Die aktuelle Rechtsprechung des OLG Nürnberg zum Familienrecht
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Die aktuelle Rechtsprechung des OLG Nürnberg zum Familienrecht
Die aktuelle Rechtsprechung des OLG Nürnberg zum Familienrecht - VRiOLG Elmar Herrler 1. Unterhalt 1.1 Inhaltskontrolle von Eheverträgen (Beschluss vom 1.9.04 – 11 WF 1597/04) Die Entwicklung des Familienrechts seit der letzten Veranstaltung am 12.11.2003 ist wie immer recht dynamisch verlaufen. Dies hat sich auch in vielen Entscheidungen der Familiensenate des OLG Nürnbergs niedergeschlagen. Wenn ich an den Anfang meiner Ausführungen eine Entscheidung zur Wirksamkeit von Eheverträgen stelle, liegt dies daran, dass ich die Entscheidung des BGH vom 11.2.2004 für die bedeutsamste des abgelaufenen Zeitraums ansehe. Sie hat nämlich die Frage, ob vertragliche Vereinbarungen über Scheidungsfolgen noch einen Sinn machen, etwas geklärt, indem sie der Praxis einige Kriterien an die Hand gibt, was bei Eheverträgen zu beachten ist. Der 11. Senat hatte sich mit der Wirksamkeit eines Ehevertrages in einem PKHBeschluss vom 1.9.2004, in dem es um die Durchführung des Versorgungsausgleichs ging, auseinanderzusetzen (eine vergleichbarer Fallgestaltung hat der BGH zwischenzeitlich im Beschluss vom 6.10.2004 – XII ZB 110/99 entschieden). Die Parteien hatten durch notariellen Ehevertrag im Jahre 1993 neben einen gegenseitigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und der Vereinbarung von Gütertrennung auch den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Dementsprechend hatte das FamG bei der Scheidung im Jahr 2000 keinen Versorgungsausgleich durchgeführt. Unter Berufung auf die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung beantragte die geschiedene Ehefrau den Versorgungsausgleich durchzuführen. Das FamG hatte PKH wegen mangelnder Erfolgsaussicht verneint. Das OLG sah im summarischen Prüfungsverfahren der PKH Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau durch die Vereinbarung einseitig benachteiligt worden sein könnte und gewährte PKH. Zur Begründung verwies es auf die geänderte Einstellung der Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Eheverträgen. 1.1.1 Entscheidungen des BVerfG vom 6.2.2001 (NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343) und 29.3.2001 (NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985) Das BVerfG hatte 2001 in den Entscheidungen vom 6.2.01 und vom 29.3.01 die Grundsätze seiner Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Verwandtenbürg- 1 schaftsverträgen (NJW 1994,36) und zum entschädigungslosen Wettbewerbsverbot von Handelsvertretern (NJW 1990,1469) auf Eheverträge und Unterhaltsvereinbarungen übertragen. Danach haben die Gerichte im Hinblick auf Art.2 Abs.1 GG mit Hilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln (§ 138 BGB und § 242 BGB) zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (BVerfG NJW 1994, 36; 2001, 957, 958). Bezogen auf die Ehe präzisierte das BVerfG: Art. 6 Abs. 1 GG garantiere zwar den Ehegatten, ihre eheliche und familiäre Gemeinschaft frei zu gestalten. Diese freie Disposition setze jedoch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG voraus, dass die vertraglichen Regelungen auf einer gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Mann und Frau basieren. Davon kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn • eine erheblich ungleiche Verhandlungsposition der Ehegatten , z.B. Schwangerschaft, vorliegt und • ein Vertragspartner diese ungleiche Verhandlungsposition zur einseitigen Bestimmung des Vertragsinhalts ausnutzt und • dadurch einem Ehegatten einseitig vertragliche Lasten aufgebürdet werden. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. 1.1.2 Rechtslage nach den Entscheidungen des BVerfG Die Praxis war durch die Entscheidungen verunsichert. Unter welchen Bedingungen sind Eheverträge noch zulässig? Reicht für die Unwirksamkeit bereits die strukturelle Unterlegenheit des nicht erwerbstätigen Ehegatten? Werden diesem durch die Abdingung gesetzlicher Scheidungsfolgen einseitige Lasten aufgebürdet, die der berufstätige Ehegatte aufgrund seiner wirtschaftlich unabhängigen Stellung durchdrückt? Ziemlich weit ging die Entscheidung des Augsburger Senats des OLG Münchens vom 1.10.2002 – 4 UF 7/02 (NJW 2003, 592 = FamRZ 2003, 35), welche die Grundlage des Urteils des BGH vom 11.2.2004 war. Der Senat hatte folgende notarielle Vereinbarung für unwirksam erachtet: Die Eheleute schlossen zwei Jahre nach der 1985 erfolgten Heirat einen notariellen Ehevertrag. Darin verzichteten sie gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt mit 2 Ausnahme des Betreuungsunterhalts, auf Zugewinnausgleich und auf Versorgungsausgleich. Den Verzicht der Frau stellten sie unter die Bedingung, dass der Mann für die Frau eine Kapitallebensversicherung über 80.000 DM abschließt. Im Falle der Scheidung sollte er der Frau den dreifachen Jahresbeitrag zu dieser Versicherung in einer Summe als Abfindung bezahlen. Der Mann, ein Unternehmensberater, hatte zuletzt ein durchschnittliches Monatseinkommen von 27.000 DM. Die Frau, die ein Magisterexamen in Geschichte, Kunstgeschichte und Deutsch hatte, leitete 1985 eine archäologische Ausgrabung. Diese Tätigkeit gab sie wegen der Schwangerschaft auf. Ihre Absicht, zu promovieren, verfolgte sie auf Wunsch ihres Mannes nicht weiter, sondern widmete sich dem Haushalt und der Kindererziehung. Seit 1994 betrieb sie einen Spielwarenladen mit einer Postagentur und hatte ein Einkommen von1.084 DM. Daneben erhielt sie für die Mitarbeit im Büro monatlich 500 DM. Die Eheleute hatten zwei 1986 und 1989 geborene Kinder. Andere Gerichte sahen die Inhaltskontrolle nicht so eng. So hat z.B. der 3.Zivilsenat des OLG Nürnberg mit Urteil vom 12.11.2002 – 3 U 1192/02 (FamRZ 2003, 634) entschieden: „Ein Ehevertrag, in dem zwischen einer Ausländerin und einem Deutschen Gütertrennung, ein gegenseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und auf den Versorgungsausgleich sowie ein wechselseitiger Pflichtteilsverzicht vereinbart werden, ist Ausdruck einer Eheführung in gleichberechtigter Partnerschaft und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Er ist nicht nichtig, wenn er zum Zwecke des Schutzes vor möglichen Gläubigern des Mannes abgeschlossen wird und gemeinsame Kinder nicht zu erwarten und geplant sind.“ 1.1.3 Rechtsprechung des BGH vor den Entscheidungen des BVerfG Eines war nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts klar: Der bisherigen Rechtsprechung, die grundsätzlich von einer umfassenden Vertragsfreiheit ausging, war der Boden entzogen. Bis dahin hatte man grundsätzlich keine Bedenken, auch eine Gesamtverzichtsvereinbarung auf Zugewinn, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt generell nicht als sittenwidrig anzusehen, selbst wenn sie einen Verzicht auf Betreuungsunterhalt mit einschloss (vgl. BGH NJW 1991, 913). Lediglich bei Hinzutreten subjektiver Umstände kam man im Einzelfall zur Sittenwidrigkeit. Der BGH hielt einen nachehelichen Unterhaltsverzicht nur in Ausnahmefällen für sittenwidrig. Bejaht wurde dies, wenn nach der Rechtslage ein Unterhaltsanspruch in Betracht kam und der Bedürftige erkennbar durch den Ver- 3 zicht ein Sozialhilfefall wurde (BGH, NJW 1983, 1851; FamRZ 1992, 1403 = NJW 1992, 3164). Ohne die Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts in Frage zustellen, hat der BGH in bestimmten Fällen eine auf § 242 BGB gestützte auf die Zeit der Kinderbetreuung begrenzte unzulässige Rechtsausübung angenommen, wenn der Bedürftige auf Ehegattenunterhalt zu Lasten betreuungsbedürftiger Kinder verzichtete (NJW 1991, 913 = FamRZ 1991, 306; NJW 1992, 3164 = FamRZ 1992, 1403). Die familienrechtliche Praxis wartete gespannt darauf, wie der BGH die Vorgaben des BVerfG umsetzen wird. 1.1.4 Entscheidung des BGH vom 11.2.2004 – XII ZR 265/02 (FamRZ 2004, 601 = NJW 2004, 930) und 6.10.2004 – XII ZB 110/99 1.1.4.1 Inhaltskontrolle von Eheverträgen Die Lösung des BGH im Urteil vom 11.2.04 hat wohl alle etwas verblüfft. Der BGH vertiefte die vom BVerfG aufgeworfene Problematik nicht, sondern griff auf seine bekannte Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen zurück. Er erweiterte diese und grenzte die Voraussetzungen der Wirksamkeitskontrolle von denen der Ausübungskontrolle schärfer voneinander ab. Unter dem Oberbegriff der Inhaltskontrolle spricht er im Rahmen des § 138 BGB von Wirksamkeitskontrolle und des § 242 BGB von Ausübungskontrolle. Die Wirksamkeitskontrolle des § 138 BGB bezieht er auf die Situation der Ehegatten zur Zeit des Vertragschlusses. Liegt zur Zeit des Vertragschlusses kein Verstoß gegen die guten Sitten vor, kommt eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB nicht in Betracht. Stellt sich dann im Verlauf der Ehe heraus, dass ein Ehegatte ehebedingt in eine schwächere soziale Position gelangt ist, ist dies ein Fall der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB, sprich: Missbrauchskontrolle. 1.1.4.2 Vertragsfreiheit Im Grundsatz hält der BGH an der Vertragsfreiheit fest. Er weist darauf hin, dass das geltende Recht keine unverzichtbaren Mindeststandards im Scheidungsfolgenrecht zugunsten des berechtigten Ehegatten kennt. Damit wird Überlegungen, Eheverträge generell bei Vorliegen einer strukturellen Unterlegenheit einer Vertragspartei einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, eine Absage erteilt. 1.1.4.3 Grenzen der Vertragsfreiheit 4 Die Grenze der Vertragsfreiheit zieht der BGH dort, wo die vertragliche Vereinbarung • zu einer evident einseitigen Lastenverteilung führt, • die nicht durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse gerechtfertigt ist und • die für den belasteten Ehegatten auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Als Subsumtionsregel gilt: Je mehr die gesetzlichen Regelungen im Kernbereich der Scheidungsfolgen vertraglich ausgeschlossen werden, desto eher kann dies zu einer nicht hinnehmbaren einseitigen Belastung führen. 1.1.4.4 Kernbereich der Scheidungsfolgen Innerhalb des Kernbereichs der gesetzlichen Scheidungsfolgen nimmt der BGH eine Abstufung danach vor, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten haben. Je geringer die Bedeutung für den Berechtigten ist, desto leichter kann von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden. Zum Kernbereich gehört in erster Linie der nacheheliche Unterhalt nach § 1570 (Betreuungsunterhalt), der Altersunterhalt (§ 1571 BGB) und der Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB). Geringeres Gewicht haben der Erwerbslosenunterhalt (§ 1573 Abs. 1 und 4 BGB), der Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 2 1.Alt., Abs. 3 BGB). Am ehesten verzichtbar sind der Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) und der Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB), da sie zeitlich (§§ 1573 Abs. 5, 1575 Abs. 1 S. 2 BGB) und der Höhe nach (§ 1578 BGB) begrenzbar sind. In der Rangstufe mit dem Altersunterhalt steht der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt. Den Zugewinn sieht der BGH am weitesten einer Einschränkung durch Ehevertrag zugänglich, da das Wesen der Ehe nicht notwendigerweise auch eine Vermögensgemeinschaft erfordert. 1.1.4.5 Abweichen vom Kernbereich der Scheidungsfolgen 5 Das Abweichen von der gesetzlichen Regelung im Kernbereich führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Selbst der Betreuungsunterhalt, der schon im Hinblick auf seine Ausrichtung am Kindesinteresse nicht der freien Disposition der Ehegatten unterliegt, ist nicht jeglicher Modifikation entzogen. Eine ehevertragliche Regelung hält der BGH für denkbar, wenn die berufliche Tätigkeit und die Betreuung eines Kindes miteinander zu vereinbaren sind. 1.1.4.6 Prüfungsschema Der BGH führt dann aus, wie der Tatrichter bei der Prüfung der Grenzen der Privatautonomie vorzugehen hat. 1.1.4.6.1 Wirksamkeitskontrolle § 138 Abs. 1 BGB Zunächst muss er im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle prüfen, ob die Vereinbarung schon bei Vertragsschluss unabhängig von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 Abs. 1 BGB). Das Verdikt der Sittenwidrigkeit kann dabei nur nach einer umfassenden Abwägung der individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss erfolgen. Maßgebend sind insbesondere folgende objektive und subjektive Kriterien: • • objektive Kriterien o die Einkommens- und Vermögensverhältnisse o der geplante und bereits verwirklichte Zuschnitt der Ehe o die Auswirkungen auf die Ehegatten und Kinder subjektive Kriterien o die mit der Abrede von den Ehegatten verfolgten Zwecke o die Beweggründe, die den begünstigten Ehegatten bewogen haben, einen Ehevertrag abzuschließen und o die Beweggründe, die den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, sich darauf einzulassen. Regelmäßig wird eine Sittenwidrigkeit nur vorliegen, • wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder zu erheblichen Teilen abbedungen werden, • ohne dass eine Kompensation vorliegt z.B. der Unterhaltsbedarf wird durch eine Vermögensübertragung dauerhaft und angemessen abgesichert oder 6 • ohne dass dies durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt ist, z.B. die Ehepartner verfügen über dauerhaft gesicherte Einkünfte, beispielsweise Unternehmer heiratet eine Beamtin, Kinder sind wegen deren Alters nicht mehr zu erwarten. 1.1.4.6.2 Ausübungskontrolle § 242 BGB Wenn danach eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB nicht festgestellt werden kann, ist im zweiten Schritt der Vertrag einer Ausübungskontrolle (Missbrauchskontrolle) zu unterziehen. Danach ist zu prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm vertraglich eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich auf den vertraglichen Ausschluss einer gesetzlichen Scheidungsfolge beruft (§ 242 BGB). Dabei spielen nicht nur die Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses eine Rolle. Entscheidend ist die nachvertragliche Entwicklung. Bedeutsam für diese Beurteilung ist: Ist im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe durch die vertragliche Regelung eine für den Unterhaltsberechtigten unzumutbare, evident einseitige Belastung eingetreten. Dies ist unter Berücksichtigung des Vertrauens des Verpflichteten an der Gültigkeit der vertraglichen Regelung und des Wesens der Ehe festzustellen. Je höherrangig die ausgeschlossene Scheidungsfolge ist, umso schwerer müssen die Gründe sein, die für ihren Ausschluss sprechen. Eine Berufung auf den Ausschluss ist danach kaum möglich, • wenn die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der bei Vertragsschluss geplanten Gestaltung grundlegend abweicht z.B. geplant war eine kinderlose Ehe, jetzt ist ein Kind da; oder • wenn durch eine schicksalhafte Entwicklung ein Ehegatte besondere Lasten zu tragen hat z.B. das gemeinsame Kind ist behindert und braucht eine lebenslange Pflege. Kompliziert wird die Wirksamkeitskontrolle, weil auch die Verletzung der ehelichen Solidarität eine Rolle spielen kann. Diese Verschuldensgesichtspunkte haben aber eher zurückzutreten, soweit es um einen angemessenen Ausgleich ehebedingter Nachteile geht. Das heißt, dass bei Verletzung der ehelichen Treuepflicht jedenfalls die ehebedingten Nachteile auszugleichen sind. 1.1.4.7 Rechtsfolgen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 242 BGB Was gilt, wenn die Berufung auf den vertraglichen Ausschluss von Scheidungsfolgen versagt ist? Bisher konnte der Unterhaltsberechtigte nur für die Zeit der 7 Betreuung sich auf die Unwirksamkeit berufen. Einen höheren als den notwendigen Unterhalt konnte der Berechtigte in dieser Zeit nur verlangen, wenn besondere Umstände vorlagen, die dies aus Gründen des Kindeswohls geboten hatten (BGH NJW 1992, 3164; 1995, 1148, 1149). Diese Einschränkungen gelten bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 242 BGB nicht. Der Richter hat die Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in der gegebenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Dies bedeutet mehr als die Vornahme einer reinen Vertragsauslegung und beinhaltet auch etwas anderes als die Anpassung nach den Grundsätzen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Konkret gemeint ist damit, dass der betreuende Elternteil den vollen ehelichen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB während der Zeit der Kinderbetreuung beanspruchen kann. Hinzu kommt eventuell auch ein Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt, wenn kein ausreichendes Vermögen für die Absicherung im Alter vorhanden ist und eine eigene hinreichende Altersvorsorge wegen der Kinderbetreuung nicht aufgebaut werden kann. Für die Zeit nach der Kinderbetreuung kann sich als Anschlussunterhalt eine Unterhaltspflicht nach § 1573 Abs. 2 BGB ergeben. Dessen Höhe sich aber nicht notwendigerweise an den ehelichen Lebensstandard zu orientieren hat. Ein angemessener Unterhalt dürfte reichen. Der BGH nennt hier als Beispiel die Differenz des Einkommens, das der Berechtigte aus einer seiner Ausbildung entsprechenden Berufstätigkeit erzielen könnte (§ 287 ZPO), und dem Verdienst, den er aus einer ihm nach dem Berufsverzicht noch möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit erlöst. 1.1.4.8 Beurteilung der Entscheidung des OLG Münchens durch den BGH Der BGH führt aus, die getroffenen Feststellungen des OLG München tragen das Verdikt der Unwirksamkeit nicht. Weder die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) seien dargelegt noch ersichtlich. Auch der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) werde durch die vom OLG aufgeführten Gesichtspunkte nicht getragen. Allerdings hat der BGH gleichwohl das Verfahren an das OLG München zurückverwiesen, um weitere Feststellungen zu treffen. Ersichtlich bezieht sich dies auf Feststellungen zur unzulässigen Rechtsausübung wegen des Verzichts auf Anschlussunterhalt. 1.2. Unterhalt und Insolvenz (Beschluss vom 4.10.04 – 11 WF 2713/04) 8 Seit ab 1.12.2001 die Kosten des Insolvenzverfahrens gestundet werden können (§ 4a InsO), häufen sich Fälle, in denen der Unterhaltsschuldner von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Der 11. Senat hatte sich mit der Frage zu befassen, wie sich das Insolvenzverfahren auf die Unterhaltspflicht auswirkt. Der Vater zweier minderjähriger Kinder berief sich auf seine Leistungsunfähigkeit, da er nur über ein Einkommen von rund 600 verfügte. Die Berufung auf die Leistungsunfähigkeit ak- zeptierte der Senat nicht, da der Vater nicht dargetan hatte, seiner gegenüber minderjährigen Kindern bestehenden erhöhten Arbeitspflicht, die von ihm eine gesteigerte Ausnützung seiner Arbeitskraft verlangt, nachgekommen zu sein (vgl. BGH FamRZ 2003, 1471 = NJW 2003, 3122). Zum Einwand, über sein Vermögen sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden, führte der Senat aus: Nur die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Unteraltsforderungen werden durch die Insolvenzeröffnung Insolvenzforderungen, nicht aber die nach der Eröffnung fällig werdende Unterhaltsansprüche der Kinder (§ 40 S. 1 InsO). Denn Unterhaltsforderungen entstehen in jedem Zeitpunkt, in dem ihre Voraussetzungen vorliegen neu. Der Erfüllung der Unterhaltsforderung der Kinder stehe auch nicht entgegen, dass das nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfallende Vermögen des Vaters zur Insolvenzmasse gehört. Zwar gehört Vermögen, dass der Vater während des Insolvenzverfahrens erlangt, zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO). Dies gelte aber nicht für das Vermögen, das nicht der Zwangsvollstreckung unterliege (§ 36 InsO). Das laufende Einkommen werde aber von der Insolvenzmasse nicht erfasst, soweit es nach § 850 c ZPO nicht pfändbar sei (§ 36 I InsO). Der Senat verpflichtete daher den Vater, den für Drittgläubiger nach § 850 c ZPO nicht pfändbaren Betrag seines Arbeitseinkommens, gekürzt um seinen notwendigen Selbstbehalt für den Unterhalt der beiden Kinder einzusetzen. 1.3 Schulden im Mangelfall (Beschluss vom 4.10.04 – 11 WF 2713/04) In diesem Zusammenhang wird auch die Frage des Rangverhältnisses der Schulden des Unterhaltspflichtigen teilweise neu zu definieren sein. Nach der Rechtsprechung des BGH haben Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen auch im Mangelfall keinen Vorrang vor seinen anderen Schulden. Dies gilt allerdings nur für unterhaltsrechtlich relevante Schulden. Ob eine Verbindlichkeit danach unterhaltsrechtlich erheblich ist, ist nach einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Wenn der Regelbetrag nach der Regelbetragsverordnung nicht gewährt werden 9 kann, ist die Berücksichtigung von Drittschulden nur im Ausnahmefällen möglich (BGH NJW 2002, 1269, 1273) z.B. wenn die Zahlung des Regelbetrages nur auf Kosten einer weiter wachsenden Verschuldung erfolgen könnte, weil nicht einmal die Zinsen gezahlt werden können. Dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt spielt bei der Abwägung dann keine Rolle mehr, wenn dem Unterhaltsschuldner zugemutet werden kann, ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten. Denn dann kann sich der Schuldner von der wachsenden Verschuldung nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode von regelmäßig 6 Jahren befreien (Restschuldbefreiung). 1.4 Karrieresprung und ehelicher Bedarf nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB (Beschluss vom 1.12.2003 – 7 WF 344/03 = OLGR 2004, 83) Die Frage, welches Einkommen bestimmt die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB, hatte der 7. Senat im Zusammenhang mit einem Karrieresprung zu entscheiden. Der Ehemann war zur Zeit der Trennung im Juni 2000 und auch zur Zeit der Rechtskraft der Scheidung am 25.7.2002 Sonderschullehrer mit einem Gehalt nach A 13. Im Oktober/ November 2002 wurde er zum Konrektor mit einem Gehalt nach A 14 L befördert. Die Ehefrau wollte daher eine Erhöhung ihres Unterhalts unter Zugrundelegung des Konrektorgehaltes. Der Senat hat dies ebenso wie das Amtsgericht Nürnberg abgelehnt. Die Beförderung vom Sonderschullehrer zum Konrektor sei keine Regelbeförderung, da die Zahl der Konrektorstellen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Lehrerplanstellen verhältnismäßig gering sei. Es läge daher ein Karrieresprung vor. Das höhere Einkommen als Konrektor könne nach der Rechtsprechung des BGH bei der Unterhaltsbemessung dann berücksichtigt werden, wenn zum Zeitpunkt der Scheidung die Beförderung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei und diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt habe. Der Senat verneint im Fall diese Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse. Zwar mag die Beförderung zur Zeit der Rechtskraft der Scheidung, am 25.7.2002, wahrscheinlich gewesen sein, da der Ehemann bereits seit Herbst 2001 faktisch die verwaiste Stelle des Konrektors ausgeübt habe. Entscheidend sei aber bei einer vom Normalverlauf abweichenden Karriereentwicklung, ob diese Entwicklung bereits im Trennungszeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen sei. Im Juni 2000, zur Zeit der Trennung, sei diese berufliche Entwicklung des Ehemannes nicht voraussehbar gewesen. 10 Als Ergebnis lässt sich festhalten: Der Grundsatz, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte an Verbesserungen und Verschlechterungen der wirtschaftlichen Entwicklung der Ehe bis zur Rechtskraft der Scheidung teilnimmt, gilt nicht für solche Einkommensverbesserungen, die sich aufgrund einer im Zeitpunkt der Trennung nicht vorhersehbaren Entwicklung einstellen und auf die sich die Eheleute zur Zeit des Zusammenlebens daher nicht einrichten haben können. 1.5 Kindergartenkosten und Bedarf (Urteil vom 27.10.03 – 10 UF 2204/03 = OLGR 2004, 148 = FamRZ 2004, 1212 = NJW-RR 2004, 436) Wessen Bedarf sind die Kosten für einen Ganztagskindergarten zuzurechnen. Darum ging es im Urteil des 10. Senats vom 27.10.03. Ein Kind besuchte ganztags einen Kindergarten. Die Kosten hierfür wollte es von seinem Vater als Mehrbedarf nach § 1610 BGB erstattet haben. Die Klage, die vom Amtsgericht Regensburg abgewiesen worden war, hatte auch in der Berufung keinen Erfolg. Der Senat meinte in Überseinstimmung mit der herrschenden Meinung, es komme darauf an, in wessen Interesse die Kosten anfallen. Erfolge die Unterbringung aus in der Person des Kindes liegenden Gründen z.B. weil dies aus pädagogischem Interesse angezeigt sei, dann läge ein Mehrbedarf des Kindes vor. Diene die Unterbringung jedoch dazu, dem betreuenden Elternteil eine sonst nicht zumutbare Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, lägen berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteiles vor. Im zu entscheidenden Fall sei die Unterbringung erfolgt, um der Mutter eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. In der Person des Kindes liegende Gründe für die ganztägige Unterbringung im Kindergarten lägen nicht vor. Damit war die Streitfrage entschieden. Der Senat lies es damit jedoch nicht genug sein. Offenbar durch entsprechende rechtliche Ausführungen in den Schriftsätzen angeregt, setzt er sich noch mit der Frage auseinander, ob nicht wenigsten die Kosten für den üblichen Kindergartenbesuch – gemeint für einen halbtägigen Kindergartenbesuch – zum Bedarf des Kindes gehören. Diese Frage wird unterschiedlich beantwortet. Verbreitet wird das Vorliegen eines Mehrbedarfs von der Höhe der Kosten und von dem Verhältnis dieser Kosten zur Höhe des Unterhalts abhängig gemacht. Dieser Ansicht folgend vertritt der Senat die Auffassung dass zumindest im Tabellenbetrag der Gruppe 6 der Düsseldorfer 11 Tabelle der übliche Kindergartenaufwand enthalten sei. Für die niedrigeren Einkommensgruppen lässt er es offen. 1.6 Erweiterte Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 BGB) und fiktive Einkünfte (Beschluss vom 18.2.04 – 11 WF 456/04) In der gerichtlichen Praxis werden die Anforderungen an die Zumutbarkeit von Erwerbsbemühungen bei einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB unterschiedlich beantwortet. Ausgangspunkt ist das Tatbestandsmerkmal in § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach der Verpflichtete alle verfügbaren Mittel zu seinem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden hat. Hieraus wird für den Unterhaltspflichtigen für den Fall, dass er seiner Unterhaltspflicht nicht oder nicht in voller Höhe nachkommt, die Obliegenheit abgeleitet, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen (BGH FamRZ 1985, 158, 159). Dies bedeutet bei einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 S.1, 2 BGB, dass dem Unterhaltspflichtigen in der Regel die Leistung von Überstunden, die Ausübung einer Nebentätigkeit, eines Berufswechsels und unter Umständen sogar ein Ortswechsel zuzumuten ist. Kommt er dem nicht nach, wird ihm ein fiktives Einkommen zugerechnet. In der Praxis wird bei der Zurechnung der Höhe des fiktiven Einkommens häufig vom Ergebnis her argumentiert, d. h. dem Unterhaltspflichtigen werden fiktive Nebeneinkünfte in der Höhe unterstellt, die nötig ist, um seinen notwendigen Bedarf und den Regelsatz der Kinder bestreiten zu können. So hat ein Familiengericht einem Hilfsarbeiter, der 5 minderjährigen Kindern im Alter von 1, 4, 7, 13, 14 Jahren und seiner Ehefrau Unterhalt schuldete, zugemutet, durch zusätzliche Arbeiten den Unterhalt aller Berechtigten sicherzustellen. Er verfügte bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.300 . Auf die sofortige Beschwerde gewährte das OLG dem Vater für seine Abänderungsklage PKH. Ohne auf den Unterhalt der Ehefrau einzugehen, werde in der Regel ein ungelernter Arbeiter nicht in der Lage sein, allein den Regelbedarf der 5 Kinder in Höhe von 1.207 (2 x 284 + 241 + 2 x (199 - 19,50 KiG) zu decken, meinte der 11. Senat. Um den Bedarf der Kinder und seinen notwendigen Bedarf decken zu können, bräuchte der Vater monatlich 2.047 12 . Er müsste daher allein für den Kindesunterhalt neben seinem Einkommen aus der 40 Stundenwoche noch 747 monatlich oder ca. 174 wöchentlich netto verdienen. Auf dem ersten Blick erscheint dies nicht viel. Anders bei näherer Untersuchung: Bei einem Nettolohn von 10 / Stunde – damit liegt man bei einem ungelernten Arbeiter sicher an der oberen Grenze – heißt dies aber, dass er rund 17 Stunden in der Woche neben seiner Haupttätigkeit arbeiten muss, insgesamt somit etwa 57 Stunden in der Woche. Im Monat sind dies ca. 245 Stunden. Damit dürfte der zugemutete Arbeitsumfang den vom BVerfG vorgegeben Zeitrahmen deutlich überschreiten. Das BVerfG hat in dem Beschluss vom 5.3.2003 – 1 BvR 752/02 dargelegt, dass der Verpflichtete wegen seiner Unterhaltspflicht (Art. 6 Abs. 1 GG) in seiner Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingeschränkt ist. Dabei dürften aber die Grenzen des Zumutbaren nicht überschritten werden. Maßstab für die Zumutbarkeit seien auch die Bestimmungen zum Schutz der Arbeit (BVerfG, FamRZ 2003, 661; BGH FamRZ 2003, 1471 = NJW 2003, 3122). Um die Grenzen des Zumutbaren zu erkennen, wird man nicht umhin können, das mögliche Einkommen unter Berücksichtigung einer zumutbaren Arbeitszeit und eines realistischen Nettolohnes zu ermitteln. Der 11. Senat sieht die Grenze der monatlichen Arbeitszeit bei etwa 200 Stunden oder 48 Stunden in der Woche erreicht. Zurückhaltender ist der 10. Senat mit der Annahme einer Obliegenheit zu einer neben der vollschichtigen Arbeit zu leistenden Nebentätigkeit (FamRZ 2002, 1426 = OLGR 2002, 215). Das OLG Celle (FamRZ 2002, 694) vertritt sogar die Auffassung, dass zur Sicherstellung des Mindestbedarfs minderjähriger Kinder neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit keine Nebentätigkeit verlangt werden könne. 1.7 Zumutbarkeit des Wechsel der Arbeit (Beschluss vom 10.11.2003 – 10 WF 3523/03 = OLGR 2004, 52 = FamRZ 2004, 1312) Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Beschluss des 10. Senats vom 10.11.2003 in einem Prozesskostenhilfeverfahren. Ein Kraftfahrer hatte ein minderjähriges Kind aus erster Ehe. Nachdem er wieder geheiratet hatte und ein Kind aus dieser 2.Ehe hervorgegangen war, wechselte er vom Fern- in den Nahverkehr. Dies war mit einer Minderung seines Einkommens verbunden war. Er sah sich da- 13 her außer Stande, seinem Kind aus 1.Ehe den Regelbedarf zu zahlen und beantragte Prozesskostenhilfe für eine Abänderungsklage. Das Familiengericht in Kelheim versagte die Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der Senat hielt im Hinblick auf die verstärkte Erwerbsobliegenheit den Antragsteller an seinem früher im Fernverkehr erzielten Einkommen fest. Der Antragsteller sei gegenüber seinem minderjährigen Kind aus erster Ehe nicht berechtigt, die wirtschaftliche Grundlage für seinen Unterhaltsanspruch durch einen Wechsel vom Fern- in den Nahverkehr zu schmälern, auch wenn das Kind aus 2. Ehe dadurch praktisch seinen Vater während der Woche nicht sehe. Auch in vielen anderen Familien mit Kleinkindern sei der Vater während der Woche nicht anwesend. 1.8 Nachteilsausgleich beim Realsplitting (Beschluss vom 8.1 2004 – 11 WF 3859/03 = OLGR 2004,173) Die Verpflichtung zur Zustimmung zum begrenzten Realsplittingsausgleich spielte im Beschluss vom 8.1 2004 eine Rolle. Die geschiedene Ehefrau verweigerte die Zustimmung zum begrenzten Realsplittingausgleich unter anderem mit der Begründung, der geschiedene Ehemann müsse sie von Kranken- und Pflegeversicherungskosten freistellen. Das Familiengericht Erlangen versagte ihr die beantragte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung. Der Senat bestätigte die Entscheidung des Familiengerichts. Zunächst verwies er auf die bekannte Rechtsprechung des BGH (z.B. BGH NJW 1983, 1546). Danach kann die Zustimmung zum begrenzten Realsplittingausgleich nur Zug um Zug gegen die bindende Erklärung verlangt werden, den Unterhaltsberechtigten von damit verbundenen steuerlichen Nachteilen freizustellen (§§ 1353 BGB, 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Im Anschluss daran führte er aus, der Unterhaltspflichtige habe auch die Nachteile auszugleichen, welche durch die Kürzung oder Entziehung von öffentlichen Leistungen als Folge der Überschreitung eines bestimmten steuerlichen Einkommens erwachsen. Allerdings setze dies voraus, dass der Unterhaltsberechtigte substantiiert darlege, um welche Leistungen es sich handelt und wie sich die steuerliche Erhöhung seiner Einkünfte durch das begrenzte Realsplitting auf diese Leistungen auswirke. Die Beiträge für die Krankenversicherung können grundsätzlich darunter fallen, da die steuerliche Zurechnung des gezahlten Unterhalts zum Überschreiten der Einkommensgrenze für die beitragsfreie Familienkrankenversiche- 14 rung führen könne. Im entschiedenen Fall sei aber hierzu nichts vorgetragen worden. 1.9 Unterhaltsanspruch und Grundsicherung (Urteil vom 21.4.2004 – 11 UF 2470/03 = (OLGR 2004, 318) Der Vater war verurteilt, seiner volljährigen erwerbsunfähigen Tochter Unterhalt zu zahlen, da deren Erwerbsunfähigkeitsrente nicht zur Deckung ihres angemessenen Bedarfs nach § 1610 Abs. 1 BGB reichte. Nach Inkrafttreten des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) am 1.1.2003 beantragte der Vater eine Abänderung des Unterhaltstitels mit der Begründung, seine Tochter habe jetzt Anspruch auf eine Grundsicherungsrente. Sie sei daher nicht mehr bedürftig. Zwar erhalte sie keine Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Ihr seien jedoch fiktiv solche Einkünfte zuzurechnen. Das Familiengericht in Erlangen wies die Klage ab, da die Tochter trotz entsprechender Antragstellung keine Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz erhalte. Die dagegen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren stellte sich heraus, dass die Tochter deshalb keine Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz erhielt, weil ihr Vater entsprechend seiner Verpflichtung aus dem Unterhaltstitel monatlich Unterhaltszahlungen leistete. Diese Unterhaltsleistungen sah die Verwaltungsbehörde als Einkommen an, das auf die Grundsicherung anzurechnen ist. Die Verwaltungsbehörde argumentierte: Zwar darf der Tochter die Grundsicherung nach § 2 Abs. 1 S. 3 GSiG nicht mit dem Hinweis auf ihre Unterhaltsansprüche gegen den Vater verweigert werden. Dies gelte aber nicht für tatsächlich erbrachte Leistungen wie die titulierten Zahlungen. Diese seien nach § 3 Abs. 2 GSiG i.V.m. § 76 Abs. 1 BSHG auf den Anspruch auf Grundsicherung anzurechnen. Der Senat ging im Urteil vom 21.4.2004 – 11 UF 2470/03 davon aus, die Tochter müsse sich grundsätzlich auf die Inanspruchnahme der Grundsicherung verweisen lassen. Die Grundsicherung sei anders als die Sozialhilfe gegenüber Unterhaltsansprüchen gegen Verwandte in gerader Linie nicht nachrangig (BGH FamRZ 2002, 1698, 1701 = BGHR 2003, 11). Voraussetzung der fiktiven Zurechnung sei aber ein Obliegenheitsverstoß der Tochter im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundsicherungsleistungen. Dieser könne nicht festgestellt werde. Sie erhalte trotz Antragstellung und der gegen den ablehnenden Bescheid der Verwaltungsbehörde eingelegten Rechtsbehelfe keine Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Ei- 15 ne Zurückweisung der Unterhaltszahlungen des Vaters sei ihr nicht zumutbar, da der Unterhalt höher sei als die Grundsicherungsleistung. An der Bedürftigkeit der Tochter (§ 1602 Abs. 1 BGB) habe sich durch das GSiG nichts geändert. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. 1.10 Wesentliche Änderung der Verhältnisse bei Verringerung des Unterhaltsanspruchs (Urteil vom 21.4.2004 – 11 UF 2470/03 = (OLGR 2004, 318) In dem Urteil vom 21.4.2004 wiederholte der Senat auch die Rechtsprechung, dass, abgesehen von beengten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen, eine wesentliche Änderung der für die Verurteilung maßgebenden Umstände i.S.v. § 323 Abs. 1 ZPO erst vorliegt, wenn die Änderung zu einer Verringerung des Unterhaltsanspruches von etwa 10 % führt. 1.11 Bezifferung von Unterhaltsrückzahlungsansprüchen (Beschluss vom 14.1.2004 – 10 WF 4042/03 = OLGR 2004, 214) Mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus Unterhaltsüberzahlungen hat sich der 10. Senat in einem PKH-Beschluss vom 14.1.2004 auseinandergesetzt. Der Kläger hatte PKH für einen Abänderungsklage nach § 323 ZPO sowie für einen hilfsweise gestellten Feststellungsantrag beantragt. Auch wenn sich der Sachverhalt aus dem Beschluss des Senats nicht ganz erschließt, dürfte folgende Situation vorgelegen haben: Der Kläger wollte mit der Klage die Zahlung eines geringeren als titulierten Unterhalts erreichen und für den Fall, dass sein Abänderungsbegehren Erfolg hat, Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, den zuviel bezahlten Unterhalt zurückzuzahlen. Zunächst stellt der Senat fest, die Entscheidung über die PKH für den Hilfsantrag sei ausnahmsweise aus Gründen der Verfahrensförderung zulässig, obgleich die Bedingung zur Zeit der PKH-Entscheidung, nämlich ein Erfolg in der Hauptsacheklage noch nicht eingetreten sei. Denn der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei in jedem Fall unzulässig. Grundsätzlich könne aber über die PKH für einen Hilfsantrag nur entschieden werden, wenn die Hauptsache entschieden sei. Der Feststellungsantrag sei deshalb unzulässig, da nach der Rechtsprechung des BGH die Unterhaltsrückforderungsklage nur als Leistungsklage erhoben werden könne. Denn nur aus dieser Klage gehe die eindeutige Rückforderungsabsicht hervor. 16 In dem Hilfsantrag sei die Rückforderung ausgehend von dem Abänderungsantrag zu beziffern. Dies gelte auch bei Schwierigkeiten der Bezifferung infolge monatlich unterschiedlicher Leistungs- und Pfändungsbeträge. Notfalls seien die Klageanträge monatlich zu erweitern (vgl. auch OLG Köln NJW-RR 2003, 1228 = FamRZ 2004, 39). 1.12 Abänderung einer Jugendamtsurkunde (Beschluss vom 14.10.2003 – 10 WF 3007/03 = OLGR 2004, 53 = FamRZ 2004, 1053) Der Kläger hatte sich in einer Urkunde des Jugendamtes verpflichtet, seinem Kind 128 % des jeweiligen Regelbetrages zu zahlen. Mit der Abänderungsklage begehrte er, einen geringeren Unterhalt bezahlen zu müssen. Das Amtsgericht hatte dem Kläger die für die Klage nachgesuchte PKH verweigert, da sich die Grundlagen seit der Erstellung der Jugendamtsurkunde nicht wesentlich verändert hätten. Im Beschluss vom 14.10.2003 bewilligte das OLG PKH für die Abänderungsklage. Die Abänderung des mit der Jugendamtsurkunde titulierten Unterhalts sei bei dem Abänderungsbegehren nach § 323 Abs. 4, Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 2 a ZPO schon dann eröffnet, wenn der titulierte Unterhalt materiell-rechtlich nicht mehr geschuldet sei. Auf die Veränderung der früheren Verhältnisse komme es jedenfalls dann nicht an, wenn diese Verhältnisse nicht in der Urkunde festgehalten seien. 1.13 Vordruckzwang im vereinfachten Unterhaltsverfahren (Beschluss des 11.Senats vom 20.10.2003 – 11 WF 2581/03 = OLGR 2004, 32 = FamRZ 2004, 475) Auf den Zwang zur Benutzung von Vordrucken im vereinfachten Unterhaltsverfahren weist der Beschluss des 11.Senats vom 20.10.2003 hin. Mit Beschluss nach § 649 ZPO wurde eine Mutter verpflichtet, ihrem minderjährigen Kind Unterhalt zu zahlen, obgleich ihr Anwalt in einem Schriftsatz ihre mangelnde Leistungsfähigkeit eingewendet hatte. Das Familiengericht Weißenburg hat diesen Einwand nicht berücksichtigt, da sie nicht zugleich unter Verwendung des eingeführten Vordrucks Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im übrigen erteilt und über ihre Einkünfte Belege vorgelegt hatte (§ 648 Abs. 2 S. 3 ZPO). 17 Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig und zwingend, führte das Beschwerdegericht aus. Die Regelung sei auch sinnvoll und nicht nur formalistisch, wie die Antragsgegnerin meine. Sinn und Zweck des vereinfachten Unterhaltsverfahrens sei, minderjährigen Kindern möglichst zügig einen Unterhaltstitel zu verschaffen. Deshalb prüfe der Rechtspfleger, ähnlich wie im Mahnverfahren, die materielle Rechtslage nicht, sondern nur, ob die gesetzlich eingehaltenen Formalien eingehalten seien. Formal wirksam erhobene Einwendungen bewirkten bei entsprechender Antragstellung die Überleitung ins streitige Verfahren vor dem Richter nach § 651 ZPO. Die umfassenden Ausführungen im Formblatt dienten damit letztlich der Beschleunigung des gerichtlichen Unterhaltsverfahrens vor dem Richter. 2. Bewertung von Zusatzversorgungen und Betriebsrenten im Versorgungsausgleich 2.1 Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes Umstritten war lange Zeit, wie nach der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Umstellung der Zusatzversorgungssysteme des öffentlichen Dienstes die Altersversorgung bei dem Bayerischen Versorgungsverband, Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden (ZVK) zu bewerten ist. Der 11. Senat des OLG Nürnberg und der 4 Senat des OLG Münchens hatten diese im Anwartschafts- und im Leistungsteil als statisch eingestuft so wie bisher die Versicherungsrente (OLG Nürnberg OLGR 2004, 109; OLG München OLGR 2004, 86). Anders der 16. Senat des OLG München, der die Zusatzversorgung im Leistungsteil als volldynamisch ansah (OLGR 2004, 144). Die Streitfrage hat der BGH jetzt dahin entschieden, dass die Anrechte bei der Bayerischen Versorgungskammer – Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden – nach der ab 1.1. 2002 geltenden Änderung im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium jedoch als volldynamisch zu beurteilen sind (BGH FamRZ 2004, 1706). Zur Begründung verwies der BGH auf seine Entscheidung zur Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) vom 7.7.2004 (FamRZ 2004, 1474). In der Anwartschaftsphase sei die VBL-Rente nicht mit den Maßstabsversorgungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung vergleichbar. Nach dem Punktemodell bestimmten sich die Anrechte bei der VBL im Anwart- 18 schaftsstadium grundsätzlich nach individuellen Gesichtspunkten. Maßgeblich seien die Versorgungspunkte. Diese werden ab 1.1.2002 jährlich aus dem Verhältnis eines Zwöftels des zusatzversorgungspflichtigen Jahresentgelt zum Referenzentgelt von 1.000 , multipliziert mit einem Altersfaktor, festgestellt (§ 36 Abs. 1 S.1 a, S.2, Abs. 2 Satzung der VBL). Die monatliche Zusatzversorgung ergebe sich dann dadurch, dass die Summe der erworbenen Versorgungspunkte mit einem Messbetrag von 4 multipliziert werde (§ 35 Abs. 1 Satzung der VBL). Danach verändere sich der Wert der für die jeweiligen Jahre erworbenen, mittels des statischen Referenzentgeltes und des statischen Messbetrages ermittelten Versorgungspunkte nicht mehr. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung ergebe sich aus keiner dieser Komponenten ein Bezug zur allgemeinen Einkommensentwicklung oder einer sonstigen überindividuellen Grundlage. Zwar könnten für soziale Komponenten z.B. Kindererziehung Bonuspunkte erworben werden (§§ 36 Abs. 1 S. 1 b, c, 37, 68 Satzung der VBL). Diese auf eine Dynamik im Anwartschaftsstadium hinweisende überindividuelle Steigerung müsse aber unberücksichtigt bleiben, da sie aus Überschüssen finanziert werden, die jedenfalls bisher nicht vorlägen und nach Sachlage auch nicht zu erwarten seien. Im Leistungsstadium betrage die Anpassungsrate 1% zum 1.7. eines Jahres (§ 39 Satzung VBL). Dies sei mit der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar und daher als volldynamisch zu beurteilen. Der BGH errechnet in dem 10 jährigen Vergleichszeitraum von 1995 bis 2004 eine durchschnittliche Steigerung der gesetzlichen Rentenversicherung von 1,059 % und der Beamtenversorgung von 1,424 %. Entsprechend seiner Rechtsprechung, wonach es für den volldynamischen Charakter einer Versorgung ausreicht, wenn der durchschnittliche jährliche Zuwachs nicht mehr als 1 % hinter der Dynamik der gesetzlichen Renten oder der beamtenrechtlichen Anrechte zurückbleibe, sei die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst daher im Leistungsteil dynamisch. 2.2 Siemensversorgung teildynamisch (Beschlüsse vom 6.10.03 – 7 UF 1850/03; vom 18.6.04 - 10 UF 860/04 und vom 20.9.04 – 11 UF 34/04 = OLGR 2004, 87 = FamRZ 2004, 883; OLGR 2004, 371) Der BGH bestätigt in der oben genannten Entscheidung zur VBL-Rente seine Rechtsprechung, wonach es für die Annahme einer Volldynamik der Versorgung ausreiche, wenn die durchschnittliche jährliche Anpassung die Maßstabsversor- 19 gungen (gesetzliche Rentenversicherung oder Beamtenversorgung § 1587 a Abs. 3 BGB) um nicht mehr als 1 % unterschreite. Hieraus kann gefolgert werden, dass eine jährliche durchschnittliche Betriebsrentensteigerung von etwa einen halben Prozent ausreicht, um die Versorgung jedenfalls im Leistungsteil als dynamisch zu betrachten. Vor diesem Hintergrund sind Betriebsrenten, die eine Anpassung gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG vorsehen (jährliche Anpassung der Betriebsrente um wenigstens 1 %), generell im Leistungsteil volldynamisch. Gleiches gilt für viele Betriebsrenten, die einen Inflationsausgleich gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG gewähren (Anpassung nicht geringer als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland). In der Regel führt dies nämlich zu Anpassungen von mehr als 1 %. So ist z.B. die Betriebsrente der Firma Siemens im Durchschnitt der vergangenen Jahre immer um mehr als 1 % gestiegen. Im Anwartschaftsteil sind diese Betriebsrenten jedoch in der Regel statisch, da die Dynamik der Höhe nach verfallbar ist (§ 2 Abs. 5 BetrAVG). Bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Betrieb wird das zuletzt bezogene Einkommen als Bemessungsgrundlage festgeschrieben. Eine Dynamisierung findet nicht mehr statt. Für den Versorgungsausgleich vor Renteneintritt kann daher nur der gesicherte Anteil der Rentenanwartschaft herangezogen werden. Die Betriebsrenten, die eine Anpassung nach § 16 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG vorsehen, sind daher überwiegend im Leistungsteil als dynamisch einzustufen und der bei der Umrechnung sich ergebende Barwert mit einem Faktor zu erhöhen z.B. bei der Anwartschaft auf eine Alters- und Erwerbsunfähigkeitszusatzrente um 65 % (§ 2 Abs. 2 S. 4 BarwertVO). Nach diesen Grundsätzen werten die Familiensenate des OLG Nürnberg (Beschlüsse vom 6.10.03 – 7 UF 1850/03; vom 18.6.04 - 10 UF 860/04 und vom 20.9.04 – 11 UF 34/04) die Betriebsrente der Firma Siemens im Rententeil als volldynamisch. Wegen Verfallbarkeit der Dynamik bei Ausscheiden vor Rentenbeginn ist sie jedoch im Anwartschaftsstadium statisch. Soweit daher noch keine Versorgung bezogen wird, ist die Betriebsrente nach § 2 Abs. 2 S. 4 der Barwertverordnung mit einem Zuschlag von 65 % zu den Werten der Tabelle 1 umzurechnen. 20 2.3 Leistungsdynamik bei durchschnittlichen jährlichen Erhöhungen der Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung von 1,38 %, 1,51 % und 1,62 % in den letzten 9 Jahren (Beschluss vom 29.3.2004 – 7 UF 3065/03 = OLGR 2004, 338) Der 7.Senat hat bereits vor der Entscheidung des BGH zur VBL-Rente im Beschluss vom 29.3.2004 ausgeführt, dass Betriebsrenten, die nur einen Inflationsausgleich nach § 16 BetrAVG vorsehen, dynamisch sein können. Denn zwischenzeitlich haben sich die Erhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt. Dementsprechend könne an diesem Merkmal für die Vergleichbarkeit nicht mehr festgehalten werden. Die betrieblichen Altersversorgungen bei der Firma DER Deutsches Reisebüro GmbH & Co. OHG und der Gothaer Versicherungsbank VVaG (= vormals BerlinKölnische Lebensversicherung aG), die eine durchschnittliche Steigerung von jährlich 1,62 % und 1,38 % in den letzten 9 Jahren aufwiesen, seien daher im Leistungsteil dynamisch. Die Anwartschaft bei der MER-Pensionskasse VVaG (TUIKonzern), die eine Leistungssteigerung von 1,51 % in dem genannten Zeitraum aufweist, sei sogar volldynamisch, da nach der Versorgungsordnung auch Erhöhungen nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters der Anwartschaft zugute kommen. 2.4 Bayerische Architektenversorgung (Beschluss vom 10.7.03 – 9 UF 45/03 = OLGR 2003, 357 = FamRZ 2003, 1757) Im Hinblick auf die oben aufgezeigte Entscheidung des BGH zur Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst dürfte auch die Bayerische Architektenversorgung im Leistungsteil volldynamisch sein. Der 9.Senat hat diese anders als das OLG Oldenburg (Beschluss vom 6.9.00 (11 UF 5/00) zwar noch als in beiden Teilen als nichtdynamisch angesehen und daher mit den Werten der Tabelle 1 der Barwertverordnung umgerechnet. Die Versorgung wird jedoch nach den Feststellungen des Senats jährlich mit 1,7 % angepasst. Damit liegt der Anpassungssatz über den vom BGH als volldynamisch eingestuften Anpassungssatz von 1 %. Der BGH hat die vom OLG Oldenburg vorgenommene Bewertung der Anrechte als in der Anwartschaftsphase statisch und in der Leistungsphase dynamisch nicht beanstandet (BGH NJW-RR, 2002, 289). 21 2.5 Unbilliger Versorgungsausgleich bei beiderseitigem Bezug einer Zusatzversorgung der Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B (Beschluss vom 24.2.04 – 10 UF 3794/03 = OLGR 2004, 271) Mit einem Problem der Ausgleichsgerechtigkeit hatte sich der 10. Senat im Beschluss vom 24.2.04 zu befassen. Beide Parteien bezogen jeweils von der Bahnversicherungsanstalt Renten und eine Zusatzversorgung. Die Zusatzversorgung des Ehemannes wurde auf das sog. Punktemodell umgestellt, die der Ehefrau aber nicht. Der Senat hatte jetzt das Problem, dass die Zusatzversorgung des Ehemannes nach seiner damaligen Rechtsprechung nicht mehr dynamisch war, weil die jährliche Steigerung von 1 % geringer erschien als die der Maßstabsversorgungen (gesetzliche Rentenversicherung oder Beamtenpension). Die Zusatzversorgung der Ehefrau, die wegen der Stichtagsregelung zum 31.7.1979 nicht in das Punktemodell überführt wurde, war dagegen als Zusatzversorgungsrente im öffentlichen Dienst dynamisch. Eine Umwertung der Zusatzrente des Ehemannes hätte dazu geführt, dass er anstelle eines Ausgleichsbetrages von 64,79 183,21 erhalten hätte. Dies erschien dem Senat unbillig, weil der Ausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten geführt hätte. Der Senat unterließ deshalb die Umwertung der Zusatzversorgung des Ehemannes nach § 1587 c Nr. 1 BGB. Diese Entscheidung entspricht im Ergebnis dem Beschluss des BGH vom 6.10.2004 – XII ZB 133/04 zur Zusatzversorgung der Bahnversicherungsanstalt, wonach die Zusatzversorgung der Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B, im Leistungsteil volldynamisch ist, so dass eine Umrechnung nach der Barwertverordnung in dem vom Senat zu entscheidenden Fall nicht erfolgen durfte. 2.6 Berücksichtigung der teilweise öffentlich rechtlich ausgeglichenen Betriebsrentenanwartschaften im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (Beschluss vom 13.9.2004 – 11 UF 4240/03) Betriebsrenten sind häufig, soweit sie im Zeitpunkt der Versorgungsausgleichsentscheidung bereits unverfallbar waren, teilweise öffentlich-rechtlich bis zur Höhe von 2 % der Bezugsgröße nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG im Wege des erweiterten Splittings (Supersplitting) ausgeglichen worden. Dabei wurde in der Regel der Nominalbetrag mit Hilfe der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen in einen dynamischen Betrag zum Ende der Ehezeit umgerechnet. Wenn dann der 22 Rest der Betriebsrente schuldrechtlich ausgeglichen werden soll, ist der bereits öffentlich-rechtlich ausgeglichene Teilbetrag bei der Festlegung der Höhe der schuldrechtlichen Ausgleichsrente zu berücksichtigen. Der BGH rechnet den dynamisch ausgeglichenen Teilwert wieder in einen statischen Wert zurück, dividiert diesen statischen Wert mit dem aktuellen Rentenwert bei Ende der Ehezeit und multipliziert das Ergebnis mit dem zum Zeitpunkt der schuldrechtlichen Ausgleichszahlung maßgeblichen aktuellen Rentenwert (BGH FamRZ 2000, 89). Dies führt nach Auffassung des 11. Senats dazu, dass die Dynamik zweimal berücksichtigt wird und der Abzugswert zu groß ausfällt. Deshalb sah der Senat im Beschluss vom 13.9.2004 – 11 UF 2240/03 von einer Rückdynamisierung des nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ausgeglichenen Teilbetrages ab. Er passte diesen Wert daher nur durch Division mit dem aktuellen Rentenwert bei Ende der Ehezeit und Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert zur Zeit der schuldrechtlichen Ausgleichszahlung an. Dies führt nach Auffassung des Senats zu einer exakten Halbteilung. Denn der mit dem aktuellen Rentenwert aktualisierte öffentlich-rechtlich ausgeglichene Teilbetrag entspricht genau dem Wert, den der Berechtigte tatsächlich erhält. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. 3 Prozesskostenhilfe 3.1 Voraussetzungen der PKH-Bewilligung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren für den Beklagten (Beschluss vom 7.10.2003 – 11 UF 2342/03 = OLGR 2004, 96 = FamRZ 2004, 547) Der 11. Senat hat mit Beschluss vom 7.10.2003 einem Vater, dessen Vaterschaft vom Amtsgericht Fürth im Verfahren nach § 1600 d BGB festgestellt worden ist, PKH für seine Berufung gegen dieses Urteil versagt, da er keine ernsthaften Zweifel an seiner Vaterschaft dargetan habe. 23 Der Vater, der einräumte mit der Mutter in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, bestritt seine Vaterschaft, weil beim Geschlechtsverkehr regelmäßig verhütet worden sei und die Mutter während der Empfängniszeit sich auch 1 ½ Monate in den USA aufgehalten habe. Auch in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten Vaterschaftsfeststellungsverfahren müssten zumindest konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass die Rechtsverteidigung hinreichend erfolgversprechend sei, meinte der Senat. Dass dadurch das Ergebnis einer eventuellen Beweisaufnahme vorweggenommen werde, sei unschädlich, da der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger verstanden werde als das Beweiserhebungsgebot. 3.2 Zur Frage der materiellen Rechtskraft des PKH-Beschlusses (Beschluss vom 9.10.2003 – 3 W 2726/03 = OLGR 2004, 116 = FamRZ 2004, 1219) Das Landgericht Regensburg hatte einen PKH-Antrag des Antragstellers mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung eines erneut gestellten PKH-Gesuchs durch das Landgericht Regensburg wies der 3. Zivilsenat mit Beschluss vom 9.10.2003 zurück. Zur Begründung führte es aus, der zurückweisende erste Beschluss des Landgerichts Regensburg sei nicht nur formell, sondern auch materiell rechtskräftig geworden. Daher sei der zweite PKHAntrag wegen entgegenstehender Rechtskraft bereits unzulässig. Anders der 4.Senat des BGH im Beschluss vom 3.3.2004 – IV ZB 43/03: Ein PKH versagender Beschluss erlangt auch nach der Befristung des Rechtsmittels im PKH-Verfahren keine materielle Rechtskraft. Es fehlt nämlich an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung. Allerdings kann einem neuerlichen Antrag auf PKH das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (BGH FamRZ 2004, 940). 3.3 Prozesskostenhilfe für Gegner im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Beschluss vom 16.3.2004 – 4 U 247/04 = (OLGR 2004, 261) Die Klägerin hatte beim Landgericht voll obsiegt. Die vom Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung beabsichtigte der Senat mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dies war den Parteien mitgeteilt worden, Außerdem war die Klägerin darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich die vorsorglich zur Rechtsmittelerwiderung gesetzte Frist erübrigen werde, wenn – wie in Aussicht gestellt – sich die Berufung vorher erledigen würde. Der Senat wies die 24 Berufung dann auch durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Das nach Eingang der Berufungsbegründung, aber vor Erlass des Zurückweisungsbeschlusses eingegangene PKH-Gesuch der Klägerin lehnte der Senat ab, da die PKH nicht mehr notwendig sei. Nürnberg, 1. Dezember 2004 25