Rente Großbritannien

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Rente Großbritannien
Rente Großbritannien
Demographische Entwicklung und aktuelle Betrachtung der Bauwirtschaft
Im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland leben zur Zeit 62 Millionen
Menschen in einer parlamentarische – demokratischen Erbmonarchie. Bis heute gibt es in
Großbritannien keine geschriebene Verfassung, die Verfassungsordnung beruht auf
ungeschriebenem Recht und auf alten Vorläufer- Gesetzen bis hin zur Magna Charta.
Die Erwerbstätigenquote liegt bei 70% und damit über dem Durchschnitt der EU. Die
Arbeitslosenquote liegt mit knapp 8% dagegen unter dem EU-Durchschnitt.
Die demographische Entwicklung ist vergleichbar mit der in anderen europäischen Ländern.
Die Menschen leben länger, aber es kommen weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt.
Dies führt zu einer Zunahme der Rentner und einer Verschlechterung des Verhältnisses von
Arbeitnehmern zu Rentnern. 1949 gab es etwa 4 Millionen Rentner in Großbritannien. Heute
sind es 10,5 Millionen1, die dazu noch länger im Ruhestand sind. Es wird erwartet, dass bis
2025 die Anzahl der Rentner auf 12,5 Mio. und bis 2050 auf 14 Mio. steigen wird. Während
zur Zeit das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentnern 4,5 beträgt, wird es bis 2025 auf 3,5
sinken. Diese Zahlen waren der Anlaß für verschiedene Rentenreformen in der Vergangenheit
und der geplanten Reform in 2012.
In der Bauwirtschaft gibt es ca. 300.000 Unternehmen2 mit ca. 1,2 Mio. abhängig
Beschäftigten und ca. 750.000 Selbständige, die sich oftmals auch als Alleinunternehmer in
den Bauprozess einbringen. Es wird von 400.000 bis 600.000 Scheinselbständigen
ausgegangen, die nahezu unter den gleichen Bedingungen wie abhängig Beschäftigte arbeiten,
obwohl sie in der rentenrechtlichen Absicherung oftmals andere Bestimmungen einhalten
müssen.
In der Bauwirtschaft gibt es drei maßgebliche Gewerkschaften: UCATT organisiert nur
Baubeschäftigte, UNITE und GMB vertreten auch Arbeitnehmer anderer Branchen. Alle drei
Gewerkschaften sind bei den betrieblichen Renten und Branchenrenten als
Verhandlungspartei mit dabei. Die Bau-Arbeitgeber sind in zwei Verbänden organisiert.
Die bauwirtschaftliche Entwicklung ist in den letzten 10 Jahren sehr positiv verlaufen (mit
einem Konjunktureinbruch in 2008). Diese Entwicklung war besonders ausgeprägt in den
Ballungszentren, allen voran im Großraum London. Deshalb besteht seit einiger Zeit ein
großer Facharbeitermangel in der Branche, der vorwiegend durch osteuropäische
Entsendearbeiter ausgeglichen wird.
Kurze Beschreibung der Rentensituation und des Rentensystems
Das Rentensystem in Großbritannien basiert auf 3 Säulen: der staatlichen Rente, den
Betriebsrenten und der privaten Vorsorge. Da die staatlichen Rentenleistungen gering
sind, haben die Betriebsrenten und die private Vorsorge eine hohe Bedeutung. Rund 47% aller
Beschäftigten haben eine Betriebsrente, 19% haben Vorsorge für eine private Zusatzrente
getroffen. Ab 2012 erhöht sich noch die Bedeutung der Betriebsrenten, da dann eine für alle
Arbeitnehmer verpflichtende Betriebsrente vorgeschrieben wird.
Da die demographische Entwicklung in Großbritannien problematisch ist, versucht der Staat
die staatliche, umlagefinanzierte Rente zu entlasten, indem ein teilweiser Übergang in ein
Kapital gedecktes System möglich ist. Das stellt sich für einen Arbeitnehmer so dar, dass er
sich von der entgeltbezogenen staatlichen Rente befreien lassen kann, wenn er eine eigene
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www.pensionsorter.co.uk www.bis.gov.uk entsprechende Altersvorsorge vornimmt oder wenn der Arbeitgeber eine mindestens
gleichwertige betriebliche Altersversorgung sicherstellen kann.
Mit dem „Pensions Act 2007/2008“ ist eine weitreichende Rentenreform umgesetzt worden,
die von einer nachhaltigen Gestaltung des Rentensystems ausgeht, indem eine schrittweise
Anhebung des Rentenalters und neue Anreizsysteme zum Ausbau der privaten Vorsorge
durch die Beschäftigten beschlossen wurden. D
er gesetzlichen
1. Säule
Die staatliche Rente setzt sich in Großbritannien aus einer pauschalen Grundrente (Basic
State Pension) und einer entgeltbezogenen Zusatzrente (Additional State Pension)
zusammen. Der Geltungsbereich für die Grundrente bezieht alle Arbeitnehmer und
Selbstständigen mit ein, die Zusatzrente ist dagegen nur für Arbeitnehmer.
Die Altersgrenze für den Renteneintritt beträgt bei beiden Rentenarten 65 Jahre für Männer
und 60 Jahre für Frauen, allerdings erfolgt seit 2010 bis 2020 für die Frauen eine stufenweise
Anhebung auf 65 Jahre. Anfang 2011 wurde von der britischen Regierung beschlossen, das
Mindestalter für den Bezug der staatlichen Rente ab dem Jahr 2020 nochmals auf 66 Jahre zu
erhöhen. Eine vorgezogene staatliche Rentenzahlung vor dem gesetzlichen Rentenalter ist
nicht möglich.
Der Beitrag für alle Sozialleistungen (Rente, Arbeitslosigkeit und Unfallschutz) liegt bei 12%
des Bruttoeinkommens für die Arbeitnehmer und 12,8% für die Arbeitgeber und wird an die
Sozialversicherungsbehörde National Insurance (NI) abgeführt. Dieser Prozentsatz gilt für
einen Wochenlohn zwischen 139 und 817 £ (157 – 923 €). Beträgt der Lohn mehr als 817 £
sind 2% Beitrag zusätzlich auf den Betrag zu zahlen, der 817 £ übersteigt.
Auf Grund der Novellierung des Rentensystems in 2002 gibt es differenzierte Wartezeiten für
Altfälle und aktuelle Rentenverläufe, aber grundsätzlich beträgt die Mindestbeitragszeit für
die Grundrente 10 oder 11 Jahre. Die volle Grundrente wird für Männer und Frauen nach 30
Jahren Beitragszahlung gezahlt (gilt seit 2010). Sie beträgt für einen Alleinstehenden 102,15
£ (115 €) (2011/2012)3 pro Woche, was ca. 14% des Durchschnittsverdienstes entspricht.
Zur Grundrente kommt eine einkommensbezogene staatliche Zusatzrente (Additional State
Pension). Diese Rente erhält jeder, der in das 1978 eingeführte Zusatzrentensystem als
Erwerbstätiger eingezahlt hat. Die Zusatzrente wurde bis zum Jahr 2002 State EarningsRelated Pension Scheme (SERPS) genannt und seither State Second Pension (S2P).
Die Zusatzrente aufbauen kann jeder, der:
- abhängig beschäftigt ist und über 5.304 £ (5.994 €) im Jahr verdient,
- unter zwölf Jahre alte Kinder betreut und Anspruch auf Kindergeld hat,
- für mehr als 20 Stunden die Woche Kranke oder Behinderte betreut und Anspruch auf
Pflegegeld hat.
Der zusätzliche Rentenbetrag ist abhängig von der Höhe der Zahlungen an die
Sozialversicherung und vom Durchschnittsarbeitsverdienst während des gesamten
Erwerbslebens, wobei die Arbeitsentgelte zurückliegender Jahre entsprechend der
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www.direct.gov.uk/en/Pensionsandretirementplanning/StatePension/DG_183754 Lohnentwicklung aufgewertet werden. Die maximale Zusatzrente beträgt 159,52 £ (180 €)
(2011/2012) wöchentlich.
Auch die Zusatzrente deckt jedoch nur knapp 25% des durchschnittlichen Jahreseinkommens
ab, und dies auch nur bei entsprechend vielen Beitragsjahren.
Wenn man als Arbeitnehmer an einer betrieblichen oder persönlichen Altersvorsorge teil
nimmt, kann man aus der staatlichen Zusatzrente aussteigen. Bei einer betrieblichen
Altersvorsorge zahlen dann der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber geringere Sozialabgaben,
bei privater Vorsorge wird dem Arbeitnehmer ein Teil der Sozialbeiträge auf sein privates
Rentenkonto gut geschrieben.
Die Grundrente ist niedriger als die Sozialhilfe, so dass, wenn keine anderen Einkünfte und
keine Ersparnisse über 6.000 £ (6.780 €) vorliegen, der Staat die Grundrente aufstockt. Diese
Garantierente garantiert den Beziehern ein wöchentliches Renteneinkommen von 130 £
(147€) für Alleinstehende und 198,45 £ (224€) für ein Paar (darin ist die Grundrente
eingeschlossen).
Die gesetzliche Rente sichert nur einen Lebensabend auf Sozialhilfeniveau, und viele Bürger
haben in jungen Jahren zu wenig private Vorsorge betrieben. Nach einer EU-Studie von 2010
lebt fast ein Drittel der Senioren in Großbritannien in Armut, in Deutschland sind es dagegen
nur 17 Prozent und in Frankreich 13 Prozent.
Für alle Rentner kommen weitere staatliche Leistungen hinzu, zum Beispiel kostenlose
Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Kommune und im Umland,
Heizkostenzuschüsse und auch Mietzuschüsse.
Mindestens einmal jährlich erfolgt eine Angleichung der Rentenhöhe durch Gesetz an die
allgemeine Inflationsrate, zukünftig an die durchschnittliche Einkommenssteigerung.
Es findet eine Besteuerung der Rente nach den allgemeinen Richtlinien statt, weitere
Sozialabgaben sind allerdings im Ruhestand nicht abzuführen.
2. Säule
Betriebliche Rentensysteme sind in Großbritannien stark verbreitet. Etwa 47 Prozent der
Beschäftigten haben eine Betriebsrente. Normalerweise wird monatlich ein gewisser
Prozentsatz des Einkommens in die Betriebsrente eingezahlt. Dafür erhält man
Steuererleichterungen. Der Arbeitgeber zahlt ebenfalls einen Anteil ein.
Die Betriebrenten werden normalerweise von Fondgesellschaften verwaltet. In der
Bauwirtschaft gibt es seit vielen Jahren solche Pensionsfonds. Der größte Fonds für die
Bauwirtschaft ist B&CE Benefit Schemes4. Er hat 209.000 Baubeschäftigte und 6.400
Bauunternehmen unter Vertrag.
Die Pensionskassen, Rentenfonds oder ähnliches werden vom Staat oder von ihm
beauftragten Instituten überwacht. Grundsätzlich ist es möglich, dass beitragsorientierte oder
leistungsorientierte Rentenzusagen vereinbart werden können, allerdings ist in letzter Zeit
festzustellen dass immer mehr betriebliche Rentenversicherungen auf das Beitragsprimat
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www.bandce.co.uk umstellen. Es sind ebenfalls Regelungen vorgeschrieben damit den Rentnern bei
Zahlungsunfähigkeit einer einzelnen Institution kein Nachteil entsteht.
Ab dem 1.4. 2012 regelt eine neue Gesetzgebung für die betriebliche Rentenversicherung,
dass jedes Unternehmen diese anzubieten hat und die Versicherung obligatorisch wird. Ab
diesem Zeitpunkt müssen für jeden Arbeitnehmer mindestens drei Prozent des Lohns in einen
Pensionsfond eingezahlt werden. Davon trägt der Arbeitgeber 1,5% und es kommen etwa 1%
indirekter Leistungen durch den Staat in Form von Steuererleichterungen hinzu. Damit soll
eine nachhaltigere, Generationen gerechte sowie sichere Altersvorsorge unabhängig vom
Staat erreicht werden.
3. Säule
Private Renten liefern ein zusätzliches Einkommen zu der staatlichen und betrieblichen Rente.
Die Einzahlung von Einkommensbestandteilen oder angesparten Vermögen in private
Versorgungsfonds zur Aufstockung der Rente werden in Großbritannien von etwa 19% der
Beschäftigten genutzt. Insbesondere für Selbständige ist diese Art der Rentenvorsorge
wichtig, da sie weder staatliche Zusatzrenten noch Betriebsrenten ansparen können. Es ist zu
vermuten, dass Bauarbeitnehmer die Privatvorsorge nur in geringem Maße betreiben.
Alle Institute, die private Vorsorge anbieten, werden nach den Erfahrungen durch die
Finanzkrise in Zukunft staatlich stärkeren Kontrollen unterzogen.
Spezielle Formen der Rente bzw. Altersvorsorge und Frühverrentung
Bei einem Renteneintritt vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter wird keine öffentliche
Rente gezahlt. Allerdings gibt es im Rahmen der privaten Rentenversicherung in Verbindung
mit Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen Frühverrentungsmöglichkeiten.
Da in der Bauwirtschaft ein hoher Anteil der Beschäftigten den Status von Selbständigen hat,
können sie die frühzeitige Verrentung in Anspruch nehmen, allerdings ist dies sehr oft nur mit
einer deutlich niedrigeren Rentenleistung möglich.
Vorteile bzw. Bonusregelungen bei der Verlängerung der beruflichen Tätigkeit über das
normale Rentenalter hinaus
Im britischen Rentensystem ist eine Verlängerung der Arbeitssituation über das 65.
Lebensjahr hinaus seit 2005 möglich und erlaubt. Die Rentenzahlung erhöht sich in diesem
Fall um 7,5% pro Beschäftigungsjahr (bis zu 5 Jahren nach der staatlichen Regelaltersgrenze),
wenn vorher eine ordnungsgemäße Beitragsleistung erbracht worden ist. Durch die neue
Gesetzgebung ist die Zeitspanne von 5 Jahren abgeschafft und der Rentenzuschlag wurde auf
10,4 % pro volles Jahr des Rentenaufschubes erhöht. Gleichzeitig wurde auch die Möglichkeit
eröffnet, diesen Rentenzuschlag als Einmalzahlung zuzüglich einer garantierten Verzinsung
von 2% bei Renteneintritt zu bekommen.
Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit
Grundsätzlich werden die Zeiten der Arbeitslosigkeit, für die Arbeitslosenunterstützung oder
Sozialhilfe gezahlt wurden bei der staatlichen Grundrente angerechnet, allerdings entstehen
für die staatliche Zusatzrente keine weiteren Ansprüche.
Arbeitsbeziehungen und paritätische Pensionsfonds bzw. Sozialkassen
Im Rahmen der 2. Säule gibt es in GB viele Pensionsfonds und private Versicherungen für die
Altersvorsorge im Kapitaldeckungsverfahren, die von den Beschäftigten ausgewählt werden
können. Auch für die Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Selbständigen (Ein-Mann-Betriebe) in
der Bauwirtschaft gibt es mehrere Pensionsfonds, die branchenorientiert oder berufsständisch
organisiert sind. Zur Zeit ist B&CE Benefit Schemes der größte Fonds für die
Bauwirtschaft, der seit 1942 nicht nur die betriebliche Altersvorsorge sondern auch z.B. das
Urlaubsgeld, Arbeitsschutzmaßnahmen und Entschädigung für Arbeitsunfälle organisiert. Der
Fonds wird von einem unabhängigen Vorstandsvorsitzenden geleitet aber von einem
paritätischen Aufsichtsrat mit 6 Arbeitgebern und 6 Gewerkschaftsvertretern gesteuert.
Es gibt jedoch weitere kleine paritätische Pensionsfonds, die von den Arbeitgebern und
Gewerkschaften der Branche gesteuert werden und die auch die Tarifverträge für die
Beitragsleistungen und die Rentenhöhen sowie die Auszahlungsbedingungen festlegen.
Die Bedingungen, die finanziellen Belastungen und Leistungen sind sehr differenziert,
allerdings ist die Steuerfreiheitsgrenze einheitlich. Sie liegt aktuell bei 1,7% für die
Arbeitnehmer und 3,2% für die Arbeitgeber, das bedeutet, dass Einzahlungen in dieser Höhe
vom Bruttoeinkommen steuerfrei sind. Zur Zeit liegen die durchschnittlichen Beiträge bei
3,75 % für die Arbeitnehmer und 7,5 % für die Arbeitgeber. Die Pensionsfonds haben einen
Kapitalstock, der bis 2005 mit 5 % und ab dieser Zeit mit 2,5 % Garantiezins für die
Erstattung der Rentenleistungen arbeitet.
Auf Grund der demographischen Entwicklung in der Bauwirtschaft und vor allem auch durch
die Finanzkrise bedingt arbeiten im Augenblick fast alle Fonds defizitär und es müssen die
Kapitalrücklagen angegriffen werden.
Rolle der Gewerkschaften, die aktuelle Diskussion sowie politische Trends
An Hand der aktuellen Informationen zur Rentenentwicklung kann festgestellt werden, dass
nur knapp 50 % der Beschäftigten in der Privatwirtschaft Beiträge in die Rentenversicherung
der 2. Säule einzahlen, vor allem deshalb, weil die Einzahlung bisher freiwillig ist. Die
aktuelle Rentenreform ist hauptsächlich auf die Renten und das Renteneintrittsalter der
Beamten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst gerichtet. Die Gewerkschaften haben
jedoch unterstützt, dass ab April 2012 die 2. Säule verpflichtend für alle wird und damit die
Zunahme der Altersarmut eingedämmt wird, die durch die niedrigen staatlichen
Rentenzahlungen droht.
Daneben sollen auch die Erfahrungen der Finanzkrise aufgearbeitet werden, so dass die
öffentliche Kontrolle der privaten Rentenversicherung verbessert wird und vor allem die
Angebote der Versicherer leichter zu verstehen sind. Durch die Krise ist die Angst
gewachsen, Renten bei privaten Trägern abzuschließen, deshalb fordern die Gewerkschaften
mehr paritätische Rentenfonds, die direkt von den Arbeitgebern und Gewerkschaften
gesteuert werden können.
In Großbritannien haben ca. 80 % der Beschäftigten Immobilienbesitz (Eigenheim oder
eigene Wohnung). Durch die enormen Wertsteigerungen dieser Immobilien in den letzten 20
Jahren um 300 bis 400 % nehmen viele Rentner lieber Kredite zur Bewältigung ihrer
Ausgaben auf, was aber von den Gewerkschaften als große Gefahr eingeschätzt wird, wenn
der Immobilienboom eventuell in den nächsten Jahren zurückgehen würde.
Daneben befürchten die Gewerkschaften durch die Verschiebung des gesetzlichen
Renteneintrittsalters Rentenminderungen für z.B. die Baubeschäftigten, da sie durch die
schwere körperliche Arbeit nicht in der Lage sind bis zum 65. oder dann ab 2020 bis zum 66.
Lebensjahr zu arbeiten.
Auf Grund der schlechten Arbeitsbedingungen gibt es in Großbritannien immer mehr
Beschäftigte, die aus dem aktiven Arbeitsprozess ausscheiden wollen und die sich „ASAP“
nennen, “as soon as possible”. Sie wollen die Arbeitssituation als Arbeitnehmer oder
Selbstständige, oft Scheinselbstständige, verlassen, in den Ruhestand gehen um etwas
nebenher zu verdienen, so berichteten einige Sozialforscher im Rahmen eines Pensions
Workshops mit Experten an der University of Westminster am 3. 12.2010 in London.
In Großbritannien arbeiten noch vergleichsweise viele Senioren, und nicht immer weil sie
müssen. Bei einer Umfrage im Februar 2009 gaben knapp 40 Prozent der Befragten zu
Protokoll, sie würden auch nach Erreichen des Rentenalters gern weiterarbeiten.
Künftig können die Briten selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen. Das gesetzliche
Rentenalter, das bisher beim Erreichen der Altersgrenze in der Regel automatisch zum
Ausscheiden aus dem Betrieb führte, wird zu Ende September 2011 ersatzlos abgeschafft. Ein
wichtiges Ziel der Maßnahme ist es, Personen mit zu geringer Altersvorsorge den Verbleib im
Erwerbsleben zu erleichtern und damit einen Absturz in die Altersarmut zu verhindern. Bisher
können Arbeitgeber ihre Beschäftigten mit dem 65. Geburtstag auch gegen deren Willen in
Rente schicken.
Die Seniorenverbände haben für die Abschaffung der Altersgrenze gekämpft. Auch der
britische Gewerkschaftsbund TUC begrüßt die Änderung. Der Industrieverband CBI
befürchtet dagegen, dass für die Unternehmen die Personalplanung und die Gewährung
freiwilliger Sozialleistungen dadurch „nahezu unmöglich“ gemacht wird. Viele Arbeitgeber
waren bisher froh, ältere Beschäftigte mit geringerer Produktivität in die Rente abschieben zu
können. In Zukunft müssen sie dagegen wohl nachweisen, dass die älteren Arbeitnehmer
ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen sind.
Großbritannien
Ergebnisse/Daten/Fakten auf einen Blick
Bauwirtschaft:
- Arbeitnehmer: 1,2 Millionen
- Betriebe: 300.000
Anzahl
Selbständige: 700.000
Allgemeines Rentensystem ist wie organisiert?
1.Säule: gesetzliche obligatorische Grundrente und staatliche Zusatzrente
Beiträge: Arbeitgeber: 12,8%
Arbeitnehmer: 12%
2.Säule: betriebliche Altersvorsorge, bisher freiwillig, ab April 2012 obligatorisch
Beiträge: Arbeitgeber: 1,5% oder mehr
Arbeitnehmer: 1,5% oder mehr
3.Säule: Private Vorsorge, freiwillig
Beiträge: Arbeitgeber: -
Arbeitnehmer: nach Einkommenslage
Gesetzliches Renteneintrittsalter: 65m/60w
Anzahl der notwendigen Beitragsjahre: 10w/11m, volle Rente nach 30 Jahren (Grundrente)
Tatsächliches Renteneintrittsalter: 63,1 (2008)
Geplantes/zukünftiges gesetzliches Renteneintrittsalter:
65m/65w bis 2020, 66 ab 2020, 68 bis 2046
Mindestrente (Grundrente plus Aufstockungsbetrag): 147 €/ Woche für einen Alleinstehenden
Rentenhöhe Brutto für einen Alleinstehenden:
Grundrente: 115 €/ Woche
in %: 14
Zusatzrente: 180 €/ Woche
in %: 22
Frühverrentung möglich: Nein
Gibt es Sonderregelungen für die Bauwirtschaft? Nein
Gibt es Tarifverträge? Ja
Gibt es Paritätische Kassen oder Fonds? Ja
Stichworte/Kurzberichte zur aktuellen Diskussion/Forderungen:
Gesetzgeber: ab 2020 Renteneintritt ab 66 Jahre, ab 2012 obligatorische betriebliche Rente,
ab Oktober 2011 kein Zwang in Rente zu gehen bei Erreichen des Rentenalters
Gewerkschaften: bekämpfen das Heraufsetzen des Rentenalters, begrüßen die Stärkung der 2.
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