Originalarbeit

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Originalarbeit
 Originalarbeit
Wien Klin Wochenschr (2008) 120/1–2: 37–45
DOI 10.1007/s00508-007-0923-z
WIENER KLINISCHE
WOCHENSCHRIFT
The Middle European Journal
of Medicine
Printed in Austria
Lernstrategien oder strategisches Lernen? Gender-abhängige
Erfolgsstrategien im Medizinstudium an der Medizinischen Universität Wien
Gerald Haidinger1, Lukas Mitterauer2, Evelyne Rimroth1,3 und Oskar Frischenschlager3
Abteilung für Epidemiologie, Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien, Österreich
2 Qualitätssicherung, Universität Wien, Österreich
3 Institut für Medizinische Psychologie, Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien, Österreich
1
Eingegangen am 25. Juli 2007, angenommen nach Revision am 11. Dezember 2007
© Springer-Verlag 2008
Learning strategy or strategic learning?
Gender-dependent success in medical studies at
the Medical University of Vienna
Summary. Objectives: Analysis of the fact that male
medical students have a higher success rate at the written test (multiple-choice questions) at the end of the first
study year (SIP-1), although female students perform
significantly better in school (school marks in mathematics, physics, chemistry, and English) and school performance is a positive predictor of study success. It is hypothesized that aspects of strategic learning influence
study success and that sex-specific differences exist.
Methods: In a prospective study including 726 medical students data on strategic learning (written questionnaire, 45 items) were collected. Factor analysis produced
11 factors, which then were related to results of SIP-1
(passed/failed), and to sex.
Results: Eight out of the 11 factors were dependent
on sex or study success, four of them dependent on sex
as well as study success (“confidence in success”, “learning a lot and ab initio”, “high learning capacity”, and
“distressed/diligent/aimless”). Overall, male students
showed a more distinct methodical learning approach.
Moreover, “learning by understanding” seems not to be
relevant for study success.
Conclusions: Gender-specific learning behaviour,
which generally leads to better performance of girls in
school, fails in the situation of SIP-1. Future developments of curriculum and examination system should take
into account gender specific requirements.
Key words: Gender, sex, study success, learning
strategies, strategic learning, medicine.
Zusammenfassung. Ziel der Studie: Wir untersuchen die höheren Bestehensraten männlicher Studierender bei der summativ-integrativen Prüfung (SIP-1) am
Ende des ersten Studienjahres des Medizinstudiums an
der Medizinischen Universität Wien. Obwohl Schulleistungen (Mathematik, Chemie, Physik, Englisch) in allen
unseren Untersuchungen als Erfolgsprädiktor bestätigt
wurden und obwohl weibliche Studierende in diesen Fächern signifikant bessere Schulleistungen aufweisen,
weisen weibliche Studierende geringere Erfolgsraten auf.
Als Erklärung dafür nehmen wir geschlechtsspezifisch
unterschiedliches und erfolgsrelevantes „strategisches
Lernen“ an.
Methode: In einer prospektiven Studie an 726 Studierenden der Medizinischen Universität Wien wurde
„strategisches Lernverhalten“ mit einem Fragebogen (45
Items) erhoben. Eine Faktorenanalyse ergibt 11 Faktoren, welche mit den Prüfungsergebnissen (bestanden/
nicht bestanden) und dem Geschlecht in Beziehung gesetzt werden.
Ergebnisse: Acht der 11 Faktoren erwiesen sich als
geschlechtsabhängig oder mit dem Prüfungserfolg verbunden, vier von diesen als sowohl geschlechtsabhängig
als auch erfolgsrelevant („Erfolgssicherheit“, „laufend und
viel mitlernen“, „hohe Lernkapazität“, „ängstlich/fleißig/
strategielos“). Männliche Studierende zeigen eine deutlich strategischere Ausrichtung ihres Lernverhaltens. Interessant erscheint darüber hinaus, dass ein auf Verstehen ausgerichtetes Lernen für den Prüfungserfolg nicht
relevant ist.
Schlussfolgerungen: Das Lernverhalten von Mädchen, das grosso modo in der Schule zu besseren Leistungen führt, erweist sich in der Situation der SIP-1 als
nicht zielführend. Es wird zu überlegen sein, inwieweit auf
Gender-bezogene Differenzen in der Planung von Curriculum und Prüfungswesen Bedacht genommen werden
kann.
Schlüsselwörter: Gender, Geschlecht, Studienerfolg, Lernstrategien, strategisches Lernen, Medizin.
Einleitung
Das mit dem Studienjahr 2002/03 an der Medizinischen Universität Wien eingeführte reformierte und viel
diskutierte [1] Curriculum brachte neben vielen anderen
Veränderungen auch eine deutliche Verringerung der Prü-
38
Haidinger et al., Lernstrategien oder strategisches Lernen?
fungsereignisse mit sich. Am Ende jedes Studienjahres ist
eine summativ-integrative Prüfung vorgesehen (SIP). Das
Bestehen der SIP-1 (am Ende des ersten Studienjahres) ist
Voraussetzung für die Zulassung in das zweite Studienjahr. Aufgrund der Gesetzeslage in Österreich, die einen
weitgehend offenen Zugang zu den meisten Hochschulstudien vorsieht, stellte die SIP-1 das einzige Instrument
der Medizinischen Universität dar, den Zugang zum weiteren Studium entsprechend der vorhandenen Kapazität zu
regulieren. Von den mehr als 1500 Studienanfängern wurden nur 660 in das zweite Studienjahr aufgenommen; dies
war den AutorInnen Anlass, zu untersuchen, welche Faktoren für ein erfolgreiches Bestehen der SIP-1 prädiktiv
sind.
In prospektiven Studien an den Jahrgängen 2002/03
und 2003/04 fanden wir vier Erfolgsprädiktoren: gute
Schulleistungen, deutsche Muttersprache, hohe Lernkapazität und männliches Geschlecht [2, 3]. Auch konnte die
Reliabilität dieser Befunde bestätigt werden [4]. Die
­deutlich geringere Bestehensrate weiblicher Studierender
überrascht insofern, als
Gegebenheiten der SIP-1 (etwa 8000 Seiten Stoff eines
ganzen Studienjahres, 230 Single-Choice-Fragen mit 4
Distraktoren) ausgerichtet sind. Studierende berichteten in
hoher Übereinstimmung, dass ein in die Tiefe gehendes
und ein auf Vollständigkeit des Wissens ausgerichtetes
Lernen unter diesen Gegebenheiten nicht zielführend sei.
Erfolgreiche Studierende berichteten häufig, dass sie ausschließlich nach Kurzlehrbüchern oder Fragensammlungen gelernt hätten. Darüber hinaus leiteten wir aus
diesen qualitativen Befragungen die Hypothese ab, wonach strategisches Lernverhalten bei männlichen Studierenden stärker ausgeprägt ist.
Ziel der vorliegenden Studie ist, strategisches Lernverhalten zu erfassen und Zusammenhänge mit dem geschlechtsspezifischen Erfolg bei der SIP-1 zu prüfen. Wir
nahmen an, dass sich erfolgreiche Studierende von nicht
erfolgreichen sowie weibliche von männlichen Studierenden (neben den bisher gefundenen Faktoren) in ihrem
strategischen Lernverhalten unterscheiden.
a) deren Schulleistungen in der Regel besser sind, was
auch in unseren Stichproben zutraf, und dass
b) die Schulleistungen generell den Studienerfolg und
auch in unseren bisherigen Studien den Erfolg bei der
SIP prädizieren.
Sechs bis drei Wochen vor dem ersten Termin der SIP-1
des Jahrgangs 2005/06 (Ende Juni 2006) wurden die Studierenden (im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht) gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Dabei wurde
ihr schriftliches Einverständnis eingeholt, die Fragebogendaten
mit dem Prüfungsergebnis (Juni oder September), das im Internet veröffentlicht wird, in Beziehung zu setzen. Das Sample
(N = 726) wurde im Hinblick auf Geschlecht und Studienerfolg
auf Repräsentativität überprüft. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede zur Grundgesamtheit.
Der Fragebogen beinhaltete 61 Items: neben den, in bisherigen Studien als prädiktiv ausgewiesenen soziodemographischen Daten (Geschlecht, Muttersprache) und den Schulleistungen (Noten in Mathematik, Physik, Chemie, Englisch, Klassenwiederholungen) wurden 54 Items eigens für die Fragestellung konstruiert, mit dem Ziel, ein Lernverhalten zu erfassen,
das strategisch auf die spezifischen Gegebenheiten der SIP-1
zugeschnitten ist. Neun der 54 Items erfassten die Meinung der
Studierenden über geschlechtsspezifische Unterschiede und
werden in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt. Die
erhobenen Daten wurden nach den beiden SIP-Prüfungsterminen mit dem Ergebnis (bestanden/nicht bestanden) in Beziehung gesetzt. Die Daten jener Items, die auf strategisches Lernverhalten abzielen (45 Items), wurden einer Faktorenanalyse
unterzogen (orthogonales Design, Eigenwert > 1, Varimax Rotation). Die Faktoren (Regressionsmethode) wurden als neue
Variablen für die weitere Analyse herangezogen.
Um den Geschlechtseffekt vom Erfolgseffekt trennen zu
können, wurden die extrahierten Faktoren hinsichtlich Studien­
erfolg und Geschlecht mit Hilfe zweifaktorieller Varianzanalysen untersucht. Die bereits als Erfolgsprädiktoren ausgewiesenen Aspekte aus dem soziodemographischen Bereich und die
Schulleistungen wurden getrennt überprüft. Alle P-Werte wurden einer Adjustierung für multiples Testen nach Finner [15]
unterzogen.
Dass der von uns gefundene Geschlechtseffekt eine
Benachteiligung weiblicher Studierender darstellt, ergibt
sich auch aus dem Befund, wonach ein Großteil jener
weiblichen Studierenden, die die SIP-1 nicht rechtzeitig
bestehen, mit einem Jahr Verzögerung ihr Studium fortsetzt [5]. Da in der Literatur vergleichbare oder bessere
Studierleistungen weiblicher Studierender berichtet werden (Kies et al. 2006: keine Geschlechtsunterschiede im
Wissen [6], Stewart et al. 2007: keine Geschlechtsunterschiede bei Fertigkeiten [7], de Silva et al. 2000, Mattheos
et al. 2004, McDonough et al. 2000: bessere Prüfungsergebnisse weiblicher Studierender [8, 9, 10]), könnten die
hier beobachteten Unterschiede ein Artefakt des neuen
Curriculums sein. Um auszuschließen, dass Geschlechtsunterschiede im Lernverhalten die paradoxen Prüfungs­
erfolgsraten verursachen, haben wir in einer weiteren prospektiven Studie am Jahrgang 2005/06 Lernstrategien
detailliert erfasst und mit dem Prüfungserfolg in Beziehung gesetzt. Ein Zusammenhang zwischen geschlechtsspezifischen Lernstrategien und dem Prüfungserfolg
konnte nicht bestätigt werden [11]. Wohl fand sich eine
Reihe von relevanten Prädiktoren im Bereich des Lernverhaltens, weniger aber unter den mittels LIST [12–14] erfassten Lernstrategien. Unter „Lernstrategien“ versteht
man die individuelle und stabile Herangehensweise an
einen Lernstoff, während mit „strategischem Lernen“ die
situationsspezifische (prüfungsbezogene) Ausrichtung des
Lernverhaltens gemeint ist.
Aus qualitativen Befragungen Studierender hinsichtlich ihrer Vorgangsweise leiteten wir die Hypothese ab,
dass der Erfolg bei der SIP-1, neben Faktoren mit hoher
face validity (Fleiß, früher Lernbeginn, kontinuierliches
Mitlernen) von „strategischem Lernverhalten“ abhängen
könnte. Damit sind alle Herangehensweisen an den Lernstoff gemeint, die auf die spezifischen Erfordernisse und
Methoden
Ergebnisse
Soziodemographische Daten (Tabelle 1)
Der Geschlechtsunterschied in der Bestehensrate
konnte erneut bestätigt werden (P = 0,012). Auch eine
nicht-deutsche Muttersprache schlägt sich in geringeren
Haidinger et al., Lernstrategien oder strategisches Lernen?
39
Tabelle 1. Erfolgsprädiktivität von Geschlecht und Muttersprache (Chi-Quadrat-Test) sowie von „andere Verpflichtungen“,
Schulleistungen und Faktoren des „strategischen Lernens“ (mehrfaktorielle Varianzanalyse, alle Wechselwirkungen nicht signifikant) nach Studienerfolg und Geschlecht
Nach Studienerfolg
nicht erfolgreich
erfolgreich
adjusted P
Geschlecht
männlich
weiblich
50%
60%
50%
40%
0,012
Muttersprache
Deutsch
nicht Deutsch
Stunden andere Verpflichtungen (Betreuung, Arbeit)
53%
72%
10,5
47%
28%
7,0
< 0,001
Schulleistungen
Klassenwiederholungen
Schulnoten (1 = sehr gut, 5 = nicht genügend)
12%
2,20
4%
1,90
< 0,001
< 0,001
Faktoren der
Faktorenanalyse
Erfolgssicherheit
laufend und viel mitlernen
auf Verstehen und umfassendes Wissen ausgerichtetes Lernen
Details auswendig lernen
leicht lernen, hohe Lernkapazität
inhaltliche Zusammenhänge herstellen, vernetzen
ängstlich, fleißig, strategielos
verunsichert, überfordert
Lernen nach Kurzlehrbüchern und Fragensammlungen
lernstrategisch ratlos
maximaler Lernaufwand bei reduziertem Lernziel
–0,18
–0,27
–0,04
0,23
0,34
0,05
< 0,001
< 0,001
0,267
0,00
–0,14
0,01
–0,15
0,14
–0,12
0,00
0,18
–0,01
0,20
–0,18
0,15
0,820
< 0,001
0,785
< 0,001
< 0,001
0,001
–0,05
0,14
0,06
–0,18
0,283
< 0,001
weiblich
adjusted P
8,7
9,3
0,842
Nach Geschlecht
männlich
Stunden andere Verpflichtungen (Betreuung, Arbeit)
0,001
Schulleistungen
Klassenwiederholungen
Schulnoten (1 = sehr gut, 5 = nicht genügend)
12%
2,2
6%
2,0
0,003
< 0,001
Faktoren der
Faktorenanalyse
Erfolgssicherheit
laufend und viel mitlernen
auf Verstehen und umfassendes Wissen ausgerichtetes Lernen
0,48
–0,19
–0,02
–0,32
0,13
0,01
< 0,001
< 0,001
0,626
Details auswendig lernen
leicht lernen, hohe Lernkapazität
inhaltliche Zusammenhänge herstellen, vernetzen
ängstlich, fleißig, strategielos
verunsichert, überfordert
Lernen nach Kurzlehrbüchern und Fragensammlungen
lernstrategisch ratlos
maximaler Lernaufwand bei reduziertem Lernziel
0,09
–0,10
–0,16
–0,10
0,06
–0,04
–0,06
0,07
0,11
0,06
–0,04
0,03
0,090
0,010
0,001
0,012
0,112
0,162
0,02
–0,06
–0,01
0,04
0,965
0,367
Erfolgsraten nieder (P < 0,001). Dasselbe gilt für den
Durchschnitt der erhobenen Schulleistungen (P < 0,001)
und Klassenwiederholungen (P < 0,001). Erneut geben
Mädchen bessere Schulnoten an (P < 0,001) und haben
seltener eine Klasse wiederholt (P = 0,003), womit das in
Frage stehende Paradoxon am nunmehr vierten Jahrgang
in Folge bestätigt ist.
Nicht erfolgreiche Studierende geben an, deutlich
mehr Verpflichtungen (Arbeit/Betreuung) neben dem Studiums zu haben P = 0,001), wobei hier aber kein Geschlechtsunterschied besteht (P = 0,842).
Faktorenanalyse (Tabelle 2, Abb. 1)
Die Extraktion der Faktoren ergab eine 11-Faktorenstruktur, die 56,6% der Varianz erklärt (erklärter Varianzanteil, EV).
– 11 Items luden im Faktor 1, den wir als „Erfolgs­
sicherheit“ bezeichneten (EV: 11,1%),
– 7 Items luden im Faktor 2: „laufend und viel mitlernen“ (EV: 6,7%),
– 4 Items im Faktor 3: „auf Verstehen und umfassendes
Wissen ausgerichtetes Lernen“ (EV: 5,5%),
40
Haidinger et al., Lernstrategien oder strategisches Lernen?
Ich bin sicher, dass ich die SIP bestehen werde
0,85
Ich bin zuversichtlich, die SIP zu bestehen
0,83
Ich fühle mich gut auf die spezifischen
Anforderungen der SIP eingestellt
0,75
Manchmal überkommt mich große
Unsicherheit, ob ich die SIP schaffen kann
–0,66
Ich sehe derzeit nicht, wie ich den
Prüfungsstoff bewältigen kann
–0,58
Ich bin mir nicht sicher, ob meine Art zu
Lernen den Anforderungen der SIP entspricht
–0,57
Ich habe schon bald herausgefunden, was bei
der SIP verlangt wird und mein Lernen darauf
eingestellt
0,52
Ich habe meinen Lernstil ganz auf die
Anforderungen der SIP eingestellt
0,50
Ich weiß noch nicht recht, wie ich mich auf die
SIP einstellen soll
Ich neige eher dazu, alles bis zuletzt
hinauszuschieben
Ich habe schon während des Studienjahres
laufend mitgelernt
So wie ich für die SIP lerne, gehe ich bewusst
ein gewisses Risiko ein, einen Teil davon nicht
zu bestehen
–0,46
0,41
–0,78
0,67
–0,52
0,51
Intensiv für die SIP zu lernen (mindestens 6
Stunden pro Tag) beginne ich ... Wochen vor
der SIP
–0,42
Ich lerne so, dass ich den Stoff wirklich
verstehe
0,71
Es ist mir wichtig, den Prüfungsstoff wirklich
gut zu verstehen
0,70
Ich versuche den Stoff aller Blöcke
gleichmäßig gut zu beherrschen
0,52
Um ein/e gute/r Arzt/Ärztin zu werden
benötige ich ein möglichst vollständiges
Wissen
0,44
Um die SIP zu bestehen, muss ich eher Details
auswendig lernen
0,85
Um die SIP zu bestehen, muss ich viele Details
auswendig lernen
0,85
Ich lerne den Stoff möglichst detailliert
0,62
0,77
maximaler Lernaufwand bei
reduziertem Lernziel
lernstrategisch ratlos
Lernen nach Kurzlehrbüchern
und Fragensammlungen
verunsichert, überfordert
ängstlich, fleißig, strategielos
inhaltliche Zusammenhänge
herstellen, vernetzen
–0,44
Ich lerne grundsätzlich lieber mehr, um eine
Prüfung sicher zu bestehen
Ich habe immer schon leicht gelernt
leicht lernen, hohe Lernkapazität
Details auswendig lernen
auf Verstehen und umfassendes
Wissen ausgerichtetes Lernen
laufend und viel mitlernen
Ladungen > 0.40 der Items in den
einzelnen Faktoren
Erfolgssicherheit
Tabelle 2. Die einzelnen Items und ihre Ladung für die 11-Faktoren-Lösung (Ladungen über 0,40)
Haidinger et al., Lernstrategien oder strategisches Lernen?
41
Es fällt mir leicht, große Stoffmengen zu
bewältigen
maximaler Lernaufwand bei
reduziertem Lernziel
lernstrategisch ratlos
0,74
Ich kann problemlos über mehrere Wochen
sechs Stunden täglich lernen
0,44
0,47
Um die SIP zu bestehen, ist es wichtig den
Lernstoff zu verstehen
0,77
Um die SIP zu bestehen, ist es wichtig
Zusammenhänge zu verstehen
0,77
Um die SIP zu bestehen, darf man sich nicht in
Details verlieren
0,50
Mir macht es wenig aus, wenn ich die SIP
nicht beim ersten Antreten bestehe
–0,62
Ich gehe eher gelassen an die SIP heran
–0,44
– 0,51
Ich werde in den nächsten Wochen mit voller
Kapazität lernen
0,46
Beim Lernen halte ich mich manchmal mit
einem Detailproblem auf
0,44
Meine Lernkapazität ist durch meinen
Gesundheitszustand beeinträchtigt
0,66
Derzeit bleibt mir neben dem Studieren
keinerlei freie Zeit
0,43
Die Stoffmenge ist mir einfach zu groß
0,42
Um die SIP zu bestehen, darf man sich durch
die Art der Fragen nicht verunsichern lassen
–0,41
Ich verwende für die Vorbereitung auf die SIP
eher Lernunterlagen und Kurzlehrbücher
0,78
Ich benutze für die Vorbereitung auf die SIP
hauptsächlich umfangreiche Lehrbücher
–0,73
Ich wüsste gern, worauf es bei der SIP
wirklich ankommt
Ich glaube, verstanden zu haben, was bei der
SIP gefordert wird
Lernen nach Kurzlehrbüchern
und Fragensammlungen
verunsichert, überfordert
ängstlich, fleißig, strategielos
inhaltliche Zusammenhänge
herstellen, vernetzen
leicht lernen, hohe Lernkapazität
Details auswendig lernen
auf Verstehen und umfassendes
Wissen ausgerichtetes Lernen
laufend und viel mitlernen
Ladungen > 0.40 der Items in den
einzelnen Faktoren
Erfolgssicherheit
Tabelle 2. Fortsetzung
0,70
0,45
–0,63
Ich lerne so, dass ich sicher fünf Blöcke
bestehe
0,74
Ich lerne einfach, soviel ich kann
0,48
Um die SIP zu bestehen, ist es wichtig, die
veröffentlichten Fragen zu kennen
Um die SIP zu bestehen, darf ich nicht lange
über die Fragen nachdenken (Zeitdruck)
Ich war immer schon sicher, dass die
Anforderungen der Schule bzw. des Studiums
grundsätzlich zu schaffen sind
Ich hätte an Stelle der SIP lieber mehrere über
das Studienjahr verteilte Prüfungen
42
Haidinger et al., Lernstrategien oder strategisches Lernen?
– 3 Items im Faktor 4: „Details auswendig lernen“ (EV:
5,3%),
– 3 Items im Faktor 5: „leicht lernen, hohe Lernkapazität“ (EV: 4,6%),
– 3 Items im Faktor 6: „Inhaltliche Zusammenhänge
herstellen, vernetzen“ (EV: 4,0%),
– 4 Items im Faktor 7: „ängstlich, fleißig, strategielos“
(EV: 4,0%),
– 4 Items im Faktor 8: „verunsichert, überfordert“ (EV:
3,9%),
– 2 Items im Faktor 9: „Lernen nach Kurzlehrbüchern
und Fragensammlungen“ (EV: 3,9%),
– 4 Items im Faktor 10: „lernstrategisch ratlos“ (EV:
3,8%),
– 2 Items im Faktor 11: „maximaler Lernaufwand bei
reduziertem Lernziel“ (EV: 3,7%).
Die zweifaktoriellen Varianzanalysen zeigten nur
Haupteffekte und bei keinem der untersuchten Faktoren
signifikante Wechselwirkungen:
Faktor 1, „Erfolgssicherheit“: Dieser Faktor erwies
sich sowohl hinsichtlich des Geschlechts als auch des
Prüfungserfolgs als relevant. Erfolgreiche Studierende unterscheiden sich signifikant von nicht erfolgreichen
(P < 0,001), männliche Studierende zeigten die höchste,
weibliche die geringste Ausprägung der Erfolgssicherheit
(P < 0,001). Männliche nicht erfolgreiche zeigen sogar
deutlich höhere Werte als weibliche erfolgreiche Studierende (Tabelle 1).
Faktor 2: „Laufend und viel mitlernen“: Auch dieser
Faktor zeigte sowohl geschlechts- als auch erfolgsrelevante Unterschiede. Erfolgreiche unterscheiden sich darin
deutlich von Nicht-erfolgreichen (P < 0,001), insgesamt
verneinen männliche Studierende diesen Aspekt des Lernverhaltens eher, während weibliche ihn insgesamt bejahen
(P < 0,001).
Faktor 3, „auf Verstehen und umfassendes Wissen
ausgerichtetes Lernen“: Dieser Faktor erscheint weder für
den Prüfungserfolg (P = 0,267) relevant zu sein, noch zeigen sich Geschlechtsunterschiede (P = 0,626).
Faktor 4, „Details auswendig lernen“: Auch dieser
Faktor erscheint nicht relevant für den Prüfungserfolg
(P = 0,820). Auch Geschlechtsunterschiede finden sich
nicht (P = 0,090).
Faktor 5, „leicht lernen, hohe Lernkapazität“: Erfolgreiche Studierende unterscheiden sich von nicht erfolgreichen in diesem Aspekt signifikant (P < 0,001). Aber
auch Geschlechtsunterschiede sind auffällig: weibliche
Studierende stimmen dem insgesamt mehr zu als männliche, die sich sogar tendenziell ablehnend äußern
(P = 0,010).
Faktor 6, „inhaltliche Zusammenhänge herstellen,
vernetzen“: In diesem Aspekt unterscheiden sich die Geschlechter sehr deutlich (P = 0,001), wobei Frauen von
dieser Lernstrategie stärker Gebrauch machen als Männer,
die dies sogar eher ablehnen. Erfolgsrelevanz besteht hingegen keine (P = 0,785).
Faktor 7, „ängstlich, fleißig, strategielos“: In diesem
Faktor zeigen sich erneut Geschlechtsunterschiede: ­Frauen
zeigen mehr von dieser Herangehensweise, Männer lehnen sie eher ab (P = 0,012). Insgesamt zeigen Erfolgreiche
dieses Lernverhalten jedoch sehr viel ausgeprägter als
Nicht-Erfolgreiche (P < 0,001).
Abb. 1. Mittelwerte der Faktoren nach Geschlecht und Studienerfolg
Haidinger et al., Lernstrategien oder strategisches Lernen?
Faktor 8, „verunsichert, überfordert“: Dieser Faktor
ist deutlich erfolgsbezogen; nicht erfolgreiche Studierende weisen höhere Zustimmungswerte auf, Erfolgreiche
hingegen äußern sich eher ablehnend (P < 0,001). Geschlechtsunterschiede bestehen nicht (P = 0,112).
Faktor 9, „Lernen nach Kurzlehrbüchern und Fragensammlungen“: Erfolgreiche Studierende bejahten diese Frage, nicht erfolgreiche verneinen sie, der Unterschied
ist signifikant (P = 0,001). Geschlechtsunterschiede bestehen keine (P = 0,162).
Faktor 10, „lernstrategisch ratlos“: Dieser Faktor
ergab weder erfolgsbezogene (P = 0,283) noch geschlechtsspezifische (P = 0,965) Unterschiede.
Faktor 11, „maximaler Lernaufwand bei reduziertem
Lernziel“: Nicht Erfolgreiche stimmen hier deutlich zu,
Erfolgreiche lehnen die Statements eher ab (P < 0,001); es
bestehen keine Geschlechtsunterschiede (P = 0,367).
Diskussion
Mit der vorliegenden Studie haben wir versucht, den
mittlerweile an drei Jahrgängen bestätigten Erfolgsprädiktor „männliches Geschlecht“ aufzuklären. In einer früheren
prospektiven Studie [11] hatten wir Lernstrategien detailliert auf geschlechtsspezifische Erfolgsrelevanz untersucht, damit jedoch keinen wirklichen Erkenntnisfortschritt erzielen können. In der vorliegenden Studie folgten
wir den Einschätzungen der Studierenden, die wir in mehreren Fokusgruppen zuvor erhoben hatten und konzentrierten uns ganz auf ein Lernverhalten, das strategisch auf
die Erfordernisse der über den weiteren Studienfortgang
entscheidenden Jahresprüfung SIP-1 zugeschnitten ist und
von dem angenommen wird, dass sich die Geschlechter
darin unterscheiden. Der Succus der Studentenbefragungen lautete: weibliche Studierende seien grundsätzlich
unsicherer und neigten daher, im Sinne einer Kompensation, dazu, genauer, detaillierter, mehr auf Verstehen und
Vollständigkeit ausgerichtet zu lernen, was aber angesichts der enormen Stoffmengen, die für die SIP-1 zu
erarbeiten sind, als verfehlt erachtet wird. Da nach unseren Recherchen für dieses spezifisch-strategische Lernverhalten kein erprobtes Testverfahren existiert, haben wir
uns entschlossen, selbst einen Fragenkatalog zu konstruieren und diesen in einer weiteren prospektiven Studie
vorzugeben.
Es fällt auf, dass der am deutlichsten sowohl erfolgsals auch geschlechtsrelevante Faktor jener ist, der in unseren bisherigen Studien bereits erfolgsprädiktiv war (Erfolgssicherheit). Im Grunde handelt es sich dabei nicht um
eine Lernstrategie sondern um Selbstsicherheit in Bezug
auf die zu bewältigende Aufgabe. Dass dieser Faktor auch
besonders deutlich die Geschlechter trennt, wurde in dem
Ausmaß nicht erwartet. Möglicherweise wird das Medizinstudium in Wien immer noch als eine Männerdomäne
erachtet, in die einzudringen Unsicherheit erzeugt. Wir
sind einerseits an Studien zu mathematischen Fähigkeiten
erinnert, in welchen die Instruktion, dass Geschlechts­
unterschiede zu erwarten seien, die Leistungen der Mädchen einbrechen ließ, während sie bei gender-neutraler
Instruktion vergleichbar blieben [16, 17]. Wie sehr Leistungsunterschiede in klassischen Männerdomänen sozialisations- und lernerfahrungsabhängig sind ergab auch eine
43
Studie von Quaiser et al. [18], die zeigten, dass das räumliche Vorstellungsvermögen, das bei Mädchen und Frauen
in der Regel geringer ist, sich den Durchschnittswerten
von Männern angleicht, wenn viele entsprechende
Übungserfahrungen vorliegen. Was die größere Unsicherheit von Frauen in Leistungsbereichen betrifft, so ergab
eine Repräsentativbefragung an rund 2000 Deutschen
(durchgeführt, um die Kurzversion eines Unsicherheitsfragebogens zu testen), dass Frauen auf den Skalen „Kritikangst“ und „Nicht-nein-sagen-Können“ höhere und auf
der Skala „Fordern können“ niedrigere Werte angeben als
Männer [19]. Eine angemessene Erklärung für diese Befunde zu liefern, würde den gesteckten Rahmen dieser
Arbeit überfordern. Trotzdem können wir auf gender­
spezifische Sozialisationsforschung verweisen [20, 21],
die zeigt, dass das Lernverhalten von Mädchen sich von
dem der Burschen unterscheidet und ein Eingehen darauf
zu besseren Schulleistungen führt. Die Medizinische Universität könnte sich überlegen, inwieweit sie diese GenderThematik in ihre curriculäre Planung einfließen lässt.
Wenn man die Ergebnisse jener weiteren Faktoren (2,
5, 7), die sich als sowohl erfolgs- als auch geschlechtsrelevant erwiesen, zusammenfasst, so ergibt sich folgendes
Bild: männliche Studierende sind erfolgssicherer, verneinen eher laufendes Mitlernen, sprechen sich selbst eher
keine hohe Lernkapazität zu, sehen sich nicht als ängstlich
und (daher auch nicht) fleißig, wohl aber als strategisch.
Weibliche Studierende hingegen zeigen sich generell als
erfolgsunsicher, sie lernen vermehrt laufend mit, sagen
von sich, dass sie leicht und ausdauernd lernen, sehen sich
aber als eher ängstlich und (daher) fleißig sowie als nicht
strategisch. Wir sehen durch die Befunde dieser Fragebogenuntersuchung die von den Studierenden angebotenen
Erklärungen für die geringeren Bestehensraten weiblicher
Studierender bestätigt: Es ist wichtig, das Lernverhalten
strategisch auf die spezifischen Erfordernisse abzustimmen und dies scheint männlichen Studierenden besser zu
gelingen.
Dass Erfolgreiche sich selbst eine hohe Lernkapazität
zuschreiben und angeben leicht zu lernen, bestätigt unsere bisherigen Befunde an 4 Jahrgängen. Auch der Geschlechtsunterschied in diesem Aspekt erscheint nicht
weiter überraschend. Kolland hat bereits 2002 darauf hingewiesen [22], dass es bei den männlichen Studierenden
„Wechsler“ gibt, das sind Studierende, die in der Sekundarstufe nur mittlere und häufig auch stark wechselnde
Schulleistungen erbrachten, im Studium hingegen sehr
gute. Bei Mädchen konnte dies nicht beobachtet werden,
hier besteht ein stärkerer linearer Bezug zwischen Schulund Studierleistungen.
Wenn man die erfolgsrelevanten Faktoren zusammenfassend betrachtet, so zeigt sich, dass „Erfolgssicherheit“, „laufend Mitlernen“, „leicht lernen und hohe Lernkapazität“, „Fleiß“, „sich nicht verunsichert und überfordert fühlen“, „nur nach Kurzlehrbüchern lernen“ sowie
„nicht aus Überforderung das Lernziel reduzieren“ zielführende Befindlichkeiten bzw. Herangehensweisen sind.
Auffallend gut ins Bild passt dabei, dass ein „auf Verstehen ausgerichtetes Lernen“ sowie das „Herstellen von
Zusammenhängen“ nicht zum Erfolg führen, auch nicht
reines „Auswendiglernen“. Zu letzterem vermuten wir,
dass dies angesichts der Stoffmengen von vorneherein als
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Haidinger et al., Lernstrategien oder strategisches Lernen?
aussichtslos erkannt wird. Diese Ergebnisse bestärken
unseren Verdacht, dass die Studierenden aufgrund der
Prüfungsmodalitäten zu oberflächlichem Lernen und zum
Auswendiglernen bereits publizierter Prüfungsfragen gedrängt werden.
Zusammenfassend finden wir bestätigt, dass eine Erfolgsstrategie sich selbstverständlich aus kontinuierlichem
und durchaus fleißigem Mitlernen, darüber hinaus aber
auch aus klugem, die spezifischen Erfordernisse erkennendem Lernverhalten, das nicht zu sehr ins Detail geht
und daher nach Kurzlehrbüchern und Fragensammlungen
vorgeht und nicht alles verstehen will, zusammengesetzt
ist. Wer dies erkennt, - und das scheint männlichen Studierenden besser zu gelingen - kann, bauend auf bisherige
erfolgreiche Lernerfahrung, erfolgssicher auf die SIP-1
zusteuern.
Resümee
Die Ergebnisse dieser Studie liefern erstmals eine
Erklärung für die nun am vierten Jahrgang in Folge festgestellten geringeren Bestehensraten weiblicher Studierender. Wir können zeigen, dass es männlichen Studierenden besser gelingt, die spezifischen Anforderungen der
entscheidenden Jahresprüfung (SIP-1) zu durchschauen
und dass ein den großen Stoffmengen und der Prüfungsmethode entsprechendes oberflächliches Lernen Erfolg
versprechender ist als ein auf Verstehen ausgerichtetes
und Zusammenhänge herstellendes. Dies wirft die Frage
auf, ob dies von der Curriculumsplanung so gewollt sein
kann. Wir vermuten, dass es sich um einen unerwünschten
Nebeneffekt handelt und meinen, dass es nur kleiner Adaptierungen bedarf, um diese Fehlentwicklung zu korrigieren. Zum einen schlagen wir vor, die Gesamtprüfung
am Ende des Jahres in mehrere Teilprüfungen aufzuteilen,
da wir vermuten, dass dies dem weiblichen Lernverhalten
besser entspricht. Unsere Argumentation wird durch die
bereits erwähnten Erfolgsraten anderer medizinischer Studiengänge [8, 9, 10] auch in diesem Punkt unterstützt.
Weiters fällt auf, dass an der Medizinischen Universität
Graz, an der der Stoff des ersten Studienjahres auf fünf
Teilprüfungen aufgeteilt ist [23] nur ein geringer (nicht
signifikanter) Geschlechtsunterschied besteht. Im Gegensatz dazu weisen Studentinnen des veterinärmedizinischen
Studiums in Wien, bei dem jeweils am Ende der beiden
ersten Semester kommissionelle Gesamtprüfungen bestanden werden müssen, um in das zweite Jahr zugelassen
zu werden, ebenfalls deutlich geringere Bestehensraten
auf [24].
Zum anderen sehen wir einen Widerspruch zwischen
dem fächerintegrativen Anspruch des Curriculums und
unseren Ergebnissen, wonach ein auf Zusammenhänge
und Querverbindungen sowie auf Verstehen ausgerichtetes Lernen nicht erfolgsträchtig ist. Die Lösung sehen
wir einer Reduktion des Stoffumfanges bei gleichzeitig
stärkerer Integration der Themenbereiche. Wohl ist es als
Fortschritt in Richtung Integration zu werten, dass das
neue Curriculum aus Themenblöcken, in die unterschiedliche Fächer einfließen, aufgebaut ist. Doch bleibt die
Integrationsleistung auf halbem Wege stecken, wenn sich
dies nicht auch in den Prüfungsfragen widerspiegelt. Derzeit werden single-choice Prüfungsfragen von den jeweiligen Vortragenden, die zumeist nur ihren eigenen Stoff
im Auge haben, erstellt. Wir glauben, dass, wenn Prüfungsfragen in höherem Maß integratives Lernen forcierten, dieses auch von den Studierenden umgesetzt würde. Und schließlich erscheint es uns bedenklich, dass der
Stoffumfang und die Art der Prüfung ein oberflächliches
Lernen geradezu erzwingen. Wir glauben, dass es gerade
umgekehrt sein sollte: das Risiko nicht zu bestehen sollte
eher mit oberflächlichem Lernen einhergehen; ein umfassendes und in die Tiefe gehendes Lernen hingegen sollte
einen guten Prüfungserfolg wahrscheinlicher machen.
Auch diesbezüglich erscheint uns die Lösung in einer
Reduktion der Quantität des Lernstoffes zu bestehen.
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Korrespondenz: ao. Univ.-Prof. Dr. Gerald Haidinger,
­ bteilung für Epidemiologie, Borschkegasse 8a, 1090 Wien,
A
Österreich, E-mail: [email protected]