Ein Botschafter des Friedens

Transcription

Ein Botschafter des Friedens
logo du journal
JAADU/ Faiz ali Faiz /29 07 2010 / Ein Botschafter des Friedens
vom 29.07.2010
Ein Botschafter
des Friedens
BZ-INTERVIEW:
Faiz Ali Faiz zur Sufi-Musik und dem Westen
Der pakistanische Sänger Faiz Ali Faiz
macht seit Jahren Crossover-Projekte:
2005 verband er bei „Stimmen“ rituelle
Qawwali-Gesänge mit Flamenco; 2007
kreuzte er im „Holy Ecstasy“-Projekt
und mit Bernice Johnson Reagon die
Gospels und Spirituals der afroamerikanischen Kultur mit dem Qawwali des islamischen Sufismus (Stichwort). Seit
2006 arbeitet er auch regelmäßig mit
dem französischen Gitarristen Thierry
„Titi“ Robin (Info); mit ihm gastiert er
nun im Rosenfelspark. Der deutsch-pakistanische Musiker und Autor Abid
Hussain hat Faiz Ali Faiz dazu befragt.
BZ: Wie erleben Sie als pakistanischer Sufi-Musiker die westliche Kultur?
Faiz Ali Faiz: Mir gefällt westliche Kultur
sehr, es ist friedlich und gemütlich und
ich singe hier gerne. Durch Musik habe
ich die Welt kennengelernt und habe vor
allem mit Musikern zu tun; diese Begegnungen sind angenehm. Im Allgemeinen
finde ich die Menschen hier friedlich, sie
genießen ihr Leben, das ist gut.
BZ: Sie gelten als die neue Stimme des
Qawwali, der gesungenen Sufi-Poesie.
Können Sie kurz erklären, welche Rolle
die Musik im Alltag ihres Landes spielt?
Faiz Ali Faiz: In der Sufi-Poesie und SufiMusik geht es um Frieden und Liebe auf
der Erde, das ist die Tradition der Sufis
und ich versuche, diese Botschaft der Liebe in der Welt zu verbreiten. Sufi-Musik
spielt eine große Rolle in der pakistanischen Kultur, diese Musik hat ein weites
Spektrum und beinhaltet viele Aspekte
des Alltaglebens. Die Tradition der Qawwali ist lebendig, viele Qawwalisänger
wie ich leben davon.
BZ: Wie kam es zu der Zusammenarbeit
mit Thierry Robin?
Faiz Ali Faiz: Wir kamen 2006, in St.
Nazaire, zum ersten Mal zusammen und
haben dort beim Festival gespielt. Ich war
begeistert und mein Gefühl war, dass wir
an diesem Projekt weiter arbeiten sollen.
Seitdem haben wir uns mehrmals getroffen, Sufi-Gedichte ausgewählt, neue Stü-
cke komponiert und intensiv geprobt.
Diese Zusammenarbeit hat meine traditionelle Musik bereichert und wir können dadurch mehr Publikum erreichen
und die Botschaft der Liebe verbreiten.
BZ: Die Arbeit mit „Titi“ Robin ist auf der
CD Jaadu festgehalten. Ist diese auch die
Basis des Konzertes bei ,,Stimmen’’?
Faiz Ali Faiz: Ja, wir werden die gleichen
Stücke spielen.
BZ: Was sind das für Stücke? Ist das klassische pakistanische Musik oder Eigenes?
Faiz Ali Faiz: Qawwali ist nicht die klassische Musik, diese haben die Sufi-Meister, Hazrat Amir Khusro und Hazrat Mueen Udin Chishti aus Ajmeer in Indien,
entwickelt, sie ist religionsübergreifende
spirituelle Musik. Wir spielen traditionelle und eigene Stücke.
BZ: Haben die CD oder das Konzert für
Sie eine spezielle Botschaft?
Faiz Ali Faiz: Ich bringe eine Botschaft
des Friedens aus meinem Land. Die Menschen sind überall gleich, wenn jemand
Schmerz hat, weint er – es macht keinen
Unterschied auf welchem Erdteil er lebt.
Politische und religiöse Grenzen sind
überflüssig. Menschen sollen friedlich
miteinander leben können, dafür bete
ich.
BZ: Sie waren bereits 2005 und 2007 mit
East-meets-West-Projekten bei „Stimmen’’ und nun wieder. Was motiviert Sie
zu diesen Projekten?
Faiz Ali Faiz: Diese Projekte bringen
mich und meine Musik weiter. Natürlich
möchte auch ich mir in der Welt einen Namen machen, wie jeder Künstler. Musik
ist eine internationale Sprache und kommen verschiedene Traditionen zusammen, erreicht die Musik mehr Menschen.
BZ: Tragen solche Projekte dazu bei, die
Der Westen kann vom Osten Gefühl und Emotion in schwierigen Zeiten lernen, findet Faiz Ali Faiz .
Gräben zwischen islamischen Gesellschaften und dem Westen zu verkleinern?
Faiz Ali Faiz: Die Leute hier hören unsere Musik in jedem Fall mit derselben Begeisterung wie in Pakistan.
BZ: Wie geht die eher expressive nach außen orientierte westliche Mentalität mit
der östlichen Spiritualität zusammen?
Faiz Ali Faiz: Jeder Mensch der Musik
liebt, kann durch die Musik Spiritualität
erlangen, kann seinen Gott finden. Im Osten gibt es auch viele, die spirituelle Musik nicht mögen und im Westen viele, die
sie mögen. Wenn ich von Allah, Muhammad und Ali singe, erfährt der Zuhörer eine Spiritualität, die ihm von seinem eigenen Glauben her bekannt ist.
BZ: Was ist Ihr Fazit dieser kulturübergreifenden Kooperation?
Faiz Ali Faiz: Wir erarbeiten neue Stücke.
Ich bin begeistert von diesem Projekt.
BZ: Was kann der Westen vom Osten lernen?
Faiz Ali Faiz: Mehr Emotion und Gefühl
füreinander, in schwierigen Zeiten, im
Schmerz zueinander stehen, das hat die
östliche Ethik anzubieten.
BZ: . . . und der Osten vom Westen?
Faiz Ali Faiz: Sauberkeit vor allem. Der
INFO
JAADU
geht zurück auf eine Begegnung von Faiz
Ali Faiz und Thierry „Titi“ Robin beim
Festival im französischen St. Nazaire.
Diesen Keim haben der Qawwali- Meister
und der französische Saitenvirtuose
(Gitarre, Bouzouki und Laute), der schon
1984 auf seiner ersten CD mit dem Inder
Hameed Khan im Grunde ein Crossover-Projekt verfolgte und seitdem auf
den Spuren der Roma zwischen Westen
und Osten, zwischen Flamenco und den
Orchestern aus Rajasthan pendelt, immer
weiter entwickelt. Die sieben Stücke der
CD stammen mehrheitlich aus der Feder
von „Titi“ Robin, Faiz Ali Faiz steuert vor
allem die Texte aus dem Fundus der
Sufi-Tradition bei – eine Mischung, die
begleitet von Harmonium und Tablas,
einen magischen Sog entwickelt.
BZ
FOTO: JURI JUNKOV
Koran, das größte Buch für einen Muslimen, hat das auch gelehrt.
STICHWORT
BZ: Sie sprechen weder Englisch noch
Französisch. Macht die Sprachbarriere
Ihre Arbeit nicht komplizierter als nötig?
Faiz Ali Faiz: Die Musik ist selbst eine
Sprache, dadurch kommunizieren wir.
Wir lassen die Poesie übersetzen, vergleichen und verstehen die Texte, der Rest ist
Formalität. Ich fühle mich nicht durch die
Sprachbarriere behindert in meiner Zusammenarbeit mit anderen Musikern.
Qawwali
BZ: Pakistan gleicht in der europäischen
Wahrnehmung einem Pulverfass. Auf der
einen Seite steht wir ein gewalttätigen
politischen Alltag, Selbstmordanschläge,
auf der anderen diese spirituelle, friedfertige Sufi-Musik. Können Sie erklären, wie
es zu diesen Gegensätzen kommt?
Faiz Ali Faiz: Gegensätze gab es immer,
das ist das Leben. Die Liebe und der Hass,
beides gab es immer. Die einfachen Menschen in Pakistan, und das ist die Mehrheit, ist friedlich, die Tradition der Sufis
ist sehr einflussreich. Es sind nur ein paar
Leute, die den Frieden zerstören wollen.Trotzdem, was gerade dort passiert,
ist sehr traurig, ich bete und hoffe auf ein
friedvolles Zusammenleben. Die Wahrheit wird siegen, daran soll man glauben.
BZ: Sie treten Jetzt mit „Titi“ Robin in Europa auf, wäre auch denkbar, dass dieser
mit Ihnen in Lahore auftritt?
Faiz Ali Faiz: Ich würde gerne mit Titi
Robin in Pakistan Konzerte geben und ich
bin sicher, dass wir das irgendwann schaffen werden. Derzeit ist es riskant dort.
Daher möchte ich meinem deutschen Publikum herzlich danken für die Unterstützung und das Interesse an unserer Musik.
– Konzert, heute, Donnerstag, 29. Juli,
20 Uhr, Rosenfelspark Lörrach
gehört seit Jahrhunderten zum religiösen Ritus der Moslems in Pakistan
und Nordindien. Der Begriff leitet sich
ab von arabisch „qala, iaqul“, was soviel
heißt wie einer, der hingebungsvoll
spricht, es kann aber auch Wanderpoet
und Volkssänger bedeuten. Vom 13.
Jahrhundert an entwickelte sich Qawwali in der Verschmelzung arabischer
und indischer Einflüsse weiter. Qawwali-Gruppen haben zwei oder drei
Hauptsänger, die sich in polyphonen
Gesängen abwechslen; daneben besteht
die Besetzung aus Händeklatschern
und Trommlern. Vom 17. Jahrhundert
an wurde zudem das Kofferharmonium
– in machen Quellen als Mitbringsel
jesuitischer Missionare in anderen als
das englischer Kolonialisiten bezeichnet – eingebaut. Qawwali ist ursprünglich eine rein religiöse Musik, die Teil
des Sufismus war. Der wiederum ist
eine mystische Form des Islam, dessen
Ziel – die Annäherung an Gott – vor
allem durch Ekstase erreicht wird und
der dafür auf Musik und Tanz als Stimulanzien setzt. Die Lieder sind kleine
Epen, deren dramaturgischer Aufbau
und die lang gezogenen Melodielinien
von dynamischem Trommelspiel getragen werden. Erst leise und beschaulich, dann immer schneller und expressiver kulminiert alles in einer Ekstase
aus Stimme und Percussion. In Europa
war Qawwali lange vor allem mit dem
legendären Nusrat Fateh Ali Khan verbunden, der 1997 in London starb, und
dessen Hymne „Allah Hoo Alla Hoo“
auch in hierzulande bekannter war.
Faiz Ali Faiz gilt inzwischen als sein
legitimer Nachfolger.
alb