
inhaltliche,
insbesondere
rechnerische,
Unstimmigkeiten wären reihenweise zu benennen. Das Geheimnis des
überraschend großen Erfolges liege im Schluss des Buches. Bis zu der
3
Robert Schneider, Schlafes Bruder
4
Rainer Moritz, Über Schlafes Bruder
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Entscheidung Elias’, nicht mehr zu schlafen, wäre die Geschichte als
bäuerliche Dorfgeschichte, als Liebesgeschichte, als Geschichte
eines verkannten Genies, als Schilderung eines Irrsinns, als
Märtyrerdrama oder als Parabel von der Macht der Musik lesbar. Erst
durch den Tod des Johannes werden diese Möglichkeiten einer
schlichten Vereinheitlichung zugeführt, bei der der Tod der
Hauptfigur als Erlöser entgegenkommt und Peter, mit einem bisher
durchweg bösen Charakter, eine Wesensänderung zum guten Menschen
erfährt.
Dieser Wendung verdankt letztendlich der Text seine Wirkung.5
5
Holger Gehle, KLG
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Literaturverzeichnis
Munzinger - Archiv. 18. Aktualisierung im Jahr 1998. (Reihe:
Internationales Biographienarchiv. Bd Schm - ME)
2 Möckel, Magret: Erläuterungen zu Robert Schneider Schlafes
Bruder. Hollfeld: C. Bange Verlag 1997. (Reihe: Königs
Erläuterungen und Materialien. Hrsg. Von Klaus Bahners, Gerd
Eversberg, Reiner Poppe. Bd 390)
3 Schneider, Robert: Schlafes Bruder. Leipzig: Reclam Verlag
1998. S.34, S.37, S.38, S.52, S.103, S.149, S.161, S.173, S.178
(Hrsg. von Reclam - Bibliothek. Bd 1518)
4 Moritz, Rainer: Über Schlafes Bruder. Leipzig: Reclam Verlag
1996. (Reihe: Nichts Halbherziges. Schlafes Bruder: das (Un)Erklärliche eines Erfolges. Hrsg. Von Rainer Moritz)
5 Holger Gehle: Robert Schneider. 3. Aktualisierung im Jahr
1999. (Reihe: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen
Gegenwartsliteratur -KLG-.)
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