Blätter - Deutsche Burschenschaft

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Blätter - Deutsche Burschenschaft
Burschenschaftliche
Blätter
2/2015
130. Jahrgang
ISSN 0341-5352
www.burschenschaftliche-blaetter.de
Zum 200. Jubiläum ein Blick in die Vergangenheit und Zukunft
der Deutschen Burschenschaft.
Mit Beiträgen von Harald Lönnecker, Helma Brunck, Bruno Burchhart,
Jan Ackermeier, Patrick Körner, Daniel Stock, Wilhelm Haase, uvm.
Impressum / Inhaltsverzeichnis
Burschenschaftliche
Blätter
Burschenschaftliche Blätter
www.burschenschaftliche-blaetter.de
Zeitschrift für den deutschen Burschenschafter. Begründet im Januar 1887
von G. H. Schneider (Germania Jena), 130. Jahrgang, Heft 2, 2. Quartal 2015
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Mitteilungen der Schriftleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Harald Lönnecker: „Die Burschenschaft im ersten Halbjahrhundert
ihres Bestehens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
Helma Brunck: „Die Deutsche Burschenschaft vor 100 Jahren (1915)
und in der Weimarer Republik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
Bruno Burchhart: „Die Burschenschaftliche Bewegung im Südosten“ .
66
Rückschau: „Das Sonderheft zu 150 Jahre Burschenschaft“ . . . . . . . . .
70
Heinrich Schoell: „Hiebe der Eigentlichkeit oder ius sanguinis“ . . . . . .
72
„3 Fragen an . . . Burkhard Mötz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
„3 Fragen an . . . Dr. Walter Egeler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Aus dem Burschenschaftlichen Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Gesamtherstellung und Vertrieb:
Gieseking Print- und Verlagsservices GmbH
Deckertstraße 30, 33617 Bielefeld
Telefon +49 / (0)521 / 961496-55
Telefax +49 / (0)521 / 98890439
Daniel Stock: „Zwischen Prinzipientreue und Zukunft“ . . . . . . . . . . . . .
76
Patrick Körner: „Studieren hat Tradition und Zukunft –
Bologna nicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
Erscheinungsweise:
Viermal im Jahr
Auflage: 7.000
Bruno Burchhart: „Volkstumsarbeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
Jan Ackermeier: „Otto von Bismark – Eine widersprüchliche Figur
der deutschen Geschichte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Burschenschaftliche Amtsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Herausgeber: Vorsitzende Burschenschaft
der Deutschen Burschenschaft
Marburger Burschenschaft Germania
Lutherstraße 3
D-35037 Marburg/Lahn
[email protected]
Verlag:
Im Selbstverlag der Deutschen Burschenschaft.
Schriftleiter, Anzeigen:
Dirk Taphorn, M.A.
(Normannia-Nibelungen Bielefeld)
Postanschrift:
Dirk Taphorn
Postfach 32 02 07, D-01014 Dresden
Telefon: +49 (0)351 16063872
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BBl-Anschriftenverwaltung:
C. F. Lindemann (Cruxia Leoben)
Postanschrift:
BBl-Anschriftenverwaltung
Postfach 101232, D-20008 Hamburg
[email protected]
Bezugspreis:
„Für Bezieher, die der Herausgeberin angehören, ist dieser im Verbandsbeitrag enthalten. Für Bezieher, die nicht
der Herausgeberin angehören, jährlich 21 Euro zuzüglich
MwSt. bei Lieferung frei Haus im Inland, 26 Euro zuzüglich MwSt. ins Ausland. Einzelhefte im Inland 6,50 Euro,
zuzüglich MwSt., inkl. Porto und Verpackung. Auslands
bezug 8,50 Euro zuzüglich MwSt. und Versandkosten. Bestellungen beim Schatzmeister. Adresse und Bestellformular am Ende des Heftes.“
Blattlinie:
Mit dem Namen des Verfassers versehene Beiträge
stellen nicht immer die Meinung des Herausgebers, des
Schriftleiters oder der Burschenschaft des Verfassers dar.
Die Verantwortung für die in diesen Artikeln zum Ausdruck gebrachte Meinung trägt ausschließlich der Verfasser. Sie bedeutet in keinem Falle eine amtliche Stellungnahme des Verbandes.
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Beiträge:
Wir erbitten die Zusendung aller Beiträge ausschließlich
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gebeten, sich vorher mit dem Schriftleiter in Verbindung
zu setzen. Rezensionen dürfen maximal 3.000 Zeichen
(inkl. Leerzeichen) umfassen. Ein Anspruch auf Abdruck
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besteht nicht. Für unverlangt eingesandte Manuskripte,
Bilder und Besprechungsexemplare wird keine Haftung
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es sich nicht um Zensur. Die Verfasser, auch von Leserbriefen, fügen ihrem Namen ihre Burschenschaft und das
Jahr des Eintritts hinzu. Die Schriftleitung behält sich ausdrücklich Streichungen und Kürzungen vor.
Redaktionsschluß:
Siehe unter Mitteilungen der Schriftleitung.
50
Die Schriftleitung informiert:
Adreßänderungen für den Bezug der „Burschenschaftlichen Blätter“
richten Sie bitte immer an:
[email protected] oder postalisch an:
BBl-Anschriftenverwaltung, Postfach 101232, 20008 Hamburg
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Heft 2 - 2015
Mitteilungen der Schriftleitung
Burschenschaftliche
Blätter
Mitteilungen der Schriftleitung
Sehr geehrte Herren Verbandsbrüder,
werte Burschenschafter,
Sehr geehrte Herren Verbandsbrüder,
werte Leser,
200 Jahre Burschenschaft – ein Jubiläum
auf das man mit Stolz blicken kann. Die burschenschaftliche Bewegung überstand in
den vergangenen zwei Jahrhunderten Verfolgung und Verbote. Sie hatte ihre Höhepunkte, aber auch ihre Tiefen, beim gesellschaftlichen Wirken. Und auch in schweren
Zeiten – oder vielleicht gerade dann – besannen sich immer wieder junge deutsche
Studenten auf die Werte „Ehre – Freiheit –
Vaterland“, füllten sie mit Leben und trugen die damit verbundenen Traditionen
weiter.
es dürfte kaum unbemerkt an Ihnen vorbeigegangen sein: Die Burschenschaft feiert
im Jahr 2015 ihr 200-jähriges Bestehen.
Folgerichtig widmet sich diese Ausgabe
der Burschenschaftlichen Blätter – welche
pünktlich zum heurigen Burschentag erscheint – hauptsächlich diesem Jubiläum.
Unserem Schriftleiter, Verbandsbruder Dirk
Taphorn, ist es erneut gelungen, eine Reihe
an ausgezeichneten Autoren für unsere
Verbandszeitschrift zu gewinnen und ich
konnte bei einer Lektüre der ersten Manuskripte feststellen, daß die Deutsche Burschenschaft mit dieser Ausgabe der geschichtsträchtigen
Burschenschaftlichen
Blätter diesem bedeutungsvollen Jubiläum
gerecht wird. Ein wahrlich gelungener
Rückblick auf unsere stolze und beeindruckende Geschichte!
Diese Ausgabe der Burschenschaftlichen
Blätter widmet sich aus gegebenem Anlaß
unserer eigenen Geschichte. Ende Mai werden wir in der Wartburgstadt Eisenach „200
Jahre Burschenschaft“ feiern, zurückblicken
und sicher auch in Erinnerungen schwelgen. Das Jubiläum und unsere Geschichte
sollte uns jedoch ebenso dazu motivieren,
tatkräftig die Zukunft anzugehen. Schließlich wollen und sollen unsere jungen Verbandsbrüder auch noch die Feierlichkeiten
zu 250 Jahre Burschenschaft erleben können.
Torben Braga, Sprecher der Deutschen Burschenschaft
Ein Jubiläum bietet aber auch stets die
Möglichkeit einer Bestandsaufnahme, sich
zur aktuellen Lage unseres Verbandes zu
positionieren und einen Blick in die Zukunft
zu wagen. Im Geschäftsjahr des Vorsitzes
meiner Marburger Burschenschaft Germania ist also mir die Ehre zuteil, meine Gedanken zu unserem Verband mit Ihnen teilen zu dürfen.
In dieser Ausgabe wird aber nicht nur Burschenschaftern und ihrem Wirken gedacht,
sondern auch Otto von Bismarck, einst Mitglied des Corps Hannovera Göttingen, der
ebenfalls vor 200 Jahren das Licht der Welt
erblickte.
Das Ende der Geschichte?
Wie schon eingangs erwähnt, soll in diesem
Beitrag weniger die Vergangenheit im Vordergrund stehen, als vielmehr Gegenwart
und die angestrebte Zukunft unserer Bewegung. Zur Gegenwart gehört allerdings
stets ein Kontext, welcher hier in aller Kürze
hergestellt werden soll.
Zum Abschluß möchte ich an dieser Stelle
noch einen Dank aussprechen: dieser gilt
unserem
Verbandsbruder
Harald
Lönnecker. Als Leiter des Archivs der Deutschen Burschenschaft ist er mehr als nur das
Gedächtnis unseres Verbandes. Sein Wirken als Historiker und Autor ist für die Burschenschaft – und auch für die Burschenschaftlichen Blätter – von unschätzbarem
Wert.
Dirk Taphorn
(Burschenschaft Normannia-Nibelungen
zu Bielefeld 2003/04)
Dirk Taphorn, Schriftleiter der Burschenschaftlichen
Blätter
Keine drei Jahre ist es her, da stand unsere
Deutsche Burschenschaft vor einem Zusammenbruch. Plötzlich sahen wir uns mit Anträgen auf Auflösung oder Vertagung unseres Verbandes konfrontiert, eine ganze
Fraktion – so muß man sie nennen – an Burschenschaften drohte mit dem Austritt aus
unseren Reihen. Wann genau sich die Zahnräder dieser katastrophalen Entwicklung zu
Titelbild
Nächste Schwerpunkte
Redaktionsschluß
Das Burschenschaftsdenkmal und der Anfangstext der Verfassung der Urburschenschaft.
Braga
Ausgabe 3/2015 berichtet über den Burschentag 2015.
Für die Ausgabe 3/2015: 15. Juli 2015
Für die Ausgabe 4/2015: voraussichtlich
15. November 2015
Heft 2 - 2015
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Mitteilungen der Schriftleitung
Burschenschaftliche
Blätter
drehen begannen, ist für die Sache allerdings genauso strittig, wie – zumindest an
dieser Stelle – unerheblich. Nur zwei Feststellungen sind hier und nach Ansicht des
Unterzeichners von Wichtigkeit: Erstens waren Kontroversen um Aufnahmekriterien
oder um längst verstorbene Theologen keineswegs der Keim des Unheils. Zweitens
sind uns viele Personen und ebenso viele
Burschenschaften verloren gegangen, welche wir heute durchaus vermissen.
Diese zweite Konstatierung ist besonders
deswegen von wesentlicher Bedeutung,
weil die Bewertung der aktuellen Lage der
Deutschen Burschenschaft im Rahmen dieses Aufsatzes recht positiv ausfällt. Die
Gründe dafür sehe ich aber ausschließlich
in der Kraft, dem Einsatz und der Überzeugung unserer Verbandsbrüder, die sich
mindestens seit 2013 unermüdlich für unsere Deutsche Burschenschaft einsetzen
und keineswegs im mittlerweile zum
Kampfbegriff umfunktionierten, angeblichen „Gesundschrumpfen“ des Verbandes.
Jedenfalls war es die undankbare Aufgabe
unserer Verbandsbrüder der Wiener akademischen Burschenschaft Teutonia, das Ruder des angeblich sinkenden Schiffes Deutsche Burschenschaft zum Geschäftsjahr
2013 zu übernehmen. Die angedrohten
Austritte häuften sich, unsere bekannten
Gegner feierten die Entwicklung – keine
Überraschung. Nur waren es aber, zu unser
aller Betrübnis, auch erstmalig unsere eigenen Brüder, die im Internet interne Unterlagen verbreiteten oder mit Hilfe großer Fantasie Zusammenhänge konstruierten, die
jedes Märchenbuch hätten füllen können.
Sie alle teilten stets die Freude am angeblichen Ableben der Deutschen Burschenschaft.
Allen Erwartungen unserer Widersacher
zum Trotz, hielt die Deutsche Burschenschaft aber durch. Nicht nur das: Noch
während der stürmischen Zeiten wurden erste Fundamente für die jetzige Arbeit gelegt. Völlig zu Recht wurden die Verbandsbrüder aus Wien also mit Dank, Anerkennung und donnerndem Applaus vom Burschentag 2014 entlastet.
Die Deutsche Burschenschaft
lebt!
Es wäre allerdings zynisch zu behaupten,
die Austritte der letzten Jahre wären unmerklich an uns vorbeigezogen und die Kritik der ausgetretenen Burschenschaften
völlig unbegründet gewesen. Besonders
die Finanzen unseres Verbandes litten unter dem Verlust mehrerer mitgliedsstarker
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Burschenschaften, aber auch unsere Strukturen und die innerverbandliche Bürokratie
mußten einer Überprüfung unterzogen
werden. Bei den ganzen Debatten um den
Austritt mehrerer Burschenschaften aus unserem Verband war es stets vonnöten, die
ausgeübte Kritik der nun ehemaligen Verbandsbrüder inhaltlich zu trennen. Es steht
außer Frage, daß wir zu unseren Idealen
Ehre – Freiheit – Vaterland stehen und dazu
gehört auch die überlieferte Auslegung
dieser Termini, die Ecksteine unseres Verbandes. Darüber wird nicht verhandelt!
Aber ein business as usual an anderen Stellen hätte uns womöglich tatsächlich zum
von unseren Gegnern vorhergesagten
Heimgang getrieben.
Was nützt uns und unserem Volk, dem wir
schlußendlich durch unsere Taten zu dienen versuchen, eine womöglich ersprießliche Debatte über die Alternativlosigkeit
der bundesrepublikanischen Europa- oder
Einwanderungspolitik, wenn wir binnen weniger Jahre als Verband insolvent wären?
Was nützen uns erneute Diskurse über die
Einführung der Pflichtmensur oder über die
Selbstabschaffung unserer Hochschulen
durch die Bologna-Reform – so wichtig
diese Fragen auch sein mögen – bei weiterhin wachsender Unzufriedenheit im Verband über die fehlende Transparenz des
Verbandsrates oder des Rechtsausschusses, über die fehlende moderne Öffentlichkeitsarbeit oder über das stets umstrittene
Beireitungswesen?
Dies waren die Fragen, die wir mit der
Übernahme des Vorsitzes zum Geschäftsjahr 2015 zu beantworten versuchten. Und
ich bin davon überzeugt, auch bevor ich die
Ergebnisse des Burschentages 2015 kenne,
daß wir sie beantworten konnten. Die
Deutsche Burschenschaft ist nicht nur in
ruhigere Fahrwasser geraten, sie strahlt
Leben aus!
Es ist bei weitem nicht die ausschließliche
Leistung der Amtsträger des Verbandes,
schon gar nicht der derzeitigen Vorsitzenden Burschenschaft, daß die Verbandsbrüder sich bereit erklärten, inhaltliche, politische Debatten zunächst und zugunsten
gravierender Strukturfragen zu vertagen.
Zum heurigen Burschentag befassen sich
über 80 Prozent der gestellten Anträge mit
möglichen Einsparungen für die Verbandskasse und solchen Strukturreformen, welche an sich verhältnismäßig diskret ausfallen, potentiell allerdings entscheidende
Optimierungen der Verbandsarbeit herbeiführen. Es könnte uns 2015 beispielsweise gelingen, einen Beschluß über die
Gründung der lang ersehnten Bildungsakademie der Deutschen Burschenschaft her-
beizuführen. Sollte sich eine Mehrheit für
die entsprechenden Anträge finden, und
sich die geplanten Einsparungen umsetzen
lassen, könnte die Deutsche Burschenschaft 2016 erstmalig seit längerer Zeit
schwarze Zahlen schreiben. Ebenso erwähnt sei an dieser Stelle die Gründung
des Freundeskreises der Deutschen Burschenschaft, eine ebenso lang ersehnte
Möglichkeit, uns treu gebliebenen Burschenschaftern die Perspektive einer weiteren Einbringung für die Deutsche Burschenschaft zu bieten. Und die Entwicklung
des neuen Auftritts unseres Verbandes im
Internet und in sozialen Netzwerken –
heute der wohl kürzeste Weg zwischen der
Burschenschaft und potentiellem Nachwuchs – schreitet mit großen Schritten
voran.
Auch die Zahlen sprechen für sich: Im Geschäftsjahr 2015 stehen einer Vertagung
vier Reaktivierungen entgegen. Zu den Jubiläumsveranstaltungen anläßlich des Burschentages haben sich nicht nur eine Vielzahl von Verbandsbrüdern, sondern auch
zahlreiche Mitglieder anderer Verbände
und Korporationen angekündigt. Die Deutsche Burschenschaft ist zwar weiterhin ein
Fels in der Brandung, sie steht aber keineswegs alleine da.
Die größte Leistung des Verbandes läßt
sich aber nicht am Haushaltsplan oder am
Organigramm nachvollziehen: Die Deutsche Burschenschaft entwickelt neue
Selbstachtung! Die Verbandsbrüder betrachten die Entwicklungen der letzten
Jahre zunehmend als eine Phase der Konsolidierung – im Gegensatz zum von unseren Antagonisten prognostizierten melancholischen Ableben. Auf der Mikroebene,
dort wo der einzelne Verbandsbruder gefragt ist, werden Burschentage und andere
Verbandsveranstaltungen wieder als fröhliches Wiedersehen alter Freunde und als
ertragreiche Arbeitstagung verstanden,
weniger als anstrengende Neuauflage alter
Konflikte. Gerade im Zeichen des 200-jährigen Jubiläums einer Bewegung, die sich im
Löwenanteil ihrer Geschichte als Opposition zu den herrschenden Verhältnissen
sah, scheint es zunehmend einfacher, verbandsintern das neue Selbstverständnis als
nonkonforme Avantgarde zu popularisieren
und zu vermitteln. Somit bleibt die Deutsche Burschenschaft weiterhin der einzige
relevante Gegenentwurf zum Dasein als
freie Burschenschaft.
Torben Braga
(Jenaische Burschenschaft Germania 2010,
Marburger Burschenschaft Germania 2013)
Sprecher der Deutschen Burschenschaft
im GJ 2015
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Die Burschenschaft im ersten Halbjahrhundert
ihres Bestehens
Von Harald Lönnecker
„Jubelt, jauchzet Heil der deutschen Burschenschaft! Jubelt, jauchzet unserm
deutschen Vaterland!“, hieß es 1915 anläßlich der jahrelang geplanten und dann
mehr oder weniger still begangenen 100Jahr-Feier der Burschenschaft. Und weiter: „Denkbar ist das eine nicht ohne das
andere, die Burschenschaft erst hat uns
das Vaterland geschaffen! Drum laßt uns
ihrer heute gedenken mit Herzen voller
Liebe, den Sinn aber gestählt für den
Kampf ums heilige deutsche Vaterland!“
Die Worte voller Pathetik und Überschwang
sind überbordend, aber nicht falsch. Wir
wollen sie herunterbrechen auf eine historische Betrachtung, gepaart mit einigen
grundsätzlichen Ausführungen und Anmerkungen, vielleicht auch dem einen oder anderen Denkanstoß.
Voraussetzungen
Zunächst die Voraussetzungen, die Studenten. In der Studentenschaft vereinen sich
Aspekte einer juristisch, kulturell und gesellschaftlich relativ geschlossenen Gruppe: das
Studententum ist eine zeitlich begrenzte
Phase im Leben junger Erwachsener, die ein
ausgeprägtes, studentische Traditionen weitergebendes Gruppenbewußtsein aufweisen und daher wenig soziale Kontakte zu anderen Schichten pflegen. Studenten sind familiärer Sorgen weitgehend ledig, auf Grund
des deutschen, wissenschaftlichen und nicht
erzieherischen Studiensystems in ihrem Tun
und Lassen ausgesprochen unabhängig und
wegen ihrer vorrangig geistigen Beschäftigung wenig auf vorhandene Denkmodelle fixiert. Besonderen Nachdruck verleihen studentischem Engagement die berufliche, soziale und finanzielle Ungewißheit, der instabile Sozialstatus: Studenten sind noch nicht
gesellschaftlich integriert und stehen daher
auch Kompromissen weitgehend ablehnend
gegenüber. In ihren politischen Ideen und
Idealen neigen Studenten deshalb zum Rigorismus. Daraus resultiert, Gegner zu bekehren, oder – wenn das nicht möglich ist –
sie niederzukämpfen oder zu vernichten. Zudem: Bis weit in die fünfziger Jahre des 20.
Jahrhunderts hinein begriffen die Gesellschaft wie die Studenten sich selbst als Elite,
die als Akademiker die führenden Positionen
des öffentlichen Lebens einnehmen würden,
woraus letztlich das für eine Avantgarderolle
unerläßliche Selbstbewußtsein entstand.
Damit einher ging eine anhaltende Überschätzung der eigenen Rolle, aber auch
eine Seismographenfunktion gesellschaftli-
Heft 2 - 2015
cher Veränderungen. Mehr noch, studentische Organisationen, die akademischen
Vereine und Verbindungen, hatten für die
politische Kultur des bürgerlichen Deutschland von jeher eine Leitfunktion, spiegeln
die Vielgestaltigkeit des gesellschaftlichen
Lebens und sind mit den Problemen der
einzelnen
politisch-gesellschaftlichen
Kräfte und Gruppen verzahnt. Schon der
„Rembrandtdeutsche“ Julius Langbehn,
selbst Mitglied der Burschenschaft Teutonia Kiel, gab dem Ausdruck in den Sätzen:
„Die edelste Gesinnung des deutschen
Studenten war von jeher ein Gradmesser
für das Wollen des deutschen Volkes; jene
sind noch unabhängig und durchweg gesund; sie wohnen gewissermaßen in einem
windgeschützten Winkel des modernen Lebens, wo sie noch nicht vor die schlimme
Wahl gestellt sind: entweder unterzugehen
oder einen jahrzehntelangen, erbitterten
Kampf um das materielle Dasein zu führen.
Von hier kann darum neues Wachstum ausgehen.“
Bonner Burschenschafter, um 1821
Seit Beginn der mitteleuropäischen Universitätsgründungen im 14. Jahrhundert
schlossen sich deutsche Studenten an der
Hochschule zusammen. Diese Zusammenschlüsse, die akademischen Verbindungen
oder Korporationen, sind keine rein kulturelle Besonderheit der deutschsprachigen
Hochschulen, sondern beruhen auf einer
besonderen Entwicklung. Sie war seit dem
späten Mittelalter durch den modus des
freien Wohnens, Studierens und Lebens
der Studenten und nicht zuletzt durch Territorialisierung geprägt, die ihren Ausdruck
in den Staat und Kirche mit akademisch gebildeten Juristen und Klerikern versorgenden „Landesuniversitäten“ fand. Dies galt
nach der Reformation jedoch nicht mehr für
die katholisch gebliebenen oder neugegründeten Universitäten, wo Studium und
Studenten einem mehr oder weniger strengen Reglement unterworfen wurden. Auf
den nicht-katholischen Hochschulen entwickelte sich im 18. Jahrhundert, gebrochen durch die studentische, selbstdisziplinierend und verantwortungsethisch wirkende Reformbewegung ab etwa 1750, der
Typus der Korporation, der für das 19. und
20. Jahrhundert bestimmend wurde. Sie
war Integrations-, Symbol-, Ritual-, Hierarchisierungs-, Werte- und Weltanschauungssowie Lebensbundgemeinschaft. Da die
neuhumanistische Universität Humboldts
die selbständige geistige und sittliche Entwicklung des Studenten propagierte und
das jugendliche Gemeinschaftsbedürfnis
ignorierte, bildete, aber nicht erzog, bot
sich diesem Typus ein weites Feld von Ansprüchen, die er sich zu eigen machte und
auszufüllen suchte. Verbindung war daher
auch ein Bildungsinstrument und Bildungselement, das nach eigenem Verständnis
eine Lücke als Korrektiv der akademischen
Freiheit ausfüllte und im Rahmen einer innerkorporativen Charakterbildung die wissenschaftlich-berufliche Ausbildung der
Universität abzurunden versuchte, zugleich
aber auch die Erziehung für die Zugehörigkeit zur Oberschicht der deutschen Gesellschaft bezweckte. In einem Satz: „Die Universitäten unterrichteten, die Verbindungen erzogen.“
Die studentischen Vereinigungen differenzierten sich immer mehr aus. Ende des 18.
und zu Beginn des 19. Jahrhunderts beherrschten Landsmannschaften und Orden
die Studentenschaft. Sie stellten einen älteren Korporationstyp dar, korporativ-regionalistisch mit unpolitischer, geselliger Orientierung oder standen unter aufklärerischfreimaurerischem Einfluß. Ihnen trat ab
1815 die Burschenschaft entgegen, ein
neuer, assoziativ-nationaler Organisationstypus mit außeruniversitärer Orientierung an Nation und bürgerlicher Freiheit.
„Burschenschaft“ bedeutete zuvor nicht
mehr als „Studentenschaft“, erst ab diesem
Zeitpunkt begann es einen bestimmten
Korporationstypus zu bezeichnen, der sich
selbst zunächst nicht als solcher verstand,
sondern als Gesamtverband der organisier-
53
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Links: Die Fahne der Jenaer Urburschenschaft (Kahla-Fahne) aus dem Jahr 1815 sowie die Fahne der Jenaer Urburschenschaft (Wartburg-Fahne), 1816. Rechts: Fahne,
Verfassung, Schwert und Mitgliederliste der Jenaischen Urburschenschaft.
ten Studierenden. Dieser Anspruch wurde
bis um 1840 aufrechterhalten.
Burschenschaft
Die ab 1815 von Studenten gegründeten
Burschenschaften waren die Avantgarde
der deutschen Nationalbewegung. Sie wurzelten in den Freiheitskriegen, stand unter
dem Einfluß von Friedrich Ludwig Jahn,
Ernst Moritz Arndt und Johann Gottlieb
Fichte, waren geprägt durch eine idealistische Volkstumslehre, christliche Erweckung
und patriotische Freiheitsliebe. Diese antinapoleonische Nationalbewegung deutscher Studenten war politische Jugendbewegung – die erste in Europa – und die erste gesamtnationale Organisation des
deutschen Bürgertums überhaupt, deren
schwarz-rot-goldene Farben zu den deutschen wurden, die 1817 mit dem Wartburgfest die erste gesamtdeutsche Feier ausrichtete. Auf dem Wartburgfest wurden die
„Beschlüsse des 18. Oktober“ formuliert,
die erste Formulierung der Grundrechte in
Deutschland, die teilweise wortwörtlich in
die Reichsverfassungen von 1848/49 und
1919 sowie in das Grundgesetz 1949 einflossen.
Die zur nationalen Militanz neigende Burschenschaft, zu einem Gutteil hervorgegangen aus dem Lützowschen Freikorps, setzte
ihr nationales Engagement in neue soziale
Lebensformen um, die das Studentenleben
Stammbuchblatt mit dem Zeichen der Jenaischen Burschenschaft: gekreuzte Schläger, Gründungsdatum (12.
Juni 1815), 9 Vorsteher, 21 Ausschußmitglieder, 113 Mitglieder und Wahlspruch „Ehre – Freiheit – Vaterland“, März 1818.
von Grund auf reformierten. Aber nicht nur
das: Die Studenten begriffen die Freiheitskriege gegen Napoleon als einen Zusammenhang von innerer Reform, innenpolitischem Freiheitsprogramm und Sieg über
die Fremdherrschaft. Nationale Einheit und
Freiheit wurden propagiert, Mannhaftigkeit
und Kampfbereitschaft für das deutsche
Vaterland.
Dem Wartburgfest, der Gründung der Allgemeinen
Deutschen
Burschenschaft 1818 als er-
Friedensfest der Jenaischen Burschenschaft, 19. Januar 1816.
54
ster deutscher überregionaler bürgerlicher Organisation überhaupt und der Ermordung August von Kotzebues (1761–
1819) durch den Burschenschafter Carl
Ludwig Sand (1795–1820) folgten 1819
die Karlsbader Beschlüsse und die Unterdrückung der Burschenschaft. Sie wurde
zu einer sich mehr und mehr radikalisierenden Bewegung an den deutschen
Hochschulen, die bald mehr, bald weniger offiziell bestand. War in der Urbur-
Wartburgfest 1817: Ansprache Ludwig Rödigers auf dem Wartenberg.
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Carl Ludwig Sand.
Kotzebues Ermordung durch Sand in Mannheim, 20. März 1819.
schenschaft neben der Sicherung des
Volkstums nach außen die „Erziehung zum
christlichen Studenten“ für den Innenbereich bestimmend gewesen und der Zusammenhang von Wartburg, Luther und
Reformation 1817 mehr als deutlich geworden, so ließ der Frankfurter Burschentag 1831 die Forderung nach „christlichdeutscher Ausbildung“ zu Gunsten einer
zunehmenden Politisierung endgültig fallen. Der Stuttgarter Burschentag faßte im
Auflösung der Urburschenschaft, 25. November
1819.
Dezember 1832 einen Beschluß zur Tolerierung und Förderung revolutionärer Gewalt zum Zweck der Überwindung der inneren Zersplitterung Deutschlands. Das
mündete in die Beteiligung am Hambacher Fest und am Preß- und Vaterlandsverein – der erste Versuch einer politischen
Partei in Deutschland – sowie in den
Frankfurter Wachensturm vom 3./4. April
1833, an dem vor allem Heidelberger, Erlanger, Würzburger und Münchner Burschenschafter beteiligt waren, und löste
eine neue Welle der Verfolgungen durch
die eigens eingerichtete Bundeszentralbehörde in Frankfurt am Main bis in die
vierziger Jahre hinein aus, die der älteren
burschenschaftlichen Bewegung das Rückgrat brach und den Wiederaufstieg alter
Korporationstypen – der Landsmannschaften, sich nunmehr meist „Corps“ nennend
– und den Aufstieg neuer ermöglichte, so
etwa der jüngeren Landsmannschaften,
Heft 2 - 2015
der Turner-, Sänger-, Fach- und konfessionellen Vereine und Verbindungen.
Wandlungen
Die Burschenschaft der späten 1820er und
der 1830er Jahre wandelte sich zusehends.
Einmal nahm der Verfolgungsdruck nach
dem Frankfurter Wachensturm nochmals
stark zu. Dazu veränderte sich das geistige
Klima in einer sich herausbildenden bürgerlichen Öffentlichkeit, neue intellektuelle
und literarische Strömungen wie die der
Junghegelianer – hier war Arnold Ruge
(1802–1880) führend, Burschenschafter in
Halle, Jena und Heidelberg –, des „Jungen
Deutschland“ – den Begriff prägte der
Kieler und Bonner Burschenschafter Ludolf
Christian Wienbarg (1802–1872) – und der
französischen utopischen Sozialisten kamen
auf, begleitet von einer fortschreitenden Industrialisierung und tiefgreifenden gesellschaftlich-sozialen Umbrüchen. Der anhaltende Akademikerüberschuß der dreißiger
und vierziger Jahre machte ein Studium
zum Risiko. Oft war auf Jahre keine Anstellung in Staat und Kirche in Aussicht, was
viele Studenten wiederum für die sozialen
Probleme der Zeit sensibilisierte. Ausdruck
fand dies im „Progreß“, einer in unterschiedlichen Ausprägungen auftretenden
burschenschaftlichen Reform- und Erneuerungsbewegung.
Hambacher Fest, 1832.
Stammbuch Georg Goepfert, Jena, 17. August 1830.
55
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Die Bezeichnung erscheint zuerst 1839 in
Göttingen und sollte ursprünglich den naiven Fortschrittsglauben der radikalreformerischen und revolutionären Studenten verspotten. Der Progreß entstand in verschiedenen Ausprägungen um 1840 in Berlin,
Heidelberg, Jena und Leipzig und wurde
vor allem von den burschenschaftlichen
Progreßverbindungen und nichtkorporierten Studenten getragen. Er übertrug die
politischen Forderungen nach Freiheit und
Gleichheit auf die akademischen Verhältnisse, wollte jegliche studentische Sonderart, den akademischen Elitarismus, Unterschiede zwischen Bürger und Student,
Mensurwesen und akademische Gerichtsbarkeit ebenso beseitigen wie auch alle
Verbindungen, die durch korporative „Allgemeinheiten“ ersetzt werden sollten. Insofern läßt sich der Progreß auch als Verbindung der Verbindungs-Gegner definieren, ein Paradox, über das sich die Beteiligten selbst vielfach nicht klar waren: „Das
Hauptproblem des Progresses war sein ambivalentes Verhältnis zur Verbindung.“
(Thomas Hippler) Letztlich sollte der Widerspruch zwischen Studenten- und Volksleben aufgehoben werden, ersteres sollte
vollständig in letzterem aufgehen. Darin
spiegelt der Progreß ein allgemeines Charakteristikum der „Bewegungspartei“ in
den 1840er Jahren, in der ein demokratischer Radikalismus Volkssouveränität und
Gleichheit gegenüber den klassischen liberalen Forderungen wie der Gewaltenteilung in den Vordergrund rückte. Der Progreß war (radikal)national, republikanisch,
egalitär, sozial und zuweilen christlich eingestellt, lehnte überkommene Wertvorstellungen, auch sittliche, ab, seine Mitglieder
waren in der Revolution von 1848/49 vielfach stark engagiert, er verschwand aber
schnell nach ihrem Scheitern.
Der Einfluß der Burschenschaft auf das nationale Bewußtsein der Deutschen, ihren
Einheits- und Freiheitswillen, ist überhaupt
nicht hoch genug zu veranschlagen, vielfach haben die Burschenschaften dieses
Bewußtsein erst geschaffen, machten es
„Vom Elitebewußtein zur Massenbewegung“ (Wolfgang Hardtwig): viele der
führenden Liberalen des Vormärz’ und weit
darüber hinaus waren Burschenschafter
und in der Revolution von 1848/49 spielte
die Burschenschaft noch einmal eine wichtige Rolle. Für den Habitus des deutschen
Akademikers war und blieb die Zugehörigkeit weit bis ins 20. Jahrhundert hinein konstitutiv: im Kaiserreich gehörte jeder zweite,
Göttinger Mensur, 1823.
1930 noch jeder dritte Student einer akademischen Verbindung oder einem Verein an.
Und selbst wer die Burschenschaft ablehnte, verdankte ihr doch viel. In der
frühen Burschenschaft waren die evangelischen Theologen die Meinungsführer gewesen, die Burschenschaft war „christlichdeutsch“, insofern auch sozial verpflichtet –
ein Aspekt, der aus heutigen Betrachtungen weitgehend verschwunden ist. Noch
1830 erklärte die Breslauer Burschenschaft
„alles gewalttätige Eingreifen in das Beste-
Ludwig Burger: Frankfurter Wachensturm 3. April 1833, um 1880.
56
hen der äußeren [...] gesellschaftlichen Verhältnisse“ für „gottlos“ und stellte politische und soziale Veränderungen „lediglich
der Zeit anheim“. Rund zehn Jahre später,
1841, war von Gott und Christentum nicht
mehr die Rede: „Die Extreme der Verbindung gingen bis zum Sozialismus und Kommunismus. Es hatten einzelne Verbindungen mit kommunistischen Gesellenvereinen angeknüpft und als 1848 der Sturm losbrach, stellten sich einzelne Glieder der
Verbindung mit an die Spitze der Bewegung.“
Dem Breslauer Vorbild folgten längst nicht
alle Burschenschaften, wenn die Tendenz
auch überall spürbar war. In der Marburger
Burschenschaft durfte 1845/46 keiner „wagen [...], den Glauben an Gott zu äußern,
ohne laut ausgelacht zu werden“. In Jena
war die Radikalisierung bei weitem geringer, weshalb bei der Breslauer Burschenschaft der Spottvers über die „Jenaischen
Brüder“ kursierte:
„Wir sind ja noch voll Mut und Kraft,
von Gottesgnaden Burschenschaft
und haben’s Privilegium
auf Sittlichkeit und Christentum.“
Christlich orientierte Hochschüler, zumal
die
zahlreichen
Theologiestudenten,
schreckten um 1840 der Rationalismus und
Radikalismus in den Burschenschaften vielfach ab. Folglich schlossen sie sich zu eigenen Vereinen und Verbindungen zusammen, im Ergebnis entstanden Wingolf und
Schwarzburgbund. Hier wurde eine Strömung sichtbar, die sich als „christliche Verbindung“ oder zuweilen auch „christliche
Burschenschaft“ bezeichnete, in erster Linie von evangelischen Theologiestudenten
– nach wie vor die Mehrzahl der Studenten,
evangelische Theologie war das „Aufsteigerfach“ des 19. Jahrhunderts – getragen
wurde und die unter Reform vor allem die
Rückbesinnung auf die christlichen Grundlagen verstand. Diese Bewegung begriff
sich als in der Kirche verankert und mit ihr
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
verbunden. Dort knüpfte eine Erweckungsbewegung an ein pietistisches Erbe an, für
die das Dringen auf persönliche Bekehrung
und Frömmigkeit sowie die aktive Betätigung des Glaubens, der Missionseifer, die
Wiederentdeckung der Kirche und der
Übergang zu verschiedenen Ausprägungen
des Konfessionalismus und der Orthodoxie
charakteristisch war. Auf der anderen Seite
wohnte diesen Einstellungen der Hang zum
Beharren inne, ein tiefes Mißtrauen gegen
neue Entwicklungen und eine unbedingt
anti-revolutionäre und damit staatstragende Haltung. Sie war nach 1870 mit dem
nun staatstragenden burschenschaftlichen
Nationalismus kompatibel, nicht aber mit
dem burschenschaftlichen Liberalismus.
Und schon gar nicht mit dem Bekenntnis
zur unbedingten Satisfaktion und sich mehr
und mehr steigernden Mensuranforderungen, die in dieser scharfen Ausprägung
nicht zum burschenschaftlichen Herkommen gehörten, sondern von den sich im
Kaiserreich als Sieger der Geschichte gerierenden Corps adaptiert worden waren. Und
je mehr Studenten studierten, um so mehr
mußten die Anforderungen steigen, gerade neue Verbindungen und Vereine wurden die schärfsten Fechter. Soziale Inferiorität ließ sich über die Mensur kompensieren.
Burschenschaftliche
Blätter
V. Bülow: Burschenschafter im Berliner Barrikadenkampf, 1848.
Generation erfolgte durch die Älteren,
beispielhaft sei hier der Hauptredner des
Wartburgfestes genannt, Heinrich Arminius Riemann (1793–1872), Lehrer des niederdeutschen Dichters und Burschenschafters Fritz Reuter (1811–1874), der
Riemann in „Hanne Nütes Abschied“ ein
literarisches Denkmal setzte. Des alten
Leipziger Burschenschaft, 1848.
Auswirkungen
Politisch, sozial, kulturgeschichtlich, theologisch, korporativ oder wie auch immer
sind die Auswirkungen burschenschaftlichen Engagements bemerkbar. Wer 1815
oder 1820 Burschenschafter war, engagierte sich ab 1821 im Zeichen des Philhellenismus für Griechenland sowie in Gesang- und Turnvereinen als den Säulen,
die der deutschen Nationalbewegung
eine Massenbasis gaben, ab 1830 auch in
Polenvereinen. Die Gewinnung der jungen
Heft 2 - 2015
Pfarrers „Ich würde doch nach Jena gehen“ ist nicht nur ein Bekenntnis und eine
Erinnerung an ein spezifisches Standesund Elitebewußtsein, sondern auch an
eine Zeit der individualisierten Freiheit,
verbunden mit der Inanspruchnahme, ja
Anmaßung von Sonderrechten, die unter
dem Begriff der „akademischen Freiheit“
subsumiert werden, hinter der ein Verständnis von Freiheit und Ungebundenheit steht, die das Überschreiten und den
Verstoß gegen bürgerliche Verhaltenscodices in einem eigenen Wahrnehmungs-,
Erlebnis- und Handlungsrahmen als „normal“ definiert.
Kurz: Der Student durfte – und darf – nach
eigenem Verständnis lärmen und trinken,
gleichgültig, was andere daran auszusetzen
hatten. Es handelte sich um zur akademischen Lebensform gehörende ritualisierte
Provokationen, um ein deviantes Verhalten,
das konstitutiv für die Gruppenzugehörigkeit
war. Dafür bestraft zu werden, zog weder
Bußfertigkeit noch Reue nach sich, sondern
erzeugte vielmehr soziale Reputation in den
eigenen Kreisen, galt nicht als ehrenrührig.
Bürgerliche Ordnungsvorstellungen wurden
ironisch umgekehrt: Die gemeinsam geteilte
Sinnverdrehung konstituiert, bezogen auf
die rituelle Gemeinschaft, einen neuen Sinn.
Andererseits, und das ist nicht ohne Paradoxie, bleibt die – auch karnevaleske – Verdrehung oder Umkehrung bürgerlicher Verhaltensnormen immer im sozialen Rahmen des
Bürgertums und bestätigt damit eben diese
bürgerliche Ordnung.
Student zu sein bedeutet die Möglichkeit
der Zugehörigkeit zur Gruppe künftiger Entscheidungsträger, der Wissen und Leistung
kumulierenden Akademiker, kurz: Elite zu
sein. Burschenschafter zu sein vermehrt dies
um das politische Element. Beiden innewohnend ist die korporative Struktur. Wolfram C. Kändler veröffentlichte 2009 seine
Dissertation „Anpassung und Abgrenzung.
Zur Sozialgeschichte der Lehrstuhlinhaber
der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und ihrer Vorgängerakademien
1851 bis 1945“. Es handelt sich um eine aufschlußreiche Gruppenbiographie. Der Autor kam aber überhaupt nicht auf den Gedanken, seine Protagonisten auf Korporationszugehörigkeit zu überprüfen, was weitere erhellende Netzwerke und Zusammenhänge offenbart hätte. Dem Nichtzugehörigen blieb etliches verschlossen, denn über
die Zugehörigkeiten wird erkennbar, warum
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
same Vergangenheit war stets präsent:
„Daß es nach der Feier für die Ankunft des
Erzherzogs Johann unter den Nationalversammlungsabgeordneten zu einem spontanen Trinkgelage nach den Ritualen der Burschenschaft kam, ist ganz bezeichnend. Ihr
Sozialisationsalter oder genauer die Erinnerung an dort entwickelte politische Werte
waren den Abgeordneten so präsent, daß
sie sich als zusammengehörig erlebten.“
Tief prägend war die gemeinsam erlebte
Zeit, als man für das Tragen der deutschen
Farben „fast mit Zuchthaus zu büßen fürchten, und Relegation und Festungsarrest
dafür als Gnaden ansehen musste“.
Pereat oder Katzenmusik, Wien 1848.
man sich später, als Akademiker nach dem
Studium, an bestimmte Personen hielt und
sich an sie als Ansprechpartner wandte.
Dies besonders dann, wenn bestimmte
Freundeskreise gesellschaftlich oder politisch wirkungsmächtig wurden. Teilweise
kannte man sich schon „aus der Schulzeit
am selben Gymnasium, teilweise im selben
Jahrgang“. Viele waren „miteinander vertraut [...] Sie festigten dies Verhältnis durch
Zugehörigkeit zur gleichen Burschenschaft
oder pflegten, wenn sie an verschiedenen
Orten studierten, untereinander brieflich zu
verkehren und sich gegenseitig zu besuchen. Sie erweiterten den Kreis ihrer
Freunde und Gleichgesinnten durch gemeinsame burschenschaftliche Aktivität und
durch den Wechsel der Universitäten und
die damit verbundene Mitwirkung im neuen
burschenschaftlichen Umfeld. So bildete
sich ein Netzwerk der Kommunikation und
Nahverhältnisse, in das viele [Studenten,
H. L.] einbezogen waren.“ (Kurt Selle)
Untersucht worden ist dies mit Hilfe von
Stammbuchblättern bisher nur im Falle der
„Seilschaften des Turnvaters“ Friedrich
Ludwig Jahn, die Analyse eines Jenaer Albums aus der Zeit um 1840 erscheint in diesen Tagen. Deutlich wird in allen Fällen das
Beziehungsgeflecht einer bürgerlichen
Elite, die durch gemeinsame edukative Sozialisation geprägt ist. Im Gegensatz zum
ausgehenden 18. Jahrhundert und den
zeitgleich sich etablierenden Corps und
jüngeren Landsmannschaften erfolgt die
gesellschaftliche Verflechtung bei den Burschenschaften aber nicht nur sozial, durch
gemeinsame Identität und Mentalität, sondern auch kulturell, zivilisatorisch und politisch, durch eine gemeinsame Zielvorgabe,
einen ideologischen Gleichklang. Zur weiteren Verdichtung tragen gemeinsame
Weltbilder, Interessen, Zukunftsentwürfe
und identische Kommunikationsmuster bei
sowie das Bewußtsein, das Momentum der
Geschichte auf seiner Seite zu haben. Das
wirkte sich in einer erstaunlichen Bereitschaft aus, das persönliche Fortkommen zu
58
Gunsten der politischen Betätigung zurückzustellen. Man empfand sich gegenseitig
als glaubwürdig und authentisch, woraus
wiederum Zusammenarbeit, Verständnis,
Affinität, Vertrautheit und Freundschaft entstand beziehungsweise entstehen konnte.
Übereinandergelegt und quer über Dritte
und Vierte verbunden, ergaben die vielen
verschiedenen Linien ein Netz, das seine
Belastbarkeit und Dauerhaftigkeit immer
wieder bewies. Mentale Nähe nivellierte
noch nach Jahren die geographische Distanz und wurde wirkungs- und politikmächtig, erhielt Relevanz.
Besonders deutlich wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49: Etliche Abgeordnete kannten sich bereits aus Studienzeiten und redeten sich als Bundesbrüder
vertraulich „Du“ an. Korporative Wendungen in den Debatten waren häufig und wurden verstanden, etwa wenn ein Abgeordneter einen anderen als „auf dem parlamentarischen Fechtboden der gewandteste Schläger“ bezeichnete. Die gemein-
Zurück blieben nach der Revolution Burschenschaften, die sich neu zu orientieren
suchten. Einer ihrer Stichwortgeber und
Wegweiser wurde der Göttinger und
Jenaer Burschenschafter August Ludwig
von Rochau (1810–1873). Er mahnte mit
einem von ihm geprägten Begriff „Realpolitik“ an und schrieb 1853 mit der Erfahrung von 1848/49, die Einheit Deutschlands könne „nicht die Idee, nicht Verträge herbeiführen“, sondern „nur eine
überlegene Kraft, welche die übrigen verschlingt“. „Bürgertum und Kaisertum“, so
schloß Rochau, „müssen vereint dieses
Werk vollenden, und nur Preußen kann
solches durchführen.“ Dabei dachte er
auch an eine militärische Lösung. Er zeichnete eine Entwicklung vor, die in den späten sechziger Jahren in den Anschluß an
Bismarck mündete, der, beherrscht vom
Gedanken der Sicherung der innen- wie
außenpolitischen Macht der preußischen
Monarchie, den Weg der Einigung
Deutschlands beschritt, dabei mit Hilfe
von Diplomatie und Militär die bürgerliche
nationale und liberale Bewegung überspielte und durch die kleindeutsche Lösung der nationalen Frage zugleich ihres
wichtigsten Zieles beraubte. Entsprechend hat die Burschenschaft des Kaiser-
Wartburgfest 1848.
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
und Zielen orientierten Turner. Sie kennzeichnete ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein und scharfe Abgrenzung von Andersdenkenden und denen, deren Hauptinteresse nicht unbedingt der Politik galt. Als
„Lichtenhainer“ – benannt nach ihrem
Stammlokal in Lichtenhain bei Jena –
schlossen sich die Anhänger landsmannschaftlicher Gebräuche zusammen, des
Fechtens und Trinkens. Sie galten als die
„Konservativen“, als Turn- und potentielle
Reformgegner. Von hier führt die politische
Genealogie weiter zu „Germanen“ und
„Arminen“ der Zeit um 1830: die „arministische Richtung“ lehnte jede aktive politische Betätigung und Einmischung ab. Die
Hochschüler sollten vielmehr erst sittlich
reifen, die Studienzeit sollte der Vorbereitung dienen, um später das politische Geschehen mit- und umgestalten zu können.
Anders die „germanistische Parteiung“, die
die aktive, möglicherweise auch gewaltsame Partizipation an politischen Prozessen
in den Vordergrund stellte. Studenten, die
diese Schule durchlaufen und zu Akademikern geworden waren, waren die Politiker
von 1832 in Hambach, von 1848 in der
deutschen Revolution und ab 1861 in der
Reichseinigungsära.
Besprechung auf dem Wartburgfest 1848.
reichs sich gewandelt, war eine andere als
die des Vormärz.
Wir sahen, vom persönlichen Engagement
in der Burschenschaft führte der Weg ins
sich als un- oder apolitisch verstehende,
aber politisch agierende Vereinswesen:
Sänger, Turner, Philhellenen, Polen. Von
dort war es nur ein kleiner Schritt zum direkten Eingreifen ins politische Leben, in
der Regel mittels einer Partei. Parteien
sind organisiertes Interesse, als erster Versuch einer Partei in Deutschland gilt der
Preß- und Vaterlandsverein um 1830. 1848
gab es noch keine Parteien, wohl aber
Wahlvereine. 1861 wurde in Preußen die
Fortschrittspartei als erste deutsche Programmpartei gegründet, von der sich
1867 die aufstrebende und erfolgreiche
Nationalliberale Partei abspaltete, eine
Partei des bürgerlichen Liberalismus, die
zur Unterstützung von Bismarcks durch
Tradition, Legitimität und Autorität gekennzeichneten Politik bereit war. Im
Grunde fand sich hier die Mehrheit der
burschenschaftlichen Realpolitiker zusammen, die sich mit dem Gegner von 1848
arrangierte und für die die deutsche Einigung und Einheit im Vordergrund stand
bei zumindest zeitweiliger Hintanstellung
freiheitlicher Vorstellungen und Postulate.
Nur der linke Flügel der Partei und die
Linksliberalen, der Freisinn, setzten etwas
andere Prioritäten, eine Spaltung, die sich
in der Weimarer Republik mit Deutschdemokraten und Deutscher Volkspartei fortsetzen sollte.
Die Wurzeln dieses Parteiwesens reichen
aber, was kaum jemand bewußt ist, weit in
Heft 2 - 2015
die burschenschaftliche Geschichte zurück.
In der Jenaischen Burschenschaft bildeten
sich um 1816 zwei gegensätzliche Lager
heraus, die „Altdeutschen“ und die „Lichtenhainer“. Erstere setzten sich für Reformen des studentischen Lebens und für zivilisierende Maßnahmen – die „Verbesserung der Sitten“ – ein, zu ihnen zählten vornehmlich die stark an politischen Themen
Wir stehen also in einer großartigen Tradition. Nur müssen wir sie auch in ihrer
ganzen Vielfalt annehmen, wozu allererst
ihre Kenntnis gehört. Schließen möchte ich
mit Ovid: „Laudamus veteres, sed nostris
utimur annis!“ (Ov. Fast. 1,225) – Wir
loben die alten Zeiten, leben aber in unseren! – Bedenken wir dies und lernen wir
daraus!
Unser Autor Verbandsbruder PD Dr. Dr. Harald Lönnecker, geboren 1963, Alter Herr Normannia-Leipzig zu Marburg, Normannia Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken (EM)
sowie S! Normannia-Danzig Braunschweig (EM), studierte Geschichte, Rechtswissenschaft, Evangelische Theologie, Geographie,
Volkskunde, Lateinische Philologie und Germanistik in Marburg,
Gießen, Heidelberg, Freiburg i. Br. und Frankfurt a. M. Er promovierte 1989 zum Dr. phil. mit einer Arbeit über das spätmittelalterliche Notariat, dann zum Dr. iur. mit einem vereinsrechtlichen
Thema. An das Referendariat schlossen sich Tätigkeiten beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Freiburg
i. Br. und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung an. Seit 1995 ist er im
Bundesarchiv tätig, erst in Frankfurt a. M., dann in Koblenz, wo er
das Archiv und die Bücherei der Deutschen Burschenschaft leitet.
Er ist Vorstands- und Beiratsmitglied der Stiftung Dokumentationsund Forschungszentrum des deutschen Chorwesens – Sängermuseum Feuchtwangen und der Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte e. V. (GDS), Mitherausgeber des „GDS-Archivs für
Hochschul- und Studentengeschichte“ und der „Darstellungen und
Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im 19.
und 20. Jahrhundert“, Kurator der Stiftung deutsche Studentengeschichte (SDS) sowie des Instituts für deutsche Studentengeschichte
(IDS) an der Universität Paderborn. Nach der Habilitation wurde er
2015 zum Privatdozenten am Institut für Europäische Geschichte
der Technischen Universität Chemnitz ernannt. Er trat mit zahlreichen Veröffentlichungen zur Geschichte von Universität und Studenten hervor.
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Die Deutsche Burschenschaft vor 100 Jahren
(1915) und in der Weimarer Republik
Von Helma Brunck
Die plötzliche Mobilmachung im August
1914 stellte die Angehörigen aller Korporationsverbände und auch die nicht
Korporierten auf eine harte Probe.
Während des Ersten Weltkrieges zeichneten sich die Studenten allgemein, ganz
abgesehen von den reformerischen Impulsen, die bereits der Allgemeine Deutsche Burschenbund (ADB)1 und auch die
Deutsche Burschenschaft (DB)2 in den
Jahren davor gesetzt hatten, durch eine
plötzlich erstarkende vaterländische Gesinnung aus. Eine Aufbruchsstimmung
entstand, die an die Zeit von vor 100 Jahren erinnerte, als die Studenten in die Befreiungskriege gezogen waren. Standesdünkel wich einem ausgeprägten standesübergreifenden Sozialverhalten, gefolgt von gegenseitiger Wertschätzung.
Dieser Krieg bedeutete für die Studierenden, wie es Frank Grobe (Teutonia Aachen)
einmal treffend formulierte, eine „integrativ
wirkende Zäsur“3. Der ständige Kampf
Schulter an Schulter verdrängte allmählich
die bisher zur Gewohnheit gewordenen
klassenfördernden Privilegien und zog eine
neue Dimension im Verhältnis zwischen
Studenten und Arbeitern nach sich. 19.643
von jungen und alten Burschenschaftern
waren ins Feld gezogen, 3.256 opferten,
gemäß dem damals allgemein verbreiteten
Wahlspruch: „Mit Gott für Kaiser und
Reich“ ihr Leben für das Vaterland. Dank
der bei der Deutschen Burschenschaft
sorgfältig geführten Mitglieder- und Gefallenenlisten läßt sich diese Zahl statistisch
gut belegen. Auf dem Ehrenfriedhof bei
Langemarck erinnert noch heute der flandrische Langemarck-Weihestein von 1932 an
die Gefallenen aus den Reihen der Deutschen Burschenschaft. Der sogenannte
„Langemarck-Mythos“ wirkte bis in die
1920er und 1930er Jahre nach und wurde
in nationalsozialistischer Zeit instrumentalisiert, indem immer wieder durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) auf den „volksgemeinschaftlichen Charakter“ der LangemarckKämpfer – darunter vorwiegend junge Studenten, die 1914 angeblich begeistert „zu
den Fahnen eilten“ – hingewiesen wurde.
Verbandsbrüder, die nicht eingezogen wurden, zeigten sich solidarisch, indem sie für
das Rote Kreuz eine größere Geldsumme
spendeten oder sich der Verwundeten annahmen. Viele Verbindungshäuser wurden
als Lazarette eingerichtet. Für die Kriegszeit
wurde ein „Geschäftsführender Ausschuss
der Deutschen Burschenschaft“ eingesetzt,
60
der sich am „Vaterländischen Studentendienst“ beteiligte. Die zum Wehrdienst
nicht fähigen Studenten konnten sich auf
diese Weise in der Pflege der Verwundeten, im Lazarettunterricht, in der Flüchtlingsfürsorge und in der Jugendpflege bewähren.
Der 100. Gründungstag der
Burschenschaft 1915
„Du hundertjähr’ge Burschenschaft, Eichbaum aus Weltsturmstagen…“4, dichtete
Walter Flex (Bubenruthia Erlangen).
Denn die mit großer Akribie vorbereitete
100-Jahrfeier der Burschenschaft konnte infolge des Krieges nicht in dem ursprünglich
vorgesehenen Rahmen stattfinden und
wurde still begangen. Der Rüdesheimer
Verband deutscher Burschenschaften
(RVdB) stellte seine Geschäftstätigkeit ein,
an verschiedenen Frontabschnitten wurden
durch die VABen oder einzelne Mitglieder
kleinere Veranstaltungen organisiert. Immerhin gelang es, am 12. Juni 1915 eine
gemeinsame Feier von DB und RVdB mit
knapp 600 Teilnehmern zu veranstalten, auf
der die Burschenschafter in einer Depesche
ihre „unverbrüchliche Treue zu Kaiser und
Reich“ bekundeten und „die Hoffnung auf
einen Sieg der deutschen Waffen“ unterstrichen. Mit Wilhelm II. herrschte inzwischen ein gutes Einvernehmen, und er
dankte den Burschenschaftern ausdrücklich
für ihren Einsatz. Daß diese Feier doch von
großer emotional begründeter Nachhaltig-
keit begleitet war, zeigen mehrere Gedichte in den damaligen Burschenschaftlichen Blättern, darunter „Schwarzrotgold
(1815– 1915)“ von Adolf Ey (Brunsviga Göttingen), „Vor hundert Jahren (Zum 12. Juni
1915)“ von August Sturm (Arminia a. d. B.
Jena) und „Hundert Jahre“ von Karl Grube.
In allen drei Gedichten kommen die traditionellen Wertbegriffe der Burschenschaft,
die Freiheit, die Ehre und das Vaterland sowie die burschenschaftlichen schwarz-rotgoldenen Farben vor. Nicht zu verkennen
sei dabei aber auch der militante Charakter
in allen drei Fällen. Die Erinnerung an die
Befreiungskriege lebte wieder auf und
natürlich der Wille zum Sieg! Das Gedicht
„Hundert Jahre“ von Karl Grube deutete
bereits auf die weitere Entwicklung des
burschenschaftlichen Geistes in den 1920er
Jahren vor allem in der zweiten Strophe hin:
„Hundert Jahre…doch ewig jung, Bronnen
aus frischer Begeisterung, Stahlblock der
völkischen Eigenart, wo uns das Beste der
Deutschheit bewahrt."5
Hier wird schon klar auf die Ausbreitung
des völkischen Denkens in der Burschenschaft hingewiesen, die in der zweiten
Hälfte der 1920er Jahre immer stärker
wurde. Auch heroisierende Weisen wurden
angestimmt. So betonte Walter Flex
(1887–1917) in seinem Gedicht „Der Burschenschaft ins Stammbuch“, gedichtet
„An der Kolnizanka, Juni 1915“ in der ersten Strophe:
„1. Du hundertjähr’ge Burschenschaft,
Eichbaum aus Weltsturmstagen, Du pran-
100-Jahr-Feier der Deutschen Burschenschaft im Lazarett Aure (Champagne), 1915.
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
gest königlich in Kraft, Nun stehst du sturmzerschlagen.“
In der fünften und letzten Strophe kommen
deutlich die militanten Züge zum Ausdruck,
die später auch die Deutsche Burschenschaft während der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus‘ übernahm:
5. „Das Wutjahr rast, das Blutjahr tobt, Einst
wird der Tag erscheinen, Da man den Gott
des Glutjahrs lobt in heil’gen Eichenhainen!“6
Gerade anläßlich dieser Jahrhundertfeier
deutete schon vieles darauf hin, daß es in
absehbarer Zeit auch zu einem Zusammenschluß der DB mit dem RVdB und der Burschenschaft der Ostmark (BdO) kommen
würde, der vier Jahre später, als der Krieg
zu Ende war, tatsächlich vollzogen wurde.
Angesichts der Tatsache, daß allein von
den bis dahin 2.291 eingerückten österreichischen Burschenschaftern bereits 94
gefallen waren, wurde am 12. Juni 1915 unter anderem der Beschluß gefaßt, zu Ehren
der gefallenen ostmärkischen Burschenschafter einen Gedächtnisturm an der Donau zu errichten. Ansonsten gab es keine
größeren Zusammenkünfte auf Verbandsebene mehr. Der letzte (= 15.) Burschentag
hatte vom 3. bis zum 8. Juni 1914 stattgefunden. Auf der Tagesordnung stand unter
anderem die Neubearbeitung von Verbandssatzungen. Erst nach Kriegsende fanden wieder regelmäßig Burschentage statt.
Neue Herausforderungen nach
dem Ersten Weltkrieg
Der Untergang des Kaiserreichs brachte
auch für die Studierenden durch das plötzlich hereinbrechende „Akademikerelend“
Heft 2 - 2015
Burschenschaftliche
Blätter
und das Gefühl einer politischen Entwurzelung, bedingt durch die Flucht Kaiser Wilhelms II. ins niederländische Exil, eine völlig
veränderte Situation mit sich. Gerade in der
Zeit zwischen 1918 und 1920 überschnitten
sich die Ereignisse in bislang nicht gekannten Ausmaßen. Die zahlreichen Initiativen
der organisierten und nicht organisierten
Studentenschaft bewiesen Empathie und
eine zunehmende soziale Trendwende innerhalb des bisher eher „sorgenfreien“ Studentenlebens. Ohne das vorangegangene
Kriegserlebnis wäre das wohl nicht in so kurzer Zeit möglich gewesen. Als auffallend motiviert zu zukunftsweisenden strukturellen
Veränderungen für das Verbindungsleben
tat sich die Deutsche Burschenschaft hervor.
In den Burschenschaftlichen Blättern, aber
auch in den Bundeszeitungen einzelner Burschenschaften wurde ab dem Wintersemester 1918/19 stets auf die sich drastisch verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen
Rahmenbedingungen für ein Studium und
die geringen Aussichten auf eine angemessen bezahlte Stelle hingewiesen.
Appelliert wurde jetzt an die Studierenden,
mehr eigene Verantwortung zu zeigen und
mehr Eigeninitiative zu übernehmen. Das
sollte auch im Interesse der Gemeinschaft
erfolgen, während Individualismus und
Akademikerdünkel in den Hintergrund treten sollten. Aufgrund gleicher Bildungsund Aufstiegsmöglichkeiten sollten bisherige Klassenunterschiede verschwinden.
Konkret wäre der bereits im April 1915
durch den Burschenschafter und Schriftleiter der BBl von 1898 bis 1921, Hugo Böttger (Arminia a. d. B. Jena), zur Kriegsbeschädigtenfürsorge gegründete Akademische Hilfsbund (AHB) zu nennen, der nach
Kriegsende bis 1925 zur Berufsberatung
und Stellenvermittlung diente. Unter Böttgers Vorsitz und im wesentlichen danach
unter burschenschaftlicher Lenkung entstand auch der Reichsausschuß der Akademischen Berufsstände (RAB) zwischen 1918
und 1920, der, ähnlich wie eine Gewerkschaftsorganisation, für wirtschaftliche und
soziale Unterstützung der „studierenden
Arbeiter“ und für eine den damaligen Umständen entsprechenden Stellenvermittlung sorgen sollte. Die Technische Nothilfe
bewährte sich bald als wirtschaftlicher Verband angesichts der anhaltenden Streiks
zur Versorgung der Bevölkerung auf breiter
Grundlage. Während die Deutsche Burschenschaft mit ihren Initiativen eher damals zur rechten Gegenseite tendierte, entstanden aus vorwiegend linksgerichteten
Kreisen und sozialistischen Gruppen so genannte Studentenräte in Berlin, München,
Leipzig und Breslau, aus der „Finkenschaft“
(=Freistudenten) und aus der Jugendbewegung bildeten sich 1918 eine Sozialistische
Studentenpartei in Berlin sowie eine
Gruppe sozialistischer Akademiker in München. Die seit einem halben Jahrhundert
existierenden Allgemeinen Studentenausschüsse (AStA) passten sich durch Einführung von Zwangsmitgliedschaft mit
Zwangsbeiträgen sowie mit allgemeinem
und direktem Wahlrecht der neuen Situation an. Hieraus bildete sich im Juli 1919 in
Würzburg als Dachorganisation die Deutsche Studentenschaft (DSt).
Die Deutsche Burschenschaft wollte sich als
„führend“ unter den Korporationsverbänden hervortun. Der Begriff „Führer“
tauchte ab sofort in der burschenschaftlichen Presse auf7. Gemeint war hiermit
natürlich die Heranbildung junger Aktiver
zu Persönlichkeiten, die imstande waren,
61
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
führende Positionen zu bekleiden. Mehr
politische Verantwortung, schon durch die
Herabsetzung des Wahlalters auf 20 Jahre,
wurde angemahnt. Als weiteres wichtiges
Kriterium stand damals die „Volksgemeinschaft“ auf dem Plan, in der aufgrund gleicher Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten
die bisherigen Klassenunterschiede verschwinden sollten. Die Begriffe „Volkswohl“ und „Volksgemeinschaft“ wurden
nach Kriegsende8 zunehmend richtungweisend. Sie deuteten aber schon auf das völkische Bewußtsein hin, das sich in den Folgejahren zunehmend ausweitete. Es ging
nicht mehr allein um die Interessen der Studierenden, denn die Ziele der Deutschen
Burschenschaft gingen weiter:
– Mehr politische Bildung und mehr Engagement für die junge Republik
– Verbot von Parteinahme! Die Deutsche
Burschenschaft (DB) verpflichtete sich zur
Neutralität und wollte keiner der damaligen
Parteien besonders nahestehen, distanzierte sich aber spürbar von Bolschewismus
und Kommunismus
– „Vaterländische Gesinnung“, denn das
Vaterland sollte über der Partei stehen
– Großdeutscher Gedanke
– Erziehung der Mitglieder der DB zu Persönlichkeiten, zu zielbewußten „Führern“,
auch in der Zukunft
– Die soziale Idee, eine „Volksgemeinschaft“ ohne Privilegien
– Seit Juli 1919: eine allmähliche Abkehr
von der Weimarer Republik, nicht zuletzt
wegen des Versailler Diktats und der damit
verbundenen tiefen Demütigung Deutschlands.
Die neue Regierungsform weckte zunächst
große Hoffnungen, entsprach sie doch
ganz den liberalen urburschenschaftlichen
Vorstellungen von einem in Einheit und
Freiheit reifenden nationalen und nicht von
selbstherrlichen
Fürsten
gelenkten
Deutschland.
Der
„Politisierungsausschuss“ der Deutschen Burschenschaft forderte Ende 1918 unter anderem die „unverzügliche Einberufung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung von Abgeordneten aus allen Ländern, die aus
freiem, unbehindertem Beschluss zu
Deutschland gehören wollen“, dann die
„ungehinderte Ausübung des Wahlrechts
für alle Wähler“ und „Wahlpflicht für alle
Wahlbeteiligten“. Die Burschenschaften
setzten sich für „frisches Blut in der Nationalversammlung“, für die „Vertretung von
Frauen“ sowie für die „Gleichberechtigung
aller Deutschen beiderlei Geschlechts“
ein9. Mit ebenso großer Aufmerksamkeit
verfolgte die DB die deutsche Außenpolitik. Woodrow Wilsons 14-Punkte-Programm mit annehmbaren Friedensregelungen, von der Akademikerschaft, so auch
von den Burschenschaften akzeptiert,
wurde von den übrigen Siegermächten verletzt, so die DB in einem Telegramm an die
Nationalversammlung im Mai 191910. Im-
62
mer wieder wurde in den BBl vom Sommersemester 1919 zu den außenpolitischen
Konzepten Stellung bezogen, da sie sich
angeblich zunehmend von Wilsons 14
Punkten auf Kosten des besiegten Deutschland entfernten.
Als weiteres Kriterium kam die seitens der
Niederlande geplante Auslieferung des bis
1918 regierenden Kaisers Wilhelm II. hinzu,
zu dem die Burschenschaft zuletzt ein gutes
Verhältnis pflegte. In einer Denkschrift an
die Reichsregierung, an die niederländische Regierung und an die Nationalversammlung betonten zwei Professoren (Burschenschafter) ausdrücklich, daß die Unverletzlichkeit des Souveräns (hier Wilhelms II.)
selbst durch den Kriegszustand nicht aufgehoben und die Niederlande zur Auslieferung Wilhelms zwecks Aburteilung vor einem internationalen Gericht nicht berechtigt seien.11
Der großdeutsche Gedanke, der schon
eine längere Tradition besaß und auf die
alldeutsche Bewegung, namentlich auf den
Einfluss von Georg Ritter von Schönerer
(1842–1921) mit seinem deutschnationalen
Programm, gefolgt von grenzenloser Bismarckverehrung, zurückzuführen ist, lebte
in dieser Zeit wieder auf. Besonders die
Burschenschaften wurden davon schon im
Habsburgerreich stark geprägt, und sie
wurden überzeugte Verfechter deutschnationaler und alldeutscher Ideen, die sie besonders konsequent und kompromißlos
vertraten und damit dank eines starken
Netzwerkes erstaunlich hohe Breitenwirkung erzielten. Nicht von ungefähr kam daher nach Kriegsende der sehnlichste
Wunsch nach einem Anschluß Österreichs
an das Deutsche Reich wieder auf, der allerdings erst 1938 realisiert wurde. Diesem
politischen Ereignis kam die Burschen-
schaften“ (RVdB) auf dem außerordentlichen Burschentag in Berlin am 4. Januar
1919 kam es auf dem (ordentlichen) Burschentag in Eisenach vom 3. bis zum 6. August 1919 zur Vereinigung der Deutschen
Burschenschaft und der Burschenschaft der
Ostmark (BdO), wovon auch in der burschenschaftlichen Presse ausführlich berichtet wurde12. Durch die Friedensverträge von
Versailles (28. Juni 1919) und St. Germain
(10. September 1919) mit dem Anschlußverbot „Deutsch-Österreichs“ an das
Deutsche Reich wurden zunächst alle Hoffnungen auf einen Zusammenschluß auch
auf politischer Ebene – unter großem Protest der österreichischen Nationalversammlung – zerschlagen. Es blieb jedoch weiterhin ein Herzensanliegen der Österreicher,
mit dem deutschen Mutterland vereinigt zu
werden, da sie sich gemeinsam mit den
Deutschen als „ein Volk“ von gleichem
Stamme sahen.
Abkehr von der Republik und
Ausbreitung des völkischen
Denkens
Enttäuscht wandten sich Korporierte und
Freistudenten, vor allem aber Burschenschafter, allmählich von der Regierung
schon im Frühstadium der Weimarer Republik ab. Von „Erfüllungspolitik“ war plötzlich die Rede, und Deutschland hatte aufgrund des Friedensdiktats von 1919 sehr
hohe Gebietsverluste hinzunehmen, die
nicht nur zu politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Einbußen führten, sondern
auch das Selbstwertgefühl des besiegten
Deutschland erheblich schmälerten. Immer
wieder war von der „Zerstückelung
Deutschlands“ die Rede. Die DB, aber auch
andere Korporationsverbände wie die
Corps (KSCV), die Landsmannschaften (DL)
sowie die Vereine Deutscher Studenten
Ostpreußen-Fahrt 1932 mit Tannenberg-Denkmal im Hintergrund (Ausschuß für Vaterländische Arbeit).
schaft auf Verbandsebene bereits 1919 zuvor. Nach der Verschmelzung der DB mit
dem seit 1905 unter dieser Bezeichnung
existierenden und 37 Bünde an Technischen oder Tierärztlichen Hochschulen sowie an Forstakademien umfassenden „Rüdesheimer Verband deutscher Burschen-
(VVDSt) fanden es inakzeptabel, daß man
sich in derart einschneidender Weise selbst
bei einem besiegten, „wehrlos gemachten
Volk“ über ethnische Gegebenheiten und
das Selbstbestimmungsrecht der Völker
hinwegsetzte. Vor allem die Abtrennung
der Gebiete im Osten vom Reich, darunter
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
das als „Kulturgebiet von den Deutschen
geschaffene“ Westpreußen, dann Ostpreußen sowie Deutsch-Böhmen durch die
Sudetengrenze, gefolgt von Oberschlesien
und Südtirol, gerieten heftig in die Kritik
und veranlaßten vor allem die DB dazu, sofort Konsequenzen daraus zu ziehen.
Die anfängliche Bereitschaft, die Regierung
durch den Anschluß an Zeitfreiwillligenverbände zu unterstützen und an Grenzlandkämpfen in Kärnten, in der Steiermark
(1920) und in Oberschlesien (1921) teilzunehmen sowie Freikorps zu bilden, schlug
Burschenschaftliche
Blätter
ten. Der von dem Studienrat Dr. phil. Georg Kleeberg (1887–1931, Germania Marburg) seit 1923 geleitete, aus dem bereits
im Jahr 1919 gegründeten sogenannten
„Politisierungsausschuß“ der DB hervorgegangene „Ausschuß für vaterländische Arbeit“ zielte auf eine Unterweisung der Burschenschaften im „vaterländisch-politischen Sinne“ ab. Seine Tätigkeit vor Ort
war die ständige Verfolgung der Verhältnisse in den vom Reich abgetrennten Gebieten sowie der Einsatz von Burschenschaften für das Grenz- und Auslandsdeutschtum. Diese „vaterländische Arbeit“
Studentenkorps Marburg, Burschenschaft Arminia, 1920
nach dem gescheiterten Kapp-Putsch vom
13. März 1920, an dem vereinzelt auch Burschenschafter beteiligt waren, bald in eine
regierungsfeindliche Haltung um. „Studentenwehren“ gegen den rheinischen Separatismus und gegen Kommunisten im Ruhrgebiet, die blutige Niederschlagung einer
bewaffneten Demonstration in Berlin am
13. Januar 1920 sowie die Vorfälle in
Mechterstädt in Thüringen, bei denen am
25. März 1920 von der Begleitmannschaft
des Studentenkorps Marburg (StukoMa) 15
als Aufrührer gefangene Arbeiter angeblich
auf der Flucht erschossen wurden, führte zu
einer Verschlechterung der Beziehungen
zwischen der Regierung und den Studenten, Anrechnung verlorener Studiensemester zugestanden wurde13.
Auf unterschiedliche Weise motivierte gerade die Deutsche Burschenschaft ihre Mitglieder zu Aktionen, die stark an das urburschenschaftliche Gedankengut erinnerten.
In erster Linie wurde an den Einsatz „für
Volk und Vaterland“ appelliert und „vaterländische Arbeit“ in Form von Grenzlandfahrten gepflegt. Gerade der Kontakt zur
Bevölkerung in den durch das Friedensdiktat von Versailles abgetrennten Gebieten
wurde als besonders wichtig gewertet, da
nur so die deutsche Sprache, deutsche Kultur und das Bekenntnis zu Deutschland
auch für die Zukunft erhalten werden konn-
Heft 2 - 2015
fand während der gesamten Zeit der Weimarer Republik mit anfangs mäßigem, später mit wachsendem Erfolg statt14.
Die durch Friedrich Ludwig Jahn und seinen damaligen Mitstreiter, Karl Friedrich
Friesen, am 19. Juni 1811 auf der Berliner
Hasenheide ins Leben gerufene Turnbewegung, auf die auch der Begriff „Burschenturner“ zurückgeht, sollte nicht nur allein
der körperlichen Ertüchtigung dienen, sondern auch Werte, darunter eine tiefe patriotische Gesinnung, fördern. Selbstbewußtsein, geistige und körperliche Tüchtigkeit
sowie ein erstarkendes Nationalbewußtsein
sollte damals das deutsche Volk angesichts
der schweren Krise, bedingt durch die napoleonische Fremdherrschaft, unter Beweis
stellen. Somit wurde Jahn zum geistigen
Wegbereiter der Burschenschaft, was er
auch in seiner Rede als Abgeordneter der
Frankfurter Nationalversammlung am 15.
Januar 1849 in der Paulskirche bestätigte.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
besaß die Turnbewegung vor allem seit
1865 bei weitem nicht mehr die Breitenwirkung wie in ihrer Gründungszeit, was auch
nach der Reichsgründung von 1871 umso
spürbarer wurde. Die gefühlte Erfüllung der
ursprünglichen burschenschaftlichen politischen Zielsetzung dank Bismarck und Wilhelm I. führte zu einer Abflachung des Korporationswesens auch innerhalb der Bur-
schenschaften. Es wurde weniger mit Herzblut gekämpft, da ja nun alles erreicht war.
Erst der Erste Weltkrieg und vor allem dessen unrühmlicher Ausgang für Deutschland
rief die Erinnerung an den deutschen Turnvater Jahn wieder wach und veranlaßte
eine Renaissance des Turnwesens innerhalb der DB. Dieses wurde nicht mehr wie
vorher unter dem Aspekt des Sports mit gesellschaftlichem Stellenwert betrachtet,
sondern als Ersatz für die nach dem Krieg
durch den Versailler Vertrag geregelte entfallene Wehrpflicht15 und bekam dadurch
zunehmend militanten Charakter, begleitet
von Optionen wie Selbstüberwindung und
Selbstbeherrschung. In der Förderung des
„Wehrsports“ während der 1920er und
1930er Jahre bis zur Auflösung der Deutschen Burschenschaft kann man somit Ansätze zur Instrumentalisierung von Werten
erkennen, die ursprünglich zum traditionellen urburschenschaftlichen Gedankengut
gehörten. Gegen Ende der 1920er Jahre
wurde der „Wehrsport“ aktualisiert. Der
akademische „Wehrsport“ sollte „Führer
heranbilden“. In den vom Deutschen Hochschulring (DHR) eingerichteten Wehrsportlagern übernahm die Burschenschaft bald
eine Vorreiterrolle. Einige Sportarten deuteten auf einen zunehmenden Einfluß durch
den Nationalsozialismus hin, so zum Beispiel das Kleinkaliberschießen, das Wandern als Ausdauertraining zur Vorbereitung
auf den späteren Geländesport, das Rudern zur Förderung des Gemeinschaftssinnes und vor allem der Segelflug. Letzteren
leitete Otto Schwab (1889–1959, Germania
Darmstadt) durch die Gründung der „Akademischen Fliegerabteilung Deutscher Burschenschafter e. V.“ (Akaflieg) in die Wege,
in der bis 1933 etwa 250 Segelflieger ausgebildet wurden. Außerdem wurde in Böblingen eine Burschenschafter-Motorfliegerabteilung mit vier eigenen Motorflugzeugen zur Schulung eingerichtet, die bei
„Deutschlandflügen“ gute Plätze belegte16.
Auch im Umgang mit der Sprache setzte
Jahn zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit
seinem Appell zur Pflege einer „reinen“,
unverfälschten deutschen Sprache deutliche Akzente. Seitdem sah die Burschenschaft die Reinhaltung der deutschen Sprache als ihre sittliche Pflicht an, denn die
Pflege des eigenen geistigen und kulturellen Erbes sollte Fremdeinflüsse nach Möglichkeit ausschalten17. In den 1920er Jahren
wurden damit der Dienst am deutschen
Volk und die Hebung des deutschen
Selbstwertgefühls verbunden. Konkrete
Maßnahmen seitens der Burschenschaft
waren „Korrekturen“ innerhalb burschenschaftlicher Publikationen. So wurde unter
anderem bei der DB ein sogenannter
„Sprachausschuß“ unter der Leitung Albert
Petzolds (1857–1939, Arminia a. d. B. Jena)
mit der Option gegründet, in den BBl ab
sofort eine sogenannte „Sprachecke“ einzurichten. Dort bot sich eine Plattform zu
63
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Anregungen, auch innerhalb akademischer
Gesprächsrunden und Publikationen sowie
während der Kommerse latinisierte Begriffe
durch deutsche zu ersetzen. Die Muttersprache sollte sich zunehmend gegenüber dem
von Jahn gerügten „Kauderwelsch“ durchsetzen. Dabei darf natürlich eine ideologische Zweckentfremdung der Sprache in der
Weimarer Zeit nicht übersehen werden. So
hieß es im „Handbuch für den Deutschen
Burschenschafter“ von 1927, daß die DB unter dem „Dienst an der deutschen Sprache
gleichzeitig den Dienst am deutschen Volk“
verstehe. Auf Dauer war diese Anregung jedoch nicht erfolgreich, weil die traditionelle
akademische Sprache weitreichendere Wirkung besaß, als bislang vermutet18.
Daß es im Zuge der politischen Entwicklung auf dem Burschentag vom 4. bis 7. August 1920 in Eisenach unter dem Vorsitz
von Germania Jena, wo es unter anderem
um die „Belebung des deutsch-völkischen
Gedankens“ ging, zu den sogenannten „Eisenacher Beschlüssen“ kam, war in erster
Linie auf den Nachdruck seitens der österreichischen Bünde zurückzuführen, die den
Untergang der Donaumonarchie mit ihren
Spätfolgen in Form von Migrationsbewegungen von Ostjuden besonders zu spüren
bekamen. Sie stellten Anträge, die Mitgliedschaft von Juden und Ehen von Burschenschaftern mit jüdischen oder farbigen
Frauen zu untersagen. Die beiden Grazer
Burschenschaften Frankonia und Allemannia setzten deutlich antisemitische Akzente:
In der Rassenfrage solle nicht nur auf die
ungetauften oder getauften Juden, sondern auf die „Judenstämmlinge“ bis „in
das letzte Glied“ Bezug genommen werden. Gerade die Vertreter von Allemannia
Graz stellten auf diesem Burschentag mehrere Anträge, wovon der erste und
grundsätzliche lautete: „Die Deutsche Burschenschaft erkennt in der Judenfrage den
Rassestandpunkt an“19. Obwohl die „Ei-
64
senacher Beschlüsse“ über die künftige
Nichtaufnahme von Juden viele Gemüter in
den eigenen Reihen erregten, erfolgte auf
dem Burschentag 1920 kein Widerspruch
gegen die Anträge der österreichischen
Bünde. Ein von Hans Wehberg (1885–1962,
Marchia Bonn) veranlaßter und von etwa
100 alten Burschenschaftern unterzeichneter Aufruf als Protest gegen die „Eisenacher Beschlüsse“ blieb leider ohne
größere Resonanz20.
Die Entwicklung von
1931 bis 1945
Auf dem Grazer Studententag 1931 schaffte
der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund den Durchbruch in der Deutschen
Studentenschaft. Nach der „Machtergreifung“ 1933 sahen sich die Korporationen
durch ihn zunehmend diktiert, vor allem im
Reich, weniger dagegen in Österreich, wo
ab 1933 für viele Studenten und Korporierte
der Kampf für die „Bewegung“ Hitlers begann. Die Durchsetzung des Führerprinzips
auf dem 15. Deutschen Studententag in Königsberg im Juli 1932 führte zur Entmachtung der Korporationen. Der Burschenschafter und DSt-Vorsitzende Gerhard Krüger
(1908–1994, Hansea Hamburg) setzte in der
Folge das Führerprinzip durch, personalisiert
bei der DB ab 1933 durch Otto Schwab, der
sich als DB-Bundesführer jedoch auf Dauer
wegen seiner umstrittenen Position vor allem in der Kameradschaftserziehung nicht
behaupten konnte und schon gegen Ende
der Weimarer Republik durch die Förderung
der „Wehrerziehung“ und des „Wehrsportes“ eine unverkennbare Übereinstimmung
mit nationalsozialistischen Zielsetzungen erkennen ließ. Die in diese Zeit fallende Kameradschaftserziehung wurde zwar vor allem in
den Korporations- und Wohngemeinschaften als erzieherische Maßnahme zur Förderung des Gemeinschaftswesens teilweise
begrüßt, aber gerade wegen eines zu star-
ken Eingreifens in die Strukturen der Verbindungen durch Verbot von Couleur- und
Fechtbetrieb sowie durch den erzwungenen
Umbau der Korporationshäuser in „Erziehungsinstitute“ im Stil von Kasernen, wie es
der von Schwab unterstützte Feickert-Plan
vorsah, mit Argwohn betrachtet.
Vor allem den Alten Herren, die in der DB
wie auch in anderen Korporationsverbänden die besten Stützen für die Aufrechterhaltung traditioneller Formen des Verbindungslebens blieben, war es immer wieder
zu verdanken, daß sich das nationalsozialistische Gedankengut in den Korporationen
auf Dauer nicht durchsetzen konnte. Dazu
hatte der NSDStB auch geistig viel zu wenig zu bieten und konnte selbst die jungen
Aktiven nicht wirklich überzeugen. Als es
im Herbst des Jahres 1935 zur Auflösung
der Verbände kam, war die Burschenschaft
mit einer besonderen Haltung hervorgetreten: Im Gegensatz zu den Verbänden,
die sich in der Mehrzahl freiwillig auflösten,
sah sie ihren „urburschenschaftlichen Auftrag“ darin, sich in den NSDStB in Form
von Studentenbundskameradschaften integrieren zu lassen, was aber letztlich
scheiterte, weil der Studentenbund gemachte Zusagen nicht einhielt. Nicht alle
ehemaligen Burschenschaften traten jedoch dem NS-Studentenbund bei. Verfolgt
man die weitere Entwicklung bis zum Ende
des Zweiten Weltkriegs, erkennt man, daß
es der Burschenschaft in der Tarnung von
NS-Kameradschaften vor allem ums Überleben ging, vor allem um die Wiederbelebung und Aufrechterhaltung des traditionellen Verbindungswesens mit allen dazugehörigen Ritualen. Daß die Jahre von
1939 bis 1945 nicht das Aus für die Burschenschaft bedeuteten, war auf den geringen Einfluß der Kameradschaftsführer
und das mangelhafte Konzept des NSDStB
zurückzuführen21. Die Korporationen blieben ihm stets überlegen!
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
deutsche Volk in der Zeit tiefer nationaler Erniedrigung
aufzurütteln, für ein einiges und freies deutsches Vaterland zu begeistern und gegen innere und äußere Bedränger anzuführen“ – Die Burschenschaft der Ostmark
(BdO) und ihre Vorläufer 1889-1919, in: „…ein großes
Ganzes…, wenn auch verschieden in seinen Teilen“,
Beiträge zur Geschichte der Burschenschaft, DuQ,
Bd. 19, Heidelberg 2012, S. 516-630, hier S. 613,
Anm. 240.
5 Grube, Karl: Hundert Jahre, in: Richard Johannsen (Hg.):
Der Wille zum Sieg. Kriegsgedichte aus der Deutschen
Burschenschaft, Hilden 2013, S. 93.
6 Siehe Anm. 4.
7 BBl 33/1 (8.4.1919), S. 1–4, hier S. 4; BBl 33/2, S. 19;
BBl 34/3 (21.11.1919), S. 36, S. 42 f., hier S. 43 u. a.
8 BBl 33/1, S. 1-4; BBl 33/2, S. 19.
9 BBl 33/4 (WS 1918/19), S. 50.
10 BBl 33/3 (SS 1919), S. 33 f.
11 BBl 33/4 ( SS 1919), S. 49 f.
12 BBl 33/5 (15.1.1919), S. 66 f.; BBl 34/7 (1920), S. 118 f.;
Brunck, Helma: Burschenschaften und Burschenschafter
in der Weimarer Republik, in: Oldenhage, Klaus (Hg.):
Jahresgabe 2008 der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e. V. (GfbG), Koblenz 2009,
S. 7–66, hier S. 16-19; Brunck, Burschenschaft (s. Anm. 2),
S. 54–57, S. 64–71.
1935 im Innenhof der Wartburg.
13 Brunck, Burschenschaft (s. Anm. 2), S. 105–125.
Quellen und Literatur:
Brunck, Helma: Die Deutsche Burschenschaft in der
Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, München 1999. Als Dissertation (Johannes GutenbergUniversität Mainz) 1996 erschienen unter dem Titel:
„Die Entwicklung der Deutschen Burschenschaft in
der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus.
Eine Analyse“ (Dissertations-Druck Darmstadt
GmbH).
Brunck, Helma: Burschenschaften und Burschenschafter in der Weimarer Republik, in: Oldenhage,
Klaus (Hg.): Jahresgabe 2008 der Gesellschaft für
burschenschaftliche Geschichtsforschung e. V.
(GfbG), S. 7–66.
Brunck, Helma: Die Burschenschaft in der Weimarer
Republik und in der NS-Diktatur (1919-1945) – Eine
historiographische Bilanz, in: Oldenhage, Klaus (Hg.):
200 Jahre burschenschaftliche Geschichtsforschung
– 100 Jahre GfbG – Bilanz und Würdigung. Jahresgabe 2009 der Gesellschaft für burschenschaftliche
Geschichtsforschung e. V. (GfbG), Koblenz 2009,
S. 71–90.
Cerwinka, Günter: „Sie (die ‚Klerikalen‘) stehen ja
nicht einmal in der Judenfrage auf unserem Standpunkt“. „Juden-„ und „Klerikalenfrage“ in den Konventsprotokollen der Grazer Burschenschaft Allemannia 1919/1920, in: Schroeter, Bernhard (Hg.): Für
Burschenschaft und Vaterland. Festschrift für Peter
Kaupp, Norderstedt 2006, S. 261–280.
Grobe, Frank: Zirkel und Zahnrad. Ingenieure im bürgerlichen Emanzipationskampf um 1900 – Die Geschichte der technischen Burschenschaft. Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten
Jahrhundert, Band 17, Heidelberg 2009.
Handbuch der Deutschen Burschenschaft. Ausgabe
2005 zum 190. Jahrestag der Burschenschaft, Memmingen/Stuttgart/Traunstein 2005.
Johannsen, Richard (Hg.): Der Wille zum Sieg. Kriegsgedichte aus der Deutschen Burschenschaft, Hilden
2013.
Krausmüller, Helmut/Anger, Ernst/Pabst, Martin: Die
Geschichte des Allgemeinen Deutschen Burschenbundes (ADB) 1883-1933 und das Schicksal der
ehemaligen ADB-Burschenschaften (Historia Academica. Schriftenreihe der Studentengeschichtlichen
Vereinigung des CC, 28), o. O. (Jever) 1989.
Lönnecker, Harald: „…das deutsche Volk in der Zeit
tiefer nationaler Erniedrigung aufzurütteln, für ein einiges und freies deutsches Vaterland zu begeistern
und gegen innere und äußere Bedränger anzuführen“ – Die Burschenschaft der Ostmark (BdO) und
ihre Vorläufer 1889-1919, in: „…ein großes Ganzes…,
wenn auch verschieden in seinen Teilen“, Beiträge zur
Geschichte der Burschenschaft, DuQ, Bd. 19, Heidelberg
2012, S. 516–630.
Lönnecker, Harald: Jahn und die Burschenschaft, in: BBl
4/2014, S. 123–127.
Sitzungsberichte der ordentlichen und außerordentlichen
Burschentage 1918–1933. Bundesarchiv Koblenz DB
9, 3185.
Heft 2 - 2015
1 Krausmüller, Helmut/Anger, Ernst/Pabst, Martin: Die Geschichte des Allgemeinen Deutschen Burschenbundes
(ADB) 1883-1933 und das Schicksal der ehemaligen ADBBurschenschaften. Historia Academica. Schriftenreihe der
Studentengeschichtlichen Vereinigung des CC, 28, o. O.
(Jever) 1989.
2 Krausmüller, ADB (s. Anm. 1), S. 29 f. Erst seit 1902 heißt
der Zusammenschluss der Burschenschaften an den – ursprünglich nur reichsdeutschen – Universitäten „Deutsche Burschenschaft“ (DB), davor existierte er seit 1881
unter der Bezeichnung „Allgemeiner Deputierten-Convent“ (ADC). Zur Geschichte der Deutschen Burschenschaft nach dem Ersten Weltkrieg siehe auch: Brunck,
Helma: Die Deutsche Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, München 1999, hier
S. 45–54.
3 Grobe Frank: Zirkel und Zahnrad. Ingenieure im bürgerlichen Emanzipationskampf um 1900 – Die Geschichte
der technischen Burschenschaft (DuQ, 17), Heidelberg
2009, S. 461 f.
4 Gedicht: „Der Burschenschaft ins Stammbuch“ von Walter Flex (Bubenruthia Erlangen), gedichtet „An der Kolnizanka, Juni 1915“, zitiert in: Lönnecker, Harald: „das
14 Brunck, Burschenschaft (s. Anm. 2), S. 73–98; dies:, Burschenschaften (s. Anm. 12), S. 34–37.
15 Lönnecker, Harald: Jahn und die Burschenschaft, in: BBl
4/2014, S. 123–127, hier S. 126.
16 Brunck, Burschenschaft (s. Anm. 2), S. 127-140; dies.: Burschenschaften (s. Anm. 12), S. 38 f.
17 Brunck, Burschenschaft (s. Anm. 2), S. 145–147.
18 Ebd.; dies.: Burschenschaften (s. Anm. 12), S. 40 f.
19 Cerwinka, Günter: „Sie (die ‚Klerikalen‘) stehen ja nicht
einmal in der Judenfrage auf unserem Standpunkt“.
„Juden-„ und „Klerikalenfrage“ in den Konventsprotokollen der Grazer Burschenschaft Allemannia 1919/1920,
in: Schroeter, Bernhard (Hg.): Für Burschenschaft und Vaterland. Festschrift für Peter Kaupp, Norderstedt 2006, S.
261-280.
20 Brunck, Burschenschaften (s. Anm. 12), S. 45.; dies.: Burschenschaft (s. Anm. 2), S. 155-174.
21 zusammenfassend über die Entwicklung seit 1932:
Brunck, Burschenschaft (s. Anm. 2), S. 269–386.
Unsere Autorin Dr. Helma Brunck M.A. ist freiberufliche Historikerin in Frankfurt am Main. Sie studierte Mittlere und Neuere
Geschichte, Latein und Jura in Frankfurt, Heidelberg, Marburg
und Mainz. Ihre Promotion erfolgte 1996 an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz mit dem Dissertationsthema: „Die
Entwicklung der Deutschen Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. – Eine Analyse – ”, in erweiterter Form als Verlagsausgabe 1999 in München erschienen mit
dem Titel: „Die Deutsche Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus”. Es folgten Lehraufträge an der
Universität Mainz 2003–2006, zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zur Geschichte der Korporationen, insbesondere der
Burschenschaft. Seit Mai 2008 ist Frau Dr. Brunck Mitglied des
wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung GfbG e. V. Bisher war sie beruflich tätig
in Archiven, Museen und bei der Hessischen Landeszentrale für
politische Bildung (HLZ) Wiesbaden. Dort leitete sie auch Projekte zur Frankfurter und zur hessischen Geschichte. Ab 2015 ist
sie außerdem in der Erwachsenenbildung tätig.
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Die Burschenschaftliche Bewegung
im Südosten
Von Bruno Burchhart
Obwohl bei der Gründung der Burschenschaft am 12. Juni 1815 in Jena „nur“ alle
ehrenfesten Studenten der Großherzoglich und Herzoglichen Sächsischen Universität Jena, heute Friedrich-SchillerUniversität, eingeladen waren, läßt sich
aus dem vorliegenden Stammbuch der
Jenaischen Burschenschaft entnehmen,
daß auch einige aus dem Habsburgerreich daran teilgenommen haben. Es waren die aus Hermannstadt/Siebenbürgen
stammenden Theologiestudenten Johann Daniel Heinrich und Johann Kästner
sowie Johann Georg Binder, der sogar
als Ausschuß-Mitglied einer der Mitunterzeichner der Verfassungsurkunde war.
Wenig später trat auch Martin Reschner
aus Hermannstadt der Burschenschaft
bei.
Der weitere Fortgang der burschenschaftlichen Bewegung im Südosten – außerhalb
des späteren Hohenzollernreiches, also in
der Habsburger Donaumonarchie – soll hier
dargestellt werden. Der Titel wurde absichtlich so gewählt, da „Österreich“ in seiner heutigen Gestalt zu kurz gegriffen wäre
und mit seinen vielen Bedeutungen im Lauf
der Geschichte Erklärungsbedarf hätte.
Nach der Gründung war das nächste wichtige Ereignis der burschenschaftlichen Geschichte das national-politisch äußerst bedeutsame Wartburgfest von 1817 mit den
zukunftsweisenden Beschlüssen des 18.
Oktober 1817: Das vaterländisch-patriotische Postulat nach Einheit aller Deutschen,
die Forderungen nach Gleichheit aller Personen (ohne Standesunterschied) in einer
Verfassung, nach Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sowie die
Freiheit der Lehre und des Lernens. Alles
Dinge, die erst später – 1848 – verfassungsmäßig niedergelegt und erst 100 Jahre
später – 1918/19 – in der Weimarer Republik und der Republik Deutsch-Österreich
demokratisch beschlossen wurden. Da die
Einladung zum Wartburgfest ja nur an alle
protestantischen Universitäten erging, nahmen zwar keine Delegierten der Donaumonarchie-Hochschulen teil, ein Teilnehmer war jedoch aus der ehemaligen Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches
Deutscher Nation, aus Wien gebürtig: Gustav Susemil.
In der Habsburgermonarchie waren die
Burschenschaften
unter
dem
Metternich’schen Unterdrückungssystem
spätestens nach den Turner und Burschenschafter verfolgenden Karlsbader Beschlüssen verboten. Der burschenschaftliche Gedanke ließ sich jedoch nicht unterdrücken.
Nachweislich gab es in Prag (1818), Graz
(1819) und Innsbruck (1821) burschenschaftliche Bewegungen, in Wien burschenschaftlich gesinnte Kreise, zum Beispiel im Umfeld des Liederfürsten Franz
Schubert. In Salzburg wurde anläßlich der
Einweihung des Mozart-Denkmals 1842
eine deutsche, sich mit dem burschenschaftlichen Dreifarb Schwarz-Rot-Gold
Der Burschenschafterturm in Linz an der Donau dient er als Erinnerungsstätte und Museum der Deutschen Burschenschaft.
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Isiwal/Wikimedia/CC
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
schmückende Studentenverbindung gegründet, die sich auf den Standpunkt der
Urburschenschaft stellte, leider aber nicht
lange bestand.
Dieser burschenschaftliche Dreifarb als
Symbol der vaterländischen gesamtdeutschen Gesinnung spielte dann auch im Jahr
der bürgerlichen Revolution von 1848 im
gesamtdeutschen Sprachraum – von Berlin
bis Prag, von Frankfurt bis Wien – eine wesentliche Rolle. Interessant ist, daß Arbeiter
und Studenten unter dem Dreifarb miteinander auf den Barrikaden kämpften, daß
die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem
Stephansdom und der Universität wehte.
Bekanntermaßen wurde die Frankfurter Nationalversammlung ja auch Burschenschafter-Parlament genannt. Von den insgesamt
655 Abgeordneten waren 134 aus Wahlkreisen der Donaumonarchie, unter ihnen
zum Beispiel auch der Burschenschafter
Franz Schuselka. In der Habsburgermonarchie blieb als einziges Ergebnis die durch
den Burschenschafter Hans Kudlich durchgesetzte Bauernbefreiung. Das Scheitern
der großdeutschen Idee trotz beschlossener Reichsverfassung mit Einschluß der burschenschaftlichen 1817er Wartburg-Forderungen brachte nach der neo-absolutistischen Restauration einen „burschenschaftlichen Stillstand“.
Durchbruch der burschenschaftlichen Ideale
Die Ideen aber lebten weiter und feierten
anläßlich der begeisternden 100-Jahr-Geburtstagsfeiern des genialen Freiheitsdichters Friedrich Schiller ihren Durchbruch: Die
ersten noch heute existierenden Burschenschaften wurden in Wien gegründet: Olympia 1859, dann Libertas und Silesia. Eine
stürmische Gründungswelle von Burschenschafts-Gründungen in der Donaumonarchie setzt ein: Laut dem Jenaer Burschenschafter H. Alexander gab es 1876 dort
etwa 50 deutschnational-freiheitliche Korporationen, darunter folgende Burschenschaften: in Wien Olympia, Silesia, zweimal
Libertas, Arminia, Teutonia. Germania,
Herulia und Freya; in Prag Carolina, Constantia, Concordia, Germania; in Graz Stiria,
Arminia sowie Korporationen in Innsbruck,
Brünn und Leoben, 1897 waren es dann
laut „Akademischem Taschenatlas“ von H.
Kufahl in Brünn und Czernowitz zwei Burschenschaften, in Graz sieben, in Innsbruck
drei, in Leoben zwei, in Prag acht und in
Wien acht Burschenschaften, 1910 gab es
dann bereits 41 Burschenschaften in diesem Bereich.
In der Ausrichtung derselben setzte sich
nicht nur bald das sogenannte Konservative
Prinzip bezüglich Mensur und Ehrenstandpunkt durch, sondern besonders prägnant
war die deutschnationale Ausrichtung und
deren politische Vertretung: Einsatz für die
Heft 2 - 2015
gesamtdeutsche Einheit trotz des Bruderkampfes bei Königsgrätz (1866), besonders
auch die Bewahrung des deutschen Volkstums in den Grenzgebieten des deutschen
Sprachraumes gegenüber panslawistischen
(Tschechen, Südslawen) und irredentistischen (Italiener) Bestrebungen. Dabei gab
es ein gemeinsames Vorgehen von Burschenschaftern aus verschiedenen Denkrichtungen: Arbeiterführer wie Viktor Adler
und Engelbert Pernerstorfer gründeten zusammen mit anderen Burschenschaftern,
Politikern (Reichsratspräsident Gustav
Groß, Georg von Schönerer) und Künstlern
(Peter Rosegger) den Deutschen Schulverein, der zahlreiche Schulen an den Grenzen
des deutschen Sprachraumes errichtete.
Gemeinsames Vorgehen mit anderen Studentenorganisationen gab es auch gegen
den Versuch des Ministerpräsidenten Badeni, tschechisch als Amtssprache einzuführen, worüber er letztlich aufgrund der
Proteste stürzte.
Burschenschaftlicher Einfluß zeigte sich
auch anderswo: Der Breslauer Max Friedländer als Gründer der „Neuen Freien Presse“,
Theodor Herzl (Burschenschaft Albia Wien)
als Begründer des Zionismus. Scharfe Auseinandersetzungen mit den später gegründeten katholischen CV-Verbindungen um
die Vorherrschaft auf den Hochschulen entstanden ebenso, wie die im Zeitgeist liegenden Abgrenzungen gegen jüdische Kommilitonen, die ihre eignen, ähnlich aufgebauten Korporationen bildeten: keine Aufnahme, keine Genugtuung, zum Teil Ausschlüsse jüdischer Mitglieder. Übrigens entstanden Ende des 19. Jahrhunderts auch
zahlreiche andere Korporationsverbände:
Sängerschaften, Turnerschaften, Vereine
Deutscher Studenten etc.
Schwerer Stand in Prag
Besonders scharfe Auseinandersetzungen
gab es in Prag zwischen den Tschechen
und den deutschen Studenten, insbesonders den Burschenschaften (in Prag: Albia,
Arminia, Allemannia, Caroloina, Constantia, Franken, Ghibellinia, Teutonia, Thessalia; in Brünn: Arminia, Libertas, Moravia, Su-
evia; in Przibam: Glückauf; in Teschen-Liebwerd: Demetria und Germania; in Czernowitz: Arminia). Hatten 1848 noch tschechische und deutsche Studenten miteinander
gekämpft und sich tschechische Studenten
auch an den Schillerfeiern beteiligt, verschärften sich dann die nationalen Rivalitäten, so daß es 1881/82 zur Trennung der
damals noch ältesten deutschen Hochschule (1348) in einen deutschen und tschechischen Zweig kam.
Besonders schlimm wurde das in der Zwischenkriegszeit, als der Tschechenhaß über
alle deutschen (und auch die drei jüdischen!) Korporationen herfiel und das
„Deutsche Haus“ und auch Couleurhäuser
stürmte und beschädigte. Auch rissen die
Tschechen die Insignien der deutschen
Karlsuniversität an sich. Waren die Burschenschaften bis 1933 Mitglieder der
Deutschen Burschenschaft, so schlossen sie
sich dann in der „Burschenschaft der Sudetenländer“ (bis zur Auflösung im „3. Reich“)
zusammen.
Kontakte zu den seit der Bismarck’schen
1871er Reichsgründung eher saturierten,
aber auch aufgesplitterten Burschenschaften gab es meist auf Kartell-Ebene zwischen den deutschen Burschenschaften aus
Wien, Prag und sonstigen Donaumonarchie-Hochschulen. Trotz zahlloser Versuche
war es zu keinem burschenschaftlichen Verband gekommen, bis es durch Julius Sylvester 1889 gelang, den gemeinsamen LDC
(Linzer Delegierten Convent) zu installieren,
der aber 1900 wieder zerfiel, und dann
1907 der BdO (Burschenschaft der Ostmark) mit 37 Burschenschaften von Universitäten und Technischen Hochschulen (sic!)
gegründet wurde.
Da die Burschenschafter aus allen deutschen Landen im 1. Weltkrieg miteinander
gekämpft und durch den „Schandfrieden“
gelitten hatten, kam das Miteinander nicht
nur in der Politik zum Ausdruck (§ 2 der Verfassung der Republik Deutschösterreich:
„Deutschösterreich ist Bestandteil der
Deutschen Republik“ sowie „Anschluß“Bestimmungen in allen Parteien). Der ge-
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
samtdeutsche Einfluß zeigt sich auch im
noch immer geltenden Staatswappen der
Republik, in dem Schwarz (Adler), Rot (Adlerzunge) und Gold (Mauerkrone) mit voller
Absicht enthalten ist.
Auch in den Burschenschaften wuchs der
Wunsch nach Gemeinsamkeit im Sinne des
großdeutschen Gedankens. Hatte es 1919
im Januar bereits den Zusammenschluß der
Burschenschaften der Universitäten (DB)
und der Technischen Hochschulen (Rüdesheimer Verband) gegeben, so erfolgte im
August in Jena die Verschmelzung mit der
BdO, womit die Deutsche Burschenschaft
der größte Korporationsverband in deutschen Landen war.
Schon bei Gründung der Republik waren
Burschenschafter an führender Stelle tätig:
Die Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich erfolgte am 12. November 1918
durch den Staatsratspräsidenten Dr. Franz
Dinghofer (Burschenschaft Ostmark Graz).
Schon vorher waren unter Mitwirkung burschenschaftlicher Parlaments-Abgeordneten (Dr. Beurle, Libertas Wien; Rudolf
Heine, Arminia Wien; Dr. Albert Ritter von
Mühlwert, Frankonia Graz) 28 Burschenschaften der ehemaligen k.u.k.-Monarchie
zur Besprechung zusammengekommen
und forderten unter anderem das Selbstbestimmungsrecht und die Vereinigung aller
Deutschösterreicher.
Grenzland- und Volkstumsarbeit war eine
wichtige Aktivität der Deutschen Burschenschaft: Besonders beim Kärntner Freiheitskampf waren nicht nur in der politischen
(Landesverweser Dr. Arthur Lemisch, Burschenschaft Suevia Innsbruck) und militärischen (Dr. Hans Steinacher, Burschenschaft
Gothia Bielitz) Spitze, sondern Burschenschafter bei den Kämpfen gegen den slawischen Aggressor führend beteiligt. Letzten
Endes führte das nach der so erkämpften
Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920
zur Erhaltung Kärntens in (Deutsch-)Österreich.
Burschenschaftliche Abende, Ausbau mittels des „Ausschusses für vaterländische
Arbeit“, Sport in den verschiedensten Variationen und zunehmende Politisierung
standen auf dem Programm – beginnend
mit der Großkundgebung für den Anschluß
beim Salzburger Burschentag 1922, was
übrigens auch von allen reichsdeutschen
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Parteien unterstützt wurde. Nach den Auseinandersetzungen mit der Nazi-Führung,
was letztendlich zur diktatorischen Auflösung der Deutschen Burschenschaft führte,
kam es auch im „besseren deutschen
Staat“ (Plakat in Österreich) zu Auseinandersetzungen, zunächst mit dem austro-faschistischen Dollfuß/Schuschnig-Staat und
dann 1938 nach dem Anschluß ebenfalls
zur Auflösung.
Die Entwicklung nach 1945
Der Wiederbeginn nach dem 2. Weltkrieg
war äußerst schwierig. Zwar konnten sich
während der Besatzung durch die „Vier im
Jeep“ (Wien unterstand jeden Monat einer
anderen Alliiertenmacht) einige der auch
während des Krieges existierenden „Kameradschaften“ 1951 unter Ägide des
AVÖ (Akademiker Verband Österreich) als
dessen Zweigstellen aktivieren. Der erste
Wiener DC (=ÖB) mit Albia (Dürnstein),
Olympia (Lätitia) und Silesia (Heimdall) entstand 1951. Der erste gemeinsame burschenschaftliche Verband wurde 1953 in
Wels gegründet, der ADC (Allgemeine Delegierten Convent), der 1959 in DBÖ
(Deutsche Burschenschaft in Österreich)
umbenannt wurde und fünf Grazer, drei Innsbrucker, zwei Leobener und zwölf Wiener Burschenschaften umfaßte. Ein
Freundschaftsabkommen mit der 1950
wiedergegründeten Deutschen Burschenschaft wurde geschlossen, ein gemeinsamer Verband befürwortet, ein Verbindungsausschuß eingesetzt. Auf den Burschentagen der Deutschen Burschenschaft
wird mit Interesse, aber auch Befremden
die Diskussion um den Vaterlandsbegriff
verfolgt, wobei es um etatistisch (staatsbezogen) oder volkstumsbezogen geht. Mit
großer Enttäuschung wird nach einem
DBÖ-Vereinigungsbeschluß vom Burschentag 1961 in Bregenz der DB-Ablehnungsbeschluß vom Burschentag 1961 in
Nürnberg zur Kenntnis genommen. Die
Reaktion darauf ist die Gründung der BG
(Burschenschaftliche Gemeinschaft in DB
und DBÖ), die am 15. Juni 1961 in München von 42 Burschenschaften beider Verbände ins Leben gerufen wird. Sie fordert
die geistige und kulturelle Einheit aller, die
zum deutschen Volke gehören, setzt sich
für die Einheit aller Burschenschaften ein
und steht auf dem Boden des volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffes.
Erst der sogenannte Historische Kompromiß von 1971 (Die DB-Verfassung enthält
den volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff, dafür wird die Bestimmungsmensur
nur mehr als fakultativ festgelegt) ermöglichte es den deutschen Burschenschaften
aus Österreich, einzeln von der DB aufgenommen zu werden. Dies machen im Lauf
der Zeit fast alle.
Im Lauf der nächsten Jahre kommt es jedoch weiterhin zu Auseinandersetzungen
um Probleme dieses Kompromisses, auch
um die Ausrichtung der Deutschen Burschenschaft insgesamt. Die sogenannten
Lager (liberal und national) neutralisieren
sich gegenseitig. Es kommt zu bedauerlichen Abspaltungen (unter anderem der
Rote Verband und das Süddeutsche Kartell), Austritten samt Neugründungen
(NDB) und zuletzt aufgrund von Auseinandersetzungen über Benehmens- und Verhaltensfragen sowie Einstellungen zu Sachverhalten während der NS-Zeit (20. Juli
1944, Bonhöffer) zu einer ausgiebigen und
bedauerlichen Austrittswelle – die Bünde in
Österreich bleiben der Deutschen Burschenschaft jedoch treu.
Unser Autor Verbandsbruder Dr. Bruno Burchhart (Olympia
Wien, 1960) war DBÖ-Vertreter im Ausschuß für Burschenschaftliche Arbeit (AfBA) der Deutschen Burschenschaft sowie DBÖVerbindungsreferent zu anderen Korporationen. Verbandsbruder
Burchhart beschäftigt sich seit dem Studium intensiv mit volksdeutschen Minderheiten in Europa, seit 2006 ist er Obmann vom
„Burschenschaftlichen Volkstumsvereins“. Zudem ist er seit 2010
als DB-Bildungsbeauftragter mit der Ausrichtung von DB-Regionalseminaren beauftragt.
Heft 2 - 2015
Burschenschaftliche
Blätter
Schwerpunkt
Rückschau: Das Sonderheft
zu 150 Jahre Burschenschaft
Das zum Jubiläum im Jahre 1965 erschiene Sonderheft soll an dieser Stelle kurz in Erinnerung gerufen werden.
Damals empfing Bundespräsident Heinrich Lübke
eine burschenschaftliche
Delegation und ließ es sich
nicht nehmen, ein
Grußwort zu übermitteln.
Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) sandte ein
Glückwunschtelegramm, in
dem er der Deutschen Burschenschaft seinen besonderen Dank aussprach, „die
Idee von der Einheit
Deutschlands in der heranwachsenden Generation
von Akademikern lebendig
zu erhalten“. Und der Regierende Bürgermeister
von Berlin, Willy Brandt,
würdigte in seiner Ansprache die burschenschaftliche
Geschichte und Arbeit und
hieß alle Burschenschafter
in der Stadt herzlich willkommen.
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Schwerpunkt
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Burschenschaftliche
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Burschenschaftliche
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Hiebe der Eigentlichkeit oder: ius sanguinis
Von Heinrich Schoell
Anläßlich einer abgebrochenen Autofahrt
unter Regie des Rittmeisters von Eulenfeld, die an einem sonnig heißem Wiener
Septembernachmittag der frühen 1920er
Jahre eigentlich in den niederösterreichischen Badeort Kritzendorf hat führen sollen, beginnt der gewesene Major Melzer
eigenständig zu denken. Auf dem Rücksitz eines roten Viersitzers, neben Frau
Schlinger, einer anziehenden Blondine,
platziert, wird Melzer durch die rasante
Fahrweise in den engen Gassen Wiens
hin- und hergeworfen. Darüber, ebenso
wie über sein bisheriges Leben sinnierend, geht Melzer auf, daß er sich stets in
„irgendeine Gefangenschaft“ habe hineinrufen lassen, in eine „Unselbständigkeit, in ein Weitergegeben-Werden von
Umstand zu Umstand“. Melzer erkennt,
sein Leben lang „mitgenommen worden“
zu sein, „genau wie heute nachmittags im
Automobil. Das alles erschreckte den Major gar sehr. Und so mußte er denn jene
Augenblicke leiden, die niemandem erspart bleiben, der eigentlich gelebt hat:
die tiefe Angst nämlich, nicht eigentlich
gelebt zu haben. Man könnte sagen, daß
damit immerhin ein bedeutender und
neuer Schritt ins Leben getan sei.“
Heimito von Doderer (1896–1966), dem wir
die Erzählung über die Metamorphose Melzers verdanken, hat mit dieser Szene eine
Urerfahrung der Moderne beschriebe: Die
Benutzung des Automobils als Metapher
der Auslieferung an die Verhältnisse, das
unfreiwillige Gedrückt-Werden des Beifahrers in die (weichen) Polster, aber auch: die
Bequemlichkeit gefahren zu werden, das
angenehme Gefühl, nicht selbst am Steuer
sitzen zu müssen oder gar zu laufen, die Rasanz und Energie des Motors, die Aufgabe
der Kontrolle zugunsten der Teilhabe an
der Technik. Dem diesen Nachmittag als
Exempel seines Daseins empfindenden
Melzer genügen jedoch die Verlockungen
und Versprechungen des Fortschritts nicht,
nein, diese scheinen als Teil jener totalen
Maschine, die ihn von sich selbst entfernt
und entfremdet. Hatte er zunächst das Militär als Instanz des Gelebt-Werdens durch
die Umstände identifiziert, zeigt sich ihm
nunmehr die Technik als Erweiterung, in ihrer Subtilität und Diskretion letztlich ungleich wirkmächtiger.
Wer in den 1990er-Jahren ein österreichisches Gymnasium besuchte, kennt Doderers Roman1, zumindest dem Titel nach. Zur
selben Zeit stand auch ein anderer Roman
auf dem Lehrplan, der, ungleich bösartiger
und zugleich simpler, das Gelebt-Werden
durch die staatstragenden Institutionen be-
72
schreibt: Der Untertan von Heinrich Mann,
erschienen ab 1914, in Buchform 1918, also
etwa vierzig Jahre vor der Strudlhofstiege.
Der häßliche Deutsche, avant le lettre, erhebt hier sein Haupt als Karikatur, grob gezeichnet, unfähig zur Selbstreflektion, auf
der Suche nach dem persönlichen Platz an
der Sonne. Der holzschnittartige Entwurf
der Figur, meilenweit entfernt von Doderers
subtil-liebevoller Hermeneutik, erschien
(und erscheint) den Pädagogen des justemilieu als hervorragend geeignet, die Kontinuität eines Typs vom Kaiserreich bis nach
Hoyerswerda zu beweisen, womit eine der
wichtigsten didaktischen Voraussetzungen
zeitgenössischer Erziehung erfüllt ist.
Während die Entwicklung Melzers zum
Menschen das eigentliche Thema des multiperspektivistischen Bildungsromans Doderers ist, besteht Manns eindimensionaler
Antibildungsroman auf der Darstellung der
ausschließlich um sich selbst kreisenden
Existenz Diederich Heßlings. Während es
bei Melzer um ein Erwachen aus der Uneigentlichkeit der Institutionen geht, erfüllt
sich Heßlings Dämonie im Aufgehen in der
All-Gemeinheit.
Entscheidende Station auf dem Weg zum
nationalistischen Spießer werden für Diedrich die Berliner „Neuteutonen“, eine
schlagende Studentenverbindung, deren
Comment wie geschaffen erscheint für den
rudimentär angelegten Charakter Heßlings.
Dort kann er seine kollektivistischen Neigungen („Nicht Stolz oder Eigenliebe leiteten Diedrich: einzig sein hoher Begriff von
der Ehre der Korporation. Er selbst war nur
ein Mensch, also nichts; jedes Recht, sein
ganzes Ansehen und Gewicht kamen von
ihr.“) befriedigen, ebenso wie sadomasochistische Machtspiele, zunächst als Leibfuchs und dann als Fuchsmajor, genießen.
Mit dieser Milieueinschätzung hat Heinrich
Mann bereits im Jahr 1914 die sich bis
heute nicht wesentlich veränderte Kritik am
studentischen Verbindungswesen entwickelt und vorgegeben. Zahllose, meist
wenig inspirierte, dafür aber kenntnisarme
Artikel oder (pseudo)wissenschaftliche Publikationen sind seither zum Thema Burschenschaft (als pars pro toto) erschienen,
letztlich als bloße Reproduktionen der Bilder Manns. Vor diesem Hintergrund wäre,
nebenbei bemerkt, eine fruchtbare Plagiatsdebatte zu führen, in welcher sich der
Urtext in der imaginatio eines Schriftstellers
finden ließe.
Daß die Linke nicht seit jeher ein Problem
mit den exklusiven Ritualen deutscher Stu-
denten hatte, zeigt die Mitgliedschaft vieler
Akteure der Sozialdemokratie in schlagenden Verbindungen; Tatsache ist jedoch,
daß die seit 1968 an den Universitäten, in
den Medien und der Politik obsiegende
Klasse nichts unversucht ließ und läßt, die
waffenstudentische Tradition zu delegitimieren. Trotz dieser fundamentalen, sich
nunmehr bereits über Jahrzehnte erstreckende Kritik ist der Exitus in diesem
Fall nicht eingetreten, das Erbe erweist sich
als zäh und dauernd – ein Ende des Widerstandes gegen die hegemoniale Linke oder
gar deren Sieg ist bis auf weiteres nicht in
Sicht. Dies ist insofern bemerkenswert, als
es sich bei der Mensur um eine der letzten
Techniken deutscher Eigenart handeln
dürfte, die einer globalisierten, westlich-hedonistischen Ethik entgegensteht und sich
aus Aspekten der Nützlichkeit oder Opportunität wohl kaum valid begründen ließe.
Anders als in den so oft reproduzierten Klischees setzen sich jene wehrhaften Bünde in
der Majorität nicht aus den Söhnen Ehemaliger zusammen: Auch Studenten ohne familiäre Prägungen oder sonstige spezifische
Vorkenntnisse begeistern sich für das Ritual.
Wie groß die Kränkung der Linken über
diese Kontinuitäten mittlerweile sein muß,
kann bei den jährlichen Portesten gegen
den Wiener Akademikerball ebenso verfolgt
werden wie beim Versuch, jedes korporative
Auftreten in der Öffentlichkeit zu verhindern. Offen muß hier bleiben, ob diese mit
Verve unternommene Versuche einer gewaltsamen Verdrängung des Gegners aus
dem öffentlichen Raum psychoanalytisch,
etwa im Sinne von Angstbewältigung, deutbar wäre; daß dies nicht ausgeschlossen
werden kann, zeigen leicht identifizierbare,
regressive Verhaltensweisen wie etwa Trotzreaktionen oder Weinerlichkeit („Trauer und
Wut“) bei vielen Protestierenden.
Umso auslegungsbedürftiger scheint vor
diesem Hintergrund jedoch das Ausbleiben
des großen Bruchs mit der Überlieferung:
Warum fließt auf den Paukböden deutscher
Universitätsstädte von Greifswald bis Klagenfurt, von Aachen bis Wien weiterhin
Blut? Warum werden die Prägungen hin zu
einer gewaltfreien Erziehung konsequent
revidiert? Für das persönliche Fortkommen
ist die verräterische Zeichnung des Gesichts
doch eher hinderlich: Man macht sich zumindest verdächtig, außerhalb eines verordneten gesellschaftlichen Konsens zu stehen und das Faktische nicht als normativ
oder gar alternativlos hinzunehmen. Dazu
kommt, daß die körperliche Unversehrtheit
nicht das Ziel der Mensur ist – eine Umkehrung aller Absicherungskonditionierungen
Heft 2 - 2015
Schwerpunkt
westlicher Gesellschaften. Denn man geht
fehlt, wenn man vermutet, daß man die
Wangen, die Nase, die Ohren nicht ohne
Unbehagen den Hieben der Kontrahenten
aussetzt. Der in späteren Jahren als Mussolini-Befreier bekannt gewordene Otto Skorzeny hat das sehr ehrlich notiert, insgesamt
aber zwölf Partien gefochten. [„Nie werde
ich die Gefühle vergessen, die mich bei
meiner ersten Mensur im Februar 1927 beherrschten. Durch verschiedene Arm- und
Halsbandagen, die die betreffenden Körperteile von Verletzungen schützen sollten
kann man buchstäblich das Herz im Halse
klopfen hören. Wenn ich ehrlich sein will
muß ich gestehen, daß ich Angst vor dem
Kommenden hatte, ganz gemeine Angst.“]
Nun ist, nebenbei bemerkt, das Befreien
italienischer Diktatoren keine zwangsläufige
Folge studentischen Fechtens wie etwa die
Biografie des revolutionären Sozialisten,
Mitglieds der kommunistischen Partei und
rasenden Reporters Egon Erwin Kirsch
zeigt. Dieser, einer traditionsreichen jüdischen Bürgerfamilie in Prag entstammenden, war Burschenschafter wie sein Bruder
und berichtete in launigen Texten etwa von
im Patrizierhaus der Familie in Melantichgasse abgehaltenen Mensuren mit allerlei
abgehauenen Nasenspitzen und Ohren.
Warum also nehmen junge Männer, die es
doch einmal besser haben wollen, noch
heute all dies auf sich? Karrieredrill und Umerziehung, Hedonismus und Herdentrieb,
gute Ausreden und schlechte Presse – trotz
alledem finden sich noch immer genug Typen, wie Tyler Durden in David Finchers
1999 erschienenem Fight Club (nach dem
gleichnamigen Roman von Chuck Palahniuk) bekennen: „Ich will nicht ohne Narben
sterben.“ Und die Angst des modernen
Menschen, „nicht eigentlich gelebt zu haben“, hat daran einen entscheidenden Anteil. Diese Angst schwebt als schwarze
Wolke im immerblauen, kalifornischen Himmel, der sich über den Teilnehmern des
Diskurses unserer westlichen Gesellschaften glückverheißend ausgebreitet hat und
der gegenüber den ihm eingeborenen digital naiven das Versprechen einer zweiten,
besseren, virtuellen Natur abgegeben hat.
Noch aber scheint, zumindest für manche,
die Seinsvergessenheit unter den hedonistisch-konsumistischen Vorzeichen unserer
Tage (die mit den von Martin Heidegger
eingeführten Termini des „Man“ und der
„Uneigentlichkeit“ präzise beschrieben ist)
nicht das Ende der Geschichte zu sein.
Denn, mehr als je zuvor, gilt: „Wie genießen und vergnügen uns, wie man genießt; wir lesen, sehen und urteilen über Literatur und Kunst, wie man urteilt; wir ziehen uns aber auch vom ‚großen Haufen‘
zurück, wie man sich zurückzieht; wir finden
empörend, was man empörend findet.“ Als
das Gegenteil dieser uneigentlichen
(Fremd)Bestimmung entwarf Heidegger be-
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Burschenschaftliche
Blätter
kanntermaßen das eigentliche Selbstsein,
das sich zum „Sein als seiner engsten Möglichkeit“ verhält, „sich gewonnen haben
kann es nur, sofern es seinem Wesen nach
mögliches, eigentliches, das heißt sich
selbst zueigen ist.“ Eigentlich, seiner selbst
eingedenk, kann Sein freilich nur dann sein,
wenn es sich seiner Endlichkeit, als wesentlicher Bedingung, bewußt ist.
Eine spezifisch deutsche Kulturtechnik, sich
seiner selbst bewußt zu werden und damit
Eigentlichkeit zu erfahren, liegt in der studentischen Tradition der Mensur. Nachdem
diese durch die gesellschaftlichen Verhältnisse unter fundamentalen Rechtfertigungszwang geraten ist, treffen die von Heinrich
Mann entworfenen und seither ungezählte
Male reproduzierten Bilder der Seinsvergessenheit, der Uneigentlichkeit Diedrich
Heßlings nicht mehr zu: Vielmehr fallen
heute alle äußeren Gründe weg, den
„scharfen Gang, der selbst gewählt“ auf
sich zu nehmen. Es bleibt allein der innere
Antrieb, dem Gegner, der nicht der Feind
ist, ins Auge zu blicken und sich bewußt der
Angst auszusetzen. Es bleibt eine Urszene
von Eigentlichkeit; der Paukant erfährt, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, ein
agonales Ausgesetzt-Sein. In der Selbstauslieferung der Mensursituation wird erfahrbar, daß das Leben immer ein riskiertes ist,
eines, das einmal beendet sein wird. In der
Selbstaussetzung ist der Paukant seiner Verletzbarkeit als Mensch und – unbewußt –
auch seines Todes eingedenk und versteht,
daß das Individuum nicht über alles frei disponieren kann und daß zu einem guten Teil
von einem selbst abhängt, ob sich der Erfolg einstellt oder nicht. Die Erfahrung der
Mensur als instinktive Todesnähe, also Vereinzelung, wird jedoch von einer anderen
eigentlichen, gegenläufigen Erfahrung konterkariert: Der Erfahrung einer Gemeinschaft der Eigentlichkeit. Der Einzelne setzt
sich zwar unmittelbar und unvertretbar aus,
aber das haben die, die hinter und neben
ihm stehen, auch getan und sie wissen, was
das Hinausgehalten-Sein bedeutet.
Die Bewältigung dieser Situation, die bewußte Annahme einer Gefahr, vor der man
nicht fliehen darf, ist die eigentliche Existenz in nuce. Diese Existenz ist eben nicht
ausschließlich oder hauptsächlich von den
libidinösen Bedürfnissen eines jungen Mannes bestimmt, sondern von „seinem Stolz,
seinem Mut, seiner Beherztheit, seinem
Geltungsdrang (…) seinem Gefühl für
Würde und Ehre, seiner Indignation und
seinen kämpferisch-rächerischen Energien.“ Gerade diese Wesenszüge, die von
der herkömmlichen freudianischen Deutung völlig vernachlässigt und als Ersatzhandlung unbefriedigter Sexualität abgetan
wurden, verwirklichen sich im Wunsch nach
der Wahrung des konservativen Prinzips,
welches zum Fechten von Bestimmungsmensuren und zum Annehmen von Forde-
rungen verpflichtet. Peter Sloterdijk hat in
seiner Würdigung der thymotischen Energien auf dieses Mißverhältnis in der Deutung der conditio humana hingewiesen, die
das Erotische allein als Motivation beschreibt und das Agonale pathologisiert.
In Doderers Roman beginnt der Eintritt des
Protagonisten in die Eigentlichkeit mit der
Frage nach den Grundlagen des bisherigen
Lebenswegs, worin „ein bedeutender und
neuer Schritt ins Leben getan sei“. Dieser
Schritt vollendet sich für Melzer in der Bewährung in einer Ausnahmesituation, der
äußerst blutigen Rettung des Lebens von
Mary K., und endgültig in der erwiderten
Liebe der Thea Rokitzer. Den dieser Probe
vorausgegangenen Ernstfall, das Sterben
seines Vorgesetzten, des Major Laska auf
dem Schlachtfeld, erfuhr Melzer noch wie
durch einen Schleier, machtlos, in einem
nicht selbst gelebten Leben. In der Rettung
Mary K.s allerdings tritt uns ein anderer, aktiver Charakter entgegen, der keine Sekunde zögert und das Notwendige tut. So
findet Melzer zu einem eigentlichen Leben
und überwindet die Institution.
Freilich ist die Mensur, die hier als eine Kulturtechnik der Eigentlichkeit skizziert ist,
keine Seinsversicherung gegen das „Man“,
denn selbst dieses Erleben ist nicht davor
gefeit, in seiner krassen Unzeitgemäßheit
unterzugehen oder – rechtfertigend – als
mehr oder weniger pittoreske Episode
postpubertärer Findungsprozesse abgetan
zu werden. Gerade in letzterer Bewältigungskommunikation zeigt sich jedoch das
Fremde, Archaische dieses Rituals; um wieder Mitglied der Herde sein zu können,
steht ein psychoanalytisch-antifaschistischer Sprachkonsens bereit, der geeignet
ist, derlei Lichtungen als Extravaganz abzutun und zu kategorisieren. Man könnte gar
von einem „Jargon der Uneigentlichkeit“
sprechen.
1 Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre
Zuerst erschienen in: Sezession 65,
Schnellroda 2015.
 www.sezession.de
73
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
3 Fragen an . . .
… Burkhard Mötz (Teutonia Wien).
junger deutscher Student, gemeinsam mit
gleichgesinnten älteren Semestern, noch
das freie Wort pflegen und wahre Kameradschaft erfahren kann. All dies bieten die
Deutschen Burschenschaften und ihr Verband soll sie dabei unterstützen, dies auch
„im Großen“ und deutschlandweit bieten
zu können.
BBl: Werter Verbandsbruder Mötz, Sie waren im Geschäftsjahr 2013 Sprecher der
Deutschen Burschenschaft. Mit etwas Distanz zu Ihrer Vorsitztätigkeit: Wie sehen
Sie Entwicklung der Deutschen Burschenschaft in den vergangen zwei Jahren?
Mötz: Ich sehe diese überwiegend positiv.
Auch wenn die letzten Jahre kein Zuckerschlecken für die Deutsche Burschenschaft
waren, so denke ich, daß die Talsohle überwunden ist. Das spürt man, meinem Empfinden nach, vor allem bei den Jungen im
Verband, bei denen eine Aufbruchsstimmung und gleichzeitig ein verbandsbrüderlicher Geist herrschen, wie ich sie in der Vergangenheit nie wahrgenommen habe. Das
ist besonders auf den Verbandsveranstaltungen spürbar. So sehr einige der Austritte
bedauerlich waren, so sehr ist die Deutsche
Burschenschaft in Folge derselben und der
damit einhergehenden verstärkten Angriffe
von außen zusammengerückt. Und hierin
müssen wir eine Chance sehen, die es zu ergreifen gilt. Dies zu tun wird unsere Aufgabe für die nächsten Jahre sein.
BBl: Wo kann und muß die Deutsche Burschenschaft noch etwas tun, um attraktiver für junge Studenten zu werden?
Mötz: Ich denke, daß die Deutsche Burschenschaft für junge Studenten nur dann
attraktiv sein kann, wenn sie sich nicht vom
Zeitgeist beirren läßt und weiter, ohne
dem Druck von außen nachzugeben, ihren
Weg geht. Denn ein junger Mann, der eine
BBl: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Deutschen Burschenschaft?
Alternative zur heutigen Gesellschaft und
den Zuständen, wie sie insbesondere an
den Universitäten herrschen, sucht, wird
nicht daran interessiert sein, einer weichgewaschenen und opportunistischen Gemeinschaft beizutreten. Er wird einer Gemeinschaft beitreten wollen, die – so wie
auch er – erkannt hat, daß in unserem Land
vieles im Argen liegt und ein Gegenmodell
hierzu bietet, in dem Traditionen und
Werte bedingungslos hochgehalten werden. Eine, im Vergleich zur restlichen Studentenschaft zugegebenermaßen kleine,
aber dafür umso verschworenere Gemeinschaft an „normal gebliebenen“, in der ein
Mötz: Schön wäre es, wenn die Deutsche
Burschenschaft sich wieder auf ihre Kernkompetenz besinnt. Nämlich unbequeme
Wahrheiten, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen und den Gegenwind, mutig auszusprechen. Sie soll wieder deutlich in die öffentliche Wahrnehmung rücken und zu einer Wortführerin in denjenigen Anliegen
werden, welche uns im Sinne unseres burschenschaftlichen
Selbstverständnisses
wichtig sind. Denn die meisten unserer Positionen kann und will heute kaum jemand
mehr artikuliere, weil der damit einhergehenden mediale, gesellschaftliche und politische Druck in den letzten Jahren auf ein
unerträgliches Ausmaß angewachsen ist. Es
entspricht jedoch dem revolutionären Wesen der Deutschen Burschenschaft, welches
in den letzten Jahrzehnten leider etwas verloren ging, der Stachel im Fleisch des jeweiligen Systems zu sein und sich diesem niemals anzubiedern. Das sollten wir in Anbetracht des Zustandes, in dem sich unser
deutsches Vaterland heute befindet, wieder
beherzigen.
Burschentag 2014: Gruppenfoto zum Festakt am
Burschenschaftsdenkmal.
Atelier Göpel
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
3 Fragen an . . .
. . . Dr. Walter Egeler (Ehrenmitglied der Burschenschaft Arminia zu Leipzig 2000),
Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter von 1992 bis 2002.
BBl: Sehr geehrter Herr Verbandsbruder
Egeler, Sie sind für Ihr interkorporatives
Engagement mit der Fabricius-Medaillie
des CDA ausgezeichnet worden. Dazu
meinen herzlichen Glückwunsch. Wie
kann es aus Ihrer Sicht der Deutschen
Burschenschaft gelingen, den Dialog mit
den anderen Korporationsverbänden
wieder zu verbessern?
Egeler: Nun, zunächst muß die Deutsche
Burschenschaft entscheiden, ob sie diesen
Dialog will und was dessen Ziel sein soll.
Dazu können die Vorsitzende Burschenschaft und der Verbandsrat einen entsprechenden Antrag erarbeiten, über den dann
der Burschentag entscheidet.
In einem solchen Antrag sind sowohl die
Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten mit den anderen Korporationsverbänden zu benennen. Da wird sicherlich nichts
sensationell Neues herauskommen. Aber
allein die Tatsache, daß die Deutsche
Burschenschaft wieder einmal eingehend
über das Trennende und das Einende zwischen den Korporationsverbänden nachdenkt, ist des Zeitaufwandes und der
Mühen wert.
Die Dinge, die einen, sollten dann Basis eines Dialoges werden. Hier sind sicher bei
allen Korporationsverbänden das Lebensbundprinzip und der Erhalt der Verbindungshäuser zu nennen. Gerade beim
Thema „Verbindungshaus“ haben es ja die
Korporationsverbände in der Vergangenheit versäumt, ihre Kritiker zu stellen. Der
größte Teil der AH-Beiträge fließt in den Erhalt der Verbindungshäuser, subventioniert
also die Miete der Studenten. Von dieser
dem Lebensbundprinzip geschuldeten Solidarität zwischen jung und alt, wie sie in
den Korporationen gelebt wird, sind die
Korporationskritiker weit entfernt. Sie fordern lieber von der öffentlichen Hand zu erstellende Studentenwohnheime als sich zusammenzuschließen und selbst welche zu
bauen.
Eine wichtige Sache, die eint, ist auch die
Öffentlichkeitsarbeit. Hier hat der CDA mit
seiner Beteiligung an der Leipziger Buchmesse in vielen Jahren eine hervorragende
Arbeit geleistet. Was viele nicht wissen, ist,
daß Leipzig für einige Burschenschaften
Heft 2 - 2015
auch Füxe gebracht hat, einer davon arbeitet derzeit an seiner Habilitation.
Nach der Verabschiedung eines entsprechenden Antrages durch den Burschentag
kann dann die Vorsitzende Burschenschaft
andere Korporationsverbände unter dem
Motto „Das Einende steht über dem Trennenden“ zu einem Dialog einladen.
BBl: Sie waren zehn Jahre lang als Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter
sehr nahe am Verband und seinen Mitgliedsbünden. Was war rückblickend für
Sie das bedeutendste Ereignis in der jüngeren burschenschaftlichen Vergangenheit?
Egeler: Hier muß ich zwei Ereignisse nennen. Zum einen sind es die Beschlüsse des
außerordentlichen Burschentages am 7.
April 2001 in Marburg. Durch sie wurde
dank der herausragenden Vorarbeit und
der souveränen Führung der damaligen
Vorsitzenden Burschenschaft der Deutschen Burschenschaft, der Marburger Burschenschaft Rheinfranken, für die burschenschaftlichen Liegenschaften in Eisenach
eine finanziell tragfähige und – wie sich bis
heute zeigt – die Zukunft sichernde Lösung
gefunden. Die Liegenschaften in Eisenach
bleiben damit weiter sichtbarer und wertvoller burschenschaftlicher Kristallisationspunkt.
Zum andern ist es das Faltblatt „Burschenschafter – Wegbereiter des deutschen Verfassungsstaates“. Dieses Faltblatt wurde
von der Deutschen Burschenschaft am
15. Mai 2013, also wenige Tage vor dem
23. Mai, dem Tag des Grundgesetzes, per
Post an sämtliche Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages
und der deutschen Bundesländer und
Stadtstaaten versandt. In elektronischer
Form erhielten es alle Redaktionen (vgl.:
Deutsche Burschenschaft/Geschichte/Burschenschaft und Grundgesetz). In diesem
Faltblatt wird allen politischen und medialen Entscheidungsträgern gezeigt, daß die
Stellung, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ihren Bürgern garantiert, weitgehend identisch ist mit der Vorstellung der Urburschenschaft von der Stellung des Einzelnen in einem Gemeinwesen.
An der Wiege des Grundgesetzes steht die
Burschenschaft! Damit hat die Burschenschaft eine herausragende Bedeutung in
der deutschen Geschichte. Grundlage des
Faltblattes ist der Beitrag „Von der Wartburgfeier über die Paulskirche zum Grundgesetz – ein Rechtsvergleich mit Beispielen“ von Frau Dr. Helma Brunck, freiberufliche Historikerin, in den Burschenschaftlichen Blättern, 114. Jahrgang, 1999,
S. 9ff.
BBl: Was wünschen Sie sich für
die Zukunft der Deutschen Burschenschaft?
Egeler: Natürlich, daß es ihr gut geht. Aber
– das weiß jeder – von allein geht nichts.
Man muß für das Gutgehen arbeiten – in
der Familie, in einem Unternehmen, in einer Verbindung und auch in einem Verband.
Voraussetzung erfolgreicher Arbeit ist Realismus. Es ist also zu fragen, was die Deutsche Burschenschaft bei realistischer Betrachtung unter den heutigen Verhältnissen
leisten kann. Und da bin ich der Auffassung,
daß sich aus ihrem reichen Erbe mancher
über den Tag hinaus gehende Auftrag ergibt, der umgesetzt werden kann. Werden
sie mit Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit
und Mäßigung – den vier Kardinaltugenden
– ausgeführt, werden 200 Jahren burschenschaftlicher Geschichte noch viele weitere
Jahre folgen.
75
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Zwischen Prinzipientreue und Zukunft
Von Daniel Stock
Heuer jährt sich die Gründung der Jenaischen Burschenschaft als der Keimzelle
unserer spezifischen Korporationsart
zum zweihundertsten Mal. Grund und
Anlass genug um die wechselvolle Geschichte der burschenschaftlichen Bewegung Revue passieren zu lassen und auch
einen Ausblick in die Zukunft zu wagen.
Die historischen Begebenheiten wurden
von dazu berufeneren Verbandsbrüdern
bereits ausführlich dargestellt und sind
Bestandteil einer jeden Fuchsenausbildung. Sie sollen daher in diesem Beitrag
nur eine Nebenrolle spielen und der Fokus auf aktuelle Themen, welche sowohl
Alte Herren, als auch aktive Burschenschafter gleichermaßen betrifft, liegen.
Vergleiche mit vergangenen Epochen sind
bekanntlich schwer, weil sich die gesellschaftlichen, politischen, aber auch die studentischen Rahmenbedingungen in diesen
zwei Jahrhunderten fundamental geändert
haben. Dennoch wird von vielen Seiten gerade in diesen Tagen gerne das Streben
nach burschenschaftlicher Einheit – gemeint ist hier explizit eine Verbandseinheit
– hervorgehoben, verbunden mit dem tiefen Bedauern, daß wir, die Burschenschafter und Burschenschaften insgesamt, erst
vor Kurzem gewissermaßen eine Rolle rückwärts machten.
Nun ist es mit Blick auf die geschichtlichen
Ereignisse innerhalb der Burschenschaft
aber doch so, daß es die propagierte Verbandseinheit in den vergangenen 200 Jahren nie wirklich gab.
Unter anderen äußeren, nämlich demokratischen Umständen setze bald nach dem
„Historischen Kompromiss“ eine Schrumpfung der Deutschen Burschenschaft ein.
Beispielsweise verließ mit einer Ausnahme
(Teutonia Jena, Austritt erst vor wenigen
Jahren) das Süddeutsche Kartell Ende der
1970er Jahre den Verband. Interessanterweise wegen Aufgabe der Pflichtmensur als
Verbandsprinzip. In mehreren Wellen folgten dann weitere Austritte aus der Deutschen Burschenschaft, insbesondere Mitte
der 1990er Jahre zur Gründung der NDB
sowie vor wenigen Monaten in Form des
Exodus fast aller Burschenschaften der sogenannten IBZ.
Aus diesen Tatsachen kann man nun zweierlei Lehren ziehen:
Erstens: Die Deutsche Burschenschaft hat
mangels Bereitschaft zu Reformen zwecks
Anpassung an neue äußere Begebenheiten
die Zeichen der Zeit verkannt und daher die
76
burschenschaftliche Einheit selbst unmöglich gemacht.
Zweitens: Die formale Schaffung der burschenschaftlichen Einheit mittels des „Historischen Kompromisses“ vor mehr als vier
Jahrzehnten bediente eine Illusion, welche
eine Seifenblase erzeugte, die nun nach
den Jahren 2010 bis 2012 endgültig geplatzt ist.
Ich schließe mich der zweiten Schlußfolgerung an und verweise in diesem Zusammenhang in aller gebotenen Kürze auf die
Vielstimmigkeit burschenschaftlichen Gestaltens seit Anbeginn des Juni 1815 bis
zum heutigen Tage. Wenn man die Chronologie nur kurz überfliegt, stellt man fest,
daß man sich burschenschaftlicherseits oftmals nur darüber einigen konnte, daß man
sich uneinig war. Ob es der Krach zwischen
„Germanen“ und „Arminen“ am Burschentag 1827 war, oder die Frage im Paulskirchenparlament nach der Herrschaftsform
und Reichsgröße, die Debatten um das
Mensurwesen seit den späten 1950er Jahren bis einschließlich zum Burschentag
2014, zu guter Letzt noch zu nennen die
Abgrenzung der traditionellen Universitätsburschenschaften
gegen
Technische
Hochschulen 1883–1919 und jene Abgrenzung gegen die Fachhochschulen bis
1998. Historiker könnten diesen Absatz auf
viele weitere Seiten ausbauen. Für meine
Überlegungen soll der kurze Abriß genügen.
Mehrere burschenschaftliche
Verbände als Chance
Jeder kennt das Sprichwort „Getrennt marschieren, vereint schlagen!“. Sinnbildhaft
könnte dies der Schlüssel für unsere burschenschaftliche Bewegung insgesamt
sein. Die meisten Leser der Burschenschaftlichen Blätter erinnern sich nur ungern,
dafür aber meist noch sehr genau, an die
breite, in der Rückschau lähmende Pluralität der vergangenen knapp 45 Jahre. Solange das unbedingte Streben nach der
Einheit der vier Besatzungszonen als einem
souveränen Deutschland auf der Agenda
stand, wurde vieles überlagert, was sich
dann in den Jahren ab 1992 ungehindert
Bahn brach. Unser großes Pfund, die zeitlosen burschenschaftlichen Prinzipien, welche hinter Ehre – Freiheit – Vaterland stehen, ist auch zugleich bei der praktischen
Zusammenarbeit der Burschenschaften
nicht selten eine Hypothek. Unsere Prinzipien lassen Raum für Interpretationen und
Schwerpunkte burschenschaftlicher sowie
korporativer Arbeit.
Dies betrifft zahlreiche Aspekte unseres
Wertekanons, angefangen von der Frage
nach der Zugehörigkeit zum deutschen
Volk bis hin zu waffenstudentischen Themen. Zahlreiche Anläufe gab es in den vergangenen beiden Jahrhunderten, diese
und andere Streitpunkte zu schlichten und
damit alle Studentenverbindungen, welche
sich satzungsmäßig auf die Prinzipien der
Jenaischen Urburschenschaft von 1815 berufen, gewissermaßen unter „einen Hut“ zu
bringen. Ich sehe alle diese, sicherlich ehrenhaften und mit besten Absichten initiierten Bemühungen sämtlich als gescheitert
an, zumal ich davon überzeugt bin, daß es
dauerhaft unmöglich ist, einen Verband,
der explizit neben den korporativen Elementen auch politisch ist, ja politisch sein
muß, unter Berücksichtigung aller Facetten
und Interpretationen der Grundsätze zusammenzuhalten.
Daher lautet mein dringender Appell, die
Energien künftig nicht mehr darauf zu verwenden, einen alle Burschenschaften umfassenden Verband erneut zu projektieren,
sondern vielmehr einen Modus zu finden,
wie die Deutsche Burschenschaft fallweise
und zu bestimmten Rahmenbedingungen
mit jenen außerhalb unseres Verbandes
stehenden Burschenschaften einen modus
vivendi finden kann. Dies dürfte bei der
NDB schon allein wegen ihres etatistischen
Vaterlandsbegriffs als Einengung auf die
Bundesrepublik Deutschland sehr schwer
fallen. Leichter sollte es aber mit diversen
verbandsfreien Burschenschaften und auch
jenen Bündern, die im Herbst dieses Jahres
einen neuen Verband gründen wollen, werden. Dies ist gewiß noch Zukunftsmusik,
aber wir, die Deutschen Burschenschafter,
sollten uns bereits jetzt im Frühjahr 2015
Gedanken dazu machen. Ich könnte mir
beispielsweise vorstellen, daß bei vernünftigem, respektvollem Umgang miteinander
beim 200. Wartburgfest 2017 zumindest
ein gemeinsamer Festakt, eine ebensolche
Festakademie und ein Großkommers möglich sein könnten. Wir werden sehen,
wer im neuen Verband federführend agieren wird und ob von dort eine Zusammenarbeit bei diesen Fragen generell gewünscht ist.
Entscheidend ist, daß wir für uns als Burschenschafter in der Deutschen Burschenschaft im Wesentlichen für die Zukunft festhalten:
Erstens: Wir sehen es als unsere historische
Verpflichtung für die Zukunft an, uns niemandem willfährig anzubiedern und nach
der vermeintlichen Masse zu schielen.
Heft 2 - 2015
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Zweitens: Die Grundsätze, wie sie in der
Verfassung der Deutschen Burschenschaft
verankert sind, verpflichten uns nicht nur
dazu, diese in unseren Burschenschaften
selbst mit Leben zu erfüllen, sondern diese
notfalls auch gegen den Zeit(un)geist zu
verteidigen.
treten müssen, damit wir attraktiv für neue
Mitglieder bleiben. Daß dabei weder das
Studium selbst, noch korporative Elemente
wie Conventsprinzip, Lebensbundprinzip,
Farbentragen und akademisches Fechten
zu kurz kommen sollten, versteht sich von
selbst.
Nur wenn wir uns unserer Prinzipien selbst sicher sind, werden wir in die Lage versetzt,
sowohl außerhalb des eigenen Verbands mit
anderen Burschenschaften als auch mit der
Gesellschaft zu interagieren. Dabei brauchen und sollen wir uns nicht verstecken!
In einer gefühlt immer komplizierter werdenden Welt mit ihren Herausforderungen
für die nachrückenden Generationen ist es
unsere Aufgabe vom inaktiven Burschen
bis zum betagten Alten Herrn, unsere
Überzeugungen und Werte in den Kontext
zu tagespolitischen Ereignissen und Fragestellungen zu setzen. Beispielsweise ist
die Beschäftigung mit der Zukunft unseres
Vaterlandes mitten im europäischen Kontinent eine Kernaufgabe burschenschaftlicher Arbeit. Wohin möchte die Nomenklatura der EU? Wie geht es im postsowjetischen Raum weiter? Bekämpfen wir bei
der Flüchtlingsfrage weiterhin nur die
Symptome oder irgendwann die Ursachen? Wie steht es um kulturelle und politische Minderheitenrechte in den Staaten
Europas?
Inhaltliche Herausforderungen
für die Zukunft
Burschenschaftlicher Auftrag war und ist,
aus jungen Studenten politisch gebildete,
in der Gesellschaft engagierte Bürger zu
formen. Was in heutiger Zeit mit dem
Schimpfwort Elite belegt ist, sollte unser
Ansporn bleiben!
Dies ist der Markenkern unserer Korporationsart, den wir künftig wieder offensiv ver-
Weitere Stichworte wären Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch, Energiewende, Zukunft gymnasialer und universitärer Bildung und vieles andere mehr. Die
Themen gehen uns nicht aus, sie werden
sogar beinahe täglich mehr!
Die Deutsche Burschenschaft als Verband
sollte ihre Mitgliedsburschenschaften bei
dieser Arbeit wirksam unterstützen. Vieles
wurde dazu in den vergangenen beiden
Jahren erneut auf den Weg gebracht, die
Arbeit daran ist fortzuführen und wird niemals erledigt sein.
Machen wir aber nicht den Fehler, indem
wir die Schuld für eine gewisse Bedeutungslosigkeit in der Gesellschaft ausschließlich bei „den anderen“ suchen, sondern nehmen wir die gegenwärtigen Probleme als Herausforderungen an, die zu
bewältigen sind.
Vorwärts Deutsche Burschenschaft! Vivat,
crescat, floreat in aeternum!
Daniel Stock (Stauffia München 2001)
Beisitzer im Verbandsrat
Der Freiheit eine Gasse
Herausforderungen für die Deutsche Burschenschaft heute
Von jeher sind in der burschenschaftlichen Bewegung die grundlegenden Ziele
„Freiheit“ und „Vaterland“ ineinander
verwoben. Beides war für die Urburschenschaft nur die jeweils andere Seite
der Medaille.
Vaterland war dabei für die Urburschenschaft zunächst nur eine Vorstellung, ein gedankliches Ziel als natürliche, vernünftige Organisation eines
Volkes, auch zum Schutz gegen seine
Feinde. Freiheit war grundlegend vor allem Menschenrecht – als Freiheit von geistiger Bevormundung und Möglichkeit, in
dem neuen, vorgestellten Vaterland zu
wirken, und weiter Grundlage für die Konstitution des Vaterlandes mit Garantie der
bürgerlichen Freiheitsrechte und der
Mitwirkung an der politischen Willensbildung.
Beide Ziele sind Ausfluß eines historischen
Prozesses, welchem Wandlungen unterlegen.
Heft 2 - 2015
Wandel der nationalen
Interessen
Die äußere Bedrohung der Nation, insbesondere durch Frankreich, so wie sie die Bildung des deutschen Nationalgefühls begünstigte, ist mit Europa entfallen. Auch
das Ziel „ein Volk – ein Staat“ ist mit der
Aufweichung nationalstaatlicher Strukturen
zu Gunsten Europas nicht mehr drängend.
An die Stelle des Gegensatzes der Nationen tritt mit einem Male ein gemeinsames
Interesse aller Patrioten in Europa an der
Erhaltung ihrer jeweiligen nationalen
Grundlagen, die sie durch Europa nicht hinreichend geschützt sehen.
Europa erweist sich als zu schwach, um
neue inhaltliche, identitätsstiftende Grundlagen zu schaffen oder wiederzubeleben.
Deutschland verlegt sich – wie Preußen zur
Zeit der Restauration – auf die Mehrung
wirtschaftlichen Wohlstandes und verweigert sich – auf Grund der historischen Erfahrungen des nachfolgenden 20. Jahrhun-
derts aus nachvollziehbaren Gründen – einer neuen abendländischen, inhaltlichen
Führungsrolle. Friedenssicherung alleine
als Folge einer übernationalen Organisation ist für ihre Grundlegung als Lebensgemeinschaft jedoch nicht ausreichend. Und
so begegnet jede Nation selbst neuen, alle
treffende Bedrohungen ihrer Lebensgrundlage, zum Beispiel durch ungebremste
Einwanderung und Islamismus, in jeweils
unterschiedlicher, aber im Kern von der
gleichen Sorge getragenen Anstrengung:
Bewahrung der jeweiligen Identität. Aus
dem nationalen Gegensatz wird ein gemeinsames Interesse – nicht Europas, welches die Bedrohung in ihrem Vereinheitlichungsstreben nicht zur Kenntnis nehmen
will – sondern der Franzosen, Engländer,
Niederländer oder Deutschen an der Erhaltung ihrer Lebensart. Nation also nicht
mehr vorrangig als Bollwerk nach außen
und Freiheitsicherungsinstrument nach innen, sondern als die nach wie vor grundlegende Struktur menschlichen Zusammenlebens, in welcher der Einzelne Halt findet,
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Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Freiheitskrieg 1813
wird ein Befreiungskrieg. Aus dem konstitutionellen, erträumten Gesamtdeutschland wird
die Wiederherstellung
absolutistischer Kleinstaaten.
Aus den Helden der
neuen Zeit werden
Demagogen, die
mit allen Mitteln der
Repression, mit Berufsverbot, Kerker,
jedenfalls mit Abschieben in die Privatheit verfolgt werden und dieses
Schicksal ungebrochen trugen. Ernst
Moritz Arndt, Friedrich Ludwig Jahn
und mit ihnen und
nach ihnen viele
Burschenschafter
und Patrioten sind
Personen, die gerade jetzt in dieser
Haltung
Vorbild
sein können und
denen wir Reverenz zu erweisen haben.
sich vergewissern kann, aus welcher er Kraft
schöpft und in welche er Kraft geben kann
und für welche er Opfer zu bringen bereit
ist – und die es deshalb zu erhalten gilt.
Neue Herausforderungen für
die Freiheit
In gleicher Weise muß sich das Postulat der
Freiheit neuen Herausforderungen stellen.
Freiheit der Urburschenschaft war Freiheit
im Sinne der Aufklärung und des Deutschen Idealismus. Freiheit war damit
zunächst und grundlegend Freiheit zur Vernunft, Freiheit als Befähigung des menschlichen Geistes zur Vervollkommnung in einer sittlich handelnden Persönlichkeit. Freiheit ist auch heute noch für jeden Burschenschafter die Inpflichtnahme zum Wirken an sich selbst und in Gesellschaft und
Staat.
Aus dieser geistigen Freiheit folgen dann
notwendig die Forderungen bürgerlicher
Freiheitsrechte und die Forderung nach
Schaffung einer Konstitution des Gemeinwesens, welcher die Teilhabe des Bürgers
an der politischen Willensbildung gewährleistet. Mit dieser Freiheit ist das Schicksal
der Deutschen Burschenschaft maßgeblich
verbunden.
Es begann für die Urburschenschaft gleich
mit einer bitteren Enttäuschung. Aus dem
78
Die Durchsetzung von Konstitution und
Freiheitsrechten, an denen Burschenschafter maßgeblichen Anteil haben, hat dem
Staat Zügel bei der Ausübung hoheitlicher
Repression angelegt. Dafür gibt es
jetzt zwei neue, heimtückischere Angriffslinien:
Die erste ist die Schaffung eines öffentlichen Meinungsklimas, das Menschen und
Meinungen als von vornherein „böse“ ausgrenzt. Der Prozess ist oft beschrieben.
Doch wie beschaffen muß eine Meinung
sein, um sie zu berechtigen, sich an fremder
Freiheit zu vergreifen? Das Recht hat sie
doch höchstens dann, wenn die bekämpfte
Meinung das gemeinsame Fundament,
welches uns allen die Freiheit erhält, beseitigen will. Legitime Grenze jeder Meinungsäußerung ist deshalb die allgemeine
demokratische Freiheitsgarantie, also die
verfassungsmäßige Grundordnung. Nicht
aber ein irgend geartetes, von interessierter Seite genutztes Rechts-Links-Schema,
nicht irgendeine vor sich her getragene
Moralität oder Inanspruchnahme von Besserwisserei.
Hier sind viel zu viele Burschenschafter zu
Konzessionen bereit. Sie leugnen die repressiven Wirkungen der Meinungsmacht,
verharmlosen berufliche Einschränkungen,
Entlassungen, Kündigungen von privatrechtlichen Verträgen, Ausnutzung von
Monopolstellungen, öffentliche Diskreditierung oder auch die klammheimliche Freude
an und die Duldung von körperlicher Bedrohung von Bürgern durch gewaltbereite
Gruppen – wie zum Beispiel der Antifa –
und was der Mittel noch mehr sind, um einen Menschen einzuschüchtern und vom
öffentlichen Diskurs auszuschließen. Sie
machen sich nicht die Mühe zu prüfen, ob
die diskriminierte Meinung tatsächlich die
verfassungsmäßige Grundordnung verletzt
– wie bei aller möglichen Falschheit regelmäßig nicht – sondern übernehmen die politischen Kampfbegriffe des linken Spektrums, um sich unter lebhafter Berufung auf
angebliche oder tatsächlich skandalöse
Einzelfälle abzusetzen, auszutreten oder
die burschenschaftliche Bewegung zu spalten. Die Bedrohung hat ihr Ziel erreicht.
Doch keiner glaube, daß er mit Anpassung
unbeschädigt an seinen Idealen und damit
an seiner Person davon kommt. Und kein
Burschenschafter glaube, sich damit dem
Druck entziehen zu können. Notfalls wird
eben das Rechts-Links-Schema geringfügig
neu justiert.
Die zweite Bedrohung der Freiheit ist fundamentaler und verhängnisvoller. Sie setzt
an den Inhalten der Freiheit an. Freiheit ist
nicht mehr der Auftrag zum sittlichen Personalitätsvollzug, sondern Beliebigkeit. Jeder kann tun und lassen, was er will und er
tut es auch, Hauptsache, es vermittelt dem
Akteur in seiner spontanen, aktuellen Wahrnehmung Glück.
Jeder Lebensvollzug ist gleichwertig. Einzig
gemeinsamer Nenner einer solchermaßen
atomisierten Gesellschaft ist die jeweilige
Bestreitbarkeit des Standpunktes des anderen. Es leuchtet sofort ein, daß eine solche
Gesellschaft nur durch Lenkung und allgemeine Bedürfnisbefriedigung zusammengehalten werden kann und – weil sie sich
nicht mehr der Mühe der Verortung und
der kritischen, in Geschichte und Erfahrung
fundierten Prüfung ihrer Lebensumstände
unterzieht und unterziehen soll – manipulierbar wird.
Die Ergebnisse dieser – Freiheit durch
Libertinage ersetzenden – „Freiheit“
sind fortgeschritten und überall sichtbar.
Hier scheint erneut die Verknüpfung
von Freiheit und Nation auf. Bei beiden
geht es im Kern um die Wahrung der
Identität.
Hier liegt die Aufgabe. Täglich. In der Familie, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft.
Sie erfordert Mut. Mut zur Persönlichkeit
und damit zuallererst zur Unterscheidbarkeit und Mut zum Bekenntnis. 200 Jahre
Geschichte der Deutschen Burschenschaft
sollten uns dabei helfen.
Wilhelm Haase
(Saxo-Silesia Freiburg)
Heft 2 - 2015
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Studieren hat Tradition und Zukunft –
Bologna nicht!
Bologna ist nicht nur eine Stadt in Italien,
sondern auch der Inbegriff einer Hochschulreform, die sich bereits seit Jahren
hinzieht. Dieser Artikel versucht, sich mit
den Zielen, Anforderungen und Ergebnissen dieser Reform unter den Gesichtspunkten der Deutschen Burschenschaften auseinander zu setzen.
Ist es bei dieser Überflutung des Akademikerarbeitsmarktes, welche das Bachelor/
Master/PhD-System mit sich bringt, nicht
verständlich, daß Studenten zunehmend
verunsichert sind? Werden sie durch die aktuelle Situation nicht erst dazu genötigt,
ihre Lebensläufe als einen Lebensmarsch
mit angeblich herausragenden Leistungen
darzustellen? Oder ist es der Student
selbst, der durch die Abnahme an akademischer Anforderung nicht mehr in der Lage
ist, sich selbst reflektierend beziehungsweise selbstkritisch darzustellen?
Unwissende akademische Ja-Sager sagen
die Einen, von Bologna überforderten Studenten reden die Anderen. Eine Studentin
äußerte sich in einer FAZ-Kolumne (17. Juli
2014) dazu wie folgt: „Erst haben wir zu lang
studiert, dann kam der Bologna-Prozess und
plötzlich sind die Absolventen noch zu unreif, klagt die Wirtschaft. Kein Student weiß
mehr, was wirklich Erfolg am Arbeitsmarkt
bringt. Und was tun wir dann aus Verzweiflung? Uns so breit aufstellen wie es nur geht.
Und am Ende dürfen wir uns von denselben
Menschen, die dieses System mit aufgebaut
haben, anhören, dass unsere Lebensläufe zu
glatt wären. Was wollt ihr eigentlich von uns?
Am Ende kann man es niemandem recht
machen, verloren haben wir, erdrückt von
euren Erwartungen.“
Zunächst sollte mit dem Bologna-Prozeß
ein einheitlicher Bildungsraum in Europa
geschaffen werden – so das einhellige Ziel
der Bildungsminister des EU-Raumes und
auch die Bestrebungen der Universitätspräsidenten.
Der Wunsch ist es, das tertiäre Bildungssystem im zukünftigen transkulturellen Europa zu nivellieren. Eine Auflösung von unterschiedlich historisch gewachsenen Bildungsgängen wurde beschlossen, ohne in
Betracht zu ziehen, daß die vorhandenen
Strukturen ihre Vorzüge haben. Durch diese
Systematisierung wurden neben der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung der
Hochschulen auch die burschenschaftlichen
akademischen Ideale, die Freiheit der
Lehre und des Lernens, zusehends beschnitten. Die Deutsche Burschenschaft ist
Heft 2 - 2015
sich seit ihrer Gründung darüber bewußt,
daß sich die Wissenschaft nur in Unabhängigkeit vom Staat, ohne Verordnung bestimmter Denkweisen und ohne einengende administrative Eingriffe entfalten
kann. Daher ist eine wissenschaftliche Erkenntnis für Professoren und Studenten als
Ergebnis des individuellen Denkens unabdingbar und darf nicht zum Gegenstand
sachfremder, kollektiver Willensbildung gemacht werden. Trotzdem oder vielleicht
gerade deswegen einigten sich Rektoren
und Minister darauf, den Ländern eine unbekannte Bildungsstruktur aufzuoktroyieren.
Die Bologna-Initiative sah hierzu vor, daß
nach der Zerschlagung der bestehenden
Hochschulkonzepte im EU-Raum der Versuch unternommen werden müsse, die
Agendapunkte der im Jahr 1988 verfaßten
Magna Charta Universitatum umzusetzen.
An erster Stelle stand die Schaffung eines
Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse. Den Nationalstaaten wurden bei der Umsetzung einzelner
Bestandteile der Bologna-Reform erhebliche Spielräume in der Ausgestaltung des
Hochschulsystems gewährt. Der Meilenstein konnte nicht realisiert werden, weil die
meisten Universitäten ihre Lehr- und Gestaltungsfreiheit weiterhin ausleben und somit jede Hochschule unterschiedliche Anforderungen an ihre Studenten stellt. Wenn
es die Bestrebung war, eine Vergleichbarkeit herbeizuführen, wieso werden dann in
der Realität nicht automatisch alle Scheine
anderer Universitäten anerkannt?! Ein ähnliches Problem ist schon im Schulsystem bekannt, wo 16 Bundesländer zwar den gleichen Abschluß haben, aber alle Lerninhalte
unterschiedlich sind und deswegen jedes
Land Jahr für Jahr eine andere Reformsau
durch die Schulen treibt.
Somit ist – rein technisch gesehen – eine
allgemeine Vergleichbarkeit von Abschlüssen nicht wirklichkeitsnah. Hingegen wurde
der Plan der Bologna-Bewegung ein dreistufiges System von Studienabschlüssen
(Bachelor, Master & Doktor/PhD) zu schaffen und ein Leistungspunktesystem (nach
dem ECTS-Modell) einzuführen, fast
flächendeckend umgesetzt. Vor dem Hintergrund des Programmpunktes „Förderung der europäischen Dimension in der
Hochschulausbildung“ haben einzelne Universitäten sich zehn Jahre nach der Einführung des Bachelor/Master-Systems nun
dazu entschlossen, zum Diplom-Modell
zurückzukehren. Die technischen Hochschulen argumentieren, daß sie ihr Marken-
Von Patrick Körner
zeichen „Diplom-Ingenieur“ etc. schützen
wollen oder müssen. Daß es einem Bachelor/Master-System nicht gelang, den nötigen Praxisbezug in die tertiäre Ausbildung
zu integrieren, läßt sich durch die unterschwelligen Aussagen der betroffenen Rektoren nur erahnen. Professoren hingegen
äußern sich ihren Studenten gegenüber direkter und empfehlen nach dem Bachelor
in das Berufsleben einzusteigen, weil der
Master ihrer Meinung nach keine Bereicherung für den zukünftigen Beruf darstellt.
Mobilität als (Schein-)Kriterium
Auch die Förderung der Mobilität der Studenten war der Bologna-Bewegung ein Anliegen. Hierbei sollten neben den räumlichen Mobilitätshemmnissen auch die zwischen den Hochschulen und Bildungsgängen sowie Hemmnisse der kulturellen Kompetenzen aufgelöst werden. Durch dieses
Vorgehen soll gleichzeitig die Förderung
der europäischen Zusammenarbeit in der
Qualitätsentwicklung vorangetrieben werden. Im Sinne des akademischen Ideals ist
es nur begrüßenswert, wenn eine räumliche
Mobilitätsförderung angestrebt wird. Wünschenswerter Weise wird hierdurch der wissenschaftliche Wettbewerb angekurbelt
und die Qualität der Wissensschaft nachhaltig weiterentwickelt. Hat es Bologna
aber geschafft die Mobilitätshemmnisse zu
tilgen, die Mobilität zu erhöhen und damit
die Bildungsqualität zu sichern?
Die Auslandsstudentenquote bei bundesdeutschen Studenten betrug im Jahr 1999
(das Jahr vor der Bologna-Einführung) auf
Basis der Studentenzahlen von 2012 1,7 Prozent – unter der Annahme, daß es sich bei
diesen Studenten in Österreich und der
Schweiz um Numerus-Clausus-Flüchtlinge
handelt. Bis zum Jahr 2012 stieg die Quote
auf vier Prozent, was einen jährlichen Anstieg von 0,18 Prozentpunkten bedeutet.
Gleichzeitig ist die Erasmusförderquote von
elf Prozent (Basisjahr 2012) geförderten bundesdeutschen Auslandsstudenten im Jahr
1999 auf 20 Prozent in 2012 gestiegen. Ob
sich die Quote der Auslandsstudenten dadurch erhöht hat, daß viel mehr Budget
dafür auf gewendet wird, daß ein Student
ins Ausland geht oder ob ein akademisches
Interesse besteht, bleibt hier unbeantwortet.
Die Statistik der österreichischen Hochschulen hingegen gibt darüber Auskunft,
daß das Verhältnis der Studenten, die zum
Studium ins Ausland gehen, sich (Outgoing-Quote) für alle Universitäten mit insgesamt 298.527 Studenten auf 1,3 Prozent
79
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
und für Fachhochschulen mit insgesamt
43.593 Studenten auf knapp fünf Prozent
für das Wintersemester 2013 beläuft. Ein
sehr marginaler Erfolg, wenn man sich den
Aufwand vor Augen führt, der für die Umsetzung des Bologna-Prozesses aufgebracht wurde.
Es ist zu bezweifeln, daß eine Qualitätserhöhung der Bildung für unsere deutschen
Studenten im tertiären Bereich durch die
Tatsache, daß bei einem Auslandssemester
nur Lehrveranstaltungen belegt werden
dürfen, die vorher von dem jeweiligen Universitätsrektorat des Studenten freigegeben wurden, realisiert werden kann. Wie
soll unter diesen Umständen eine Förderung der Bildungsqualität in der europäischen Hochschuldimension möglich
sein?
Studiendauer und Abbrecherquoten
Auch in Bezug auf die Studiendauer stellt
sich die Frage, welche Verbesserung dadurch, daß der Bologna-Prozeß für die Studenten eine 40-Stunden-Woche â 45 Studienwochen (30 Stunden entsprechen einem
ECTS, wobei ein Bachelorstudium 180
ETCS vorschreibt) veranschlagt hat, war die
Folgeerscheinung die theoretische Beschleunigung des Studiums. Zum Vergleich: Ein Diplomstudium war/ist mit 20
Stunden pro Woche angesetzt.
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Nur noch sechs Semester sollte das berufsbefähigende Erststudium und vier Semester das weiterführende Studium dauern.
Mittels Voraussetzungsketten beziehungsweise der Verschulung und eingeschränkten Lehrplangestaltung hat die BolognaReform es erreicht, den Lehrplan so zu
straffen, daß aus einem vierjährigen Magister- ein dreijähriges Bachelorstudium
wurde. Durch die straffere Studienplanung
und die damit einhergehende frühzeitige
Zeugnisvergabe sollte außerdem die Studienabbrecherquote zurückgehen.
Studieren unsere Akademiker durch die Studienreform schneller und brechen weniger
Studenten ihr Studium ab? Das Statistische
Bundesamt der Bundesrepublik ist in seiner
Analyse der Jahre 2010 bis 2012 zum Ergebnis gekommen, daß ein Bachelorstudent 6,5
Semester und ein Masterstudent mit vorherigem Bachelorstudium (im Median) insgesamt 10,5 Semester zum Abschluß benötigt.
Ein Diplomand hingegen hatte sein Studium
vor der flächendeckenden Einführung des
Bachelor/Master-Systems innerhalb von
11,2 Semestern absolviert. Das entspricht
somit einer marginalen Verbesserung von
0,7 Semestern. Belief sich hingegen die Studienabbruchquote an Universitäten im Jahr
1999 nur auf 21 Prozent (FH: 22 Prozent) der
Diplomstudienanfänger, waren es 2010 bei
den universitären Bachelorstudiengängen
insgesamt 35 Prozent (FH: 19 Prozent), wobei die universitären Ingenieurwissenschaf-
ten mit einer Abbrecherquote von 48 Prozent zu den Spitzenreitern zählten. Die
Hochschul-Informations-System GmbH (HIS)
begründet das wie folgt: „Die Umsetzung
der Bologna-Reform in den Ingenieurwissenschaften an Universitäten hat offensichtlich dazu geführt, dass sich die bestehenden
Probleme in den zugehörigen Fächern noch
verschärft haben. Die betreffenden Fakultäten und Fachbereiche haben sich noch ungenügend auf die Heterogenität der Studienanfänger eingestellt.“
Des Weiteren stellt die HIS in ihrem Bericht
„Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen“ von 2012 fest, daß die Umstellung
der MINT-Fächer auf Bachelor- und MasterStudiengänge nicht dazu beigetragen hat,
den anhaltend hohen Anteil von Abbrechern von über 30 Prozent zu minimieren.
„Vielmehr hat sich der Studienabbruch in
den zugehörigen Fächern sogar noch verstärkt. Mit Abstand am höchsten fällt mit einem Anteil von 55 Prozent der Abbruch im
Studienbereich Mathematik aus.“ Die Abbruchquote bei einem universitärem Masterstudiengang liegt laut dem Centrum für
Hochschulentwicklung (CHE) bei elf Prozent (FH: sieben Prozent).
Blicken wir zurück auf die Wachstumsrate
der Studenten, so lag diese für den Beobachtungsraum von 1999 bis 2012 bei 36,8
Prozent beziehungsweise von 1999 bis
Heft 2 - 2015
Aus dem burschenschaftlichen Leben
2010 bei 19,3 Prozent. Dieser Anstieg läßt
sich vermutlich auf die gesellschaftlich
höhere Bewertung der Hochschulbildung
zurückführen. Vergleichen wir aber die Zunahme der Abbrecherquote von 14 Prozent
(Zeitraum 1999 bis 2010) und stellen diese
der Wachstumsrate der Studentenzahlen
von 19,3 Prozent (gleicher Beobachtungszeitraum) gegenüber, so ist durch die Einführung des Bachelor-Studiums die Absolventenquote nur um fünf Prozent gestiegen. Und dabei ist die Anzahl der MasterAbbrecher exkludiert.
Burschenschaftliche
Blätter
Diese Massenuniversität produziert unreife,
charakterschwache und desorientierte Studenten – wir Burschenschafter hingegen
bieten diesen Studenten seit Jahrhunderten, in einem Umfeld der Entschleunigung,
die Möglichkeit ihren Charakter und Fähigkeiten zu schulen und als vollwertige Akademiker in die Berufswelt einzutreten.
Berufschancen verbessern?
Zusammengefaßt läßt sich deshalb festhalten, daß Bologna keine Besserung gebracht hat und unsere Absolventen weiterhin erst im hohen Alter für den Arbeitsmarkt
zur Verfügung stehen. Laut Statistischem
Bundesamt ist ein Erstabsolvent des Bachelorstudiums im Durchschnitt 25,2 Jahre und
des Diplomstudiums oder Masterstudiums
28 Jahre alt.
Wie hat Bologna den Arbeitsmarkt beeinflußt? Und welche Auswirkungen hat sein
Wirken? Betrachtet man den jährlichen Bericht der OECD, der über die Bildungssituation in den einzelnen EU-Ländern „informiert“, so schneiden in diesem Deutschland und Österreich im direkten Vergleich
bei der Akademikerquote mit anderen EULändern wie Frankreich schlechter ab.
Gleichzeitig weisen Deutschland und
Österreich aber die niedrigsten Jugendarbeitslosenzahlen im EU-Raum auf.
Wir als deutsche Burschenschafter sehen in
der langen Studiendauer ein wesentliches
Problem der Hochschulpolitik. Nicht nur,
daß das Alter zu Studienbeginn aufgrund
von Wehrdienst und eventuell vorbereitender Berufsausbildung sehr hoch ist, sondern auch das fortwährende Anreichern
von Lehrstoff kennzeichnet das heutige Studium. Somit wird der Aufenthalt an einer
Universität unnötig in die Länge gezogen.
Es zeigt sich, daß die Regierung durch das
Bachelor/Master/PhD-System die Zahl der
Akademikerabschlüsse künstlich anheben
will – vermutlich weil es nicht gelungen ist,
berufliche Abschlüsse adäquat im Qualifikationsrahmen zu verankern. Wahrscheinlich können die Experten der OECD die
Qualität dieser Ausbildungsgänge mangels
Erfahrung nicht einschätzen. Es wird
schlicht und ergreifend vergessen, daß an-
Heft 2 - 2015
dere EU-Länder ein duales Ausbildungssystem gar nicht etabliert haben. Finnland
beispielsweise hat kein duales Ausbildungssystem, ist aber im OECD Vergleich
im Jahr 2011 mit 68 Prozent Studienanfängern unter den Spitzenreitern und liegt damit sogar über dem OECD-Durchschnitt
von 60 Prozent. Gleichzeitig weist Finnland
von 2000 bis 2014 eine der höchsten Jugendarbeitslosigkeitsraten von 20 bis 25
Prozent im nordeuropäischen Raum auf. In
Deutschland und Österreich hingegen ist
lediglich eine Jugendarbeitslosigkeitsrate
von sieben bis zehn Prozent zu verzeichnen.
Wir befinden uns in einem Akademisierungswahn und Schuld daran ist die Behauptung der OECD, daß die niedrige Akademikerquote den Wirtschaftsstandort
Deutschland schädigen würde. Kritiker hingegen verweisen auf südeuropäische und
asiatische Länder, in denen ein Akademikerheer ohne Perspektive auf den Arbeitsmarkt strömt. Eine solche Vielzahl von Akademikern würde für Deutschland die Zerschlagung des einzigartigen und weltweit
bewunderten Bildungssystems bedeuten.
Während das Studium allgemein als Schlüssel zum Erfolg gesehen wird, hält Professor
Dr. Hans Peter Klein (Lehrstuhl der Didaktik
der Biowissenschaften, Goethe Universität
Frankfurt am Main) fest, daß ein Studium
heutzutage kein Erfolgsrezept mehr sei:
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Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
„Tatsache ist, dass in den letzten Jahren
alle Länder, die hohe Akademikerzahlen
generieren, diese nicht zur wirtschaftlichen
Prosperität beigetragen haben. Die aus
dem Boden gestampften Studiengänge
werden mit der Begründung eingerichtet,
die Komplexität der Arbeitswelt habe sich
erhöht. Setzt man Erfolg mit hohem Einkommen gleich, kann man nur vom Studium abraten. Die Reichen dieser Welt sind
in ihrer deutlichen Mehrzahl Geschäftsleute, keine Akademiker.
Entgegen den Darstellungen der OECD
bestreitet heute niemand mehr ernsthaft,
dass es seit 15 Jahren zu einer deutlichen
Absenkung der Akademikergehälter gekommen ist. Vor kurzem hat noch ein Gericht die derzeitigen Einstellungspraktiken
für junge Juristen mit Einstellungsgehältern
von 1000 Euro pro Monat als sittenwidrig
gebrandmarkt. An einer nachhaltigen Ausbildung interessierte Jugendliche mit hohen Gehaltsversprechungen an die Uni zu
locken ist mehr als verantwortungslos.“
nicht zu viel. Der Absolvent bemerkt erst
spät, daß er sich trotz seiner wechselseitigen Fähigkeiten ein unzureichendes Halbwissen angeeignet und dennoch sein Studium länger als erwartet gedauert hat. Überall anpassen und ja nicht anecken entspricht hierbei dem Zeitgeist. Für den Absolventen lebenswichtig, aber für den Arbeitgeber zum Haare raufen.
Professor Dr. Klein greift hier das Überangebot an Akademikern auf und geht auf die
damit einhergehenden finanziellen Aspekte
ein – er vergißt zu erwähnen, daß das Vordiplom beziehungsweise der heutige Bachelor aus seiner Handlungs- und Praxisorientierung herausgelöst wurde. Soll heißen,
daß der Bachelor zunehmend vergeistigt
wurde und somit die tertiäre Hochschulausbildung eine vollständig theoretische geworden ist. Dies ist bei technischen Studiengängen verheerend und mit ein Grund,
warum die technischen Hochschulen im
Jahr 2010 das Diplom wiedereinführen
wollten. In einer 2013 vom Unternehmensberater Ernst & Young durchgeführten Absolventenbefragung gaben 63 Prozent der
Befragten an, daß sie „unzureichende praktische Erfahrungen gesammelt haben, die
sie aber für eine Karriere benötigen“.
Jugendliche zieht es wahrscheinlich aus
Gründen der gesellschaftlichen Reputation,
dem Interesse, dem späteren Berufswunsch
oder dem Uneinssein über ihre eigene Zukunft in ein Studium. Die Hochschullandschaft kann sich freuen, weil die globale Finanzierung der Hochschulen sich an den
Immatrikulationszahlen bemißt. Diese Zuwendung fließen unabhängig davon, ob
diese je ihr Studium absolvieren, wobei bekanntlich knapp ein Drittel der BachelorStudienanfänger ihr Studium nie beenden.
Je mehr Studienanfänger, desto mehr Finanzmittel für die Hochschule. Es scheint
ein willkommener Lösungsansatz für die
Budgetproblematik der Universitäten zu
sein. Diese Entwertung des Hochschulbereiches läuft parallel mit der Entwertung
des Ausbildungsbereiches.
Es wird also eine Bildung um des Bildungswillens betrieben und die Akademikerquote
als Parkplatz für jugendliche Arbeitslose genutzt, um diese aus der Statistik zu tilgen. Es
werden Massen an Studenten durch den
Verwaltungsapparat Hochschule geschleust,
ohne dabei ein Wort darüber zu verlieren,
daß eine Erhöhung der Quantität in den
meisten Fällen auf Kosten der Qualität geht.
Der Klassenkampf der Länder im internationalen Wertungsmarathon, gefolgt von mißlungener Bildungspolitik führt geradewegs
dazu, daß nicht nur der Druck auf die Universitäten steigt – da sie wünschenswerter
Weise die Akademiker aus dem Ärmel
schütteln sollen – sondern auch auf die Studenten. Durch den überlaufenden Akademikerarbeitsmarkt angespornt, beginnen
die Studenten sich einen Lebenslauf zu basteln, der ihnen jede Möglichkeit auf dem
Arbeitsmarkt offenhalten soll. Frei nach
dem Motto: Von allem ein bißchen, aber ja
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Das Ausbleiben der Entschleunigung des
Studiums sorgt nicht dafür, daß die Absolventen sich zu einer charakterfesten Persönlichkeit entwickeln. Und die es dennoch
geschafft haben, beenden als talentierte
Akademiker ihr Studium nur mit dem Bachelor, weil sie der Gängelei des Bildungssystems entkommen wollen. Aufgrund dessen und dem Rückgang der Ausbildungsqualität der Hochschulen beginnen immer
mehr Unternehmen damit, ihre eigenen Bildungseinrichtungen aufzubauen, um dieser
Mißwirtschaft in der tertiären Bildungslandschaft zu entkommen.
2014 stellt die gewerkschaftsnahe HansBöckler-Stiftung fest, daß die Anfängerzahlen an Hochschulen in den letzten zwölf
Jahren von 300.000 im Jahr 2000 auf über
500.000 im Jahr 2012 gestiegen sind. Die
Zahlen des dualen Systems sind hingegen
von etwa 600.000 im Jahr 2000 auf knapp
500.000 im Jahr 2012 gesunken und
schneidet sich im Jahr 2011 mit den Anfängerzahlen der Hochschulen. Alarmierend ist
aber, daß die Anfängerzahlen im Übergangssystem (Berufsfachschulen etc.) von
etwa 550.000 im Jahr 2003 auf etwa
250.000 im Jahr 2012 abgestürzt sind.
Der Bologna-Prozeß hat sukzessiv dazu beigetragen, das duale Ausbildungssystem zu
entwerten. Und die Regierung hat dem zugestimmt – im Wissen, daß man die Vorteile der praxis-, handlungs- und anwendungsorientierte Ausbildung zu Gunsten
der geisteswissenschaftlichen Bildung aufgibt. Wohl auch im Wissen, daß weltweit
vereinzelte Staaten darum bemüht sind,
daß deutsche Bildungssystem zu adaptieren. Länder wie Frankreich, China oder
Saudi-Arabien sind der Ansicht, daß ein solches Bildungssystem eine Bereicherung für
ihre Bildungsstruktur ist.
Fazit
Insgesamt läßt sich feststellen, daß durch
diverse Maßnahmen im Bildungssektor und
durch den Bologna-Prozeß mehr junge
Menschen eines Jahrgangs ein Studium
aufnehmen. Dieser positiven Entwicklung
stehen allerdings mehrere bereits genannte negative Effekte gegenüber. Einerseits erhöht sich parallel zur Erhöhung der
Zahlen der Erstsemester auch die Zahl der
Studienabbrecher, andererseits werden auf
Arbeitgeberseite nicht alle wissenschaftlich
Vorgebildeten, sondern eher praktisch Ausgebildete nachgefragt.
Außerdem wurden sukzessiv Studienbereiche auf das Bachelor/Master-System umgestellt, bis der point of no return für alle Studiengänge erreicht war. Eine fortlaufende Evaluierung des Prozesses hat scheinbar nicht
stattgefunden, so daß sich einige Universitäten und Fachbereiche auf den Weg zurück
zu den Diplomstudiengängen machen, was
die Zukunftsaussichten der Bachelor- und
Master-Absolventen noch mehr beeinträchtigt. Leidtragende des Prozesses sind die
Studenten, Professoren und Arbeitgeber,
und damit die gesamte Volkswirtschaft.
Die durchgeführte strategische Änderung
des Hochschulbildungssystems erfolgte unserer Meinung nach, um zweifelhafte politische Ziele durchzuboxen. Der Wert der
Wissenschaft geht zunehmend verloren
und durch die Verschulung des tertiären
Bildungsweges werden weitestgehend nur
noch Funktionseliten geschaffen. Um diesem Prozess noch eine erfolgreiche Kehrtwende zu geben, benötigt es den Reformwillen der hiesigen Entscheidungsträger
und konstruktive Beiträge der Zielgruppe.
In diesem wegweisenden Entwicklungsprozeß sollte es ermöglicht werden, nach dem
Bottom-up-Prinzip die intellektuelle Riege
einzubinden. Daher sei jeder Burschenschafter, Student und Auszubildender dazu
angehalten, sich in den Prozeß des intellektuellen und hochschulpolitischen Austausches einzubringen und Politiker und Bildungsexperten dazu anzuhalten, sich für
eine adäquate Anerkennung des bewährten, auf vielen Schultern ruhenden, wissenschaftlichen und beruflichen Bildungssystems einzusetzen.
„[Denn das] Überleben und die Wirtschaftskraft unseres Vaterlandes können nur dann
erhalten werden, wenn die Ausbildung
auch kommender Generationen von hoher
Qualität und frei von Ideologie ist“, bringt
es das Handbuch der Deutschen Burschenschaft treffend auf den Punkt.“
Heft 2 - 2015
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
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Volkstumsarbeit
Von Bruno Burchhart
Einen wichtigen Teil der Aufgaben der
Deutschen Burschenschaft nimmt der
„Volkstumsverein“ wahr. Ist doch in Bezug auf Volkstum in der DB-Verfassung
im Artikel 9 Absatz 2 festgelegt: „Pflicht
der Burschenschaften ist das dauernde
rechtsstaatliche Wirken für die freie Entfaltung deutschen Volkstums in enger
Verbundenheit aller Teile des deutschen
Volkes unabhängig von staatlichen Grenzen in einem einigen Europa in der Gemeinschaft freier Völker“. Diesen Auftrag
bewältigt weitgehend der „Burschenschaftliche Verein für Volks- und Minderheitenrechte in Europa e.V.“ (kurz Volkstumsverein). Neben dem Erziehungs- und
Bildungsauftrag, dem Lebensbund und
der Geselligkeit ist gerade diese Aufgabe heutzutage im freien demokratischen Europa eine äußert wichtige und
letztlich auch lohnenswerte. Besagt doch
der zitierte Verfassungsartikel, kurz auch
volkstumsbezogener Vaterlandsbegriff,
daß sich der Burschenschafter dem gesamten deutschen Volk anzunehmen hat.
und Verbandsbrüder zu motivieren, an dem
Aufgabegebiet teilzuhaben: Zahlreiche
Vorträge bei etlichen Bünden, bei Seminaren und Verbandstagungen sollten dies erreichen. Zwei große Seminare ermöglichten es jungen Verbandsbrüdern, an Ort und
Stelle – einmal in Südtirol (Brixen) und einmal in Ostbelgien (Brüssel-Löwen) – die Situation der Deutschen speziell in diesen
Gegenden persönlich kennenzulernen.
Gleichzeitig war es notwendig, vorhandene
Verbindungen zu erneuern und zu erweitern und neue aufzubauen. Dazu war es
Arbeit des Volkstumsvereins
Ziel ist unter anderem auch, das Wissen
voneinander und das Zusammengehörigkeitsbewußtsein der Deutschen in Europa
zu fördern und zu stärken. Einige Beispiele
von Hilfestellungen seien hier genannt: Ermöglichen von Noten-Ankäufen und Proben beim studentischen „Hugo Wolf-Kammerchor“ in Marburg/Drau (heutiges Slowenien), Kleider- und andere Spenden für
Kinder in Ostpreußen, Projekterstellung einer Mitgliederzeitung für die deutschen
Dieses deutsche Volk ist das größte autochthone Volk in Europa. Es siedelt auch in der
Mehrzahl der Staaten Europas: Gibt es doch
zahlreiche deutsche Volksgruppen außerhalb des binnendeutschen Raumes (Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Luxemburg, Liechtenstein und Teile der Schweiz),
und zwar in Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Estland, Frankreich, Italien Kroatien, Lettland, Litauen sowie Polen, Rumänien, Rußland, Serbien, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Ungarn und der Ukraine.
In dem großen europäishen Rahmen ist nun
der freie Personen- und Warenverkehr, eine
vielfältige Studionortwahl und Studentenaustauschprogramme sowie der freie Austausch von Wissenschaft, Technik und Kultur möglich, was für die Zukunft ungeheure
Möglichkeiten bietet. Auch die Burschenschaft, die immer für Freiheit und Vaterländisches eingetreten ist, hat hier ein breitgefächertes Aufgabenfeld.
Der Vorstand des Volkstumsvereins hat sich
in den vergangenen Jahren redlich
bemüht, etwas Ersprießliches zu erreichen.
Das war nicht immer leicht. Galt es doch zuerst einmal, brauchbare Strukturen zu
schaffen. Mit der seinerzeitigen (Vorgänger-)Stiftung war – keine Arbeit mehr
möglich. Sie wurde aufgelöst und der
Volkstumsverein gegründet: Fünf Jahre
mühsame Behörden-Bearbeitung waren
dazu nötig, bevor ein Neuanfang gestartet
werden konnte. Zunächst galt es, innerhalb
der Deutschen Burschenschaft die Bünde
Heft 2 - 2015
Im Namen des Burschenschaftlichen Vereins für Volks- und Minderheitenrechte in Europa überreicht Verbandsbruder Bruno Burchhard eine Bücherspende.
notwendig, an zahlreichen Kongressen der
deutschen Volksgruppen in vielen Ländern
Europas teilzunehmen, ebenso an solchen
der FUEV (Föderative Union Europäischer
Volksgruppen). Auch eine Erkundungsreise
zu den Deutschen in Mittel- und Südost-Europa zur Erforschung von evtuellen Bedürfnissen dort, brachte viele neue Kontakte
und Erkenntnisse. Auf diesen konnte dann
aufgebaut werden.
Wichtig war auch die Zusammenarbeit und
Kontakthaltung zu Organisationen, die auf
ähnliche Art versuchen, wirksam zu sein. Leider stehen auch dem Volkstumsverein keine
riesigen Gelder zur Verfügung. Gerade bei
den im mittel- und südosteuropäischen Bereich siedelnden Deutschen ist aber oft die
Präsenz, das Entwickeln von Projekten und
das Erarbeiten von Problemlösungen ebenso wichtig wie Finanzielles.
Gruppierungen in Slowenien. Burschentags-Antrag zur Forderung nach deutschem Muttersprachen-Unterricht für die
Volksdeutschen. In Zusammenarbeit mit
anderen Organisationen Forderung der
Deutschen Burschenschaft nach Durchsetzung der deutschen Sprache in der Eurpäischen Union: Das ergab sogar eine ausführliche Antwort vom Bundeskanzler
Österreichs! Versuch, die Burschenschaftshäuser für volksdeutsche Studenten zu öffnen sowie die Südtirol-Resolution der
Deutschen Burschenschaft, die allen EUAbgeordneten und den Fraktionen/
Parlamentsclubs in der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Österreich
zugeleitet wurde. Des Weiteren gab
es zahlreiche Artikel in Medien des
deutschen Sprachraumes sowie auch
Vorträge bei den Deutschen in etlichen
EU-Staaten.
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Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Im heurigen Jahr konnten zwei weitere Projekte wirksam vom Volkstumsverein unterstützt werden: Auf einer vom Obmann als
Reiseleiter geführten Fahrt konnte dem Vorsitzenden vom dortigen „Deutschen Volksverband“ Rudolf Weiss im Deutschen Haus
in Mariatheresiopel/Subotica (in der nordserbischen Provinz Wojwodina) eine erhebliche Bücherspende im Namen des burschenschaftlichen Volkstumsvereines überreicht
werden. Die Deutschen in Cilli/Untersteiermark (heute Slowenien) wollten eine eigene
Bibliothek beginnen. Auch hier konnte der
burschenschaftliche Volkstumsverein den
dortigen Obmann des „Deutschen Kulturvereines“ Andre Ajdic mit einer ansehnlichen Bücherspende unterstützen.
mitglieder – der Verbandsbrüder Gallin,
Merkel (Verbandsbruder R. Schröder ist leider verstorben) sowie meiner Person – endet, ist zu hoffen, daß die burschenschaftliche Volkstumsarbeit mit Idealismus und Erfolg weitergeführt werden kann.
Bruno Burchhart (Olympia Wien 1960)
Nachdem 2015 die maximal sechs Jahre
mögliche Vorstandsarbeit der Gründungs-
Fürst Otto von Bismarck-Veranstaltung
der VaB Salzgitter
1815 war ein bemerkenswertes Jahr: die
Schlacht bei Waterloo, der Wiener Kongress, die Gründung der Burschenschaft
in Jena sowie die Geburt eines der größten Staatsmänner der Neuzeit in
Deutschland – kaum zu entscheiden, welcher Aspekt für uns 200 Jahre danach der
wichtigste ist.
Spontan, nur eine Woche vor dem 1. April,
entschied sich der Vorstand der VaB Salzgitter dazu, auf den Salzgitteraner Bismarckturm zu einer Diskutierstunde mit
dem Titel „Sprechen wir über Bismarck!“
einzuladen. Rund 15 Teilnehmer fanden
sich ein, alle – wie vom Vorstand gewünscht
– gut vorbereitet, um das Phänomen „Bismarck“ zu enträtseln: Preußischer Junker,
Waffenstudent, Assessor (beider Rechte),
konservativer Ministerpräsident in Preußen,
Königstreuer, Eiserner Kanzler, Kulturkämpfer, Sozialistenhasser, Einiger des Reiches und, und, und. . .
Der Einganscantus trug auch die Jahreszahl 1815 – Ernst-Moritz-Arndts Lied „Sind
wir vereint zur guten Stunde“ wurde feier-
lich-kräftig intoniert. Dann trug in loser
Folge jeder Disputant die verschiedenen
Sichtweisen auf dem „Jubilar“ vor – Erfolge, Niederlagen, Kompromisse. Dabei
prägten einige Gesichtspunkte das Gesamtbild:
– Bismarck stand der burschenschaftlichen
Geschichte von deren Gründung im Gasthaus „Zur Tanne“ bis zur Paulskirchen-Verfassung kritisch gegenüber.
– Bismarck wurde in Göttingen nicht
Burschenschafter, da Pathos und Verherrlichung des „Tyrannenmordes“ ihm
missfielen – er wurde aktiv beim Corps
Hannovera.
– Bismarck war offensichtlich ein sehr eifriger Waffenstudent: in den ersten drei Semestern als Fux beziehungsweise Bursch
schlug er 25(!) Mensuren. Wegen seines
überschäumenden Temperaments mit arrogantem Einschlag hat er das Band der Hannovera aber bald verloren. Erst Jahrzehnte
später ist es ihm vom Altherrenbundvorsitzenden des Corps beim vierminütigen Auf-
enthalt seines Zuges auf dem Bahnhof in
Göttingen wieder umgehängt worden – sozusagen h.c.!
– Bismarck war ein glühender „Royalist“,
für den das Wohl seines Königs und
des Hauses Hohenzollern an erster,
zweiter und dritter Stelle rangierte. Für
die Kompetenzen des Parlaments hatte
er wenig Verständnis. Ihn wurmte es,
daß er als Kanzler ständig mit der liberalen
Reichstagsmehrheit Kompromisse aushandeln mußte. Das entzweite ihn
letztlich auch von denen, die als preußischer Adel seine geistige Heimstatt verkörperten.
– Bismarcks innenpolisches Meisterstück,
basierend auf den militärischen Erfolgen
von 1866 und 1870/71, ist und bleibt die
Schaffung des Zweiten Deutschen Reiches, obwohl ihm der bayrische
König Ludwig II. im letzten Verhandlungsgang die Steuerbegünstigung für
bayrischen Bier, bayrische Briefmarken
und die bayrische Eisenbahnen abgerungen hatte.
Mehr als zwei Stunden dauerte diese ungewöhnliche Art, gemeinsam eine große Persönlichkeit deutscher Geschichte und ihr
Wirken zu entschleiern. Manche Anekdote
aus seinen mehr als achtzigjährigen Leben
lockerte unsere burschenschaftliche Zusammenkunft auf. Auch der Abschlusscantus
unseres Burschenschaftertreffens erinnerte
an die Zeit um 1815 und die Familie Bismarck: Walter Flex – Erlanger Bubenreuther
und Hauslehrer bei Bismarcks' – „Wildgänse rauschen durch die Nacht“ ertönte:
„Wir sind wie ihr ein graues Heer und fahr'n
in Kaisers Namen“. Nach diesem Motto hat
der königstreue Bismarck sein Leben lang
gehandelt.
Die Corona beim Bismarck-Gedenken am 1. April 2015 im Bismarckturm Bad Salzgitter.
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Klaus Gossow
(Ghibellinia-Leipzig Hannover 1956, Plessavia Leipzig 1990)
Heft 2 - 2015
Geschichte
Burschenschaftliche
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Otto von Bismarck – Eine widersprüchliche
Figur der deutschen Geschichte
Von Jan Ackermeier
Auch im Jubiläumsjahr 2015 bleibt die
Persönlichkeit Otto von Bismarcks in all
ihren Facetten aus burschenschaftlicher
und historischer Sicht kein einfaches Betrachtungsfeld: Sozialdemokratenverfolger und Kulturkämpfer, Monarchist und
Reichseiniger, schneidiger Waffenstudent und dennoch kein Freund der Burschenschaften, genialer Außenpolitiker
und Schöpfer der Sozialgesetzgebung.
Der vorliegende Aufsatz soll dennoch
versuchen, das Leben und Wirken dieses
Ausnahmepolitikers – und hier vor allem
den Beginn seiner politischen Karriere –
in der gebotenen Kürze zu skizzieren.
Die Eltern Otto von Bismarcks, Ferdiand
und Louise, waren auf Grund ihres Altersunterschiedes, der sozialen Herkunft, des Bildungsgrades und der lebensweltlichen Prägungen ein recht inhomogenes Paar, das
menschlich nicht gut miteinander harmonierte – als glücklich wird man diese Ehe
kaum bezeichnen können. Doch bleibt es
reine Spekulation, auf die divergenten Erbteile zu verweisen, um Otto von Bismarcks
später oft widersprüchliche Persönlichkeit
plausibel erklären zu können. Ferdinand
und Louise jedenfalls hatten sechs Kinder,
von denen drei im frühen Kindesalter starben, die anderen drei – neben Otto der
1810 geborene Bernhard und die 1827 geborene Malwine – überschritten alle das
achtzigste Lebensjahr – wie der Vater das
siebzigste (die Mutter erlag knapp fünfzigjährig einem Krebsleiden). Otto von Bismarck ist am 1. April 1815 in Schönhausen
geboren, dem rund fünfzig Kilometer nördlich von Magdeburg nahe dem rechten Elbufer gelegenen Stammsitz der väterlichen
Familie. Aber nicht hier in Schönhausen,
sondern in Hinterpommern verlebte der
jüngere der beiden Söhne seine Kindheitsjahre, denn durch den Tod eines Vetters
erbten die Eltern die Rittergüter Kniephof,
Jarchelin und Külz im Kreis Naugard (nordöstlich von Stettin) und verlegten im Frühjahr 1816 den Wohnsitz der Familie von
Schönhausen auf das Gut Kniephof. Von
dort aus bewirtschafteten sie die drei Rittergüter, während Schönhausen verpachtet
wurde.
Bismarck ist später nicht müde geworden,
Kniephof als das Paradies seiner Kindheit
zu preisen. Doch die paradiesischen Jahre
in Kniephof dauerten nicht lange. Im Alter
von sechs Jahren mußte er die ländliche
Idylle mit der fernen Residenzstadt vertauschen: Die Eltern gaben ihn in eine Schüler-
Heft 2 - 2015
pension in Berlin, in der bereits der ältere
Bruder Bernhard untergebracht war. In der
Plamannschen Anstalt, in der vorwiegend
Söhne des ostelbischen Landadels ihre
Schulbildung erhielten, herrschte ein patriotischer Geist, der die Ablehnung alles
Französischen, Turnertum und Disziplin verband. Von einem „künstlichen Spartanertum“ hat Bismarck später gesprochen. An
die sechs Jahre, die er in dieser Erziehungsanstalt verbrachte, hat er sich sein Leben
lang mit Erbitterung und Abscheu erinnert.
1864 äußerte er sich zu einem engen Mitarbeiter: „Meine Kindheit hat man mir in der
Plamannschen Anstalt verdorben, die mir
wie ein Zuchthaus vorkam.“
Bismarck wird Corpsstudent
Am liebsten wäre er an die Universität Heidelberg gegangen. Aber seine Mutter war
dagegen, weil sie befürchtete, ihr Sohn
könne sich dort das von ihr verabscheute
Biertrinken angewöhnen. So fiel die Wahl
auf Göttingen, die Hochschule des jungen
Adels, der sich auf den Staatsdienst vorbereiten wollte. Anfang Mai 1832 immatrikulierte sich Bismarck als Student der Rechte
und der Staatswissenschaften, wenige Wochen später trat er dem Corps Hannovera
Göttingen bei. Bismarcks drei Göttinger
Semester sind von Legenden umrankt,
doch authentische Zeugnisse sind spärlich.
Zweifellos erlebte er diese Zeit als Befreiung von der bisher erduldeten Bevormundung. Der hochaufgeschossene und überschlanke Siebzehnjährige mit dichtem hellblonden Haar und einem Gesicht voller
Sommersprossen tauchte begeistert in ein
ausgelassenes studentisches Leben und
Treiben ein, mit Trinkgelagen und Schuldenmachen, provozierendem Gebaren und
Karzerstrafen. Intensiv engagierte sich Bismarck in seinem Corps und brillierte auf
dem Fechtboden. Seinem Bruder berichtete er im Jänner 1833, seit Michaeli sei er
vierzehnmal auf der Mensur gestanden und
habe „fast immer meinen Gegner glänzend
abgeführt. Wenigstens bin ich nur das eine
Mal blutig getroffen.“
Der junge Otto von Bismarck im Alter von
11 Jahren.
Wikimedia
Nach Auflösung der Plamannschen Anstalt
1827 besuchten die beiden jungen Bismarcks das Gymnasium, zunächst das
Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in der Friedrichstraße (1827–1830), dann Otto das
Gymnasium zum Grauen Kloster in der Klosterstraße (1830–1832). In dieser Zeit
wohnten die beiden Brüder in einer gemeinsamen Wohnung in Berlin, in der sie
von einer Haushälterin betreut wurden und
in der tüchtige Hauslehrer die Aufsicht führten und sich um die fremdsprachlichen
Fähigkeit ihrer Zöglinge bemühten. In diesen Jahren erwarb Bismarck seine – später
vielbewunderte – Fähigkeit, perfekt Französisch und fließend Englisch zu sprechen.
Noch nicht siebzehnjährig bestand Bismarck an Ostern 1832 das Abitur und
konnte jetzt an der Universität inskribieren.
Otto von Bismarck im Alter von 19 Jahren (1834)
als Student in Göttingen, gezeichnet 1893
von Christian Wilhelm Allers (1857-1915)
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Geschichte
Burschenschaftliche
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Zum Vorlesungsbesuch gibt es nur wenige
Angaben. Am Fachstudium scheint er kaum
Interesse gehabt zu haben; die einzige Vorlesung, die er eifrig besuchte, war die des
Historikers Arnold Heeren über das europäische Staatensystem. Auf die Frage,
was er studiere, war seine Antwort: „Diplomatie.“ Nach drei Göttinger Semestern
wechselte Bismarck im Winter 1832/33 für
drei weitere Semester an die Universität
Berlin. Die meistzitierten Zeugnisse aus dieser Zeit sind seine Briefe an den Göttinger
Corpsbruder Gustav Scharlach, abgefaßt in
jenem schnoddrig-burschikosen, von bissiger Selbstironie bis zu sprühendem Sarkasmus reichenden Ton, der im damaligen
Verbindungswesen gepflegt wurde.
Die engsten Gefährten seiner Berliner Studienzeit waren der baltische Aristokrat Graf
Alexander Keyserling und der Amerikaner
John L. Motley, die zu echten Lebensfreunden für Bismarck wurden. Motley, später
amerikanischer Botschafter in Wien und
London, ließ in seinem Jugendroman
„Morton's Hope“ (1839) Bismarck in der Figur eines Otto von Rabenmark auftreten:
„Auf der Kneipe und auf der Straße treibt
er es toll; auf seinem Zimmer, inmitten der
Pfeifen und Silhouetten, wirft er die Narrenmaske ab und redet mit Morton 'vernünftig'.“
Höchst erstaunlich ist indessen, daß wir
keinerlei Zeugnisse besitzen über die damalige politische Gesinnung Bismarcks,
dessen späteres Leben ganz in der Politik
aufging. Wenn er sein juristisches Studium
auch mehr lässig als eifrig betrieben hat –
im Mai 1835, zum frühestmöglichen Termin, bestand Bismarck die „Auskultatorprüfung“, wie man damals das Erste juristische
Staatsexamen nannte, mit „Recht gut“ in
Erklärung des Corpus iuris und „Hinreichend“ in Rechtstheorie.
Zielstrebig, die Diplomatenlaufbahn fest im
Blick, begann Bismarck die weitere Ausbildung – doch bald sollten die Dinge einen
anderen Lauf nehmen. Zunächst aber
durchlief er als „Auskultator“ die üblichen
Stationen am Berliner Kammergericht und
als Protokollführer beim Stadtgericht. Seinem Göttinger Corpsbruder Scharlach berichtete er, er lebe leidlich zufrieden; von
morgens acht bis abends acht sei er fleißig,
ziehe sich dann um und gehe in Gesellschaft. „Ich bin zwar fortwährend exzessiv
verliebt, wechsele aber häufig den Gegenstand meiner Neigung.“ Zugleich klagte er
über pekuniäre Unannehmlichkeiten, seine
„Alten“ seien in dieser Beziehung unduldsam, so komme es, daß er zwei sehr
drückende Posten in Göttingen immer
noch nicht bezahlt habe.
Noch ehe das erste Jahr der Referendarzeit
um war, entschloß sich Bismarck, von der
Justiz zur Verwaltung überzutreten. Er hatte
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nämlich erfahren, daß der preußische
Außenminister keine hohe Meinung von
der Eignung ostelbischer Junker fürs diplomatische Geschäft habe. Daher erschien
ihm die Verwaltung als eine günstigere
Ausgangsposition für eine Bewerbung als
die Justiz. So richtete er im Jänner 1836 ein
Gesuch an den Aachener Regierungspräsidenten, das erforderliche Examen in Aachen ablegen zu dürfen. Auf ein rheinisches
Präsidium fiel die Wahl, weil der Kursus dort
kürzer war als in den alten Provinzen. Das
Gesuch wurde bewilligt. Die beiden Prüfungsarbeiten und auch die mündliche Prüfung bestand Bismarck mit gutem Erfolg
und Anfang Juli 1836 erfolgte die Vereidigung und die Beförderung zum Regierungsreferendar.
schen Provinziallandtag gewählt. Über dem
immer wieder genüßlich ausgemalten Bild
vom „tollen Bismarck“ der pommerschen
Jahre darf nicht übersehen werden, daß
der nun als Landwirt Tätige sich rasch und
konzentriert in agrarische Fragen eingearbeitet hat, sich kundig machte über Bodenqualitäten und Wertverhältnisse von Gütern, aktuelle landwirtschaftliche Fachliteratur konsultierte, in agrarischen Gesellschaften aktiv war und Grundsätze moderner betriebswirtschaftlicher Führung praktizierte,
bei strikter Beschränkung von Ausgaben
und persönlichem Aufwand. So gelang es,
die heruntergekommenen Güter in relativ
kurzer Zeit wieder in die Höhe zu bringen
und sie – wenn auch immer noch verschuldet – gewinnbringend zu bewirtschaften.
In seiner Aachener Zeit entflammte der
Zweiundzwanzigjährige in leidenschaftlicher Zuneigung zu einer siebzehnjährigen
Britin, Isabella Loraine Smith aus englischem Landadel, und stürzte sich für sie in
weitere Schulden und überschritt ihr zuliebe seinen Urlaub unerlaubt. Am Ende
heiratete sie einen älteren englischen
Oberst, während sich Bismarck in Aachen
unmöglich gemacht hatte. Er beantragte
daher die Versetzung ans Regierungspräsidium Potsdam, die auch gewährt wurde.
Wie der Aachener Regierungspräsident mit
feiner Ironie schrieb, sollte ihm ermöglicht
werden, „zu einer angestrengteren Tätigkeit in den Amtsgeschäften zurückzukehren, nach welcher Sie bei den gesellschaftlichen Verhältnissen in Aachen vergeblich
strebten“.
Vergeblich warb er 1841/42 um die Hand
der Gutsbesitzertochter Ottilie von Puttkamer auf Pansin. Das war für Bismarcks
Selbstwertgefühl ein schwerer Schlag, den
er mit einer mehrmonatigen Reise nach
Schottland, England, Frankreich und die
Schweiz zu kompensieren suchte. „Halb
und halb geheilt“ kehrte er zurück, wie er
einen Freund wissen ließ; ihm seien „die
Freiersfüße gänzlich erfroren, und ich kann
mir gar nicht denken, wie das Wesen beschaffen sein müßte, welches mich in Versuchung führen sollte, mich um ihre Hand
zu bewerben“.
Die Tätigkeit in Potsdam war nur von kurzer
Dauer. Zum einen trat Bismarck jetzt seinen
lange hinausgezögerten Militärdienst an
(bei den Gardejägern), zum anderen reifte
im Sommer 1838 sein Entschluß, aus dem
Staatsdienst auszuscheiden und „ein Leben
in Freiheit als Gutsherr“ zu führen. Seiner
Cousine, die ihn beschwor, im Staatsdienst
zu verbleiben, schrieb er „daß, vom
rein materiellen Standpunkt aus betrachtet,
ich meine Tätigkeit vorteilhafter in der
Landwirtschaft als im Staatsdienst verwerte“.
Die Entlassung aus dem Staatsdienst beantragte er im Oktober 1839 und bewirtschaftete anschließend zwei Jahre zusammen
mit seinem Bruder von Kneiphof aus die
Güter mit 550 Hektar Ackerland, Wiesen
oder Weiden, Wälder und Wasserflächen
gemeinsam – für pommersche Verhältnisse
kein übertrieben großer Landbesitz.
Erste politische Erfahrungen
In dieser Zeit wurde Bismarck Kreisdeputierter und vertrat in dieser Funktion mehrfach den Landrat, ferner wurde er zum ritterschaftlichen Abgeordneten im pommer-
Solang es darum ging, die pommerschen
Güter zu sanieren und zu wirtschaftlichem
Erfolg zu führen, fand Bismarck Genügen
an der Tätigkeit als Gutsherr und genoß
den lebhaften gesellschaftlichen Verkehr im
Kreis der pommerschen Standesgenossen.
Doch als das Ziel einer wirtschaftlichen
Konsolidierung erreicht war, wurde ihm der
Wirkungskreis zu eng, es stellte sich tiefe
Unzufriedenheit mit dem Landjunkerdasein
ein. Gegenüber Scharlach klagte er über
„eine an Lebensüberdruß grenzende Gelangweiltheit durch alles, was mich umgibt“.
Es folgte daher sein Antrag auf Wiederaufnahme in den Vorbereitungsdienst beim
Potsdamer Regierungspräsidenten im April
1844. Der Antrag wurde bewilligt, allerdings mit einem frostigen Zusatz, in dem
auf den mangelnden Eifer bei der früheren
Beschäftigung hingewiesen wurde. Nach
dem Dienstantritt am 2. Mai erbat Bismarck
einen Urlaub, aus dem er wieder nicht
zurückkehrte.
Als Bismarcks Vater verstarb, übernahm er
das väterliche Gut Schönhausen in der Altmark, wohin er im Jahr 1845 übersiedelte
und wurde einige Zeit später Deichhauptmann – es war sein erstes selbstständiges
öffentliches Amt. Auch politisch wurde er in
Schönhausen tätig. So setzte er sich stark
für die Bewahrung gutherrlicher Selbständigkeit ein und wandte sich dezidiert ge-
Heft 2 - 2015
Geschichte
gen die von der Regierung angestrebte
Ausweitung staatlicher Befugnisse. Hier kooperierte er eng mit einflußreichen konservativen Standesgenossen, insbesondere
mit Ernst Ludwig von Gerlach, der als
Speerspitze der preußischen Konservativen
agierte.
Kurz vor Weihnachten 1846 warb Bismarck
um die Hand von Johanna von Puttkammer, die er seit 1844 kannte und in deren
pietistischem Freundeskreis er sich gleichfalls bewegte. Im Jänner 1847 verlobten
sich die beiden und bereits im Juli des Jahres folgte die Hochzeit in der Dorfkirche zu
Altkolziglow. Zu diesem Zeitpunkt stand im
Mittelpunkt des allgemeinen Interesses die
von König Friedrich Wilhelm IV. angekündigte Einberufung eines „Vereinigten Landtages“, eines Ständeparlaments, zusammengesetzt aus den Mitgliedern aller Provinziallandtage. Bismarck wollte unbedingt
Mitglied dieses Vereinigten Landtages werden, kam aber über eine Stellvertreterschaft für einen Abgeordneten zunächst
nicht hinaus. Erst eine Erkrankung des Abgeordneten von Brauchitsch sorgte dafür,
daß Bismarck – als jüngstes Mitglied – im
Mai 1847 in den Landtag einzog. Als der
Landtag im Juni geschlossen wurde, war
der bis dahin nicht über sein lokales Umfeld
hinausgetretene altmärkische Junker ein in
ganz Preußen bekannter Mann, mit dem
scharfkantigen Profil eines bedingungslosen Vorkämpfers der Krone, der Prototyp
eines ultrakonservativen Heißsporns. Bereits nach seiner ersten Rede nahm die gesamte liberale Presse ihn voller Entrüstung
ins Visier und machte aus ihm eine Figur,
die halb Schreckgespenst, halb lächerlicher
Popanz war.
Bismarck war trotz seiner hohen Stimme ein
talentierter Redner. Und da talentierte Redner in den Reihen der Konservativen dünn
gesät waren, vermochte sich der junge Abgeordnete durch weitere Reden sowie
durch eifrige Kontaktpflege rasch ins vorderste Glied seiner „Fraktion“ zu manövrieren. Doch erst der unerwartete Ausbruch
der Märzrevolution 1848 eröffnete für Bismarcks Wirken völlig neue Perspektiven.
Zunächst schien es so, als ob Bismarcks
eben erst verheißungsvoll begonnene politische Laufbahn durch die Berliner Ereignisse des 17. und 18. März ein abruptes
Ende finden würde, denn in der neuen politischen Ordnung konnte der als erzreaktionär und ultraroyalistisch abgestempelte
Junker schwerlich eine herausragende
Rolle spielen. Doch schon bald zeigte sich,
daß die Märzrevolution für ihn einen
Glücksfall bedeutete. Durch den Verlauf
der Ereignisse einerseits, durch die Art und
Weise seines Agierens andererseits fand er
binnen eines Jahres auf die politische
Bühne zurück und sicherte sich einen Platz
in der vordersten Reihe der konservativen
Gegner der Revolution.
Heft 2 - 2015
Burschenschaftliche
Blätter
Als er von den Vorgängen in Berlin hörte,
versuchte er zunächst, die Generale in Potsdam zu überzeugen, gegen die Revolutionäre mit militärischer Gewalt vorzugehen. Erst das Veto des Königs beendete die
sich über mehrere Tage hinziehenden Sondierungen wegen einer gegenrevolutionären militärischen Aktion. Diese Episode trug Bismarck die Todfeindschaft der
Prinzessin Augusta, Gattin des Kronprinzen
Wilhelm und spätere Kaiserin ein, die seit
jeher liberalen Ideen anhing und Bismarck
Zeit ihres Lebens verachtete. Dies stellte für
ihn eine schwere Belastung dar, als er später an die Spitze der Regierung getreten
war.
Als der Landtag Ende April 1848 aufgelöst
wurde, dachte Bismarck nicht an eine Kandidatur zur Frankfurter Nationalversammlung, sondern kehrte auf sein Gut nach
Schönhausen zurück. Dennoch blieb er
nicht tatenlos, sondern wurde ein eifriger
Mitarbeiter der seit 4. Juli 1848 erscheinenden konservativen „Kreuzzeitung“ (eigentlich „Neue Preußische Zeitung“), die in der
Wahl der Mittel, mit denen die politischen
Gegner bekämpft wurden, keine Zimperlichkeit an den Tag legte.
1849 zog Bismarck erneut in den Landtag
ein und blieb weitere zwei Jahre Abgeordneter. Bereits in der damaligen Zeit machte
er seine Einstellung gegenüber einer möglichen deutschen Einheit klar: Wenn ein
deutscher Nationalstaat nur mit weitgehenden preußischen Konzessionen erkauft werden konnte, dann sollte Preußen lieber
Preußen bleiben. Nach dem Scheitern des
Paulskirchenparlaments hatte die preußische Führung eine deutschlandpolitische
Offensive eingeleitet, deren Ziel die Schaffung eines deutschen Bundesstaates ohne
die Habsburgermonarchie war.
Bismarck als Bundestagsgesandter in Frankfurt 1858
Wikimedia
Als Österreich unter Führung des Fürsten
Felix Schwarzenberg im Mai 1850 den
Deutschen Bund in Frankfurt wiederkonstituiert hatte, wurde Bismarck am 18. August
1851 auf Betreiben Leopold von Gerlachs
durch Friedrich Wilhelm IV. zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt ernannt. Die Stellung in Frankfurt war
nach seiner eigenen Einschätzung zu dieser
Zeit der wichtigste Posten in der preußischen Diplomatie. Seine Ernennung wurde
in der Öffentlichkeit als Zeichen für den
Sieg der sozialen und politischen Reaktion
sowie als Kapitulation Preußens gegenüber
Österreich gewertet. Die Entscheidung der
preußischen Regierung im Jahr 1854 (vor
dem Hintergrund des Krimkrieges), das
Schutz- und Trutzbündnis mit Österreich zu
erneuern, stieß bei Bismarck auf Kritik. Als
Österreich sich danach offen gegen Rußland wandte, gelang es Bismarck 1855,
durch geschicktes Taktieren den Antrag der
Österreicher zur Mobilisierung der Bundestruppen gegen Rußland abzuwenden. Dieser Erfolg ließ sein diplomatisches Ansehen
zunehmen. Nach der Niederlage Rußlands
im Krimkrieg plädierte er in verschiedenen
Denkschriften für eine Anlehnung an das
Zarenreich und an Frankreich, durch die er
Österreich weiter zu schwächen hoffte.
Aufstieg als Diplomat
Im Jänner 1859 wurde Bismarck als Gesandter nach St. Petersburg versetzt und im
Mai 1862 wurde er preußischer Gesandter
in Paris. Die elf Jahre als preußischer Gesandter in Frankfurt, St. Petersburg und Paris waren Bismarcks diplomatische Lehrund Gesellenjahre, in denen er seinen Gesichtskreis erweiterte und eine Fülle von Erfahrungen auf allen Politikfeldern sammelte, in denen er genaue Vorstellungen
von den Interessenlagen der Großmächte
und der Mittelstaaten gewann und die
wichtigsten politischen Akteure auf der
deutschen und der internationalen Szene
persönlich kennenlernte – auch deren Wesenszüge, Ziele und Ambitionen. Daher war
ihm das deutsche wie das europäische Terrain bestens vertraut, als er im September
1862 an die Spitze der preußischen Regierung berufen wurde.
Mit der Ernennung zum Ministerpräsidenten und Außenminister hatte Bismarck erreicht, was seit langem Ziel seines Ergeizes
war. Allerdings waren die Umstände, unter
denen er siebenundvierzigjährig das Amt
übernahm, keineswegs die ihm erwünschte
Konstellation. Seit Jahren galt sein Hauptinteresse der Außenpolitik: Preußens Stellung in Deutschland und Europa zu festigen
und auszubauen. Aber nicht, um eine kühn
ausgreifende Außen- und Deutschlandpolitik zu betreiben, wurde Bismarck berufen,
sondern als Nothelfer in einer nahezu ausweglos erscheinenden innenpolitischen Krisensituation. Nur weil der Monarch im Kon-
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Geschichte
Burschenschaftliche
Blätter
flikt mit dem Parlament mit dem Rücken zur
Wand stand, konnte er sich entschließen,
den Mann an die Spitze der Regierung zu
stellen, gegen den er lange erhebliche Vorbehalte gehabt hatte, darin bestärkt von
seiner Familie.
Bismarck versuchte zu Beginn der Amtszeit
vor allem mit den Liberalen einen Kompromiss zu finden, was ihm allerdings mißlang.
Der Versuch, eine Verständigung zwischen
Parlament und Krone anzubahnen, ging
gründlich daneben. Wirkung entfalteten
dagegen die Sätze, mit denen Bismarck
eine aktivistische Außenpolitik anbahnte.
Die eingängigen Worte von „Blut und Eisen“ haften ihm bis heute an. Nach dem
Scheitern der Verständigungsversuche
ging das Kabinett ganz auf Konfrontationskurs.
Die Härte des preußischen Ministerpräsidenten sollte wenige Jahre später ihre erste große außenpolitische Prüfung erfahren. Die Dänen machten sich daran, Schleswig und Holstein durch Geistliche, Lehrer
und Beamte für ihren Staat zu gewinnen.
1863 hatten sie sich in einem beispiellosen
Gewaltakt Schleswig einverleibt und ließen
nun nichts unversucht, diese Teile Deutschlands ganz und gar zu „dänisieren“.
Preußen und Österreich gingen 1864 im
Deutsch-Dänischen Krieg gemeinsam militärisch gegen die Dänen vor und siegten.
Im Frieden von Wien mußte Dänemark „auf
ewig“ auf die Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg verzichten. Die gemeinsame Führung der zurückgewonnenen
Gebiete führte zu Spannungen zwischen
Preußen und Österreich. Es kündigte sich
eine Auseinandersetzung an. Daß Österreich ein Bestandteil Deutschlands wie
etwa Bayern, Sachsen oder Preußen war,
stand für jeden außer Frage. Auch Bismarck
sah Österreich zu keinem Zeitpunkt als
„Ausland“. Jedoch bestand für ihn kein
Zweifel daran, daß die staatliche Einheit
Deutschlands im 19. Jahrhundert nur ohne
Einschluß Österreichs zu erreichen sei. Er
verachtete die Politik des österreichischen
Fürstenhauses Habsburg, die lediglich auf
Hausmachtgedanken ausgerichtet war und
sah keinen Weg, den Vielvölkerstaat in das
künftige Deutschland zu integrieren.
Im Jahre 1866 begann der deutsche Bruderkrieg zwischen Preußen und Österreich,
der den deutsch-deutschen Dualismus und
die Vormachtstellung in Deutschland entscheiden sollte. Die Preußen schlugen die
Österreicher vernichtend in der Schlacht
bei Königgrätz in Böhmen und besiegten
auch deren Verbündete in Nord- und Süddeutschland. Hannover, Kurhessen, Nassau
und Frankfurt am Main wurden Preußen zugeschlagen. Geschont wurde vor allem
Österreich und der folgende Friedensschluß zwischen den beiden großen deutschen Mächten war maßvoll. Bismarck ver-
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zichtete auch auf jede Demütigung und
Kränkung der Österreicher. Der Ministerpräsident, der über diese Frage sogar eine
ernsthafte Auseinandersetzung mit seinem
König nicht scheute und seinen Rücktritt
androhte, versuchte alles, um Österreich
die Niederlage so erträglich wie möglich zu
machen. Damit erhielt er Österreich als
möglichen Bündnispartner und legte den
Grundstein für einen zukünftigen Weg des
Landes zurück in den Verbund der deutschen Länder. Die Jahre von 1862 bis 1870
stellen sich aus heutiger Sicht als Vorspiel
zur Einheit der Deutschen in einem gemeinsamen Staatsverband dar. Bismarck
war es gelungen, den norddeutschen Raum
zu einigen und einen großen Teil der süddeutschen Staaten fest an Preußen zu binden. Damit war der Weg zur Schaffung des
Reiches frei. Der Preis aber war hoch:
Österreich war, jedenfalls fürs erste, von
der Entwicklung ausgeschlossen.
Der vom Norddeutschen Bund und den
süddeutschen Ländern im Krieg gegen
Frankreich gemeinsam errungene Sieg wird
von Bismarck sofort politisch genutzt. Am
18. Januar 1871 wird Wilhelm I. im Spiegelsaal von Schloss Versailles zum deutschen
Kaiser proklamiert und der einheitliche
deutsche Nationalstaat ausgerufen. Otto
von Bismarck wird zum ersten Kanzler dieses neu geschaffenen Reiches. Aufgrund
seiner Größe, seiner militärischen Stärke
und der rasant wachsenden Industrialisierung wird Deutschland zur stärksten politischen und wirtschaftlichen Macht in Europa. Doch kaum ist dieses Ziel erreicht,
tauchen Probleme an der innenpolitischen
Front auf.
Der „Eiserne Kanzler“
„Der Lotse geht von Bord“ (im englischen Original:
„Dropping the Pilot“). Karikatur von Sir John Teniel,
abgedruckt im englischen Magazin Punch. Oben
Kaiser Wilhelm II., Reichskanzler Otto von Bismarck
muß das Schiff verlassen.
Wikimedia
genannten Dreikaiserjahr 1888 zuletzt Wilhelm II. Kaiser wird, sind die Tage Bismarcks gezählt. Anders als seine Vorgänger
möchte der neue Regent die Machtbefugnisse Bismarcks beschneiden. Es kommt
zum Zerwürfnis und schließlich zum Rücktritt des Reichskanzlers. Die Ära Bismarck
endet im März 1890.
Der Mann, dem die Schaffung des Deutschen Reiches gelang, war zweifellos der
bedeutendste deutsche Staatsmann des
19. Jahrhunderts – und er ist zugleich
höchst umstritten. Nicht nur bei den Zeitgenossen gingen die Meinungen über ihn
weit auseinander, auch in der historischen
Mit scharfen Gesetzen versucht Bismarck,
die Sozialisten, in denen er eine Gefahr
sieht, in die Schranken zu verweisen.
Fast gleichzeitig liefert er sich mit der
katholischen Kirche
und der ihr nahe
stehenden
Zentrumspartei
eine
harte Auseinandersetzung. Im sogenannten
Kulturkampf entkräftet er
den klerikalen Einfluß auf den Staat
und führt die Zivilehe bindend ein.
Darüber
hinaus
sorgt er mit fortschrittlichen sozialen Reformen für
eine Verbesserung
der Lebensbedingungen der Arbei- Otto von Bismarck mit seinen Hunden Tyras II und Rebecca in Friedrichsruh,
terschaft. Als im so- aufgenommen am 6. Juli 1891.
Heft 2 - 2015
Geschichte
Erinnerung bleibt sein Bild durch scharf
kontrastierende Bewertungen gekennzeichnet – anders als bei Spitzenpolitikern
des 20. Jahrhunderts wie etwa Konrad
Adenauer oder Willy Brandt, bei denen die
erbitterten zeitgenössischen Gegnerschaften im Ablauf der Zeit in der kollektiven Erinnerung zumeist einem milderen, auf Konsens gestimmten Urteil Platz gemacht haben. Warum scheiden sich an Bismarck bis
heute die Geister? Die Antwort ist in zwei
Richtungen zu suchen, zum einen in der unterschiedlichen Bewertung seines „Erbes“,
zum anderen in der Ausformung eines Bismarck-Mythos, der mit dem „wirklichen“
Bismarck nur noch wenig zu tun hatte.
Welches „Erbe“ hinterließ Bismarck der
deutschen Nation? Der von der großen
Mehrheit der Deutschen begeistert begrüßte kleindeutsche Nationalstaat, wesentlich von Bismarck geschaffen und durch
zwei Jahrzehnte konsequenter Friedenspolitik im europäischen Mächtesystem verankert, ist nach den Katastrophen des 20.
Burschenschaftliche
Blätter
Jahrhunderts häufig als eine problematische Schöpfung eingestuft worden, denn
sie habe das europäische Gleichgewicht
destabilisiert. Diese Behauptung geht
ebenso in die Irre wie die Ansicht, das Bismarckreich habe sich als ein extrem instabiles und kurzlebiges Gebilde erwiesen. Gewiß, die Monarchie in Deutschland hat die
Niederlage im Ersten Weltkrieg nicht überdauert, wohl aber das Reich; gerade in dessen Bestehen über die Niederlage hinaus
sah Stresemann den „Beweis für Bismarcks
Werk“. Manches, was in den Jahren der
deutschen Teilung geschrieben wurde, als
der deutsche Nationalstaat ein für allemal
erledigt schien, ist inzwischen revisionsbedürftig – denn war es nicht das kleindeutsche Reich von 1871, das 1989/90 die Vorstellung von der Einheit aller Deutschen bestimmt hat? Darin liegt der beste Beweis für
die Lebensfähigkeit des staatlichen Gebildes, das Bismarck geschaffen und mit sicherer Hand durch die ersten Jahrzehnte
seiner Existenz geführt hat. Trotz territorialer Amputationen und Deutscher, die auch
heute noch außerhalb der Grenzen
der Bundesrepublik
Deutschland leben,
besteht ein deutscher Nationalstaat.
sein, hat er auch nie behauptet –, eine
deutsche Demokratie kann ihn füglich nicht
als einen ihrer Ahnherren oder Promotoren
feiern. Wesentliche Teile der Ziele und Methoden seines innenpolitischen Vorgehens
verfallen herben Verdammungsurteilen,
der Kulturkampf, die Durchsetzung der
Schutzzollpolitik,
die
rücksichtslose
Bekämpfung der Sozialdemokratie. Auch
wenn Bismarck dafür jeweils parlamentarische Mehrheiten gewann, so lag die Initiative und entscheidende Verantwortung
doch fraglos bei ihm, und der harte, oft brutale Umgang mit dem politischen Gegner
hat tiefe Spuren im kollektiven Bewußtsein
der Deutschen hinterlassen. An die negativen Auswirkungen von Bismarcks politischer Kampfesweise auf die politische Kultur in Deutschland zu erinnern, wird die
zeitgeistige Geschichtsschreibung nicht
müde, zumal sie von den geistigen Nachfahren jener Gruppierungen dominiert
wird, die zu Bismarck in schärfstem Gegensatz standen, Linksliberalen, Sozialdemokraten, Katholiken. Es mögen allerdings Zweifel erlaubt sein, ob ein einzelner
– und sei er auch noch so mächtig –
die „politische Kultur“ eines Zeitalters in so
maßgeblicher Weise allein zu prägen
vermag, wie es Bismarck oft unterstellt
wird.
Schwerer wird man
sich mit dem Urteil
über Bismarcks innenpolitisches Erbe
tun. Der Reichskanzler war kein Demokrat – das zu
Bei der kritischen Beurteilung von Bismarcks innenpolitischen Erbe sollte zudem
nicht dessen Ambivalenz übersehen werden. Zum Bild gehören auch planvolle Modernisierungsmaßnahmen, die Ausbildung
einer funktionierenden bundesstaatlichen
Ordnung und eines modernen Verwal-
Das Bismarck-Denkmal im alten Elbpark in Hamburg ist mit über 34 Metern Gesamthöhe größte Bismarck-Standbild weltweit.
GeorgHH/Wikimedia/CC
Heft 2 - 2015
Die Bismarcksäule – eine 23 Meter hohe Feuersäule – in Dresden-Räcknitz beruht
auf dem Entwurf „Götterdämmerung“ des Architekten Wilhelm Kreis, der auch
das Burschenschaftsdenkmal in Eisenach entwarf.
X-Weinzar/Wikimedia/CC
89
Geschichte
Burschenschaftliche
Blätter
tungsstaats sowie die ersten Schritte auf
dem Weg zum modernen Wohlfahrtsstaat
durch die Einführung der Sozialversicherung. Hinter die Behauptung von der Zukunftslosigkeit der von Bismarck geschaffenen inneren Ordnung dürfte ein Fragezeichen zu setzen sein.
Wo stehen wir heute? Gewiß geht uns Bismarck nach wie vor etwas an, immer noch
übt diese ungemein komplexe Persönlichkeit, bei der neben Licht auch Schatten anzutreffen ist, große Faszination auf die
Nachlebenden aus. Aber nachdem die
Kämpfe jener Jahre uns nicht mehr unmittelbar bewegen, endgültig Vergangenheit
sind, ist die Zeit für eine konsequente Historisierung Bismarcks gekommen. Der Instrumentalisierung im Dienste dieser oder
jener Ideologie ist ebenso eine Absage zu
erteilen wie der nicht selten praktizierten
Stilisierung Bismarcks zum allmächtigen
Übermenschen, den man dann dämonisiert
und dem alle Fehlentwicklungen der jüngeren deutschen Geschichte zur Last gelegt
werden. Vielmehr gilt es, in einer an Quellen orientierten unvoreingenommenen Beschäftigung mit Persönlichkeit und Wirken
Otto von Bismarcks diesen auf menschliches Maß zu bringen. Man nimmt dem
Reichsgründer dadurch nichts von seiner
Bedeutung.
Briefmarke und Münze anläßlich des 200. Geburtstages von Otto von Bismarck.
Unser Autor Verbandsbruder Mag. Jan Ackermeier, geboren
1978, Alter Herr der Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu
Bielefeld sowie der Wiener akad. Burschenschaft Teutonia, studierte Politikwissenschaft in Bielefeld und Wien und schrieb seine
Magisterarbeit 2012 zu „Privaten Gewaltakteuren und ihre Auswirkungen auf Staatlichkeit am Beispiel des Drogenkriegs in Mexiko“. Von 1997 bis 2005 war er Zeitsoldat bei der Panzergrenadiertruppe und zuletzt Oberleutnant. Seit 2008 ist er Parlamentarischer Mitarbeiter im Nationalratsklub der FPÖ und war seit
2007 zunächst als freier Redakteur, von 2011 bis 2015 dann als
Chef vom Dienst bei der nationalkonservativen österreichischen
Wochenzeitung Zur Zeit beschäftigt. Darüber hinaus publizierte
er zahlreiche Texte zu politischen und historischen Themen in vielen Medien des „Dritten Lagers“ in Österreich, darunter auch
mehrere Buchbeiträge.
Das kleine 1x1 der Kennung der Burschenschaften und der Beireitungen
Bei einigen Verbandsbrüdern tauchte die
Frage auf, wie sich die Kennungen des
Dachverbands ergeben. Aus diesem Grund
haben wir uns entschlossenen, daß wir einen kleinen Exkurs unternehmen.
Als kleines Beispiel nehmen wir folgende
Kennung: 1HB04.
Die 1 steht für die Aktivitas, wenn es um
den jeweiligen Altherrenbund gehen
würde, würde dort eine 2 stehen.
HB steht für den Ort; damit ist natürlich
nicht die Hansestadt Bremen gemeint. H
steht für den Anfangsbuchstaben des Ortes, B zeigt an, daß es sich um den zweiten
Ort in alphabetischer Reihenfolge mit einem H handelt, hier also Hannover. Hamburg hat zum Beispiel HA, Heidelberg HC.
Halle kommt im Alphabet zwar vor Hannover, da die Kennungen aber vor der Wiedervereinigung 1990 eingeführt worden
waren, gilt hier die Ausnahme mit HD.
Die hintere Zahl gibt an, daß es sich um
den vierten Bund in alphabetischer Reihenfolge vor Ort handelt. Sollte ein neuer
90
Bund bei einem Hochschulort hinzu kommen, so erhält er die nächste fortlaufende
Nummer. Selbst wenn ein Bund nicht
mehr existent ist oder die DB verlassen
hat, bleibt dessen Kennung weiterhin bestehen.
Bei 1HB04 handelt es sich also um die Aktivitas der Hannoverschen Burschenschaft
Ghibellinia-Leipzig.
Bei Beireitungen folgt nach der Kennung
die Konkretisierung, wie zum Beispiel bei
dieser fiktiven Beireitung: 1HB04/Daten15/2.
Es handelt sich um die o.g. Aktivitas, die
beigeritten wird, da Sie das Datenblatt
nicht fristgerecht im Sinne der Beireitungsordnung der Deutschen Burschenschaft eingereicht hat. Die 2 am Schluß
der Beireitungskennung zeigt an, daß es
sich hierbei schon um die zweite Beireitung in derselben Sache handelt.
Die Beireitungsordnung der Deutschen
Burschenschaft erlaubt maximal drei Beireitungen in einer Sache. Nach der Nicht-
zahlung der dritten Beireitung kann die
Vorsitzende Burschenschaft die säumige
Mitgliedsvereinigung vor den Verbandsrat
zitieren und dort deren Suspension bis
zum nächsten Burschentag beantragen.
Da einige Zahlungen nicht direkt von den
Konten der Bünde, sondern von einer
natürlichen Person getätigt werden, ist es
teilweise sehr beschwerlich diese ordnungsgemäß zuzuordnen, wenn keine
Bundeskennung im Überweisungstext vorhanden ist, respektive bei Beireitungen
die komplette Kennung fehlt. Aus diesem
Grund bitten wir alle Einzahler bei Tätigung der Überweisungen die exakte Kennung aufzuschreiben, um uns unnötige Arbeit zu ersparen.
Volker Ralf Lange (Raczeks Breslau zu
Bonn) & Wilhelm E. Nordmeier (Ghibellinia-Leipzig Hannover, Germania Leipzig,
Raczeks Breslau zu Bonn)
Heft 2 - 2015
Personalien
Personalien
Fabricius-Medaille für
Dr. Walter Egeler
Im Rahmen des Frühjahrsconvents des
Convents Deutscher Akademikerverbände
(CDA) im fränkischen Städtchen Aub erhielt
Verbandsbruder Dr. Walter Egeler (Hohenheimia Stuttgart 1968-2009, Ehrenmitglied
der Burschenschaft Arminia zu Leipzig
2000) am Samstag, den 28. März 2015 die
Fabricius-Medaille verliehen. Die Laudatio
hielt mit Herrn Rechtsanwalt und Notar a.D.
Klaus Gerstein (Corps Rheno-Guestphalia
Münster, Corps Rhenania Tübingen) ein
namhafter Studentenhistoriker. In seiner
Laudation ging er neben den Verdiensten
von Dr. Egeler auf die Ambivalenz von Burschenschafter und Corpsstudent ein und
zeigte das spannende, sich gegenseitig befruchtende Verhältnis zwischen ihm und Dr.
Egeler auf.
Die Fabricius-Medaille wird vom CDA in unregelmäßiger Folge an besonders verdiente
Korporationsstudenten verliehen, die sich
nicht nur in ihren eigenen Bünden und Verbänden, sondern insbesondere auch für die
Korporationen allgemein verdient gemacht
haben. Die Verdienste von Verbandsbruder
Egeler sind vielfältig und wurden in verschiedener Weise gewürdigt. Zwei Verdienste
stechen jedoch besonders hervor:
Zum einen bekleidete er genau zehn Jahre
lang vom 1. Juli 1992 bis zum 30. Juni 2002
die Schriftleitung der Burschenschaftlichen
Blätter. In dieser Zeit hat er die Burschenschaftlichen Blätter sowohl gestalterisch
wie auch inhaltlich mit einem neuen Gesicht geprägt und vom reinen Mitteilungsorgan eines Korporationsverbandes zum
Burschenschaftliche
Blätter
weithin beachteten
burschenschaftlichen
Periodikum
gemacht.
Immer
wieder gab er durch
das Setzen von Themenschwerpunkten
der Deutschen Burschenschaft politische Denkanstöße
und Handlungsanleitungen. In den
Burschenschaftlichen Blättern kamen nicht mehr nur
Verbandsbrüder zu
Wort, regelmäßig Verbandsbruder Dr. Walter Egeler (mitte) mit der Fabricius-Medaille des Converfaßten Politiker, vents Deutscher Akademikerverbände (CDA).
Wissenschaftler und
Korporierte anderer Verbände Beiträge. henheim Agrarökonomie mit dem AbDie Deutsche Burschenschaft hat dieses schluss Diplom-Agrarökonom. Danach proEngagement im Jahr 2004 mit dem Ehren- movierte er zum Dr. sc. agr., bevor er seine
berufliche Tätigkeit als Abteilungsleiter
band gewürdigt.
beim
Württembergischen
Genossenschaftsverband in Stuttgart 1980 aufnahm.
Zum anderen geht die Beteiligung der Burschenschaft an der Leipziger Buchmesse im Anläßlich seines Ausscheidens erhielt er
Rahmen des CDA-Standes im Wesentlichen 2004 in Anerkennung und Würdigung seiauf die Ideen und die Arbeit von Verbands- ner besonderen Verdienste der genossenbruder Egeler zurück. Er war es, der immer schaftlichen Arbeit die Ehrennadel in Gold
wieder Anstöße für ein Rahmenprogramm des deutschen Genossenschafts- und Raifgab und namhafte Persönlichkeiten zu Vor- feisen-Verbandes e.V. in Berlin. Für sein ehträgen oder Diskussionen einlud. Unver- renamtliches Engagement im Sozialvergessen bleibt beispielsweise das Aufeinan- band VdK erhielt er bereits im Jahr 1988
dertreffen der Nachfahren der Familien die Verdienstnadel in Gold des LandesverKotzebue und Sand im Rahmen einer Podi- bandes Baden-Württemberg.
umsdiskussion. So entwickelte sich der
CDA-Stand auf der Leipziger Buchmesse zu Wir gratulieren unserem Bundes- und
einer interessanten Plattform vor allem für Verbandsbruder Dr. Walter Egeler herzlich
die aktiven Leipziger Korporationen, die zur Auszeichnung mit der Fabricius-Medort im Laufe der Jahre den einen oder an- daille!
deren Fux keilen konnten.
Walter Egeler wurde am 17. Juni 1949 geboren und studierte an der Universität Ho-
Lönnecker habilitiert
(EM)
sowie
S!
Normannia-Danzig
Braunschweig
(EM))
studierte
Geschichte, Rechtswissenschaft, Evangelische
Theologie, Geographie, Volkskunde, Lateinische Philologie und Germanistik in
Marburg,
Gießen,
Heidelberg,
Freiburg i. Br. und Frankfurt a. M. und
promovierte 1989 zum Dr. phil. mit einer
Arbeit über das spätmittelalterliche Notariat, 2013 zum Dr. iur. mit einem vereinsrechtlichen Thema.
Wir gratulieren im Namen der Deutschen
Burschenschaft unserem Verbandsbruder
und Leiter des Archivs der Deutschen Burschenschaft Harald Lönnecker. Nach erfolgreicher Habilitation (zum Thema Scharnier
zwischen Macht und Musik, Politik und Kultur. Sängervereinigungen an den Hochschulen des deutschen Sprachgebiets ca.
1815–1914) und der Ernennung zum Privatdozenten durch die Technische Universität
Chemnitz heißt es jetzt ganz offiziell Priv.Doz. Dr. iur. Dr. phil. habil. Harald
Lönnecker.
Vbr. Lönnecker (Normannia-Leipzig zu
Marburg, Normannia Leipzig, Germania
Kassel, Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken
Heft 2 - 2015
Dr. Wolfgang Völger (Arminia FrankfurtLeipzig 1991, Arminia zu Leipzig 1994)
Vbr. Priv.-Doz. Dr. iur. Dr. phil. habil. Harald
Lönnecker.
Außer zur Universitäts- und Studentengeschichte arbeitete Vbr. Lönnecker zur
Rechts-, Landes- und Musikgeschichte, zu
Historischen
Hilfswissenschaften
und
Archivwissenschaft. Bisher liegen von ihm
anderthalb Dutzend Bücher und über 200
Aufsätze vor.
91
Rezensionen
Burschenschaftliche
Blätter
Rezensionen
Kräfte zwischen Ostmärkern und Reichsdeutschen.
Bereits die Beteiligung an der Besetzung
des Sudetenlandes und von Böhmen und
Mähren wirkte integrativ. Das verstärkte
sich in den Feldzügen des Krieges: Schützengrabengemeinschaft. Schnell verflog
sich der den Ostmärkern anhaftende etwas negative Ruf von dem Kamerad
Schnürschuh. Offizielle und die Presse
stellten die militärischen Erfolge der
Ostmärker heraus. Ein Österreicher
gehörte zu den ersten beiden Ritterkreuzträgern.
Thomas R. Grischany, Assistenzprofessor
für Geschichte an der Webster Vienna Private University, stellt sein neues Buch „Der
Ostmark treue Alpensöhne“ vor. Das 2015
bei Vienna University Press erschienene
Buch behandelt die Mechanismen, welche
die erfolgreiche Integration österreichischer Soldaten in die Streitkräfte des Dritten Reiches während des II. Weltkriegs ermöglichten, und basiert auf der englischsprachigen Dissertation, die Grischany an
der Universität Chicago unter John W.
Boyer verfaßte.
Der renommierte Wiener Historiker Prof.
Dr. Oliver Rathkolb, Herausgeber der Reihe
Zeitgeschichte im Kontext, Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien,
schreibt im Vorwort, Grischanys Publikation
leiste einen „Perspektivenwechsel zu einer
neuen und kritischen Militärgeschichtsschreibung“. Grischany stelle den Nachkriegsmythos in Frage, die Österreicher
seien „unwilligere Soldaten“ und auch
nicht „aktivere Wehrmachtsdeserteure“
gewesen.
Grischany arbeitet in seinen Untersuchungen heraus, es habe keinen Unterschied im
Verhalten zwischen österreichischen Soldaten und ihren Kameraden aus dem Altreich
gegeben. Sie hätten „loyal und entschlossen bis zum Kriegsende“ gekämpft. Der
einzige meßbare Unterschied bestand in
der Quote der Gefallenen. Hier lag die aus
dem österreichischen Staatsgebiet permanent etwas unterhalb des Reichsdurchschnitts. Das könne ursächlich in „statistischer Ungenauigkeit“ begründet sein.
Grischany hat in seiner Arbeit umfangreiches Quellenmaterial ausgewertet: Kriegsarchiv in Wien, Bundesarchiv-Militärarchiv
in Freiburg, weitere Archive der Republik in
Wien. Nachlässe bilden das „Rückgrat dieser Studie“.
Die Friedenszeit (1938–39) war bezüglich
der Integration beider Heere nicht problemlos. Die historische militärische Rivalität von Österreichern und Reichsdeutschen (besser: Altreichsdeutsche) galt es zu
92
Heute für manchen gewöhnungsbedürftig,
daß Fronterlebnisse gemeinschaftsbildende Kräfte entfalten. Erziehung, politische Öffentlichkeitarbeit als Wirkungsmächte.
Thomas R. Grischany: Der Ostmark
treue Alpensöhne: Die Integration der
Österreicher in die großdeutsche
Wehrmacht, 1938-45. Gebundene
Ausgabe. V&R unipress. 327 Seiten.
ISBN-13: 978-3847103776.
Eine Publikation, deren Forschungsergebnisse manches österreichische Geschichtsbild verändert.
überwinden. Reibungen wie verschiedene
Sichtweisen, Mentalitäten, Traditionen
mußten abgebaut werden. Sprachlich unterschiedliche Kuriositäten erheitern heute:
„Rührt euch“ statt „Ruht“, „Augen rechts“
statt „Rechts schaut“. Solipsismus als österreichische Eigenart hatte Oliver Rathkolb
bereits aufgezeigt.
Das Konzept Volksgemeinschaft wurde
durch die bewaffnete Volksgemeinschaft
befördert und entwickelte integrative
Kräfte. Grischany weist darauf hin, daß sich
im Weltkrieg II mit jedem Feldzug die
Gruppen der Deutschen erweitert und regionale Identitäten eingebracht hätten. Er
kritisiert, daß die Forschung das bisher
nicht berücksichtigt hat. Als Mitglied einer
ehemals in Straßburg beheimateten Burschenschaft war er gegenüber diesem Problem vielleicht besonders sensibilisiert.
Besondere Bedeutung in der Eingliederungszeit habe der großdeutsche Gedanken gespielt, aber auch der Bezug auf die
Waffenbrüderschaft im I. Weltkrieg und als
einer „Gemeinschaft der Besiegten“. Grischany konstatiert, daß die meisten österreichischen Soldaten „die Eingliederung
des Bundesheeres in die Wehrmacht als
positiv empfunden hat“.
Bis zum Kriegsende zeichnete sich die
österreichische Loyalität aus. Das belegt
die Fülle der Primärquellen, die Grischany
akribisch ausgewertet hat. Sie rechtfertigen
den Titel seiner Arbeit „Der Ostmark treue
Alpensöhne“. Belegt wird, dass die Österreicher im Vergleich zu den Reichsdeutschen nicht unwilligere Soldaten gewesen
seien. Dieser Nachkriegsmythos sei nicht zu
halten. In seinem Resümee heißt es ferner,
dass die Entwicklung eines tiefgreifenden
österreichischen
Nationalbewusstseins
noch nicht abgeschlossen ist. Noch würden
punktuell Kameradschaftsvereine wie auch
das Bundesheer einer Gedächtniskultur anhängen, mit dem das offizielle Österreich
nicht sympathisiert.
Kriege werden als D-Züge der Weltgeschichte verstanden. So beschleunigte
auch der II. Weltkrieg die integrativen
Jürgen Hinrichs (Alemannia Straßburg zu
Hamburg 1955, Hansea-Alemannia Hamburg)
Heft 2 - 2015
Termine
Heft 2 - 2015
Burschenschaftliche
Blätter
93
Termine / Rezensionen / Anschriften
Burschenschaftliche
Blätter
Termine
7. Juli 2015, 20 Uhr
Burschenschaftlicher Abend
mit Michael von Prollius – „Die Organisation einer ökonomischen Herrschaft: Krisenüberwindung,
Kriegsvorbereitung,
Knechtschaft im Nationalsozialismus “
Berliner Burschenschaft der Märker, Haus
Eisenach – Podbielskiallee 15, 14195 Berlin
– Dahlem
Um Anmeldung wird gebeten:
[email protected]
 www.maerker-berlin.de
4. Juni 2015, 19 Uhr s. t.
Festkonzert des Grazer Korporationsringes
anläßlich des Jubiläums „200 Jahre Deutsche Burschenschaft“.
Aula der Karl-Franzens-Universität Graz.
5. Juni 2015, 18 Uhr s. t.
Festkommers der ARGE Grazer Burschenschaften 200 Jahre Deutsche Burschenschaft.
Kasematten am Grazer Schloßberg.
Harald Lönnecker (Hrsg.): „Deutschland immer gedient
zu haben ist unser höchstes Lob“ – Zweihundert Jahre
Deutsche Burschenschaften. Eine Festschrift zur 200.
Wiederkehr des Gründungstages der Burschenschaft am
12. Juni 1815 in Jena (Darstellungen und Quellen zur
Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im 19. und
20. Jahrhundert, im Auftrag der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung, Bd. 21), Heidelberg 2015, ISBN 978-3-8253-6471-7, ca. 1250 Seiten,
Leinen, Euro 88,– (für GfbG-Mitglieder Euro 24,–, zu bestellen über den GfbG-Kassenwart: hans-juergen.
[email protected]).
Festschrift– Zweihundert Jahre
Deutsche Burschenschaften
Der Herausgeber ist als langjähriger Leiter
von Archiv und Bücherei der Deutschen Burschenschaft im Bundesarchiv ein herausragender Kenner der archivalischen Überlieferung und des historisch-wissenschaftlichen
Forschungsstandes. Er legt als Festschrift 14
Aufsätze vor, die von der Vorgeschichte im
18. Jahrhundert bis in die Gegenwart reichen und die Vielfalt der burschenschaftlichen Geschichte dokumentieren, deren Traditionen, Umbrüche und Widersprüche gleichermaßen. Die Blütezeit der Burschen-
schaft von 1815 bis 1848/49 ist mit fünf
Beiträgen stark vertreten, vier Beiträge haben regionale Schwerpunkte in Jena, Bonn
oder Würzburg. Auch die Epoche von 1850
bis 1918 ist gut repräsentiert. Die so schwierige Zeit von 1919 über 1933 und 1945 bis in
die Gegenwart ist mit vier Darstellungen vertreten, die sich alle um die Vermeidung jeglicher Apologie mit Blick auf zum Teil tragische Fehleinschätzungen und Irrtümer
bemühen, aber auch die Verdienste der Burschenschafter hervorheben, die bis in die
Gegenwart reichen.
Melden Sie Ihre Veranstaltungen bitte frühzeitig der
Schriftleitung.
Anschriften der Burschenschaftlichen Amtsstellen
1. Deutsche Burschschaft
Vertreten durch die Vorsitzende Burschenschaft,
siehe unter Herausgeber im Impressum.
Verbandsobmann für Hochschul- und allgemeine Politik
Patrick Koerner (Brixia Innsbruck),
Innstrasse 18, A-6020 Innsbruck
Telefon: +43 (0)650 3245591,
E-Post: [email protected]
Verbandsobmann für Nachwuchswerbung und Sport
Fritz Hoewer (Germania Köln),
Bayenthalgürtel 3, D-50968 Köln,
Telefon: +49 (0)157 38836135,
E-Post: [email protected]
Beisitzer im Verbandsrat
Dr. Wilhelm Haase (Saxo-Silesia Freiburg),
Detmolder Straße 52 a, 33813 Oerlinghausen,
Telefon: +49 (0)5202 5230,
E-Post: [email protected]
Beisitzer im Verbandsrat
Daniel Stock (Stauffia München),
c/o Münchener Burschenschaft Stauffia,
Stollbergstraße 16, D-80539 München,
E-Post: [email protected]
Vorsitzender des Rechtsausschusses
der Deutschen Burschenschaft
Christian Balzer (Rheinfranken Marburg),
Barmer Straße 4, D-40545 Düsseldorf,
Telefon: +49 (0)176 22365876,
E-Post: [email protected]
Referent für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
Walter Tributsch (Teutonia Wien),
Landstraßer Hauptstraße 4, A-1030 Wien,
Telefon: +43 (0)676 7379745,
E-Post: [email protected]
2. Verband der Vereinigungen Alter Burschenschafter
(VVAB)
Vorort des VVAB: Vereinigung Alter Burschenschafter
Oberösterreich zu Linz
Vorsitzender: Arch. Dipl.-Ing. Paul-Ernst Huppert (Suevia
Innsbruck, Arminia Czernowitz zu Linz),
Tel. +43 (0)664 5528515,
Kassenwart: Mag. Wolfgang Rochowanski (Oberösterreicher Germanen zu Wien), Tel. +43 (0)650 7222332,
Kanzleiadresse: Rechtsanwälte Klicnik Lang,
Taubenmarkt 1 / Domgasse 22, A-4020 Linz
Über die E-Post-Adresse obmann@burschenschafter
turm.at werden alle Amtsträger des Vorortes parallel erreicht.
Schatzmeister
Volker-Ralf Lange (ABB Raczeks Bonn),
Drachenfelsstraße 35, D-53757 Sankt Augustin
Telefon: +49 (0)171 7799000
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3. Bund Chilenischer Burschenschaften (BCB)
Burschenschaft Araucania
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BIC: GENODED1SAM
4. Burschenschaftlicher Verein für nationale
Minderheiten
Vorsitzender: Dr. Bruno Burchhart (Olympia Wien),
A-9184 St. Jakob i. Ros. 130, Tel.: +43 (0)664 9163853,
E-Post: [email protected]
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5. Burschenschaftsdenkmalverein in Eisenach
Vorsitzender: Dr. Marc Natusch (Cheruscia Dresden,
Rheinfranken Marburg), Leiblweg 12, D-70192 Stuttgart,
Tel. +49 / (0)711 82086679, Fax +49 (0)711 82086683,
E-Post: [email protected]
6. Denkmalerhaltungsverein Eisenach e.V.
Thomas Mayer-Steudte (Normannia Heidelberg),
Auf dem Hundshövel 6, D-46446 Emmerich am Rhein,
Telefon: +49 (0)172 2093255,
E-Post: [email protected]
7. Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.V.
Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.V.
Vorsitzender: Dr. Klaus Oldenhage (Norddeutsche und
Niedersachsen, Germania Trier), Bismarckstr. 9–11,
D-56068 Koblenz, Tel. +49 (0)261 36256,
E-Post: [email protected]
1. Stellvertretender Vorsitzender und Schatzmeister:
Hans-Jürgen Schlicher (Alemannia München, Germania Trier)
Am Zieglerberg 10, D-92331 Lupburg-Degerndorf,
Tel. +49 (0)9492 6168, Fax +49 / (0)9492 7449,
E-Post: [email protected],
Bankverbindung: Gesellschaft für burschenschaftliche
Geschichtsforschung e.V., BW-Bank Stuttgart,
Konto-Nr.: 4 320 061, BLZ: 600 501 01,
IBAN: DE37 6005 0101 0004 3200 61, BIC: SOLADEST600
2. Stellvertretender Vorsitzender und Schriftenempfänger:
Dr. Frank Grobe M.A. (Teutonia Aachen),
Dotzheimer Straße 56, 65197 Wiesbaden,
Tel.: +49 (0)176 20123495,
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8. Archiv und Bücherei der Deutschen Burschenschaft
PD Dr. Dr. Harald Lönnecker (Normannia-Leipzig zu Marburg, Normannia Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu
Prag in Saarbrücken EM, S! Normannia-Danzig Braunschweig EM)
Bundesarchiv, Potsdamer Straße 1, D-56075 Koblenz,
Tel. +49 (0)172 4255965,
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