varieté et cetera

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varieté et cetera
9.2012
20 JAHRE
VARIETÉ ET CETERA
DAS BESTE ZUM FESTE!
JUBILÄUMSPROGRAMM AB 8. SEPTEMBER
www.variete-et-cetera.de
www.engels-kultur.de
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Gestern wie heute: Pop gegen Popanz, Foto: Francis Lauenau
www.engels-kultur.de I September 2012
Udo Lindenberg am Engels-Haus
engels-Thema.
Die Empörung war laut, deutlich und international zu hören. Zwei Jahre
Arbeitslager für Musikerinnen der russischen Punkband PUSSY RIOT, weil
sie es wagten, mit gehäkelten Gesichtsmasken in einer Kirche Zar Putin
zu kritisieren. Ob sich dieser Einsatz gelohnt hat, wird sich der lupenreine
Demokrat allerdings in nächster Zeit fragen müssen. Populäre Musik, so
lehrt uns die Geschichte, kann ganze Gesellschaften verändern. Aus den
Lautsprechern kam zunächst nur bewegte Luft. Doch der „Sonderzug nach
Pankow“ wurde zum Wind des Wandels. Der Schlag des Schmetterlings löste
sogar einen Orkan aus. In diesem Monat jährt sich zum 25. Mal der Tag, an
dem Udo Lindenberg den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker bei seinem
Besuch in Wuppertal vor dem Engels-Haus abfing und ihm mit den Worten
„Gitarren statt Knarren“ ein entsprechendes Musikinstrument verehrte. Die
Bilder gingen um die Welt und waren sogar heimlich in der DDR zu sehen.
Der muffigste Sozialismus auf deutschem Boden war drei Jahre später
Geschichte. Lindenberg hingegen wird in diesem Jahr zu Recht für sein fulminantes Comeback gefeiert. Wäre es nicht an der Zeit, jenem Augenblick der
E-Gitarren-Übergabe an historischer Stelle ein Denkmal zu widmen?
Mal denken sollen auch die Nachtschwärmer der Stadt. Wie zum Beispiel
darf in Zeiten des Klimawandels gefeiert werden? Die Initiative GREEN CLUB
INDEX gibt darauf Antworten. Und engels behandelt die ökologisch korrekte Art der Abendgestaltung auf den Themenseiten. Reicht es, Bier nicht
übermäßig zu kühlen oder muss man als Tänzer auf speziellen schwingenden
Platten den Saft für die Grooves selbst erzappeln? Auch die NachwuchsDesignerin NADINE VON SEELEN versucht, Ökologie und Ökonomie miteinander zu versöhnen. engels portraitiert die gebürtige Solingerin, die mit ihrem
Fliesenhammer bereits für den Designpreis Deutschland nominiert wurde.
Nicht feines italienisches Design, sondern das Italien des vorletzten Jahrhunderts ist im VON DER HEYDT-MUSEUM zu sehen. Fotografien und Gemälde,
positioniert zwischen aufkommendem Tourismuskitsch und sozial engagierter Bildreportage, zeigt die Ausstellung BELLA ITALIA – FOTOGRAFIEN UND
GEMÄLDE 1815-1900. Noch weiter in die Vergangenheit weist eine Premiere
am Opernhaus. DER FREISCHÜTZ spielt in einem transparenten Wald, der
Protagonist wird, wie es sich in einem romantischen Singspiel gehört, zum
Schluss gerettet.
Ein neuer Trend im Kino ist der Luxus. engels berichtet von entsprechenden
Entwicklungen in Berlin, Frankfurt, München und Köln. Wann die ersten
klappbaren Ledersessel in Wuppertals Kinos montiert werden, ist aber noch
ungewiss. Neu ins normale Kino kommt der Film WIR WOLLTEN AUFS MEER.
engels sprach mit Hauptdarsteller ALEXANDER FEHLING über seine Erfahrungen im realen Sozialismus und seinen kometenhaften Aufstieg. Dokumentarfilmer PHILIP SCHEFFNER hingegen erzählt im engels-Interview über die
Hintergründe zu seinem neuen Werk REVISION. Das neue Werk von Michael
Haneke LIEBE thematisiert ebendiese Gefühlsregung im hohen Alter. Was
geschieht, wenn sich das Ende dieser Liebe brachial ankündigt?
LUTZ DEBUS
4 GREEN CLUBBING: Marketing-Gag oder Beitrag zur Klimarettung?
5 Interviews mit dem Energieberater der EnergieAgentur.NRW Stefan
Leuchten und Christos Miskou, Projektleiter bei der eventum GbR
Bühne.
8 „Der Freischütz“ eröffnet die neue Spielzeit am Opernhaus
9 Tanz: Das Wuppertaler Tanztheater in der Spielzeit 2012/13
10 Opernzeit: „Elektra“ an der Deutschen Oper am Rhein
Tanz in NRW: Mit dem Tanz die Generationen erforschen
11 RuhrTanz: Jan Lauwers’ fulminantes Musiktheater
12 Theater in NRW: „Urbane Künste Ruhr“ stellt sich vor
Oper in NRW: „La Bohème“ in Dortmund
13 Klassik in NRW: Die Kölner Musiknacht wählt ein Motto
Kino.
14 Film des Monats: „Liebe“
15 weitere Film-Kritiken
17 Roter Teppich: Alexander Fehling im Interview
19 Gespräch zum Film: Philip Scheffner über seine Doku „Revision“
Filmwirtschaft: Der Trend geht zu Deluxe-Kinosälen
Literatur.
21 Textwelten: Lutz Görner verwandelt die Angst vor großer Kunst in Lust
22 ComicKultur/Wortwahl: Comic- und Buch-Empfehlungen im September
23 Poetry: Die Kolumne von Sebastian23
Musik.
24 Kompakt Disk: Neue Alben im September
Popkultur in NRW: Die RuhrTriennale kommt nicht in der Welt des Pop an
25 Improvisierte Musik in NRW: „Root 70“ trifft auf Weltklasse-Streicher
Kunst.
26 Wupperkunst: Fotografien und Gemälde von „Bella Italia“ im
Von der Heydt-Museum
27 Kunst-Kalender NRW
Service.
3 Intro
4 Portrait: Industriedesign-Studentin Nadine von Seelen
28 Auswahl: Veranstaltungstipps im September
Kolschewsky
29 Impressum
culture clubs: Variete et cetera-Geburtstagsshow/L everkusener Jazztage
30 engels zungen/Verlosungsbox
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© Bettina Stöß/Stage Picture
Oper in NRW
„La Bohème“ in Dortmund
Film des Monats
„Liebe“
Wupperkunst
„Bella Italia“
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portrait
Freut sich auf ihre berufliche Zukunft als Industriedesignerin: Nadine von Seelen
Produkte für die Zukunft
Die junge Industriedesign-Studentin Nadine von Seelen im Portrait
„Ich hatte immer Interesse an Kunst und Design“, erinnert sich Nadine von
Seelen. Inspiriert vom Beruf der Verwandten – Tante und Onkel sind Grafikdesigner – nahm die gebürtige Solingerin nach dem Abi an Info-Veranstaltungen der Designer an der Bergischen Uni teil. Dort begeisterte der Industriedesigner und Hochschulprofessor Martin Topel, der unter anderem
bei Matteo Thun in Mailand aktiv war, sie noch weiter für die Materie: „Er
kann sehr gut reden und hat Lust auf die Ausbildung gemacht. Also habe ich
Bewerbungsmappen zusammengestellt und gemerkt, dass ich die meisten
Zeichnungen nicht gebrauchen konnte.“ Produkte unter dem Gesichtspunkt
von Form und Funktion zu untersuchen und zu entwerfen war damals noch
Neuland für die Studentin in spe. 2006 aber immatrikulierte Nadine von Seelen sich für den Studiengang Industriedesign. Dass das in Wuppertal passierte, war nicht der Nähe zum Elternhaus geschuldet, sondern eine bewusste
Entscheidung, „weil hier ein junges Team lehrt. Das Studium war vom ersten
Tag an das richtige für mich.“ Für ihre Abschlussarbeit, den Bachelor, ist sie
jetzt nach München gegangen.
Für den Laien, und letztlich sind die meisten Nutzer und Konsumenten das,
versöhnen Industriedesigner wie die 25jährige Solingerin die Technik mit
dem Sinnlichen. Normalerweise würde man ein Werkzeug wie den Fliesenhammer keines Blickes würdigen. Wird es benötigt, wird es aus dem Dunkel
der Werkzeugkiste befreit und nach Gebrauch wieder dorthin verfrachtet.
Der von Nadine von Seelen entworfene Fliesenhammer, der vor allem präzises und ermüdungsfreies Arbeiten ermöglichen will, wurde für den Designpreis Deutschland 2011 nominiert – unter anderem wegen des Zusammenspiels seiner Kontur und Verlauf des Stiels in Kombination mit rutschfesten
Griffzonen, wie es in der Begründung der Jury heißt. Im besten Fall werden
Produkte so zu käuflichen Kultobjekten, deren mal formschönes, oft anheimelndes und stilvoll-zweckmäßiges Design sie gegenüber anderen Alltagsgegenständen auszeichnet und hervorstechen lässt.
„Design ist ein 24-Stunden-Job“
semester in Wien einzulegen. „Ich bekam noch am gleichen Tag Antwort auf
meine Online-Bewerbung. Das war einer der tollsten Momente“, versucht sie
ihr Gefühl in Worte zu fassen. Sechs Monate verbrachte sie als Stipendiatin
in Wien, studierte bei Hartmut Esslinger, der sich mit „High Touch Design“
einen Namen gemacht hat. Von 2006 bis 2011 hatte er eine Professur für
Industrial Design an der Universität inne, jedes Jahr gab er seinen Studenten
ein Thema vor, zu dem sie experimentierten. „Dorian“, auf der gleichnamigen
Romanfigur von Oscar Wilde basierend, lautete das Projekt von Nadine von
Seelen: „Ein moralisch-soziales Netzwerk mit offener Entwicklung und ohne
Grenzen.“ Wirkliche Idole oder erklärte Vorbilder hat die junge Designerin
nicht. „Du musst deinen Weg selber finden.“ Ganzheitliche Design-Ansätze
gefallen ihr, nachhaltig beeindruckt ist sie von Lehrern wie Brigitte Wolf –
oder eben Hartmut Esslinger. Als sie ihm das erste Mal begegnete, sah der
Designer in seinem pinken Pulli, neongrünen Sneakern und zerrissener Jeans
mehr als nur sonderbar aus. „Und dahinter pure Genialität.“ Solche Begegnungen haben sie gelehrt, vorsichtig im Urteil über Menschen zu sein. Was
nach ihrem Bachelor-Abschluss kommt, an dem sie zurzeit in Kooperation
mit dem Unternehmen frog design arbeitet, hält sie sich zunächst offen.
„Design ist ein 24-Stunden-Job und sehr erfüllend. Es ist ganz selten, dass
ich nicht daran denke“, schwärmt sie von ihrem Beruf. „Jeden Tag passiert
etwas Neues, du erlebst viele interessante Persönlichkeiten. Und es gibt eine
Zukunft: Produkte wird es immer geben.“
VALESKA VON DOLEGA
Die Industrial Designer an der Bergischen Universität Wuppertal (uwid)
präsentieren am 14. September ab 19 Uhr aktuelle Diplomarbeiten und die
Ergebnisse aus den Studienprojekten. Die Ausstellung in Gebäude K/neues
Hörsaalgebäude am Campus Grifflenberg ist auch Samstag und Sonntag von
12 bis 16 Uhr zu sehen.
Allein: Fertigungstechniken zu präzisieren, darin sah und sieht sie ihr Talent
nicht. Aber das Künstlerisch-Visionäre ist ihr Ding, und weil sie vielseitig
interessiert ist, entschied sie sich nach dem vierten Semester, ein Auslands-
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thema
Synergieeffekte nutzen! Illustration: Sven Siebenmorgen
Klimaneutrales Abfeiern
Der „Green Club Index“ ermutigt Veranstalter, Energie zu sparen
Manche Dinge scheinen auf den ersten Blick nicht resser, so stellte sich heraus, als die Kühlung der
zu passen. Sardinen und Schokolade. Tom und Getränke. Englische Pubs mögen dieses Problem
Jerry. Ehe und Glück. So mag es sich auch mit den nicht so sehr haben. Aber der KontinentaleuroWörtern Öko und Disco verhalten. Ökologie galt päer trinkt sein Kaltgetränk gerne kalt. Allerdings
lange Jahre als ein Synonym für Verzicht. Disko- helfen zuweilen ganz einfache Maßnahmen,
theken und Clubs wiederum sind eher die Tem- Strom zu sparen. Daumendicke Eisflächen vor den
Kühlaggregaten schütpel des Hedonismus.
zen nach dem Iglu-PrinLatzbehoste Grünkernengels-Thema im September::
zip Saftflaschen vor der
brätlingesser und miniKälte. Sind zusätzlich die
berockte SchönheitsköÖkologische Freizeitgestaltung gewinnt an Bedeuwärmeableitenden Fläniginnen boten bislang
tung und Beliebtheit. Die Berliner Initiative „Green
chen an der Rückseite
nur einen publikumsClub Index“ möchte jetzt auch Discos „grüner“ mader Kühlschränke mit
wirksamen Kontrast in
chen. Feierkultur und Nachhaltigkeit allerdings gedicken Staubschichten
TV-Formaten wie „Das
hen auf den ersten Blick kaum Hand in Hand. Hanverhangen, ackert der
Model und der Freak“.
delt es sich also nur um einen Marketing-Gag der
Sparte „Greenwashing“, oder können Clubbesitzer
Wärmetauscher doppelt
In der Realität lebten
und -gänger tatsächlich einen echten Beitrag zur
unnütz. Auch müssen
Umweltaktivisten und
Klimarettung leisten?
die Kühlungen nicht die
Szenegänger in Parganze Woche laufen,
allelwelten. Doch die
Zeiten ändern sich. Die LOHAS-Bewegung ver- wenn der Veranstaltungsort zum Beispiel nur
sucht mit Macht, Lifestyle mit Wildlife zu verbin- am Wochenende geöffnet hat. Energieeffiziente
den. Diese Tendenz nutzt eine Initiative aus Ber- Neuanschaffungen können natürlich auch bares
lin. Der „Green Club Index“ möchte Diskotheken Geld bringen, sobald sich deren Kosten durch die
und andere Veranstalter dazu bewegen, auf um- Einsparung amortisiert haben. Und das ist oft
weltfreundliche Technologie umzusteigen und nach zwei Jahren schon der Fall. Die beteiligten
ressourcensparend zu wirtschaften. Laut Aussage Clubs in NRW waren durchaus überrascht, welche
der Initiative verbraucht eine durchschnittliche Sparpotentiale durch einfache Maßnahmen ausLocation im Jahr 150.000 kWh Strom. Das ent- zuschöpfen waren.
spricht dem Bedarf von 40 Drei-Personen-Haushalten. Geht man von über 5.000 Diskotheken in „Wir laufen nicht mit dem Zeigefinger herum“
Deutschland aus, kommt schon ein erklecklicher Das Modellprojekt, bei dem sich bislang mit dem
Verbrauch in diesem Zweig der Freizeitindustrie Butan und dem eventum nur zwei Veranstalter in
zusammen. Noch gieriger sind Großevents. Ein Wuppertal beteiligt haben, kann durchaus Nachdurchschnittliches Festival pulvert die CO2-Emis- ahmer gebrauchen. Dabei geht es den Organisasionen einer Stadt von 50.000 Einwohnern in die toren des „Green Club Index“ nicht nur um das
Luft, erklärt Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut ganz praktische Einsparen von CO2-Emissionen,
für Klimafolgenforschung.
sondern auch um eine Änderung des Verständnisses der Besucher. Wer feststellt, dass seine
In Nordrhein-Westfalen haben sich nun sechs Stammdisco ökologisch denkt und handelt, ist
Clubs an der Initiative beteiligt. Zunächst wurde vielleicht dadurch auch motivierter, seine eigenen
ermittelt, wie viel Strom pro Besucher und Jahr Verbrauchsgewohnheiten zu ändern. Außerdem
an jedem Veranstaltungsort verbraucht wird. In soll es trotz anderslautender Gerüchte auch beim
einem zweiten Schritt wurden einfache Energie- eher jungen Publikum Menschen geben, denen das
sparpotentiale gesucht und gefunden. Weniger Thema Klimawandel nicht egal ist. Manche WirtBeschallung und Beleuchtung sind die Energief- schaftsunternehmen machen inzwischen mit ih-
Green Clubbing
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rem grünen Image sogar Werbung. Eine Kinokette
erklärt in einem Spot vor jedem Hauptfilm, dass
sie nur Strom aus regenerativen Quellen nutzt.
Bierbrauereien retten den Regenwald. Autos lassen Bäume sprießen. Limonade ist aus biologisch
angebauten Zutaten hergestellt. Ähnliche Marketingeffekte nutzen inzwischen auch Musiker.
Die englische Band „Radiohead“ vertröstete einen
Talkmaster in New York, der sie in seine Sendung
eingeladen hatte, mit einer Videobotschaft. Der
Flug in die USA sei ökologisch für einen kurzen
TV-Auftritt nicht zu rechtfertigen. Talkmaster und
Band profitierten durch diese unkonventionelle
Teilnahme an der Show durch gesteigerte Aufmerksamkeit, die Umwelt durch ein paar gesparte
Liter Kerosin. Auch die Helden von früher werden
wieder aktiv. Der alte Neil Young ließ vor ein paar
Jahren seinen legendären Lincoln Continental
Cabrio MK IV umbauen. Der Acht-Zylinder-Motor mit einem Hubraum von 7,5 Litern flog raus.
Stattdessen wurde ein mit Biosprit betriebener
Wankelmotor mit ergänzender Hybridtechnik eingebaut. Die Umrüstung vom Schluckspecht zum
grünen und trotzdem amerikanischen Traum beschrieb er in dem Song „Johnny Magic“. Ob man
allerdings weit über zwei Tonnen Blech bewegen
muss, um einem älteren Herrn eine Freude zu machen, bleibt dahingestellt.
Auch die Initiatoren vom „Green Club Index“ wollen niemandem Zumutungen abverlangen. Jacob
Bilabel erklärt auf der Homepage, dass die Initiative das „…unsexy Thema Energieeffizienz in den
Club“ bringt. Der Club soll nach seiner Meinung
ein Ort der Vergnügung bleiben. „Wir laufen da
nicht mit dem Zeigefinger herum. Der Club ist
genauso laut, genauso schön und genauso lustig,
aber wir werden in Zukunft weniger Strom dafür
verbrauchen.“ Das klingt verlockend. Fisch und
Schokolade bilden in der mexikanischen Küche
übrigens eine phantastische Kreation.
TEXT/INTERVIEWS: LUTZ DEBUS
thema
Mit LEDs lassen sich schöne Lichteffekte zaubern, Foto: eventum Wuppertal
„Eine Disco kann natürlich nicht warme Getränke anbieten“
Stefan Leuchten zur Energieeffizienz in der Freizeitbranche
engels: Herr Leuchten, sind die Clubs und Discos gewartet werden. Zum Zweiten können die Kühlschränke abgestellt werden, wenn sie nicht gebraucht
die größten Energiefresser des Landes?
werden. Viele Clubs sind nur am
Stefan Leuchten: Sicher nicht. Da
„Es gibt immer UnternehWochenende geöffnet. Und durch
gibt es andere Wirtschaftszweige:
men, die sich für EnergieefNeuanschaffungen energiesparender
die Chemieindustrie, die Metallinfizienz nicht interessieren“
Anlagen kann man auch oft sparen.
dustrie … Bei der Aluminiumherstellung wird sehr viel Strom benötigt. Aber auch
Clubs verbrauchen viel Strom, weil es doch eine Gibt es noch andere Einsparmöglichkeiten?
große Anzahl davon gibt.
Ja, manche Clubs wechselten zu einem Ökostromanbieter und haben so Geld gespart und ihre CO2-EmisDer Green Club Index ist also mehr als ein PR-Gag? sion reduziert. Bei der Beleuchtung kann man auf
Natürlich. Uns geht es in erster Linie darum, die teil- Energiesparlampen und LEDs umstellen. Auch beim
nehmenden Einrichtungen zu beraten, damit diese Betrieb der Lüftungsanlage gibt es Sparpotentiale.
ressourcenschonender und damit kostengünstiger
arbeiten können. Natürlich wird das Engagement Der Konsument muss durch die Einsparungen
des Clubs auch nach außen dargestellt. Insofern nicht auf sein Vergnügen verzichten?
Das ist unser Ziel. Eine Disco kann natürlich nicht
nimmt der Besucher auch etwas mit.
warme Getränke anbieten oder auf eine Light-Show
verzichten.
Wie funktionieren die Einsparungen?
Wir haben festgestellt, dass der größte Energieverbraucher in den Clubs die Kühlung ist. Hier gibt es drei In Wuppertal nehmen im Moment zwei EinEinsparmöglichkeiten. Die Geräte sollten regelmäßig richtungen am Green Club Index teil. Ist das
Konzept ausbaubar?
Natürlich möchten wir, dass die Idee weitere Kreise
zieht. Wir wollen nun externe Berater schulen. Als
EnergieAgentur.NRW können wir nicht alle Clubs
des Landes beraten.
Alle Discos werden grün?
Die Erfahrung in anderen Branchen zeigt, dass wir
nie alle ansprechen können. Es gibt immer auch Unternehmen, die sich für Energieeffizienz nicht interessieren.
ZUR PERSON
Stefan Leuchten (44) ist Energieberater bei der EnergieAgentur.
NRW.
Foto: EnergieAgentur.NRW
Lesen Sie die Langfassung unter
www.engels-kultur.de/thema
Den neuesten Stand der Technik installiert
Christos Miskou über Klimaschutz im eventum
engels: Herr Miskou, warum ist Ihr Veranstal- kosten haben wir aber nicht. Bei Veranstaltungen
heizt sich der Raum wegen seiner guten Isolierung
tungsort grün?
Christos Miskou: Das eventum haben wir erst vor nach kurzer Zeit durch die Besucher.
Kurzem im ehemaligen Orchester„Vergleichbare Lokalitäten in
Warum sind dann nicht alle
saal der Musikfachhochschule in
Wuppertal verbrauchen
Clubs ökologisch so gut aufgeder Friedrich-Ebert-Straße eröffoft über doppelt so viel
stellt?
net. Wir fanden einen leeren Raum
Strom wie wir“
Bestehende
Einrichtungen
vor und mussten die Einrichtung
neu anschaffen. Dadurch bot sich an, den aktu- müssten für eine Umrüstung viel Geld in die Hand
nehmen. Das mag zunächst abschrecken, obwohl
ellsten Stand der Technik zu installieren.
es sich längerfristig lohnt.
Ist die Stromrechnung für Sie ein großer KoMit dem Green Club Index sind Sie bundesweit
stenfaktor?
Ja, deshalb lohnt sich die Anschaffung von strom- vernetzt. Macht das Sinn?
sparenden Kühlschränken und LEDs zur Beleuch- Wir haben schon einige Events von Firmen hier
tung. Vergleichbare Lokalitäten in Wuppertal ver- gehabt, die durch diese Vernetzung auf uns aufmerksam geworden sind. Wir haben dann ein
brauchen oft über doppelt so viel Strom wie wir.
spezielles Bio Food-Buffet angeboten. Wenn eine
Veranstaltung gut für die Umwelt ist, darf sie auch
Gibt es weitere Einsparmöglichkeiten?
Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Insofern schon mal ein paar Euro mehr kosten.
sind bauliche Veränderungen nur bedingt möglich.
Wir heizen über das Fernwärmenetz. Das ist schon Honorieren auch Ihre Gäste Ihr Engagement?
eine recht ökologische Energiequelle. Hohe Heiz- Unsere Gäste registrieren das in der Regel leider
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gar nicht. Es wäre schön, wenn der Green Club Index einen entsprechenden Button vergeben würde, den man als Betreiber an den Eingang kleben
könnte. Das könnte aber auch gut der Deutsche
Hotel- und Gaststättenverband übernehmen.
Haben Sie Wünsche für die Zukunft?
Die Idee des Green Club Index sollte sich noch
viel mehr verbreiten. Bislang gibt es in NordrheinWestfalen nur wenige Clubs, die sich an dieser
Initiative beteiligen.
ZUR PERSON
Christos Miskou (33) ist Projektleiter bei der eventum GbR.
Foto: privat
thema
Das Butan – auch dabei beim Green Club Index, Foto: Mareike Wahle
Grünes Gewummer
Der Bahnhof Langendreer in Bochum macht mit beim Green Club Index
Eine laue Sommernacht im August, kurz nach
Mitternacht. Während es draußen noch angenehm warm ist, wummern im Bahnhof Langendreer die Bässe. „La Schmoov“ – so heißt die Party
an diesem Freitag, bei der die Partyjünger aus dem
Ruhrgebiet Hip-Hop, Electro Funk und Dancehall
auf die Ohren bekommen. Thomas ist an diesem
Freitagabend gemeinsam mit seinen Freunden bei
„La Schmoov“. Die Musik beschallt ihn, die bunten Lichter umkreisen ihn, ein gekühltes Getränk
lächelt ihn an. Was auf den ersten Blick selbstverständlich wirkt, ist auf den zweiten Blick auch ein
Energie- und Kostenfaktor: Boxen, Lichtanlage
und Kühlschränke sind nur einige von zahlreichen
Geräten, die den Stromverbrauch in Clubs zum
Explodieren bringen. Um eine Party am Laufen
zu halten, verbraucht eine Diskothek immens viel
Energie. Deshalb engagiert sich der Bahnhof Langendreer als einziger Veranstaltungsort im Ruhrgebiet bei der Initiative „Green Club Index“. Von
dem ökologischen Engagement des Bahnhofs hat
Thomas bisher noch nichts gewusst. „Der Club
sollte viel offensiver bewerben, dass er bei der
Initiative mitmacht“, sagt er. Das habe auch den
Nebeneffekt, dass sich das Umweltbewusstsein
der Gäste verstärke.
„50 Cent mehr für Ökostrom wären kein Ding“
Neben Thomas steht Marc. Der ist eher zufällig
heute auf dieser Hip-Hop-Party gelandet. Zwar
war der Jazz-Pianist bereits auf der einen oder
anderen Veranstaltung des Bahnhofs, bisher
aber noch nie auf dieser Party. Marc – besonders auffällig: sein schwarzes Shirt mit der weißen Aufschrift „I love Jazz“ und die rotkarierte
Hose – ist sehr umweltbewusst: „Ich habe mich
schon immer dafür interessiert, wie man die Natur möglichst schonen kann.“ Er bezieht seine
Energie über einen Ökostrom-Anbieter und demonstriert gegen Atomstrom. Dass es zu dem am
billigsten produzierten Strom auch Alternativen
geben muss, davon ist Marc überzeugt: „Ich würde immer die andere Energie nehmen, auch wenn
ich mehr zahlen muss.“ Auch im Alltag achtet er
darauf, die Umwelt zu schonen: Er fährt Fahrrad,
läuft Treppen, zieht bei Stand-by-Geräten den
Stecker raus. Genauso wenig wie Marc ist auch
seiner Begleiterin Christina bisher das Engagement des Bahnhof Langendreer bekannt. „Alles,
was die Umwelt nicht belastet, finde ich super“,
sagt sie. Sie ist ebenfalls umweltbewusst, achtet auf einen effizienten Stromverbrauch, trennt
Müll, sortiert Glas und Zeitungen. Da beginnt
mitten im Partylärm eine umweltpolitische Debatte. Auch Thomas ist gegen Atomstrom. Er findet die Energiewende sinnvoll und würde mehr
zahlen, wenn eine Disco Ökostrom verwendet:
„50 Cent mehr für Ökostrom wären kein Ding.“
Allerdings sollten die Kosten transparent sein,
nicht als versteckte Preiserhöhung daherkommen. Als umweltbewusst würde Thomas sich
trotzdem nicht bezeichnen. Dann müsste er ein
Auto fahren, das weniger als zehn Liter verbraucht, gibt er schmunzelnd zu.
ANKE-ELISABETH SCHOEN
Natural’s not in it
Das schwierige Verhältnis von Pop und Naturbewusstsein
Pop und Natur – das geht eigentlich nicht zusammen. „Natural’s not in it“, sangen Gang Of Four
1979 und damit war klar, dass die Affekte von Pop
ohne das Schlamassel aus Warenform und Entfremdung nicht zu haben sind. Und als der ÖkoBewegung in den frühen 1980ern auch nichts Besseres als Parkas und Technologieverzicht einfiel,
erfreuten sich die Zitat-Popper an der Vielfalt der
kulturindustriell feilgebotenen Identitäten. Und
sie hatten Recht – die Umweltbewegung brauchte
einige Zeit, um sich von Esoterikern und Sozialdarwinisten zu befreien. Kein Wunder also, dass die
Natur für Pop-Fans bis heute nicht ganz koscher
ist. Trotzdem gibt es selbstverständlich auch Pop,
der „Natürlichkeit“ nicht nur als Zeichen benutzt.
Der amerikanische Songwriter Bon Iver zog sich
2007 in eine einsame Hütte in Wisconsin zurück,
um dort sein Album „Emma, Forever ago“ aufzunehmen. Sicher, die Rückkehr zur Natur ist ein alter
amerikanischer Mythos, aber Bon Iver hatte nicht
vor, das neue „Walden“ zu schreiben. Stattdessen
hat er das Ende einer Beziehung verarbeitet und
die Nähe zur Natur sollte einen „ungefilterteren“
Zugang zu den eigenen Gefühlen ermöglichen. Der
sensible Jungmann findet in der Wildnis zu sich
selbst. So weit, so restaurativ.
„Die Umweltbewegung brauchte einige Zeit,
um sich von Esoterikern und Sozialdarwinisten zu befreien“
Anders halten es die Black-Metaller von Wolves
in the Throne Room mit ihrer Nähe zur Natur. Sie
leben im US-Bundesstaat Washington auf einer
Farm ein Leben aus DIY und Selbstversorgertum,
auf Tour gehen sie nur mit Bedenken über ihre
Klimabilanz. Bei ihren Auftritten schmücken sie
ihr Bühnenbild mit Tannenzweigen, und in dieser Kulturlandschaft spielen sie symphonischen
Black Metal, der zwischen dem brutalstmöglichen
Schockeffekt und ausgedehnten Spannungsbögen
schwankt. Eine spirituelle Verbundenheit zu ihrer
Heimat im Nordwesten sucht Sänger Aaron Weaver, aber dies will er bewusst nicht als „Blut-undBoden-Ideologie“ verstanden wissen. Genauer wird
er in seinem ökologischen Aktivismus nicht, aber
muss ja auch nicht sein.
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Denn meistens steht ein ökologisches Sendungsbewusstsein dem guten Popsong doch eher im Weg.
Michael Jacksons „Earth Song“ lässt sich selbst
in totenehrfürchtiger Verklärung nur als narzisstisches Rührstück beschreiben. Und Wolf Maahns
Auftritte auf den letztjährigen Anti-Atom-Demos
waren eine akustisch eher verzichtbare Form von
Solidarität – der Elektronik-Producer Moby hat
zumindest nur seine Booklets mit Ratschlägen
für eine bessere Welt zugekleistert. Dabei ist es
eigentlich naheliegend, technologisch avancierte
Musik mit avancierter Umwelttechnologie zu koppeln, ohne dass sich beide in die Quere kommen.
Die Breitwand-Raver Orbital haben in den späten
1990ern als Werbemaßnahme für Greenpeace ein
paar Gigs ausschließlich per Solarenergie befeuert.
Und heute, wo Pop eh zuerst Mode ist, versöhnt
die New Yorker Designerin Nicola Formichetti
Rave-Ästhetik und Naturmaterialien, als hätte es
den Gegensatz von Öko und Pop nie gegeben.
CHRISTIAN WERTHSCHULTE
bühne
Andrea Schwalbach inszeniert den „Freischütz“, Foto: Wuppertaler Bühnen
Kein Schutz, kein Halt im Wald
Andrea Schwalbach eröffnet mit ihrer „Freischütz“-Inszenierung die neue Spielzeit am Opernhaus
Schwerpunktthema der Spielzeit 2012/13 an der Oper der Wuppertaler
Bühnen ist zwar Spanien, eröffnet aber wird die neue Spielzeit mit Carl
Maria von Webers romantischer Oper „Der Freischütz“, zeitweilig als
„deutsche Nationaloper“ diskreditiert. Intendant Johannes Weigand und
sein Dramaturg Johannes Blum waren sich schnell darüber einig, diesen
Klassiker dabei haben zu wollen. „Es ist ein deutungsintensives Stück, in
das man eingreifen und mit dem man arbeiten kann“, sagt der Dramaturg. „Es bietet im besten Sinne Angriffsflächen.“
Musikalische Farben der Finsternis
Die vielen kleinen Geschichten, die den „Freischütz“ ausmachen, teilweise rührend-naiv, andererseits ideologisch, machen Webers Komposition
und Johann Friedrich Kinds Libretto so interessant. Realisieren wird das
Spektakel Andrea Schwalbach, die damit ihr Regiedebüt in Wuppertal
gibt. „Ich hatte viel von ihr gesehen und wusste, das wird etwas Gutes“,
beschreibt Johannes Blum. „Ich gucke bei meinen Inszenierungen grundsätzlich nicht nach rechts und links, ich bin sogar ignorant“, erklärt die
Regisseurin ihre Vorgehensweise hinsichtlich bereits gelaufener Arbeiten
anderer Kollegen.
Bei Weber und seinem Librettisten Kind spielt „Der Freischütz“ kurz nach
der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges. Jäger zu sein ist ein grandioser Beruf. Entsprechend lohnt jede Anstrengung, noch dazu, wenn man
sich so eine Braut einhandelt und damit soziale Sicherheit. Max (Niclas
Oettermann) soll seine Liebe zu Agathe (Banu Böke) mit einem Probeschuss unter Beweis stellen. Er ist sehr aufgeregt und lässt sich in der
Nacht davor, in der berüchtigten Wolfsschlucht-Szene, Freikugeln gießen
– so etwas wie ein romantisches Viagra. Obwohl er sich auf diesen Pakt
mit Kaspar (neu im Ensemble: John In Eichen) einlässt – keinem Freund,
sondern einem Konkurrenten –, trifft er nicht, gerät in Panik und ein
Eremit rettet ihn zum guten Schluss.
Diese Geschichte von Sehnsucht und Seele, von der Bestie im Menschen,
im Kampf um Träume und Wünsche, spielt auch bei Schwalbach im Wald.
Der aber hat wenig mit der viel besungenen grünen Üppigkeit und anheimelnden Idylle gemein, sondern ist ein transparentes Gebiet, das kei-
ne Möglichkeit des Rückzugs bietet. Es gibt also, führt die Regisseurin
aus, keine beglückende Fassade, hinter der das Böse lauert und Abgründe
gähnen. „Angst, Not und Beklemmung gibt es von Anfang an. Jeder weiß
über alles Bescheid, man spricht nur nicht darüber. Dadurch entsteht ein
dichtes Geflecht, ein hoher Druck lastet auf den Leuten. Die zivile Gesellschaft ist leicht angreifbar und brüchig.“
Wer sich mit dem Teufel einlässt, riskiert sein Leben
Diese persönlichen und gesellschaftlichen Konflikte werden gezeigt. Ännchen (Dorothea Brandt/Elena Fink) ist ein Kontroll-Freak und zitiert gerne Sprichworte, sie und Agathe sind Freundinnen oder junge Verwandte,
aber nicht wie im Original Zofe und Dame. „Herrin und Dienerin, das ist
passé, die beiden begegnen einander auf Augenhöhe.“ Kaspar hat seine
Seele bereits verkauft und animiert den arglosen Max dazu, das auch
zu tun. Der Jägerchor ist ein Revolutionschor, der die Obrigkeit in erste
Schranken verweist, und der Eremit ist weniger Gutmensch und Christ
als jemand aus dem Hier und Jetzt, der Verantwortung übernimmt. „Alle
Figuren haben Tiefe, dadurch wird es ein psychologisches Spiel.“ Dass das
Ganze „freudig endet“, wie Weber seiner Braut schrieb, haben die Wuppertaler aufgenommen: „Es ist kein ‚glückliches Ende’. Aber es gibt keine
Verbannung, sondern eine Art Aufflackern von Demokratie.“
Musikalisch braucht die Aufführung keinen Vergleich zu scheuen. Florian
Frannek hat die musikalische Leitung, als Zuhörer darf man auf empfindsame Herzenstöne und beklemmende psychische Implosionen gespannt
sein. „Es lohnt sich, die Augen zu schließen und einfach zuzuhören.“ Das
jedenfalls empfiehlt die Regisseurin. Allerdings würde dann der Blick auf
Bühnenbild und Kostüme wegfallen. Hier übrigens wird relativ zeitgenössisch dargestellt, „es geht aber weniger um eine Zeit, als um Menschen.“
VALESKA VON DOLEGA
„Der Freischütz“ I 14.9. 19.30 (P)/16.9. 18 Uhr/29.9. 19.30 Uhr
www.wuppertaler-buehnen.de
8
tanz
„Iphigenie auf Tauris“, Foto: Bettina Stöß
Die Vergangenheit birgt Schätze
Das Wuppertaler Tanztheater in der Spielzeit 2012/13
Es ist dieser erdige Geruch, den man sofort wahrnimmt, schwer und würzig, der
einen an den Garten, die Blumen und die Fruchtbarkeit, aber auch an den Friedhof erinnert. Es gibt wohl keinen Ort, an dem man ihn weniger erwarten würde als gerade in einem Theatersaal. Aber auch im Theater werden Schlachten
geschlagen. Eine denkwürdige ereignete sich vor genau 100 Jahren im Pariser
Théâtre des Champs Elysées, als Igor Strawinskis „Sacre du Printemps“ uraufgeführt wurde. Ein Moment, den manche Historiker als die Geburtsstunde der
Modernen Kunst bezeichnen. Der göttliche Nijinsky tanzte 1913, und nun wird
das Wuppertaler Tanztheater zum Jubiläum an gleicher Stelle Pina Bauschs
Inszenierung des „Frühlingsopfers“ präsentieren.
Die entstand 1975, als Pina Bausch noch am Beginn ihrer Karriere als Choreografin stand und sich mit einem türeknallenden Publikum herumschlagen musste.
Dennoch kann man getrost davon ausgehen, dass niemand, der diese Produktion einmal gesehen hat, sie jemals vergessen wird. Solche Spuren hinterlässt nur
große Kunst. Getanzt wird auf einem Mutterboden. Eine Tatsache, die dazu führt,
dass die Tänzerinnen in ihrem Weiß bald wie geschundene Kreaturen ausschauen
und letztlich neben der einen, die als Opfer ausgewählt wird, die restlichen Jungfrauen wie Geschlagene das Erwachen des neuen Tages erwarten.
Dieses Meisterstück wird in der kommenden Spielzeit den Programmschwerpunkt in Wuppertal bilden. Aber die Schatztruhe mit denkwürdigen Produktionen, die Pina Bausch hinterlassen hat, ist reich bestückt. So ist für das Frühjahr
2013 eine Neueinstudierung von einem jener Stücke geplant, die das Wuppertaler Tanztheater an die Spitze der Tanzwelt katapultierten. 1984 zeigte man
„Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört“, das ebenfalls mit den wuchtigen Effekten der Erde spielt, die den Bühnenboden bedeckt. Einen Blick zurück
auf die Entwicklung des Tanztheaters, seine Gattung und seine Rezeption in
Deutschland bietet im Oktober die Wiederaufführung der Tanzoper „Iphigenie
auf Tauris“ von Christoph Willibald Gluck, die Pina Bausch 1975 im ersten Jahr
nach der Gründung in Wuppertal inszenierte. Eine Arbeit, in der sie sich zwar
stilistisch in einem Übergang befand und Elemente des Modern Dance noch
vorhanden waren, die aber schon damals von der Kritik als Zäsur innerhalb der
Geschichte des Tanzes in Deutschland erkannt wurde.
Ungebrochener Beliebtheit erfreuen sich die Wuppertaler auf den Tanzbühnen dieser Welt, und so stehen in der kommenden Spielzeit Gastspiele unter
anderem in New York, Taipeh, Peking, Paris, Barcelona oder Neapel an, nachdem man gerade im Rahmen des Kulturprogramms der Olympischen Spiele in
London eine umjubelte Werkschau zeigen konnte. Erotische Akzente setzt die
Spielzeit gleich zu Beginn mit zwei delikaten Produktionen. „Two Cigarettes
in the Dark“, uraufgeführt 1985, wurde im letzten Jahr neu einstudiert und
erzählt von einer Gruppe Männer und Frauen, die Kontakt zueinander suchen,
die verführen möchten und doch nicht zueinander finden können. Eine hochaktuelle Inszenierung über viel Kommunikation, die zu wenig Beziehung führt.
Gleichwohl ein Stück, das in der neu einstudierten Fassung mit schnalzender
Erotik aufgeladen und einer Musikcollage bestückt ist, die von Monteverdi bis
Ravel reicht. Musik spielt auch in „Masurca Fogo“ eine zentrale Rolle, eine der
unbeschwertesten Produktionen des Hauses, die in Zusammenarbeit mit der
EXPO 98 in Lissabon entstand. In allen Tonlagen darf hier gestöhnt werden und
das Repertoire der sinnlichen Verführung reicht vom Fado über den Walzer bis
zum Tango, auch hier blieben die Bühnenbilder unvergesslich. Die neue Spielzeit kann kommen, das Angebot ist eine Freude.
THOMAS LINDEN
9
tanz in NRW
opernzeit
„Elektra“, Foto: Hans Jörg Michel
„Diese Musik stinkt!“
„Unter Uns!“, Foto: Caroline Simon
Besser als Fernsehen
„Elektra“ an der Deutschen Oper am Rhein
Wie man mit den Instrumenten des Tanzes die Generationen erforscht
Mit diesem vernichtenden Urteil zur Uraufführung im Jahr 1909 verkannte ein Musikkritiker Richard Strauss’ späteren Welterfolg „Elektra“. Andere beschimpften den Meilenstein in der Musikgeschichte als eine „wahre
Hässlichkeitsorgie“. Doch Strauss reagierte bajuwarisch gelassen: „Wenn auf
der Bühne eine Mutter erschlagen wird, kann ich doch im Orchester kein
Violinkonzert schreiben.“
Eine Königsfamilie schlachtet sich ab: Im Zentrum des Geschehens steht
die Königstochter Elektra, die den Mord an ihrem über alles geliebten Vater
Agamemnon rächen will, den ihre Mutter gemeinsam mit ihrem Liebhaber
begangen hat. Sie selbst hütet die Mordwaffe und erwartet sehnlichst die
Rückkehr ihres Bruders, damit er mit der Axt die Untat blutig richtet, zu
der sie selbst nicht fähig ist. Als Außenseiterin lebt sie vor den Mauern des
Palastes, voller Hass auf die dekadente Hofgesellschaft von Mykene führt sie
ein Leben der Selbstverleugnung und Zerrissenheit. Am Ende überreicht sie
ihrem Bruder das Beil und feiert die Rache als grandiosen Triumph in einem
ekstatischen Tanz.
„Sie ist eine Prophetin ohne Prophezeiung“, schreibt Hugo von Hofmannsthal, der Librettist, über die Protagonistin. In seiner psychologisierenden Bearbeitung des Elektra-Stoffes für die Oper zeichnet Hofmannsthal die Zerfallserscheinungen der Gesellschaft um die Jahrhundertwende nach, wie er
sie schon in seinem berühmten Chandos-Brief aus dem Jahr 1902 beschrieben hat: Der Sinn- und Werteverlust und das Fehlen einer ganzheitlichen
Weltauffassung führt zu einem Identitätsverlust und Auseinanderfallen der
Existenz. Das Gefühl der Leere wird zum bestimmenden Lebensgefühl.
Die psychische Deformation Elektras weist eine Parallele zu Freuds Fallstudie
der Anna O. auf, einer Frau, die den Tod des Vaters als Trauma erlebt – mit
der Folge, dass sie kein Leben als eigenständige Person mehr führen kann:
Hysterische und euphorische Zustände wechseln mit Phasen der Verzweiflung. Seitdem ist der Elektrakomplex zum Synonym für die krankhaft übersteigerte Liebe einer Tochter zu ihrem Vater geworden, die ihre Entsprechung
im männlichen Ödipuskomplex findet.
Der Persönlichkeitszerfall Elektras und ihrer von schlechten Träumen verfolgten Mutter drückt sich in den verstörenden Sprachbildern Hofmannsthals aus, die eine Entsprechung in der hochexpressiven Musik Strauss’ finden, die er für ein über hundert Mann starkes Orchester komponierte. Der
Komponist erweitert die Tonalität in „unerhörter“ Weise und stößt an die
Grenze zur Atonalität, die die Hörgewohnheit und das Antikenverständnis
des wilhelminischen Publikums sprengt: Hier geht es nicht um klassische
Ideale, sondern um die Darstellung psychischen Zerfalls in einem ausweglosen Kreislauf von Verrohung und Gewalt. Doch so modern und progressiv
wie in diesem Werk wird Strauss in seinen noch folgenden zwölf Opern nie
mehr sein: Den Schritt in die Atonalität und Zwölftonmusik überließ er Arnold Schönberg und der zweiten Wiener Schule.
Von Thomas Linden
„Unter Uns!“ Klingt das nicht wie der Name einer Eckkneipe irgendwo im
Rheinland oder in Westfalen? Mit demonstrativer Gemütlichkeit hat das „Generationenprojekt“ aber nichts zu tun, mit dem Silke Z. und ihr Ensemble
resistdance nun schon seit Jahren ihr Publikum auf ungewöhnliche Weise
unterhalten. Fünf Episoden und einen Bonus-Track weist das Tanz-Projekt
auf, das die Befindlichkeit in den jeweiligen Altersetagen unserer Gegenwart
auskundschaftet. In diesem Monat ist es erstmals komplett im Tanzhaus in
Düsseldorf zu sehen.
Die erste Episode „Felix trifft Felix“ zündete 2009 sogleich eine atemlose Performance. Die Männer über 30 erzählten von ihrem Dilemma, mit dem einen
Bein noch in der Welt der Teenager zu stehen und mit dem anderen schon
verhakt zu sein in den Gefilden der Zweierbeziehung. Mit Jeff und Angus, den
Männern über 50, schlägt die Reihe auch
„Ein Projekt mit viel künststillere Töne an. Wenn die beiden über
ihre Verletzungen sprachen, konnte man lerischem Stehvermögen und
etwas vom Gewicht spüren, das die Welt Zutrauen in die Protagonisten“
als bitteren Erfahrungsschatz im Charakter der Männer hinterlassen hat. Und wann ist der Körper der Männer über 50
schon derart konkret ein Thema auf der Bühne des Tanzes gewesen? Mit dem
Humor der genauen Beobachtung von Lebenssituationen warteten die Frauen
über 40 auf. „Barbara trifft Bettina“, das war auch ein Blick in die häusliche
Welt von Stress und Wichtigtuerei, wie sie von alleinerziehenden Müttern
durchlitten und zelebriert wird. Den Teenagern, die sich tapfer mühen, in die
noch etwas zu großen Kleider von Mann und Frau hineinzuwachsen, widmeten sich die Episoden 4 und 5 mit „Nathalie trifft Katie“ gefolgt von „Justin
trifft Stefan“.
Im Bonus-Track stellt sich dann das Paar Caro und Tonio vor. Caroline Simon
und Antonio Cabrita zeigten genussvoll, wie Paare an ihrem Mythos arbeiten
und sich darüber eine Identität konstruieren. Aber hier wird auch der Faden
verknotet, der sich durch alle Episoden zieht. Gesellschaftliche Rolle und individuelles Selbstverständnis können nur noch mit Mühe auseinandergehalten
werden. Schön, dass eine Choreographin das Wagnis eingeht, uns den Puls zu
messen. Zum Experiment gehört das Risiko. Die Szenen wurden von den Beteiligten erarbeitet, also nicht auf ihren pointierten dramaturgischen Zündstoff hin zubereitet. Deshalb kommen kleine Abstürze vor, nicht immer findet
eine Szene ihr Finale, verhallt mitunter bloß im Ungefähren. Aber entstehen
konnte das Generationenprojekt eben auch nur, weil Silke Z. ein vorbehaltloses Interesse an den Menschen antreibt. Die Serie „Unter Uns!“ demonstriert jedoch, wie fruchtbar die Arbeit an der Grenze zwischen Professionalität
und authentischem Alltagsgetöse sein kann, wenn man noch ein Ohr für das
besitzt, was sich draußen vor dem Theater ereignet. Toll, dass ein Projekt, bei
dem so viel künstlerisches Stehvermögen nötig ist und so
viel Zutrauen in die Protagonisten investiert wird, in NRW
realisiert werden kann. Solche Unternehmungen verleihen
einer Szene ihre eigene Klasse.
KERSTIN MARIA PÖHLER
„Elektra“ I 22.(P)/25./28./30.9, 4./7.10. I Deutsche Oper am Rhein
Thomas Linden
Journalist und Jurymitglied des Kölner Kinderu. Jugendtheaterpreises
10
Das Finale mit allen Episoden ist am 28. und 29. September jeweils um 20 Uhr im Tanzhaus in Düsseldorf zu sehen.
Am 30. September zeigt Barnes Crossing in Köln ab 18 Uhr
das Finale. Einzelne Episoden werden jeweils donnerstags
im Studio 11 in Köln gezeigt.
ruhrtanz
„Marketplace 76“, Foto: Maarten Vanden Abeele, 2012
Die Resonanz des Unglücks
BEWÄHRTE QUALITÄT SEIT 2001
IM HERZEN VON ELBERFELD
Yoga für alle Stufen:
Jan Lauwers & Needcompany zeigen fulminantes Musiktheater
Auch Tragik lässt sich steigern. Je größer das Unglück der anderen, umso
lukrativer die Berichterstattung, denn Katastrophen können sich unserer
Aufmerksamkeit sicher sein. Aber was ist mit den Betroffenen, wie leben
sie weiter, wenn draußen in der Welt nie„Trauer ist hier keine
mand mehr an ihrem Leid interessiert ist,
Erstarrung, sondern ein höchst
weil es nach ranziger Trauer schmeckt?
lebendiger Prozess“
Und Trauer ist das Thema von „Marketplace 76“, der neuen Produktion von Jan Lauwers, die er für die Needcompany entwickelte und mit den drei Komponisten Hans Petter Dahl, Maarten
Seghers und Rombout Willems als musikalisches Szenario präsentiert. Die
Jahrhunderthalle in Bochum ist ein idealer Ort, um das wuchtige Drama im
Rahmen der RuhrTriennale aufzuführen.
Trauer äußert sich buchstäblich in vielen Stimmen. Ein verheerender Unfall
hat mehrere Bewohner eines Dorfes in den Tod gerissen. Die Ereignisse verändern die Gemeinschaft und sie beeinflussen den Lauf der Dinge in jedem
einzelnen Leben. Jan Lauwers lässt sie alle erzählen, Vielstimmigkeit ist Teil
der Struktur, mit der der Belgier arbeitet, weil es für ihn Themen gibt, die sich
mit einer Stimme nicht mitteilen lassen. Die Praxis der Anmaßung, mit der
in den Massenmedien unserer Tage jedes Geschehen in ein paar Sätzen zubereitet und nahtlos in die Chronik der Ereignisse eingereiht wird, torpediert
Lauwers mit seiner eigenwilligen Ästhetik. Trauer ist hier keine Erstarrung,
sondern ein höchst lebendiger Prozess. Alles ist in Bewegung, die Hinterbliebenen erzählen nicht alleine, sie reflektieren das Geschehen und kommentieren ihre Gefühle. Positionen wechseln, noch während sie entwickelt
werden. Episches Theater entfaltet sich mit einer konsequenten Vitalität, wie
sie sich ein Bertolt Brecht nicht hätte träumen lassen. Aber Lauwers schielt
gar nicht erst auf Theatertraditionen, seine Ästhetik trägt die unverwechselbaren Züge ihrer Produktionsprozesse.
Dazu gehört das breite Spektrum der darstellenden Künste, neben dem
Schauspiel und dem Tanz erfüllt die Musik die Rolle des emotionalen Kraftwerks, und dass die Bühnenaktionen letztlich einen Performance-Charakter
annehmen, ist da nur folgerichtig. Lauwers und das Ensemble der Needcompany bauten nie auf tradierte Darstellungsformen, seit Mitte der 80er
Jahre stellt man sich mit jeder neuen Produktion die Aufgabe, das Theater
neu zu erfinden. Nachmodernes Theater, das nicht mehr auf bekannte Stoffe
setzt, sondern sich seine Sujets selbst entwirft. Und so packt Lauwers immer
wieder der Ehrgeiz, die Grenze zwischen Bühne und Publikum zu verändern.
Jeder Zuschauer ist gefordert, beständig neue Perspektiven auf das Geschehen zu entwickeln. Auch das, was auf den ersten Blick provokant wirkt, will
empathisch nachempfunden werden. Die coolen Kostümentwürfe, mit denen die Needcompany arbeitet, liefern durchaus kein Angebot für aufdringliche Gefühligkeit. Gleichwohl dringt dieses fulminante Spektakel um das
Schicksal der dörflichen Gemeinschaft tief in die Fragen ein, was uns Liebe,
Freundschaft und Glück bedeuten und welch sprudelnde Vitalität sich dort
eröffnet, wo es gelingt, einen Blick hinter die geregelten Lebensmuster der
Wohlstandsgesellschaft zu werfen.
THOMAS LINDEN
„Marketplace 76“ I 7./8./13./14./15.9. 19.30 Uhr
Jahrhunderthalle Bochum
11
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theater in NRW
oper in NRW
Züchtige Erotik auf der Chaiselongue: Rodolfo und Mimì, Foto: Bettina Stöß/Stage Picture
Katja Aßmann leitet die Kunstplattform „Urbane Künste Ruhr“, Foto: Ilka Drnovsek
Dominanz der Ränder
Belle Époque ohne Überraschungen
Von Hans-Christoph Zimmermann
Eine der großen Befürchtungen nach „Ruhr 2010“ galt dem kulturellen Ausbluten der Region. Dass nach dem 70 Millionen-Kraftakt des Kulturhauptstadtjahrs nur noch Patienten für die Intensivstation bleiben. Auch wenn es
den meisten Institutionen im Ruhrgebiet nicht gut geht, das große Sterben
ist ausgeblieben. Manches konnte sogar
„Das große Sterben
weiterentwickelt werden. So spielte der
ist ausgeblieben“
Gedanke vom Ruhrgebietssprawl als Metropole, vom multipolaren Stadtraum eine zentrale Rolle bei „Ruhr 2010“ – und
hat sich nun weiterentwickelt zur Plattform „Urbane Künste Ruhr“. Seit Februar
2012 werkelt die Truppe um die künstlerische Leiterin Katja Aßmann vor sich
hin, jetzt stellt sie sich mit einem Symposium erstmals der Öffentlichkeit vor.
„Das Ruhrgebiet ist ein sich wandelnder Stadtraum und wir untersuchen, wie
die Kunst als Motor dabei mitwirken kann“, formuliert Leiterin Katja Aßmann
als Ziel von „Urbane Künste Ruhr“. Das soll in Kooperation mit Partnern in den
53 Städten des Ruhrgebiets geschehen. Dafür stellen das Land NRW und der
Regionalverband Ruhr jährlich 4,8 Mio. Euro zur Verfügung. Als Beispiele für
die zukünftigen Projekte nennt Katja Aßmann das „Still-Leben Ruhrschnellweg“, das vor zwei Jahren die A40 zum begehbaren Stadtraum für einen Tag
gemacht hatte, oder die 2009 vom Theater Essen und der Gruppe raumlabor ins
Leben gerufene „Eichbaumoper“. Klar ist auf jeden Fall, dass „Urbane Künste
Ruhr“ jährlich ein Projekt bei der RuhrTriennale realisieren wird. Seit Mitte August leuchtet bereits auf der Grünfläche der Jahrhunderthalle „Pulse Park“ des
kanadisch-mexikanischen Künstlers Rafael Lozano-Hemmer – eine interaktive
Lichtinstallation, die durch den Herzschlag der Passanten gesteuert wird.
Das Symposium will sich zum einen dem Begriff des urbanen Raumes widmen.
„Urbanität im Ruhrgebiet bedeutet, dass es überall Ränder gibt“, sagt Katja
Aßmann zu der wuchernden Stadtagglomeration der 5-Millionen-Region. Um
die Unterschiede zu anderen städtischen Großarealen herauszuarbeiten, werden Gruppen wie Observatorium aus Rotterdam, KUNSTrePublik aus Berlin oder
MAP Markus Ambach von ihren Erfahrungen berichten; aus der Region sind
unter anderem das Kunstmuseum und das Schauspielhaus aus Bochum oder
das Zentrum für Lichtkunst aus Unna dabei. Für Katja Aßmann bietet das Treffen somit auch eine Chance zum Netzwerken und zur Diskussion, die durch
Stadtrundgänge und Besichtigung von „Pulse Park“ und der Installationen „Our
CenturY“ von Folke Köbberling und Martin Kaltwasser abgerundet wird.
„Urbane Künste Ruhr“ stellt im Rahmen des Symposiums aber auch kommende
Projekte vor wie die für 2013 vorgesehene „Emscherkunst“Ausstellung oder die Weiterentwicklung des Kunstprojekts
„Über Wasser Gehen“ im Raum Kamen/Dortmund/Unna.
Geplant ist außerdem bereits im Oktober, so Katja Aßmann,
ein Labor am Ringlokschuppen in Mülheim zum Thema urbaner Raum und Darstellende Kunst. Untersucht werden
soll, inwieweit Theater im Stadtraum, wie es zum Beispiel
im Ringlokschuppen ab 16. September mit dem Stadtspiel
Hans-Christoph
Zimmermann
„Ruhrzilla“
wieder startet, auch auf die Bühne zurückJournalist und
Theaterkritiker
wirkt.
Von Karsten Mark
Dortmunds neuer Opernintendant Jens-Daniel Herzog hat ein schweres
Erbe angetreten. Dem Haus ist das Publikum über lange Zeit in Scharen
weggelaufen. Und der Weg zu neuem Erfolg ist nun beschwerlich. Allein
mit Qualität, die Herzogs erste Saison durchaus zu bieten hatte, ist das
Haus nicht wieder zu füllen – zumindest nicht auf die Schnelle. Also gibt
es nun Zugeständnisse an den konserva„Handwerklich solide, aber
tiven Flügel der Abonnenten, der immer
insgesamt sehr konventionell
wieder lautstark nach originalgetreuen
inszeniert“
Inszenierungen verlangt: Oper, so wie sie
im Führer steht. Die bietet Regisseurin Katharina Thoma nun mit Puccinis
„La Bohème“ – zwar handwerklich solide und auch mit einigen schönen
Einfällen und Details, doch insgesamt sehr konventionell und wenig überraschend inszeniert. Dass Thoma es auch anders kann, hatte sie mit ihrem
Dortmunder Einstand, der barocken Ausgrabung „L’Eliogabalo“, zu Saisonbeginn gezeigt. Nun haben die Ausstatterinnen Julia Müer (Bühne) und Irina
Bartels (Kostüme) fast ebenso großen Anteil an der Substanz der Inszenierung, welche überaus stark von der nostalgischen Belle-Époque-Optik lebt.
Leider kann die Regie dieses Mal auch nicht auf die Strahlkraft der Darsteller setzen. Denn Christoph Strehl (Rodolfo), Richard Šveda (Schaunard),
Gerardo Garciacano (Marcello) und Wen Wei Zhang (Colline) agieren so
steif und gekünstelt nebeneinander her, dass man ihnen die eingeschworene Künstler-WG nicht ansatzweise abnimmt. Komödiantisch ist Dortmunds
Allround-Tenor Hannes Brock in den kleinen Rollen als Vermieter und alter
Galan der einzige echte Lichtblick. Glücklicherweise entschädigen die vier
Bohemiens gesanglich weitgehend für ihre darstellerische Unbeholfenheit
und bilden doch immerhin klanglich eine ausgewogene Einheit. Absolut
hörenswert ist auch die junge Armenierin Ani Yorentz als Mimì mit schönem lyrischen und unangestrengtem Sopran. An einigen Stellen macht es
Dirigent Lancelot Fuhry den Sängern etwas schwer, wenn das Orchester
im Überschwang dynamisch über die Stränge schlägt. Überwiegend sind es
jedoch erfreuliche und berührende Klänge, die er den Dortmunder Philharmonikern entlockt.
So unmittelbar und treffsicher die musikalische Seite wirkt, so erklärungsbedürftig ist der zentrale optische Gag der Inszenierung. Wenn Chor und
Statisten in der Weihnachtszene im Quartier Latin mit dunkel geschminkten
Gesichtern und schwarz-weißen Kostümen auftreten, muss man schon eine
kleine Weile überlegen, was das soll. Den Hinweis dazu gibt’s bereits im ersten Akt: Marcello ist bei Thoma kein Maler, sondern ein
Fotograf, der die Welt eben erst einmal auf ein Negativ
bannt. Deshalb frieren die Bewegungen in dieser Szene
auch immer wieder ein. Der Gag zündet erst mit Verzögerung, hat aber durchaus Wirkung. Die tiefergehende Idee
dahinter, das Künstlerdasein sei nur Show und Fassade,
welche durch Mimìs tödliche Krankheit mit der bitteren
Karsten Mark
Realität
crasht, lässt sich allenfalls dem Programmheft
Journalist mit Schwerpunkt (Musik-)Theater entnehmen. Die Regie vermittelt sie nicht.
Auftaktsymposium „Urbane Künste Ruhr“ I 31.8.-1.9. ab 9 Uhr
Turbinenhalle an der Jahrhunderthalle Bochum
Anmeldung unter [email protected]
„Ruhrzilla“ I 16.-29.9. I Ringlokschuppen Mülheim
„La Bohème“ I Sa 13.10. 19.30 Uhr (mit Stargast Joseph Calleja als Rodolfo)
Oper Dortmund I 0231 5 02 72 22
„Urbane Künste Ruhr“ stellt sich der Öffentlichkeit vor
Katharina Thoma inszeniert „La Bohème“ in Dortmund
12
klassik in NRW
Kölner Künstler greifen an, Foto: Wolfgang Burat
Großstadtmelodie
Die Kölner Musiknacht wählt ein Motto
Von Olaf Weiden
„Reste – Reliquien – Reminiszenzen“: Wer über diese hübsche Konstellation
ins Grübeln gerät und einmal versucht, den Hintergrund dieses Mottos aus
dieser Trias selbst herauszulesen, dessen
„Die Musiknacht zählt zu
Gedanken landen zunächst und ganz
den beliebtesten Kulturnaheliegend beim Untergang des Kölner
ereignissen Kölns“
Stadtarchivs. Bereits Fassbinders umstrittenes Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ etablierte die dreifache
verbale Verkettung als kraftvolle Waffe, ähnlich wie das „Veni, vidi, vici“
nach Plutarch oder ganz aktuell „Frage – Geheimnis – Fragment“ als Motto
des romanischen Sommers in Köln – womit wir in musikalisches Fahrwasser
münden. Die Kölner Musiknacht, die achte ihrer Art, benutzt das erstgenannte Motto als roten Faden durch ihr sensationell abwechslungsreiches
Programm.
Genaues wird erst kurz vor dem Feste verraten, aber diese Großveranstaltung
der freien Szene in Köln wirft schon markante Schatten voraus. So ermittelte
eine repräsentative Bevölkerungsumfrage (unter 1.000 Bürgern), dass die
Musiknacht unter den beliebtesten Kulturereignissen Kölns im Jahre 2011
den zweiten Platz belegt – die Art Cologne landete auf dem Siegerpodest.
Das ist besonders beachtlich, wenn die Finanzierung dieser Events verglichen
wird: Das lässt sich doch gar nicht vergleichen.
Hunderte von in Köln lebenden Künstlerinnen und Künstlern raffen sich auf,
zu interpretieren, experimentieren und improvisieren, alle Grenzen und Gattungsbegriffe zu überschreiten und Gedanken zu Tod, Vergänglichkeit und
Vergangenheit in klingendes Material auszuformen. Mehr als 100 konzentrierte Konzerte bilden die Seiten zu einem Buch über den künstlerischen
Reichtum Kölns und seine lebendige Szene. Das erstmals als übergeordnetes
Thema formulierte Motto der Veranstaltung bezieht auch die „konkrete Resteverwertung ausgedienten Materials“ ein, auch ein altbewährtes Kölner
Spezialthema mit politischer Sprengwirkung – aber ein anderes Thema.
25 verschiedene, oft sehr reizvolle Konzertstätten werden atmosphärisch
aufbereitet, und jeder Besucher ist aufgefordert, seinen eigenen Fahrplan
durch die Nacht selbst zu erstellen. Dabei empfiehlt sich, einen sinnvollen
Netzplan aus zeitnah erreichbaren Stationen mit abwechslungsreichen Inhalten abzustimmen. Allein der Besuch neuer Spielstätten erweitert lohnend
den kenntnisreichen Blick auf die Domstadt, manche Location wird dabei
entdeckt, die späterhin mit ihrem eigenen Kulturleben als Bereicherung für
den persönlichen Jahresplan gelten darf.
Die stilistische Bandbreite des Gebotenen reicht erfahrungsgemäß von der Alten Musik bis zum avantgardistischen Tanz-Event, Experimentelles trifft auf Jazz
oder auf Weltmusik. Für alle Beteiligten wird der thematische Grundtenor kein großes Problem darstellen,
denn in allen Zeiten bediente die Musik auch gern das
Olaf Weiden
Unaussprechliche: Mystik findet sich natürlich auch im
Musiker und
Musikkritiker
Festival-Motto.
8. Kölner Musiknacht I Sa 22.9. ab 17 Uhr
verschiedene Spielstätten
www.koelner-musiknacht.de
13
film des monats
Liebe – in guten wie in schlechten Tagen: Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva
Das Böse ist immer und überall
„Liebe“ von Michael Haneke
Nanu – Michael Haneke, der kinematografische Analytiker der Gewalt, inszeniert einen
Film über die Liebe?
C Mitreißendes Leinwanddrama
Eine Altbauwohnung, ein altes Paar um die 80, gelegentlich Besuch: Viel mehr
braucht Michael Haneke nicht für dieses Drama. Ein Drama, das er mit „Liebe“
betitelt. Ausgerechnet Haneke, der sich in seiner filmischen Laufbahn vordergründig auf die Mechanismen von Gewalt fokussiert hat („Bennys Video“,
„Funny Games“, „Caché“, „Das weiße Band“). Haneke ist ein Forscher, der sich
ästhetisch immer neu erfindet. Der im Alter – gerade wurde er 70 Jahre alt –
noch immer neue Formen sucht und Formen vollendet. Nach dem „Weißen
Band“, einer – zwischen atemberaubenden Naturaufnahmen und beengenden
Innenräumen – Gewaltstudie in Schwarzweiß folgt nun mit „Liebe“ ein Kammerspiel, das tatsächlich ein Liebesfilm ist, aber auch ein Melodram.
Das Drama erzählt von Georges (Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle
Riva), zwei Musikprofessoren im Ruhestand. Beide sind um die 80, beide
rüstig. Die Kamera beobachtet das Paar vornehmlich unbewegt. Szenen einer
nächtlichen Heimkehr, das Paar zur Nacht im Ehebett, beim Frühstück in der
Küche. Die beiden verstehen einander, erzählen, flirten, witzeln. Sie lieben
sich. Der Kontakt zur Tochter (Isabelle Huppert) ist oberflächlich, sie wohnt
im Ausland und hat Eheprobleme. Georges und Anne aber sind glücklich.
Dann sitzt Anne eines Morgens am Küchentisch, neben ihr Georges, der plaudert, doch ihr Blick entweicht minutenlang ins Leere, verloren, unansprechbar. Es ist der Anfang eines Leidenswegs, der Anne erst in den Rollstuhl, dann
in die Bettlägerigkeit und Georges in die Rolle ihres Pflegers verbannen wird.
Eine wachsende Herausforderung an eine alte Liebe.
Ein Liebesfilm in aller Konsequenz
So bewegend Haneke die Beziehung von Anne und Georges bebildert, die
gezeichnet ist von Respekt, Vertrauen, Humor und Wärme, so hinreißend,
wie der Regisseur die Zweisamkeit auf die Leinwand bannt – so nähert sich
Haneke den Mechanismen, die in seinen Figuren ungeahnte Abgründe heraufbeschwören. Wenn Anne kraftlos im Bett liegt und mit Nachdruck verkündet: „Ich will nicht mehr“, wenn sie um das letzte Quantum Würde und
Selbstbestimmung kämpft. Wenn Georges Ermutigungen, seine unbeirrbare
Zuversicht an dem zunehmend wirren Gestammel seiner Frau auflaufen.
Wenn sich Verzweiflung breit macht. Dann ist das mehr als realitätsnah,
mehr als eine Lovestory. Der Titel also nur eine Finte? Nein. Denn dieses
Drama ist ein Liebesfilm in aller Konsequenz. Nicht nur im Glück, sondern
vor allem im Leid seiner Figuren, in der Herausforderung, erzählt Haneke
vom Rückrat der Liebe. Von einer Herausforderung, der sich nur die Liebe
stellen kann. Dass das Leben mehr als nur süß ist, hat uns Haneke bereits
gelehrt. Nun legt er dar, dass das gleiche für die Liebe gilt. Und ein Haneke
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
geht natürlich noch weiter: Vermag Liebe auch menschlichen Abgründen das
Verwerfliche zu nehmen? Bedeutet Liebe im Extremfall auch Scheitern? Relativiert Liebe Versagen? Das sind Gedanken, denen man sich mit der ruhigen
Gangart des Films ausgiebig hingeben kann. Haneke denkt nie eindimensional. Wo Gut ist, da ist auch Böse. Oder, in seinem Fall: Das Böse ist immer und
überall. Haneke inszeniert dies mit Ruhe und Kraft, magisch und doch alltäglich. Der ungetrübte, aber unspektakuläre Blick ist nur gelegentlich gebrochen
von Georges‘ Tag- und Albträumen. Dies sind Bilder der Sehnsucht, Bilder des
Wahns, Momente, die von Setting und Stimmung an Polanskis frühe klaustrophobische Thriller erinnern, die aber dieses Drama nicht dominieren.
Schön und schrecklich zugleich
Haneke interessiert eher die Wahrnehmung als das Wort. Er ist eher Beobachter als Zuhörer. Beobachter eines bewegenden Schicksals. Ein cineastisches Erlebnis, das nicht zuletzt getragen wird vom umwerfenden Spiel der
beiden Hauptdarsteller, von Jean-Louis Trintignant („Und immer lockt das
Weib“, „Z“, „Das wilde Schaf“) und Emmanuelle Riva („Hiroshima, mon amour“,
„Familientreffen mit Hindernissen“). Beide sind bereits über 80, beide dem
Film und der Theaterbühne verhaftet, beide schlichtweg erhaben. Das Erzähltempo ist so langsam, die Kamera so ausdauernd, dass sich dieser Film
jedem Fernsehbild entzieht. Der Film vermag seine Größe, seine Magie, seinen Sog nur auf der Leinwand auszuspielen. „Liebe“ ist kein 90-Minuten
Betroffenheits-TV-Drama – „Liebe“ ist ein zweistündiges Leinwandopus. Ein
Sog, begründet in der Performance der beiden Hauptdarsteller, ein Sog der
stummen Gesten, der Konzentration, der ausdauernden, unbewegten Kamera, der entschleunigten Montage, der inszenatorischen Dichte, die keiner
Filmmusik bedarf. Vor allem aber entwickelt der Film einen Sog der schleichenden Langsamkeit, der den Zuschauer zum Aushalten nötigt und ihn in
einen Bann zieht, den nur Kino zu schaffen vermag. Hanekes Liebesfilm ist
ein Melodram. Denn über allem Leid thront die Liebe. Es ist ein grausamer
Film, weil er die Liebe feiert und zugleich Angst macht vor ihrer Kraft. Einmal
kommt ein junger Pianist, ein Protegé von Anne und Georges, auf einen
Kaffee vorbei und resümiert, erschrocken von Annes Zustand, dass der Besuch schön war und schrecklich zugleich. Genau das ist dieser Film.
HARTMUT ERNST
LIEBE
Cannes 2012: Goldene Palme
F/D/A 2012 - Drama - Regie: Michael Haneke - Kamera: Darius Khondji - mit: Jean-Louis
Trintignant, Emmanuelle Riva, Isabelle Huppert - Verleih: X Verleih
Start: 20.9.
engels verlost 3x2 Karten.
E-Mail mit Adresse bis 14.9. an [email protected], Kennwort: Liebe
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
neue filme
Tanz der Zitate
Roberto Benigni flüchtet vor den Paparazzi
Zitatenhölle
Komisch ironisch
„The Cabin in the Woods” von Drew Goddard
„To Rome with Love“ von Woody Allen
Fünf Freunde auf dem Wochenendtrip. Ein obskures Forscherteam plant Böses. Schon
bald fließt Blut im dunklen Wald.
C Horrorspaß
Woody Allen begleitet in Rom allerlei Zeitgenossen durch Liebe und Karriere.
C Smarte Boulevard-Komödie
Zwei Mädchen und drei Jungs fahren übers Wochenende in eine Hütte im
Wald. Die Nacht zieht ins Land, eine Kellerluke öffnet sich – und doch
kommt es anders, als du denkst. Versprochen! Fürwahr, der Streifen zitiert
seine Vorbilder geradezu aufdringlich. Doch genau das ist das Konzept: Sam
Raimis „Tanz der Teufel“ ist nur ein Teil des Puzzles, das am Ende zu einem
begnadet schrägen Ganzen ausufert. Ein originelles Spiel mit Versatzstücken
von Drew Goddard, der zuvor das Drehbuch zu „Cloverfield“ schrieb. Machos,
Rednecks, Joints und Monster, zwei miserable Hauptdarstellerinnen, Blut,
unzählige Genre-Souvenirs, Gaststars, noch mehr Blut und ein ausuferndes
Finale garnieren satten Spaß für Genrekenner.
HARTMUT ERNST
Nach England, Spanien und Frankreich ist Woody Allen auf seiner cineastischen Tour durch Europa in Italien angekommen: Diesmal agiert der Regisseur
auch vor der Kamera, als Opernregisseur, der nicht im Ruhestand ankommen
will und selbst die Römer mit seinem Gequassel nervt. Inwiefern diese Figur
mit dem wahren Woody Allen kokettiert, weiß wohl nur der Meister selbst.
Episodisch verfolgt die Komödie diverse Handlungsstränge, die sich zwischen
Klamauk und Satire bewegen. Dies ist sicherlich kein Meisterwerk, aber immer
noch erkennbar eine Woody-Allen-Komödie, bewährt prominent besetzt (Judy
Davis, Jesse Eisenberg, Ellen Page, Alec Baldwin, Roberto Benigni) und schrullig mit Ausflügen ins Phantastische.
HARTMUT ERNST
TO ROME WITH LOVE
THE CABIN IN THE WOODS
USA 2012 - Horror - Regie: Drew Goddard - Kamera: Peter Deming - mit: Kristen
Connolly, Chris Hemsworth, Anna Hutchison - Verleih: Universum
Start: 6.9.
I/USA 2012 - Komödie - Regie: Woody Allen - Kamera: Darius Khondji - mit: Woody Allen,
Alec Baldwin, Roberto Benigni - Verleih: Tobis
Start: 30.8.
engels verlost 3x2 Karten. E-Mail bis 6.9. an [email protected], Kennwort: Rome
Ungewohntes Bild: Söldner für Schwulenrechte
Implodierende Familienkonstellation
Eine Frage des Stolzes
Irgendwas ist immer
„Parada“ von Srdjan Dragojević
„Was bleibt“ von Hans-Christian Schmid
CSD-Paraden in Belgrad sind eine schwierige Angelegenheit. Deswegen engagiert
Radmilo eine Kriegsveteranentruppe als Beschützer.
C Sympathische Emanzipationsgeschichte
Marko fährt übers Wochenende zu seinen Eltern aufs Land. Anstelle der erhofften
Entspannung im Familienkreis kommt es zum Eklat.
C Präzise Studie über die Post-68er-Familie
Von der Selbstverständlichkeit, mit der hierzulande, insbesondere in Köln, alljährlich am Christopher Street Day für die Rechte der queeren Bevölkerung
demonstriert wird, können die Menschen in Osteuropa nur träumen. Umso
erstaunlicher, dass Srdjan Dragojević über die Problematik eine Komödie drehen
konnte, die noch dazu auf dem Balkan zu einem Publikumserfolg wurde. Das
könnte an der zweiten Handlungsebene liegen, in der es um Aussöhnung zwischen einstigen Kriegsgegnern geht. Mag der Film auch einige Stereotype bedienen und im Vergleich zu anderen Filmen mit schwul-lesbischer Thematik vielleicht nicht weit genug gehen, so kann er dennoch mit einer ganzen Reihe sehr
sympathischer Figuren und einer liebenswerten Botschaft für sich einnehmen.
„Ausschlafen, futtern, gut is’“ – der gemeinhin übliche Anspruch der heutigen
Generation 30+ an ihre Heimfahrwochenenden ist Ausgangspunkt von HansChristian Schmids dritter Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Bernd Lange.
Gewohnt treffsicher entwickelt das kongeniale Team in „Was bleibt“ das Psychogramm einer Generation, die einerseits ihren Eltern auf Augenhöhe begegnet und in extremer materieller Sicherheit aufwachsen durfte, andererseits aber
aufgrund der fehlenden Rebellion und Abnabelung sichtbare Schwierigkeiten
hat, ihren Platz in der Welt zu finden. Was tun, wenn die Glücksversprechen der
Eltern nicht eingelöst werden? Einmal mehr erweist sich Schmid hier als leiser
und doch messerscharf analysierender Beobachter von Familienkonstellationen,
die früher oder später implodieren müssen.
MARIEKE STEINHOFF
FRANK BRENNER
PARADA
Berlinale 2012: Panorama-Publikumspreis, „Siegessäule”-LeserInnenpreis ELSE
SRB/SLO/KRO/MAZ 2011 - Komödie / Tragikomödie - Regie: Srdjan Dragojevic Kamera: Dusan Joksimovic - mit: Nikola Kojo, Milos Samolov, Hristina Popovic Verleih: Neue Visionen
Start: 13.9.
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
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WAS BLEIBT
D 2012 - Drama - Regie: Hans-Christian Schmid - Kamera: Bogumil Godfrejow mit: Lars Eidinger, Corinna Harfouch, Sebastian Zimmler - Verleih: Pandora
Start: 6.9.
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
neue filme
Noch rollen die Autos die Darsteller zu ihren Rollen
Wollen eigentlich aufs Meer: Andreas (August Diehl) und Cornelis (Alexander Fehling)
Traumwelt des Kinos
So nah – und doch so fern
„Holy Motors“ von Leos Carax
„Wir wollten aufs Meer“ von Toke Constantin Hebbeln
Monsieur Merde schlüpft in die unterschiedlichsten Rollen. Seine Fahrerin Céline fährt
ihn in einer weißen Stretch-Limo zu seinen Terminen und kümmert sich auch sonst um
den mysteriösen Darsteller.
C Surreale Parabel auf Leben und Kino
Die beiden Freunde und Werftarbeiter Cornelis und Andreas wollen als Matrosen bei der
DDR-Handelsmarine anheuern. Doch die Erfüllung ihres Traums führt über den Verrat
an ihrem Freund Matze.
C Bildstarkes Melodram über Freundschaft und Verrat
Der Film fängt im Kino an: Ein alter Mann (Regisseur Leos Carax) wacht mitten in der Nacht in seinem Schlafzimmer auf und schließt mit einem, aus seiner Hand herauswachsenden Werkzeug, eine verborgene Tür in der Wand auf.
Dahinter befindet sich ein Kinosaal – und der Film beginnt. So individualistisch
das körpereigene Werkzeug des Mannes ist, so hermetisch ist Leos Carax’ neuer,
langerwarteter Film. In den letzten 20 Jahren hat Carax ganze drei Langfilme
gedreht. Dabei fing der als verschlossen geltende Regisseur recht zügig an: Mit
seinem Langfilmdebüt „Boy meets Girl“ erhielt er 1984 in Cannes gleich den
Preis der Jugendjury. Nur zwei Jahre später legte er mit dem visuell ungewöhnlichen Noir-Krimi „Die Nacht ist jung“ nach. In der Hauptrolle spielte wie
bereits beim Debüt Denis Lavant, für den weiblichen Part holte er die noch
junge Juilette Binoche. Mit seinem dritten Film „Die Liebenden von Pont-Neuf“
gelang ihm 1991 der Durchbruch. Doch die Produktion der pompös inszenierten Liebesgeschichte – abermals mit Lavant und Binoche in den Hauptrollen –
hatte sich nicht nur stark verzögert, sondern verschlang auch immense Summen. Immerhin: Der Film war zwar kein Kassenschlager, aber ein Kritikererfolg
und machte ihn bekannt. Als 1999 mit „Pola X“ endlich der Nachfolger kam,
erfüllte er nicht die Erwartungen – weder beim Publikum, noch bei den
Kritikern. Seine visuellen Eskapaden – so die gängige Meinung – erstickten die
Handlung. Seitdem gilt Carax unter potentiellen Geldgebern als rotes Tuch.
Was die visuellen Eskapaden betrifft, so lenkt Carax nach Jahren vergeblicher Finanzierungsversuche für das nicht realisierte Projekt „Scars“ mit
seinem neuen, aus finanziellen Gründen digital gedrehten Film „Holy Motors“
nicht ein. Doch er zieht einen anderen Schluss aus der Vergangenheit und
entfernt sich weit von den narrativen Konventionen des klassischen Erzählkinos. Sein Protagonist absolviert in unterschiedlichsten Episoden seinen
Job als Darsteller – wird Banker, Familienvater, Sterbender, Mörder, Monster à la Mr. Hyde, Oberhaupt einer Affenfamilie oder Fantasy-Darsteller für
Motion Capture. Denis Lavant, der als Monsieur Merde gewissermaßen elf
Rollen – eine absurder als die andere – spielt, wird unterstützt von überraschenden Auftritten von Eva Mendes (deren Haare er isst), Kylie Minogue
(die einen Gesangsauftritt hat) und Michel Piccoli. Die einzelnen Episoden
sind eher additiv arrangiert, die innere Logik des Films erinnert an David
Lynchs „Inland Empire“ oder den monumentalen Kunstfilmzyklus „Cremaster Cycle“ des Künstlers Matthew Barney, zu dem es auch deutliche ästhetische Parallelen gibt. Es gibt durchgehende Themen in „Holy Motors“, wie
das Spiel von Rollen oder die Entkörperlichung im Fortschritt. Und es gibt
verschiedene erzählerische Motive. Aber es gibt keine durchgehende Handlung. „Holy Motors“ ist ein brutales, urkomisches, anarchisches, surreales,
und dabei höchst selbstreflexives Kino der Attraktionen. Völlig entgrenzt
und dabei ebenso wild wie wunderbar.
CHRISTIAN MEYER
Die Referenz an „Das Leben der Anderen“ ist eindeutig und laut Regisseur
Toke Constantin Hebbeln auch gewollt. Nicht nur deshalb muss sich sein
Spielfilmdebüt „Wir wollten aufs Meer“ den Vergleich mit dem „Oscar“Preisträger gefallen lassen. Und auf den ersten Blick fällt dieser gar nicht so
schlecht aus: Hebbelns Film beginnt mit dokumentarischen SchwarzweißAufnahmen vom geschäftigen Treiben im einzigen Überseehafen der DDR in
Rostock, ehe dann die fiktionale Geschichte die bildgewaltige CinemascopeLeinwand füllt. Aber auch diese farbigen Bilder atmen eine gewisse Authentizität, weil Kameramann Felix Novo de Oliveira sich in der Farbdramaturgie
an das alte DDR-ORWO-Filmmaterial anlehnt und Lars Langes Szenenbild
diese Stimmung kongenial ergänzt. Und in diesem Setting entwickelt sich
eine durchaus spannende Geschichte von Freundschaft, Liebe, Verrat und
der in allen Bereichen mitmischenden Staatsmacht. Denn als sich nach drei
Jahren Cornelis’ und Andreas’ Traum von der Schifffahrt immer noch nicht
erfüllt, beginnt ein perfides Spiel, bei dem letztlich fast alle Verlierer sind.
Cornelis wehrt sich noch gegen den inneren Schweinehund, während Andreas
dem Drängen der Stasi nachgibt. Jetzt setzt das große Melodram ein: Die
Schlägerei zwischen den beiden Freunden wegen des Verrats endet für
Andreas tragisch. Cornelis versucht derweil sich mit seiner vietnamesischen
Freundin über die tschechische Grenze zu machen ...
Es ist schon eine Crux mit dem deutschen Film: Da liegen die Themen auf
der Straße – und brauchen doch Jahrzehnte, bis sie einer aufhebt, so wie
Hebbeln und sein Co-Autor Ronny Schalk. Die beiden neigen dann dazu, etwas zu viel in die Geschichte hineinzupacken und dadurch letztlich so manchen Handlungsstrang wieder aus den Augen zu verlieren. Während das
schicksalhaft verbundene Trio (Cornelis, Andreas und Matze) durch die großartige, anfangs fast anarchische Spielfreude von Alexander Fehling, August
Diehl und Ronald Zehrfeld der Handlung ihren Drive verleiht und Sylvester
Groth und Rolf Hoppe mit prägnanten Side-Kicks glänzen, bleibt die Liebesgeschichte zwischen Cornelis und Phuong (Phuong Thao Vu) in der Behauptung stecken.
Auch so manche dramaturgische Wendung ist nur angedeutet. Das nimmt
dem Film ein wenig die Spannung des Anfangs und wirft die Frage auf,
warum ein gutes Dutzend Filmförderungsanstalten und TV-Sender diese
Mängel nicht bemerkt haben und den Filmemachern nicht mehr Zeit und
Geld zur Stoff-Entwicklung zugestanden haben. Denn ihr unbestreitbares
Talent ist in ihrem aufwändigen und ambitionierten Debüt, trotz mancher
Mängel, zu sehen und macht auch neugierig auf ihren nächsten Film.
ROLF-RUEDIGER HAMACHER
HOLY MOTORS
WIR WOLLTEN AUFS MEER
F/D 2012 - Drama - Regie: Leos Carax - Kamera: Yves Capé, Caroline Champetier mit: Eva Mendes, Kylie Minogue, Michel Piccoli - Verleih: Arsenal
Start: 30.8.
D 2012 - Drama - Regie: Toke C. Hebbeln - Kamera: Felix Novo de Oliviera mit: Alexander Fehling, August Diehl, Phuong Thao Vu - Verleih: Wild Bunch
Start: 13.9.
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
roter teppich
Noch ist er lediglich im Hafen von Rostock: Alexander Fehling in „Wir wollten aufs Meer“
„Ich hatte am Ende in der DDR eine gute Zeit“
Alexander Fehling über „Wir wollten aufs Meer“, seine Kindheit in der DDR und ein Filmprojekt ohne Drehbuch
Schon mit seinem ersten Film, dem Kritiker- und
Festivalliebling „Am Ende kommen Touristen“,
gewann der 1981 in Ost-Berlin geborene Alexander Fehling seinen ersten Filmpreis. Es folgten
Auftritte in „Die Buddenbrooks“, „Sturm“, „13
Semester“ und Tarantinos „Inglourious Basterds“, bis er in der Titelrolle in „Goethe!“ endgültig
seinen Durchbruch erlebte. In „Wir wollten aufs
Meer“ ist Fehling nun als junger Mann zu sehen,
der sich in der DDR für Kameradschaft oder Lebenstraum entscheiden muss.
engels: Herr Fehling, Sie sind 1981 geboren –
wie gut kann man sich da in die Lebenssituation
der DDR hineinversetzen?
Alexander Fehling: Bei mir war das natürlich lediglich eine kindliche Wahrnehmung, überhaupt
keine politische oder gesellschaftliche. Ich hatte
am Ende in der DDR eine gute Zeit, was mit den
Menschen zu tun hatte, die mich umgeben haben.
Später, als ich älter wurde, habe ich die Dinge zueinander ins Verhältnis gesetzt. Wenn man sich dann
erinnert, kommen natürlich auch Klischees auf,
dass die Straßen und Häuser beispielsweise anders
aussahen. Im Nachhinein wurde mir dann erst klar,
wie unterschiedlich die Verhältnisse gewesen sind.
Trotzdem habe ich dort ganz normal gelebt, so ist
meine Erinnerung.
Im Film ist Rolf Hoppe zu sehen, der schon zu
DDR-Zeiten dort ein großer Star war. Hatten Sie
während der Dreharbeiten Gelegenheit, mit ihm
über die damalige Zeit und seine Erfahrungen zu
sprechen?
Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich habe ihn von Weitem
bewundert. Es war wirklich toll für mich, gemeinsam mit ihm vor der Kamera zu stehen. Ich hatte
„Mephisto“ gesehen, als ich noch relativ jung war,
und ich erinnere mich, wie mein Vater mich damals
fragte, ob ich den Namen des Schauspielers kenne.
Ich kannte ihn nicht und mein Vater sagte: „Das ist
Rolf Hoppe, das ist ein guter Schauspieler!“ (lacht)
Damals war ich 13 oder so. Aber ich habe mich mit
Hoppe nicht über die DDR unterhalten, sondern nur
über die Szenen, die wir miteinander zu drehen hatten. Wir haben uns auf die Arbeit konzentriert.
Auch zuvor haben Sie schon Filme mit ErstlingsMit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
regisseuren gedreht, andererseits auch mit Re- siert. Inzwischen sieht das alles so schön aus, und
gieprofis zusammengearbeitet. Besteht für Sie ich bin darüber auch sehr dankbar, aber das folgte
als Schauspieler ein großer Unterschied in der Stück auf Stück, und dazwischen gab und gibt es
immer Phasen, in denen man auf einen Stoff warHerangehensweise?
Das kann man schlecht beantworten, da fängt man tet, der für einen passt.
mit dem Allgemeinplatz an, dass jeder anders ist,
und das stimmt ja wirklich. Natürlich macht es ein Bei „Der Fluss war einst ein Mensch“ haben Sie
erfahrener Regisseur anders, aber ich bin auch gar zuletzt auch mit am Drehbuch gearbeitet. Wie
nicht so sehr damit beschäftigt, sobald man gut ist es zu diesem ungewöhnlichen Projekt in Botsmiteinander kommunizieren kann. Ich versuche, wana gekommen?
nicht miteinander zu vergleichen, sondern das in- Die Credits sind hier vielleicht etwas missverständdividuell zu nehmen, weil ich hoffe, dass man auch lich – ich habe die Geschichte mitentwickelt. Ich
mich gewissermaßen individuell wahrnimmt. Ich kannte den Regisseur Jan Zabeil schon mehrere
würde auch nicht behaupten, dass ich es liebe, De- Jahre, allerdings nicht wirklich gut. Wir haben uns
bütfilme zu machen. Das sind Etiketten, die mich durch gemeinsame Freunde vor acht Jahren oder so
überhaupt nicht interessieren. Mich interessiert der das erste Mal kennengelernt. Ich habe dann Schaujeweilige Mensch, die jeweilige Geschichte, und spiel in Berlin studiert, und er Kamera in Potsdam.
Nach dem Studium haben wir uns
was man da versuchen will. Mit
„Ich habe Rolf Hoppe von
dann in Cannes getroffen, wo er
den anderen Aspekten beschäftige
Weitem bewundert“
einen Kurzfilm vorstellte und ich
ich mich gar nicht. Natürlich sind
„Am Ende kommen Touristen“. Da
das andere Erfahrungen, wenn
man mit „Regieprofis“ arbeitet, aber es ist bei jedem erzählte er mir von dieser Idee, in Afrika einen Film
neuen Regisseur eine andere Atmosphäre und ein zu machen über jemanden, der sich dort im Okaanderer Flair. Man versucht es einfach gemeinsam, vangodelta und in vielen anderen, mentalen Wahrund man weiß ohnehin nie, ob die Rechnung auf- nehmungswelten verliert. Er hatte dafür aber kein
Drehbuch und wollte auch keines schreiben. Sein
geht und es ein guter Film wird.
Konzept bestand darin, es dort vor Ort zu finden.
Nach Ihrem Schauspielstudienabschluss ist es Deswegen haben wir im Vorfeld kein Drehbuch gedirekt explosionsartig mit einer großen Kino- schrieben, weil wir uns nicht zu Hause etwas aushauptrolle losgegangen, dann kamen Rollen bei denken und dann in die Fremde gehen wollten, um
Breloer, Tarantino und Hans-Christian Schmid. das dann dort umzusetzen. Die Fremde sollte uns
als Inspiration dienen und bestimmen, was wir erleWie hat dieser Blitzstart auf Sie gewirkt?
Äußerst angenehm (lacht). Nein, im Ernst: Ich hatte ben sollten – und nicht das, was wir uns ausgedacht
wahnsinniges Glück am Ende der Schule mit dem hätten. Das war seine Idee, und einige Monate vor
Film „Am Ende kommen Touristen“. Und natürlich Drehbeginn haben wir uns dann gemeinsam die Geauch mit der Theaterproduktion „Wallenstein“ von schichte erarbeitet, weswegen ich da nun mit als
Peter Stein. Das ist einfach Glück, das wünscht sich Drehbuchautor genannt werde. Aber eigentlich war
jeder. Der Film hat für Aufmerksamkeit gesorgt und das lediglich ein roter Faden, eine Art Plot. Der Film
mir sehr viele Türen geöffnet. Nach diesem Film hat ist in seiner Machart und seiner Erzählweise sehr
es dann aber auch ziemlich lange gedauert. Einer- speziell, da passiert sehr viel auf kleiner Ebene.
seits bin ich mir dieser Geschenke und dieses Glücks
durchaus bewusst, aber in meiner eigenen WahrINTERVIEW: FRANK BRENNER
nehmung sind dazwischen viele Jahre vergangen.
Für mich war es deswegen keine Explosion, sondern
das alles ist Schritt für Schritt passiert. Als ich bei
Lesen Sie die Langfassung unter:
Breloer oder bei Hans-Christian Schmid in „Sturm“
www.engels-kultur.de/roter-teppich
spielte, hat sich dafür auch noch niemand interes-
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Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
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Keine Tapete – echter Wald
Spurensuche bei den Familien der Opfer
Nichts wird verschwendet
Langsame Mühlen
„Das grüne Wunder – Unser Wald“ von Jan Haft
„Revision“ von Philip Scheffner
Ein Streifzug durch unsere Wälder und Wiesen. Elegant, anmutig und mitreißend
inszeniert.
C Wundervolle Naturdoku
Auf den Spuren eines Verbrechens aus dem Jahr 1992 entdeckt der Filmemacher viele
Ungereimtheiten.
C Beharrliche Untersuchung
Sechs Jahre schlichen die fleißigen Kameramänner durch die Wälder Deutschlands, Österreichs und Dänemarks. Das Bildmaterial ist beeindruckend und gehört auf die große Leinwand: Über die Jahreszeiten folgt die Naturdoku dem
Leben der Pflanzen- und Tierwelt in, unter und auf den Bäumen. Betörende
Eindrücke, immer nah dran, auch mal in Zeitrafferaufnahmen, die bezeugen,
was der Mensch nicht sieht. Benno Fürmanns Kommentar gibt sich poetisch
und wissenswert, weder aufdringlich noch verklärt. Musikalisch werden die
Eindrücke mal klassisch, mal frech oder verträumt begleitet. „Nichts wird im
Wald verschwendet.“ Der Faktor Mensch bleibt außen vor, die Natur lebt im
Miteinander und arrangiert sich. Eine atemberaubende Lehrstunde.
Im Jahr 1992 werden auf einem Feld an der deutsch-polnischen Grenze zwei
Menschen erschossen. Schnell ist klar, dass die Schüsse von zwei Jägern kamen. Doch der Prozess zieht sich sehr schleppend über Jahre hin, am Ende
werden sie freigesprochen. Bei den Opfern handelt es sich um zwei Osteuropäer, deren Identität zwar bekannt ist, die aber nie eine Rolle spielen. Ihre
Familien erfahren erst durch Philip Scheffner von den Hintergründen der Tat.
Der Film zeigt die Opfer als Menschen, und verdichtet ein von latentem Rassismus geprägtes Klima im wiedervereinigten Deutschland, das bis in die
Gegenwart reicht. Daneben ist der Filmemacher auch immer bemüht, sich
selber zu beobachten und zu hinterfragen.
CHRISTIAN MEYER
HARTMUT ERNST
REVISION
DAS GRÜNE WUNDER – UNSER WALD
D 2012 - Dokumentarfilm / Natur - Regie: Jan Haft - Kamera: Jan Haft,
Kay Ziesenhenne - Verleih: polyband
Start: 13.9.
GoEast Filmfestival Wiesbaden 2012: Dokumentarfilmpreis „Erinnerung und Zukunft“
D 2012 - Dokumentarfilm - Regie: Philip Scheffner - Kamera: Bernd Meiners Verleih: RealFiction
Start: 13.9.
Inklusion statt Exklusion: die Kinder von Berg Fidel
Fröhlich in den Weltuntergang: Steve Carell und Keira Knightley
Ohne Einschränkung
Letzter Halt
„Berg Fidel – Eine Schule für alle“ von Hella Wenders
„Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ von L. Scafaria
In einer Grundschule in Münster sitzen Kinder mit und ohne „Lernbehinderung“.
C Doku über eine integrative Schule
Es ist soweit: Die Welt geht unter. Zwei Einzelgänger begegnen einander und begeben
sich auf eine letzte Reise.
C Apokalyptische Tragikomödie
Lucas hat Lernprobleme, Anita aus dem Kosovo droht die Abschiebung, Jakob
hat Down-Syndrom, David ist Einser-Kandidat mit Stickler-Syndrom: Alle vier
Kinder besuchen die Grundschule Berg Fidel in Münster. Eine Schule, die alle
Kinder des Bezirks ohne Einschränkung aufnimmt. Der Dokumentarfilm folgt
den aufgeweckten Schülern durch Unterricht und Freizeit, Regisseurin Hella
Wenders führt mit ihnen Interviews, in denen sie von ihren Träumen, ihrem
Leben und ihren Stärken erzählen. Ein interessanter Einblick in ein unkompliziertes integratives Konzept, das unkommentiert bebildert wird und soweit
überzeugt: Es ist beeindruckend, wie solidarisch und mit welcher Eigeninitiative
die Gemeinschaft die Herausforderungen meistert.
HARTMUT ERNST
Dodge ist ein biederer Versicherungskaufmann, seine Nachbarin Penny eine
durchgedrehte Göre. Aber Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an, und das
erst recht, wenn das Ende der Welt bevorsteht. Noch drei Wochen sind es in diesem Drama bis zum Meteoriteneinschlag, das war’s. Das Schicksal verdonnert
Dodge und Penny zu einer Reise durch die USA. Während rundherum Anarchie
und Sünde ausbrechen, sucht das ungleiche Paar noch ein wenig Erfüllung. Lars
von Trier hat die Apokalypse mit „Melancholie“ artifiziell melodramatisch gezeichnet – dieser Film entspricht der Hollywood-Variante. Ein tragikomisches
Roadmovie, das dem Untergang noch Zuversicht verleiht.
CARLA SCHMIDT
BERG FIDEL – EINE SCHULE FÜR ALLE
AUF DER SUCHE NACH EINEM FREUND FÜRS ENDE DER WELT
D 2011 - Dokumentarfilm - Regie: Hella Wenders - Kamera: Merle Jothe - mit:
Thom Hanreich - Verleih: W-Film
Start: 13.9.
USA 2012 - Komödie / Drama - Regie: Lorene Scafaria - Kamera: Tim Orr mit: Keira Knightley, Steve Carell, Adam Brody - Verleih: UPI
Start: 20.9.
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
gespräch zum film
filmwirtschaft
Regisseur Philip Scheffner, Foto: Svenja L. Harten/pong
Kinosäle außer Konkurrenz, Foto: PREMIUM Entertainment Köln GmbH
„Eine strukturelle Gewalt“
Besser geht’s nicht
Philip Scheffner, Jahrgang ’66, war in den 90er Jahren Mitglied der Autoren- und Produzentengruppe „dogfilm“, seitdem führt er zusammen mit
Merle Kröger die Produktionsfirma „pong“ und macht Kinofilme, aber auch
Kunstprojekte.
Es hat sicherlich zehn Jahre gedauert, bis auch in Deutschland ein Trend zu
erkennen war und ist, dessen Vorläufer im Angelsächsischen wurzelt und dort
so schöne Namen wie „Gold Class“ oder „Premium Cinema“ trägt. Gemeint ist
eine Sonderbehandlung für das zahlungskräftige Kinopublikum. War früher Kino
noch eine audiovisuelle Grundversorgung ohne Klassenunterschied, bildeten
sich mit der Konkurrenz zu anderen Medien bald auch Ausstattungsmerkmale
heraus, die mit Komfort und immer wieder technischen Neuerungen der Besucherabwanderung Einhalt gebieten sollten. Die Bandbreite der Eintrittspreise
blieb dennoch relativ eng und ein Kinobesuch somit ein preiswertes Volksvergnügen. Nun werden auch hierzulande diejenigen, die das Besondere suchen,
und die zahlungskräftige Klientel ins Visier genommen.
Vor wenigen Jahren stieß Achim Flebbe, der Anfang der 90er Jahre mit dem Bau
hochwertiger Multiplexe unter dem Markennamen CinemaxX einen der wichtigsten Impulse gab, einen hierzulande neuen Trend an: Deluxe Kinos. Nicht,
dass er damit der Erste oder gar der Erfinder gewesen wäre – denn es gab bereits
einige erfolgreiche Vorläufer. Aber er erzeugte die größte Aufmerksamkeit und
Nachahmer. Das Konzept ist ebenso einfach wie einleuchtend: Überbiete beim
Kinoerlebnis alles Bisherige! Es wurden die bequemsten Kinosessel mit Fußbank
und verstellbarer Rückenlehne aus Leder eingebaut, die Speisekarte hält kleine
Snacks, Weine und Champagner bereit, es gibt eine bewachte Garderobe, und
mit Anmeldung wird einem das Auto vor dem Kino abgenommen und sicher
eingeparkt. Zur Begrüßung gibt es auch mal einen Aperol Spritz in der meist
klassischen Atmosphäre alter Kinopaläste, die allerdings alle technischen Finessen bereithalten. Der Luxus hat seinen Preis, die Karte allein kostet rund 15 bis
17 Euro (Überlänge und 3D kommen noch extra dazu), die kulinarischen Vergnügungen provozieren leicht das Vielfache davon, aber im Zweifel tun es auch ein
erstklassiger Espresso und ein Softdrink.
Den Auftakt bildete die Astor Filmlounge gegenüber des Cafe Kranzler am
Ku’damm in Berlin. Seit diesem Erfolg sucht Flebbe in vielen Städten nach geeigneten Premium-Standorten. Im Frühsommer eröffnete Flebbe die Astor Filmlounge im Kölner Residenz-Kino, einem alten Filmpalast am Ring, in dem in den
letzten Jahren unter anderem Oliver Pocher derbe Scherze machte. Nun ist es
den Film- und Kinoliebhabern nach einer rund 4 Mio. umfassenden Investition
zurückgegeben worden. Mit drei Sälen und einem hochwertigen Filmprogramm
soll nun auch in NRW ein Publikum angesprochen werden, das anspruchsvolle
Filme weder in alten Programmkinos noch in Popcorntempeln sehen will und
dafür gerne etwas mehr bezahlt. Mittlerweile steigen auch andere Betreiber
ein und es folgen weitere Kinos zunächst in den Großstädten Frankfurt und
München, aber auch Umwandlungen bestehender Säle in größeren Centern zu
Premium-Sälen werden geplant. Die Hersteller hochwertiger Kinosessel freuen
sich über die zunehmende Nachfrage.
Ein großes Hemmnis begleitet jedoch diese unternehmerisch wagemutigen Entscheidungen: Durch die prozentuale Beteiligung der Filmverleiher am Eintrittspreis profitieren diese von den erhöhten Ticketpreisen, während sie sich aber
keineswegs an den deutlich höheren Personal- und Investitionskosten beteiligen. So muss jeder Deluxe-Kinobetreiber mit jedem Verleiher individuell darüber
verhandeln, wie der Eintrittspreis so geteilt wird, dass die atypisch hohen Kosten
amortisiert werden können.
Philip Scheffner über seine Dokumentation „Revision“
Der Trend zu Deluxe-Kinosälen erobert Deutschland
trailer: Herr Scheffner, Ihr letzter Film „Der Tag des Spatzen“ entwickelt sich
sehr assoziativ, „Revision“ hingegen belegt alleine schon mit dem Titel einen
viel strengeren Diskurs – den der Justiz ...
Philip Scheffner: Ich glaube, der Hauptunterschied zwischen den beiden Filmen ist, dass „Revision“ von einer ganz konkreten Geschichte ausgeht und dann
versucht, Kontexte und Perspektiven aufzuspüren und den Blick zu erweitern.
Bei „Der Tag des Spatzen“ ist es genau umgekehrt, also eine Bewegung vom
Abstrakten zum Konkreten.
Auf kriminalistischer Ebene kommt der Film kaum weiter als die damaligen
Ermittlungen. Sie öffnen aber ganz andere Räume: als Erstes das Thema der
Verdrängung und Vertuschung, das über den Ereignissen von Lichtenhagen
bis in die Gegenwart seine Kreise zieht ...
In Bezug auf die konkrete Recherche haben wir tatsächlich weniger „Neues“ herausgefunden als vielmehr „Bekanntes“ nebeneinandergestellt – in einer Art von:
Das ist es also, was man alles wusste oder hätte wissen können. Nach meiner
Einschätzung ist aber genau dies im über zehn Jahre langen Verfahren oft untergegangen. Für uns stand also die Frage im Raum: Was kann ein Film zusätzlich
leisten? Ich glaube, die Möglichkeiten des Films liegen in der Herstellung eines gesellschaftlichen Raums in dem Bezüge und Kontexte deutlich und sichtbar werden.
Daneben ist dem Film durch die Interviewtechnik auch ein selbstreflexives
Moment zu eigen. Wozu diese Metaebene?
Dafür gibt es viele Gründe: Einmal wollte ich, dass die Menschen, mit denen wir
sprachen, nie vergessen, dass gerade ein Film gedreht wird. Ich wollte sie in einer
Situation des Reflektierens zeigen, nicht in der spontanen Situation des Überwältigtseins – z.B. wenn die Familien die Umstände des Todes ihrer Ehemänner
und Väter erfahren. Ich wollte, dass sie wissen, was sie gesagt haben – und dies,
ähnlich wie bei einer Zeugenaussage, auch noch mal bestätigen. Der wichtigste
Aspekt aber ist der des Raums. Ich wollte eine Situation schaffen, in der wir als
Filmteam und die Person, die man im Bildausschnitt sieht, aber auch der spätere
Zuschauer etwas teilen. Im besten Fall kann so vielleicht dieser „gesellschaftliche
Raum“ entstehen, von dem ich eben gesprochen habe.
Auch Sie halten Distanz. Nur einmal können Sie Ihre Empörung nicht mehr
zurückhalten, als Sie beim Anwalt von den nicht geltend gemachten Versicherungsleistungen hören ...
Ich glaube, es ist wichtig, dass der Film einen nicht-skandalisierenden Tonfall
wählt, um nicht in die Falle eines Opferdiskurses zu tappen. In dem Moment, den
Sie angesprochen haben, konnte ich selbst diesen Tonfall nicht aufrechterhalten.
Zunächst dachte ich, ich hätte mich verhört. Hier wird eine strukturelle Gewalt
deutlich, die durch lauter scheinbar nachvollziehbare, vielleicht sogar in der Verfahrenslogik korrekte Entscheidungen wirksam wird und dazu führt, dass Menschen die aktive Teilnahme an einem Gerichtsverfahren unmöglich ist – gar nicht
zu sprechen von der möglichen Klage auf Entschädigung. Vielleicht reagiert der
Zuschauer da ähnlich und denkt: Hab’ ich mich gerade verhört? Was sagt der da?
INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
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KIM LUDOLF KOCH
Informationen zu Orten, Zeiten und Programmen unter www.lutzgoerner.de
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
neue filme
The Expendables 2
Step Up: Miami Heat
USA 2012 - Action - Regie: Simon West - Verleih: Disney
USA 2012 - Drama / Musical - Regie: Scott Speer - Verleih: Constantin
Die Diskussion im Vorfeld ließ die Fangemeinde erschauern: Wird die Fortsetzung
der Veteranen-Keilerei gezähmt jugendfrei in die Kinos kommen? Werden die
Dialoge „PC“ sein, so wie es Mitstreiter Chuck Norris forderte? Doch zum Glück
führt der ja nicht die Regie, Sylvester Stallone bewahrt sich Einfluss und garantiert
ein Sequel im Sinne des Vorgängers: Ab 18. Brav!
HE
Flashmobs, Tanzchoreos im öffentlichen Umfeld, bilden den Kern dieser „Step Up“Folge. Sean aus Miami (Ryan Guzman) führt eine solche Gruppe an. Das findet
Emily (Kathryn McCormick) echt super. Die ist neu in der Stadt und verknallt sich
über beide Ohren in den hopsenden Robin Hood, der gegen Immobilien-Riesen
antanzt, die die Bewohner seines historischen Veedels vertreiben wollen.
HE
Start: 30.8.
Start: 30.8.
Der kleine Rabe Socke
Das Bourne Vermächtnis
D 2012 - Trickfilm - Regie: Ute von Münchow-Pohl, Sandor Jesse - Verleih: Universum
USA 2012 - Action / Thriller - Regie: Tony Gilroy - Verleih: Universal
Socke (gesprochen von Jan Delay) ist klein, ein Rabe und hat mächtig viel
Unfug im Kopf. Als er mal wieder zu unbesorgt herumtollt, setzt er eine mittelschwere Katastrophe in Gang: Socke beschädigt einen Staudamm, das
Wasser droht nun alles und jeden zu überfluten. Guter Rat muss her! Zum
Glück ist Socke nicht auf den Kopf gefallen – und hat gute Freunde.
HE
Mit Tempo, atemberaubender Montage, treibender Musik und spannenden Plots
haben es Robert Ludlums Roman-Vorlagen auf eine gelungene Kino-Trilogie mit
Matt Damon in der Titelrolle gebracht. Bourne-Drehbuchautor Tony Gilroy übernimmt in der Fortführung die Regie, Jeremy Renner tritt in Damons Fußstapfen:
Als Supersoldat, der von seinen eigenen Schöpfern gejagt wird.
HE
Start: 6.9.
Start: 13.9.
Vatertage – Opa über Nacht
Lotte und das Geheimnis der Mondsteine
D 2012 - Komödie / Lovestory - Regie: Ingo Rasper - Verleih: Studiocanal
EST/LETT 2011 - Kinderfilm / Zeichentrick - Regie: J. Põldma, H. Ernits - Verleih: Pandastorm
Lederhosen-Schwerenöter Basti (Sebastian Bezzel) leitet ein Rikscha-Unternehmen in München. Eines Tages steht ein junges Mädchen aus Bitterfeld (Sarah
Horváth) in der Tür und behauptet, seine Tochter zu sein. Ihr Baby hat sie auch
dabei. Basti ist mit 36 Großvater! Romantische Komödie, angelegt zwischen hanebüchenem Boulevard, leichtem Familiendrama und berührendem Charme.
HE
Hundegirl Lotte traut ihren Augen nicht: Gerade grübelt sie im Bett über den
Mond nach, da stolpern zwei Kapuzenmännchen durchs Zimmer. Die wollen
einen geheimnisvollen Stein von Lottes Onkel klauen. Lotte rettet den Stein und
begibt sich samt Onkel auf eine Reise, auf der sie die Kräfte des magischen
Steins enthüllen möchte. Ihre Reise führt sie durch aufregende Gefilde.
HE
Start: 13.9.
Start: 20.9.
Resident Evil: Retribution
Gregs Tagebuch – Ich war’s nicht!
GB/D/USA 2012 - Action / Horror - Regie: Paul W.S. Anderson - Verleih: Constantin
USA 2012 - Komödie - Regie: David Bowers - Verleih: Fox
Die seelenlos trashig umgesetzte, aber in Genrekreisen durchaus beliebte
Endzeit-Serie geht in die nächste Runde, und gibt sich damit so unermüdlich
wie ihre Heldin und so unsterblich wie ihre Monster: Alice (Milla Jovovich)
macht weltweit Jagd auf die Verantwortlichen, die den Zombie-Virus in die Welt
gesetzt haben. Dabei erfährt sie auch mehr über ihre eigene Vergangenheit. HE
Er ist zurück: Zum dritten Mal widmet sich das Kino den Abenteuern des jungen Greg Heffley (Zachary Gordon). Diesmal hat der Schüler Ferien. Die beginnen mit einem unfreiwilligen Aufenthalt im Pfadfindercamp. Doch am Ende
landet Greg wieder bei Kumpel Rupert – und Brüderchen Rodrick (Devon
Bostick), der Greg die Romance zu Holly Hills (Peyton List) madig macht. HE
Start: 20.9.
Start: 20.9.
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
20
Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
culture club
textwelten
culture club
präsentiert: Varieté
präsentiert: Jazz
Das altmodische Genie
Lutz Görner zeigt, wie man die Angst vor Kunst in Lust verwandelt
Warum sollte man zu einer Veranstaltung gehen, bei der jemand einfach aus
einem Buch vorliest? Eine Frage, die heute niemand mehr stellt, kommen doch
alleine in Köln innerhalb von zehn Tagen rund 80.000 Menschen zu den Veranstaltungen der lit.Cologne. Dort gibt es Lesungen von Autoren und Schauspielern, zweifellos fast immer interessante Veranstaltungen. Aber was man dort
nicht bekommt, ist Bildung. Man muss sie schon selbst mitbringen, um den
gelesenen Text einordnen zu können in das Gefüge historischer oder literarischer Zusammenhänge. Wer möchte sich jedoch am Abend mit Fragen nach
der Aktualität von Goethe, Schiller, Heine oder Charles Bukowski befassen?
Dennoch gibt es jemanden, der das alles leistet, der eine Stimme für die Zwischentöne des Textes besitzt, der uns Lust macht auf das „Wintermärchen“
oder die späten Gedichte eines Johann Wolfgang von Goethe. Lutz Görner hat
das Handwerk des Rezitators mit einer Virtuosität entwickelt, die weit über
das hinausreicht, was man von einem Spezialisten der Lesekunst erwarten
kann. Das, was vielen Lehrern und Professoren an der Uni nicht gelingt und
von Autoren und Schauspielern nicht geleistet wird, demonstriert er mit spielerischer Gelassenheit: Texte verständlich erscheinen zu lassen, sie kulinarisch
zu präsentieren. Der Königsweg zu den Texten eines Autors bildet dabei zumeist die Beschäftigung mit seinem Leben, seinem Schicksal, das ihn zu einem
Melancholiker, Krakeeler oder Frühvollendeten macht.
Nun feiert Görner sein 50jähriges Bühnenjubiläum unter dem Titel „Das Festival“. 120 Auftritte in Deutschland, viele davon in NRW. „Ich könnte alleine
von NRW leben, das hängt mit den Menschen zusammen, die sind irgendwie
toleranter als anderswo“, erklärt er. Von Münster über Dortmund, Bochum,
Mülheim an der Ruhr, Duisburg, Düsseldorf, Aachen, Bonn und dann alleine
vier Wochen in Köln präsentiert er die „fünf Falten meiner Seele“, wie er sagt.
Gemeint sind fünf Programme, die jeweils einen prägnanten literarischen Akzent setzen. Politische Töne kommen in „Heine: Deutschland ein Wintermärchen“ zum Ausdruck. In „Goethe liebt“ rückt er dem literarischen Übervater
auf den Pelz und erklärt, dass Goethe nur zweimal „wirklich“ verliebt war,
einmal mit Händchenhalten und einmal mit allen Schikanen zwischen den
Daunen. Das dritte Lyrik-Programm „Ich lache nie!“ bietet geballte Komik von
Morgenstern, Ringelnatz und Tucholsky.
So unbekannt, wie den Deutschen ihre Literatur ist, so wenig wissen sie über
ihre Musik. Eine Vermutung, der Görner auf die Spur kam, als er vor einigen
Jahren sein Erfolgsrezept auf die Ahnengalerie der großen Komponisten ausweitete. Wenn er aus dem profunden Reservoir seines Wissens ein Porträt zu
entwerfen beginnt, dann entsteht das Bild eines Menschen mit allen dazugehörigen Absonderlichkeiten, Verletzungen und Talenten. Der Witz und die
scharfen Konturen, mit denen der inzwischen 68Jährige die Lebensbilder von
Mozart, Bach und Liszt entwirft, schreiben sich in der Erinnerung ein. So bietet
Görner mit „Chopin!“ ein viertes Programm, bei dem ihn die Pianistin Elena
Nesterenko begleitet. Sie ist auch dabei, wenn es darum geht, die Neugierde
der Jüngsten auf die Schätze der Literatur zu entfachen, und so bieten die
„Balladen für Kinder“ vom „Spatzensalat“ bis zum „Himmelsklöße-Spiel“ etliche lyrische Kostbarkeiten, die jedem zugänglich sind. Denn das, was heute
jeder möchte – anstrengungslos Zugang in die Hallen der großen Literatur zu
finden – das liefert Görner mit einer aus der Mode gekommenen Leidenschaft,
die gleichwohl immer noch mitzureißen vermag.
THOMAS LINDEN
Informationen zu Orten, Zeiten und Programmen unter www.lutzgoerner.de
21
LEVERKUSENER
JAZZTAGE
VARIETE ET CETERA:
GEBURTSTAGSSHOW
Vom 2. bis 11. November verwandeln die
Jazztage Leverkusen bereits zum 33. Mal
in ein Mekka des Jazz, Funks und Soul,
bei dem sich internationale Größen wie
John McLaughlin, Dominic Miller oder
Klaus Doldinger die Klinke in dAie Hand
geben. Eröffnet wird das Festival von der
britischen Funklegende Bluey und seiner
Band Incognito, sowie der unnachahmlichen Candy Dulfer.
Mit einer spektakulären Show feiert das
Variete et cetera vom 8.9. bis 28.10. seinen 20. Geburtstag. Die Gäste erwartet
ein Abend voller Comedy, waghalsigen
Akrobatik-Kompositionen und genussvollen Küchenensembles. Das Duo Valeriy ist der Senkrechtstarter unter den
Luftakrobaten und überzeugt mit perfekter Körperbeherrschung und einem
schwerelos anmutenden Tanz akrobatischer Luftbilder.
33. Leverkusener Jazztage
div. Orte in Leverkusen
Karten an allen VVK oder unter 02711 76 79 59
Variete et ecetera
Herner Str. 299, Bochum
Karten unter: 0234 1 30 03
engels verlost 2x2 Karten für
John McLaughlin und Dominic Miller E-Mail
bis 5.11. an [email protected],
Kennwort: Jazztage
Do, 8.11. um 19 Uhr
engels verlost 5x2 Karten bis 24.9.
E-Mail an [email protected],
Kennwort: Variete et cetera
Do, 11.10. um 20 Uhr
PIXAR
25 Years of Animation
bis 6. Januar 2013 in Bonn
© Disney/Pixar
Lutz Görner in Aktion
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, T +49 228 9171-200
www.bundeskunsthalle.de
wortwahl
comickultur
Zurück aus’m Urlaub
Comic als Denkmal
Als sich Charlie und Eli Sisters 1851 von Oregon nach Kalifornien aufmachen, ist Reisen noch kein Volkssport, sondern im besten Falle ein Arbeitsauftrag. Glücksritter, Goldschürfer oder einfach nur ums nackte Überleben
kämpfende Siedler auf der Suche nach einer erklecklichen Existenz befinden sich zwangsweise auf ihrem Track ins Land, wo die Orangen blühen.
Mittenmang „Die Sisters Brothers“ (Manhattan), die auf ihre Weise erkannt haben, dass „das ganz große Geld gar nicht mit Gold zu machen (ist),
sondern mit denen, die danach suchen“ – als Auftragskiller. Doch Patrick
deWitts Wild-West-Parforceritt ist mehr als nur eine satirische Groteske,
in der ein kongeniales Psychopathenduo Gier und Idotie fürstlich mit dem
schnellen Tod entlohnt. Während Charlie scheinbar mit jedem Schuss nach
Auslöschung seiner Vergangenheit trachtet, verfolgt ihn sein tumber Bruder auf der gebrechlichen Mähre seines zweifelnden Geistes. Eli hat seine
eigene Reise angetreten, mitten rein ins Ich, das Außen als unerbittlicher
Spiegel, an deren Ende nur die Eigenständigkeit oder der Tod stehen kann.
Eine Auseinandersetzung, der sich auch „Lola Bensky“ (Suhrkamp) zu stellen hat. Von der Statur her dem untersetzten Eli Sisters nicht unähnlich
verdingt sich Lily Bretts Protagonistin ebenfalls fern der Heimat als Freelancerin – allerdings als Musikjournalistin in den Hipster-Domänen der
Charles Burns scheint nach „Black Hole“, seinem Opus Magnum der 90er
Jahre, mit einer neuen Reihe seinen Ruf als Meister der Teen-Angst bestätigen zu wollen. Die ersten beiden Bände „X“ und „Die Kolonie“ zeigen Dougs Beziehung zu seinem Vater und seiner Ex-Freundin. In klaren,
kontrastreichen Farbzeichnungen wechselt die Geschichte zwischen den
Alltagserlebnissen und Dougs Alpträumen, die David Lynchs „Eraserhead“
Konkurrenz machen. Verstörend gut (Reprodukt). „Chronik einer verschwundenen Stadt“ erzählt von der Liebe der Pariser Unternehmensberaterin Dibou und des ägyptischen Künstlers Golo zu dem Örtchen Qurna.
15 Jahre lang hat das Paar den Ort immer wieder bereist, schließlich auch
dort gewohnt und mit den Kindern im Dorf Projekte durchgeführt. Als die
Regierung anfängt, ihren Masterplan zum Tourismus in und um Luxor zu
realisieren, beginnt die Zwangsumsiedlung des Dorfs, von dem heute kaum
noch etwas übrig ist. Der Band setzt mit seinen lebendigen, farbigen Zeichnungen und den eingestreuten Fotos von den Projekten mit den Kindern,
dem Dorf und seinen Bewohnern ein eindrucksvolles Denkmal (avant verlag). „Im Land der Frühaufsteher“ umkreist mit einer Rahmenhandlung
den Tod von Azad Hadji im Jahr 2009. Der Asylbewerber starb unter rätselhaften Bedingungen an starken Verbrennungen. Paula Bulling lernt eini-
Sixties, London und N.Y. Bereits im ersten Interview des Romans offenbart sich dabei ihr ganzes Dilemma. Einerseits fürchtet sie, dass sich die
Taschentücher, die sie sich zum Schutz vor Schürfwunden in die Netzstrumpfhosen zwischen die Schenkel geklemmt hat, in weiße Flöckchen
auflösen. Andererseits scheint ein lasziver Bühnenvirtuose wie Jimi Hendrix
im Gespräch über die Last der eigenen Kindheit sämtlichen Sexappeal zu
verlieren. 200 Seiten später findet sie in Janis Joplins Einsamkeit nur eine
Ahnung eines einsamen Ichs wieder, das sie zu verstehen sucht, aber nicht
spürt. Wohin das (auch) führen kann, inszenierte kein Autor grandioser als
Jim Thompson. Mit einem unermesslichen, „weiß Gott“ sensiblen Kämpferherzen steuern sämtliche seiner Figuren konsequent „In die finstere
Nacht“ (Heyne). Für sie gibt es keine glückliche Fügung im Clinch mit
ihren Dämonen. Einer seiner genialsten Romane: jener Noir, in dem sich
der kleinwüchsige, todkranke Killer Carl Bigelow parallel zu seiner aufkeimenden Paranoia in die obsessive Hassliebe zu der missgebildeten Ruth
stürzt. Mitreißend düster und morbide, ein pathologischer Anti-HeldenRausch – der sich nicht zuletzt im schonungslosen Leben des Autors widerspiegelt: mit 19 bereits Alkoholiker als Schmuggler für Al Capone, später
Drehbuchautor für Stanley Kubrick, schließlich vereinsamt, verarmt, dem
Tode geweiht, als seine Werke, u.a. mit der Verfilmung von „The Getaway“
endlich Anerkennung finden.
Von Verbitterung ist aber nichts zu lesen. Überleben ist das eine, Schreiben
das andere. Es mag kein Glück sein, aber der radikale Sturz in die eigenen
Abgründe zeichnet letztlich Literatur aus: die Einsamkeit des Autors, die
Haltlosigkeit seiner Protagonisten, das Unverbrüchliche und das Zerbrüchliche im Wechselspiel von Ego und Alter-Ego, von Ich und Sein und Realität – wie es Frank Göhre in seinem Essay über Hubert Fichtes Rückkehr
nach Hamburg in „I and I“ (Pendragon) auf den Punkt bringt (s.o.). In dem
hartgekochten Stakkatostil, der den Gefühlen freien Lauf lässt, wirft diese
Melange aus Reiseerlebnissen und Heldenreminiszenzen unweigerlich die
Frage auf: Was hat man eigentlich aus seinem Urlaub mit zurückgebracht.
Und woran scheitern wir.
LARS ALBAT
ge Afrikaner in den Asylheimen in Sachsen-Anhalt kennen und beschließt,
einen Comic über ihre Lebensbedingungen zu machen. Sie besucht einen
Afroshop, besucht ihren Freund Farid, erlebt den täglichen Rassismus auf
der Straße, stößt auf den Fall von Hadji, geht auf eine Demo, diskutiert
mit einem Freund über die Erzählperspektive ihres Comics. Der schnoddrig-unsaubere Zeichenstil passt perfekt zu dem tastenden Erzählstil – ein
spannendes Debüt (avant verlag). François Schuiten ist vor allem durch
seine mit Benoît Peeters realisierten Comics der Serie „Die geheimnisvollen
Städte“ bekannt. Mit seinem in detaillierten Schwarzweiß-Bildern gehaltenen Solowerk „Atlantik 12“ knüpft er erzählerisch dort an: Ein alter
Lokomotivführer stellt sich gegen den Fortschritt und versucht, in einer
zunehmend überschwemmten Landschaft seine Dampflok gegen die fortschreitende Einführung der Seilbahn zu retten. Ein fantastisches, retrofuturistisches, ebenso technikverliebtes wie zukunftsskeptisches Szenario.
Die Altherrenfantasie in Person eines mysteriösen, leicht bekleideten jungen Mädchens hätt’s aber nicht gebraucht (Schreiber & Leser).
„Das Nest“ erzählt von der Emanzipation der jungen Witwe Marie und
der Homosexualität ihres besten Freundes Serge in einem kleinen Dorf in
der Wildnis Kanadas. In den Bänden 5 und 6 – „Montreal“ und „Ernest“
– nimmt sich Marie eine Auszeit und geht erstmals in die große Stadt.
Das Dorf muss derweil ohne ihr kleines Lebensmittelgeschäft auskommen.
Außerdem zeigt sich, dass der Dorfpfarrer für Serges gleichgeschlechtliche
Neigungen mehr Verständnis aufbringt, als man vermutet. „Das Nest“ von
Régis Loisel und Jean-Louis Tripp ist auch noch nach sechs Alben eine
unglaublich liebevolle, humanistische Erzählung (Carlsen). Marc-Antoine
Mathieu ist bekannt für seine philosophischen, die Möglichkeiten des Mediums ausschöpfenden Geschichten. Mit „3 Sekunden“ wagt er ein neues
Experiment: Multiperspektivisch umkreist er eine Ereignisabfolge von drei
Sekunden über vielfältigste Spiegelungen im Raum – ein ständiges Ein- und
Auszoomen. Dass bei dieser erstaunlichen Fingerübung die Story in den
Hintergrund tritt, ist verschmerzbar (Reprodukt).
CHRISTIAN MEYER
22
poetry
staatlich anerkannte
Die Bachforelle ist lebhafter als der Beethoven-Karpfen
Gute Seiten, schlechte Seiten
Schule für Logopädie
Modellschule des Landes NRW
Sebastian23 zählt an: vierundzwanzig – die Videokolumne
Viele fragen sich, warum ich immer eine Mütze trage. Dabei ist die Antwort
doch eigentlich ganz einfach zu erraten: Ich kann mir einfach ohne Mütze
nicht merken, wo oben ist.
Ich habe nämlich eine stark ausgeprägte Oben-Unten-Schwäche. Das ist
eine Art Weiterentwicklung meiner Rechts-Links-Schwäche, die mein Navigationssystem in den Wahnsinn treibt. Ich biege so häufig entgegen der
Weisungen meines Navis falsch ab, dass der Apparat öfter eine Wende fordert als die späte Bevölkerung der DDR. Mit weniger Erfolg. Schön ist es hingegen, wenn ich Beifahrer bin und meine Schwester die Fahrerin, denn sie
hat genau dieselbe Schwäche. Wenn ich also nach rechts will, aber „Links!“
sage, dann biegt sie nach rechts ab, weil sie dort links vermutet. Ein entzückender Beleg für die These, dass Minus und Minus Plus ergeben kann.
Ein Freund hat mir mal geraten, dass ein Besuch im Spiegelkabinett vielleicht helfen würde, mein Gehirn wieder richtig rum zu drehen. Das hat
auch tatsächlich funktioniert, irgendwie. Im Spiegelkabinett wurde meine
Links-Rechts-Schwäche zur Rechts-Links-Schwäche.
Loben und Lunten
Aber viel schlimmer ist meine neue Oben-Unten-Schwäche. Wer das nicht
glaubt, hat noch nie versucht, ein Bierglas von unten auf eine Theke zu stellen oder über beiden Ohren Socken getragen.
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr eine Kolumne schreibt und beim Schreiben
bemerkt, dass die LeserInnen denken könnten, ihr hättet eine Traube locker?
Das ist so ein ähnliches Gefühl wie dasjenige, das sich gelegentlich während
des vorschnellen Aussprechens eines Satzes einstellt, den man besser noch
mal überdacht hätte. Wer stand noch nie im Tabakladen und sagte Sätze
wie: „Mein Luftkissenboot ist voller Aale.“
Aber vielleicht habt ihr einfach, so wie ich, eine Traube-Schraube-Schwäche
und habt schon mal Käsehäppchen mit Gewindebolzen garniert oder einen
Hängeschrank mit Weinbeeren an der Wand befestigt. Mein Tipp: Benutzt
einen Kreuzschlitztraubenzieher!
Ausbildung zum Logopäden mit der
Möglichkeit der Doppelqualifikation
zum Bachelor
Ausbildungsbeginn
jährlich April, Juli
und Oktober
Anmeldung und Info´s unter
0211-73779680
www.duesseldorfer-akademie.de
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PIXAR
25 Years of Animation
bis 6. Januar 2013 in Bonn
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Frohes neues Ja (Teil 2)
Das ist alles schlimm und verwirrend, aber nichts ist so schlimm wie das
Schicksal von meinem alten Klassenkameraden Urs. Der Bursche hatte nicht
nur eine grobe Nase, sondern auch eine ausgeprägte Ja-Nein-Schwäche.
Spätestens bei seiner Hochzeit sorgte das für ein gerüttelt Scheffel Komplikationen, und als er dann immer wieder bejahte, als er gefragt wurde,
ob er sein „Nein!“ wirklich so gemeint habe, war dann irgendwann auch die
Braut weg.
Da trag ich doch lieber eine Mütze, auch wenn ich glaube, dass Urs drüber
weg ist. Ich hab’ ihn neulich zufällig nach Jahren beim Einkaufen getroffen
und ihn gefragt, ob es ihm gut gehe. Er sagte „Ja!“
Ich dachte einen Moment über die Antwort nach und wollte dann wissen,
ob er inzwischen seine Ja-Nein-Schwäche therapiert habe. „Ja!“, sagte er.
Verwirrt gingen wir auseinander, ich nach links, er nach rechts. Vielleicht
auch andersrum – siehe unten.
TEXT/FOTO: SEBASTIAN23
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
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Sebastian23 – Die Video-Kolumne: Auf youtube und auf
www.engels-kultur.de/literatur-nrw
23
popkultur in NRW
kompakt disk
Warme Bassduschen
Eigentlich ist Troy Mighty alias Dead Western recht dünn. Aber er klingt
wie ein großer, alter Baum. Mit tiefem Timbre begleitet er seine dem Weird
Folk entwachsenen Songs, die auf dem neuen Album „Everything, eternally“
mitunter auch kammermusikalisch begleitet werden (Discorporate). Animal Collective rühren auf ihrem neunten Album „Centipede Hz“ wieder ein
höchst quirliges Popsüppchen an: ultrakomplex, sprunghaft, enervierend bis
in die Haarspitzen und garantiert mit psychedelischer Klangkultur kurzgeschlossen. Ihr Universum ist so abseitig wie einzigartig (Domino). Ganz
entspannt klingen The Sea and Cake – und das schon seit fast 20 Jahren. John McEntires (Tortoise) federndes Schlagzeug, Eric Claridges warmer
Bass, Archer Prewitts weiche Gitarre und Sam Prekops gehauchter Gesang
– das alles entstammt der Aufbruchsstimmung im Chicago des Postrock und
hat sich bis jetzt, auf dem aktuellen Album „Runner“, nur minimal verschoben. Eine schöne Konstante (Thrill Jockey). Chan Marshall alias Cat Power
hat mit „Sun“, ihrem ersten kompletten Album mit neuen Eigenkompositionen seit 2006, ein äußerst vielfältiges Werk zusammengestellt. Produziert
von Philippe Zdar, gibt es hier ungewöhnliche Elektronikanteile bis hin zur
Tanzbarkeit. Daneben gibt sie sich auch ausgelassen rockig. Nur wenige
Stücke erinnern an die zerbrechlichen Folk- und Countrysongs der Vergangenheit. Leider … denn wo die Arrangements häufig sehr gewöhnlich sind,
können auch nur wenige Songs mit ihren Melodien punkten (Matador).
Die italienischen Doom-Meister Ufomammut haben im Frühling ihr Album
„Oro: Opus Primum“ veröffentlicht. Nun folgt der zweite Teil „Oro: Opus
Alter“, der ihren sludgig-doomigen Space Rock wieder genüsslich auswalzt.
Klingt wie eine Autoverfolgungsszene mit Bulldozern (Supernatural Cat).
Das zweite Album von The XX erfüllt die Erwartungen an gedehnten, hypnotischen bis somnambulen Pop, der Elemente von Post-Dubstep aufgreift
und immer weiter zu so etwas wie Post-Pop zerlegt. Oder Dream-Pop, von
der Club-Seite kommend. Die Gesangslinien hinken mitunter leider hinter
der ambitionierten Produktion zurück (XL). Der Laptop-Berserker Kid606
hatte ein schweres Jahr. Pech für ihn, Glück für uns! Denn sein neues Album
„Lost in the Game“ ist weniger aggressiver Sampleterror denn wehmütiger
White Noise. Eine warme Bassdusche wie in „Night Club vs. Book Club“ ist
Balsam für die Seele – eine schöne Selbsttherapie (Tigerbeat6).
Gary War wird gerne mit Ariel Pink und John Maus verglichen, und irgendwie – ja. Mit John Maus verbinden ihn die 80er Jahre-Referenzen und die
Echokammer, sein collagenhaftes Zitatfestival auf „Jared’s Lot“ erinnert an
Ariel Pink. Aber genauer betrachtet ist seine Retrocollage mit Noise- und
Hall-Terror dann doch aggressiver und verspulter und lässt auch immer
wieder an den new wavigen Space Rock einer halb vergessenen Band wie
Chrome denken (Spectrum Tools). A propos New Wave: Der Plan hat Anfang
der 80er Jahre mit den ersten beiden Alben „Geri Reig“ und „Normalette Surprise“ zwei Klassiker der deutschen New Wave veröffentlicht. Ihre
verspielte elektronische Avantgarde mit vagem Anschluss an die Tanzfläche klang zunächst psychotisch und wurde dann zunehmend humorig. Die
Reissues enthalten diverse Bonustracks. Auch das gleichnamige Debüt von
Palais Schaumburg hat Klassikerstatus. Dada-Texte mit New Wave-Funk
hat die Band auf diesem Meilenstein von 1981 zusammengebracht. Das
Reissue enthält außerdem die ersten beiden Singles und Live-Aufnahmen
(alle bureau b).
CHRISTIAN MEYER
Tritt am 30. September in Bochum auf: Ryuichi Sakamoto
Trennung der Kulturen
Die RuhrTriennale kommt nicht richtig in der Welt des Pop an
Von Christian Steinbrink
Immer mehr Spielstätten der klassischen Musik haben eingesehen: Nur mit
ihren angestammten Programmen wird es auf Dauer schwer, sich die Daseinsberechtigung zu erhalten. Deshalb bauen Institutionen wie das Dortmunder
Konzerthaus, die Kölner Philharmonie oder die Düsseldorfer Tonhalle immer
öfter Reihen in ihre Spielzeiten ein, die Pop in seinen ehemals untergründigen
Auswüchsen thematisieren. Das nicht allein, um sich einem jungen Publikum
bekannt zu machen, sondern deshalb, weil sie sehen, dass diese Musik die
Würde des Konzertortes trägt.
Am Deutlichsten setzt das Konzerthaus dieses Bestreben um. Dort wurde schon
vor ein paar Jahren das sogenannte Pop Abo installiert, das konsequent auf
Künstler setzt, die normalerweise in klassischen Pop- und Rock-Lokalitäten
ihre Shows aufführen. Die jungen KuratorInnen dieser Reihe sind selbst ständig „Das bedeutendste Festival der
in der Welt des Pop unterwegs, um nach Künste im Ruhrgebiet nähert
neuen Talenten Ausschau zu halten. Für
sich dem Pop nur zögerlich“
die vergangene Spielzeit fanden sie mit
Acts wie Junip, Alexi Murdoch oder Chilly Gonzales Künstler, deren Klasse
zweifelsohne auch jenseits altbackener Kulturmaßstäbe beachtet wird.
Eine weitere Kulturveranstaltung, die einen verbindenden Geist in sich trug,
war das Duisburger Festival Traumzeit. Im Landschaftspark Nord in Meiderich
wurden Stile von Klassik bis Pop in einem rauen Ambiente nahezu perfekt
miteinander verwoben. Leider konnte die Stadt Duisburg trotz vieler Proteste
die Finanzierung der Veranstaltung in diesem Jahr nicht garantieren, weshalb
die Traumzeit ausfallen musste. Es wäre für den Kulturstandort Duisburg und
die gesamte Region geradezu fatal, wenn diese Aussetzung Dauerzustand
bliebe.
Wenn man sich all diese positiven Beispiele ansieht, muss man sich unweigerlich fragen, warum die RuhrTriennale als bedeutendstes Festival der Künste im
Ruhrgebiet sich dem Pop nur in sehr zögerlichen Schritten nähert. Zwar stehen Acts wie die japanische Experimentalband Boredoms (spielten zu Beginn
des Festivals Mitte August auf der Halde Haniel) und der ebenfalls japanische
Komponist Ryuichi Sakamoto (am 30. September gemeinsam mit alva noto in
der Bochumer Jahrhunderthalle) Pop und Rock nicht völlig fern – aber dabei
bleibt es auch. Darüber hinaus gibt es keinen Brückenschlag in das Feld, das
nach gewohnten Maßstäben als Pop beschrieben wird.
Dabei gäbe es in der Populärmusik zweifellos genügend Künstler, die einen
besonderen Rahmen in einer der wunderschönen Spielstätten der RuhrTriennale ausfüllen könnten. Außerdem hätte ein Schritt in diese Richtung den
angenehmen Nebeneffekt, dass neue Interessensgruppen und nicht zuletzt
Medien an das Festival herangeführt werden könnten. Ein
Schritt, der der seit Längerem ein wenig an den Menschen
vorbei stattfindenden RuhrTriennale sicher helfen würde.
Beispiele, wie es gehen könnte, sind mittlerweile zahlreich.
Live: Die RuhrTriennale läuft noch bis zum 30. September.
Am Schlusstag spielen Ryuichi Sakamoto und Carsten Nicolai alias alva noto in der Bochumer Jahrhunderthalle.
Christian Steinbrink
Redakteur und
Musikkritiker
24
www.ruhrtriennale.de
improvisierte musik in NRW
„Root 70“ trifft auf Weltklasse-Streicher
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INCOGNITO
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THE 4TH DIMENSION
DOMINIC MILLER
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Von Olaf Weiden
Manche Träume bleiben generationenübergreifend erhalten. Charlie Parker,
dessen kurzes Leben privat von Drogen und Skandalen geschüttelt wurde
und dessen Leichnam von den Ärzten der Obduktion auf 54 Jahre geschätzt
wurde – dabei war er erst 34 –, hat sich seinen musikalischen Traum in Paris erfüllt: Der Altsaxophonist spielte „Sie traten in Röcken auf wie
verschiedene Titel über eine seifige durchgeknallte Waschweiber“
Streicherbegleitung. Das war eine
ganz große Auszeichnung für einen Jazzmusiker, der sich in den 40er Jahren
vom Nobody zum Star hochgekämpft hatte. Parker reizte bei seinem Einbruch in die Welt der Konzertmusik sicher auch der gesellschaftliche Kick,
den ihm das Konzertpodium verhieß. Plattenaufnahmen von damals landeten trotzdem später gern unter Raritäten im Plattenschrank des Jazzkenners.
Da sich die Drogenträume unter Jazzern in der Neuzeit auf ein Normalmaß
wie bei anderen Kunsttreibenden reduziert haben, sind neben den phantastischen stilbildenden Bop-Improvisationen Parkers seine Streicherfantasien
als musikalisches Teilziel unauslöschlich haften geblieben. Die Vorstellungen
des streicherbegleiteten Standards sind über die Jahrzehnte hin variiert worden, und auch eine jüngere Band, die das Baujahr ihrer Mitglieder im Bandnamen trägt, startet jetzt einen neuen Versuch, dieser reizvollen Versuchung
auf ihre Art zu erliegen. Das Projekt nennt sich ganz unpoetisch „Root 70
with strings“.
Komponist und Primus inter pares der aktuell betriebenen „conceptional
works“ ist der Posaunist Nils Wogram. Seine außergewöhnlich solide Spieltechnik und seine große Musikalität prägen seine erfolgreiche Solistenkarriere, aber Nils ist zudem ein netter Kerl und immer für einen Spaß zu haben.
Deshalb war recht viel los auf den Bühnen, die die ausgelassenen Jungs ab
2000 bespielten. Mal traten sie in Röcken auf wie durchgeknallte Waschweiber, mal turnte Saxophonist Hayden Chisholm beachtlich an einem Rollstuhl wie auf einem Barren, es wurden mehrfach außermusikalische Ideen
präsentiert. Jetzt reizen Orchesterträume, allerdings in Kammerbesetzung.
Für seine Stücke hat Wogram Musiker aus der Klassik-Abteilung bemüht, die
bereits intensive Begegnungen mit der Improvisierten Musik erlebt haben
und sogar das Talent besitzen, auch spontan auf unnotierte Töne zu reagieren. Große Erfahrung besitzt Gareth Lubbe, Solobratschist im Gewandhausorchester, der sogar in der Freizeit das Obertonsingen erlernt hat. Adrian
Brendel spielt Cello, bereits legendär sind seine musikalischen Begegnungen
mit seinem Vater Alfred, weltberühmter Pianist und seit Langem auch Dichter. Auch Adrian hat früh die Liebe zum Jazz entdeckt, als Schüler agierte
er schon mit der E-Gitarre auf klassikfeindlichem Terrain.
Und Gerdur Gunnarsdottir kümmert sich seit Jahren um
die isländische Folklore und ihre jazzige Aufarbeitung.
Alle drei besitzen Roots in Köln, wie auch Wogram und die
Band selbst. Insofern stellt das Konzert im Loft ein Heimspiel dar – leider genau parallel zur Kölner Musiknacht.
Zwei herausragende Termine der Kölner Kultur fordern so
Olaf Weiden
die Entscheidung der Musikfreunde heraus. Vielleicht gilt
Musiker und
Musikkritiker
ja auch hier: Konkurrenz belebt!
MARCUS MILLER
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PASSPORT
PETER ERSKINE
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ESPERANZA SPALDING 4"t(3007&/*()5
508&30'108&3
:A",050
'0631-":t.0A#-08
#655&34$05$)
HOTLINE 02171–767959
Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, im Internet, an der Abendkasse
oder an der Hotline. Programmänderungen vorbehalten.
Veranstaltungsort: Forum, Am Büchelter Hof 9, 51373 Leverkusen
WWW.LEVERKUSENER-JAZZTAGE.DE
PIXAR
25 Years of Animation
bis 6. Januar 2013 in Bonn
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, T +49 228 9171-200
www.bundeskunsthalle.de
Loft: „Root 70 with strings“ I Sa 22.9. 20.30 Uhr
www.loftkoeln.de
25
© Disney/Pixar
Ein Heimspiel
Coole Jungs mit Root, Foto: Palma Fiacco
4"t'6/,:456''
wupperkunst
Giorgio Sommer, Marina di Messina, um 1870, Albuminpapier, 27,6 x 37,6 cm, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie
Italien in Bildern
Das Von der Heydt-Museum widmet sich der Italien-Rezeption des 19. Jahrhunderts
Eine Ausstellung wie ihr Thema. „Bella Italia“ kommt leicht und leichthin daher, edel im Blau der Wände bei gedämpftem Licht, in dem die
wenigen Gemälde hell angestrahlt sind. Mit der linearen Hängung der
Fotos und Malereien in der großzügigen Präsentation ist dies die richtige
Ausstellung für die Sommerzeit. Vorgestellt wird Italien im 19. Jahrhundert, zu einer Zeit also, in der neben der Bildungs- und Kulturreise der
Erholungsurlaub aufkam. Was wir im Von der Heydt-Museum sehen, ist
indes nicht unser heutiger, mithin sentimentaler Blick auf unser liebstes
Reiseland, sondern die Wahrnehmung der damaligen Maler und Fotografen. Ausgestellt sind Ansichten von Italien jenseits der armen und
vielköpfigen Bevölkerung, der engen, staubigen Gassen, über welchen die
Wäsche hängt, und der Fischerei und der Marktstände – dazu gibt es in
Wuppertal nur vereinzelte Ansichten. Stattdessen zeigen die Fotografien
die prächtig blühende Natur, die antiken Kulturgüter in der Übersicht
und das schmuck hergerichtete Städtische – das 19. Jahrhundert erweist
sich in dieser Hinsicht als lange und wechselvolle Zeit.
das Volkstümliche und Tradierte in der Gesellschaft, das Städtebauliche
ebenso wie die Architektur. Vor allem die deutschen Fotografen favorisieren den „attraktiven“ idealisierten Blick. Da sind die fotohistorisch wichtigen Aktaufnahmen von Knaben in antikischer Attitüde, die Wilhelm von
Gloeden in Taormina arrangiert hat und die bei ihm auch homoerotisch
motiviert waren. Und da sind die beschönigten Fotografien der Ruinen
antiker Bauwerke und der schweifende Blick über die Landschaften, in
denen mitunter, bei der Auftragsfotografie, die Touristen posieren. Auch
tagespolitische Ereignisse, wie der Besuch von Garibaldi bei den Ausgrabungen in Pompeji, oder „Typen“ aus der einheimischen Bevölkerung sind
Gegenstand der Fotografie des 19. Jahrhunderts. Die innerstädtischen
Baudenkmäler wirken wie am frühen Sonntagmorgen fotografiert, ganz
ohne Passanten und mit gereinigten Straßen. Die Architektur wirkt alt,
aber nicht beschädigt. Ein gefragtes Motiv war die Kunst selbst, so wurden auch die Laokoon-Gruppe und Giovanni da Bolognas „Raub der Sabinerinnen“ in Florenz als Souvenirs für Touristen fotografiert.
War zunächst noch die Reise aufwändig und beschwerlich, so wurde mit
dem Aufkommen organisierter Reiseveranstalter vieles leichter. Zeitgleich entwickelte sich die Technik der Fotografie in rasantem Tempo, die
Kamera wurde handlicher und war schließlich auch leichter zu bedienen.
Damit aber bildete sich gerade in Italien ein Berufsstand an Fotografen
aus, der sich auf Aufnahmen für die Touristen spezialisierte. Begehrte
Motive, die als Postkarten reproduziert wurden und von der eigenen Reise berichteten, waren die Baudenkmäler und die weiten, unberührten
Landschaften sowie die Stadtpanoramen – dass solche Aufnahmen einen
hohen ästhetischen und nun auch dokumentarischen Wert besitzen, belegen in der Wuppertaler Ausstellung etwa die Fotografien von Giorgio
Sommer (1834-1914), der aus Frankfurt stammte und ein Fotostudio
in Neapel eröffnete, mit dem er äußerst erfolgreich war. Neben seinen
„Pflichtaufnahmen“ entstand etwa seine Serie vom Ausbruch des Vesuvs
1872, die sich auf das Wolkenphänomen konzentriert und die Entwicklung zeitlich dokumentiert, weit über jeden Fotojournalismus hinaus.
Besonders eindrucksvoll ist in der Ausstellung das vergleichende Nebeneinander von Malerei und Fotografie. Das betrifft die Darstellung der
Pinien, gemalt von Oswald Achenbach und fotografiert von Pietro Dovizielli wie auch Robert McPherson, sämtlich um 1850. Oder die „typische“
Italienerin, als Malerei von Anselm Feuerbach und als Tableau kolorierter
Aufnahmen der Fotografengemeinschaft Stefano Lais und Antonio Mariannecci, aus der Zeit Mitte der 1860er Jahre. Zu den eindrucksvollen
Bildern gehört „Vittoria Caldoni“, Friedrich Overbecks Gemälde eines
bäuerlichen Mädchens, das zu den Hauptwerken der Malerei der Nazarener – aus dem Kreis deutscher Künstler, die sich in Rom niedergelassen
hatten – gehört. Und auch die „Pergola“ von Hans von Marées ist, so
oft sie auch in letzter Zeit gezeigt wird, in der Ausstellung ein Gewinn,
ebenso wie die „Italienische Landschaft“ von Carl Rottmann – wobei zu
fragen wäre, warum eigentlich so wenige Malereien ausgestellt sind und
ob weitere Gemälde nicht auch den Blick der deutschen romantischen
Malerei auf Italien vertieft hätten. Also, bei dieser guten, anregenden
Ausstellung wäre mehr drin gewesen. Auch was die Laufzeit betrifft,
denn sie geht schon allzu bald zu Ende.
Feuerbach und Overbeck
Die Ausstellung, die dem klassischen Reiseverlauf von Nord- nach Süditalien folgt und bestimmte Städte, Regionen fokussiert, setzt sich aus
den fotografischen Beständen der Sammlungen des Münchner Stadtmuseums und des Sammlers Dietmar Siegert zusammen und wird noch
flankiert von einzelnen Gemälden der Spätromantik aus der Sammlung des Von der Heydt-Museums. Dabei werden einzelne Themen und
Schwerpunkte herausgearbeitet, etwa die Geographie und die Topographie mit den geologischen Eigenheiten und der landschaftlichen Anlage,
THOMAS HIRSCH
„Bella Italia – Fotografien und Gemälde 1815-1900“ I bis 9.9.
Von der Heydt-Museum I www.von-der-heydt-museum.de
26
kunst-kalender
Faires Fest
14.– 28. September 2012
Christian Hellmich, Treppe III, 2007, Öl/Lw, 150 x 390 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn; Foto: Victor
Dahmen, Köln, courtesy Von der Heydt-Kunsthalle, Wuppertal
Die Kunst-Termine NRW
BOCHUM – Kunstmuseum
www.bochum.de/kunstmuseum
HAGEN – Emil Schumacher Museum
www.esmh.de
Fluxus Ruhrgebiet bis 21.10.
Die Fluxus-Aktivitäten der Galerie Inge
Baecker in Bochum von 1970 bis 1982
Maccheroni Latino bis 14.10.
Italienische Gouachen des großen Malers
Made in China 1.9.-25.11.
Architekturfotografie aus China in
Gegenüberstellung zu westlicher
Fotografie
BONN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-bonn.de
KÖLN – Museum Ludwig
www.museum-ludwig.de
David Reed bis 7.10.
Barock-ornamentale Malereien auf
Leinwand und Papier des amerikanischen
Künstlers
Claes Oldenburg bis 30.9.
Pop Art-Skulpturen der 1960er Jahre
William N. Copley bis 4.11.
Werkschau des legendären
amerikanischen Malers zwischen
Surrealismus und Pop Art
DORTMUND – Museum Ostwall
www.dortmunder-u.de
Fluxus bis 6.1.13
Objekte der internationalen
Kunstbewegung
DORTMUND – Zeche Zollern
www.ausstellung-zwangsarbeit.lwl.org
Zwangsarbeit bis 30.9.
Eine dokumentarische Ausstellung zur
Zwangsarbeit durch die NS-Diktatur
DÜSSELDORF – Ständehaus K21
www.kunstsammlung.de
Thomas Schütte bis 9.9.
Eine Radierungsfolge aus dem Jahr 2001
DÜSSELDORF – Museum Kunstpalast
www.smkp.de
Andreas Gursky 22.9.-13.1.13
Neue großformatige, digital bearbeitete
Werke des berühmten Düsseldorfer
Fotografen
DÜSSELDORF – Hetjens- und Filmmuseum
www.duesseldorf.de/hetjens
Magie von Licht und Schatten bis 6.1.13
Optische Bildapparate und Lampen mit
Licht-Bildern als Projekt der benachbarten
Museen
DUISBURG – Museum DKM
www.museum-dkm.de
Norbert Frensch bis 26.11.
Extrem konzentrierte Malerei zwischen
Kontemplation und Expressivität
DUISBURG – Museum Küppersmühle
www.museum-kueppersmuehle.de
Joseph Beuys und Anselm Kiefer bis 30.9.
Dialogische Präsentation von
Papierarbeiten und Büchern
ESSEN – Museum Folkwang
www.museum-folkwang.de
Forum Nachhaltigkeit
Kirche als Partner im Bergischen Land
Di. // 18. Sept. // 15.00 –18.00 Uhr
Huppertsbergfabrik
KÖLN – Museum für Angewandte Kunst
www.makk.de
Lob der Torheit bis 2.12.
Grenzgänger in der Kulturgeschichte und
Kunst
BRÜHL – Max Ernst Museum des LVR
www.maxernstmuseum.de
Plakatausstellung
Eröffnung // Sa. // 15. Sept. // 11.00 Uhr
Ev. CityKirche Elberfeld
Mo. - Sa. // 10.00 –18.00 Uhr
„Taste The Waste“
Filmvorstellung
Do. // 20. Sept. // Fr. // 28. Sept.
Cinemaxx Wuppertal
Schokoladentag
Ein fairer Genuss in der Schwebebahn
Do. // 20. Sept. // 11.30 –15.30 Uhr
KÖLN – Photographische Sammlung
www.sk-kultur.de
Faires Fest
Walker Evans, 21.9.-20.1.13
Werkschau des amerikanischen
Fotografen
Abend der Begegnung mit Carlos Diaz
Sa. // 22. Sept. // 19.30 Uhr
Int. Begegnungszentrum der Caritas,
Hünefeldstraße 54a
KÖLN – Wallraf-Richartz-Museum
www.wallraf.museum
www.fairesfest.de
1912 – Mission Moderne bis 30.12.
Rekonstruktion der SonderbundAusstellung
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.museum-morsbroich.de
R. Trockel, P. Varga Weisz bis 30.9.
Die Künstlerinnen zu Erinnerung und
Gegenwart, Körper und Fragment
MÖNCHENGLADBACH – Museum Abteiberg
www.museum-abteiberg.de
R. H. Quaytman bis 4.11.
Konzeptuell angelegte Gemälde, die sich
auf Motive der Stadt Mönchengladbach
beziehen
NEUSS – Clemens-Sels-Museum
www.clemens-sels-museum-neuss.de
Sehnsucht nach Farbe 23.9.-13.1.13
Der Symbolist Gustave Moreau und seine
Schüler, darunter Matisse und Rouault
NEUSS – Langen Foundation
www.langenfoundation.de
PIXARS KURZFILME
Kino im Forum
Mittwoch, 5. September, 19 Uhr und
Mittwoch, 17. Oktober, 19 Uhr
Rahmenprogramm zur Ausstellung
Sofia Hultén bis 7.10.
Kunst aus der Transformation alltäglicher
Dinge
PIXAR
25 Years of Animation
bis 6. Januar 2013 in Bonn
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
At Home bis 16.9.
Leben und Alltag im Ruhrgebiet, in der
Kunst
REMAGEN – Arp Museum Rolandseck
www.arpmuseum.de
Wolkenpumpen bis 27.1.
Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp im
Dialog
SIEGEN – Museum für Gegenwartskunst
www.mgk-siegen.de
Im Farbenrausch 29.9.-13.1.13
Die Malerei des Expressionismus in Europa
Bridget Riley bis 11.11.
Abstrakt konkrete Gemälde und
Wandmalereien der britischen Grande
Dame der Pop Art
ESSEN – Ruhr Museum
www.ruhrmuseum.de
WUPPERTAL – Von der Heydt-Kunsthalle
www.von-der-heydt-kunsthalle.de
Mythos Krupp bis 4.11.
Eine imposante kulturgeschichtliche Schau
Christian Hellmich bis 7.10.
Werkschau des jungen Malers (geb. 1977)
Empfehlungen von Thomas Hirsch
27
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, T +49 228 9171-200
www.bundeskunsthalle.de
© Disney/Pixar
BONN – Kunst- und Ausstellungshalle
www.kah-bonn.de
„Die Erde unser Leib“
auswahl
Sa 1.9. | 18 Uhr (nach Anmeldung)
WUPPERTALER SCHWEBEBAHN
Wuppertal
M.A.C./MOBILES ART CAFÉ
Sa 1.9. | 19.30 Uhr
CITY-KIRCHE ELBERFELD
Wuppertal
HAE SOON KIM, KURT FEISEL,
BERNHARD FEDLER: TROSTFRAUEN
Sa 8.9. | 20 Uhr
WUPPERTALER BRAUHAUS
Wuppertal
PATRICK STANKE
Foto: privat
Mit ihrem aktuellen Projekt „M.A.C./
Mobiles Art Café“ erinnert die Kölner Künstlerin Dorothea Bohde
an Rolf Jährling und seine Galerie
Parnass, in der sich die Avantgarde der Kunstszene traf. Dazu findet
ein Alphorn- und Trompetenkonzert des Musikers Matthias Schriefl
in der Schwebebahn statt. Später
werden im Alten Bahnhof Vohwinkel Filme zur Galerie Parnass gezeigt. Das „M.A.C.“, das seit 2012
an wechselnden Orten durchgeführt wird, versteht sich als soziale
Plastik mit der Intention, Menschen
zusammenzubringen und einen kulturellen Austausch zu initiieren.
Infos: www.dorothea-bohde.de
Foto: Chung-Noh Gross
„Trostfrauen“ ist ein euphemistischer Ausdruck für junge Mädchen
und Frauen aus ganz Asien, die
während des 2. Weltkrieges in japanischen Kriegsbordellen zwangsprostituiert wurden. Schätzungen
gehen von insgesamt von 200.000
Opfern aus. Seit Anfang der 90er
Jahre gehen die Überlebenden vermehrt an die Öffentlichkeit und fordern von der japanischen Regierung
ein Eingeständnis. Hae Soon Kim,
Kurt Feisel und Bernhard Fedler
erinnern an die Kriegsverbrechen
und berichten von Begegnungen
und Gesprächen mit koreanischen
„Trostfrauen“.
Infos: 0202 24 32 20
Mo 3.9. | 19.30 Uhr
CAFE ISLAND
Wuppertal
ALEX DE MACEDO TRIO
Alex de Macedo ist ein echter Kosmopolit. Als Sohn einer Brasilianerin und eines Ostfriesen wuchs er in
Brasilien, Deutschland, Nigeria und
dem Irak auf. Mit 15 brachte er sich
das Gitarrespielen bei. Mit seinem
Trio kombiniert er brasilianische
Klänge, wechselt vom ruhigen Bossa Nova zu Rasanterem und gibt
improvisierte Melodien zum Besten.
Infos: 0202 870 48 15
Der Wuppertaler Patrick Stanke ist
ein international bekannter und erfolgreicher Musicalstar. Nun macht
er Halt in seiner Heimatstadt. Mit
Gitarre, Flügel und vielen schönen
Musicalmelodien im Gepäck erzählt
er von seinen Erlebnissen in der
Musicalwelt. Seit über zehn Jahren
zählt Stanke zu den gefragtesten
Darstellern der Szene, zu seinen
größten Erfolgen zählen Rollen in
„Aida“ oder „Footloose“; für seine
Darstellung des D’Artagnan in „Die
drei Musketiere“ wurde er mit dem
Goldenen Vorhang ausgezeichnet.
Neben seinen Bühnenengagements
ist Stanke auch als Solo-Künstler
unterwegs: Vor drei Jahren erschien
seine erste Solo-CD „Ich bin Musik“.
Infos: 0202 25 50 50
Sa 8.9.-28.10. | 20/19.30 Uhr
VARIETE ET CETERA
Bochum
DAS BESTE ZUM FESTE
Zum 20jährigen Jubiläum des Variete et cetera kann man einen
faszinierenden Abend mit atemberaubender Artistik, bester Comedy
und delikater Gastronomie erleben.
Ob Tempojonglage, Kontorsion oder
Partnerakrobatik, Kult-Comedian
oder Nachwuchskünstler – Lachen und Staunen sind garantiert.
Pünktlich zum runden Jubiläum
28
erstrahlen Theater und Terrasse in
neuem Glanz: Ein festes Theater ersetzt das Varietézelt, und „kulinarische Top-Acts“ laden zur Stärkung
unter Palmen ein.
Infos: 0234 130 03
Mo 10.9. | 20 Uhr
HISTORISCHE STADTHALLE
WUPPERTAL
Wuppertal
DEJAN LAZIC
Dejan Lazic wurde in Zagreb in
eine Musikerfamilie geboren und
wuchs in Salzburg auf. Heute lebt
er in Amsterdam und gilt als einer der gefragtesten und außergewöhnlichsten Pianisten seiner
Generation; so spielte er bereits
mit international renommierten
Orchestern wie z.B. dem Budapest
Festival Orchestra oder dem London
Philharmonic Orchestra. Neben seiner Solokarriere ist Lazic auch ein
leidenschaftlicher Kammermusiker.
Infos: 0202 24 58 90
Di 11.9. | 19.30 Uhr
CAFE ADA
Wuppertal
MÄNNER ZUM KNUTSCHEN
„Männer zum Knutschen“ ist das
preisgekrönte Erstlingswerk der
Berliner Produktionsfirma Ente
Kross Film. Einer der Hauptdarsteller und Mitbegründer von Ente
Kross ist Udo Lutz, der mehr als
20 Jahre in Wuppertal lebte. Im
Mittelpunkt steht die chaotische
Beziehung von Tobias und Ernst.
Richtig turbulent wird es, als Ernsts
Jugendfreundin Uta auftaucht, die
inzwischen Geheimagentin beim
israelischen Mossad ist. Mit einem
hinterhältigen Plan sucht sie, sich
zwischen die beiden Männer zu
drängen und sie gegeneinander
aufzubringen. Die Liebe zwischen
Tobias und Ernst wird auf eine harte
Probe gestellt.
Infos: 0202 45 27 15
Fr 14.9. | 20 Uhr
KLOSTERKIRCHE LENNEP
Remscheid
LISA FELLER
Bekannt wurde die gebürtige Düsseldorferin durch die Impro-Comedy-Serie Schillerstraße und durch
diverse Auftritte als Stand-up-Comedian im Quatsch Comedy Club
oder bei NightWash. Nun geht sie
mit ihrem zweiten Live-Programm
„Der Teufel trägt Pampers“ auf Tour.
Ein Haus bauen, einen Sohn zeugen
und einen Apfelbaum pflanzen.
Mehr muss ein Mann bekanntlich
in seinem Leben nicht tun. Und eine
Frau? Sie steht jeden Tag vor gravierenden Fragen. Pampers oder Party?
Krabbelgruppe oder Krabbensuppe?
Stillleben oder mit Stil leben? Mit
viel weiblichem Humor liefert Lisa
Feller Antworten auf diese essentiellen Fragen. Getreu dem Motto:
Eine Frau muss tun, was ein Mann
hätte tun sollen! Zum Beispiel den
Windeleimer runterbringen.
Infos: 02191 99 70 90
Fr 14.9. | 20 Uhr
BANDFABRIK
Wuppertal
RAIMUND VACH
Der Gitarrist ist in Wuppertal als
Musiker einer Oldie-Band bekannt.
Mit 17 Jahren begann er, Franz-
Josef Degenhardt zu interpretieren.
Im Laufe der Zeit kam noch Material von Liedermachern wie Reinhard
Mey, Pe Werner und anderen hinzu.
Zu seinem Repertoire gehören Antikriegslieder und Songs der 68er
Bewegung, sodass Vach stets auch
ein kleines Stück Zeitgeschichte
zwischen 1965 und 2000 abbildet.
Infos: 0202 69 85 19 33
Fr 14.9. | 20 Uhr
TALTONTHEATER
Wuppertal
HANS JÜRGEN SITTIG: MORDWALD
Er ist Fotojournalist, Schriftsteller
und Krimiautor. Sittig hat seine
Reiseeindrücke in Bildbänden veröffentlicht; nun liest er aus seinem Eifel-Krimi „Mordwald“. Als
der Bonner Bauunternehmer Sauter beim Jagen eine unbekleidete
und gefrorene Leiche findet, ist
für Hauptkommissar Jan Wärmland schnell klar, dass es sich um
einen grauenhaften Mord handelt.
Als kurze Zeit später ein Jagdfreund
des Bauunternehmers von Pfeilen
durchbohrt wird, kann Wärmland
zunächst kein Motiv erkennen – bis
er erfährt, wer das nächste Opfer
sein wird.
Infos: 0202 247 98 60
Sa 15.9. | 20.30 Uhr
DOMHAN
Wuppertal
KIRSTY MCGEE/MYSHKIN
Die Engländerin Kirsty McGee kam
mit 14 Jahren in Manchester zur
Musik und konnte sich in der Folgezeit eine gewisse Reputation in der
Independent-Szene erspielen. 2002
wurde sie für ihr Newcomer-Album
„Honeysuckle“ mit den BBC Radio
2 Folk Awards ausgezeichnet. Auch
Myshkin konnte sich ein internationales Renomee erarbeiten. Bisher
Ausbildung? Studium?
www.blindow.de
BBS
hat sie sieben Alben veröffentlicht
und ist durch mehrere Länder in Europa getourt. Nun treten die beiden
Ausnahmetalente der Singer/Songwriter-Szene erstmals gemeinsam
auf.
Infos: 0202 257 48 70
So 16.9. | 20 Uhr
COBRA
Solingen
CARL VERHEYEN BAND
Foto: Thorsten Wingenfelder
Mit der britischen Rockgruppe Supertramp hat er Musikgeschichte
geschrieben. Seit mehr als 25 Jahren ist Carl Verheyen der kreative
Kopf der Band. Zusätzlich ist er mit
seiner eigenen Carl Verheyen Band
erfolgreich unterwegs und arbeitete als Gitarrist für Größen wie
die Bee Gees oder Cher; außerdem
steuerte er Musik zu den Kinofilmen „The Crow“ und „Die üblichen
Verdächtigen“ bei. Nicht umsonst
gilt Verheyen als einer der besten
Gitarristen unseres Planeten und
wird zurzeit mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft.
Infos: 0212 33 12 22
Sa 22.9. | 20 Uhr
BAHNHOF VOHWINKEL
Wuppertal
CHRISTINA LUX
Seit knapp 20 Jahren ist Christina
Lux als Musikerin unterwegs, mit
„Playground“ erschien im Januar
ihr neues Album. Ihre Lieder beschränken sich auf ein Minimum an
Instrumentalisierung und erzeugen
eine intensive Atmosphäre, auch
dank einer wunderbar wandlungsfähigen Stimme, die unter die Haut
geht. In ihrer Karriere arbeitete
Christina Lux bereits mit Purple
Bernd-Blindow-Schulen Bonn
Plittersdorfer Straße 48
53173 Bonn
Tel.: 02 28 / 93 44 90
29
bis 30.9. | Di-So 10-18 Uhr
SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN
Wuppertal
CARL ANDRE
Der US-Amerikaner Carl Andre gehört zu den Begründern der Minimal Art, die nicht nur die Kunstwelt
um eine neue, zu ihrer Zeit revolutionäre Stilrichtung bereicherte, sondern auch das Wesen von Skulptur
neu definierte. In seinem Skulpturenpark – und damit auch im Dialog mit der Landschaft wie auch mit
seinen eigenen Plastiken – stellt
Tony Cragg nun fünf Werke von
Carl Andre vor, die, aus verschiedenen Werkphasen stammend, zwischen 1977 und 2004 entstanden
sind, teils im Pavillon und teils in
der Natur positioniert werden und
hier noch zur Begehung einladen.
Infos: 47 89 81 20
Infos: 0212 25 81 40
ZUSAMMENGESTELLT VON:
THOMAS HIRSCH, SERGEJ MAIER, LENA
SCHIMMELPFENNIG
IMPRESSUM
Herausgeber:
engels Verlag
Joachim Berndt, Büro Köln
Maastrichter Str. 6-8, 50672 Köln
E-Mail: [email protected]
Tel. 0221 272 52 60, Fax: -88
Redaktion:
Maren Lupberger (v.i.S.d.P.)
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Lars Albat, Frank Brenner, Lutz Debus,
Valeska von Dolega, Hartmut Ernst, RolfRuediger Hamacher, Thomas Hirsch, Kim
Ludolf Koch, Thomas Linden, Sergej Maier,
Karsten Mark, Kerstin Maria Pöhler, Christian Meyer, Lena Schimmelpfennig, Carla
Schmidt, Anke-Elisabeth Schoen, Sebastian23, Christian Steinbrink, Olaf Weiden,
Christian Werthschulte, Hans-Christoph
Zimmermann, Andreas Zolper
Grafik: Dominik Empl, Michael Hennemann, Martin Johna, Mira Moroz
www.engels-kultur.de
www.facebook.com/engelskultur
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Berndt Media
Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
www.berndt-media.de
Tel. 0234-941910, Fax -9419191
Staatl. anerkannter Berufsabschluss
Master- & Bachelor-Studiengänge
Pharm.-techn.
Assistent/in PTA
und auf dem Montreux Jazz Festival.
Infos: 0202 947 99 45
Buchhaltung:
Karin Okniewski
© C. Andre, Foto: Süleyman Kayaalp
Schulz, Jon Lord oder Fury in the
Slaughterhouse zusammen. Mit ihrem eigenen Trio feierte sie Erfolge
bei den Jazztagen in Leverkusen
Druck:
Henke Druck
Alle nicht gesondert gekennzeichnete
Bilder sind Pressefotos.
zungen
service
VERLOSUNGS-BOX
mit
-zungen
Heiter bis wolkig
Die beiden Freunde Can und Tim genießen das Leben in vollen Zügen.
Tagsüber arbeiten sie in einer großen Küche und abends geht es raus auf
die Piste, Mädels aufreißen. Dass sie fast immer bei den Frauen landen,
verdanken sie ihrer Masche: Sie geben sich
als todkrank aus, mit dem letzten Wunsch,
eine Nacht mit einer wunderschönen Frau
zu verbringen. Dann gerät Tim an die hübsche Marie und verliebt sich in sie. Als er
erfährt, dass Maries Schwester Edda wirklich todkrank ist, scheint das Chaos perfekt
zu sein. Denn Edda durchschaut Tim sehr
schnell – und so bleibt ihm keine peinliche
Situation erspart. „Heiter bis wolkig“ läuft
ab dem 6.9. im Kino.
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
Lieber Engels!
[Paris] 23 August [1849]
Ich bin nach dem Departement Morbihan verwiesen, den pontinischen Sümpfen der Bretagne. Du begreifst, daß ich auf diesen verkleideten Mordversuch nicht eingehe. Ich verlasse also Frankreich.
Nach der Schweiz giebt man mir keinen Paß, ich muß also nach London und zwar Morgen. Die Schweiz wird ohnehin bald hermetisch verschlossen sein und die Mäuse mit einem Schlag würden gefangen sein.
Ausserdem: In London habe ich positive Aussicht ein deutsches Journal zu stiften. Ein Theil der Gelder ist mir sicher.
Du also mußt sofort nach London. Zudem erheischt es Deine Sicherheit. Die Preussen würden Dich doppelt erschiessen: 1) wegen Baden,
2) wegen Elberfeld. Und was sollst Du in der Schweiz, wo Du nichts
thun kannst?
Du hast keine Schwierigkeiten, nach London zu kommen, sei es unter
dem Namen Engels, sei es unter dem Namen Mayer. Sobald Du erklärst nach England zu wollen erhälst Du einen Zwangpaß bis London
von der französischen Gesandschaft.
Ich rechne positiv darauf. Du kannst nicht in der Schweiz bleiben. In
London werden wir Geschäfte machen.
Meine Frau bleibt einstweilen hier. Du schreibst an sie, immer unter
derselben Adresse: 45, rue de Lille, M. Ramboz.
Aber noch einmal, ich rechne sicher darauf, daß Du mich nicht im
Stich lassen wirst.
D[ein] K. M.
Lupus ist bei Dr. Lüning, Zürich. Schreib ihm auch von meinem Plan.
engels verlost 3 Soundtracks und 3 Mau-Mau-Spiele.
E-Mail mit Adresse bis 10.9. an [email protected],
Kennwort: Heiter
Am Ende eines viel zu kurzen Tages
Donald ist 15 und hat nicht gerade ein unkompliziertes Leben. Wie
andere Jungs in seinem Alter träumt er von der Traumfrau, Sex und
Abenteuern – aber er hat nicht alle Zeit der Welt dafür, denn er ist
krank. Als talentierter Zeichner malt Donald sich daher lieber seine
eigene Fantasiewelt, in der Miraculousman, ein unsterblicher Superheld, dessen Erzfeind The Glove und der
lüsterne Vamp Worey leben. Als Donald
auf Dr. Adrian King trifft, findet er erstmals einen Arzt, den er ganz gut leiden
kann. Mehr als gut leiden kann er auch
Shelly, die neu an der Schule ist. Aber
wie viel Zeit lässt ihm seine Krankheit
noch, um sie besser kennenzulernen?
Die Verfilmung des Romans „Superhero“
des Neuseeländers Anthony McCarten
läuft bei uns am 30.8. an.
Elberfeld 1849
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
Marx hatte es nach der gescheiterten Revolution 1848/49 nach Paris verschlagen.
Engels war nach seiner Teilnahme am Elberfelder Aufstand (im Mai 1849) und an
der badisch-pfälzischen Erhebung (Sommer 1849) in die Schweiz geflüchtet.
engels verlost 2x den Roman und 2x den Soundtrack zum Film.
E-Mail mit Adresse bis 10.9. an [email protected],
Kennwort: Superhero
Liebe
Georg und Anna, seit Jahrzehnten verheiratet, sind kultivierte Musikprofessoren im Ruhestand. Michael Haneke, ermutigt durch die positive
Akzeptanz des preisgekrönten Meisterwerks „Da weiße Band“, entwickelt
aus der intimen Situation eines einzigen Paares mit Tochter eine ganz
eigene, herzzerreißende Episode einer Liebe, die uns allen zeigt, dass es
eben doch Sinn macht, den langen Weg durchs Leben gemeinsam zu gehen. Die beiden französischen Schauspiellegenden Emmanuelle Riva und
Jean-Louis Trintignant haben in „Liebe“ die beiden Hauptrollen übernommen.
Quellenangabe: Marx-Engels-Gesamtausgabe, Briefwechsel, Band 3, Berlin
1981, S. 44; Abb.: Aufstand der Bürger.
Revolution 1849 im westdeutschen Industriezentrum, hg. von Klaus Goebel und
Manfred Wichelhaus, 3. Aufl., Wuppertal
1974, nach S. 96
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09.2012
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