Die Macht des Internets

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Die Macht des Internets
Quarks & Co | Die Macht des Internets | Sendung vom 20.10.09
http://www.quarks.de
Quarks & Co
Quarks & Co Die Macht des Internets
Autoren:
Katharina Adick, Axel Bach, Peter Krachten, Mike Schaefer
Redaktion: Stephan Witschas
Jeder kennt es, (fast) jeder braucht es: das Internet. 40 Jahre nach seiner „Geburt“ ist es nicht mehr weg zu denken. Und nie zuvor
war die Menschheit so abhängig von einem technischen Netzwerk wie heute. Quarks & Co hakt nach: Wie hat das Internet unsere
Gesellschaft verändert, und wie funktioniert es überhaupt?
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Online-Macht für Bürger
Über das Internet mehr Demokratie wagen?
Der Wahlerfolg der Piratenpartei, Online-Petitionen mit Rekordbeteiligung, Polit-Blogs mit
großem Stammpublikum – vor wenigen Jahren hätte niemand gedacht, dass in Deutschland
Bürger das Internet als Plattform nutzen würden, um sich erfolgreich in die Politik einzumischen.
Der diesjährige Protest gegen Pläne der Bundesregierung zu Internetsperren und Online-Überwachung hat aber gezeigt, welche neuen Möglichkeiten das Internet bietet, sich als Bürger
politisch einzubringen. Es muss allerdings ein Thema sein, das viele Menschen vereint.
Mitmachen – per Internet auch in der
Politik?
Umstrittenes Thema „Netzsperren“
Für viele Internet-Nutzer sind “Netzsperren“ solch ein Thema. Dabei geht es um eine Initiative
der Familienministerin Ursula von der Leyen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz.
Deutsche Internet-Anbieter sollen verpflichtet werden, den Zugang zu Seiten mit entsprechendem Inhalt zu blockieren. Das Bundeskriminalamt soll dabei den Internet-Anbietern entsprechende Seiten in einer Sperrliste melden. Das Gesetz dazu wurde von Bundestag und Bundesrat
beschlossen, ist aber noch nicht in Kraft (Stand: 13. Oktober 2009). Kritiker bezweifeln, dass
Das Netz muss frei bleiben
Kinderpornografie mit solchen Sperren tatsächlich bekämpft werden kann. Vor allem aber
Rechte: mauritius images
befürchten sie, dass das Gesetz den Einstieg in eine Zensur des Internets bedeuten könnte.
Kritisch beurteilen sie auch Pläne zu neuen Möglichkeiten einer staatlichen Online-Überwachung,
zum Beispiel durch Späh-Software, die auf Computern von Bürgern installiert werden könnte. Die
Proteste vieler – meist jüngerer – Internetnutzer gegen diese Pläne wurden von der Regierung
lange nicht ernst genommen. Der Medienforscher Martin Emmer von der Technischen Universität
(TU) Ilmenau: „Diese Pläne berühren Themen wie die Privatsphäre oder Zensur im Netz – für
junge Leute, die zum Teil wirklich fünf, sechs Stunden am Tag online aktiv sind, die sich da mit
ihren Leuten unterhalten, die einen Großteil ihrer sozialen Kontakten im Netz pflegen, für die sind
das schon sehr, sehr wichtige Themen. Für ältere Politiker, die das Netz nur ab und an nutzen,
ist das vielleicht nicht so nachvollziehbar.“
Phänomen Piratenpartei
Die Themen Internetsperren und Online-Überwachung wurden im Bundestagswahlkampf nur von
einer neuen Partei, der „Piratenpartei“, offensiv aufgegriffen. Mit ihrer zentralen Forderung nach
einem „freien Internet“ errang sie dann zwei Prozent, immerhin rund 850.000 Stimmen! Dabei
war die Piratenpartei noch 2008 nur Insidern ein Begriff. Von Anfang 2009 bis kurz nach der
Bundestagswahl konnte sie dann aber ihre Mitgliederzahl verzehnfachen, auf fast 10.000 Mitglieder. Das schnelle Wachstum hatte auch diesen Grund: Die Partei organisiert sich hauptsächDank Internet erfolgreich: die
lich über das Internet. Wer sich als neues Mitglied einloggte, konnte gleich vom heimischen
Piratenpartei
Computer am Wahl- und Parteiprogramm mitwirken und Wahlkampf organisieren, also sofort mitbestimmen und aktiv werden. Im Internet übertraf die Piratenpartei die großen Volksparteien
schnell um Längen! Im August 2009 besuchten nach einer Analyse von Google über 240.000
unterschiedliche Nutzer die Webseite der Piratenpartei. Die SPD folgt abgeschlagen auf Platz 2
mit 120.000 Nutzern. Dabei hatten auch die traditionellen Parteien viel in ihren Internet-Auftritt
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investiert, doch dort gab es weniger Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten, vor allem
beim Wahlprogramm selbst. Medienforscher Martin Emmer: „Bei den Altparteien war das klassische ‘Top-Down-Kommunikation‘, wie wir so schön sagen, es wurde von oben nach unten verteilt. Man denkt sich das in der Parteizentrale aus und dann wird es über alle Medien weiterverbreitet.“
Politische Blogs und Online-Petition
Um beim Thema Netzsperre im Internet Stellung zu beziehen, musste man aber nicht Mitglied
der Piratenpartei werden. In politischen Blogs diskutierten Netzsperren-Kritiker das Thema und
mögliche Aktionen dagegen – vor allem im Blog von Markus Beckedahl (netzpolitik.org), der dort
seit Jahren gegen Einschränkungen im Internet argumentiert. 2009 wurde netzpolitik.org zum
meistverlinkten Blog Deutschlands.
Initiatorin der Online-Petition:
Franziska Heine
Die Netzsperren-Gegner sind eng vernetzt. Vermutlich profitierte davon auch die Berlinerin
Franziska Heine, als sie im April 2009 ihre Online-Petition gegen Internetsperren einreichte.
Online-Petitionen können schon seit einigen Jahren beim Deutschen Bundestag eingereicht und
von Befürwortern mitgezeichnet werden. Doch die Zahl der Mitzeichner sprengte diesmal alle
Rekorde: Bereits vier Tage nach der Eröffnung der Zeichnungsfrist hatten 50.000 Befürworter die
Petition mitgezeichnet, und gegen Ende der Zeichnungsfrist sogar über 134.000. Bei 50.000
Befürwortern hat ein Petent das Recht, vom Petitionsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Sitzung angehört zu werden. Noch steht diese Anhörung aus (Stand Oktober 2009), doch
Franziska Heine weiß schon jetzt: „Wenn ich im Petitionsausschuss sprechen werde, ist es für
mich auf jeden Fall so, dass nicht nur ich in dem Raum bin, sondern auch alle 134.000 Leute, die
das mitunterschrieben haben.“ Medienforscher Martin Emmer: “Die neuen Möglichkeiten des
Netzes liegen darin, dass die Vielfalt der politischen Meinungen ein stärkeres Gewicht bekommen. Man muss sich jetzt nicht mehr hinter der roten oder schwarzen Fahne versammeln. Die
Menschen mit ihren individuellen Interessen können sich jetzt stärker zu Wort melden und auf
verschiedensten Wegen auf Politik Einfluss nehmen.“
Autor: Mike Schaefer
Zusatzinfos
Blog
Ein Webtagebuch oder Logbuch (das Wort ist eine Abkürzung des englischen „weblog“). Es enthält eine chronologisch sortierte Liste von Einträgen, die die Meinung, Kommentare, Erfahrungen
des Betreibers der Seite wiedergeben. Oft können die Einträge von Besuchern kommentiert werden, sodass sie dann einem Internet-Forum ähneln. Einige politisch orientierte Blogs könnten
auch als Internet-Zeitung beschrieben werden, da sie zusätzlich auch Informationen zu tagesaktuellen Ereignissen liefern.
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Per Web ins Weiße Haus
Barack Obama und sein Online-Wahlkampf
Er steht da und weint. Er weint still in sich hinein. Tränen laufen über sein Gesicht. Ein Finger
berührt zaghaft seine Zähne, so als wollte er seinen Atem spüren. Als wollte er spüren, ob denn
wahr ist, was gerade passiert oder ob er es doch nur träumt. Das Bild des weinenden Jesse
Jackson ging um die Welt. Es war der 4. November 2008. Barack Obama hatte gerade die Wahlen
zum US-Präsidenten gewonnen. In dessen Wohnort Chicago versammeln sich Hunderttausende
und warten euphorisch auf die erste Rede des Wahlsiegers. Mitten unter ihnen steht Jesse
Jesse Jackson ist überwältigt von
Jackson. Doch er ist nicht irgendein Unterstützer von Barack Obama. Jackson selbst hatte zwei-
Obamas Wahlsieg
mal bei den Präsidentschaftswahlen kandidiert. Und er war beide Male schon bei den Vorwahlen
Rechte: picture-alliance
der Demokraten gescheitert. Jetzt, genau zwanzig Jahre nach seiner letzten Kandidatur, wird sein
Traum vom ersten US-Präsidenten mit dunkler Hautfarbe doch noch Realität.
Neue Maßstäbe
Barack Obama hat einen überwältigenden Sieg eingefahren, einen historischen Sieg. Schon mit
seinem Wahlkampf hat er neue Maßstäbe gesetzt. Nicht nur, weil er den Menschen einen wirklichen Wechsel versprach. Sondern auch, weil er in seinem Wahlkampf das Internet nutzte, wie
kein anderer Kandidat vor ihm. Dabei verfolgte er von Anfang an eine klar durchdachte Strategie.
Experten sind sich einig: Die Rolle des World Wide Web für den Sieg von Barack Obama kann
nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Obamas Wahlsieg war das Ergebnis
eines klar durchdachten Wahlkampfes
– auch online
Die Hausaufgabe
Rechte: dpa
Schon Anfang 2007 geht seine Homepage www.barackobama.com ins Netz. Eigentlich nichts
Besonderes, denn ein solcher Auftritt im Internet gehört heute zu den Hausaufgaben eines jeden
ambitionierten Politikers. Und doch nutzt Obama seine Seite hervorragend, um sein Projekt
„Change“ – also „Wechsel“ – mit Inhalt zu füllen. Zu über 30 zentralen Themen, wie Bildung,
Gesundheit, Wirtschaft und Steuern, bezieht er dort klar Stellung und vergleicht jede seiner
Positionen mit denen seiner Kontrahenten. So ist seine Homepage für die ständig steigende Zahl
Barack Obama nutzte seine Homepage,
seiner Sympathisanten immer ein wichtiger Anlaufpunkt.
um zu zeigen, wie er sich den
Wechsel vorstellte
Die Innovation
Das wohl eindeutig wichtigste Instrument in Obamas Online-Kampagne ist die Seite my.barakkobama.com. Sie funktioniert wie andere soziale Netzwerke im Internet auch. Nur, dass sich auf
dieser Seite die Unterstützer von Barack Obama eintragen können. Über zwei Millionen Menschen
melden sich im Laufe des Wahlkampfes dort an, erstellen ein Profil und vernetzen sich untereinander. So haben sie die Möglichkeit, selbst für ihren Favoriten aktiv zu werden. Sie organisieren
lokale Wahlkampfveranstaltungen, schreiben E-Mails an potenzielle Unterstützer, sammeln und
In einem speziellen Netzwerk konnten
spenden Geld. Detailliert wird für jeden einzelnen Nutzer angezeigt, wie viele Menschen er ange-
sich Obamas Unterstützer online organisieren
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rufen hat, um für Obama zu werben, wie viel Geld er einsammeln konnte und an wie vielen
Haustüren er oder sie geklingelt hat, um von der Kandidatur des Demokraten zu berichten.
Experten nennen die Seite my.barackobama.com ”einen Quantensprung für die Führung politischer Kampagnen“.
An allen Fronten
Doch damit nicht genug. Obama ist in zwölf der meist genutzten sozialen Internet-Netzwerken
präsent. Allein bei Facebook bringt er es auf mehrere Millionen Unterstützer. So ist er die ganze
Zeit immer nur einen Mausklick von ihnen entfernt und kann jederzeit ohne großen Aufwand
direkt Kontakt mit ihnen aufnehmen. Und nicht nur auf diesem Wege. Insgesamt sammelt Obama
im Laufe seiner Kampagne 13 Millionen E-Mail-Adressen – und macht kräftig Gebrauch davon. Er
verschickt Informationen und reagiert blitzschnell auf neue Positionen oder Vorwürfe seiner
In der Online-Welt war Obama ständig
Konkurrenten. Den Empfängern dieser E-Mails vermittelt er so das Gefühl, ständig am Puls des
und überall präsent – und dadurch nah
Wahlkampfes und immer aus erster Hand informiert zu sein. Und er treibt auch das noch auf die
an seinen Wählern
Spitze: Über drei Millionen Sympathisanten werden von Obama über SMS angesprochen. So
erfahren sie über ihr Mobiltelefon manches Wichtige eher als die Pressevertreter. Als zum
Beispiel feststeht, dass Joe Biden sein Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten sein soll,
schickt Obama diese Neuigkeit zuerst als SMS durch die Vereinigten Staaten – erst danach als
Pressemitteilung. Seinen Unterstützern gibt er so das eindeutige Gefühl: „Ihr seid mir wichtig.
Also sollt ihr so etwas Wichtiges auch als Erste wissen.“
Fast überflüssig zu erwähnen, dass Obama natürlich auch auf Videoplattformen wie YouTube kräftig Werbung für sich macht. Mit über 1.800 verschiedenen Film(ch)en ist Obama ständig präsent.
Das liebe Geld
Obama konnte über das Internet
Für Obamas Wahlkampf ist aber nicht nur die enge Bindung zwischen ihm und seinen Anhängern
Hunderttausende dafür gewinnen, für
wichtig. Entscheidend ist, dass seine Unterstützer fleißig für den Wahlkampf spenden – und das
ihn aktiv zu werden
vor allem online. Insgesamt kann sich Obama über knapp 500 Millionen US-Dollar aus Online-
Rechte: dpa
Spenden freuen. Das sind gut zwei Drittel der insgesamt 750 Millionen US-Dollar, die ihm seine
Sympathisanten überweisen. Und dieses Geld kann der Demokrat in teure Werbekampagnen
investieren. So schaltet er fünf Tage vor der Wahl zur besten Sendezeit auf insgesamt sechs
Kanälen einen halbstündigen Werbespot, der die Wähler für ihn mobilisieren soll; offensichtlich
mit Erfolg. Darüber hinaus fordert er die Empfänger der E-Mails und SMS offensiv dazu auf, ihre
Nachbarn und Kollegen für ihn zu begeistern. Das tun diese dann auch fleißig und viele von ihnen
ziehen von Haustür zu Haustür und werben um Stimmen für Obama.
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Sicher ist: Barack Obama hat die Wahl nicht allein wegen seiner virtuosen Nutzung des Internets
gewonnen. Viele Amerikaner wollten nach acht Jahren Bush-Regierung unbedingt den politischen
Wechsel. Doch die Rolle, die das Internet bei der Mobilisierung der Wähler gespielt hat, kann
nicht hoch genug eingestuft werden.
Autor: Silvio Wenzel
Zusatzinfos
Facebook
Facebook ist das weltweit größte soziale Netzwerk im Internet. Über 200 Millionen Menschen aus
aller Welt haben sich dort registriert und ein Profil mit einem Foto und Informationen zu ihrer
Person eingerichtet. Wie andere soziale Netzwerke auch, bietet Facebook die Möglichkeit mit
Freunden, Bekannten, aber auch Fremden aus aller Welt einfach und schnell in Kontakt zu kommen oder zu bleiben. Viele der dort gesendeten Nachrichten haben den zweifelhaft hohen
Informationsgehalt wie “Habe heute ausgeschlafen“ oder “Mir ist langweilig“. Dennoch bieten
soziale Netzwerke eine gute Plattform, um viele Menschen zu vernetzen.
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Iran und die Twitter-Revolution
Die Rolle des Internets im blutigen Juni
Etwas schüchtern schauen sich die beiden jungen Frauen in dem Kölner Café um. Ihre Augen
mustern die Vorbeigehenden. Es ist zu spüren, dass diese Situation für sie keine alltägliche ist.
Sie treffen sich mit einem Journalisten. Wüssten dies die Behörden in ihrer Heimat, dann würden beide sofort verhaftet. Die beiden jungen Frauen leben in Teheran, der Hauptstadt des Iran.
Sie sind ungefähr Mitte zwanzig und gerade ein paar Tage zu Besuch in Deutschland. Sie waren
hautnah dabei – bei den Demonstrationen nach den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009. Sie
Die Tage nach der Wahl im Iran waren
haben die Energie gespürt, die Hunderttausende wild entschlossene – und wie sie sagen – fried-
geprägt von unglaublicher Gewalt
liche Demonstranten versprühen. Sie haben die Knüppel der Polizei nicht nur von weitem
Rechte: picture-alliance
gesehen. Sie haben das zischende Geräusch gehört, als die Schlagstöcke ihre Köpfe nur um wenige Zentimeter verfehlen. Sie haben die Schüsse gehört.
Viel ist geschrieben und gesagt worden über die Rolle des Internets in den unruhigen Tagen nach
der Wahl. Das Treffen mit den jungen Frauen gibt uns die Möglichkeit, aus erster Hand zu erfahren, wie es wirklich war. Hatte das Internet Einfluss auf die Bewegung, die sich gegen die Wahl
Ahmadinedschads zum Präsidenten des Iran wandte? Oder ist das alles nur Erfindung oder
zumindest Übertreibung westlicher Journalisten?
Große Unzufriedenheit
Die beiden jungen Iranerinnen geben uns einen Eindruck vom Iran vor der Wahl. Ahmadinedschad
ist seit vier Jahren Präsident. Vieles hat sich in dieser Zeit für die Menschen verschlechtert. Es
gibt sehr viele, willkürliche Verhaftungen. Die Sittenpolizei marodiert durch die Städte und geht
mit aller Härte gegen junge Frauen vor, die es wagen, moderne Stiefel zu tragen oder bei denen
ein wenig zu viel Haar unter dem Schleier hervorblitzt. Zahllose Firmen sind pleite, eine immense Inflation hat die Preise in die Höhe getrieben. Und: Ahmadinedschad hat durch seine Politik
Junge Iraner nutzen das Internet ganz
selbstverständlich
das Ansehen des Landes in der Welt stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Volk brodelt es. Viele
Menschen haben die Nase voll von ihm und seiner Politik. Vor allem in der Hauptstadt ist vor
der Wahl eine richtige Euphorie zu spüren. Die Menschen fühlen: Die Abstimmung könnte den
Präsidenten aus dem Amt befördern. Das alles erzählen die Frauen Quarks & Co.
Die Iraner sind ein junges Volk. Zwei Drittel der Menschen im Land sind jünger als 30 Jahre. Und
wie junge Menschen überall auf der Welt nutzen sie ganz selbstverständlich das Internet – so
auch in den Wochen und Monaten vor der Wahl. Sie koordinieren ihre Wahlkampfbemühungen
über das Netz, verabreden Kundgebungen und diskutieren miteinander.
Das Fass zum Überlaufen gebracht
Der Tag der Wahl. Ahmadinedschad wird im Amt bestätigt – mit zwei Dritteln der Stimmen. Doch
es gibt eindeutige Anzeichen für Wahlbetrug. Die Ungereimtheiten sind so auffällig, dass die
Menschen spüren: Da ist jemand im Hintergrund unzufrieden mit dem Wahlausgang und möchte nun das Ergebnis Hals über Kopf beeinflussen. Die beiden Iranerinnen können sich noch gut
an den Augenblick erinnern, als sie vom Ausgang der Stimmabgabe erfahren: “Als wir das
Wahlergebnis gehört haben, da war das wie ein Stromschlag. Sieg für Ahmadinedschad! Das
Ahmadinedschad wird schon in der
konnte einfach nicht sein. Eigentlich war schon klar, wo wir den Wahlsieg feiern wollten. Und
Nacht zum Sieger erklärt
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dann das! Wir waren so unglaublich wütend! Die ganzen nächsten Tage hat bei uns in der Firma
niemand gearbeitet. Alle haben immer nur nach Informationen gesucht: Was passiert gerade im
Land? Wo kann man sich treffen?“
Das Regime blockiert Telefon und Internet
Zunächst war das Internet die einzige Möglichkeit, an Informationen zu kommen. Noch am
Wahlabend legt das Regime das Mobilfunknetz lahm: erst keine SMS mehr, später auch keine
Telefonate. Das staatliche iranische Fernsehen zeigt Koch-Shows. Internationale Journalisten dürfen ihre Studios nicht mehr verlassen. Es gibt keine unabhängigen Bilder und Berichte mehr.
Doch die Iraner sorgen dafür, dass die Menschen im Land und in der ganzen Welt wissen, was
Kurze Nachrichten im Internet sind die
wirklich auf den Straßen passiert. Sie schicken kurze Nachrichten via Twitter und finden Tricks,
einzige Informationsquelle
wie man blockierte Webseiten doch erreichen kann. Mit Handy-Kameras drehen die Iraner Videos
von den Demonstrationen und stellen sie ins Netz – Fotos dokumentieren das Geschehen ebenso. Je länger die Proteste dauern, desto schärfer kontrolliert die Polizei, was auf den Handys
gespeichert ist. Und doch schaffen es viele der Fotos und Videos ins Netz und liefern so der
Weltöffentlichkeit einen Eindruck, was in den Straßen Teherans und überall im Iran passiert. Ob
die Fotos oder Videos allerdings echt oder gefälscht sind: Niemand kann es genau sagen.
Unvorstellbar mutig
Über diese Quellen erfahren die beiden jungen Iranerinnen, dass es Tote gibt. Sie sehen unterschiedliche Videos, nutzen mehrere Quellen und können so einschätzen, wem sie trauen können
und wem nicht. Das sagen sie uns. Eines dieser Videos, dessen Wahrheitsgehalt inzwischen
unzweifelhaft ist, ist jenes, dass die Ermordung der jungen Neda durch einen Polizisten zeigt:
“Das Video von Neda war ja nur eines von ganz vielen dieser Art. Na klar, da hätten wir Angst
bekommen können. Aber wir waren einfach so wütend. Da war gar kein Platz für Angst. Wir
Ohne die Bilder von Handy-Kameras
haben Hunderttausende auf den Demonstrationen erlebt und uns immer gesagt: Wir sind so
gäbe es keinen Eindruck von den
viele! Die können uns nicht alle verhaften!“
Ereignissen.
Rechte: imago-stock
Und sie sind sich sicher: Das Internet hat eine wichtige Rolle für die Menschen im Iran gespielt
“Nach den Wahlen sind bestimmt 60 Prozent der Kommunikation über das Internet abgelaufen:
E-Mails, Twitter, Nachrichtenportale. Ohne das Netz hätten wir viel seltener gewusst, wo etwas
los ist, wo die nächste Demo sein sollte. Und die Videos und Fotos im Netz haben nicht nur uns,
sondern auch euch gezeigt, wie das Regime mit dem eigenen Volk umgeht.“ Die Tage im Iran
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haben eines deutlich gemacht: Das Nachrichtenmonopol existiert nicht mehr. In der Vergangenheit konnten Regime in aller Welt immer ihre Version in die Welt posaunen. Doch durch
das Internet finden auch die wirklichen Nachrichten, Bilder und Videos ihren Weg in die Welt.
Autor: Silvio Wenzel
Zusatzinfos
Twitter
Auf der Internetseite Twitter kann jeder registrierte Nutzer Kurznachrichten mit maximal 140
Zeichen senden – entweder direkt aus dem Internet oder mobil, zum Beispiel via Handy. Eine
Twitter-Nachricht ist 20 Zeichen kürzer als eine SMS. Jeder kann schreiben, was er oder sie will.
Ob es denn stimmt, was da steht, weiß nur der Autor selbst.
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Der Google-Apparat
Wie die beliebteste Suchmaschine der Welt arbeitet
Milliarden Suchanfragen werden weltweit täglich in das Textfeld auf der Google-Startseite
getippt. Viele Nutzer geben überhaupt keine Internetadressen mehr in den Browser ein, selbst
wenn sie schon wissen, wo sie hin wollen. Sie starten ihre Reise ins Netz immer von Google
aus.
Wer sucht, wartet nicht länger als eine Zehntelsekunde vor dem Bildschirm, bis sich eine
Wie viele Internetseiten es gibt? Eine
der schwierigsten Fragen überhaupt
Trefferliste mit passenden Internetseiten für ihn aufbaut; und das bei einer kaum zu beziffernden
Flut von Informationen im Internet. Wie viele Webseiten es tatsächlich gibt, ist eine der schwierigsten Fragen überhaupt. Grobe Schätzungen von Experten belaufen sich auf eine Billiarde. Wie
kann das funktionieren? Google durchsucht nicht das ganze Netz nach Inhalten, die zum Suchwort
passen, sondern schöpft aus einem bestehenden Fundus von Webseiten. Den kann man sich vorstellen, wie eine riesige Bibliothek.
Gedankenleser der Suchmaschine: der „Query-Prozessor“
In dieser “Bibliothek” arbeitet unter anderem der sogenannte Query-Prozessor. Er sieht die Suchanfrage zuerst. Schon am Betriebssystem und Standort des Computers erkennt er, auf welche
Sprache sich die Anfrage beziehen könnte. Dabei nutzt er auch Tricks zur Identifikation der
Suchenden: Er parkt kleine Datenpakete, sogenannte Cookies, auf dem Nutzerrechner, die ihn den
einzelnen Computer bei jeder weiteren Suchanfrage wiedererkennen lassen. Er merkt sogar, wenn
man sich vertippt: Gibt man etwa “Qrks” in die Suchmaschine ein, stellt er die Frage: “Meinten
Der “Query-Prozessor“ macht den
Sie ‘Quarks’?”, obwohl er auch Treffer für die Buchstabenkombination “Qrks” hat. Hier profitiert
Unterschied zwischen den
der Query-Prozessor von seiner “Erfahrung”. Er kann sich denken, was der Nutzer sucht, weil
Suchmaschinen
schon Tausende Anfragen zuvor auf der Suche nach “Quarks” waren.
Die Query-Prozessoren haben einen immensen Einfluss auf die Qualität der Suchmaschine. Je
nachdem, wie viele Informationen sie aus der Anfrage ziehen, sind ihre Ergebnisse mal mehr und
mal weniger attraktiv für den Nutzer. Google hat sehr viele Nutzer. In Deutschland nutzen weit
mehr als 90 Prozent diesen Suchdienst. So baut Google seinen Erfahrungsschatz aus und die
Suchmaschine wird immer besser. Und je besser eine Suchmaschine weiß, wie ihre Nutzer ticken,
desto beliebter ist die Werbefläche neben der Trefferliste für Werbetreibende – und desto präziser ist sie auf den Suchenden zugeschnitten. Das macht Google so erfolgreich.
Roboter, die die Google-Bibliothek füttern: die „Crawler“
Alles, was sich im Google-Fundus befindet, wird von den sogenannten Crawlern in regelmäßigen Abständen aus dem Netz gefischt. Diese kleinen Programme durchsuchen Internetseiten auf
der ganzen Welt nach Informationen. Aber: Sie suchen nicht überall. Einige Inhalte haben sie gar
nicht auf dem Schirm: Verbotene Seiten, passwortgesicherte Inhalte und bestimmte Dateiformate
machen mehr als die Hälfte des Internets aus und die bekommt kein Crawler zu Gesicht. Experten
schätzen, dass selbst Google nur 50 Prozent des Internets kennt. Auf eine Seite stoßen die
Die “Crawler“ – unsichtbare Softwareprogramme durchsuchen das Internet
Crawler vor allem, indem sie Verlinkungen folgen. Dann besuchen sie sie regelmäßig. Populäre
Webseiten – wie www.quarks.de – werden häufig durchsucht; bei anderen kann es Tage dauern,
bis die Crawler eine Aktualisierung bemerken.
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Bibliothekar der Suchmaschine: der Indexer
Was die Crawler finden, übergeben sie im Google-System dem Indexer. Der Indexer ist so etwas
wie der Bibliothekar der Suchmaschine. Er archiviert die Fundstücke der Crawler. Dazu analysiert
er die Webseiten anhand von Informationen, die für den normalen Nutzer unverständlich sind,
und sortiert die Seiten systematisch ein: Er hat ein langes Verzeichnis von Suchwörtern, die wie
Wegweiser schon auf die Seiten zeigen, die zum eingegebenen Wort passen. Das beschleunigt
die Suche enorm.
Der Bibliothekar sortiert die Seiten
nach Suchbegriffen ein und findet sie
Nicht anders funktioniert das bei der Suche nach Wortkombinationen beziehungsweise „Phra-
hinterher wieder
sen“. Die behandelt Google genau so wie Suchwörter. Sucht man dagegen mit mehreren nicht
zu einer Phrase verbundenen Wörtern gleichzeitig, spuckt Google zunächst die Seiten aus, auf
denen die Wörter in unmittelbarem Zusammenhang stehen.
Und schließlich: die Reihenfolge der Treffer
Wie genau die Rangliste der Trefferseiten zustande kommt, weiß nur Google selber genau. Es
hat etwas mit dem Query-Prozessor zu tun und angeblich legt er über 100 Kriterien an eine Seite
an, die darüber entscheiden, ob sie ein guter oder ein schlechter Treffer wird. Bekannt und zentral für die Gewichtung ist der sogenannte Page-Rank-Algorithmus. Dadurch wird die Rangposition (englisch “page rank”) durch die Popularität der Seite festgelegt und die wiederum lässt
sich durch die Anzahl der Links erheben: Je mehr Links auf eine Seite zeigen, desto wichtiger ist
Je öfter von anderen Seiten auf die
sie und desto höher landet sie in der Trefferliste. Die ganze Sache ist vergleichbar mit einer
Seite verlinkt wird, desto wichtiger ist
Wahrscheinlichkeitsrechnung: eine Gleichung mit Milliarden Unbekannten, je nachdem, wie viele
sie nach Ansicht von Google
Seiten im Google-Index gespeichert sind. Das Ergebnis bildet die Wahrscheinlichkeit ab, mit der
ein durchs Internet surfender Mensch auf einer bestimmten Seite landen würde.
Für gewerbliche Internetseiten ist die Position in der Trefferliste bei Google besonders wichtig.
Sucht man zum Beispiel nach einem Pizzaservice in seiner Stadt, wird man meistens einen der
ersten fünf Treffer anklicken, die die Suchmaschine ausspuckt. Die, die danach kommen, haben
deutlich schlechtere Chancen, überhaupt angeklickt zu werden; selbst wenn sie die bessere Pizza
haben. Die Optimierung bei Suchmaschinen ist so zu einem eigenen Geschäftszweig geworden.
Und die Manipulation des Algorithmus weckt sportlichen Ehrgeiz: Seit 2002 finden Wettbewerbe
zur Optimierung von Suchmaschinenergebnissen statt. Ausgangspunkt ist immer ein Phantasiewort, für das es noch keine Suchergebnisse geben kann – wie etwa die „Hommingberger Gepardenforelle“. Besonders erfolgreich waren hier die Seiten, die den Suchbegriff in der WWW-
Seite 11
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Adresse haben, einen besonders ausführlichen Inhalt bieten und sehr viele sogenannte Backlinks
aufweisen – also zur Seite führende Links von anderen Seiten. Doch die Details der GoogleBewertung bleiben Betriebsgeheimnis.
Autorin: Katharina Adick
Zusatzinfos
Algorithmus
Ein Algorithmus ist ein Rechenverfahren, das schrittweise abläuft und nach einer begrenzten Anzahl von Schritten zu einem Ergebnis führt. Algorithmen sind die Denkstrukturen von Computern.
Cookie
Ein Cookie ist eine kleine Datei („Profildatei“), die durch ein Internetprogramm auf der Festplatte
die Identifikation des Nutzers ermöglicht. Die wird unter anderem dazu genutzt, um Daten des
Nutzers – also z. B. besuchte Seiten, Besuchsdauer, Vorlieben und so weiter – zu sammeln und
zu speichern.
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Der gläserne Google-Nutzer
Google weiß viel mehr über uns, als wir wissen
Wann haben Sie zum letzten Mal die Suchmaschine Google benutzt? Wissen Sie noch, wonach
Sie da gesucht haben? Falls nicht: Google weiß es bestimmt.
Und Google weiß immer mehr. Mit einer nicht enden wollenden Palette praktischer, kostenloser
Anwendungen legt das Unternehmen im Internet seine Köder aus. Durch die dabei gewonnen
Nutzerdaten macht Google das Geschäft.
Anwendungen wie „Google Street
View“ machen das Unternehmen
Mit der Suchmaschine begründeten Sergey Brin und Larry Page 1998 das Unternehmen Google.
attraktiv für Nutzer und jagen
Die geniale Idee, die Netzinhalte zu katalogisieren und mit Hilfe des sogenannten Page-Rank-
Datenschützern einen Schrecken ein
Algorithmus jedem Nutzer innerhalb von weniger als einer Sekunde eine Liste mit zur Anfrage
passenden Internetseiten zu servieren, hat Google für die Nutzer attraktiv gemacht. Und das
wiederum hat Werbekunden gelockt. Bei jeder Suchanfrage startet Google eine Auktion: Welcher
Anbieter am besten zur Suchanfrage passt und am meisten dafür zahlt, dessen Werbeanzeige
bekommt den Zuschlag. Im Gegensatz zu den Umsätzen mit herkömmlicher Werbung ist das
Geschäft wegen der hohen Anpassung der Anzeigen an den Nutzer trotz Wirtschaftskrise kaum
zurückgegangen. Google ist Marktführer bei der Online-Werbung und hat 2008 weltweit etwa
60 Prozent der Umsätze in diesem Segment erwirtschaftet. Aus dem studentischen Garagenunternehmen ist die börsennotierte Weltmacht im Internet geworden. Ihr Kapital: die Daten der
Nutzer. Datenschützer allerdings schlagen Alarm: Der Internetriese erfasse jeden und verfüge über
immer mehr Informationen.
Der Köder: Kostenloses für die Masse
Die Anwendungen, die Google anbietet, sind attraktiv und vielfältig: Google Street View bietet
die Möglichkeit, sich vor dem Urlaub schon mal die Lage des Hotels oder bei Wohnungsangeboten die Umgebung anzusehen – viel deutlicher als das mit den Satelliten-Aufnahmen von
Google Maps schon heute möglich ist. Mit der Komponente Latitude (Englisch für „Breitengrad“)
können Handys und ihre Nutzer in Echtzeit geortet werden. Picasa ist eine kostenlose Bildarchivierungssoftware mit einfachen Bearbeitungstools, über eine Gesichtserkennungsfunktion
Begeistert von Street View sind natürlich die Mitarbeiter von Google...
kann man die abgebildeten Freunde und Verwandte benennen und die Fotos danach sortieren.
Google Docs ist der Name eines Online-Textverarbeitungsprogramms. Programm und Dateien
bleiben hier auf den Computern von Google gespeichert – und nicht mehr auf der heimischen
Festplatte. Und auch an „23 and me“ hält Google Anteile. Der Dienst aus den USA erstellt nach
Einsenden einer Speichelprobe eine DNA-Analyse und klärt über mögliche Krankheitsrisiken auf,
die sich aus den Genen ablesen lassen. Und die Liste solcher Google-Anwendungen ließe sich
noch einige Seiten lang weiterführen.
Die Gefahr: die Summe der einzelnen Teile
Die Gefahr liegt in der Summe der einzelnen Informationen, die Google über seine Dienste sammelt. Mit jeder Suchanfrage speichert Google die IP-Adresse, das Suchwort, den Zeitpunkt und
wohin danach geklickt wurde. Das Suchverhalten wird mithilfe sogenannter Cookies erfasst und
gespeichert. Immerhin: Ausführlich und gut erklärt Google auf einer eigenen Seite, wie Cookies
deaktiviert werden (vgl. Linkliste). Das ist hilfreich für den Nutzer, der seine Daten schützen
Protest im Netz
möchte – wenn er denn davon weiß. Und auch aus den anderen Diensten zieht Google wert-
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volle Informationen: Die Daten der Bilder bei Picasa zeigen Google das genaue Datum der Aufnahme; durch die Verknüpfung mit GPS-Koordinaten erkennt es den Ort und mit der Anbindung
and das Google Mail-Adressbuch kennt Google auch die Personen.
Schon jetzt besteht die Gefahr des Datenmissbrauchs: „Mich macht besorgt, dass Google
mittlerweile so viele Geschäftsfelder abdeckt, dass dort eine unglaubliche Anzahl von Nutzungsdaten entsteht, die doch ein sehr genaues Bild davon zeichnen, für was ich mich interessiere
und wie ich mich verhalte.“ Diese Besorgnis teilt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar
mit einer wachsenden Anzahl von Internetnutzern. Der digitale Schatten werde gerade durch
Dienste wie Google Street View zum zusätzlichen Bewertungskriterium: Wo eine Person wohnt,
wo sie früher gewohnt hat, ob es sich dabei um eine schlechte oder eine gute Gegend handelt
und das Haus gepflegt ist – diese Informationen könnten darüber entscheiden, ob ein Geschäft
abgeschlossen, ein Kredit gewährt wird oder ob eine Bewerbung erfolgreich ist. Das könne nicht
zuletzt die soziale Schere größer werden lassen und uns bei allem technischen Fortschritt gesellschaftlich weit zurückkatapultieren.
Was Google mit den in seinen Rechnerparks gespeicherten Informationen in Zukunft machen
wird, ist eine andere Frage. „Der nächste Anbieter ist nur einen Klick entfernt“, so lautet Googles
Antwort auf alle Befürchtungen. Gemeint ist, dass das Unternehmen das Vertrauen der Nutzer als
die Quelle seines Kapitals nicht leichtfertig verspielen würde. Viele befürchten aber, die gewonnenen Daten könnten als stille Reserve dienen. Nach Abnehmern für dieses Gut müsste man sicher
nicht lange suchen: Arbeitgeber und Versicherungen hätten sicher Interesse daran, genauere
Einblicke in das Leben ihrer Angestellten und Versicherten zu erhalten.
Google beugt sich der chinesischen Internetzensur
Google ist mit seinen Nutzerdaten in eine monopolähnliche Position gekommen. In Deutschland
laufen über 90 Prozent der Suchanfragen über Google. Constanze Kurz vom Chaos Computer Club
weist auf die Gefahr einer solchen Marktstellung hin: „Natürlich ist so ein Monopol grade bei
Suchmaschinentechnologien immer gefährlich in Bezug auf die Steuerung von Informationen,
wenn sich nicht mehrere Anbieter durchsetzen, sondern die allermeisten Menschen zu Google
klicken.“
Bei Google China: keine Spur vom blutigen Militäreinsatz gegen die Bevölkerung
Diese Gefahr ist in China schon Realität geworden: Nach anfänglichem Zögern ist Google 2006
auch auf den chinesischen Markt vorgedrungen. Google ist ein börsennotiertes Unternehmen und
damit auch seinen Aktionären verpflichtet. Das Gewinnstreben steht an erster Stelle. Das zeigt
das Beispiel von Google in China sehr deutlich: Sucht man da nach dem “Platz des himmlischen
Friedens”, erscheinen Bilder vom Revolutionsführer und dem Kaiserpalast. Das sogenannte
Tian’anmen-Massaker von 1989, das bei allen anderen Suchmaschinen erscheint, bekommen die
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chinesischen Google-Nutzer nicht zu Gesicht. Sergey Brin zur einstigen Vision Googles: „Eine perfekte Suchmaschine wird alle Informationen auf der Welt verarbeiten und verstehen.“ Doch das
scheint nicht für alle Nutzer von Google, sondern in erster Linie für das Unternehmen selbst, zu
gelten.
Autorin: Katharina Adick
Zusatzinfos
Cookies
Cookies sind kleine Dateien zum Austausch von Daten. Sie speichern Passwörter, persönliche
Daten und welche Webseiten besucht werden. Außerdem erleichtern sie das Anmelden bei
Webseiten, können aber auch benutzt werden, um Nutzerprofile zu erstellen, die für die
Einblendung von Werbebannern hilfreich sind.
23 and me
Der Firmenname „23 and me“ (deutsch: „23 und ich“) bezieht sich auf die Tatsache, dass der
Mensch 23 Chromosomenpaare hat, die die Erbinformation tragen.
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Daten in der Rechner-Wolke
Das Internet soll den heimischen Rechner ersetzen
Das Internet gewinnt in unserer Gesellschaft immer mehr Bedeutung: Nachrichten, Videos und
Musik – fast alles findet man im Netz. Sogar zwischenmenschliche Kontakte werden immer öfter
durch elektronische Kommunikation in den sozialen Netzwerken wie Facebook, StudiVZ und XING
ersetzt. Geht es nach den großen Internetfirmen, sollen immer mehr Daten ins Netz wandern.
Wird das Internet womöglich den heimischen Rechner ersetzen? In manchen Köpfen der IT-Welt
gibt es in Zukunft nur noch einen Bildschirm mit Tastatur und Maus. Einzige Funktion des heimiNicht nur E-Mails – künftig sollen alle
schen Computers: Er muss einen Browser starten können.
Daten und Anwendungen online laufen
Speicherplatzmedien haben ausgedient
Alle Daten wandern künftig ins Netz, gespeichert auf Servern im Internet. Schon heute gibt es
zahlreiche Anbieter für Onlinespeicherplatz. Der große Vorteil: Dateien sind von überall verfügbar.
Von jedem Rechner könnte man auf seine Daten zugreifen – einzige Voraussetzung ist eine
Internetverbindung. Die Speicherung von Daten auf einem mobilen Speichergerät wird überflüssig; der USB-Stick hätte ausgedient. Bearbeitet man künftig seine Datei, wird diese automatisch
mit dem eigenen Rechner, dem Onlinespeicher und vielleicht sogar dem Mobiltelefon synchroniSpeicherplatz im Netz erleichtert die
siert. Ein Versions-Chaos oder ein mühsames Übertragen von dem einen auf das andere
Zusammenarbeit und verhindert
Speichermedium soll es nicht mehr geben. Ein weiterer Vorteil ist, dass auch andere auf die
Versions-Chaos
Daten zugreifen können, denn für jede Datei kann man auch eine Zugriffsberechtigung für weitere Personen einstellen. Die Arbeit einer Gruppe wird so effizienter, weil alle auf dieselbe Datei
zugreifen können.
Doch je mehr Daten ins Netz wandern, desto interessanter wird es für kriminelle Hacker. Der
Datenklau von einzelnen privaten Rechnern ist für Hacker unrentabel. Es sieht aber anders aus,
wenn künftig auf einem einzigen Server im Netz die Daten Hunderttausender User gespeichert
sind. Ein erfolgreicher Angriff auf den Server und schon hat man Tausende von Benutzerdaten.
Die Datensicherheit wird die größte Herausforderung für die Anbieter des Onlinespeicherplatzes
sein.
Softwarekauf im Laden wird Geschichte
Künftig könnte immer weniger Software im Geschäft erhältlich sein. Denn nicht nur die Daten,
auch die Software soll ins Netz wandern. Texte schreiben, Tabellen erstellen und Bilder bearbeiten – für jedes Programm wird es eine Online-Version geben. Software auf dem heimischen
Rechner wird nicht mehr benötigt. Einzig der Internetbrowser schafft die Verbindung zu den
Programmen.
Befinden sich Datei und Anwendung
Auch ständige Softwareaktualisierungen wird es künftig für den Benutzer nicht mehr geben. Die
im Netz, können mehrere Personen
Anbieter sorgen selbst dafür, dass ihre Programme auf dem neusten Stand sind, ob man will
gleichzeitig an einem Dokument
oder nicht. Das Problem dabei: Hat man sich gerade an eine neue Version gewöhnt, könnten sich
arbeiten
durch eine Aktualisierung die Funktionen ändern, verschieben oder ganz verschwinden.
Spannend wird auch die Frage der Finanzierung dieser Dienstleistungen. Bisher zahlte man einen
festen Preis im Handel und konnte die Programme so lange nutzen, wie man wollte. Künftig
könnte es eine Bezahlung nach Nutzung geben. Wird ein Programm häufig genutzt, sind monatliche Gebühren fällig. Dagegen könnte man eine Anwendung, die man nur zweimal im Jahr
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benötigt, für eine Tagespauschale bekommen. Wahrscheinlich sind auch Modelle, bei denen man
eine kostenlose Basisversion nutzen kann und nur für bestimmte Funktionen extra zahlt.
Auch heute schon befinden sich viele Programme im Netz. Die meisten sind durch Werbung
finanziert. Vorreiter ist der Suchanbieter Google, aber auch der Softwareriese Microsoft wird
Anfang 2010 eine Onlinevariante seines Office-Pakets zur Verfügung stellen.
Die Wolke, die alles vereint
Befinden sich die Daten und die Anwendungen im Netz, spricht man von „Cloud Computing“. Die
Wolke (englisch cloud) wird dabei als Synonym für das Internet verwendet. Dabei ist die Cloud
eigentlich recht bodenständig – gemeint sind damit Datenzentren, die über die ganze Welt verteilt und über das Internet miteinander verbunden sind.
Man kann in der Wolke nicht nur Speicherplatz und Anwendungen nutzen. Unternehmen können
Ohne Internetverbindung kommt man
auf einen eigenen teuren Serverpark verzichten. Denn auch heute schon kann man
nicht an seine Daten
Rechenleistung im Netz erwerben. Für Unternehmen bedeutet das eine höhere Flexibilität: Ist
mehr Rechenkapazität nötig, dann wird sie einfach gemietet. Hollywood macht es vor:
Spezialeffekte und Animationen kommen schon heute häufig „aus der Wolke“. Größter Anbieter
für Online-Rechenleistungen weltweit ist das Internetportal Amazon. Ursprünglich ein reiner
Buchhandel, wird Amazon jetzt ein Anbieter für Rechenkapazität im Netz.
Die IT-Branche ist sich einig: In der Cloud liegt die Zukunft. Und so ist es nicht verwunderlich,
dass immer mehr Firmen auf die Wolke setzen. Die Zahl der Anbieter steigt – jeder will sich einen
Platz in der neuen Internetwelt sichern. Durch schnelle Programmierung der Anwendungen
besteht aber die Gefahr von Programmierfehlern und so könnten Sicherheitslücken entstehen.
Daten, Anwendungen und Rechenleistung – alles im Internet verfügbar. Der heimische Rechner
könnte sich so auf einen Bildschirm mit Internetzugang reduzieren. Doch was passiert, wenn man
die Gebühren für ein Programm oder seine Online-Festplatte nicht bezahlt hat? Sperrt der
Anbieter den Zugang zu den eigenen Daten? Wie kommt man an die Dateien, wenn die
Internetverbindung nicht funktioniert? Fragen, auf die es heute noch keine Antwort gibt. Durch
Programmierfehler und zu wenig Erfahrungen werden noch einige „Kinderkrankheiten“ der Wolke
auf uns zukommen. Anfang Oktober 2009 kam es bei der Microsoft Tochterfirma „Danger“ (engl.:
Gefahr) zu einem schwerwiegenden Fehler. Danger verwaltet und speichert Daten von amerikanischen Mobilfunk-Kunden in der Wolke. Bei einem Umzug der Daten auf einen neuen Server gin-
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gen jedoch alle Nutzerdaten verloren, weil die Dateien auf dem alten Server gelöscht wurden,
aber nie auf dem Speicher des neuen Servers ankamen. Ob die Wolke den klassischen Rechner
ersetzen wird, bleibt also fraglich. Fest steht aber: Die Wolke wird einen bedeutenden Platz einnehmen.
Autor: Peter Krachten
Zusatzinfos
Server
Als Server bezeichnet man einen Rechner, der als Schnittstelle für viele weitere Computer genutzt
wird. Er kann als Speichermedium dienen oder Programme für andere Rechner ausführen.
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Geschichte des Internets
Eine kleine Zeitreise durch 40 Jahre Web-Historie
1957: Der „Sputnik-Schock“ und „DARPA“
Mit Sputnik 1 schicken die Sowjets den ersten Satelliten ins All. In den USA wächst die Sorge
vor einem nuklearen Raketenangriff. Die Amerikaner fühlen sich technologisch unter Zugzwang
und gründen die Agentur DARPA (“Defensive Adavanced Research Project Agency”) – eine
Behörde des US-Verteidigungsministeriums. Ein Ziel der Agentur wird sein, ein computergesteuertes Netzwerk zu entwickeln, um den Wissens- und Informationsaustausch zu beschleunigen.
Sputnik 1 – der erste Satellit im All
Rechte: akg images
1962: Das „Galactic Network“ von J. C. R. Licklider
Joseph Carl Robnett Licklider beschreibt das „Galactic Network“, eine frühe Vision des späteren
Internets. Der amerikanische Psychologie-Professor prägt die Entwicklung der amerikanischen
Informatik, beschäftigt sich mit Fragen der künstlichen Intelligenz und damit, wie man Computer
miteinander vernetzen könnte. 1962 gründet er eine wichtige Forschungsabteilung bei DARPA.
früher Visionär des Internets: J.C.R.
1966: Die Entwicklung des Arpanets
Licklider Rechte: NARA, National
Archives and Records Administration
Lawrence („Larry“) G. Roberts wird leitender Wissenschaftler bei DARPA und ist dort verantwortlich für die Entwicklung des Arpanets („Advanced Research Projects Agency Network“). Mit
dem Arpanet soll ein dezentrales Computernetzwerk geschaffen werden. Zunächst sollen einige
Universitäten in den USA verbunden werden.
Larry Roberts und die besten Computerexperten des Landes entwickeln bzw. nutzen dazu einige
völlig neue Technologien zur elektronischen Datenübertragung: etwa eine Netzkommunikation,
Lawrence G. Roberts, “Vater” des
die tatsächlich ohne steuernden zentralen „Supercomputer“ funktioniert. Neu ist auch das „pak-
Arpanets Rechte: NARA, National
ket switching“. Dabei werden Dokumente in kleine “Daten-Päckchen” aufgeteilt und erst dann
Archives and Records Administration
verschickt. Das Arpanet begann ab 1969 zu arbeiten, aber es wuchs zunächst nur langsam: 1982
waren erst 88 Institutionen (Universitäten, staatliche Behörden und so weiter) damit verbunden.
1969: Die erste Botschaft im Internet
Am 29. Oktober 1969 wird unter Leitung des Internet-Pioniers Leonard Kleinrock über das Internet
Schematischer Plan des Arpanets von
das erste Wort von einem Computer zu einem anderen übermittelt: das Wort „Login“. Beim
1982 Rechte: AP/ Private Collection
ersten Versuch stürzt der Computer schon beim dritten Buchstaben „G“ ab. Wenige Stunden später aber gelingt eine stabile Verbindung zwischen der Universität von Kalifornien in Los Angeles
und dem Stanford Research Institute in San Francisco. Dabei kommt der fast panzerschrankgroße „Interface Message Processor“ (IMP) zum Einsatz – ein technischer Vorfahre der heutigen
Router.
Leonard Kleinrock heute mit dem originalen “IMP” Rechte: AP, Matt Sayles
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1971: Das erste E-Mail-Programm
Ray Tomlinson präsentiert das erste E-Mail-Programm. Er war es auch, der das @-Zeichen als festen Bestandteil der E-Mail-Adresse einführte. Finanziell hat er von seiner Erfindung nicht profitiert
– dabei ist heute der elektronische Nachrichtenversand die weitestverbreitete Anwendung im
Internet.
Schmückt jede E-Mail-Adresse: das
1973: Das Internetprotokoll TCP
@-Zeichen Rechte: Image Source
Vint Cerf und Bob Kahn zählen zu den wichtigen „Vätern des Internets“. 1973 beginnen sie bei
der DARPA mit der Entwicklung des “Transmission Control Protocol” (TCP) (deutsch: Übertragungssteuerungsprotokoll). Das Protokoll wird später zum Standard für den Datenaustausch. Es
bietet viele Vorteile: Datenverluste werden erkannt und automatisch behoben, Datenübertragungen sind in beide Richtungen möglich, Netzüberlastung wird verhindert.
Wichtige “Väter des Internets”: Vint
Das Protokoll wird in den Folgejahren mehrfach überarbeitet, ermöglicht die Verbindung zwi-
Cerf... Rechte: WDR/dpa/Rehder
schen technisch unterschiedlichen Computer-Netzwerken und gilt als entscheidender Faktor beim
Aufbau des weltweiten Internets.
1984: Deutschlands erste E-Mail
Am 3. August 1984 um 10.14 Uhr erhält Michael Rotert an der Universität Karlsruhe die erste E...und Bob Kahn
Mail Deutschlands – mit dem Betreff „Wilkommen [sic!] in CSNET!“. Darin schreibt Laura Breeden
Rechte: ddp/Steffi Loos
von der US-amerikanischen Plattform CSNET aus Cambridge (Massachusetts): „Michael, This is
your official welcome to CSNET!“. Über ein Jahr hatte der Leiter des Projektes, Professor Werner
Zorn, gebraucht, um Bewilligungen einzuholen und technisch den Anschluss einzurichten. 2009
wurde in Karlsruhe der 25. Jahrestag dieser E-Mail groß gefeiert: mit einem 40 Quadratmeter großen Verkehrsschild: K@rlsruhe.
Michael Rotert mit Ausdruck der ersten
1989: Die Erfindung des World Wide Web
E-Mail Deutschlands vor JubiläumsSchild Rechte: dpa/Michael Latz
Tim Berners-Lee erfindet im Alleingang das „World Wide Web“. Den genialen Informatiker am
Schweizer Kernforschungszentrum CERN stört, dass die Computer im CERN, aber auch im Internet,
immer mehr Informationen anhäufen und Spezifisches dadurch immer schwieriger wieder auffindbar wird. So entwirft Berners-Lee das Konzept von Webseiten, die praktisch jeder mit
Browser-Programmen auf jedem Computer in der Welt leicht aufrufen und anschauen kann. Und:
Auf diesen Webseiten soll man mit Links gezielt Verbindungen zu Informationen auf anderen
Webseiten herstellen können. Die Erfindung von Tim Berners-Lee macht das Surfen im Netz erst
möglich: Nun können auch Laien „kinderleicht“ im Netz recherchieren. Das Konzept ist heute
Erfinder des World Wide Web: Tim
geläufig und selbstverständlich, doch Tim Berners-Lee musste lange für seine Idee werben, bis
Berners-Lee Rechte: picture-alliance
Kollegen und Experten die Tragweite seiner Erfindung überhaupt erst einmal verstanden.
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1993: Die ersten Internet-Browser
Der Browser „Mosaic“ wird in den USA vom „National Center for Supercomputing Applications“
(NCSA) herausgegeben. „Mosaic“ ist zwar nicht der allererste Webbrowser, aber der erste, der
massenhafte Verbreitung findet. Marc Andreessen und Eric Bina hatten ihn programmiert.
Andreessen gründet später zusammen mit dem Unternehmer Jim Clark die Firma „Netscape“ und
bringt den „Netscape Navigator“ heraus. Jim Clark soll den Start mit vier Millionen Dollar ermöglicht haben. Der überaus erfolgreiche Börsengang von Netscape ist legendär, einer der erfolgErfolgreicher Internet-Unternehmer:
reichsten der US-Wirtschaftsgeschichte. Clark soll dabei ein Vermögen verdient haben; er gilt als
Jim Clark
erster Internet-Milliardär. Dank der Internet-Browser beschleunigt sich das Wachstum des
Internets enorm.
1994: Die ersten Suchmaschinen
Die ersten Internet-Suchmaschinen wie „Lycos“ und „Yahoo!“ gehen an den Start, es folgen weiGoogle-Gründer Larry Page (links) und
tere wie „Alta Vista“ (1995) und „Google“ (1998). Google wurde von Larry Page und Sergey Brin
Sergey Brin Rechte: dpa
entwickelt. Da Google in Sachen Schnelligkeit und Relevanz seine damaligen Vorgänger übertrifft,
wächst Google rasch zu einer der mächtigsten Suchmaschinen heran.
1995: Quarks & Co geht online
Quarks & Co geht erstmals mit eigenen Webseiten ins Internet: „www.quarks.de“ ist online! Eine
So sah eine der ersten Quarks & Co-
der ersten Seiten beschäftigt sich mit dem Thema Internet: „Die Datenautobahn“.
Webseiten von 1995 aus. Das Thema:
die Datenautobahn
1999: “Highspeed-Internet” in Deutschland
In Deutschland werden die ersten DSL-Breitband-Internetverbindungen (Digital Subscriber Line,
„digitaler Teilnehmeranschluss“) von der Deutschen Telekom freigeschaltet. In NordrheinWestfalen zählen Bonn, Köln und Düsseldorf zu den ersten Städten mit „Highspeed-Internet“. Die
schnelleren Verbindungen machen nun auch das Aufrufen und Herunterladen größerer Dateien
(zum Beispiel Videos) komfortabel. 2008 waren knapp 28 Millionen Haushalte in Deutschland per
DSL Modem – das Tor zum
DSL mit dem Internet verbunden.
“Highspeed-Internet”
Rechte: imago stock & people
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2003: Web 2.0
In der US-Ausgabe eines Fachmagazins für IT-Manager („CIO“) wird der Begriff „Web 2.0“ von
Scott Dietzen einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und danach von vielen Fachautoren weiter
genutzt. Erfunden wurde der Begriff wahrscheinlich von Darcy DiNucci, die ihn 1999 in einem
Artikel zur Beschreibung ihrer Vision der Internetzukunft nutzt. „Web 2.0“ beschreibt allerdings
kein technisch grundlegend neues Netz, sondern eine veränderte Nutzung und Wahrnehmung
des Internets. Dass auch einfache Benutzer das Internet interaktiv nutzen, Inhalte einstellen, als
Interaktiv: das Web 2.0
Produzent auftreten und sich weltweit mit gleichgesinnten Nutzern vernetzen können, wird dabei
als neue Qualität gesehen. Neue Webdienste für Videos, soziale Netzwerke, Blogs und so weiter
haben tatsächlich den Alltag vieler Internetnutzer verändert. Da diese Dienste aber immer noch
auf den bewährten „alten“ Internettechnologien aufbauen, wird der Begriff „Web 2.0“ von einigen Internetpionieren kritisch gesehen.
Autor: Mike Schaefer
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Lesetipps
Das Google-Imperium
Autor:
Lars Reppesgard
Verlagsangaben: Murmann, Hamburg 2008
ISBN:
978-3-86774-046-3
Sonstiges:
240 Seiten, 19,90 Euro
Der Autor ist Journalist und berichtet von Google als Firma und Prinzip. Er beschreibt die faszinierende Geschichte vom Aufstieg des Unternehmens aus der Garage zur teuersten Marke der
Welt. Vor allem aber stellt er die dunkle Seite dieser Marktmacht, insbesondere hinsichtlich des
Datenhungers, dar.
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Linktipps
netzpolitik.org – der Blog von Markus Beckedahl
http://www.netzpolitik.org
Markus Beckedahl bezeichnet seinen 2002 gegründeten politischen Blog als “Plattform für
Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter”. Der Blog wurde mehrfach ausgezeichnet und war
2008 auch für den Grimme Online Award nominiert. 2009 war netzpolitik.org der meistverlinkte
Blog Deutschlands.
Online-Petitionen beim Deutschen Bundestag
https://epetitionen.bundestag.de/
2005 führte die rot-grüne Koalition die Online-Petition als Ergänzung zur schriftlichen Petition per
Brief ein. Bei der Online-Petition wird das Anliegen und der Name des Einreichenden auf der offiziellen Webseite des Bundestages eingestellt und kann von Befürwortern mitgezeichnet und von
Nutzern der Seite in einem Forum kommentiert und diskutiert werden. Ab 50.000 Unterstützern
in den ersten drei Wochen nach Veröffentlichung der Petition darf der Petent in einer öffentlichen
Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestages sein Anliegen persönlich vortragen.
Suchmaschine Metager
www.metager.de
Eine deutsche Alternative, entwickelt an der Universität Hannover. Sogenannte Metasuchmaschinen fragen gleichzeitig die Ergebnisse mehrerer Suchmaschinen ab.
Suchmaschine Forestle
www.forestle.de
Eine Alternative zu Google – „ökologisch wertvoll“. Der Betreiber dieser Seite führt seinen
Gewinn dem “Adopt an Acre”-Programm der Organisation “The Nature Conservancy” zu – nach
Abzug von zehn Prozent Verwaltungsgebühr. Diese verwendet die Einnahmen zur nachhaltigen
Bewahrung bedrohter Regenwaldgebiete.
Suchmaschine Hunch
www.hunch.com
Bisher nur auf Englisch verfügbar: eine Entscheidungshilfe für den Alltag. Schritt Eins auf dem
Weg zum ganz persönlichen Suchergebnis. So kann man entscheiden, welches Haustier zu einem
passt oder ob man sich mal wieder die Haare schneiden lassen sollte. Der Nutzer bekommt
Fragen zu seinem Thema gestellt, über deren Beantwortung er sich seiner Entscheidung nähert.
Die Fragen wurden zuvor von anderen Hunch-Nutzern formuliert. Die Maschine setzt also auf die
Nutzergemeinschaft. (Hunch ist Englisch und bedeutet soviel wie Ahnung, Intuition.)
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http://www.quarks.de
Suchmaschine Wolframalpha
www.wolframalpha.com
Die Antwort auf alle berechenbaren Fragen verspricht diese Maschine von Stephen Wolfram. Auf
die Anfrage im Textfeld gibt es nicht eine Trefferliste mit vielen Verweisen ins Netz, sondern
gebündelt alle Informationen, die in den Datenbanken zu diesem Suchbegriff vorhanden sind.
Und: Die Maschine “denkt mit”: Die Zahlenreihe “2, 3, 5, 7” erkennt die Maschine als Primzahlen
und setzt die Reihe zum Beispiel selbstständig fort. Außerdem bietet es auch das Ergebnis der
Addition dieser Zahlen an! Auf die Eingabe von H2SO4 erscheint die Abbildung eines
Schwefelsäuremoleküls. Interessant für alles, was mit harten Fakten aus den klassischen
Naturwissenschaften zu tun hat.
Weg mit den Cookies
http://www.google.de/privacy_ads.html
Hier zeigt Google selbst, wie man Cookies deaktivieren kann.
Eine Woche ohne Google
http://www.eine-woche-ohne.de
Webblog eines Journalisten mit vielen Hinweisen zu alternativen Suchmaschinen und weiterführenden Links zum Thema „Datenschutz und Google“.
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http://www.quarks.de
Linktipps zu Cloud-Programmen
Für fast jede Software gibt es bereits eine Online-Alternative. Quarks & Co hat eine Liste mit
Cloud-Programmen zusammengestellt.
Grafikbearbeitung
http://pixlr.com
Mit Pixlr können Sie Grafiken bearbeiten oder neu erstellen. Der Service ist kostenlos und bietet sogar mehrere Bearbeitungs-Ebenen an.
Fotos bearbeiten
http://fotoflexer.com/
Mit Fotoflexer können Sie Ihre Urlaubsfotos bearbeiten.
Animationen erstellen
http://goanimate.com
Mit goanimate können Sie schnell eigene kleine Animationen erstellen.
Texte und Tabellen
http://docs.google.com
Mit dem kostenlosen Google-Dienst können Sie Tabellen und Texte bearbeiten und online speichern. Auch die Möglichkeit einer Zugangsberechtigung für Freunde und Bekannte ist gegeben.
Onlinespeicherplatz
http://skydrive.live.com/
Microsoft bietet mit seinem Dienst skydrive jedem die Möglichkeit, bis zu 25 GB an Daten im
Internet zu speichern.
Bürosuite
https://www.acrobat.com
Acrobat bietet auf seiner Internetpräsenz eine Vielzahl von Anwendungen; Textbearbeitung,
PDFs erstellen, Onlinespeicherplatz und Videochat. Natürlich können Sie auch hier alle Dateien
mit anderen Menschen teilen.
Zoho
http://www.zoho.com/
Zoho bietet eine unzählige Liste von Online-Bearbeitungsmöglichkeiten an. E-Mail, Texte,
Tabellen, Präsentationen, Chat, Kalender und mehr
Microsoft Office
http://workspace.officelive.com/de-DE/
Noch sind nicht alle Funktionen freigeschaltet, aber hier können Sie einen ersten Blick auf die
kommende Online-Version des Office-Pakets wagen.
Übersichtsseite mit weiteren Programmen zum Cloud Computing
http://trendpiraten.tv/2009/03/cloudcomputing-ausprobieren/
Auf dieser Übersichtsseite findet sich eine Vielzahl weiterer Cloud Computing-Seiten.
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http://www.quarks.de
Impressum:
Herausgegeben
vom Westdeutschen Rundfunk Köln
Verantwortlich:
Quarks & Co
Claudia Heiss
Redaktion:
Stephan Witschas
Gestaltung:
Designbureau Kremer & Mahler
Bildrechte:
Alle: © WDR
außer: bezeichnet
© WDR 2009
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